Beilage zum Jahresbericht 2008 - Stiftung Schloss Regensberg
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nicht nur wie eine Nymphe in ihrem Leben stehen<br />
wollte, diese aber sehr gerne spielte. Innerlich regte sich<br />
eine andere Energie, gewissermassen als Gegenpol zur<br />
Nymphe. Es gab für Agate plötzlich ganz konkret eine<br />
andere Seite, die sie spürte, die sie im Improvisationstheater<br />
auch ausprobieren wollte. Es war eine kräftige,<br />
befehlende, führende und laute Seite. Die zarte, feine<br />
Rolle hat Agate nach wie vor gefallen. Ihre Seele hat<br />
bei der künstlerischen Arbeit die andere Seite gesucht<br />
und gefunden. Diese Rolle wurde nicht in einem Stück,<br />
aber im Theaterkurs mehrfach gespielt von ihr. Mit<br />
dieser Seelenenergie und der Freude am Rollenausprobieren<br />
schaffte sie es, in einem Vorstellungsgespräch<br />
nach mehrfacher vorgängiger Enttäuschung überzeugend<br />
aufzutreten. Sie arbeitete in der Schule konzentrierter,<br />
beseelt davon, dass sie wertvoll ist in der Theatergruppe<br />
mit ihren neu entdeckten Seiten.<br />
EINE ZWEITE GESCHICHTE:<br />
Kevin war gerade acht geworden, als er im Schultheater<br />
mit seinen Klassenkameraden das Weihnachtsspiel<br />
aufführen durfte. Da er dermassen schlecht in Deutsch<br />
war und als Ausländerkind viel nachzuarbeiten hatte,<br />
beschlossen die Eltern, das Kind aus Zeitgründen für<br />
das Weihnachtsspiel zu dispensieren. Kevin hätte den<br />
König Balthasar mit einem Kollegen in der gleichen<br />
Rolle teilen sollen, so dass dieser Kollege nun alle Aufführungen<br />
als Balthasar bestreiten sollte. Der Regisseur<br />
fand dies keine gute Idee und setzte sich den Eltern<br />
gegenüber durch. Kevin blieb.<br />
Kevin lernte seine Texte auswendig, der fremdsprachige<br />
Akzent passte gut <strong>zum</strong> «ausländischen» König,<br />
der von weit her kam. Er spielte seine Rolle mit Würde<br />
und grosser Hingabe. In der deutschen Sprache und<br />
zwei anderen Fächern konnte er sich im darauf folgenden<br />
Zeugnis um eine ganze Note im Durchschnitt<br />
verbessern!<br />
5<br />
Was war hier geschehen? Kevin erlebte in seiner Rolle<br />
die Wichtigkeit der Sprache insgesamt. Zudem spürte<br />
er die Bewegung der Integration, indem er als Ausländer<br />
nicht nur einigermassen akzeptiert war, sondern<br />
einen wichtigen Mann, einen König, verkörperte, ohne<br />
den das Spiel nicht hätte gespielt werden können. Er<br />
erfuhr über das Zusammenspiel das Aufeinander-angewiesen-Sein<br />
und nahm damit eine Wertschätzung auf,<br />
die ihn innerlich stärkte und heilte. Seine Ressourcen<br />
wurden frei, es wurde durch diese emotionale Quelle<br />
ein genereller Nachreifungsprozess angestossen.<br />
Diese beiden einfachen Geschichten führen uns zu einigen<br />
zentralen Gedanken das Theater betreffend, die<br />
wir Sozialpädagogen und Psychologen uns gerade im<br />
Zusammenhang mit den Kindern und Jugendlichen in<br />
<strong>Regensberg</strong> machen können.<br />
1. THEATER ALS GRUNDERFAHRUNG<br />
Die Übernahme irgendeiner Rolle bedeutet, dass die<br />
seelischen Strebungen, Gefühle, Gedanken und Haltungen,<br />
die zu dieser Figur gehören, zuerst gründlich<br />
reflektiert werden. Wer ist diese Person, die gespielt<br />
wird? Welche Gefühle hat sie in welchen Situationen?<br />
Anschliessend wird die Rolle gelernt, gespielt, im Zusammenspiel<br />
einstudiert und vollumfänglich im Körper<br />
erlebt. Dieses Erlebnis wirkt auf den emotionalen<br />
Haushalt des Kindes über den Kanal des eigenen Körpers<br />
zurück und stösst wichtige Entwicklungsschritte<br />
an, die ihm meistens bis zu dem Zeitpunkt fremd gewesen<br />
waren.<br />
2. NEUE ENTWICKLUNGSSCHRITTE<br />
Der Jugendliche erlebt sich in einem Theaterensemble<br />
als positives, wichtiges und in jedem Fall erwünschtes<br />
(Rolle) Mitglied, von dem aber auch etwas erwartet<br />
wird. Der Jugendliche ist ein Teil des Projektes, verbindlich<br />
verknüpft und im Spiel vielfältig einbezogen.