Excursion zu Wassermühlen ÜA-VS 1 - Mühlenverband Rhein-Erft ...
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Exkursion <strong>zu</strong> <strong>Wassermühlen</strong> und<br />
Wasserkraftanlagen im Sauerland<br />
Paul Demel, 4/1/09 - Bericht<br />
Vor dem Hintergrund des viel diskutierten Klimawandels und der bevorstehenden<br />
Umset<strong>zu</strong>ng der EU-Wasserrahmenrichtlinie hatte die Geschäftsleitung des<br />
<strong>Mühlenverband</strong>es <strong>Rhein</strong>-<strong>Erft</strong>-Rur e. V. (MVRER) in Bergheim eine Exkursion <strong>zu</strong><br />
sauerländischen <strong>Wassermühlen</strong> am 8. Dezember 2008 organisiert. Die Teilnehmer,<br />
selbst <strong>Wassermühlen</strong>besitzer, sollten sich ein Bild über die doch unterschiedlichen<br />
Möglichkeiten der CO²freien Stromerzeugung machen. Die Tour wurde geleitet von<br />
Paul Demel, Vorstandmitglied der Deutschen Gesellschaft für Mühlenerhaltung und<br />
Mühlenkunde e.V. (DGM). Ausgesucht waren vier Standorte, die die Vielfältigkeit der<br />
Möglichkeiten <strong>zu</strong>r Stromerzeugung mit Wasser für Kleinanlagen aufzeigen.<br />
Erster Treffpunkt war die Heesfelder Wassermühle in Halver bei Lüdenscheid, die<br />
vom Verein „Heesfelder Mühle e.V.“ gepflegt, betreut und betrieben wird.<br />
Foto: Tagungszimmer in der alte Dorfschule Heeesfelder Mühle. Herr Brunsmeier erklärt den<br />
Teilnehmern die Gesamtanlage, RMDZ 2008<br />
Die Heesfelder Kornmühle liegt an der Hälver. Sie wurde durch den gleichnamigen<br />
Verein in zweijähriger mühevoller Arbeit mit sehr viel Eigenleistung liebevoll<br />
restauriert. Auch das Wasserrad für die Stromerzeugung musste hergerichtet<br />
werden. Das Ensemble bietet aber noch Weiteres. So gehört <strong>zu</strong>r Heesfelder Mühle u.<br />
a. ein Bioladen mit eigenen Produkten, ein Seminarzentrum für Veranstaltungen und<br />
ein Backhaus, dass seine Ofenhitze auch <strong>zu</strong>r Warmwasserversorgung der Anlage<br />
einsetzt. Die Leitung des Objektes liegt in den Händen von Klaus Brunsmeier, der
Paul Demel, 4/1/09 - Bericht<br />
Sachverständiger in Sachen „Wasserkraft“ und <strong>zu</strong>gleich stellvertretender<br />
Bundesvorsitzender des BUND ist.<br />
Wasserkraftanlage:<br />
Über den alten Mühlteich und einen Mühlgraben fließt das Wasser auf das<br />
oberschlächtige Wasserrad, das einen Durchmesser von 3,50 m hat und etwa 10<br />
Umdrehungen in der Minute erreicht. Wahlweise kann die Wasserkraft für einen<br />
Mahlgang oder <strong>zu</strong>r Stromerzeugung genutzt werden. Über ein Getriebe mit 540<br />
U/min. wird der Generator mit 11 kW <strong>zu</strong>r umweltfreundlichen Stromerzeugung<br />
angetrieben.<br />
Foto: Wasserrad der Heesfelder Wassermühle (oberschlächtig) in Aktion, RMDZ<br />
2008<br />
Eine weitere Station war das Wasserkraftwerk in Halver-Oberbrügge, bekannt als<br />
„Ohler Hammer“. Die Anlage liegt ebenfalls an der Volme. Eigentümer ist seit 2000<br />
Landschaftsarchitekt Roland Pfeiffer. Der Standort wird in Dokumenten erstmalig<br />
1790 erwähnt. Hier befanden sich einst drei eisenverarbeitende Hämmer. Sie wurden<br />
bereits mit einer Turbine angetrieben. Nach der Stilllegung wurde die Anlage nicht
Paul Demel, 4/1/09 - Bericht<br />
mehr industriell genutzt. Das 1923 durch die Bezirksregierung Arnsberg erteilte<br />
Wasserrecht <strong>zu</strong>r Nut<strong>zu</strong>ng des Volme-Wassers hat nach wie vor Gültigkeit. In 2001<br />
hat Roland Pfeiffer die alte Anlage in Eigenleistung abgebaut und so die<br />
Vorausset<strong>zu</strong>ng für den Einbau einer neuen Anlage geschaffen. Schließlich war es im<br />
Februar 2002 so weit, dass die Francis-Turbine mit einer Leistung von 36 kW bei<br />
einem Schluckvermögen von 1,2 m³, einer Fallhöhe von 4 m und einem<br />
Laufraddurchmesser von 68 cm in Gang gesetzt werden konnte. Für einen<br />
störungsfreien Lauf der Turbine ist das WKW mit einem vollautomatischen Rechen<br />
ausgestattet.<br />
Foto: Rechenanlage „Ohler Hammer“, RMDZ 2008
Foto: Turbine im Turbinenhaus „Ohler Hammer“, RMDZ 2008<br />
Paul Demel, 4/1/09 - Bericht<br />
Vergütung nach EEG § 6:<br />
Damit der erzeugte Strom nach EEG mit 9,67 ct/kWh. vergütet wird, hat Roland<br />
Pfeiffer die Anlage mit einer Fischaufstiegshilfe in Form eines kleinen Bachlaufes <strong>zu</strong>r<br />
Volme ausgestattet. Die Wassermenge im Nebenlauf ist sehr gering und bei einer<br />
Wassertiefe von 15 bis 20 cm wird der Höhenunterschied von 1,50 Meter problemlos<br />
überwunden. Der Hauptlauf der Volme, an dem auch die WKA liegt, schwemmt in<br />
Lauf eines Jahres mehrere Tonnen Laub an. Der Abfall wird im Oberlauf<br />
aufgefangen und später dem Unterlauf <strong>zu</strong>r ökologischen Aufwertung des Gewässers<br />
wieder <strong>zu</strong>geführt.<br />
Die nächste Station war die einstige Getreidemühle „Frettermühle“ in Finnentrop.<br />
Betreiber und Eigentümer der Mühle ist Familie Brill, die auch das „Caféstübchen<br />
Alte Mühle“ hier eingerichtet hat. Der Komplex, ein über 630 Jahre alter Standort,<br />
liegt an der Fretter. Seit 1784 befindet sich das Ensemble im Familienbesitz Brill. Bis<br />
1983 wurde der Mahlbetrieb aufrecht erhalten, <strong>zu</strong> dem ab 1924 auch eine Bäckerei<br />
gehörte. Mühle und Bäckerei sind inzwischen stillgelegt.
Foto: Die Backstube wurde <strong>zu</strong> einem kleinen Mühlencafé ausgebaut, RMDZ 2008<br />
Paul Demel, 4/1/09 - Bericht
Paul Demel, 4/1/09 - Bericht<br />
Foto: Mahleinrichtung in der ersten Etage der Frettermühle und Getriebe der Anlage im Erdgeschoss,<br />
RMDZ 2008<br />
Wasserkraftanlage:<br />
1989 erfolgte die Umrüstung <strong>zu</strong>r umweltfreundlichen Stromerzeugung. Das Konzept<br />
hat Klaus Brill mit Herrn Obersiebrasse aus Warburg gemeinsam entwickelt. Das<br />
oberschlächtige Wasserrad (Durchmesser 4,00 m; Breite 1,50 m) erhält das Wasser<br />
über eine Rohrleitung aus dem höher verlaufenden Mühlbach. Am Kammrad auf der<br />
Wasserradwelle ist eine Flachriemenscheibe (Durchmesser 2,30 m; Breite 22 cm)<br />
angeflanscht. Mittels eines Siegling-Treibriemen, 220mm breit, wird die Kraft auf eine<br />
Flachriemenscheibe von 500 mm Durchmesser übertragen. Über ein Hansen-Junior-<br />
Getriebe wird die Umdrehung von 44,7 U/min auf 509 U/min transformiert und eine<br />
Leistung von 46 kW erzeugt. Der so angetriebene Asynchrongenerator (Fabrikat<br />
„Schorch“) kommt auf 15 kW, 400 Volt bei 50 Hz.
Paul Demel, 4/1/09 - Bericht<br />
Foto: Wasserrad (oberschlächtig) der Frettermühle in Funktion sowie Überlauf von der Anlage in das<br />
Gewässer, RMDZ 2008<br />
Zum Schluss der Exkursion wurde die Wasserkraftanlage „Turbine in<br />
Kombination mit einer Restwasserschnecke“ an der oberen Ruhr in Meschede,<br />
Ortsteil Laer angesehen. Eigentümer der Anlage sind die Grafen von Westphalen. Im<br />
Schloss Laer befindet sich die Graf von Westphalen‘sche Centralverwaltung. Die<br />
Schlossanlage selbst besteht aus Vor- und Hauptburg. Das dreiflügelige Herrenhaus<br />
mit Treppenturm in der Mitte des Hauptflügels ist mit einem Graben, die so genannte<br />
Gräfte umgeben. Interessant war noch die unterhalb des Wehrkörpers vorhandene<br />
alte Fußgänger-Kettenhängebrücke über die Ruhr vom Schlosspark auf die rechte<br />
Flussseite. Gefertigt wurde diese Brücke 1820 aus gusseisernem Stahl nach dem<br />
Vorbild einzelner technischer Detaillösungen mehrerer bekannter europäischer<br />
Brückenbauingenieure dieser Epoche. Der Sturm ‚Kyrill‘ hat dem Bauwerk, das<br />
zwischenzeitlich renoviert worden war, großen Schaden durch eine umgestürzte<br />
Pappel <strong>zu</strong>gefügt.<br />
Wasserkraftanlage: Restwasserschnecke<br />
Einige Meter vom Schloss entfernt befindet sich die große Wehranlage mit einer<br />
Höhendifferenz von 2,00 m. Neben dem Mäander-Fischpass ist die<br />
Restwasserschnecke, Baujahr 2006 installiert. Der Schnecken-Durchmesser beträgt
Paul Demel, 4/1/09 - Bericht<br />
1,70 m mit einem Wasserdurchlass von ca. 2 m³/sec. Mit einer Leistung von 15<br />
kVA. Bei einem Mindestwasserstand von 0,50 m unter Stauziel fällt die Leistung auf<br />
etwas über 5 kVA.<br />
Foto: Restwasserschnecke mit Mäander-Fischpass der Wasserkraftanlage, RMDZ 2008<br />
Wasserkraftanlage: Turbinen<br />
Auf der rechten Ruhrseite befindet sich ein eigenes Sägewerk mit Turbinenhaus. Die<br />
älteste, nicht mehr im Betrieb befindliche Francis-Turbine stammt aus der Zeit um<br />
1900. Sie trieb einen Siemensgenerator über eine Transmission an. Die Leistung<br />
betrug etwa 16 kW. Vor dem Einbau dieser Turbine stand an dieser Stelle eine<br />
Getreidemühle. Aus dieser Zeit datieren die gültigen Wasserrechte.<br />
Im Jahr 1982 wurde auf dem Sägewerksgelände ein neues Turbinenhaus errichtet.<br />
Zwei liegende Kaplan-Turbinen mit angeflanschten Generatoren von der Firma<br />
Koessler /Österreich erzeugen hier Strom. Laufdurchmesser der Turbinen: 1,25 m.<br />
Bei einem Wasserdurchlass von ca. 6,5 m³/sec. liegt die maximale Leistung des<br />
Generators bei 135 kVA. Das höchste Schluckvermögen liegt bei 8 m³/sec und bei<br />
Mindestwasserdurchlass von 2,2m³/sec. fällt die Generatorleistung auf ca. 30 kVA.
Foto: Turbine (grün) mit Generator (blau), RMDZ 2008<br />
Paul Demel, 4/1/09 - Bericht
Paul Demel, 4/1/09 - Bericht<br />
Foto: Abtransport des Abfalls vor dem Rechen der Anlage und Rechen beim Heben, RMDZ 2008<br />
Den Grafen von Westphalen gilt ein besonderer Dank für die geführte Besichtigung.<br />
Ein Glühwein regte nicht nur die Lebensgeister wieder an, sondern führte auch <strong>zu</strong><br />
einer angeregten Diskussion über die vom MUNLV unter allen Umständen <strong>zu</strong><br />
vollziehende Umset<strong>zu</strong>ng der EU WRRL.
Foto: Teilnehmer im Innenhof Schloß Lear, RMDZ 2008<br />
Paul Demel, 4/1/09 - Bericht<br />
Die Exkursionsteilnehmer waren das Ehepaar Fassbender, Eigentümer der Sindorfer<br />
Mühle in Kerpen, Vater und Sohn Clemens, Eigentümer der Zievericher Mühle in<br />
Bergheim, Philipp Schwinges, Eigentümer der Nix-Mühle in Nideggen, Ortsteil<br />
Emken, Karl-Ernst Stommel aus Köln, Eigentümer der Gut-Mühle am Wahnbach in<br />
Neunkirchen-Seelscheid, Hans-Martin Hartmann von der Unteren Wasserbehörde im<br />
<strong>Rhein</strong>-<strong>Erft</strong>-Kreis und die Geschäftsführerin, Gabriele Scholz, vom <strong>Mühlenverband</strong><br />
<strong>Rhein</strong>-<strong>Erft</strong>-Rur e. V. in Bergheim.<br />
Die Besichtigung der Wasserkraftanlagen war notwendig, da die Mitglieder des<br />
Verbandes sich über die energetische Nut<strong>zu</strong>ng des Wassers in NRW einen ersten<br />
Überblick verschaffen konnten. Der Verband arbeitet <strong>zu</strong>r Zeit an einem<br />
Mühlenerhaltungsprogramm für die Mühlenstandorte im Verbandgebiet des MVRER<br />
e.V.. In diesem wird die Energiegewinnung durch <strong>Wassermühlen</strong> ein<br />
Nut<strong>zu</strong>ngsbeispiel darstellen. Die Teilnehmer hatten bei der Exkursion die Möglichkeit,<br />
vor allem aktuelle Themen wie Aberkennung von Wasserechten oder Schleifen von<br />
Wehren im Rahmen der WRRL im kleinen Kreis <strong>zu</strong> erörtern. So konnten die<br />
Eigentümer der besuchten Anlagen ihre Erfahrungen mitteilen, wie und wo Anträge<br />
<strong>zu</strong> stellen sind, was eine Anlage kostet und welche behördlichen Hürden <strong>zu</strong> nehmen<br />
sind.<br />
Es kann davon ausgegangen werden, dass das Förderprogramm „progres-nrw“ aus<br />
dem letzten Jahr für 2009 verlängert wird. Die Be<strong>zu</strong>schussung bei diesem Programm<br />
beträgt 20 % der anfallenden Kosten für eine WKA. Die Grundvergütung für Strom<br />
aus Wasserkraft nach § 6 EEG für Anlagen mit einer Leistung bis einschließlich 500<br />
kW beträgt 9,67 ct/kWh. Seit Januar 2009 wird bei Gewässer die ökologische<br />
Verbesserung mit 11,67 ct/kWh vergütet. Bei neuen Anlagen mit den geforderten<br />
ökologischen Komponenten beträgt jetzt der Vergütungssatz 12,67 ct/kWh.<br />
Memento:
Paul Demel, 4/1/09 - Bericht<br />
Bei der Stromerzeugung mit Wasserkraft wird das Energiepotential des Wassers auf<br />
umweltschonende Weise genutzt. Diese Form der Energienut<strong>zu</strong>ng hat sich in den<br />
vergangenen Jahrhunderten ohne Folgeschäden bewährt. Es gibt keinen Ausstoß<br />
von schädlichen Stick- und Kohlendioxiden, Schwefelverbindungen und Stäuben.<br />
Zudem wird keine Abwärme in die Umwelt abgegeben. Es ist von daher notwendig,<br />
dass möglichst viele WKA <strong>zu</strong>r co²freien Stromerzeugung genutzt werden. Dies muss<br />
bei der Umset<strong>zu</strong>ng der EU WRRL und in den Bewirtschaftungsplänen ein fester<br />
Bestandteil werden.<br />
Berichterstatter: Paul Demel, Minden (02/2009)