Auf der Suche nach dem Konsens: Das Spannungsfeld ... - KWF
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<strong>Auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Suche</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Konsens</strong>:<br />
<strong>Das</strong> <strong>Spannungsfeld</strong> Waldbau, Naturschutz, Waldarbeit und Arbeitssicherheit im<br />
naturnahen Wald<br />
Seminarbericht von Klaus Heil und Jörg Hartfiel<br />
<strong>Auf</strong> Anregung des <strong>KWF</strong>-<br />
Arbeitsausschusses "Mensch und<br />
Arbeit" diskutierten am 8. und<br />
9.10.2002 mehr als 30 Teilnehmer<br />
aus allen Bundeslän<strong>der</strong>n in<br />
Neuhaus (Solling) über dieses<br />
Thema. Es ging darum, für den<br />
Zielkonflikt zwischen naturnaher<br />
Forstwirtschaft mit<br />
Naturverjüngung und stehen<strong>dem</strong><br />
sowie liegen<strong>dem</strong> Totholz<br />
einerseits und Arbeitssicherheit<br />
bei Bestandespflege und<br />
Holzernte an<strong>der</strong>erseits Lösungen zu suchen. Eine gute Voraussetzung dafür, dass<br />
dies gelingen könnte, war die Tatsache, dass kompetente Vertreter des Waldbaus,<br />
des Naturschutzes, <strong>der</strong> Waldarbeit und <strong>der</strong> Arbeitssicherheit gemeinsam an einem<br />
Tisch saßen und ebenso gemeinsam vor den selben Waldbil<strong>der</strong>n standen.<br />
Für die gastgebende nie<strong>der</strong>sächsische Landesforstverwaltung begrüßte FD Dr.<br />
Schmidt-Langenhorst als für die Waldarbeit zuständiger Referatsleiter die Teilnehmer.<br />
Nach einer kurzen Einführung in die Problematik durch den Obmann des Ausschusses,<br />
Prof. Klaus Heil, folgten zwei grundlegende Vorträge:<br />
"Habitatbaum- und Totholzmanagement im Forstbetrieb."<br />
RD Christoph Broda, Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten,<br />
sprach über "Habitatbaum- und Totholzmanagement im Forstbetrieb." <strong>Auf</strong>bauend<br />
auf den Waldbaugrundsätzen für den bayerischen Staatswald mit <strong>dem</strong><br />
Grundsatzziel, die biologische Vielfalt <strong>der</strong> Waldökosysteme zu erhalten bzw. zu erhöhen,<br />
machte <strong>der</strong> aus <strong>dem</strong> Naturschutz kommende Referent sehr ausgewogene<br />
und praktikable Vorschläge für den Schutz von Habitatbäumen und Totholz. Der Leitsatz<br />
lautete "Die Abwehr konkreter Unfallgefahren und Waldschutzrisiken hat Vorrang<br />
vor ökologischen Zielsetzungen." Ein klares Votum für die Holznutzung als <strong>der</strong>zeit<br />
wichtigste Einnahmequelle <strong>der</strong> Forstbetriebe - aber auch für Konzepte, die trotz<br />
Nutzung zielstarker Bäume den Schutz von Habitatbäumen und Totholz sicherstellen.
"Sicherheitsprobleme beim Fällen starker Bäume aus Naturverjüngungen."<br />
2<br />
LFD Prof. Dr. habil. Gisbert Backhaus, Versuchs- und Lehrbetrieb für Waldarbeit<br />
und Forsttechnik beim Hess. Forstamt Weilburg, berichtete über "Sicherheitsprobleme<br />
beim Fällen starker Bäume aus Naturverjüngungen." Vom Referenten und von<br />
Mitarbeitern des Lehrbetriebes in hessischen Forstämtern durchgeführte Sicherheitsanalysen<br />
deckten gravierende Sicherheitsmängel auf, die sicher auch in Betrieben<br />
außerhalb von HESSENFORST zu finden sind. Um sie für den hier diskutierten Bereich<br />
abzustellen, wurde u.a. das "Weilburger Laubstarkholz-Erntesystem" entwickelt,<br />
das die beson<strong>der</strong>en Risiken berücksichtigt, denen Waldarbeiter beim Fällen von<br />
Starkholz im Laub ausgesetzt sind. Neben <strong>dem</strong> frühen Einschlagstermin vor Laubabfall,<br />
geht es vor allem darum, die Zunahme <strong>der</strong> Trockenäste in den Baumkronen<br />
und den erhöhten Totholzanteil in den Laubholzbeständen als Gefahrenquellen zu<br />
berücksichtigen. Die Zweimannrotte bringt die Bäume mit Seilunterstützung zu Fall<br />
und hat dadurch die Möglichkeit, den Gefahrenbereich ohne Hektik zu verlassen.<br />
Neben <strong>der</strong> Möglichkeit, über Helmfunkgeräte ständig zu kommunizieren, sind zwei<br />
Schubstangen für das hohe Anbringen des Seiles am Baum ein wichtiges Ausrüstungsdetail.<br />
Sie wurden aus <strong>dem</strong> Teleskopgestänge <strong>der</strong><br />
Silkysäge entwickelt und oben mit einer eigens dafür<br />
entwickelten "Weilburger Seilschubhilfe" ausgestattet.<br />
Als Anschauungsobjekte waren vom Nie<strong>der</strong>sächsischen<br />
Forstamt Fürstenberg mehrere Waldbil<strong>der</strong> vorbereitet, mit<br />
denen es gelang, die ganze Bandbreite des Themas am<br />
praktischen Beispiel zu verdeutlichen. Die Diskussion über die<br />
Vorträge wurde deshalb bewusst in den Wald verlegt, in <strong>dem</strong><br />
FD Christian von Prollius als Forstamtsleiter, FA Andreas<br />
Helms als zuständiger Revierleiter und FA Peter Martensen als<br />
Funktionsbeamter für den Naturschutz die Teilnehmer herzlich<br />
begrüßten. Nach ausgiebiger Diskussion ging es zurück in den<br />
Saal, in <strong>dem</strong> am zweiten Tag zwei Arbeitsgruppen versuchten, das Gesehene und<br />
Gehörte mit den Erfahrungen <strong>der</strong> Gruppenmitglie<strong>der</strong> zu verbinden und zu Empfehlungen<br />
zu verdichten.<br />
Fogerungen und Empfehlungen:<br />
Habitatbaum- und Totholzmanagement<br />
Die Einrichtung eines Management-Systems sollte in drei Schritten erfolgen:<br />
1. Schaffung einer räumlichen Zonierung<br />
2. Festlegen von Behandlungsregeln<br />
3. Erstellen eines Monitoring Systems<br />
Zu diesen drei Schritten werden im folgenden einige Denkansätze gegeben<br />
1. Räumliche Zonierung
Zone 1:<br />
Verkehrssicherungspflichtige Anlagen<br />
(z.B. Wege, Strassen, Spielplätze,<br />
Parkplätze u.ä.)<br />
Handlungsanleitung:<br />
Keinen Totholz- bzw. Habitatbaumbereich<br />
ausweisenund regelmäßig <strong>der</strong><br />
Verkehrssicherungspflicht <strong>nach</strong>kommen.<br />
3<br />
Zone 2:<br />
Wald, <strong>der</strong> nicht in Zone 1 liegt, mit<br />
Ausnahme von Naturwaldbereichen.<br />
Handlungsanleitung:<br />
Auswahl von "Habitatbaumbereichen" und / o<strong>der</strong><br />
"Totholzbereichen". Frühzeitige Auswahl und Kennzeichnung durch den<br />
Revierleiter <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> jeweiligen landesspezifischen Konzept, z.B. mit<br />
deutlich sichtbaren, lange erkennbaren Risserzeichen.<br />
Im Zuge <strong>der</strong> forstlichen Bewirtschaftung zufällig entstandene Bereiche<br />
werden ebenso behandelt.<br />
Beson<strong>der</strong>s zu betonen ist, dass die in Zone 2 ausgewählten Bereiche nicht<br />
wie Naturwäl<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Nationalparke als Dauerreservat angesehen werden. Es<br />
muss möglich bleiben, sie später wie<strong>der</strong> in die normale Bewirtschaftung ein<br />
zubeziehen.<br />
2. Behandlungsregeln<br />
a) Differenzierung<br />
• <strong>nach</strong> Baumarten Buche, Eiche, Nadelholz (Buche gefährlich, Eiche und Nadelholz<br />
Forstschutzprobleme);<br />
• <strong>nach</strong> Art <strong>der</strong> forstlichen Arbeiten (Holzernte ist gefährlicher als Pflanz- o<strong>der</strong> Pflegearbeiten).<br />
b) Entfernen von Gefahrenquellen außerhalb von Habitatbaumbereichen<br />
• <strong>Das</strong> Entfernen von Totholz und/o<strong>der</strong> Habitatbäumen im Zuge von Durchforstungen<br />
o<strong>der</strong> Zielstärkennutzung ist zugelassen, wenn von diesen eine Gefahr ausgehen<br />
könnte.<br />
Es entsteht durch diese Behandlungsregeln natürlich kein gefahrenfreier Wald!<br />
Eine Risikobeurteilung muss vom Revierleiter o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> ausführenden Rotte in<br />
je<strong>dem</strong> Fall vorgenommen werden.<br />
<strong>Das</strong> Beseitigen <strong>der</strong> Gefahrenquellen ist mit verschiedenen Maßnahmen möglich:<br />
Aktiv Umziehen, Fällen, Sprengen<br />
Passiv zeitliche Entzerrung, d.h., wenn kein Eingriff geplant ist, erfolgt auch keine<br />
Maßnahme.<br />
So sollen reine bzw. spezielle Verkehrssicherungshiebe vermieden werden.
3. Monitoring<br />
1. Eine Zielvorgabe ist notwendig (z.B. Waldbauerlasse, Merkblätter zu Habitatbaumbereichen,<br />
Merkblätter zur Arbeitssicherheit).<br />
4<br />
2. Eine Erfolgskontrolle ist erfor<strong>der</strong>lich (z.B. Betriebsanalysen, Exkursionen, Forsteinrichtung).<br />
Diese Maßnahmen sollen helfen, das aktive Handeln <strong>nach</strong> außen zu dokumentieren<br />
und <strong>nach</strong> innen eine Wertschätzung aufzubauen.<br />
Starkholzfällungen in Naturverjüngungsbeständen<br />
Der bearbeitende Arbeitskreis hat seine Ergebnisse in einer sehr detaillierten Gefährdungsmatrix<br />
zusammengefasst, die im Folgenden abgebildet ist:<br />
Mögliche Maßnahmen<br />
<strong>nach</strong> entsprechen<strong>der</strong><br />
Gefährdungsbeurteilung<br />
Senkrechte Bäume<br />
Vorhänger<br />
Rückhänger<br />
Seitenhänger<br />
Organisation<br />
(gilt für alle vorgenannten<br />
Bereiche)<br />
Ohne Totholz Totholz in <strong>der</strong> Krone<br />
2 – Mann – Fällung<br />
Standard-<br />
Arbeitsverfahren (EST)<br />
Prüfen, ob eine Gefährdung<br />
durch das<br />
Keilen auftreten kann<br />
Alternativen: Schlepper<br />
mit Seilwinde, hydrau-<br />
lische Fällhilfen<br />
Schneidetechnik "Vorhänger"<br />
Stechschnitt / Herzschnitt<br />
ggf. Stammpresse<br />
Einsatz technischer Hilfsmittel:<br />
Seilunterstützung, z.B. Weilburger Laubstarkholz-<br />
Erntesystem<br />
Gefährdungsbeurteilung<br />
(zunehmende Gefährdung<br />
= zunehmen<strong>der</strong><br />
Technikeinsatz)<br />
Auszeichnen<br />
(Gefahrenbereich beurteilen)<br />
Kennzeichnen<br />
(Habitatbaumbereiche)<br />
Hydraulischer Fällheber<br />
Schriftlicher Arbeitsauftrag<br />
/ Zielvereinbarung<br />
Gewährleistung <strong>der</strong><br />
Sicht- und Rufverbindung<br />
durch zeitliches<br />
Abstimmen und<br />
regelmäßigen Kontakt<br />
zwischen Rotte und<br />
Rücker (Handyund/o<strong>der</strong>Sprechfunkeinsatz)<br />
Regelmäßige Qualitätskontrolle<br />
Stehendes Totholz<br />
im Fallbereich,<br />
im Arbeitsumfeld<br />
Größeren Gefahrenbereich<br />
beachten<br />
Gefährdendes Totholz<br />
vorher entnehmen<br />
Technik je <strong>nach</strong> Einzelfall,<br />
im Laubholz<br />
Umziehen mit Seilunterstützung<br />
Kein Arbeiten unter<br />
gefährden<strong>dem</strong> Totholz<br />
Ausreichende Rückweiche<br />
(mindestens 7<br />
m; ohne Rücksicht auf<br />
vorhandene Naturverjüngung)<br />
Hier sind, je <strong>nach</strong> vorliegen<strong>dem</strong> Fall, die entsprechenden Maßnahmen und Möglichkeiten<br />
herauszulesen und anzuwenden.