Die Farbe Blau - Variationen einer Porzellan-Tradition. (pdf
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<strong>Die</strong> <strong>Die</strong> <strong>Farbe</strong> <strong>Farbe</strong> <strong>Blau</strong> lau – Varia <strong>Variationen</strong> Varia<br />
tionen <strong>einer</strong> <strong>Porzellan</strong> <strong>Porzellan</strong>-<strong>Tradition</strong><br />
<strong>Porzellan</strong><br />
<strong>Tradition</strong><br />
<strong>Porzellan</strong>ikon<br />
Der weltweite Siegeszug der blau-weißen Keramik begann im südchinesischen Jingdezhen zur<br />
Zeit der Mongolen-Herrschaft (1279-1368). Mit zunehmender künstlerischer Verf<strong>einer</strong>ung<br />
gelangte das blau-weiße <strong>Porzellan</strong> auch im Reich der Mitte zu Ehren. Noch unter der Ming-<br />
Dynastie (1368-1644) nahm die Produktion in Jingdezhen solche Ausmaße an, dass das mit<br />
einheimischem Kobaltblau bemalte <strong>Porzellan</strong> bald breiten Bevölkerungskreisen erschwinglich<br />
wurde. 1<br />
In Europa waren bereits im 16. Jahrhundert jene weißen, glänzenden und oft blau bemalten<br />
Stücke aus dem fernen China bewunderte Objekte fürstlicher Kunstkammern. Ganze<br />
Schiffsladungen gelangten im 17. und 18. Jahrhundert über die ostindischen Kompanien nach<br />
Europa. Zunächst dienten sie vornehmlich repräsentativen Zwecken in den so genannten<br />
<strong>Porzellan</strong>kabinetten, mit dem Aufkommen der neuen Getränke Tee, Kaffee und Schokolade<br />
fanden sie eine neue Verwendung.<br />
<strong>Blau</strong>dekore auf Keramik waren sowohl in Europa als auch im Vorderen Orient bereits über<br />
Jahrhunderte bekannt. Prächtige Stücke mit <strong>Blau</strong>malereien auf persischen oder türkischen<br />
Keramiken, auf italienischen Majoliken, auf deutschem Steinzeug sowie auf Delfter Fayencen<br />
können heute in Museen und Kunstsammlungen in aller Welt bewundert werden. 2<br />
Nachdem es nach vielfältigen Bemühungen Johann Friedrich Böttger gelungen war, hinter das<br />
Herstellungsgeheimnis des <strong>Porzellan</strong>s zu gelangen, wurde im Jahr 1710 die Meissener<br />
Manufaktur gegründet. <strong>Die</strong> Dekoration mit schönem Kobaltblau gelang Böttger jedoch zu seinen<br />
Lebzeiten – er starb am 13. März 1719- noch nicht, obwohl in Manufakturakten von ersten<br />
Ergebnissen berichtet wird. Erst in den 1720er Jahren erhielt die Entwicklung der <strong>Blau</strong>malerei<br />
entscheidende Impulse durch Samuel Stöltzel, David Köhler und Johann Gregorius Höroldt.<br />
Unter den Einfluss neuer technisch-technologischer Erkenntnisse hinsichtlich des<br />
Zusammenwirkens von Masse, Glasur und Kobaltfarbe wurden ab 1731 zunehmend Erfolge<br />
erzielt. 3<br />
Das Zwiebelmuster, das ursprünglich gegen 1730 in der Meissener Manufaktur entwickelt<br />
worden war, in <strong>einer</strong> Zeit, als die ostasiatischen <strong>Porzellan</strong>e und ihre Dekore sich an den<br />
europäischen Fürstenhöfen höchster Wertschätzung erfreuten, gilt aufgrund s<strong>einer</strong> immensen<br />
Verbreitung geradezu als Synonym für unterglasurblaues Geschirr. Der Dekor in Unterglasur-<br />
Kobaltblau, vermutlich in Anlehnung an chinesische Vorlagen entstanden, zeigt Granatäpfel,<br />
Pfirsiche und Melonenzitronen, die um ein zentrales Motiv aus Päonie und/oder Chrysantheme,<br />
Bambus und Rankenpflanzen angeordnet sind. 4<br />
Im Jahr 1739 wird es erstmals genannt, obwohl Stücke erhalten sind, die eindeutig in die Jahre<br />
1730-35 zu datieren sind. 5 Zwischen 1730 und 1745 gibt es noch kein einheitliches<br />
Zwiebelmuster, sondern mehrere, zeitgleich nebeneinander produzierte Zwiebelmuster-<br />
1 Ausstellungskatalog Meissener <strong>Blau</strong>malerei aus drei Jahrhunderten, Dresden 1989, S. 8.<br />
2 Miedtank, Lutz: Zwiebelmuster. Zur 300jährigen Geschichte des Dekors auf <strong>Porzellan</strong>, Fayence und<br />
Steingut, 3. Auflage, Leipzig 2004, S.11 ff.<br />
3 Miedtank 2004, S. 15ff.<br />
4 Ausstellungskatalog Impulse. Europäische <strong>Porzellan</strong>manufakturen als Wegbereiter internationaler<br />
Lebenskultur, Hrsg. Wilhelm Siemen, Hohenberg an der Eger 1995, S. 32.<br />
5 Ziffer, Alfred: <strong>Porzellan</strong>. <strong>Die</strong> schönsten Motive und Dekore aus berühmten Manufakturen,<br />
München 1993, S. 25.
<strong>Porzellan</strong>ikon<br />
Varianten, die vermutlich vom jeweiligen <strong>Blau</strong>maler bevorzugt wurden. 6 Bereits vor der<br />
Jahrhundertmitte gab es Zwiebelmuster mit Überdekoration in Eisenrot und gravierter<br />
Vergoldung. Bis etwa 1770 entwickelte es sich zu jenem typischen Zwiebelmuster, wie wir es<br />
heute kennen.<br />
<strong>Die</strong> Bezeichnung „Zwiebelmuster“ lässt sich im18. Jahrhundert noch nicht nachweisen. Sie<br />
dürfte sich erst gegen 1850 durchgesetzt haben. Bis dahin lief der Dekor in der Meissener<br />
Manufaktur unter der Bezeichnung „blaue ordinäre Malerei“. 7 <strong>Die</strong> Bestandteile des Dekors,<br />
hierzulande unbekannte Früchte, hatten inzwischen eine so starke Stilisierung erfahren, dass<br />
man sie fälschlicherweise als Zwiebeln interpretierte.<br />
In der Folgezeit ist kaum ein Dekor, angefangen von renommierten Manufakturen wie der<br />
Königlichen <strong>Porzellan</strong>manufaktur Berlin bis hin zu <strong>einer</strong> fast nicht überschaubaren Zahl kl<strong>einer</strong>er<br />
<strong>Porzellan</strong>betriebe, so oft kopiert worden wie dieser. Insbesondere auf preiswerteren<br />
Gebrauchsgeschirren erlebte das Zwiebelmuster in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
eine Renaissance, die bis heute anhält. Als Echtheitssiegel zeigen <strong>Porzellan</strong>e der Meissener<br />
Manufaktur seit dieser Zeit am Fuße des Bambusstabs die berühmten „<strong>Blau</strong>en Schwerter.“ 8<br />
In der 1863 von Carl Teichert gegründeten <strong>Porzellan</strong>fabrik, die ab 1885 als „Meißener Ofen- und<br />
<strong>Porzellan</strong>fabrik vorm. C. Teichert“ firmierte, wurde ab 1879/80 Zwiebelmuster produziert. 9<br />
Wirtschaftliche Misserfolge führten dazu, dass die dortige <strong>Porzellan</strong>produktion eingestellt<br />
werden musste. Daraufhin hat die <strong>Porzellan</strong>fabrik Lorenz Hutschenreuther in Selb im Jahr 1930<br />
den Dekor „<strong>Blau</strong> Zwiebelmuster“ mit allen handelsüblichen Nutzungsrechten von dort<br />
erworben. 10<br />
Lediglich das Strohblumenmuster, ebenfalls ein kobaltblauer Unterglasurdekor, übertraf das<br />
Zwiebelmuster noch an Beliebtheit.<br />
<strong>Die</strong>ser etwa Mitte der 1730er Jahre in der Meissener Manufaktur entstandene Dekor, oft auch<br />
als Päonien-, Petersilien-, Fadenblumen- oder <strong>Blau</strong>blümchenmuster bezeichnet, mit dem<br />
Hauptornament <strong>einer</strong> Blume, ist eine freie Abwandlung der „indianischen Blumen“. Anfang der<br />
1740er Jahre erscheint in den Archivalien der Manufaktur Meissen erstmals der Begriff „Stroh-<br />
Modell“.<br />
In s<strong>einer</strong> ursprünglichen Form besteht es aus <strong>einer</strong> Chrysantheme in Seitenansicht, Resten <strong>einer</strong><br />
Päonie in Aufsicht und einem bizarren Ast, die sich jeweils in vier Feldern wiederholen.<br />
Zumeist wurde dieser Dekor, für den es in Meissen spezialisierte Maler gab, auf gerippte<br />
Geschirrformen gemalt. 11 Neben der Meissener Manufaktur waren auch die Fürstenberger<br />
Manufaktur und die Königliche <strong>Porzellan</strong>manufaktur Kopenhagen für ihr Strohblumendekor in<br />
6 Ausstellungskatalog Dresden 1989, S. 31<br />
7 Ausstellungskatalog Meissener <strong>Blau</strong>malerei aus drei Jahrhunderten, Hrsg. Klaus-Peter Arnold und<br />
Verena <strong>Die</strong>fenbach, München 1989, S. 58<br />
8 Ekkehard Kraemer: Sächsisch-thüringisches Manufakturporzellan, 1985, S. 239.<br />
9<br />
TEICHERT-WERKE Meißen, Keramik & <strong>Porzellan</strong> 1863-1945, Hrsg. Freundeskreis Kunstgewerbemuseum<br />
e.V. Schloss Pillnitz, Dresden 2003, Abb. 123ff.<br />
10<br />
Miedtank, S. 70.; Danckert, Ludwig: Handbuch des Europäischen <strong>Porzellan</strong>s, 7. Auflage, München,<br />
London, Berlin, New York 2006, S. 437.<br />
11 Ausstellungskatalog Impulse 1995, S. 32
<strong>Porzellan</strong>ikon<br />
Verbindung mit dem Stabrelief berühmt. <strong>Die</strong> Kopenhagener Manufaktur präsentierte sich sogar<br />
mit diesem auf der Weltausstellung 1873 in Wien. 12<br />
Im späten 18. und 19. Jahrhundert wurde dieses Muster von vielen weiteren Unternehmen<br />
nachgeahmt. Man findet es vorwiegend auf Gebrauchsgeschirren der gerippten Form<br />
„gebrochener Stab“, jedoch auch auf glatten Formen.<br />
<strong>Die</strong> Verbreitung der <strong>Porzellan</strong>herstellung im 18. Jahrhundert brachte auch die Kenntnis der<br />
Anwendung der unterglasurblauen Kobaltfarbe mit sich. Neben der Meissener und den<br />
Thüringer Manufakturen, waren <strong>Blau</strong>dekore mit Ostasiatischen Motiven, Fels- und Vogel-<br />
Muster 13 oder auch das Dessin „<strong>Blau</strong>e deutsche Blume“ 14 besonders für Berlin, Fürstenberg und<br />
Kopenhagen kennzeichnend.<br />
In Anlehnung an das Strohblumenmuster wurde bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein<br />
weiterer Unterglasurdekor in <strong>Blau</strong>, das Strohhalmmuster, entwickelt. Es zählt zur<br />
„Indischmalerei“ und wird oft auch als „Indischblau“ bezeichnet. Charakteristisch für diesen<br />
Dekor sind vier ineinander geschlungene Kreise, die durch einen fünften, als Mittelpunkt<br />
wirkenden kl<strong>einer</strong>en Kreis blütenförmig zusammengehalten werden. Eingefasst wird er von<br />
strohhalmartigen Ranken, die in stilisierten Ähren enden. Manufakturen wie Fürstenberg und<br />
viele Fabriken hatten diese Dekorvariante in ihrem Sortiment. In der 1878 von Hermann Kühnert<br />
aus Etzdorf (Thüringen) gegründeten <strong>Porzellan</strong>fabrik Moschendorf beispielsweise wurde im Jahr<br />
1885 eine Abteilung für <strong>Blau</strong>malerei eingerichtet. Vermutlich bereits in diesem Jahr wurde<br />
neben Zwiebel- und Strohblumendekor mit der Produktion von Strohhalmmustergeschirren<br />
begonnen. 15<br />
Neben den verschieden gestalteten blauen Mustern spielte das <strong>Blau</strong> auch als Fondfarbe eine<br />
nicht unwesentliche Rolle. Das aufwändige und kostspielige Verfahren zur Herstellung<br />
dekorierter <strong>Porzellan</strong>e in Scharffeuer-Kobalt geht auf den Franzosen J. Hellot zurück. Dabei wird<br />
auf gargebranntes glasiertes <strong>Porzellan</strong> ein Gemisch aus Kobaltoxyd und Flussmittel<br />
aufgetragen. <strong>Die</strong>ser Auftrag sinkt bei einem zweiten Brand in die Glasur ein und ergibt einen<br />
glänzenden, gleichmäßigen dunkelblauen Fond. Um eine an die <strong>Porzellan</strong>e mit „bleu de roi“ –<br />
Fond der französischen Manufaktur Sèvres 16<br />
heranreichende Wirkung zu bekommen, bedurfte es<br />
eines ausgezeichneten Malerpersonals, das den kobaltblauen Fond mit aufwändiger, reicher<br />
bunter oder Goldmalerei ergänzte. <strong>Die</strong> oberfränkische <strong>Porzellan</strong>fabrik Carolus Magnus<br />
Hutschenreuther, 1814 in Hohenberg gegründet, war beispielsweise bekannt für ihre<br />
hervorragenden Scharffeuer-Kobalt-<strong>Porzellan</strong>e. <strong>Die</strong> umfangreichen Kenntnisse für diese<br />
Dekortechnik hatte Albert Hutschenreuther, der Enkel des Firmengründers, in Limoges<br />
kennengelernt, wo er eine Ausbildung absolviert hatte. 17 Bis heute finden sich <strong>Porzellan</strong>e mit<br />
Kobaltfonds im Angebot der <strong>Porzellan</strong>hersteller insbesondere in Thüringen.<br />
Nicht nur im 18. und 19. Jahrhundert spielte die <strong>Farbe</strong> <strong>Blau</strong> eine wichtige Rolle in der<br />
Dekoration von <strong>Porzellan</strong>en. <strong>Die</strong> Königliche <strong>Porzellan</strong>manufaktur Kopenhagen setzte bereits seit<br />
1885 in ihren Erzeugnissen das in <strong>Porzellan</strong> um, was als neuer Stil, als „Art Nouveau“, als<br />
12 Ausstellungskatalog ALL NATIONS ARE WELCOME. <strong>Porzellan</strong> der Weltausstellungen 1851 bis 1910,<br />
Hrsg. Wilhelm Siemen, Hohenberg a.d.Eger 2002, Abb. Seite 52.<br />
13 Von Barsewisch, Bernhard und Arnulf Stößel: Keramiken des Bayerischen<br />
Nationalmuseums im Internationalen Keramik-Museum Weiden, München 1990, Abb. S. 16ff.<br />
14 ebenda, Abb. S.22ff.<br />
15 Ellen Mey: <strong>Porzellan</strong> aus Hof und Oberkotzau, Hof 2002, S. 30.<br />
16 Stanley W. Fischer: <strong>Porzellan</strong> und Steingut, München 1976, S. 38ff.<br />
17 Ausstellungskatalog 175 Jahre Hutschenreuther, Hrsg. Wilhelm Siemen, Hohenberg an der<br />
Eger 1989, S. 42.
<strong>Porzellan</strong>ikon<br />
Jugendstil ab der Weltausstellung 1900 in Paris von aller Welt begeistert gefeiert wurde. Eine<br />
Neuorientierung nicht nur in der Formgebung, auch in der Dekorgestaltung, setzte ein. <strong>Die</strong><br />
<strong>Farbe</strong>nskala der Unterglasurdekore beschränkte sich auf wenige Töne, vor allem der <strong>Blau</strong>- und<br />
Grauskala. Zarte Grüne und braune Töne und Violett kamen noch hinzu. Bekannte Entwerfer wie<br />
Henry van de Velde (1863-1957) oder Richard Riemerschmid (1868-1957) schufen <strong>Blau</strong>dekore für<br />
die Meisssener Manufaktur. 18<br />
Während die <strong>Blau</strong>maler des 18. und 19. Jahrhunderts in erster Linie Ausführende waren, denen<br />
hinsichtlich ihrer Vorlagen nur ein bestimmter Rahmen blieb, in dem sie sich frei bewegen<br />
konnten, war es Entwerfern wie van de Velde usw. Anfang des 20. Jahrhunderts möglich, ihre<br />
eigenen Entwürfe umzusetzen. Etliche der neuen Motive, dem europäischen Geschmack des<br />
frühen 20. Jahrhunderts entsprechend, wurden in Kobaltblau Unterglasur mit Schablone gemalt.<br />
Einer der bekanntesten Dekore dürfte das vermutlich von Hans Günther Reinstein im Jahr 1903<br />
entworfene Herzblatt-Dekor auf der Form „Botticelli“ für die <strong>Porzellan</strong>fabrik Rosenthal in Selb<br />
darstellen. 19 , bei dem die herzförmigen Blätter schabloniert und die Stiellinien gemalt wurden.<br />
Eine Geschirrform, die nach 1900 in geringfügigen Abwandlungen von verschiedenen .<br />
<strong>Porzellan</strong>fabriken herausgebracht wurde und sich <strong>einer</strong> großen Beliebtheit erfreute 20 , zeigt leicht<br />
kannelierte Wandungen und Tellerfahnen. Sie war dekoriert mit dem Aufglasur - Druckdekor<br />
„Chinablau“, ein auf chinesische Motive zurückgehendes Muster, das auch in den <strong>Farbe</strong>n<br />
„Chinarot“ und gelegentlich in „Chinagrün“ angeboten wurde.<br />
Neben die klassischen unterglasurgemalten Dekore, treten nun bei den <strong>Porzellan</strong>fabriken<br />
verstärkt Druckdekore (Abzieh- bzw. Schiebebilder), die zwar stets vielfältig in ihrem<br />
Erscheinungsbild, aber oft auffällig den aktuellen künstlerischen Bestrebungen der jeweiligen<br />
Zeit verbunden sind. Dabei spielen auch kulturpolitische Entwicklungen in den einzelnen<br />
Ländern sowie nationale Besonderheiten und Konsumgewohnheiten der Exportländer eine<br />
Rolle. 21<br />
Während die bizarr geformten Service- und Zierartikel der 20er Jahre stilisierte und abstrahierte<br />
Muster zieren, schmücken die schlichten, funktionalen Formen der 30er Jahre häufig einfache<br />
Linien oder Punkte. Das bekannteste Geschirr industrieller Fertigung dieser Zeit dürfte das vom<br />
Stuttgarter Architekten Hermann Gretsch für die <strong>Porzellan</strong>fabrik Arzberg entworfene Service<br />
„1382“ aus dem Jahr 1931 darstellen. 22<br />
Es gilt als das deutsche Seriengeschirr der „guten Form“<br />
und wird bis heute, u.a. mit dem Dekor „<strong>Blau</strong>blüten“, produziert. Einen beachtlichen Dauererfolg<br />
konnte die <strong>Porzellan</strong>fabrik Rosenthal in Kronach mit ihrem Teeservice „<strong>Blau</strong>e Stunde“<br />
verzeichnen. 1934 herausgebracht, noch 1954 in der Kollektion erhältlich, erfreute es sich <strong>einer</strong><br />
besonderen Beliebtheit, was die ständigen Nachbestellungen belegen. Rund 700 Service<br />
wurden durchschnittlich pro Jahr verkauft. 23<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg werden zunächst dezent farbige abstrakte Flächendekore<br />
geschaffen, oder solche, die an die Resopalstruktur der Arbeitsplatten von zeitgleichen<br />
18 Jedding, Hermann: Meißener <strong>Porzellan</strong> des 19. und 20. Jahrhunderts, München 1981, S. 100, 101.<br />
19<br />
Ausstellungskatalog Rosenthal. Hundert Jahre <strong>Porzellan</strong>, Hannover 1982, S.30, 31. Kat.<br />
Weltausstellungen 2002, S. 128.<br />
20<br />
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts fertigte die <strong>Porzellan</strong>fabrik Moschendorf eine erste<br />
Variante dieses Klassikers. Eine Laufzeit bis in die 1950er Jahre spricht für den anhaltenden<br />
Erfolg; siehe Mey 2002, S. 63.<br />
21<br />
Fritz, Bernd: Gebrauchsporzellan des 20. Jahrhunderts, München, Berlin 1995, S. 24.<br />
22 Ausstellungskatalog 100 Jahre <strong>Porzellan</strong>fabrik Arzberg 1887-1987, Hrsg. Wilhelm Siemen,<br />
Hohenberg an der Eger 1987, S. 68.<br />
23 Rosenthal Verkaufsdienst 1954
<strong>Porzellan</strong>ikon<br />
Einbauküchen erinnern. Ein sehr bekanntes Beispiel schuf im Jahr 1954 Heinrich Löffelhardt mit<br />
s<strong>einer</strong> „Form 2000“, Dekor „Azurblau“, die in der <strong>Porzellan</strong>fabrik Arzberg produziert wurde. 24<br />
Dass auch floralen und vegetabilen Motiven keine Absage erteilt wurde, zeigt beispielsweise<br />
der Dekor „Evelyn“ auf der Form „Anmut“ der <strong>Porzellan</strong>fabrik Heinrich, 1949 kreiiert. Winden in<br />
Echt Kobalt ranken sich um die ovale Form. 25<br />
<strong>Die</strong> in den 60er Jahren dominierende Zylinderform, die lediglich aufgelockert wurde durch<br />
Brechung von Teilen wie Standring, Bauch oder Schulterbereich, war geradezu prädestiniert für<br />
eine Fülle an farbigem Ornament. Gerne wählte man als <strong>Farbe</strong> Kobaltblau und veredelte diese<br />
noch durch verschiedene Golddekorationen.<br />
An Pop-Art erinnernde Muster folgen in den 70er Jahren.<br />
<strong>Die</strong> Forderung nach zeitgenössischen <strong>Porzellan</strong>en in Ostdeutschland, mit denen ein<br />
wirtschaftlicher Erfolg zu erzielen sei wie mit denen des Rokoko und Zweiten Rokoko, führte im<br />
Jahr 1960 in der Meissener Manufaktur zur Berufung eines Künstlerkollektivs mit dem Maler<br />
Heinz Werner (geb. 1928). 26 In den Folgejahren entstanden unter anderem blaufarbige und<br />
blauhaltige Mischdekore wie „Orchidee auf Ast in <strong>Blau</strong>“ auf der Form „Großer Ausschnitt“. 27<br />
In allen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde den so genannten „Stilservicen“ sowohl im<br />
Osten als auch im Westen viel Platz eingeräumt. Es handelt sich dabei um Geschirre aus dem<br />
jüngeren eigenen Formenschatz von Fabriken oder Übernahmen von Modellen fürstlicher und<br />
königlicher Manufakturen des 18. Jahrhunderts. <strong>Die</strong>se wurden entweder unverändert nach<br />
historischem Vorbild oder formal modifiziert in die Fabrikkollektionen aufgenommen. Nicht<br />
selten zieren Kobaltdekore in Verbindung mit Goldornamenten diese Service. Beispiele finden<br />
sich bei Rosenthal, Hutschenreuther, Tirschenreuth, Königl. Priv. Tettau oder Weimar<br />
Blankenhain, um nur einige zu nennen.<br />
Bis heute hat die <strong>Farbe</strong> <strong>Blau</strong> in der <strong>Porzellan</strong>dekoration nicht an Faszination verloren. In den<br />
Sortimentern etlicher <strong>Porzellan</strong>hersteller werden weiterhin herkömmliche, bekannte <strong>Blau</strong>dekore<br />
wie Zwiebelmuster oder Indischblau angeboten. Es werden aber auch immer wieder neue dem<br />
Zeitgeist entsprechende Kreationen geschaffen.<br />
Petra Petra Werner Werner M.A.<br />
<strong>Porzellan</strong>ikon <strong>Porzellan</strong>ikon Hohenberg, Hohenberg, Deutsches Deutsches <strong>Porzellan</strong>Museum<br />
<strong>Porzellan</strong>Museum<br />
Fe Februar Fe bruar 2009<br />
2009<br />
24 Ausstellungskatalog Ceramic Culture Innovation 1851-2000, Hrsg. Wilhelm Siemen, Hohenberg an der<br />
Eger, Selb 2002, S. 105.<br />
25<br />
Ausstellungskatalog So fing es an, so ging es weiter, Hrsg. Wilhelm Siemen , Hohenberg an<br />
der Eger 1988, S.116.<br />
26<br />
Ausstellungskatalog Dresden 1989, S. 59<br />
27<br />
Ausstellungskatalog Dresden 1989, Abb. Nr. 97.