Die Rechtsbehelfe des Verletzten gegen die negative ...

Die Rechtsbehelfe des Verletzten gegen die negative
Anklageentscheidung des Staatsanwaltes in den USA
Rechtslage und Reformbestrebungen
Dissertation
zur Erlangung des Grades eines
Doktors der Rechte
des Fachbereichs
Rechts- und Wirtschaftswissenschaften
der Johannes Gutenberg-Universität
Mainz
vorgelegt von
Monika Ackermann
Rechtsanwältin in München

Erstberichterstatter: Prof. Dr. iur. Volker Erb
Zweitberichterstatter: Prof. Dr. iur. Jan Zopfs
Tag der mündlichen Prüfung: 16.05.2006

Monika Ackermann
Die Rechtsbehelfe des Verletzten
gegen die negative Anklageentscheidung
des Staatsanwaltes in den USA
Rechtslage und Reformbestrebungen
Herbert Utz Verlag · München

Rechtswissenschaften
Herausgegeben von
Dr. Thomas Küffner
Dr. Küffner & Partner, Landshut, München
Band 50
Zugl.: Diss., Mainz, Univ., 2006
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Printed in Germany
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Danken möchte ich vor allem meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Erb für
seine Betreuung. Mein Dank gilt auch dem Zweitberichterstatter Herrn Prof.
Dr. Zopfs, Frau Kerstin Wolf für ihren treuen Einsatz, sowie allen anderen,
die mich bei der Anfertigung dieser Ausführungen unterstützt haben.
Gewidmet ist die Arbeit meiner lieben Familie und Nandi.

I
Die Rechtsbehelfe des Verletzten gegen die negative Anklageentscheidung
des Staatsanwaltes in den USA
Rechtslage und Reformbestrebungen
LITERATURVERZEICHNIS.....................................................................IX
FALLVERZEICHNIS DER AMERIKANISCHEN
ENTSCHEIDUNGEN.............................................................................XXIII
A. Einleitung: Ausgangspunkt und Gegenstand der Arbeit,
Zieleingrenzung ............................................................................................... 1
I. Ausgangspunkt und Hintergrund: Die Ausführungen von Weigend.. 2
II. Gegenstand und Themeneingrenzung................................................... 4
III. Ziel der Darstellung und Sinn eines Rechtsvergleiches ..................... 7
B. Das deutsche System................................................................................. 10
I. Kurzüberblick System und Rechtsbehelfe ........................................... 10
1. Einführung........................................................................................... 10
2. Der deutsche Staatsanwalt: Legalitätsprinzip und Anklagemonopol
................................................................................................................... 10
a. Stellung des Staatsanwaltes................................................................ 10
b. Anklagemonopol ................................................................................ 11
c. Legalitätsprinzip ................................................................................. 11
d. Aufsicht und Kontrolle....................................................................... 13
aa. Dienstaufsichtsbeschwerde............................................................ 13
bb. Gegenvorstellung .......................................................................... 14
e. Staatsanwalt und Verletzter................................................................ 14
2. Der Verletzte und seine Möglichkeiten zur Anklageerzwingung... 14
a. Klageerzwingungsverfahren............................................................... 14
aa. Kurzüberblick über den Ablauf des Verfahrens............................ 15
bb. Exkurs: Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20
Abs. 2 S. 2 GG) ................................................................................... 17

II
cc. Ausschluss nach § 172 Abs. 2 S. 3 StPO....................................... 18
(1). § 153 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 StPO:.......................................... 19
(2). § 153 Abs. 1 S. 7 StPO:............................................................ 19
(3). § 153c Abs. 1-5 StPO: .............................................................. 19
(4). § 153f Abs.1-3 StPO:................................................................ 19
(5). § 154b Abs. 1-3 StPO:............................................................... 19
(6). § 154c StPO:.............................................................................. 19
(7). § 45 JGG. ................................................................................... 19
b. Rechtsschutz nach § 23 EGGVG für den Verletzten gegen
staatsanwaltliche Verfahrenseinstellung ................................................ 19
c. Privatklage.......................................................................................... 21
d. Zusammenfassung: Rechtschutz-„Lücke“ bei den
Opportunitätseinstellungen..................................................................... 23
II. Kurzzusammenfassung Reformbestrebungen ................................... 23
1. Einführung: Allgemeine Reformbestrebungen hinsichtlich der
Verletztenrechte ...................................................................................... 23
a. Anspruch des Verletzten auf Strafverfolgung eines Anderen............ 23
b. Bedürfnis eines Ausbaus der Rechtsbehelfe des Verletzten jenseits
eines „Anspruchs“ des Verletzten.......................................................... 25
c. Zwischenergebnis: Grundsätzliche Reformbestrebungen hinsichtlich
einer Verbesserung der Verletztenrechte ............................................... 26
2. Reformbestrebung Kontrollrechte .................................................... 26
a. Das Klageerzwingungsverfahren ....................................................... 27
aa. Die „statistische Rarität“................................................................ 28
bb. Reform durch Erweiterung des Anwendungsbereichs?................ 28
(1) Gerichtlicher Rechtsschutz gegen Opportunitätseinstellungen.. 29
(2) Exkurs: Der Richtervorbehalt bei den Opportunitätseinstellungen
.......................................................................................................... 30
(3) Umfang einer gerichtlichen Überprüfung .................................. 30

III
cc. Alternativen ................................................................................... 33
dd. Bedenken gegen eine Reformierung ............................................. 34
b. Die Privatklage - Von der Abschaffung bedroht?.............................. 35
aa. Geringe Bedeutung in der Justizpraxis.......................................... 36
bb. Ein hürdenreiches Verfahren......................................................... 36
cc. Reformbestrebungen...................................................................... 37
(1) Abschaffung der Privatklage ...................................................... 37
(2) Beibehaltung und Verbesserung der Privatklage ....................... 38
(3) Planungen des Gesetzgebers....................................................... 38
dd. Alternativen................................................................................... 39
c. Ergebnis:............................................................................................. 39
C. Das amerikanische System ...................................................................... 41
I. Grundlagen.............................................................................................. 41
1. Amerikanisches Strafprozessrecht .................................................... 41
a. Kein einheitliches Strafprozessrecht .................................................. 41
b. Bundesrecht und Einzelstaaten........................................................... 41
2. Systemvergleich ................................................................................... 42
3. Kurzüberblick über das amerikanische Strafverfahren:................ 43
4. Staatsanwälte in den USA .................................................................. 45
a. Der amerikanische Staatsanwalt im Strafrechtssystem - Eine
einzigartige Figur ................................................................................... 45
aa. Aufbau ........................................................................................... 46
bb. Zahlen............................................................................................ 47
b. Der gewählte Staatsanwalt ................................................................. 47
c. Mehr Anwalt als Staat ........................................................................ 48
5. Die Rolle des Verletzten - Kurzer Hintergrund der Verletztenrechte
in den USA ............................................................................................... 50
a. Keine Berücksichtigung in der U.S.-Verfassung ............................... 50
b. Das „crime-victims-movement“ und die Folgen................................ 51

IV
c. Victim „Standing“ .............................................................................. 52
d. Perspektiven ....................................................................................... 53
e. Verhältnis Staatsanwalt und Verletzter .............................................. 54
6. Reichweite und Grenzen staatsanwaltschaftlichen Ermessens....... 55
a. Legalität und Ermessen ...................................................................... 55
aa. Grundsatz: unbeschränktes staatsanwaltliches Ermessen ............. 56
bb. Form und Umfang der staatsanwaltlichen Ermessensausübung... 57
(1) Ermittlungstätigkeit, ................................................................... 58
(2) Immunitätsgewährung, ............................................................... 58
(3) Absprachen im Strafprozess, ...................................................... 58
(4) Anklageerhebung, -umfang und -aufrechterhaltung,.................. 58
(5) Zeitpunkt der Anklageerhebung, ................................................ 59
(6) Ort der Anklage. ......................................................................... 59
cc. Grenzen staatsanwaltlicher Ermessensmacht ................................ 60
(1). „selective prosecution“ .............................................................. 60
(2) „vindicative prosecution“ ........................................................... 61
(3) Hohe Nachweisgrenze ................................................................ 61
dd. Eindämmungsbestrebungen .......................................................... 62
(1) Einschränkung bzw. Präzisierung durch Richtlinien.................. 63
(a) Gesetzlich festgelegte Richtlinien ........................................... 63
(b) Modellstandards professioneller Organisationen .................... 65
(c) Interne staatsanwaltschaftliche Regeln.................................... 65
(d) Berufsethische Vorgaben......................................................... 66
(e) Fehlende Justitiabilität ............................................................. 66
(2) Kontrolle des Staatsanwaltes durch die Wähler ......................... 67
(3) Kontrolle durch Nutzung des Zivilrechtsweges ......................... 67
(4) Disziplinarbeschwerde: malfeasance, misfeasance, nonfeasance,
neglect of duty, misuse of office ...................................................... 67
(5) Innerbehördliche Kontrolle durch Aufsicht................................ 68

V
(6) Kontrolle durch die grand jury ................................................... 69
ee. Anklagemonopol des amerikanischen Staatsanwaltes?................. 70
b. Zusammenfassung - Kein Legalitätsprinzip....................................... 71
II. Rechtsbehelfe des Verletzten gegen die negative
Anklageentscheidung ................................................................................. 75
1. Ansatzpunkt: die negative Anklageentscheidung des Staatsanwaltes
................................................................................................................... 75
a. Zeitpunkte einer möglichen Verfahrenseinstellung durch die
Staatsanwaltschaft .................................................................................. 75
aa. „Initial screening“ - Sofortige Verfahrenseinstellung nach ersten
polizeilichen Ermittlungen .................................................................. 76
bb. (Teil-)Einstellung im Rahmen von plea negotiations ................... 76
cc. Exkurs: Verfahrenseinstellung durch die grand jury..................... 77
dd. Exkurs: Verfahrenseinstellung beim „preliminary hearing“ durch
das Gericht........................................................................................... 78
ee. „nolle-prosequi“/ „dismissal“: Verfahrenseinstellung vor oder in
der Hauptverhandlung ......................................................................... 78
b. Diversion - Das amerikanische Gegenstück zur deutschen Einstellung
gegen Auflagen?..................................................................................... 79
2. Korrektiv durch Einflussnahme des Verletzten............................... 80
a. Strafanzeige ........................................................................................ 80
b. Zwei Wege und eine Alternative für den Verletzten ......................... 80
aa. Überprüfung der staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung durch
die Gerichte ......................................................................................... 81
(1) Mandamus - Verbindliche richterliche Weisung als
amerikanisches Klageerzwingungsverfahren? ................................. 82
(a) Linda R.S. v. Richard D........................................................... 83
(b) Inmates of Attica Correctional Facility v. Rockefeller ........... 84
(c) Aschermann v. Bales ............................................................... 85

VI
(d) Pugach v. Klein........................................................................ 86
(2) Fazit: Kein Durchdringen des Verletzten vor Gericht................ 87
bb. Exkurs: Direkter Zugang zur grand jury ....................................... 88
cc. Die Privatklage - Recht des Verletzten auf direkten Zugang zu
Gericht................................................................................................. 90
(1) Begrifflichkeit und Einführung .................................................. 90
(2) Die historische Entwicklung der Privatklage in den Vereinigten
Staaten .............................................................................................. 91
(a) Von der Privatklage zur staatlich dominierten Strafverfolgung
....................................................................................................... 91
(b) Unzufriedenheit mit den staatlichen Strafverfolgern .............. 91
(c) Private Ankläger oft als Unterstützung des prosecutors......... 93
(d) Wachsender Widerstand gegen Privatkläger........................... 93
(e) Rechtswirklichkeit ................................................................... 95
(3) Die Privatklage im gegenwärtigen Recht ................................... 95
(a) Die Privatklage heute: Anerkannt aber bedeutungslos? .......... 95
(b) Die Young-Entscheidung des U.S. Supreme Courts - Wende
zuungunsten der Privatkläger? ...................................................... 99
(c) Hauptgegenargument: Verletzung der „due– process“- Klausel
..................................................................................................... 101
(4) Die Bestellung eines „special prosecutors“.............................. 102
(5). Fazit: Unübersichtliche Rechtslage ......................................... 104
dd. Zusammenfassung: Anspruch und Wirklichkeit für die Verletzten
in den USA ........................................................................................ 105
III. Reformbestrebungen und Kritik ..................................................... 107
1. Ansatz bei der Privatklage ............................................................... 108
a. Kritik an der Young-Entscheidung................................................... 109
b. Diskussion zur Neutralität des Privatklägers ................................... 111
c. Nutzen für den Verletzten ................................................................ 112

VII
2. Die Befürworter einer gerichtlichen Überprüfung der
staatsanwaltlichen Ermessenentscheidung ......................................... 114
a. Umsetzungsproblematik................................................................... 114
b. Modelle zur Umsetzung ................................................................... 118
3. Andere oder ergänzende Reformvorschläge .................................. 119
a. Kombination beider Ansätze ............................................................ 119
b. Einsatz bestimmter prosecutor ......................................................... 120
c. Beteiligung beim plea-bargaining: ................................................... 121
d. Direkter Zugang zur (gestärkten) grand jury ................................... 122
e. Schaffung eines unabhängigen Gremiums zur Überprüfung
staatsanwaltlicher Entscheidungen....................................................... 123
D. Zusammenfassung und Ausblick.......................................................... 124
I. Rechtsgegenüberstellende Zusammenfassung................................... 124
1. Renaissance des Opfers und Tendenz zur stärkeren
strafprozessualen Einbindung.............................................................. 124
2. Das deutsche System als Vorbild für Reformen des amerikanischen
Strafprozessrechts? ............................................................................... 125
a. Grundlegende Unterschiede ............................................................. 126
b. Gemeinsame Elemente..................................................................... 128
c. Bessere strafprozessuale Ausgangsposition des Verletzten im
deutschen System ................................................................................. 129
d. Ursachen........................................................................................... 130
e. Übertragbarkeit deutscher Rechtsbehelfe......................................... 132
f. Ergebnis: Trotz unterschiedlicher Wurzeln: Annäherung der Systeme
.............................................................................................................. 134
aa. Paradoxon Privatklage................................................................. 135
bb. Parallelen beim Klageerzwingungsverfahren ............................. 136
cc. Rechtsschutz für den Verletzten und Kontrolle der
Staatsanwaltschaft ............................................................................. 137

VIII
(1) Privatklage ................................................................................ 138
(2) Klageerzwingungsverfahren..................................................... 138
(3) Ergebnis .................................................................................... 139
II. Ausblick - Kleine Schritte zu welchem Ziel?.................................... 140
1. Kurze Einführung in die verfassungsrechtlichen Vorgaben in den
USA......................................................................................................... 141
a. Verfassungsrechtliche Einwände gegen die Privatklage.................. 141
aa. „Due Process“:............................................................................. 141
(1) Text of the Constitution:........................................................... 142
(2) „Tradition“................................................................................ 142
(3) „Balancing test“:....................................................................... 142
bb. Equal protection .......................................................................... 143
b. Verfassungsrechtliche Einwände gegen die Überprüfung der
staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung ......................................... 144
2. Konkrete Probleme einer möglichen Umsetzung........................... 147
3. Bei einer konkreten Umsetzung zu beachtende Grenzen.............. 148
a. Keine Usurpation der vorgerichtlichen staatsanwaltlichen
Entscheidungsbefugnisse durch Verletzten oder Richter..................... 148
b. Weiteres Verfahren .......................................................................... 149
4. Eigene Einschätzung und Prognose................................................. 149

IX
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FALLVERZEICHNIS DER AMERIKANISCHEN
ENTSCHEIDUNGEN
Adams v. Richardson, 480 F.2d 1159 (1973)
Allen v. State, 257, S.E. 2d 5 (1979)
Ascherman v. Bales, 78 Cal. Rptr. 445 = 273 Cal. App. 2d (1969)
Ates v. State, 194 So. 286 (1940)
Attorney Gen. of U.S. v. Irish People, Inc., 796 F. 2d 520 (1986)
Attorney general v. Pelletier, 240 Mass. 264 = 134 NE 407 (1922)
Ballard v. State, 519 S.W. 2d 426 (1975)
Bell v. U.S., 48 F. 3d 1042 (1995)
Berger v. U.S., 295 U.S. 78 (1935)
Biemel v. State, 71 Wis.444 = 37 N.W. 244 (1888)
Blackledge v. Perry, 417 U.S. 21 (1974)
Blaney v. State, 21 A. 547 (1891)
Bloom v. Illinois, 391 U.S. 194, 203 (1968)
Board v Supervisors of Los Angeles County v. Simpson, 36 Cal.2d 671
(1951)
Bolling v. Sharp, 347 U.S. 497 (1954)
Booth v. Maryland, 107 S. Ct. 2529 (1987)
Bordenkircher v. Hayes, 434 U.S. 357 = 98 S. Ct. 663 (1978)
Boyne v. Ryan, 100 Cal. 265 (1893)
Brack v. Wells, 40 A. 2d 319 = 184 Md. 86 (1944)
Brady v. Maryland, 373 U.S. 83 = 83 S. Ct. 1194 = 10 L .Ed. 2d 215 (1963)
Brown v. State, 250 S. E. 2d 438 (1978)
Buckley v. Valeo, 424 U.S. 1 (1976)
Burkhard v. State, 18 Tex. App. 599 (1885)
Burkhard v. State, 18 Tex. Criminal Appeal Reports 599 (1885)
Byrd v. State, 1 Howard (Mississippi) 247 (1835)
Callahan v. Giles, 155 S.W. 2d 793 (1941)
Callahan v. Jones, 200 Wash. 241 = 93 P. 2d 326 (1939)
Cantrell v. Commonwealth, 329 S. E. 2d (1985)
Cantrell v. Commonwealth, 329 S. E. 2d 22 (1985)
Cantrell v.Virginia, 329 S. E. 2d 22 (1985)
Carpet, Lineoleum & Resilient Tiles Layers Local 419 v. Brown, 656 F. 2d
564 (1981)
Coblentz v. State, 88 A.L.R. 886 (1933)
Colorado, Davis v. People, 238 P. 25 (1925)

XXIV
Com. v. Benz, 523 Pa.203 (1984)
Com. v. Eisemann, 276 Pa. Super. 543 (1980)
Commonwealth v. Beal, 709 N. E. 2d 413 (1999)
Commonwealth v. Benz, 565 A. 2d 764 (1989)
Commonwealth v. Carpenter, 172 Penn. Supr. 271 = 94 Atl. 2d 74 (1953)
Commonwealth v. Clerk of Boston Div. of Juv. Ct. Dep´t, 738 N. E. 2d 1124
(2000)
Commonwealth v. Eisemann, 308 Pa Super.16 = 453 A. 2d 1045 (1982)
Commonwealth v. Gibbs, 70 Mass. (4 Gray) 146 (1855)
Commonwealth v. Gonsalves, 739 N. E. 2d 1100 (2000)
Commonwealth v. Harris, 567 N. E. 2d 899 (1991)
Commonwealth v. Hubbard, 777 S. W. 2d 882 (1989)
Commonwealth v. Knapp, 10 Pickering 477 (1830)
Commonwealth v. Musto, 35 A. 2d 307 (1944)
Commonwealth v. Pellegrini, 608 N.E. 2d 717 (1993)
Commonwealth v. Pritchard, 408 Pa. Super. 221= 596 A. 2d 827 (1991)
Commonwealth v. Scott, 123 Massachusetts 222 (1877)
Commonwealth v. Tabor, 384 N.E. 2d 190 (1978)
Commonwealth v. Taylor, 704 N.E.2d 170 (1999)
Commonwealth v. Williams, 56 Mass. (2 Cush) 582 (1849)
Dick v. Scroggy, 882 F. 2d 192 (1989)
Donnelly v. De Christoforo, 416 U.S. 637 (1974)
Earl v. Commonwealth, 569 S. W. 2d 686 (1978)
Ex rel Robinson v. Cuyahoga county prosecuting office, 2003 WL 1760812
(2003)
Faulder v. Johnson, 81 F. 3d 515 (1996)
Fed.Election Comm`n v. Akins, 524 U.S.11 (1998)
Flege v. State, 93 Neb. 610 = 142 N. W. 276 (1913)
Furmann v. Georgia, 408 U.S. 238 (1972)
Futernick v. Sumptor Township, 78 F. 3d 1051 (1996)
Gardiner v. State, 55 N.J. Law (26 Vroom) 17 = 26 A. 30 (1892)
Hancock v. Schroering, 481 S. W. 2d 57 (1972)
Hassan v. Magistrate´s Court, 20 Misc. 2d 509 (1959)
Hayner v. People, 213 Illinois 142 = 72 N.E. 792 (1904)
Heckler v. Chaney, 470 U.S. 821 (1985)
Hicks v. Feicock, 485 U.S. 624, 633 (1988)
Hoppe v. King County, 622 P. 2d 845 (1980)
Hopper et al. v. Commonwealth, 6 Grattan (Virginia) 684 (1849)
Hughes v. Bowers, 711 Fed. Supp. 1574 (1989)
In re Grand Jury Subpoena of Stewart, 545 N. Y. S. 2d 974 (1989)
In re Padget, 678 P.2d 870 (1984)
In re Perez, 1 So. 2d 537 (1941)
In re Shelley, 332 Pa 58 = 2 A. 2d 809 (1938)

XXV
In re Winship, 397 U.S. 358 (1970)
In re. Murchison, 349 U.S. 133 (1955)
Inmates of Attica Correctional Facility v. Rockefeller, 477 F. 2d 375 (1973)
Jackson v. State, 156 Georgia 842 = 120 S. E. 535 (1923)
Johnston v. Foster 32 Kan. 14 = 3 P. 534 (1884)
Keenan v. McGrath, 328 F. 2d 610 (1964)
Kentucky v. Hubbard, 777 S. W. 2d 882 (1989)
King v. State of Indiana, 397 N. E. 2d 1260 (1979)
Kittler v. Kelsch, 56 N. D. 227 = 216 N. W. 898 = 56 A. L. R. 1217 (1927)
La Shar v. People, 74 Colorado 503 = 223 Pac. 59 (1924)
Lee v. State, 231 P. 324 (1924)
Linda R.S. v. Richard D., 410 U.S. 614 (1973)
Lopez v. State, 437 S. W. 2d 268 (1969)
Lujan v. Defenders of Wildlife, 504 U.S. 555 (1992)
Lykins v. State, 415 A. 2d 1113 (1980)
Manning v. Mun. of Roxbury Dist., 361 N. E. 2d 1274 (1977)
Marshall v. Jerrico, Inc., 446 U.S. 238 (1980)
Mathews v. Eldridge, 424 U.S. 319 (1976)
Matter of Complaint against Grady, 348 N.W. 2d 559 (1984)
Mc.Intire v. Wood, 7 Cranch 504 = 11 U.S. 504 = 3 L. Ed. 420 (1813)
McKay v. State, 90 Neb. 63 = 132 N. W. 741 (1911)
McKleskey v. Kemp, 481 U.S. 279 (1987)
Meister v. People, 31 Michigan 99 (1875)
Milliken v. Stone, 7 F.2d 397 (1925)
Miranda v. Arizona, 384 U.S. 478 (1964)
Musidor, B.V. v. Great American Screen, 658 F. 2d 60 (1981)
Nixon v. Administrator of General Services, 433 U.S. 425 (1977)
Payne v. Tennessee, 501 U.S. 808 (1991)
People ex rel. Tooley v. District Court of Second Judicial Dist., 190 Colo.
486, 549 P. 2d 774 (1976)
People v. Adams, 117 Cal. Rptr. 905 (1974)
People v. Baugham v. Eaton, 321 N. E. 2d 531 (1974)
People v. Benoit, 575 N.Y.S. 2d 750 (1991)
People v. Berlin, 316 N.Y.S. 2d 114 (1974)
People v. Calderone, 573 N.V.S. 2d 1005 (1991)
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People v. Parker 374 Ill 524 = 30 N. E. 2d 11 (1940)
People v. Powell, 25 P. 481 (1891)
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People v. Rhymer, 336 N. E. 2d 203 (1975)
People v. Schrager, 346 N. Y. S. 2d 101 (1973)
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XXVI
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Re Charge to grand jury, F. cas. No. 18255 (1872)
Reed v. State, 103 P. 1042 (1909)
Reed v. State, 20 Oklahoma Cr. 589 = 103 Pac. 1042 (1909)
Reed v. U.S., 985 F. 2d 880 (1993)
Reno v. American-Arab Anti-Discrimination Committee, 119 S. Ct. 946
(1999)
Rinaldi v. U.S., 434 U.S. 22 (1977)
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Sackinger v. Nevins, 114 Misc. 2d 454 = 451 N. Y .S. 2d 1005 (1982)
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Smith v. Gallagher, 185 A. 2d 135 (1962)
Smith v. Phillips, 455 U.S. 209 (1982)
Smith v. State, 426 N. E. 2d 364 (1981)
Snyder v. Massachusetts, 291 U.S. 97 (1934)
South Euclid v. Bondy, 200 N. E. 2d 508 (1964)
Spillmann v. U.S., 413 F. 2d 527 (1969)
State Bar of Tex v. Heard, 603 S. W. 2d, 829 (1980)
State ex .rel. McKittrick v. Graves, 346 Mo. 990 = 144 S. W. 2d 91 (1940)
State ex rel. Graham v. Klumpp, 523 N. W. 2d 8 (1994)
State ex rel. Kinsella v. Eberhardt, 116 Minn. 313 = 133 N. W. 857 (1911)
State ex rel. Kurkierewicz v. Cannon, 42 Wis.2d 368 = 166 N. W. 2d 255
(1969)
State ex rel. Newspapers, Inc. v. Circuit Court for Milwaukee County, 124
Wis. 2d 499 = 370 N. W. 2d 209 (1985)
State ex rel. O'Brien v. Moreland, 778 S. W. 2d 407 (1989)
State ex rel. Porter v. District court, 124 Mont. 249 = 220 P. 2d 1035 (1950)
State ex rel. Purcell v. Circuit Court of Sullivan County, 92 N. E. 2d 843
(1950)

XXVII
State ex. rel. Koppers Co. v. International Union of Oil, Chemical & Atomic
Workers, 298 S.E. 2d 827 (1982)
State of N.J. v. Imperiale, 773 F. Supp. 747 (1991)
State v. Addis, 186 S.E. 2d 415 (1972)
State v. Addis, 257 South Carolina 482 = 186 S.E. 2d 415 (1972)
State v. Atkins, 261 S.E. 2d 55 = 445 U.S. 904 (1980)
State v. Baca, 688 P. 2d 34 (1984)
State v. Baker, 819 P. 2d 1173 (1991)
State v. Barman (App) 13 Wis. 2d 180 = 515 N. W. 2d 493 (1994)
State v. Bartlett, 55 Maine 200 (1867)
State v. Bartlett, 74 A. 18 (1909)
State v. Basham, 170 N. W. 2d 238 (1969)
State v. Bennett, 798 S. W. 2d 783 (1990)
State v. Bennett, 798 S. W. 2d 783 (1990)
State v. Berg, 694 P. 2d 427 (1985)
State v. Bowman, 187 N. E. 2d 627 = 116 Ohio App. 285 (1962)
State v. Boyce, 194 Neb. 538 = 233 N. W. 2d 912 (1975)
State v. Carden, 209 North Carolina 404 = 183 S. E. 898 (1936)
State v. Cockrell, 309 P. 2d 316 (1957)
State v. Coubal, 248 Wis. 247 = 21 N. W. 2d 381 (1946)
State v. Fitzgerald, 49 Iowa 260 (1878)
State v. Fleury, 364 A. 2d 625 (1976)
State v. Harrington, 534 S. W. 2d 44 (1976)
State v. Harris, 262 N. J. Super. 294 = 620 A. 2d 1083 (1992)
State v. Harris, 477 S.W. 2d 42 (1972)
State v. Harton, 163 Ga. App.773 = 296 S. E. 2d 112 (1982)
State v. Hopper, 203, So. 2d 222 (1967)
State v. Hoshor, 26 Washington 643 = 67 Pac. 386 (1901)
State v. Ilvedson v. District court, 291 N. W. 620 (1940)
State v. Karpinski, 92 Wis. 2d 599 (1979)
State v. Kent, 4 North Dakota 577 = 62 N. W. 631 (1895)
State v. Lee, 847 P. 2d 25 (1993)
State v. LeVien, 44 N. J. 323 = 209 A. 2d 97 (1965)
State v. Lohm, 97 West Virginia 652 = 125 S. E. 758 (1924)
State v. Lucero, 20 New Mexico 55 = 146 Pac. 407 (1915)
State v. Martineau, 808 A. 2d 51 (2002)
State v. Matthews, 341 Missouri 1121 = 111 S. W. 2d 62 (1937)
State v. Mayhood, Minn., 241 N. W. 2d 803 (1976)
State v. Moose, 313 S. E. 2d 507 (1984)
State v. Murphy, 113 Ariz. 416 = 555 P. 2d 1110 (1976)
State v. Naranjo, 611 P. 2d 1101 (1980)
State v. Newman, 568 S. W. 2d 276 (1978)
State v. Petrich, 122 Louisiana 127 = 47 So. 438 (1908)

XXVIII
State v. Price, 35 A. L. R.1458 (1923)
State v. Ray, 143 N. E. 2d 484 (1956)
State v. Ray, 2 Ohio Opinions 2d 41= 143 N. E. 2d 484 (1956)
State v. Riser, 294 S. E. 2d 461 (1982)
State v. Rollins, 533 A. 2d 331 = 129 N.H. 684 (1987)
State v. Rue, 72 Minnesota 296 = 75 N.W. 325 (1898)
State v. Sandstrom, 595 P. 2d 324 (1979)
State v. Scott, 239 Pac. 2d 258 (1952)
State v. Steers, 2 Idaho 174 = 85 Pac. 104 (1906)
State v. Tighe, 27 Montana 327 = 71 Pac. 3 (1903)
State v. Tufts, 56 N. H. 137 (1875)
State v. von Bulow, 475 A. 2d 995, 1003 (1984)
State v. Ward, 61 Vermont 153 = 17 A. 483 (1889)
State v. Wilson, 24 Kansas 189 (1880)
State v. Worley, 369 S. E. 2d 706 (1988)
State v. Wouters, 177 A. 2d 299 (1962)
Stoner v. Massey, 586 S. W. 2d 843 (1979)
Stumbo v. Seabold, 704 F. 2d 910 (1983)
Taliaferro v. Locke, 182 Cal. App. 2d 752 = 6 Cal. Rptr. 813 (1960)
Taylor v. Newton Div. of Dist. Ct. Dep`t., 622 N.E. 2d 261 = 416 Mass. 1006
(1993)
Thalheim v. State, 38 Florida 169 = 20 South 938 (1896)
Tonkin v. Michael, 349 F. Supp. 78 (1972)
Tonkin v. Michael, 349 Fed. Supp. 78 (1972)
Tooley v. District Court, 190 Colo. 468 (1976)
U.S. ex rel. Doss v. Lindsley, 158 A. L. R. 525 (1945)
U.S. ex rel. Savage v. Arnold, 403 F. Supp.172 (1975)
U.S. ex. rel. Marcus v. Hess, 317 U.S. 537 (1943)
U.S. v. Abbas, 74 F. 3d 506 (1996)
U.S. v. Ammidown, 497 F. 2d 615 (1973)
U.S. v. Anderson, 940 F. 2d 593 (1991)
U.S. v. Armstrong, 517 U.S. 456 (1996)
U.S. v. Brown, 381 U.S. 437 (1965)
U.S. v. Bryson, 434 F. Supp. 986 (1977)
U.S. v. Burns, 684 F. 2d 1066 (1982)
U.S. v. Capozzi, 883 F. 2d 608 (1989)
U.S. v. Carter, 130F. 3d 1432 (1997)
U.S. v. Castro, 129 F.3d 226 (1997)
U.S. v. Cerrato-Reyes, 176 F. 3d 1253 (1999)
U.S. v. Cooper, 70 F. 3d 563 (1995)
U.S. v. Cox, 342 F. 2d 167 (1965)
U.S. v. Crouch, 84 F. 3d 1497 (1996)
U.S. v. Derrick, 163 F. 3d 799 (1998)

XXIX
U.S. v. Frega, 179 F. 3d 793(1999)
U.S. v. Gary, 74 F. 3d 304 (1996)
U.S. v. Godwin, 457, U.S. 368 (1982)
U.S. v. Groundhoefer, 916 F. 2d 788 (1990)
U.S. v. Hamilton, 46 F. 3d 271 (1995)
U.S. v. Hamm, 659 F. 2d 624 (1981)
U.S. v. Hastings, 126 F. 3d 310 (1997)
U.S. v. Huang, 178 F. 3d 184 (1999)
U.S. v. Jackson, 189 F. 3d 655 (1999)
U.S. v. Lawrence, 179 F. 3d 343 (1999)
U.S. v. Martinez, 785 F. 2d, 663 (1986)
U.S. v. Monaghan, 741 F. 2d 1434 (1984)
U.S. v. Nelson, 137 F. 3d 1094 (1998)
U.S. v. Nixon, 418 U.S. 683 (1974)
U.S. v. Paguio, 114 F. 3d 928 (1997)
U.S. v. Redondo-Lemos, 27 3d 439 (1994)
U.S. v. Rodriguez, 162 F. 3d 135 (1998)
U.S. v. Ross, 456 U.S. 798 (1982)
U.S. v. Saade, 652 F. 2d 1126 (1981)
U.S. v. Salerno, 107 S. Ct. 2095 (1987)
U.S. v. Satterwhite, 980 F. 2d 317 (1992)
U.S. v. Schoolcraft, 879 F. 2d 64 (1989)
U.S. v. Shulman, 24 CrL. 2523 (1979)
U.S. v. Smith, 178 F. 3d 22 (1999)
U.S. v. Smith, 55 F. 3d 157 (1995)
U.S. v. Solomon, 216 F. Supp. 835 (1963)
U.S. v. Stokes, 124 F. 3d 39 (1997)
U.S. v. Torquato, 602 F. 2d 564 (1979)
U.S. v. Trammell, 133 F. 3d 1343 (1998)
U.S. v. Tucker, 78 F. 3d 1313 (1996)
U.S. v. VanDoren, 182 F. 3d 1077 (1999)
U.S. v. Zendeli, 180 F. 3d 879 (1999)
Unnamed Petitioners v. Connors, 136 Wis. 2d 118 = 401 N. W. 2d 782 (1987)
Urdiales v. Canales, 475 F. Supp. 622 (1979)
Victory Distrib., Inc.v. Ayer Div. of the Dist. Ct. Dep´t, 755 N. E. 2d 273
(2001)
Waldron v. Tuttle, 4 N.H. 149 (1827)
Walker v. Packer, 827 S. W. 2d 833 (1992)
Wayte v. U.S., 470 U.S. 598 (1985)
Weatherford v. Bursey, 429 U.S. 545 (1997)
Weems v. Anderson, 84 A. L .R. 3d 106 = 516 S. W. 2d 895 = 257 Ark. 376
(1975)
Wild v. Otis, 257 N. W. 2d 361 (1977)

XXX
Wilson v. County of Marshall, 257 Ill. App. 220 (1930)
Wisconsin State v. Kenyon, 85 Wis. 2d 3 = 270 N.W. 2d 160 (1978)
Woods v. Linahan, 648 F. 2d 973 (1981)
Wright v. U.S., 732 F. 2d 1048 (1984)
Yick Wo v. Hopkins, 118 U.S. 356 = 30 L. Ed. 220 = 6 S. Ct. 1064 (1977)
Young v. U.S. ex. rel. Vuitton et Fils S.A., 107 S. Ct. 2124 = 481 U.S. 787
(1987)

1
Die Rechtsbehelfe des Verletzten gegen die negative Anklageentscheidung
des Staatsanwaltes in den USA
Rechtslage und Reformbestrebungen
A. Einleitung: Ausgangspunkt und Gegenstand der Arbeit, Zieleingrenzung
In den letzten Jahren und Jahrzehnten sind sowohl in Deutschland als auch in
den USA zahlreiche Abhandlungen zum Opferschutz erschienen. Die Verletzten
1 von Straftaten sind wieder deutlich mehr in das öffentliche Bewusstsein
gerückt. 2 Die Politik 3 hat reagiert und mehrere Opferschutzgesetze 4 erlassen.
Verbrechensopfer haben hierdurch verstärkt Rechte erhalten. Es ist aber erstaunlich,
wie verhältnismäßig wenig gerade zu Beginn der Rückbesinnung auf die
Opfer die in rechtspolitischer Hinsicht zentrale Frage im Fokus stand, ob der
Täter sich für seine Tat vor einem Gericht verantworten muss, und zwar auch
dann, wenn der mit der Angelegenheit betraute Staatsanwalt 5 im Rahmen seiner
1 Der Begriff des Verletzten i. S. dieser Ausführungen stimmt mit der überwiegenden deutschen
strafprozessualen Interpretation überein. Verletzter ist demnach, wer durch die behauptete Tat, ihre
tatsächliche Begehung unterstellt, unmittelbar in einem Rechtsgut verletzt ist, vgl. Meyer-Goßner,
§ 172, Rn. 9; der Begriff wird weiter als im materiellen Recht ausgelegt und erfasst z.B. auch die
Angehörigen des durch die Straftat Getöteten, vgl. Schroeder, Strafprozessrecht, § 18, Rn. 159; die
Begriffe „Verletzter“ und „Opfer“ werden in der Darstellung synonym verwendet.
2 Dabei wird oft von einer „Renaissance“ des Opfers gesprochen, so auch Eser, in FS Kaufmann,
723, der nationale und internationale Tendenzen zum Thema aufzeigt; Hirsch, in FS Kaufmann,
699 spricht gar von einer„Verletzteneuphorie“.
3 Die Bundesregierung hat den Opferschutz wiederum auf die Agenda gesetzt; Justizministerin
Zypries leitete schon ihre erste Amtszeit mit einer Rede vor der Bonner Juristenvereinigung ein,
wobei sie die Rechtspolitik der Bundesregierung in der 15. Legislaturperiode vorstellte und dabei
das Engagement für den Opferschutz betonte, die Rede ist einzusehen unter www.bmj.bund.de.
4 Vgl. in Deutschland z.B. das Opferentschädigungsgesetz (OEG) von 1985, die Änderungen
der StPO durch z.B. des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen
Straftaten und dem 6. Strafrechtsreformgesetz von 1998, Gesetz zur Sicherung der zivilrechtlichen
Ansprüche der Opfer von Straftaten (OASG) von 1998, zuletzt das sog. Opferrechtsreformgesetz,
in Kraft getreten am 01.09.2004, u.a. mit einer deutlichen Stärkung des Adhäsionsverfahrens.
Nicht alle Neuerungen stoßen jedoch auf Zustimmung in der Strafrechtswissenschaft, vgl z.B.
Weigend, NJW 1987, 1170, der ein klares Konzept vermisst, ebenso Tenter / Schleifenbaum, NJW
1988, 1766. Zur Entwicklung in den USA vgl. unten B. I .5.; eine Zusammenfassung der Kritik an
den Opferschutzgesetzen bietet Jäger, S. 34 ff.
5 Als „Staatsanwalt“ i.s. dieser Ausführungen wird jede ernannte oder gewählte Person auf
Bundes-, staatlicher-, Bezirks oder Gemeindeebene verstanden, deren Tätigkeit in der Vertretung
des öffentlichen Interesses der Öffentlichkeit in Strafverfahren besteht.

2
Ermessensausübung eine negative Anklageentscheidung trifft. 6 Verbindet man
diese beiden Aspekte - das Interesse des Verletzten und das Entscheidungsermessen
des Staatsanwaltes - so gelangt man schnell zu einer im Bereich eines
sensiblen Gleichgewichtes im Randgebiet von Legalität, Opportunität und Anklagemonopol
angesiedelten Problematik, nämlich der Frage, inwieweit ein Verletzter
im Strafrechtssystem die Möglichkeit hat, auch gegen den Willen und zur
Kontrolle der Staatsanwaltschaft zumindest die Befassung eines unabhängigen
Gerichtes mit dem Fall zu erzwingen.
I. Ausgangspunkt und Hintergrund: Die Ausführungen von Weigend
Nach Weigend 7 bildet das Legalitätsprinzip das notwendige „Korrektiv zum
Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft“ und im Falle einer Monopolisierung
der Anklagebefugnis bei der Staatsanwaltschaft „bedarf es verlässlicher Kontrollmechanismen,
um den Missbrauch dieser Alleinentscheidungsbefugnis zu
verhindern“. Als „kritischen Punkt“ birgt das staatliche Anklagemonopol die
Gefahr, dass der Verletzte der Straftat in einem mitentscheidenden Stadium des
Verfahrens jeder Einflussmöglichkeit beraubt, ja, dass er völlig an die Wand
gedrückt wird. 8 Die deutsche Verfahrensordnung räumt demjenigen, der durch
die Straftat unmittelbar in seinen Rechtsgütern betroffen wird, eine denkbar
schwache Position ein: einerseits kann er nur in der qualitativ ziemlich unbedeutenden
Gruppe der Antragsdelikte die Anklageerhebung verhindern; andererseits
kann er sie auch nur dann erzwingen, wenn der Staatsanwalt zu Unrecht den
„genügenden Anlass“ zur Klage verneint hat, § 172 i.V.m. § 170 StPO. Die
Strafprozessordnung hat in ihrer ursprünglichen Fassung dafür gesorgt, dass eine
Benachteiligung des Geschädigten durch die strenge Anklagepflicht vermieden
wird; in dem engen Bereich, in dem das Opportunitätsprinzip galt, stand die
Privatklage zur Verfügung. 9 Dieses geschlossene System ist durch die Lockerung
des Legalitätsprinzips zunehmend aus dem Gleichgewicht geraten, und
zwar zum Nachteil des Verletzten. Obwohl sich der Standpunkt vertreten lässt,
das Ergebnis eines Verletzten bar jeder Rechtsschutzmöglichkeit bilde den
Schlusspunkt einer Entwicklung von der Fehde zum staatlichen Strafanspruch
und sei deshalb nicht unerwünscht, so ist es doch kriminalpolitisch unklug, den
Verletzten ganz aus dem Strafverfahren hinausdrängen zu wollen: nicht nur,
dass damit die Distanz zwischen Justiz und Bevölkerung vergrößert wird und
dass viele das Gefühl verlieren, ihre Interessen seien bei den Organen der
Rechtspflege gut aufgehoben, darüber hinaus läuft man auch Gefahr, den Blick-
6 Dieser Aspekt rückt jedoch, gerade in Verbindung mit der staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung,
mehr und mehr in den Vordergrund, in den letzten Jahren sind gerade in den USA hierzu
einige Arbeiten erschienen.
7 Weigend, S. 82, 83.
8 Weigend, S. 83, unter Bezugnahme auf Dencker, JZ 1983, 144, 147.
9 Weigend, S. 83, unter Bezugnahme auf Maiwald, GA 1970, 33, 46.

3
punkt allzu einseitig auf die Interessen des Beschuldigten zu fixieren und dabei
die wichtigsten sozialen Funktionen des Strafrechts, nämlich den Rechtsfrieden
wiederherzustellen und lebensnotwendige Rechtsgüter zu schützen, aus dem
Auge zu verlieren.
Zugleich bietet es sich an, das Interesse des Geschädigten an der Bestrafung des
Täters für systeminterne Zwecke des Strafverfolgungsapparates nutzbar zu machen.
Wie jedes Monopol bedarf auch das Anklagemonopol des Staatsanwaltes
in einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung der Kontrolle. Deren organisatorische
Garantie wird vornehmlich im hierarchischen Aufbau der Anklagebehörde
und in der damit verbundenen innerdienstlichen Aufsicht gesehen. 10 Die Wirksamkeit
dieser Methode soll nicht bestritten werden, ihr haftet jedoch der Nachteil
an, dass sie die Kontrolle auf den internen Bereich beschränkt und dass sie,
mit Ausnahme des nur begrenzt anwendbaren Klageerzwingungsverfahrens, die
grundsätzlich verlässlichere Nachprüfung der Entscheidungsvorgänge durch
Außenstehende ausschließt. Als eine solche externe Kontrollinstanz kann aber
gerade der durch die Straftat Verletzte wirken, und zwar nicht nur, wie bisher,
im Bereich der Anklagepflicht, sondern auch dort, wo der Staatsanwalt nach
seinem Ermessen über Einstellung und Anklageerhebung entscheidet: ihm kann
man entweder die Befugnis übertragen, gegen ungerechtfertigte Verfahrenseinstellungen
das Gericht anzurufen oder aber das Recht, selbständig die Klage zu
erheben. Beide Möglichkeiten würden jedenfalls für die Mehrzahl der Fälle sicherstellen,
dass die mit dem Anklagemonopol verbundene Macht des Staatsanwaltes
nicht uneingeschränkt und unkontrolliert besteht; zugleich eröffnete
die Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Verletzten auch die Chance,
auf das zur Korrektur des Anklagemonopols recht grobe Werkzeug des Legalitätsprinzips
(Weigend 11 sieht das Legalitätsprinzip ohnehin „in der Krise“ und
stellt ein unaufhaltsames Vordringen des Opportunitätsprinzips fest) zu verzichten
und dem Staatsanwalt einen größeren Ermessensspielraum zu gewähren. Das
Vertrauen der Öffentlichkeit in die Staatsanwaltschaft hat sich als die entscheidende
Antriebskraft zum Vordringen des Opportunitätsprinzips erwiesen. Dieses
Vertrauen ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Macht des Staatsanwalts in
Grenzen gehalten wird, durch Ermessensrichtlinien und durch Beteiligung des
Verletzten im Vorverfahren. Denn der Schutz der Gesetze wird nicht gebraucht
gegenüber dem pflichtbewussten, kompetenten Staatsanwalt; durch rechtliche
Sicherungen muss vielmehr garantiert werden, dass auch in Extrem- und Ausnahmefällen
das langsam gewachsene Vertrauen in die Anklagebehörde nicht
missbraucht wird.
10
Weigend, S. 84, unter Bezugnahme auf Langbein, Controlling prosecutorial discretion in
Germany, 41 U. Chi. L. Rev. 439, 465.
11
Weigend, S. 1 ff.

II. Gegenstand und Themeneingrenzung
4
Diese Feststellungen und Arbeitsergebnisse von Weigend 12 , die sich freilich
primär auf das deutsche System beziehen 13 , gaben letztlich den Anstoß und bilden
die Grundlage dieser Arbeit. Obwohl die Ausführungen schon 1978 erschienen
sind, sind diese heute aktueller denn je.
Diese Arbeit befasst sich, ausgehend von Weigends Prämissen 14 hinsichtlich
Legalität, Opportunität 15 und Anklagemonopol, die strafprozessual zumindest
von Gesetzes wegen bis heute unverändert gelten, mit den derzeitigen strafprozessualen
Möglichkeiten eines Verletzten als externe Kontrolle der Staatsanwaltschaft
zur gerichtlichen Ingangsetzung eines Strafverfahrens nach negativer
Anklageentscheidung des Staatsanwaltes in den USA, wobei zu Beginn in aller
Kürze das deutsche Rechtsschutzsystem zugunsten des Verletzten in dieser Frage
dargestellt und die entsprechenden Reformansätze skizziert werden sollen. 16
Untersucht wird der Fall, dass ein Verletzter eine Anklage erzwingen will, obwohl
der Staatsanwalt von einer Anklageerhebung absehen möchte, etwa durch
Einstellung, außergerichtliche Vergleichseinigung, Nichtverfolgung mangels
ausreichender Beweise, Zeitmangel, politischem Eigeninteresse oder aus purer
Unlust. Im Vordergrund der Betrachtung soll dabei die Strafverfolgung von
Verbrechen 17 stehen, auf die Frage der Bewältigung der Bagatellkriminalität 18
wird dagegen nicht gesondert eingegangen.
12 Weigend, S. 82 ff.
13 Weigend stellt bei seiner Darstellung auch nicht die Möglichkeiten des Verletzten in den
Vordergrund, sondern beleuchtet Tätigkeit der ausländischen Anklagebehörden generell.
14 Weigend hat den Aufwand eines umfassenden Systemvergleiches geleistet, wohingegen sich
diese Arbeit einen, freilich im Gesamtzusammenhang mit Weigends Untersuchungsgebiet zu sehenden,
Punkt, nämlich die Rechtsbehelfe des Verletzten gegen die negative Anklageentscheidung
zur Kontrolle des amerikanischen Staatsanwaltes herausgreift und insoweit auch über Weigends
Ansatz hinausgeht.
15 Für eine grundsätzliche wissenschaftliche Aufarbeitung dieser Thematik unter Berücksichtigung
rechtstheoretischer, rechtsstaatlicher und rechtspolitischer Überlegungen vgl. Erb, S. 1 ff.
16 Der Verfasserin ist die Problematik im Rahmen eines mehrmonatigen Studienaufenthalts in
den USA aufgefallen, als ihr in der Bostoner Rechtsanwaltskanzlei, für die sie tätig war, ein entsprechender
Fall vorgelegt wurde. Weigend, S. 107, m.w.N. spricht diese Frage für das amerikanische
Recht nur kurz an und statuiert folgendes Ergebnis: „Dem Opfer einer Straftat hilft nicht einmal
der Gleichheitssatz: es ist praktisch unmöglich, den Staatsanwalt zur Anklageerhebung zu
zwingen.“ Mit der vorliegenden Arbeit soll nun versucht werden, diese Problematik etwas näher
zu beleuchten. Neben einer gerichtlichen Überprüfbarkeit soll auf die Privatklage als weiteres Mittel
eines Verletzten, im Falle einer negativen Anklageentscheidung eine Befassung eines Gerichtes
mit der Angelegenheit zu erreichen, eingegangen werden.
17 Sog. felonies. Im Gegensatz dazu ist in den USA das System der sog. misdemeanors, weniger
schwerer Straftaten, in etwa vergleichbar mit den deutschen Vergehen oder Ordnungswidrigkeiten,
in den einzelnen Staaten stark unterschiedlich und die Systeme wegen dieser Zersplitterung kaum
einer Betrachtung im Überblick zugänglich. Zur Befriedung kleinerer Konflikte stehen in den
USA oft sog. Friedensrichter zur Verfügung, in Deutschland werden sie teilweise von der Privat-

5
Nicht Gegenstand der Abhandlung ist der Fall des korrupten und somit in
strafrechtlich relevanter Weise verfolgbaren Staatsanwaltes. Eben so wenig behandelt
wird auch der umgekehrte Fall des verzeihenden Verletzten, der eine
weitere Strafverfolgung, etwa durch Rücknahme eines Strafantrages o.ä., verhindern
will. Verfahrenseinstellungen durch die Polizei, ohne dass die Staatsanwaltschaft
hiervon Kenntnis erlangt, bleiben außer Betracht. 19 Mit der „Ingangsetzung
eines Strafverfahrens“ ist das Stadium eines Strafverfahrens gemeint,
in dem ein Gericht sich mit der Angelegenheit befasst, gerichtliche Verfahrenseinstellungen
bzw. gerichtliche Beschlüsse der Nichteröffnung des Strafverfahrens
werden nicht behandelt, ebenso wenig die Möglichkeiten des Verletzten
zur bloßen Ingangsetzung eines Ermittlungsverfahrens, wie z.B. eine
Anzeige bei der Polizei oder die Stellung eines Strafantrages. 20 Nicht Gegenstand
der Arbeit ist auch die Problematik und Grundlagenforschung zu der u. a.
in rechtstheoretischer, kriminologischer 21 , viktimologischer 22 und kriminalpolitischer
Hinsicht zu bewertenden Frage des grundsätzlichen Bedürfnisses und
Nutzens einer Kontrolle des staatsanwaltschaftlichen Ermessens durch den Verletzten
23 für das System und den Verletzten selbst, das Problem der Begründung
klage umfasst, wobei es zumindest in der Literatur Bestrebungen zur Ausweitung des Sühneverfahrens
gibt, vgl. z.B. Weigend, Deliktsopfer, S. 545.
18
Zu Fragen der Behandlung und Bewältigung von (Massen-)Bagatelldelikten sind zahlreiche
spezielle Arbeiten erschienen, vgl. z.B. Krümpelmann, Die Bagatelldelikte.
19
Vgl. insoweit zur „Filterfunktion“ insbesondere der amerikanischen Polizei aber Weigend in
Jescheck, S. 608 f.
20
Eine Strafanzeige ist in beiden Systemen unproblematisch möglich; nicht gesondert behandelt
werden auch die sog. Beteiligungsrechte an der Entscheidung des Staatsanwaltes, wie etwa
Anhörung, Mitteilungs- oder Akteneinsichtsrechte. Mit der Abschlußverfügung des Staatsanwaltes
auch im amerikanischen Recht befasst sich sehr intensiv die rechtsvergleichende Arbeit von Dengler,
Die richterliche Kontrolle der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft im Emittlungsverfahren.
Dengler, 1 ff., betrachtet die Abschlussverfügung generell und nicht, wie hier, aus Sicht
des Verletzten.
21
Hierzu ist aber auf jeden Fall die umfassende Arbeit „Opferinteressen und Strafverfolgung“
von Kilchling zu nennen, die auch interessante empirische Erhebungen beinhaltet.
22
An diesem Punkt haben die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für ausländisches und
internationales Strafrecht in Freiburg auch hinsichtlich ausländischer Rechtssysteme schon wertvolle
Arbeit geleistet, vgl. insoweit u.a. die vierbändige, in englischer Sprache erschienene Schriftenreihe
von Kaiser, Victims and criminal justice; vgl. zu neueren kriminalpolitischen Entwicklungen
insoweit auch Schneider, Jura 1989, 72 ff.
23
Vgl. hierzu aber die Arbeit von Werner, Der Einfluß des Verletzten auf Verfahrenseinstellungen
der Staatsanwaltschaft, die zwar an derselben Schnittstelle ansetzt, die Bearbeitung aber in
erster Linie an der Position des Verletzten im Ermittlungsverfahren ausrichtet. Hinsichtlich der
Grundfrage der Position des Verletzten im Strafprozess generell ist wieder auf Weigend, ZStW 96
(1984), 761, 767 m.w.N. zu verweisen, der diese Frage „im Fadenkreuz verschiedener straf- und
strafprozessualer Grundprobleme“ und „an den Fundamenten unserer Verfahrensordnung“ verortet
und die Zuweisung einer konsistenten Rolle nur dann für möglich hält, „wenn man zu solchen
Universalien wie der retributiven oder präventiven Funktion des materiellen Strafrechts, dem Verhältnis
von staatlichen Strafen zu privater Genugtuung, dem allgemeinen Zweck des Strafverfahrens
und der Gewichtsverteilung zwischen Privatpersonen und Staatsgewalt im Strafprozess Stel-

6
einer Subjektstellung des Verletzten im Strafverfahren, sowie eine einheitliche
Konzeption der Verletztenstellung im Strafverfahren generell. 24 Die Verfasserin
wird die Person und Ansprüche des Verletzten damit nur insoweit in den Mittelpunkt
ihrer Ausführungen stellen, als sie Träger von Kontrollrechten hinsichtlich
der Anklageerhebung ist. 25 Die Frage der Notwendigkeit von Reformen allein
unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines ausreichenden Verletztenschutzes
ist somit nicht Gegenstand der Darstellung. 26 Insoweit schließt sich
die Verfasserin schon als Ausgangsposition oben dargestellter Ansicht von Weigend
an, wonach die Kontrolle der Staatsanwaltschaft durch eine angemessene
Beteiligung des Verletzten 27 sinnvoll ist. 28 Ausgeklammert wird dabei die Untersuchung
der grundsätzlichen Frage, ob die Entwicklung vom privaten zum
staatlichen Rechtsgang zu billigen oder zu akzeptieren ist, oder – mit den Worten
Weigends 29 – ob es vielmehr gilt, sich ihr entgegen zu stemmen. Insoweit
kann nicht intensiv auf die rechtstheoretischen Grundlagen eingegangen werden.
30
lung bezieht“. Diese grundsätzliche Darstellung und Einordnung der Person des Verletzten, von
Weigend, wie vor, als „Herkulesarbeit“ bezeichnet, ist freilich nicht Gegenstand dieser Ausführungen.
24
Vgl. hierzu z.B. Schöch, NStZ 1984, 385, der einige Begründungsansätze zusammenfasst.
Für eine neuere umfassende Zusammenfassung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren vgl.
Kaiser, S. 1 ff.
25
Rieß, Jura 1986, 281, 283, spricht in diesem Zusammenhang davon, der Verletzte werde
„nicht selten instrumental zur Lösung allgemeiner strafverfahrensrechtlicher Probleme, etwa zur
Kontrolle des Legalitätsprinzips“ eingesetzt. Genau in diesem Sinne verfährt diese Darstellung, die
den Verletzten nur insoweit in den Vordergrund stellt, als er Träger von Rechten zur Kontrolle der
Staatsanwaltschaft ist. Rieß, a.a.O., 291, meint allerdings, diese instrumentale Verwendung des
Verletzten zur Kontrolle und Gewährleistung des im allgemeinen Interesse liegenden Legalitätsprinzip
werde dem Anspruch nicht gerecht, den Verletzten wegen seiner persönlichen Betroffenheit
über den Normbruch am Verfahren zu beteiligen. In dieser Hinsicht kann und will die Verfasserin
keine Wertung abgeben, untersucht werden hier die strafprozessualen Möglichkeiten des
Verletzten gegen die negative Anklageentscheidung speziell unter dem Aspekt des zusätzlichen
Nutzens einer Kontrolle der staatsanwaltlichen Anklageentscheidung. Die Tatsache, dass dem
Verletzten diese Rechte zustehen bzw. zustehen sollten, wird im Rahmen obiger Überlegungen
unterstellt, nicht aber untersucht.
26
Vgl. hierzu aber die Darstellung bei Werner, S. 154 ff. mit entsprechender empirischer Untersuchung.
27
Gemeint ist eine sinnvolle Beteiligung in angemessenem Unfang, die das Vertrauen in Justiz
und Recht stärkt, aber nicht den Zweck hat, einer unangemessen übersteigerten Vergeltungsabsicht
eines Verletzten Vorschub zu leisten.
28
So im Ergebnis auch Werner, S. 154 ff.
29
Weigend, Deliktsopfer, S. 168, der allerdings im Fortgang der Darstellung zum Für und Wider
anderweitiger Konfliktlösungsformen und einer Reprivatisierung des Strafverfahrens weitere
interessante Überlegungen anstellt.
30
Ausgangspunkt sind vielmehr obige Überlegungen, ohne dass, wie Jung, ZStW 93 (1981),
1147, 1151 zutreffend formuliert, die „unvermittelt in das Zentrum der Auseinandersetzung um die
Aufgaben des Strafrechts und die Umsetzung strafrechtlicher Zielvorstellungen im Prozess“ führende
grundsätzliche Frage der Stellung des Verletzten im Strafprozess beantwortet werden soll.
Somit ist bei der Darstellung oft genug eine „Gratwanderung“ angezeigt, wobei es in grundsätzli-

7
Gegenstand dieser Abhandlung sind somit allein die tatsächlichen strafprozessualen
Rechte des Verletzten als externe Kontrolle der Staatsanwaltschaft.
III. Ziel der Darstellung und Sinn eines Rechtsvergleiches
Ziel der Arbeit ist es, nachdem zunächst eine kurze Annäherung auf das Thema
im Hinblick auf deutsche Reformbestrebungen 31 geworfen wird, eine Einführung
und einen ersten groben Überblick über Rechtslage und Reformbestrebungen
zu unserem Thema im Strafprozessrecht der USA zu geben. Besonders die
jüngere amerikanische Rechtsprechung und Literatur soll dabei untersucht werden,
um festzustellen, ob und wie die Möglichkeiten des Verletzten, sich gegen
eine negative Anklageentscheidung des Staatsanwaltes zur Wehr zu setzen,
nunmehr immerhin einige Jahrzehnte nach einer zunehmenden Fokussierung auf
seine Rechte und die Problems des unbeschränkten staatsanwaltlichen Ermessens
32 , in strafprozessualer Hinsicht in den USA gegeben sind und sich tatsächlich
darstellen.
Die strafprozessualen Systeme in Deutschland und den USA bieten sich für einen
Rechtsvergleich im eigentlichen Sinne wegen ihrer grundlegenden Verschiedenheit
33 nicht an. 34 Auch darf man sich nicht erhoffen, verschiedene Elemente
des einen in das andere System ohne weiteres übernehmen zu können. 35
chen Fragen beider Rechtskreise bei einer oberflächlichen Darstellung verbleiben musste, um den
Umfang der vom Thema her breit angelegten Arbeit nicht gänzlich ausufern zu lassen.
31 Die Verfasserin verzichtet dabei weitgehend auf die Darstellung der bekannten deutschen
Rechtslage, während auf die amerikanischen Grundlagen kurz eingegangen wird.
32 Weigend, S. 165, stellt hinsichtlich dieser Frage immerhin schon 1978 eine Akzentverlagerung
von der Erkenntnis der unbeschränkten Ermessensmacht des Staatsanwalts in den USA hin
zur Bewältigung dieser fest.
33 Pizzi, Understanding prosecutorial discretion in the United States, 54 Ohio St. L. J. 1325,
1326, bezeichnet die hier gegenständlichen Strafprozessrechtssysteme als “radically different” und
räumt einem direkten Vergleich daher keine Erfolgsaussichten ein.
34 Pizzi / Perron, Crime victims in German courtrooms, 32 Stan. J. Int´l. L. 37, 40: die Autoren
betonen dabei die Unterschiede der Rechtstraditionen beider Länder. Das amerikanische System
„vermischt“ nach deutschem Verständnis oft Zivil- und Strafrecht und ist hinsichtlich des Strafprozessrechts
stärker adversatorisch geprägt, wogegen im deutschen, eher inquisitorisch geprägtem
Strafrechtssystem mit nur einzelnen adversatorischen Elementen der Richter im Mittelpunkt des
Verfahrens steht. Zur amerikanischen Interpretation eines adversatorischen im Gegensatz zu einem
inquisitorisch geprägten Systems vgl. z.B. Pizzi, Rethinking our “adversary system”, 2 Utah L.
Rev. 349, 356 ff.; Freedman, Our constitutionalized adversary system, 1 Chapman L. Rev. 57. Da
somit schon im Kern, wenn auch verschiedene Gemeinsamkeiten vorliegen, von grundsätzlich
unterschiedlich aufgebauten Rechtssystemen auszugehen ist, sind die Grundlagen für einen wirklich
tauglichen Rechtsvergleich nicht gegeben. Einen guten Überblick über die grundlegenden
Unterschiede der transatlantischen Strafprozessrechtssysteme bietet Bradley, The convergence of
the continental and common law model of criminal procedure, 7 Crim. L. F. 471.
35 Sehr kritisch hierzu auch Pizzi, Understanding prosecutorial discretion in the United States,
54 Ohio St. L. J. 1325, 1326, der u.a. auf die völlig verschiedenen Rollen der Beteiligten im Strafverfahren
und fehlende politische Mehrheiten für eine Adapation verweist; sehr viel positiver in

8
Das deutsche System bietet im Gegensatz zur amerikanischen Rechtslage zur
Kontrolle der Staatsanwaltschaft zugunsten des Verletzten – bis auf den kritischen
Punkt der Ermessenseinstellung unter Opportunitätsgesichtspunkten 36 - in
strafprozessualer Hinsicht ein fast lückenloses, wenn auch im Hinblick auf seine
praktische Wirksamkeit nicht unumstrittenes Rechtsschutzsystem.
Was ist dann der Nutzen einer Abhandlung wie dieser?
Die Verfasserin möchte in erster Linie das amerikanische System zum Thema
vorstellen. Wenn es darüber hinaus gelingen sollte, durch die Darstellung vor
allem der Reformbestrebungen im amerikanischen System aufzuzeigen, dass es
hinsichtlich der behandelten Thematik in beiden, doch gänzlich verschiedenen
Systemen 37 , zu manchmal ganz ähnlichen Ansätzen kommt und die Gegenüberstellung
auch eines grundsätzlich anderen Systems wertvolle Denkanstösse zu
dem in beiden Ländern stattfindenden Reformprozess geben kann 38 , so ist das
Ziel der Arbeit mehr als erreicht. Eine vergleichende Annäherung an ein anderes
System bietet nicht nur Einblick - wie hier - in das Strafprozessrecht anderer
Länder, sondern auch in die fundamentalen Werte verschiedener Rechtskulturen.
39 Auch Weigend 40 merkt an, dass, obwohl die beiden Systeme auf den er-
diesem Punkt allerdings Frase, Comparative criminal justice as a guide to American Law Reform,
78 Cal. L. Rev. 539.
36 Die Reformbestrebungen zu diesem Punkt werden unten näher dargestellt, wogegen die übrigen
Rechtsbehelfe des Verletzten im deutschen Recht (Klageerzwingungsverfahren, Privatklage)
weitgehend als bekannt vorausgesetzt werden.
37 Weigend, S. 88, spricht im Zusammenhang der hier behandelten Fragen aber nur von
“scheinbar” unterschiedlichen Regelungen in den USA, auch diese Behauptung soll hier etwas
näher untersucht werden; auch Luna, A place for comparative criminal procedure, 42 Brandeis L.
J. 277, 298 räumt ein, dass sich beide Systeme auf einer Mittelposition zwischen den beiden Extremen
inquisitorisches und adversartorisches System befinden, jeweils dem einen oder anderen
Endpunkt mehr angenähert.
38 Auch Pizzi / Perron, Crime victims in German courtrooms, 32 Stan. J. Int´l. L. 37, 64 betonen
bei ihren Ausführungen zum Opferschutz wegen der Unterschiedlichkeit der Systeme diene
die Darstellung in erster Linie einem besseren Verständnis und der Anregung der Diskussion; zur
grundsätzlichen Nützlichkeit einer vergleichenden Darstellung zwischen den europäischen und
amerikanischen Rechtsordnungen, insbesondere im Hinblick auf das Strafprozessrecht vgl. Luna,
A place for comparative criminal procedure, 42 Brandeis L. J. 277, der eine Lanze für das Lernen
von anderen Kulturen, speziell auf das Strafprozessrecht bezogen, bricht und die diesbezügliche
zunehmende Isolation der U.S.-Amerikaner in Zeiten des 11. September und des zwischen den
„alten Freunden“ Europa und USA hinsichtlich des Irak-Krieges bestehenden Konflikts, beklagt.
Luna, a.a.O., 282 f., spricht von einer Tendenz des amerikanischen Prozessrechts zu einem gewissen
“ethnocentricism“, dem Glauben, das eigene System sei einfach besser als alle anderen. Ohne
die Wahrnehmung anderer Systeme verpasse Amerika aber die wertvolle Gelegenheit, das eigene
System durch vergleichende Reflektion und vorsichtige Adaption zu verbessern; ebenso Pizzi,
Understanding prosecutorial discretion in the United States, 54 Ohio St. L. J. 1325, 1373, der eine
direkte Adaption europäischer Rechtsbehelfe zur Begrenzung des Ermessens des amerikanischen
Staatsanwaltes zwar ablehnt, jedoch grundsätzlich Reformbedarf in dieser Frage anerkennt und die
Reflektion des eigenen Systems durch den Blick gerade auf die kontinentalen Rechtssysteme, insbesondere
auf das deutsche und französische Recht als „tremendously helpful“ erachtet.
39 Luna, A place for comparative criminal procedure, 42 Brandeis L. J. 277, 283.

9
sten Blick kaum vergleichbar erscheinen, sich doch beide Modelle schließlich
als Mischsysteme zwischen Legalitäts- und Opportunitätsprinzip entpuppen, das
Sachproblem einer angemessenen Begrenzung des staatsanwaltlichen Ermessens
sich in beiden Rechtssystemen gleichermaßen stellt und deshalb eine vergleichende
Sicht der Überlegungen und Erfahrungen bedeutsam ist.
Am Ende der Arbeit wird versucht, die Richtung zu skizzieren, in die die Reformen
im amerikanischen Rechtsraum gehen und einen kurzen Ausblick zu
entwickeln. Die Darstellung der amerikanischen Rechtslage steht insgesamt im
Vordergrund. Die Ausführungen zum deutschen System beschränken sich weitgehend
auf einen kurzen Überblick der Reformbestrebungen der letzten Jahre.
Angesichts der Breite des behandelten Themenkreises und der davon berührten
grundsätzlichen Fragen wird nur eine Darstellung im groben Überblick möglich
sein.
40 Weigend, S. 167 f.

10
B. Das deutsche System
I. Kurzüberblick System und Rechtsbehelfe
Die Kenntnis des deutschen Systems wird in dieser Arbeit, die sich vorwiegend
mit dem amerikanischen Recht zur Fragestellung auseinandersetzt, weitgehend
vorausgesetzt. Dennoch soll in gebotener Kürze ein Überblick zu den wesentlichen
Punkten gegeben werden.
1. Einführung
Auf die Frage, was für ein Verbrechensopfern besonders wichtig sei, antwortete
der Verfassungsrichter Winfried Hassemer in einem Interview 41 : „Dass der Staat
dem Opfer in einem förmlichen und öffentlichen Strafverfahren bescheinigt,
dass es nicht dem Zufall anheim gefallen ist, sondern einem kriminellen Unrecht.“
Der deutsche Gesetzgeber ermöglicht dem Verletzten den Zugang zu einem
unabhängigen Gericht auch ohne oder im Falle einer negativen Anklageentscheidung
einer chronisch überlasteten Staatsanwaltschaft. Welche Rechtsbehelfe
dem deutschen Verbrechensopfer zur Verfügung stehen und inwieweit diese
in ihren Funktionen, als Rechtsbehelfe gegen negative Anklageentscheidungen
einerseits und wirksame Kontrolle der Anklagebehörde andererseits, Kritik und
Reformbestrebungen unterworfen sind, soll im Folgenden kurz zusammengefasst
werden.
Dem deutschen Verletzten stehen mit Privatklage und Klageerzwingungsverfahren
gleich mehrere Rechtsbehelfe in positiver Hinsicht zu. Somit räumt das
deutsche Strafprozessrecht diesem in manchen Fällen auf den ersten Blick erheblichen
Einfluss und Kontrolle darüber ein, ob nach Abschluss der Ermittlungen
Anklage zu erheben ist. 42
2. Der deutsche Staatsanwalt: Legalitätsprinzip und Anklagemonopol
a. Stellung des Staatsanwaltes
Der Staatsanwalt gilt in Deutschland als Organ der Rechtspflege. 43 Die hierarchisch
aufgebaute Behörde wird nach überwiegender Ansicht der Exekutive zu-
41
Im Interview mit Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung, abgedruckt in der Ausgabe
vom 27.04.2001, S. 2.
42
Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 784.
43
Vgl. Nr.1 S. 2 RiStBV; zur Stellung der Staatsanwaltschaft vgl. z.B. Sarstedt, NJW 1964,
1752.

11
geordnet 44 , ist aber organisch in die Justiz eingegliedert. 45 In Einzelfragen, vor
allem hinsichtlich der systematischen Einordnung der Staatsanwaltschaft, ist die
genaue Stellung der Staatsanwaltschaft umstritten. 46
Der deutsche Staatsanwalt ist durch das sog. Legalitätsprinzip 47 einem Verfolgungszwang
unterworfen, vgl. § 152 Abs. 2 StPO, und verfügt über ein gesetzlich
normiertes Anklagemonopol, §§ 151, 152 Abs. 1 StPO. Staatsanwälte und
Gerichte trifft das Erfordernis der Erforschung der materiellen Wahrheit, §§
160, 244 Abs. 2 StPO; der Staatsanwalt hat sowohl belastende als auch entlastende
Umstände zu ermitteln, vgl. § 160 Abs. 3 StPO. Wie jede Verwaltungsbehörde
ist auch die Staatsanwaltschaft an Recht und Gesetz gebunden (Art. 20
Abs. 3 GG), ihre spezifische Aufgabe in der Strafrechtspflege bedingt, dass sie,
an das Legalitätsprinzip gebunden, von vornherein einen besonders eng begrenzten
Ermessensspielraum hat. 48 Der Staatsanwalt führt das strafrechtliche
Ermittlungsverfahren in eigener Verantwortung (§§ 158 ff. StPO), der Richter
ist, entsprechend der Trennung von Anklagebehörde und Gericht im deutschen
Strafprozess, unbeteiligter Dritter und wird grundsätzlich nur auf Antrag der
Staatsanwaltschaft tätig (§ 162 StPO). 49
b. Anklagemonopol
Der deutsche Staatsanwalt verfügt über das Anklagemonopol, d.h. er übt das
nach dem Offizialprinzip dem Staat und nicht dem einzelnen Bürger zustehende
Recht zur Strafverfolgung aus. Durchbrechungen hiervon sind lediglich durch
die Vorschriften der §§ 374 ff. StPO (Privatklageverfahren), sowie § 400 AO
(Strafbefehlsantrag durch die Finanzbehörden in Steuerstrafsachen) gegeben.
c. Legalitätsprinzip 50
Das Legalitätsprinzip bedeutet Verfolgungs- und, soweit die Voraussetzungen
dafür bestehen, auch Anklagezwang. Strafrechtstheoretisch korrespondiert das
Legalitätsprinzip mit der absoluten Strafrechtstheorie, wonach im Interesse absoluter
Gerechtigkeit jede Übertretung von Strafgesetzen vom Staat geahndet
werden muss. 51 Es wird als das notwendige Korrelat zum Anklagemonopol der
44 Meyer-Goßner, vor § 141 GVG, Rn. 6; BVerfG NJW 2001, 1121, 1123.
45 BVerfG NJW 1959, 871.
46 Für eine umfassende Darstellung vgl. Koller m.w.N., der die Stellung der Staatsanwaltschaft
unter Gesichtspunkten der Gewaltenteilung betrachtet, er selbst ordnet die Staatsanwaltschaft der
Exekutive zu und bezeichnet sie „als Exekutivbehörde und Organ der Rechtspflege, das weder
Partei des Strafverfahrens noch gleich geordneter Partner des Gerichts ist“, vgl. Koller, a.a.O., S.
349, mit zahlreichen weiteren Nachweisen und ausführlicher Darstellung des Forschungsstands.
47 Von Meyer-Goßner, vor § 141 GVG, Rn. 7, in seiner negativen wie positiven Ausprägung als
„Grundgesetz“ der Staatsanwaltschaft bezeichnet.
48 BVerfG, NJW 1959, 871.
49 BVerfG, NJW 2001, 1121, 1122.
50 Vgl. hierzu umfassend Weigend, S. 17 ff., mit Darstellung der entsprechenden geschichtli-
chen Entwicklung, 25 ff.
51 Kapahnke, S. 2; vgl. zu Entstehung und Entwicklung des Legalitätsprinzips, ders. S. 1 ff.

12
Staatsanwaltschaft eingestuft, wodurch der Grundsatz der Gleichheit vor dem
Gesetz, sowie Gerechtigkeit im Rahmen des Möglichen verwirklicht werden
soll. § 170 Abs. 2 StPO ergänzt dabei § 152 Abs. 2 StPO, wonach die Staatsanwaltschaft,
soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet ist, wegen
aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche
Anhaltspunkte vorliegen. 52 Eine Ausnahme vom Verfolgungszwang trotz eigentlich
gegebener Verfolgungsvoraussetzungen bilden die sog. Opportunitätsvorschriften
der §§ 153 ff. StPO. Dieses sog. Opportunitätsprinzip 53 wird
häufig als die negative Seite des Legalitätsprinzips angesehen, weil die Nichtverfolgung
von konkreten Wertungs- und Beurteilungsspielräumen 54 abhängig
ist. Wenn die Nichtverfolgung von der Anwendung solcher unbestimmter
Rechtsbegriffe abhängig ist, handelt es sich trotz des Ausdrucks „Ermessen“
nicht durchweg um Ermessensentscheidungen im Sinne eines echten Wahlrechts,
sondern um Rechtsanwendung, wobei wesentlich ist, dass dabei ein Beurteilungsspielraum
verbleibt, eine größere Bandbreite der Entscheidungsmöglichkeiten
besteht und aus diesem Grund abweichende Entscheidungen möglich
sind (Opportunitätsprinzip im engeren Sinne). 55
Der deutsche Staatsanwalt darf ein Ermittlungsverfahren mithin nur durch Anklageerhebung,
Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, § 407 StPO, Einstellung
durch die Opportunitätsvorschriften oder Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO
bei nicht hinreichendem Tatverdacht abschließen. Der unbestimmte Rechtsbegriff
des „hinreichenden Tatverdachts“ eröffnet dabei einen nicht unerheblichen
Beurteilungsspielraum, zumal es sich um eine Prognoseentscheidung handelt. 56
Das Legalitätsprinzip ist seit seiner Entstehung im Jahr 1877 immer mehr verdrängt
und immer zahlreichere Opportunitätseinstellungsmöglichkeiten, z.B. die
§§ 153 ff. StPO im Jahr 1924, sind entwickelt worden. 57 Dies ist in der Literatur
58 auf mannigfache, z.T. heftige Kritik gestoßen, die hier nicht im Einzelnen
52
Meyer-Goßner, § 152, Rn. 2 m.w.N.
53
Zum Begriff der Opportunität vgl. Erb, S. 34 ff., der Ermessen als Kennzeichen der Opportunität
einstuft, und damit ein von der wohl herrschenden Meinung abweichendes Ermessensverständnis
zugrunde legt, vgl. S. 52 ff. Nach der Auffassung von Erb, wie vor, wird mit den Begriffen
Legalität und Opportunität im Wesentlichen die An- bzw. Abwesenheit von Ermessenspielräumen
bei der Rechtsanwendung umschrieben.
54
Ob diese hinreichend konkret sind, ist jedoch nicht unumstritten, vgl. hierzu die weiteren
Ausführungen.
55
Meyer-Goßner, § 152 Rn. 7 m. w .N.; nach Meyer-Goßner, § 152 Rn. 8, steht ganz ausnahmsweise
(z.B. § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 StPO; § 45 Abs. 1 S. 1 JGG) die Verfolgung auch im
echten, pflichtgemäß auszuübenden Ermessen (Opportunitätsprinzip im weiteren Sinne); die Einordnung
der verschiedenen Vorschriften dahingehend, ob sie einen Ermessensspielraum oder nur
einen sog. Beurteilungsspielraum enthalten, ist umstritten, vgl. Kirstgen, S. 14 ff.
56
BVerfG, NStZ 2002, 606, 607 m.w.N.
57
Vgl. hierzu Weigend, S. 30 ff. m.w.N.
58
Weigend, S. 13, meint hierzu treffend, das Legalitätsprinzip sei „in´s Gerede gekommen“,
auch Erb, S. 80 ff., stellt die Frage nach der verbleibenden Reichweite des Legalitätsprinzips und
betont dessen Zurückdrängung vor allem durch die §§ 153, 153a StPO, sieht aber auch die Gefahr
einer voreiligen Diskreditierung des Legalitätsprinzips, S. 87. Dengler, S. 19 m.w.N., spricht da-

13
dargestellt werden kann. 59 Längst sind bei den Opportunitätseinstellungen die
Grenzen der Bagatelldelinquenz bis weit in den Bereich der mittleren Kriminalität
hinein überschritten. 60 Nur teilweise, nämlich in den Fällen der §§ 153 Abs. 1
S. 1, 153a Abs. 1 S. 1, 153b Abs. 1, 153e StPO, ist vor Erhebung der öffentlichen
Klage die Zustimmung des Gerichts erforderlich; in den Fällen der §§ 153
Abs. 1 S. 2, 153a Abs. 1 S. 6, 153 c Abs. 1, Abs. 2, 153d Abs. 1, 154 Abs. 1,
154a Abs. 1, 154b Abs. 1, 2, 3; 154c StPO kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren
hingegen in eigener Verantwortung einstellen oder von der weiteren Verfolgung
absehen. Dieser nicht unerhebliche, keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegende
Entscheidungsspielraum der Staatsanwaltschaft wird mit Sorge gesehen.
61 Auch deshalb ist das Verbrechensopfer als Korrektiv gefragt.
d. Aufsicht und Kontrolle
Staatsanwälte sind weisungsgebundene 62 Beamte, § 146 GVG; zur Aufsicht berufen
und weisungsbefugt sind die vorgesetzten Staatsanwälte sowie extern der
Justizminister, § 147 GVG. Möglich sind spezielle und allgemeine Weisungen,
letztere findet man z.B. in der RiStBV oder der MiStra. 63
Neben diesen – für den Verletzten nicht einklagbaren Richtlinien – besteht zur
Kontrolle der Entscheidungen der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit formloser
Rechtsbehelfe wie Dienstaufsichtsbeschwerde oder Gegendarstellung.
aa. Dienstaufsichtsbeschwerde
Bei einer Dienstaufsichtsbeschwerde handelt es sich um einen nicht form- und
fristgebundenen Rechtsbehelf, der zu den Petitionen des Art. 17 GG zählt. 64
Mittels Dienstaufsichtsbeschwerde angreifbar ist sowohl das dienstliche Verhalten
des Beamten als auch dessen Sachbehandlung. Da sich der Rechtsbehelf an
den die Dienstaufsicht führenden Vorgesetzten wendet, kann im Bereich der
von, dass die Staatsanwaltschaft mittlerweile vielmehr den Namen „Einstellungsbehörde“ anstatt
„Anklagebehörde“ verdiene, sowie, S. 35 ff., von einer „faktische[n] Abschaffung des Legalitätsprinzips“.
59 Vgl. hierzu aber z.B.: Hirsch, in FS Lange, S. 825, der hinsichtlich der Einführung des §
153a StPO von einem „gesetzgeberischen Fehlgriff“ spricht; dazu auch: Schmidhäuser, JZ 1973,
529 ff.; befürwortend dagegen Herrmann, ZStW 96 (1984), 455 ff.; vgl. auch Gössel, in FS Dünnebier,
S. 121 m.w.N.
60 So Hirsch, in FS Kaufmann, S. 704; wiederholt wurde in der Literatur beklagt, dass beim
Straftatbestand des Betruges selbst Schadenssummen über DM 100.000 kein Einstellungshindernis
mehr darstellen.
61 Vgl. z.B. Heinrich, NStZ 1996, 110; interessant ist hierzu auch die Vortragssammlung in
Geisler, Ermittlungsverhalten, die u.a. auch mehrere empirische Untersuchungen zum Einstellungsverhalten
der Staatsanwaltschaft und eine sehr anschauliche Darstellung der Problematik in
theoretischer und praktischer Hinsicht bietet.
62 Die Weisungsgebundenheit darf aber nicht der sachgerechten Erfüllung der Aufgabe entgegenstehen,
vgl. BVerfG, NJW 1959, 871, 872.
63 Meyer-Goßner, § 146 GVG, Rn. 2.
64 So BVerwG, NJW 1977, 118.

14
Staatsanwaltschaft Dienstaufsichtsbeschwerde beim Generalstaatsanwalt oder
auch direkt beim Justizminister eingelegt werden. Auf die Dienstaufsichtsbeschwerde
muss die zuständige Behörde einen Bescheid erteilen, auf dem zu erkennen
ist, dass die Eingabe geprüft und welche Veranlassungen getroffen wurden.
65
bb. Gegenvorstellung
Ebenso zu behandeln ist der formlose und nicht an eine Frist gebundene Rechtsbehelf
der Gegenvorstellung. Auch dieser ist eine Erscheinungsform des Petitionsrechts
und dient einer nachträglichen Aufhebung der eigenen Entscheidung
aufgrund besserer Einsicht. 66
e. Staatsanwalt und Verletzter
Nach herrschender Meinung obliegen dem Staatsanwalt im Ermittlungsverfahren
keine Amtspflichten, die den Schutz des Verletzten bzw. Geschädigten der
Straftat bezwecken, da die Verfolgungspflicht des Staatsanwaltes nur im öffentlichen
Interesse besteht. 67
2. Der Verletzte und seine Möglichkeiten zur Anklageerzwingung 68
Im deutschen System stehen dem Verletzten verschiedene Rechtsbehelfe zur
Verfügung, mit denen eine Kontrolle der staatsanwaltlichen Anklageentscheidung
bzw. eine eigene Anklage durchgeführt werden kann.
a. Klageerzwingungsverfahren
Das Klageerzwingungsverfahren 69 sichert das Legalitätsprinzip auf Initiative des
Verletzten, der die Strafverfolgung des Beschuldigten wünscht, aber wegen des
Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft selbst kein gerichtliches Strafverfah-
65 Meyer-Goßner, vor § 296, Rn. 22 m.w.N.
66 Meyer-Goßner, vor § 296, Rn. 23 m.w.N.
67 Vgl. hierzu Vogel, NJW 1996, 3401 m.w.N.: Verfahren wegen Amtspflichtverletzung, wegen
Nichteinleitung oder nicht ausreichender Durchführung von Ermittlungsverfahren wurden abgewiesen,
dieser Ansicht hat sich im sog. „Ambros-"Verfahren durch Nichtannahmebeschluss auch
der BGH angeschlossen, vgl. NJW 1996, 2373, wobei nur im laufenden Ermittlungsverfahren bei
unmittelbarer Betroffenheit und drittgerichteter Amtspflicht konkrete Schutzpflichten gegenüber
Geschädigten denkbar seien; abweichend in der Argumentation Vogel, wie vor.
68 Zur Stellung des Verletzten im Strafverfahren generell gibt es sehr viele gute Darstellungen,
vgl. z.B. recht umfassend Rieß, Jura 1987, 281, 283 Fn. 27 m.w.N. zum „fast unübersehbarem
Schrifttum“; für einen guten Überblick zur Rechtsstellung des Verletzten seit dem Jahr 1877 vgl.
Weigend, Deliktsopfer, S. 150 ff., einen Überblick zu den den Verletzten betreffenden strafprozessualen
Vorschriften bietet Burmann in seiner Dissertation „Reform des Strafverfahrens“; eine gute
Aufarbeitung der Grundlagen findet sich bei Jäger, S. 1 ff.; speziell zum hier angesprochenen
Themenkreis bietet die Arbeit von Werner einen guten Einblick.
69 Das Klageerzwingungsverfahren wurde zunächst als sog. Jedermannsrecht konstruiert, dann
jedoch vom Reichstag als Verletztenrecht eingeführt, vgl. Hahn, S. 2096 ff.

15
ren in Gang setzen darf. 70 Das Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft wird
durch das Klageerzwingungsverfahren nicht durchbrochen, da der Antragsteller
lediglich erreichen kann, dass die Staatsanwaltschaft zur Anklage gezwungen
wird, vgl. § 175 StPO. Das Klageerzwingungsverfahren dient dabei nicht nur
dem öffentlichen Interesse der Sicherung des Legalitätsprinzips 71 sondern auch
dem subjektiv-öffentlichem Recht des Verletzten bzw. seinem Strafverfolgungsinteresse.
72
aa. Kurzüberblick über den Ablauf des Verfahrens 73
Das Klageerzwingungsverfahren ist in drei Stufen eingeteilt:
Dem Verletzten 74 , der auch zugleich Antragsteller auf Erhebung der öffentlichen
Klage gem. § 171 StPO ist, mithin also Strafantrag oder Strafanzeige mit dem
erkennbaren Willen zur Strafverfolgung gestellt hat 75 , steht gegen den Bescheid
nach § 171 StPO binnen zwei Wochen nach Bekanntmachung 76 das Beschwerderecht
an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu, vgl. § 172 Abs.
1 S. 1 StPO, die sog. Vorschaltbeschwerde. Der Staatsanwalt kann sodann der
Beschwerde durch Aufhebung seines Bescheides abhelfen, Nr. 105 Abs. 2, 3
RiStBV, ansonsten entscheidet der Generalstaatsanwalt, wobei der Verletzte
über Form und Frist weiterer Schritte zu belehren ist, vgl. § 172 Abs. 2 S. 2
70
Meyer-Goßner, § 172 Rn. 1.
71
So aber noch RGZ 154, 266, 268.
72
Roxin, Strafverfahrensrecht, 23. Aufl. 1993, § 19 Rn. 2; Rieß in Löwe/Rosenberg § 172 Rn.
2; Bischoff, S. 345, hält das Klageerzwingungsverfahren „von einem unverkennbaren Misstrauen
gegen den Verletzten und seine Motive gekennzeichnet“; Kirstgen, S. 81, sieht im Klageerzwingungsverfahren
aber keine gesetzliche Ausformung eines dem Verletzten außerhalb dieser im Gesetz
verankerten Positionen zustehenden übergesetzlichen „natürlichen“ Rechts. Der Gesetzgeber
sei somit zur Einrichtung eines Klageerzwingungsverfahrens mangels Anspruchs des Verletzten
nicht verpflichtet, tue aber gut daran, dieses oder ein vergleichbares Verfahren beizubehalten bzw.
zu installieren, um die Zustimmung der Allgemeinheit zur Strafverfolgung des Staates zu fördern.
Vgl. zum Klageerzwingungsverfahren auch Dengler, S. 72 ff.
73
Vgl. hierzu auch Bischoff, S. 20 ff., 297 ff. mit umfangreichen Verbesserungsvorschlägen,
ebenso Kirstgen, S. 127 ff.
74
Allein zum Verletztenbegriff im Klageerzwingungsverfahren sind in jüngerer Zeit zahlreiche
Abhandlungen erschienen, vgl. z.B.: Bischoff, S. 291 ff.; Peglau, JA 1999, 55 ff; Hefendehl, GA
1999, 584 ff. (Bestimmung im Hinblick auf den jeweiligen Straftatbestand, weite Auslegung auch
für kollektive Rechtsgüter); Haas, GA 1988, 493 ff. (bei Eigentums- und Vermögensdelikten ist
Verletzter, wer einen Ausgleichsanspruch gegen den Täter hat); Bloy, JR 1980, 480 (zustimmend
zu OLG Hamburg, JR 1980, 480, wonach Tatbeteiligte nicht Verletzte sind); Rackow, GA 2001,
482 ff. beleuchtet hingegen die Anforderungen an die rechtsanwaltliche Darlegungslast im Antrag
auf gerichtliche Entscheidung, ähnlich Sonnen, JA 1985, 492 in Entscheidungsbesprechung zu
OLG Koblenz, NJW 1985, 1409. Zum Akteneinsichtsrecht des Verletzten vgl. Schäfer, wistra
1988, 216.
75
Meyer-Goßner, § 171, Rn. 1, § 172 Rn. 5a m.w.N.
76
Zur Frage, ob der staatsanwaltliche Einstellungsbescheid dem Verletzten stets förmlich zuzustellen
ist, bejahend: OLG Celle, NStZ 1990, 505; ablehnend hierzu: Nöldeke, NStZ 1991, 52
(förmliche Zustellung nur, wenn mit einem Klageerzwingungsverfahren zu rechnen ist).

16
StPO. Wird die Einstellungsbeschwerde abschlägig oder gar nicht 77 verbeschieden,
so kann die gerichtliche Entscheidung beantragt werden, § 172 Abs. 2
StPO, wobei die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts begründet ist, § 172 Abs.
4 StPO. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung unterliegt relativ rigiden
Formvorschriften 78 , er ist auch von einem Rechtsanwalt zu unterzeichen, § 172
Abs. 3 StPO. Das Gericht hat sodann das Verfahren nach seinem pflichtgemäßen
Ermessen durchzuführen 79 , bei Bedarf gem. § 173 Abs. 3 StPO eigene Ermittlungen
anzustellen und wenn es den Antrag nach Anhörung des Beschuldigten
für begründet erachtet, die Erhebung der öffentlichen Klage zu beschließen,
§ 175 S. 1 StPO.
Verschiedene Oberlandesgerichte 80 haben aufgrund § 175 StPO zudem die
Staatsanwaltschaft zu weiteren Ermittlungen angewiesen, nachdem diese den
Sachverhalt nicht erforscht hatte. Diese Praxis der Gerichte, Maßnahmen anzuordnen,
die die Staatsanwaltschaft ausführen muss, ist z.T. erheblich kritisiert
worden. 81
Der Staatsanwaltschaft obliegt die Durchführung des Beschlusses, § 175 S. 2
StPO, sie hat, da sie an den Beschluss des Gerichts in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht gebunden ist, Anklage zu erheben und darf das Verfahren nicht
mehr nach §§ 153, 153a StPO einstellen. 82 Sieht das Gericht hingegen bei zulässigem
Antrag 83 keinen genügenden Anlass zur Klageerhebung, so verwirft es
den Antrag und setzt den Antragsteller, die Staatsanwaltschaft und den Beschuldigten
hiervon in Kenntnis, § 174 Abs. 1 StPO. 84 Die öffentliche Klage kann
77 Meyer-Goßner, § 172, Rn. 6.
78 Es ist stark umstritten, welche und vor allem wie hohe Anforderungen an die Begründung zu
stellen sind, so wurde z.B. vom OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.3.1987, NJW 1988, 1337 gefordert, es
müsse vom Antragsteller sowohl eine vollständige Schilderung des strafrechtsrelevanten Sachverhaltes,
als auch eine Schilderung des Gangs des Ermittlungsverfahrens und eine Auseinandersetzug
mit den Bescheiden der Staatsanwaltschaft erfolgen, hiergegen: Bischoff, NJW 1988, 1308,
der für weitergehende Anforderungen als der Schilderung des zur Ermittlung Anlaß gebenden
Sachverhalts keine gesetzliche Grundlage sieht; Bischoff, S. 309 ff. äußert verfassungsrechtliche
Bedenken hinsichtlich der bestehenden Gerichtspraxis und bezeichnet sie als „Justizverweigerung“;
vgl. hierzu auch Rieß, NStZ 1989, 545 f. m.w.N. (zu OLG Bamberg v. 9.3.1989, NStZ
1989, 543), der eine Zulässigkeit auch ohne vollständige Mitteilung des Ermittlungsergebnisses
für gegeben hält.
79 BVerfG, NStZ 02, 606.
80 Vgl. z.B. OLG Zweibrücken, NStZ 1981, 193; OLG Koblenz, NStZ 1995, 50.
81 Vor allem unter dem Gesichtpunkt einer Abgrenzung von Verantwortungsbereichen zwischen
Staatsanwaltschaft und Justiz.; vgl. z.B. für eine solche Kompetenz der Gerichte Rieß, NStZ
1986, 433, gegen eine die Staatsanwaltschaft bindende Ermittlungsanordnung hingegen Kuhlmann,
NStZ 1981, 193.
82 Die Bindung besteht jedoch nicht mehr nach Anklageerhebung, vgl. Meyer-Goßner, § 175,
Rn. 3.
83 Bei unzulässigem Antrag gilt dagegen § 174 StPO, auch in seinem Abs. 2, nicht, vgl. Meyer-
Goßner, § 174, Rn. 1.
84 „Genügender Anlaß“ in diesem Sinne setzt nach allgemeiner Auffassung hinreichenden Tatverdacht
und damit die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung des Beschuldigten voraus, wobei der

17
sodann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel erhoben werden, §
174 Abs. 2 StPO. Für diesen Fall und für den Fall nicht rechtzeitiger Sicherheitsleistung,
vgl. § 176 Abs. 1, 2 StPO, werden die Kosten dem Antragsteller
auferlegt, vgl. § 177 StPO. 85
bb. Exkurs: Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2
S. 2 GG)
Koller 86 eröffnet einen interessanten, bisher vereinzelt gebliebenen Ansatz 87 : er
spricht die generelle Problematik der §§ 173 Abs. 3, 175 StPO unter dem Gesichtspunkt
der Gewaltenteilung an, wobei er zuvor auf die Grundlagen derselben
im Strafverfahren eingeht. Danach steht der Legislative die abstrakt generelle
Entscheidung darüber zu, ob ein bestimmtes Verhalten bestraft werden soll,
wobei keine Befugnis für eine Entscheidung im Einzelfall besteht. 88 Hingegen
seien sowohl die Judikative als auch die Exekutive mit dem Einzelfall befasst,
dies jedoch in unterschiedlicher Weise: während für die Judikative ein Initiativverbot
gelte, sei der Exekutive, bzw. den in die Organisationsstruktur der Exekutive
eingebundenen Amtswaltern die Initiativentscheidung vorbehalten. Diese
verfassungsrechtliche Vorgabe binde den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des
Strafverfahrens insoweit, als er das Organ, bzw. die Amtswalter, denen er die
Kompetenz zur Initiativentscheidung zur Bestrafung im Einzelfall zuweise, zugleich
in die exekutivistische Struktur einbinden müsse. 89 Eine Umgehung der
Vorgaben des Grundgesetzes zur Ausübung staatlicher Strafgewalt sei dann anzunehmen,
wenn das Gericht im Klageerzwingungsverfahren entgegen des verfassungsrechtlichen
Initiativverbotes für die Judikative dazu befugt wäre, von
Amts wegen, d.h. ohne Antrag von anderer Seite, erstmals über die Anwendung
staatlicher Gewalt im Einzelfall zu entscheiden. Denn dann nehme das Oberlandesgericht
eine Kompetenz wahr, für die es ihm als unabhängigem Organ an
Kompetenz mangle. 90
Ein solcher Verstoß wird freilich sowohl für § 175 als auch für § 173 Abs. 3
StPO letztlich verneint, da das Oberlandesgericht die Erhebung der Anklage
nicht von Amts wegen beschließen könne, sondern nur auf Antrag des Verletzten,
der das Verfahren erst in Gang bringe 91 und sich auch die weiteren Ermitt-
unbestimmte Rechtsbegriff des „hinreichenden Tatverdachts“ einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum
eröffnet, vgl. BVerfG v. 28.3.2002, NStZ 2002, 606, 607 m.w.N.
85 Vgl. hierzu näher: Bischoff, S. 336 ff.
86 Koller, S. 1 ff.
87 Von den meisten Autoren wird die Problematik, wenn überhaupt, im Hinblick auf die Geschäftsverteilung
zwischen Gerichten und Staatsanwaltschaften erörtert.
88 Koller, S. 311 m.w.N.
89 Koller, S. 312.
90 Koller, S. 375.
91 Insoweit hält Koller, S. 375, es für zulässig, das Tätigwerden der zur Passivität verpflichteten
Gerichte von einem nichtstaatlichen Entscheidungsträger (nämlich dem Verletzten) abhängig zu
machen.

18
lungen des Gerichts auf diesen vom Verletzten bestimmten Bereich beschränkten.
Somit übe das Gericht hier keine unzulässige Initiative aus. Allerdings sei
trotzdem fraglich, ob § 175 StPO der „Funktionenordnung“ des Grundgesetzes
insoweit Rechnung trage, als der Beschluss zur Anklageerhebung selbst dem
Gericht zugewiesen wird, und dem Staatsanwalt aufgrund der Verbindlichkeit
des gerichtlichen Beschlusses nur die Ausführung verbleibe. Dies sei aber letztendlich
eine Folge der notwendigen Kontrolle der Staatsanwaltschaft durch die
Justiz; es bestehe kein sachlicher, sondern nur ein sprachlicher Unterschied zwischen
einem gerichtlichen Beschluss, der die Staatsanwaltschaft zur Anklage
verpflichte, und einer eigenen gerichtlichen Anklageerhebung. 92
Mithin ergäben sich weder aus § 173 Abs. 3 noch aus § 175 StPO für das Gericht
verfassungswidrige Initiativkompetenzen. Es handle sich daher beim Klageerzwingungsverfahren
insgesamt um eine verfassungsgemäße, weil vom Antrag
des Verletzten abhängige Kontrolle der Exekutive durch die Judikative, die
– der Intention des Gesetzgebers entsprechend - der Absicherung der Einhaltung
des Legalitätsprinzips durch die Exekutivbehörde Staatsanwaltschaft diene. 93
cc. Ausschluss nach § 172 Abs. 2 S. 3 StPO 94
Unzulässig ist der Antrag gem. § 172 Abs. 2 S. 3 StPO im Klageerzwingungsverfahren,
wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat,
die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, sowie wenn
die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 S. 1, 7 oder § 153b
Abs. 1 StPO von der Verfolgung der Tat abgesehen hat; ebenso in den Fällen
der §§ 153c bis 154 Abs. 1, sowie der §§ 154b und c StPO. Ausnahmen sind
hierbei lediglich die Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft in Überschreitung
ihrer Befugnisse das Verfahren trotz Verbrechensverdachtes eingestellt hat 95
oder in denen der Verletzte darlegt, der Beschuldigte habe bei einer Einstellung
gem. § 153a StPO Auflagen oder Weisungen nicht erfüllt. 96
92
Koller, S. 373; nichts desto trotz spricht Koller, S. 374, sich insoweit für eine klarstellende
sprachliche Korrektur des § 175 StPO aus. Für den Ausnahmefall, dass von der Staatsanwaltschaft
noch gar nicht ermittelt worden ist eine gerichtliche Anordnung bejahend: KG Berlin vom
26.3.1990, 4 Ws 220/89.
93
Koller, S. 375.
94
Umfassend zum Meinungsstand bzgl. der Reichweite des § 172 Abs. 2 S. 3 StPO vgl. Werner,
S. 49 ff.
95
Dieser Punkt ist umstritten: Hat die Staatsanwaltschaft wegen eines Verbrechens ermittelt
und stellt schließlich nach §§ 153 ff. ein, so wird bisweilen eine auf Fragen der Rechtmäßigkeit
beschränkte Zulassung des Klageerzwingungsverfahrens angedacht, so z.B. Roxin, Strafverfahrensrecht,
18. Aufl. 1983, 226, der die Prüfungskompetenz aus einer an Art. 19 Abs. 4 GG orientierten
Auslegung begründen will; anders Werner, S. 51, die das Bestehen eines Zusammenhangs
zwischen Vorfrage und Entscheidung über die Klageerhebung sowie Einhaltung der Ermessensgrenzen
bei der endgültigen Verfahrenseinstellung nach fruchtlosem Fristablauf gem. § 154 StPO
mittels Klageerzwingungsverfahrens für gerichtlich nachprüfbar hält.
96
Meyer-Goßner, § 172 Rn. 3.

19
Somit kann die Staatsanwaltschaft im Rahmen folgender Opportunitätsvorschriften
von der Verfolgung auch ohne Mitwirkung eines Gerichtes absehen,
ohne dass ein Klageerzwingungsverfahren hiergegen statthaft wäre:
(1). § 153 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 StPO:
die Schuld des Täters hinsichtlich eines Vergehens, das nicht mit einer Mindeststrafandrohung
belegt ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen
gering sind, ist als gering anzusehen und es besteht kein öffentliches Interesse
an der Strafverfolgung,
(2). § 153 Abs. 1 S. 7 StPO:
Einstellung und vorläufiges Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage
hinsichtlich eines Vergehens, das nicht mit einer Mindeststrafandrohung belegt
ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind, gegen Auflagen
zur Beseitigung des öffentlichen Interesses,
(3). § 153c Abs. 1-5 StPO:
Nichtverfolgung von Auslandstaten,
(4). § 153f Abs.1-3 StPO:
Absehen von der Verfolgung einer nach dem Völkerstrafgesetzbuch strafbaren
Tat,
(5). § 154b Abs. 1-3 StPO:
Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage wegen Auslieferung und
Ausweisung,
(6). § 154c StPO:
Absehen von der Verfolgung der angedrohten Tat bei Nötigung oder Erpressung,
(7). § 45 JGG.
Eventuell könnte dem Verletzten jedoch gerade hinsichtlich dieser „Rechtsschutzlücken“
ein weiteres Verfahren zur Verfügung stehen.
b. Rechtsschutz nach § 23 EGGVG für den Verletzten gegen staatsanwaltliche
Verfahrenseinstellung
Mit Verweis auf Art. 19 Abs. 4 GG wird verschiedentlich die Eröffnung eines
Rechtsweges und somit einer Rechtsschutzmöglichkeit für den Verletzten nach
§ 23 EGGVG gefordert. Zur Begründung wird u.a. vorgebracht, dass dem Verletzten,
soweit ihm das Recht genommen werde, die Strafverfolgung selbst zu
betreiben, zumindest garantiert werden müsse, dass sich die Strafverfolgungsbehörden
an die gesetzlichen Vorgaben halten und nicht willkürlich auf eine Bestrafung
verzichten. 97
97
Umfassend zur richterlichen Kontrolle des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens nach
den §§ 23 ff. EGGVG: Klemme, S. 1 ff.

20
Im Verfahren nach § 23 EGGVG entscheiden die ordentlichen Gerichte auf Antrag
über die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, die zur Regelung
einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen
werden. Dabei ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur zulässig,
wenn der Antragsteller geltend machen kann, durch die betreffende Maßnahme
in seinen Rechten verletzt worden zu sein, § 24 Abs. 1 EGGVG. Soweit die ordentlichen
Gerichte bereits aufgrund anderer Vorschriften angerufen werden
können, hat es hierbei sein Bewenden, § 23 Abs. 3 EGGVG.
Umstritten ist dabei schon, ob staatsanwaltliche Einstellungsentscheidungen Justizverwaltungsakte
i. S. v. § 23 EGGVG darstellen. 98
Auch aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 23 Abs. 3 EGGVG wurde ein Antragsrecht
des Verletzten zurückgewiesen mit der Begründung, der Antrag nach
§ 23 EGGVG sei auch dann ausgeschlossen, wenn das Gesetz die Anfechtung
einer Maßnahme vorsehe, dieses in § 172 StPO aber bewusst nicht alle Fälle
erfasse. 99
Schließlich wird überwiegend angenommen, der Verletzte werde durch die
staatsanwaltliche Verfahrenseinstellung nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt.
100
In verfassungsrechtlicher Hinsicht genießt der Verletzte gegen Einstellungsentscheidungen
der Staatsanwaltschaft zumindest nach § 153a StPO keinen Rechtsschutz
nach § 23 EGGVG: das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass
§ 153a keine Rechtsposition vermittelt, deren Verletzung gem. Art. 19 Abs. 4
GG im Rechtswege geltend gemacht werden könne. Einstellungsentscheidungen
der Staatsanwaltschaft wurden dabei grundsätzlich als Akte der öffentlichen
Gewalt i. S. v. Art. 19 Abs. 4 GG qualifiziert. Das Bundesverfassungsgericht hat
weiter ausgeführt, dass § 153a StPO nicht den Schutz des Verletzten bezwekke
101 , sondern Hauptregelungszweck die Kompensation des öffentlichen Interesses
an der Strafverfolgung durch die Erfüllung von Auflagen und Weisungen
sei. Zwar zeige die Möglichkeit der Klageerzwingung nach § 172 StPO, dass
durchaus Interessen des Verletzten bei der Einstellung von strafrechtlichen Ermittlungen
Berücksichtigung finden könnten, es sei jedoch verfassungsrechtlich
unbedenklich, dass der Gesetzgeber ein solches Interesse bei Verfahrenseinstellungen
nach § 153a StPO nicht mit einer das Klageerzwingungsverfahren eröff-
98
Heinrich, NStZ 1996, 110, 112, m.w.N., zum Meinungsstand insoweit auch ausführlich Werner,
S. 65 ff.; diese Frage hängt u.a. auch mit der oben schon angedeuteten Problematik der systematischen
Einordnung der Staatsanwaltschaft zur Judikative bzw. Exekutive zusammen.
99
Entschieden für § 172 Abs. 2 StPO, vgl. OLG Bamberg, JVBL 65, 262; a. A. aber KG Berlin
JVBL 62, 20.
100
Vgl. hierzu umfassend Werner, S. 71 ff., mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Werner,
a.a.O., sieht selbst weder ein subjektives Recht des Verletzten auf Strafverfolgung, noch auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung des Staatsanwaltes über die Verfahrenseinstellung oder auf
Gleichbehandlung durch die Staatsanwaltschaft.
101
So hatte es der Bundesgerichtshof bereits für den Beschuldigten entschieden, vgl. BGHSt
16, 225, 229, hiergegen aber Keller, GA 1983, 497.

21
nenden Wirkung gewichtet habe. Im Anwendungsbereich der von § 153a StPO
erfassten kleineren und mittleren Kriminalität wögen die Interessen des Verletzten
i.d.R. nicht besonders schwer, einer willkürlichen Anwendung durch die
Staatsanwaltschaft werde durch das gerichtliche Zustimmungserfordernis entgegen
gewirkt. 102
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht für „objektiv willkürliche“ Entscheidungen
der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Vorliegens eines besonderen
öffentlichen Interesses Rechtschutz in Aussicht gestellt, wobei auf das Verfahren
nicht eingegangen wurde. 103
Dem Verletzten steht somit nach überwiegender Ansicht kein Rechtsschutz
gem. § 23 EGGVG zu. 104
c. Privatklage
Das Privatklageverfahren ist ein Strafverfahren, für das die Vorschriften der
Strafprozessordnung gelten, mit dem Ziel, gegen den Beschuldigten eine Strafe
zu verhängen, die nach den üblichen Regelungen vollstreckt und in das Bundeszentralregister
eingetragen wird. Die Privatklage ist nur bei bestimmten leichten
Vergehen, die die Allgemeinheit in der Regel wenig berühren, zulässig. 105 Der
Privatkläger erstrebt in der Regel persönliche Genugtuung für erlittenes Unrecht
106 ; er verfolgt den staatlichen Strafanspruch, übt dabei aber kein öffentliches
Amt aus und ist an das Legalitätsprinzip nicht gebunden. 107
Der Verletzte, ein Berechtigter gem. § 374 Abs. 2 StPO oder Vertreter, § 374
Abs. 3 StPO, kann, ohne dass er vorher die Staatsanwaltschaft anrufen muss,
hinsichtlich der enumerativ in § 374 Abs. 1 StPO aufgelisteten Straftaten die
Privatklage führen, § 374 StPO, und zu diesem Zwecke eine Anklageschrift bei
Gericht einreichen, bzw. zu Protokoll geben, § 381 StPO. 108 Bezüglich der Delikte
Hausfriedensbruch, Beleidigung, Verletzung des Briefgeheimnisses, Körperverletzung,
Bedrohung und Sachbeschädigung ist die Erhebung der Privatklage
erst nach Durchführung eines sog. Sühneversuchs vor einer Vergleichsbehörde,
zumeist sind hierfür die Gemeinden zuständig 109 , zulässig; die Bescheinigung
hierüber ist der Klage beizufügen, vgl. § 380 StPO.
102 BVerfG NStZ 2002, 211, 212 m.w.N.
103 Heinrich, NStZ 1996, 110, 115, will für das Verfahren § 23 EGGVG analog anwenden.
104 Ablehnend insoweit auch Klemme, S. 75 ff.: der Gesetzgeber habe die gerichtliche Überprüfbarkeit
mittels § 172 StPO abschließend geregelt, darüber hinaus bestehe für das Verfahren keine
Notwendigkeit, da immer die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde bestehe, hinsichtlich §
376 StPO stehe dem Verletzten ein Rechtsweg gem. Art. 19 Abs. 4 GG zur Verfügung; ebenfalls
ablehnend Koller, S. 379.
105 Meyer-Goßner, vor § 374, Rn.1.
106 BVerfG, NJW 1969, 1423.
107 Deshalb ist auch ein Verzicht oder die Rücknahme der Privatklage möglich, vgl. Meyer-
Goßner, vor § 374, Rn. 1.
108 Vgl. zum Ablauf des Verfahrens die umfassende Darstellung von von Schacky, S. 1 ff.
109 Z.B. für Bayern ergibt sich dies aus Art. 49 BayAGGVG i.V.m. VO vom 13.12.1956.

22
Die Staatsanwaltschaft erhebt die öffentliche Klage wegen der in § 374 Abs. 1
StPO bezeichneten Straftaten hingegen nur, wenn dies im öffentlichen Interesse
110 liegt, vgl. § 376 StPO. Wird das öffentliche Interesse bejaht, so muss die
Staatsanwaltschaft Anklage erheben, wobei sich der Geschädigte eventuell als
Nebenkläger anschließen kann, vgl. § 395 StPO. Verneint die Staatsanwaltschaft
das öffentliche Interesse, so stellt sie das Ermittlungsverfahren ein und verweist
den Verletzten auf das Privatklageverfahren. Gegen diese Verfahrenseinstellung
kann sich der Verletzte mittels Gegenvorstellung 111 oder Dienstaufsichtsbeschwerde
112 wehren, nicht aber durch ein Klageerzwingungsverfahren, vgl. §
172 Abs. 2 S. 3 StPO. Erhebt der Verletzte die Privatklage, so hat die Staatsanwaltschaft
keine Mitwirkungspflicht, § 377 Abs. 1 S. 1 StPO, und auch kein
Mitwirkungsrecht, d.h. sie darf in die Prozessführung des Privatklägers nicht
eingreifen. 113 Jedoch legt das Gericht dem Staatsanwalt die Akten vor, sofern es
die Übernahme der Verfolgung durch ihn für geboten hält, § 377 Abs. 1 S. 2
StPO, und die Staatsanwaltschaft kann durch ausdrückliche Erklärung die Verfolgung
jederzeit bis zum Eintritt der Rechtskraft übernehmen, § 377 Abs. 2
StPO. Geschieht dies, so scheidet der Privatkläger aus dem Verfahren aus und
kann sich, soweit er zur Nebenklage berechtigt ist, als Nebenkläger anschließen.
114 Gründe für die Übernahme braucht der Staatsanwalt nicht mitzuteilen;
das Verfahren wird in der Lage, in der es sich befindet, als gewöhnliches Strafverfahren
weitergeführt. 115
Ist die Privatklage ordnungsgemäß erhoben, so wird sie dem Beschuldigten zugestellt,
§ 382 StPO, dieser hat die Möglichkeit, mittels Widerklage die Bestrafung
des Klägers zu beantragen, wenn er von diesem seinerseits durch ein Privatklagedelikt
verletzt wurde, § 388 StPO. Ansonsten orientiert sich das Privatklageverfahren
hinsichtlich des weiteren Verfahrens weitgehend an den für die
öffentliche Klage geltenden Vorschriften, § 384 StPO, dem Privatkläger stehen
grundsätzlich die Rechten und Pflichten des Staatsanwaltes zu, sofern diese
nicht Ausfluss der staatsanwaltlichen Amtsgewalt sind, oder das Gesetz etwas
anderes bestimmt. 116 Der Privatkläger muss i.d.R. einen Gebührenvorschuss
nach § 16 GVG, § 379a StPO einbezahlen, unter Umständen steht ihm Prozesskostenhilfe
zu, § 379 Abs. 3 StPO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO.
110
Laut Meyer-Goßner, § 376, Rn. 1 m.w.N., ist der Begriff des besonderen öffentlichen Interesses
der §§ 183 Abs. 2, 230 Abs. 1, 248a, 257 Abs. 4 S. 2, 263 Abs. 4, 265a Abs. 3, 266 Abs. 2
StGB enger als der in § 376 StPO. Zur mangelnden richterlichen Überprüfbarkeit der Bejahung
des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch den Staatsanwalt, vgl. BVerfG, NJW
1979, 1591 m.w.N.
111
Vgl. hierzu oben B.I.2.d.aa.
112
Vgl. hierzu oben B.I.2.d.bb.
113
Dies ist jedoch nicht unumstritten, vgl. Meyer Goßner, § 377 Rn. 2 m.w.N.
114
Meyer-Goßner, § 378, Rn. 12; die Staatsanwaltschaft soll den Privatkläger insoweit auch
benachrichtigen, vgl. Nr. 172 Abs. 2 S. 1 RiStBV.
115
Meyer-Goßner, § 378, Rn. 10, 11.
116
Vgl. § 385 StPO, Meyer-Goßner, § 385, Rn. 1, 2, 3.

23
d. Zusammenfassung: Rechtschutz-„Lücke“ bei den Opportunitätseinstellungen
Somit stehen dem deutschen Verletzten gegen die negative Anklageentscheidung
der Staatsanwaltschaft in strafprozessualer Hinsicht alternativ die Möglichkeiten
der Privatklage oder des Klageerzwingungsverfahrens zur Verfügung.
Nicht erfasst und somit für den Verletzten nicht angreifbar sind die in § 172
Abs. 2 S. 3 StPO 117 genannten Opportunitätseinstellungen.
II. Kurzzusammenfassung Reformbestrebungen
1. Einführung: Allgemeine Reformbestrebungen hinsichtlich der Verletztenrechte
Es ist überwiegende Auffassung im deutschen rechtswissenschaftlichen Schrifttum,
dass die Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren der Verbesserung
bedarf, und zwar sowohl, was seine Aktiv- als auch seine Passivposition betrifft.
118
Der moderne Strafprozess dient spätestens seit der Durchsetzung des Inquisitionsgedankens
nicht dem Individualinteresse daran, persönliche Genugtuung für
das erlittene Unrecht zu erlangen, sondern dem Gemeinschaftsinteresse an der
Klärung einer Verdachtssituation sowie an der Schaffung der Voraussetzungen
für sanktionierendes oder sicherndes Eingreifen gegen den Täter. 119
a. Anspruch des Verletzten auf Strafverfolgung eines Anderen
Gegenstand eines Strafverfahrens ist der Strafanspruch der Rechtsgemeinschaft
120 , der Staat macht dem Beschuldigten für die Rechtsgemeinschaft den
Prozess 121 , die Rehabilitation des Verletzten ist Nebenzweck des Verfahrens. 122
Es gibt im deutschen Recht grundsätzlich keinen verfassungsrechtlich verbürgten
Anspruch auf Strafverfolgung eines anderen durch den Staat. 123 Der Staat
genügt seiner Schutzpflicht gegenüber dem Verletzten insoweit bereits dadurch,
dass er entsprechende Verletzungshandlungen allgemein unter Strafe stellt und
spezielle, an das Legalitätsprinzip (§§ 160 Abs. 1, 170 Abs. 1 StPO) gebundene
Strafverfolgungsbehörden sowie ein rechtsstaatlich geordnetes Verfahren mit
117 § 172 Abs. 2 S. 3 StPO selbst wird ganz überwiegend als verfassungsgemäß angesehen, der
Vorwurf eines Verstoßes gegen Art. 103 bzw. Art. 3 GG wird ganz vereinzelt erhoben, für weitere
Nachweise vgl. Werner, S. 44 ff.
118 Bischoff, S. 289 m.w.N.
119 Weigend, Deliktsopfer, S. 167 m.w.N.
120 Meyer-Goßner, Einleitung, Rn. 7.
121 Meyer-Goßner, Einleitung, Rn. 5.
122 Meyer-Goßner, Einleitung, Rn. 8.
123 BVerfG NJW 1979, 1591; BVerfG NJW 2002, 211; BVerfG NStZ 2002, 606, 607: eine
Verletzung der Menschenwürde durch Nichtverfolgung eines anderen ist nicht gegeben.

24
flankierend eingeräumten Rechtsschutzbehelfen des Verletzten (§ 172 StPO)
geschaffen hat. 124
Somit gebührt die Entscheidung, ob und in welcher Form der Beschuldigte zur
Verantwortung gezogen werden kann, prinzipiell nicht dem Verletzten, sondern
muss von den hierzu berufenen und legitimierten Organen des Staates aufgrund
normativer Vorgaben (z.B. Legalitätsprinzip) getroffen werden. Dennoch sind
der „Entmachtung“ 125 des Verletzten Grenzen gesetzt; ihm wird eine Sonderstellung
gegenüber denjenigen, die von einer Straftat nicht betroffen sind, auch im
Strafprozessrecht zugedacht, da das Genugtuungsbedürfnis des Verletzten durch
die Sanktion der Rechtsgemeinschaft nicht vollständig beseitigt wird. Auch aus
Gründen der Waffengleichheit zwischen Verletztem und Beschuldigtem wird
dem Verletzten eine eigenständige Rolle eingeräumt. 126 Dem Gestaltungs- und
Mitwirkungsinteresse des Opfers wird dabei vor allem dort Raum gewährt, wo
Gemeinschaftsinteressen nicht angegriffen oder das Friedensinteresse der Allgemeinheit
nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt ist. 127
Das Opfer einer Straftat ist im deutschen Strafprozessrecht Verfahrensbeteiligter
128 ; der Beteiligung des Verletzten am Verfahren ist sogar ein ganzes Buch
der Strafprozessordnung gewidmet. 129 Es kann zudem auch schon vor Durchfüh-
124 BVerfG NStZ 2002, 606, 607.
125 So Jung, ZStW 93 (1981), 1147, 1152, die eine Reduktion des Konflikts auf die Beziehung
zwischen Staat und Bürger auch für „sozialpsychologisch verfehlt“ hält. Nach der empirischen
Untersuchung von Kilchling, S. 377 ff., wünschen sich mehr als 60% der Opfer einen Zustimmungsvorbehalt
vor einer Einstellungsentscheidung des Staatsanwaltes.
126 Einige Autoren sehen in der Renaissance der Opferrechte auch eine mögliche Renaissance
der Privatstrafe und eine damit einhergehende deutliche Relativierung der Rolle des Staates im
Strafverfahren, so spekuliert zumindest Eser, in FS Kaufmann, S. 723, 747; a.A. ist Rieß, in FS
Kaufmann, S. 703, der darauf verweist, dass ein Modell ausscheide, das den Verletzten wieder
zum Inhaber des Strafanspruchs machen würde und ihm demgemäß die alleinige Klagebefugnis
überlassen würde, „denn das wäre ein Rückfall in eine ferne historische Vergangenheit“; gegen
eine stärkere Beteiligung des Opfers am Strafverfahren Schünemann, NStZ 1986, 193 ff., allerdings
nimmt er in seiner Darstellung die hier behandelten (Kontroll-) Rechte des Opfers aus. Ansonsten
besteht hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit einer Verbesserung der Position des Verletzten
im Strafverfahren in der wissenschaftlichen Diskussion seltene Einigkeit.
127 So die hier zugrundegelegten Prämissen von Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 776 f. m.w. N.
128 Meyer-Goßner, Einleitung, Rn. 70, 72, 73, bezeichnet den Verletzten als „Nebenbeteiligten“
(„Personen, die im allgemeinen Interesse oder zur Abwehr eigener Rechtsnachteile am Verfahren
teilnehmen oder sich beteiligen dürfen“), wenn der Verletzte als Privatkläger oder Nebenkläger
auftritt sogar als „Hauptbeteiligten“ und grenzt ihn dadurch von einem bloßen Zeugen ab, der lt.
Rn. 75 nicht zu den Verfahrensbeteiligten gehört; eher kritisch zu einer echten Verfahrensbeteiligung
des Verletzten ist Weigend, Deliktsopfer, S. 167, der insoweit von einer nur „marginalen
Stellung“ des Verletzten spricht und herausstellt, dass die einzelnen Mitwirkungsmöglichkeiten in
ihrer Entstehung und Entwicklung nicht einem einheitlichen Konzept, sondern äußerst heterogenen
Wurzeln, wie z.B. gesetzgeberischen Zufällen oder dem liberalen Interesse an der Kontrolle
der Staatsgewalt, entsprängen; zu den Grundlagen einer Opferbeteiligung im Strafverfahren vgl.
z.B. Hirsch, in FS Kaufmann, S. 705 ff.
129 Fünftes Buch der Strafprozessordnung von 1896, §§ 374-406h StPO, in der Fassung des 37.
Strafrechtsänderungsgesetzes vom 11.2.2005; die hier vorgenommene Darstellung beschränkt sich
auf das Klageerzwingungs- und Privatklageverfahren als Kontrollrechte des Opfers; Weigend,

25
rung des Gerichtsverfahrens durch Stellung einer Strafanzeige, § 158 Abs. 1
StPO, oder eines Strafantrages, § 158 Abs. 1, 2 StPO, tätig werden, wobei der
Verletzte als Antragsteller von einer Einstellung des Verfahrens zu unterrichten
und über seine Anfechtungsmöglichkeit zu belehren ist, § 171 StPO. Damit wird
auch der Zweck einer Kontrolle des Legalitätsprinzips verfolgt.
Die überwiegende Ansicht in der Literatur geht somit davon aus, dass der Verletzte
zwar keinen Anspruch auf Bestrafung des Täters hat, er aber dennoch auf
vielfältige Art am Verfahren beteiligt ist. 130
Der grundsätzliche Streit, inwieweit dem Verletzten demgegenüber ein Recht
auf Verurteilung eines anderen und/ oder fehlerfreie Durchführung eines Strafverfahrens
zusteht, soll hier nicht entschieden werden. Insoweit mag kein Anspruch
bestehen, jedoch ist eine differenzierende Betrachtung erforderlich: In
einem ausgewogenen Prozesssystem hat auch der Verletzte seinen Platz, seine
Interessen, die sich in allen drei Strafzwecken wieder finden, sind angemessen
zu berücksichtigen, wobei sich private und öffentliche Interessen in nicht unerheblichem
Umfang decken. 131 Die Grenze des Einflusses des Verletzten ist jedoch
sicherlich dort überschritten, wo der Verletzte seine privaten Interessen auf
Kosten der öffentlichen Interessen durchsetzen kann. 132
b. Bedürfnis eines Ausbaus der Rechtsbehelfe des Verletzten jenseits eines „Anspruchs“
des Verletzten.
Auch jenseits eines „Anspruchs“ des Verletzten wird ein Ausbau der vorhandenen
Rechtsbehelfe diskutiert.
Ein Gesichtspunkt hierbei ist der Aspekt einer Steigerung des Vertrauens der
Bevölkerung in die Strafverfolgungsorgane, denn es wird befürchtet, eine Vernachlässigung
der Opferinteressen könne zu einer Erosion der Anerkennung und
Durchsetzungskraft der Rechtsordnung insgesamt beitragen. 133 Gerade bei den
durch die Medien stark in die Öffentlichkeit gelangenden Verfahrenseinstellungen
wäre es auch für die Staatsanwaltschaft als weisungsgebundene Behörde
interessant, etwaigen Vorwürfen die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung
ihrer Entscheidung entgegensetzen zu können. 134
Ferner könnte eine bessere Kontrolle auch der Vereinheitlichung der – z.T. erheblich
voneinander abweichenden 135 – Einstellungspraxen und somit einer
Stärkung der Rechtssicherheit dienen. 136
Deliktsopfer, S. 168, bezeichnet das Buch der Verletztenbeteiligung als Schein, der trüge, da der
Verletzte als aktiver Teilnehmer in Wirklichkeit längst aus dem Verfahren ausgeschieden sei, ohne
dass die „Wiederbelebungsversuche“ der letzten 200 Jahre daran etwas hätten ändern können.
130
Kirstgen, S. 74.
131
Werner, S. 303 ff.
132
Vgl. Weigend, S. 190.
133
So z.B. Weigend, S. 85.
134
In diesem Sinne z.B. auch z.B. Geisler, ZStW 83 (1981), 1109, 1144; Ostendorf, Recht und
Politik 1980, 200, 203.
135
Vgl. z.B. Rieß, ZRP 1983, 97.

26
Schließlich wird eine Erweiterung der Verletztenrechte auch deshalb befürwortet,
weil diese Kontrolle des Verletzten zu einer in rechtsstaatlicher Hinsicht erwünschten
Kontrolle und somit zur Gewaltenbalance beitragen kann. Denn es
gehört zu jedem Rechtsstaat, regelmäßig die Überprüfung der Exekutive durch
eine unabhängige Instanz vorzusehen; die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20
Abs. 3 GG) ist nur unvollkommen, wenn ausschließlich die gebundene Behörde
über ihre Einhaltung wacht. 137 Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers
bei Einführung des Klageerzwingungsverfahrens: Das Klageerzwingungsverfahren
ist nicht nur als ein Mittel zur Wahrung der Interessen des Verletzten
konzipiert, sondern auch als „Waffe des Rechtsstaats gegen die Gefahren einer
hierarchisch gelenkten Anklagebehörde.“ 138
c. Zwischenergebnis: Grundsätzliche Reformbestrebungen hinsichtlich einer
Verbesserung der Verletztenrechte
Es ist somit eine ganz klare Tendenz zur allgemeinen Verbesserung der Verletztenrechte
im rechtswissenschaftlichen deutschen Schrifttum erkennbar. Es wird
davon ausgegangen, dass trotz der vielfältigen Einbindungen des Verletzten in
das Verfahren seine eigenständige Rolle und seine Interessen nicht hinreichend
berücksichtigt worden sind 139 , der Verletzte sei durch die zunehmende Trennung
von Strafe und Schadenersatz immer weiter an den Rand des Strafverfahrens
gedrängt worden, bis er schließlich zum bloßen Verfahrensobjekt geworden
sei. 140
2. Reformbestrebung Kontrollrechte 141
Im Zuge der allgemeinen Debatte über Verletztenrechte wurde auch die Diskussion
über die strafprozessualen Rechte der Verletzten gegen die negative Anklageentscheidung
der staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung angefacht. Unabhängig
von den strafprozessualen Detail-Streitfragen der bereits bestehenden
Regelungen wird dabei auch das System an sich hinterfragt.
Gefordert wird sogar eine „radikale Neubesinnung“ 142 zur Abhilfe der „Ineffizienz,
ja Dysfunktionalität“ 143 der Beteiligungsrechte des Verletzten.
136
Werner, S. 300; Werner, S. 301 f. m.w.N. hält eine Erweiterung auch zur Förderung des
Rechtsfriedens geeignet, indem die Bereitschaft des Verletzten gefördert würde, sich mit der Verfahrenseinstellung
abzufinden.
137
Werner, S. 298 f. m.w.N.
138
So Werner, NStZ 1984, 401, 403 m.w.N.
139
So Rieß, Jura 1987, 283, Fn. 21; a.A. ist allerdings Schünemann, NStZ 1986, 193, der im
modernen Straf- und Strafprozessrecht für eine eigenständige Rolle des Verletzten keinen Platz
sieht und vor Übereilung warnt, wie oben bereits erwähnt bezieht er dies jedoch nicht auf die hier
angesprochenen, von ihm „Kontrollrechte“ genannten, Rechte des Verletzten.
140
Eser, in FS Kaufmann, 723, 724.
141
Insoweit schließt sich die Verfasserin der von Schünemann, NStZ 1986, 193, verwendeten
Terminologie an.

27
Die oben schon skizzierten Rechtsbehelfe des Verletzten gegen die negative
Anklageentscheidung des Staatsanwalts sind genau genommen seit ihrer Einführung
der Kritik unterworfen 144 ; nicht nur bestünden erhebliche Konstruktionsmängel,
die zu einem weitgehenden Leerlauf in der Praxis geführt hätte, entscheidend
sei auch das Fehlen einer einheitlichen Konzeption der Rolle, die der
Verletzte im Strafverfahren spielen solle. 145
Zentraler Kritikpunkt sowohl der Privatklage als auch das Klageerzwingungsverfahrens
ist ihre praktisch äußerst seltene und noch seltener erfolgreiche Anwendung.
a. Das Klageerzwingungsverfahren
Das Klageerzwingungsverfahren sah sich seit jeher 146 der Kritik der Fachwelt
ausgesetzt, gerügt wurden dabei vor allem das komplizierte Verfahren, das eine
wirksame externe Kontrolle über die Anklagetätigkeit der Staatsanwaltschaft
faktisch ausschließe, sowie seine häufige Erfolglosigkeit. 147 Allerdings wird die
generelle Existenz des Klageerzwingungsverfahrens nicht ernstlich in Frage gestellt
148 , sondern als Kontrolle der Staatsanwaltschaft und Sicherung der Interessen
des Verletzten grundsätzlich ob seiner präventiven Wirkung durchweg begrüßt:
da sich kein Staatsanwalt gerne einem Klageerzwingungsverfahrens aussetze,
werde er nur in den wirklich begründeten Fällen von der Durchführung
eines Offizialverfahrens absehen. 149
142 Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 765.
143 Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 764.
144 Vgl. z.B. für die Privatklage, deren Einführung bereits stark umstritten war, die Motive bei
Hahn, S. 277 ff. oder Thiersch, in Aschrott, S. 212 f.
145 So Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 764, der die Fixierung des Strafprozesses auf die Auseinandersetzung
zwischen dem Staat und dem Individuum, was die Teilnahme des Verletzten lediglich
als „Randfigur“ toleriere, beklagt. Weigend, wie vor, 764 kritisiert ferner, dass das Verbrechensopfer
mal viel, mal wenig Mitsprachrechte im Verfahren habe, dies allerdings maßgeblich
dem Zufall überlassen sei.
146 Zur Geschichte der Einführung des Klageerzwingungsverfahrens als Kontrolle der politisch
abhängigen Staatsanwaltschaft vgl. Bischoff, S. 2 ff.
147 So Weigend, Deliktsopfer, S. 157 ff. m.w.N.; Bereits 1937 erschien eine Dissertation zum
Thema: „Das Klageerzwingungsverfahren - Geschichte und Reformbestrebungen“, von Bender,
Diss. Köln 1937; in der NS-Zeit wurde das Klageerzwingungsverfahren schließlich vorübergehend
ganz abgeschafft, Nachweise bei Weigend, Deliktsopfer, S. 159, vgl. auch Bischoff, S. 2 ff.
148 So auch Kirstgen, S. 1 ff.
149 Eser, in FS Kaufmann, S. 723, 730 f., in diesem Sinne zustimmend auch Jung, ZStW 93
(1981), 1147, 1165, die das Klageerzwingungsverfahren zwar nicht als „Ideallösung“ sieht, aber
betont, aufgrund des Machtzuwachses der Staatsanwaltschaft bestehe mehr denn je ein Kontrollbedürfnis.

28
aa. Die „statistische Rarität“ 150
Das Klageerzwingungsverfahren leidet statistisch betrachtet an zwei Mängeln:
zum einen an seiner spärlichen Anwendung 151 , zum anderen an seiner relativen
Erfolglosigkeit. 152
bb. Reform durch Erweiterung des Anwendungsbereichs?
Wie oben 153 bereits dargestellt, erstreckt sich das Klageerzwingungsverfahren
nicht auf die sog. staatsanwaltlichen Opportunitätseinstellungen, d.h. das Opfer
einer Straftat verfügt insofern de iure über keinerlei Rechtsbehelfe. 154 Dieser
Zustand ist sowohl im Hinblick auf die Verletztenrechte, als auch auf die fehlende
Kontrollmöglichkeit in hohem Maße angegriffen worden. 155 Die Unanfechtbarkeit
des Einstellungsbeschlusses habe in der Praxis dazu geführt, dass
Staatsanwaltschaften und Gerichte sich contra legem ausschließlich am Gesichtspunkt
des öffentlichen Interesses der Strafverfolgung orientierten und dieses
unkontrolliert selbst definierten, für den Verletzten seien derartige Verfahrenseinstellungen
oft „frustrierend“. 156 Schöch 157 spricht „neuerdings“ von einer
„gefährlichen Einstellungs-Euphorie“ der Rechtspolitik, bei denen in Sonderfällen
Missbräuche möglich seien. Wenn selbst Deliktsschäden über DM 100.000
kein Hindernis mehr für Einstellungen nach § 153a StPO seien, dann sei die
rechtsstaatliche Grenze sicher überschritten, die der Verletzte ohne gerichtliche
Kontrollmöglichkeit hinzunehmen habe. 158
Die Einstellungspolitik hat in der Wissenschaft Kritik provoziert, bisweilen ist
sogar von einer Versagung des Justizgewährungsrechtes und einem „Verfassungsverstoß“
die Rede. 159
Rieß 160 beklagt, wie viele, ein teilweises „Leerlaufen“ des Klageerzwingungsverfahrens
aufgrund des „Siegeszuges der staatsanwaltlichen Ermessenseinstel-
150 Jung, ZStW 93 (1981), 1147, 1157.
151 Vgl. Bischoff, S. 98; Die Rechtspflegestatistik des statistischen Bundesamtes, erhältlich im
Internet unter http://www.destatis.de/themen/d/thm_rechts.htm, zeigt für das Jahr 2003 für Gesamtdeutschland
genau 2.612 Klageerzwingungsverfahren.
152 Bischoff, S. 168, legt dar, dass Anträge meist schon als unzulässig verworfen werden, äußert
deshalb Zweifel an der Effektivität des Klageerzwingungsverfahrens und fordert eine Reformierung.
153 Vgl. hierzu oben B.I.2.cc.
154 Bischoff, S. 105, verweist darauf, dass fast 30% aller Verfahrenseinstellungen von einer Ver-
letztenkontrolle ausgeschlossen sind.
155 Bischoff, S. 280, bezeichnet die Kontrolle der staatsanwaltlichen Opportunitätseinstellungen
als zweckmäßig und notwendig.
156 Hirsch, in FS Kaufmann, S. 704 m.w.N.
157 Schöch, NStZ 1984, 385, 389.
158 Ebenso Bischoff, S. 259 m.w.N., der befürchtet, dass es zudem angesichts der nachweisbaren,
zum Teil erheblichen regionalen Unterschiede zwischen verschiedenen Staatsanwaltschaften
bei den Einstellungsquoten eine, möglicherweise unbewusste, Strategie der Umgehung der Kontrollbedürfnisse
des Verletzten geben könne. Es spreche somit sachlich alles dafür, die Einwirkungsmöglichkeiten
des Verletzten bei den §§ 153 ff. StPO zu verbessern.
159 So Hirsch, ZStW 92 (1980), 221, Fn. 14.

29
lungen“. 161 Da insoweit das Klageerzwingungsverfahren nicht zulässig und eine
Beteiligung des Verletzten an diesen Einstellungen auch sonst nicht vorgesehen
ist, hat der Verletzte bei etwa einem Drittel aller Verfahrensbeendigungen außer
der Dienstaufsichtsbeschwerde keine Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten,
während nach der ursprünglichen Konzeption der StPO strenges Legalitätsprinzip
und Klageerzwingungsverfahren fast vollständig (bis auf die Unzulässigkeit
des Klageerzwingungsverfahrens bei Verweisung auf den Privatklageweg) korrespondierten.
162 Kirstgen 163 folgert daraus, dass das Klageerzwingungsverfahren
seinem Zweck der Sicherung des Legalitätsprinzips nur in einem kleinen
Ausschnitt des Anwendungsbereiches dieses Prinzips gerecht werde. Die Kontrolle
der Staatsanwaltschaft sei so nur höchst lückenhaft und punktuell gewährleistet.
Werner 164 erkennt in der jetzigen Regelung des Klageerzwingungsverfahrens
Raum für unbewusste oder gar bewusste Umgehungsstrategien der
Staatsanwälte und arbeitet Wertungswidersprüche heraus. Auch die hohen und
zu eng ausgelegten Voraussetzungen des Klageerzwingungsverfahrens sollten
gemildert werden. 165
(1) Gerichtlicher Rechtsschutz gegen Opportunitätseinstellungen
Mehrere Autoren fordern daher, das Klageerzwingungsverfahren auf die Fälle
auszudehnen, in denen der Staatsanwalt aufgrund einer Ermessensvorschrift von
einer weiteren Verfolgung absieht. 166 Des Weiteren wird vorgeschlagen, § 172
Abs. 2 S. 3 StPO zu streichen, und somit auch den Ausschluss der Privatklagedelikte
vom Klageerzwingungsverfahren zu beseitigen. 167 Angesichts der unprä-
160
Statt vieler: Rieß, Jura 1986, 281, 283.
161
Die Rechtspflegestatistik des statistischen Bundesamtes, erhältlich unter
http://www.destatis.de/themen/d/thm_rechts.htm, weist für das Jahr 2003 4.766.070 insgesamt
erledigte Verfahren aus, hiervon 265.909 durch Einstellung mit Auflage, 998.845 durch Einstellung
ohne Auflage. D.h. dass mehr als 1/4 aller Verfahren eingestellt werden.
162
Rieß, Jura 1986, 281, 290.
163
Kirstgen, S. 49, meint, es sei kaum anzunehmen, dass der Gesetzgeber, habe er eine effektive
Sicherung des Legalitätsprinzips beabsichtigt, nur ein derart unvollkommenes Instrument wie
das Klageerzwingungsverfahren bereit gestellt habe; Kirstgen, S. 48, 50 ff., kritisiert insofern auch
die Eingrenzung der Anwendbarkeit des Klageerzwingungsverfahrens durch die Beschränkung auf
den Verletzten, räumt aber schließlich, S. 52, ein, dass dies nur durch die Einführung der dem
deutschen Rechtssystem fremden Popularklage geändert werden könne.
164
Werner, S. 160.
165
Geerds, JZ 1984, 786, 794, ebenso Rieß, Gutachten, D II 3 Rn 112.
166
Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 787; ders., Deliktsopfer, S. 547, so auch Rieß, NStZ 1981,
29; ders., in FS Kaufmann, S. 703 ff.; Schöch, ZStW 92 (1980), 143, 180; ebenso Werner, NStZ
1984, 401, 403, die zwar in einer durchgeführten empirischen Untersuchung keine gravierenden
Missstände bei der staatsanwaltlichen Einstellungspolitik feststellen konnte, sich aber aus rechtsstaatlichen
Erwägungen für einen gerichtlichen Rechtsbehelf einsetzt; so auch Schöch, NStZ 1984,
385, 389; vgl. Bischoff, S. 260 ff. zur möglichen Ausgestaltung und Umfang einer gerichtlichen
Kontrolle.
167
Bischoff, S. 281, der dies systematisch derzeit nicht für erforderlich hält, wohl aber im Falle
einer Abschaffung der Privatklage.

30
zisen Formulierung der gesetzlichen Voraussetzungen und des weiten Ermessensspielraums
liege die Möglichkeit der Missachtung normativer Bindungen im
Rahmen des Opportunitätsprinzips viel näher als im Rahmen des Legalitätsprinzips.
Unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenbalance erscheine daher gerade in
diesem Bereich eine Kontrolle der Staatsanwaltschaft durch ein unabhängiges
Gericht erforderlich. Die Ermöglichung von gerichtlichen Entscheidungen bei
Ermessenseinstellungen könne ferner zur Präzisierung und Angleichung der unbestimmten
Einstellungsvoraussetzungen und damit zur Herstellung von
Rechtssicherheit beitragen. Beim Klageerzwingungsverfahren komme es nicht
auf die quantitative Bedeutung an, entscheidend sei vielmehr die grundsätzliche
vertrauensstiftende und präventive Wirkung für die Ermittlungsbehörden. 168 Die
Befugnis gerade des Verletzten hierzu ergebe sich aus seinem berechtigten Genugtuungsinteresse
an der Ahndung der ihm gegenüber begangenen Straftat.
Daraus, dass der Staat das Strafmonopol an sich gezogen habe, erwachse für die
Strafverfolgungsbehörden die Verpflichtung, dieses in einer Weise auszuüben,
die das Gerechtigkeitsbedürfnis der Verletzten nicht missachte. Zudem stelle es
eine Vernachlässigung der dem Staat obliegenden Schutzfunktion dar, wenn er
angesichts zahlreicher strafbedrohter Rechtsgutsverletzungen nur noch wenig
reagiere. 169
(2) Exkurs: Der Richtervorbehalt bei den Opportunitätseinstellungen
Im Schrifttum wird oft beklagt, der Richter zeichne ihm von der Anklagebehörde
vorgelegte Einstellungen lediglich ab und sei auch im Verfahren, etwa bei
einer Einstellung nach § 154 StPO zur Reduzierung der eigenen Arbeits- und
Urteilslast geneigt, entsprechende Vorstöße der Staatsanwaltschaft „abzunikken“.
170 Somit ist der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft in den wenigsten
Fällen eine autonome Einstellungsentscheidung treffen kann, kein vollwertiger
Ausgleich für die fehlende Kontrolle durch das Klageerzwingungsverfahren. 171
(3) Umfang einer gerichtlichen Überprüfung 172
Fast alle 173 Befürworter einer Ausdehnung des Klageerzwingungsverfahrens
wollen die Reichweite der gerichtlichen Überprüfung auf die Rechtmäßigkeit
der staatsanwaltlichen Entscheidung beschränken. Ein solcher Rechtsschutz liefe
nicht leer, da sich die Rechtmäßigkeitskontrolle auch auf Fehler bei der Ermessensausübung
bezieht. 174
168
Schöch, NStZ 1984, 385, 389, in diesem Sinne auch Bischoff, S. 251 f., 348, der in der präventiven
sogar die wesentliche Wirkung des Klageerzwingungsverfahrens sieht.
169
Hirsch, in FS Kaufmann, S. 704 f.
170
Bischoff, S. 258.
171
Erb, S. 221, 224 f. mit überzeugender Begründung.
172
Vgl. zur Diskussion zum Inhalt der einzelnen Einstellungsvorschriften Werner, S. 316 ff.
173
A. A. sind hier jedoch Rieß, Gutachten, Fn. 343, und Bischoff, S. 268.
174 Werner, S. 312.

31
Voraussetzung für eine Kontrolle ist jedoch immer, dass die Ermessensentscheidung
des Staatsanwaltes an bestimmte normative Kriterien gebunden ist. 175 Die
Reichweite der gerichtlichen Kontrollbefugnisse im Einzelnen hängt von der
rechtlichen Einordnung der in den §§ 153 ff. StPO genannten Einstellungsvoraussetzungen
ab. 176 Die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 153 ff. sind durch
eine Vielzahl mehr oder weniger bestimmter Rechtsbegriffe gekennzeichnet,
wie z.B. der Merkmale „geringe Schuld“ oder dem „öffentlichen Interesse der
Strafverfolgung“ im Rahmen der §§ 153, 153a StPO. Dies hat wohl auch dazu
beigetragen, dass eine gerichtliche Überprüfung staatsanwaltlicher Ermessensentscheidungen
nach §§ 153 ff. StPO mit dem Argument abgelehnt wird, Gerichte
seien zur Überprüfung von Ermessensentscheidungen nicht befugt. 177
Soweit es sich um bestimmte oder unbestimmte Tatbestandsmerkmale handelt,
wäre entsprechend der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung eine Überprüfung
im Klageerzwingungsverfahren grundsätzlich unbeschränkt möglich, wohingegen
den Exekutivbehörden bei der Ausfüllung von unbestimmten Rechtsbegriffen,
ähnlich der begrenzten richterlichen Überprüfung bei Ermessensfragen,
ein gerichtlich nicht kontrollierbarer Beurteilungsspielraum zugebilligt
wird. 178
Bisweilen wird gefordert, durch konkretisierende Richtlinien das staatsanwaltliche
Ermessen besser zu strukturieren. 179
Hirsch 180 meint, mit einer Erweiterung der Klageerzwingungs- und Beschwerdemöglichkeiten
sei kaum etwas zu erreichen, solange nicht gleichzeitig die
Einstellungsvoraussetzungen gesetzlich präziser umschrieben werden. Auch
Einstellungen durch die Staatsanwaltschaft bei Verneinen des öffentlichen Interesses
im Rahmen des § 376 StPO sollten gerichtlich überprüft werden. 181 Denn
175
Weigend, Deliktsopfer, S. 547; Jung, ZStW 93 (1981), 1147, 1166 hält eine Ausdehnung auf
Ermessenseinstellungen für „diskutabel“, aber kaum für „praktikabel“, weil die richterliche Kontrolle
angesichts der staatsanwaltlichen Entscheidungsspielräume weitgehend leer laufen würde.
Grundlegend zu Legalität und Opportunität hier Erb, in Geisler, S. 27 ff.
176
Vgl. hierzu im Einzelnen Döhring, S. 135 ff.
177
Bischoff, S. 263.
178
Werner, S. 332 ff., auch zur weiteren Einordnung der einzelnen Ermessensvorschriften.
Werner, S. 336 plädiert dafür, die Reichweite der gerichtlichen Prüfungskompetenz den Gerichten
zu überlassen.
179
Jung, ZStW 93 (1981), 1147, 1166; siehe hierzu umfassend mit entsprechender Herleitung
Erb, S. 207 ff., der zur „rechtsstaatlichen Entschärfung“ des Opportunitätsprinzips eine Steuerung
des Verfolgungsermessens durch Richtlinien fordert und dort sog. Regelvermutungen einführen
will; ebenso Weigend, 179 ff.; a.A. ist aber wohl Weigend in ZStW 96 (1984), 761, 787: schon
jetzt lieferten die vorgegebenen Begriffe sowie deren Zielsetzung Maßstäbe, die an die Entscheidung
des Staatsanwaltes angelegt werden könnten.
180
Hirsch, in FS Kaufmann, S. 705: auch die Gerichte hätten Gefallen an dem gewonnenen
Freiraum gefunden. Hirsch, a.a.O., zitiert zu diesem Thema Kaufmann, S. 263 ff., 276, wonach
„der hypertrophe Rekurs auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ ein Indiz für die Mittelmäßigkeit
der Verhältnisse sei.
181
Kirstgen, S. 19, leitet her, dass es sich bei dem Begriff des „öffentlichen Interesses“ um einen
unbestimmten Rechtsbegriff handelt und nicht etwa um Einräumung von Ermessenfreiheit.

32
der Verletzte könne durch eine ermessensfehlerhafte Verfahrenseinstellung
ebenso in seinem Interesse nach rechtlich einwandfreier Erledigung beeinträchtigt
sein wie durch eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO. 182
Bischoff 183 schlägt insoweit vor, die im Verwaltungsrecht zur Überprüfung von
Ermessensentscheidungen entwickelten Grundsätze auf die Ermessensentscheidungen
der Staatsanwaltschaft im Klageerzwingungsverfahren zu übertragen.
Zu unterscheiden wäre dann zwischen Handeln nach Ermessen, wobei die Behörde
zwischen mehreren vom Gesetzgeber als rechtmäßig angesehenen Rechtsfolgen
letztverbindlich wählen darf (gerichtliche Überprüfung nur hinsichtlich
Ermessensüberschreitung oder –missbrauch), und lediglich unbestimmten
Rechtsbegriffen im Gesetz, die sich zumeist auf der Tatbestandsseite einer
Norm befinden (grundsätzlich gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar, bis auf
Sonderfälle mit Beurteilungsspielraum).
Erb 184 hält eine Regelung, die der Situation bei den nach dem Legalitätsprinzip
getroffenen Entscheidungen entspricht, für unpraktikabel und spricht sich, auch,
um den justizökonomischen Effekt des Opportunitätsprinzips beibehalten zu
können, für den Kompromiss einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit
aus. Die bisherigen Zustimmungserfordernisse von Gerichten bei Einstellungsverfügungen
sollen neu definiert werden, im Falle einer Einstellung des
Staatsanwaltes nach einer Regelvermutung 185 der der Entscheidung zugrunde zu
legender Richtlinien könnte eine richterliche Kontrolle auf Antrag des Verletzten
(nicht in Form des Klageerzwingungsverfahrens) erfolgen. Eine Strukturierung
des Ermessens durch Richtlinien, die typische „einstellungsfreundliche“
und „einstellungsfeindliche“ Umstände enthielten (sog. „Regelvermutungen“),
Deshalb sei § 376 StPO gerichtlicher Kontrolle zugänglich und nicht verständlich, welche ratio
legis § 172 Abs. 2 S. 3 1.HS StPO zugrunde liege.
182 Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 787.
183 Bischoff, S. 263 ff.; ders., S. 267, kommt dabei zum Ergebnis der uneingeschränkten Überprüfbarkeit
der staatsanwaltlichen Opportunitätseinstellungen, wobei es den Gerichten vorbehalten
bliebe, in Einzelfällen auf der Tatbestandsseite bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe
einen Beurteilungsspielraum zuzulassen.
184 Erb, S. 226 ff.
185 Die Handhabung des Verfolgungsermessens durch geeignete Richtlinien wird in der Literatur
fast durchweg gefordert, vgl. Erb, S. 207 m.w.N. Erb, S. 204 ff., spricht sich nach umfangreicher
Herleitung und Begründung für eine Reformierung der bestehenden Rechtslage mit dem Ziel
einer Erhöhung der Rechtsstaatlichkeit für eine Kombination einer Steuerung der Ermessensausübung
durch die Vorgabe von Ermessensrichtlinien, die sog. Regelvermutungen für die Behandlung
typischer Konstellationen enthalten, mit entsprechenden Kontrollmechanismen gegen willkürliche
Ermessensausübung aus. Hinsichtlich der Konzeption wird vorgeschlagen, als Ausgangspunkt
die bisher de facto bei den Opportunitätsvorschriften maßgeblichen Gesichtspunkte zu wählen
und diese dann entsprechend empirischer Erhebungen zu ergänzen, vgl. Erb, S. 210 f. Durch
die auf dieser Basis zu erarbeitenden Regelvermutungen kann es natürlich nicht zu einer Beseitigung
des Ermessens kommen, sondern, dem Namen „Regelvermutung“ entsprechend, eben nur zu
einem Maßstab für die Behandlung von Standardfällen. Die Möglichkeit einer, entsprechend begründeten,
auf atypische Besonderheiten gestützten Entscheidung würde hierdurch nicht berührt,
vgl. Erb, S. 212.

33
hätte den Vorteil einer nicht wesentlichen Steigerung des Arbeitsaufwands der
Justizorgane und somit der Wahrung justizökonomischer Belange, dies bei
gleichzeitiger Erhöhung der Rechtssicherheit. 186 Hierdurch ließe sich zugleich
den Interessen des Opferschutzes Rechnung tragen, womit sich die Frage einer
Eröffnung des Klageerzwingungsverfahrens gegenüber Opportunitätseinstellungen
insoweit erübrigen würde: eine richterliche Überprüfung des staatsanwaltlichen
Einstellungsermessens, die auf einer Initiative des durch die Straftat Verletzten
beruht, diesem dabei zum rechtlichen Gehör verhilft und letztlich dazu
führt, dass der Sachverhalt dem Richter nicht nur einseitig aus der Perspektive
des Staatsanwaltes unterbreitet wird, dürfte im Ergebnis eine wesentlich effektivere
Kontrolle darstellen als die im Regelfall nur als Formsache in Erscheinung
tretenden Zustimmungserfordernisse des geltenden Rechts. 187 Das bedeutet
nicht, dass das Klageerzwingungsverfahren im reformierten System keinen Platz
hat: In den Fällen, in denen der Staatsanwalt von den Regelvermutungen abweicht
und die Einstellung auf individuelle Besonderheiten stützen möchte, soll
zwar von vornherein eine richterliche Zustimmung erforderlich sein und somit
ein zweites Rechtspflegeorgan in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.
188 Zusätzlich soll gegen derartige Verfahrenseinstellungen aber auch das
Klageerzwingungsverfahren zulässig sein. Zum einen wäre es fragwürdig, dem
Verletzten gerade in der kritischen Situation einer von den Regelvermutungen
abweichenden Opportunitätseinstellung die aktive Mitwirkung zu verweigern,
andererseits sei gerade der Rechtsweg zur Entscheidung durch die Oberlandesgerichte
mit der verfolgten Zielsetzung einer vereinheitlichenden Wirkung
höchstrichterlicher Rechtsprechung für Anwendungen der Opportunitätsvorschriften,
die aus den durch die Richtlinien vorgegebenen Schemata herausfallen,
in Einklang zu bringen. 189
cc. Alternativen
Als Alternative zur Einführung eines Klageerzwingungsverfahrens war vom
Gesetzgeber ferner die subsidiäre Privatklage zur Überwachung der Staatsanwaltschaft
angedacht, 190 diese konnte sich jedoch nicht durchsetzen. 191 Auch die
Zulassung einer (subsidiären) Popularklage, die in anderen Rechtsordnungen
meist nur neben einer nach dem Opportunitätsprinzip verfahrenden Staatsan-
186 Vgl. Erb, S. 213.
187 So wörtlich Erb, S. 229 f. m.w.N.
188 Erb, S. 229.
189 Erb, S. 230 f.
190 Dengler, S. 91 f. m.w.N.
191 Bischoff, S. 249 ff., verweist darauf, dass die subsidiäre Privatklage wohl mit den gleichen
Problemen behaftet sei wie die jetzige Privatklage, mithin zu einer Strafverfolgungslast des Verletzten
führe. Zudem sei sie auch aus kriminalpolitischen und verfahrenstechnischen Gründen
keine Alternative zum Klageerzwingungsverfahren.

34
waltschaft anzutreffen ist, ist für das deutsche Strafverfahrensrecht nicht ernsthaft
erwogen worden. 192
Des Weiteren wird vereinzelt 193 zur Kontrolle der Staatsanwaltschaft die Einführung
verschiedener Gremien (wahlweise durch Bürger oder öffentliche Mandatsträger
besetzt) vorgeschlagen. Solche Ansätze werden jedoch in der Regel
im Verhältnis zum Klageerzwingungsverfahren als noch umständlicher eingestuft
194 und finden keine Mehrheiten, da die ganz herrschende Ansicht in der
Literatur an einem entsprechend modifizierten Klageerzwingungsverfahren festhalten
will. 195
Allerdings fanden die Bestrebungen hinsichtlich einer Reformierung des sachlichen
Anwendungsbereiches des Klageerzwingungsverfahrens durch den 55.
Deutschen Juristentag 1984 ebenso wenig eine Mehrheit. 196
Bischoff 197 erwägt als Alternative einer Ausdehnung des Klageerzwingungsverfahrens
auf Opportunitätseinstellungen auch ein Anhörungsrecht des Verletzten
vor der Verfahrenseinstellung mit anschließender richterlicher Kontrolle, verwirft
dies allerdings selbst als zu zeitaufwendig.
Teilweise wurde vorgeschlagen, die Einstellungsvorschriften ganz oder teilweise
von der Zustimmung des Verletzten abhängig zu machen. Auch diese Vorstöße
fanden keine Mehrheit und wurden als zu weitgehend zurückgewiesen. 198
Bestrebungen des Gesetzgebers hinsichtlich einer Reformierung des Klageerzwingungsverfahrens
sind derzeit nicht erkennbar.
dd. Bedenken gegen eine Reformierung
Gegner äußern meist justizökonomische Bedenken gegen Reformvorstöße. Allerdings
ist nach überwiegender Ansicht dieses Argument, es sei mit einem stark
vermehrten Anfall von Verfahren zu rechnen, weder überzeugend noch belegt,
da weiterhin von einer relativ geringen Anzahl von Klageerzwingungsverfahren
ausgegangen wird. 199 Zudem dürfte der relativ geringe Mehraufwand das Ziel
eines verbesserten Rechtsschutzes rechtfertigen. Auch kriminalpolitische Erwägungen
sollten nicht entgegenstehen 200 , da eine gerichtliche Überprüfung staatsanwaltlicher
Ermessensentscheidungen parallel zum Vorgehen im Verwaltungsrecht
lediglich hinsichtlich der Rechtmäßigkeit, nicht aber hinsichtlich der
192
Vgl. Bischoff, S. 247 m.w.N., der darauf verweist, dass auch Staaten, die die Popularklage
vorsehen, diese in zunehmenden Maße einschränken und in ihrer Bedeutung zurückdrängen.
193
So z.B. Ostendorf, Recht und Politik 1980, 200.
194
Jung, ZStW 93 (1981), 1147, 1165.
195
So auch Bischoff, S. 251.
196
Kirstgen, S. 1.
197
Bischoff, S. 272 ff.
198
Werner, S. 307 m.w.N.
199
Rieß; Gutachten, Rn. 118, rechnet mit bis zu 700 zusätzlichen Verfahren; ähnlich Erb, S.
231, der sich ob des Zieles einer konsistenteren Handhabung des Opportunitätsprinzips auch für
den erhöhten Aufwand der Einschaltung des Oberlandesgerichts ausspricht.
200
So aber die Bedenken von Dreher, in FS Welzel, S. 937.

35
Zweckmäßigkeit in Frage steht. 201 Im Rahmen eines solchen auf die Rechtmäßigkeit
beschränkten Rechtsbehelfs könnte gerichtlich überprüft werden, ob die
Tatbestandsvoraussetzungen für eine Opportunitätseinstellung vorliegen, ob die
Staatsanwaltschaft bei der Ermessensausübung sachgerechte Überlegungen
zugrunde gelegt und ob sie die gesetzlichen Wertmassstäbe beachtet hat. 202 Verschiedentlich
wird eingewendet 203 , es bestehe ja de lege lata bereits bei den meisten
Ermessenseinstellungen das Erfordernis der richterlichen Zustimmung.
Dieser Einwand kann allerdings schon deshalb nicht überzeugen, weil diese Zustimmung
zumeist summarisch und ohne Kenntnis etwaiger Gegenargumente
des Verletzten erfolgt. 204
Ein in der allgemeinen Diskussion zum Thema häufig berührter und oft zentraler
Punkt ist die Befürchtung der Beschneidung von Beschuldigteninteressen
durch die verstärkte Berücksichtigung der Interessen des Verbrechensopfers. 205
Dabei besteht Einigkeit, dass ein Abbau rechtsstaatlicher Garantien des Beschuldigten
zur Verbesserung von Opferrechten ausscheiden muss. 206 Allerdings
ist dabei auffallend, dass hinsichtlich des hier angesprochenen Themenkreises
der Ingangsetzung eines Strafverfahrens zur Kontrolle der Staatsanwaltschaft
kaum die Besorgnis besteht, die Beschuldigtenrechte könnten beschränkt werden,
sondern sich die Kritik vornehmlich auf die Opferrechte im Gerichtsverfahren
selbst beschränkt. 207
b. Die Privatklage - Von der Abschaffung bedroht?
Weigend 208 spricht angesichts der Privatklage von einem „immer seltener gewagten,
kaum Erfolg versprechenden und dazu noch finanziell risikoreichen
Hindernislauf für den Verletzten“, Rieß 209 von einem „Leidensweg“ des Verletzten
und einer „breiten Übereinstimmung darüber, dass die Privatklage in der
Rechtswirklichkeit eine schwer erträgliche Benachteiligung des Verletzten darstellt“.
201 Im Ergebnis ebenso: Bischoff, S. 268, der allerdings eine volle gerichtliche Überprüfbarkeit
annimmt und somit abweichend argumentiert. Er sieht zudem Probleme durch den dann stark ausgeweiteten
Entscheidungsspielraum der Gerichte.
202 So der Vorschlag von Werner, NStZ 1984, 401, 403.
203 Roxin, Strafverfahrensrecht 18. Aufl. 1983, 225 f.
204 Vgl. hierzu schon B.II.2.bb.(2). Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 787; in diesem Sinne auch
Werner, NStZ 1984, 401, m.w.N.: die Zustimmung werde meist nach einer nur kursorischen Prüfung
des Sachverhaltes erteilt und in der Praxis nur ganz selten verweigert, ebenso dies., S. 160.
205 Vgl. hierzu den vehementen Vorstoß von Schünemann, NStZ 1986, 193 ff.
206 Kintzi, DRiZ 1998, 65, 66; Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 782, der insoweit die USA als
abschreckendes Beispiel aufführt, m.w.N.; ebenso Rieß, Jura 1986, 281, 285; ders., in FS Kaufmann,
S. 703.
207 Vgl. z.B. Jäger, S. 1 ff., der seine Kritik erweiteter Verfahrensrechte des Verletzten zu Lasten
der Verteidigungseffektivität vornehmlich an der Nebenklage festmacht.
208 Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 765 m.w. N.
209 Jura 1987, 281, 289.

36
Grebing 210 zeichnet die „weitgehende Entmachtung des Verletzten“ durch Einführung
der mit dem Anklagemonopol ausgerüsteten Staatsanwaltschaft nach
französischem Vorbild im 19. Jahrhundert nach. 211 Dabei verweist er unter Bezugnahme
auf die Motive zur Einführung auf die Konzipierung der heutigen
„prinzipalen“ 212 Privatklage als Ausnahme vom Legalitätsprinzip mit dem Leitgedanken
der Geringfügigkeit, und nicht etwa einer gegen die Staatsanwaltschaft
gerichteten Kontrollfunktion. Im Gegensatz dazu konnte sich die „subsidiäre“
Privatklage oder gar die subsidiäre Popularklage bei allen Delikten als
echte Kontrolle nicht durchsetzen. 213 Schon nach der Intention des Gesetzgebers
sollte die schließlich eingeführte prinzipale Privatklage die auf das Legalitätsprinzip
verpflichtete Staatsanwaltschaft entlasten. 214 Grund und Intention
der Einführung der Privatklage war somit nicht eine besondere Wertschätzung
des Verletzten, sondern eine Entlastung der Anklagebehörde von Delikten mit
Bagatellcharakter und somit ein stillschweigender Abbau des Legalitätsprinzips.
215
aa. Geringe Bedeutung in der Justizpraxis
Fast alle Kritiker 216 der Privatklage führen ihren geringen Gebrauch an: Privatklagen
machen meist nur einen sehr geringen Anteil am Geschäftsanfall deutscher
Gerichte aus 217 und die Häufigkeit von Verfahren ist tendenziell rückläufig.
218 Dazu kommt eine sehr geringe Verurteilungsquote (weniger als 10%) bei
doch nicht unerheblichen Kosten. 219
bb. Ein hürdenreiches Verfahren
Beklagt werden zudem auch meist die zahlreichen Hürden, die der Verletzte im
Privatklageverfahren zu überwinden habe: Habe der Verletzte zunächst den
Misserfolg einer Verweigerung des Rechtsschutzes durch die Staatsanwaltschaft
und das Sühneverfahren überstanden, gehe der Hürdenlauf des Verletzten weiter,
denn ein erheblicher Teil der Privatklagen scheitere an Mängeln der Ankla-
210
Grebing, GA 1984, 1, 3 ff.
211
Eine sehr gute und ausführliche Darstellung hierzu findet sich auch bei Koewius, S. 17 ff.
212
Hinsichtlich der Begrifflichkeiten orientiert sich Grebing an den Motiven, vgl. Hahn, S. 277
ff.
213
Grebing, GA 1984, 1, 4 ff.; Koewius, S. 19 ff; 1928 wurde die subsidiäre Privatklage als Alternative
zum Klageerzwingungsverfahren nochmals aufgegriffen, konnte sich aber wiederum
nicht durchsetzen, vgl. Weigend, Deliktsopfer, S. 158, Fn. 562.
214
Lilienthal, S. 21; dies sieht wohl anders Rieß, Jura 1986, 281, 283, der insofern von einem
„Funktionswandel“ der Privatklage hin zu einem Entlastungsinstrument der Justiz spricht.
215
Weigend, Deliktsopfer, S. 154, sehr kritisch zur Grundkonzeption auch Koewius, S. 28 ff.
216
Statt vieler: Grebing, GA 1984, 1, 6 ff.
217
So Koewius, S. 156: 1,4 % bei Vergehen; die Rechtspflegestatistik des statistischen Bundesamtes,
erhältlich im Internet unter http://www.destatis. de/themen/d/thm_rechts. htm, zeigt für das
Jahr 2003 für Gesamtdeutschland genau 823 Privatklagen (im Jahr 2003 erledigt).
218
Dies hatte von Schacky, S. 20, schon 1975 festgestellt.
219 Koewius, S. 129, 150 f.

37
geschrift, Nichtzahlung des Gerichtskostenvorschusses oder anderweitiger Einstellung
durch das Gericht. Sei der Verletzte erst einmal zum Richter vorgedrungen,
so stoße der Privatkläger bei Richtern mit dem „lästigen“ Privatklageverfahren
in aller Regel auf Abneigung. 220 So werde der geringste Teil aller Privatklagen
überhaupt durch Urteil entschieden, und falls doch, so stehe die zumeist
niedrige Geldstrafe in keinem Verhältnis zum Kostenrisiko des Verletzten.
221
Zustimmung findet hingegen oft das Verfahren des sog. Sühneversuchs 222 nach
§ 380 StPO: dieser soll neu bewertet 223 in das Ermittlungsverfahren eingebaut
werden. Grebing 224 bezeichnet das vorgeschaltete Sühneverfahren als einzigen
positiven Effekt der Privatklage. Weigend 225 äußert allerdings auch Bedenken,
da das Risiko des Fehlschlagens weder einseitig dem Beschuldigten noch dem
Verletzten aufgebürdet werden könne.
cc. Reformbestrebungen
Hinsichtlich einer Reformierung der Privatklage gibt es verschiedene Ansätze,
wobei eine klare Tendenz zur Abschaffung auszumachen ist.
(1) Abschaffung der Privatklage
Zahlreiche Autoren setzen sich für die Abschaffung der Privatklage ein. 226
Das Privatklageverfahren erscheine aufgrund des zurückgedrängten Vergeltungsgedankens,
mit dem prozessrechtlich ursprünglich das Legalitätsprinzip
220
Koewius, S. 161, spricht insoweit von einer „unverhohlenen Abneigung“ der Richter.
221
Vgl. zu all dem m.w. N. Grebing, GA 1984, 1, 7 ff.; Hirsch, in FS Lange, S. 815 ff.; Grebing,
wie vor, S. 13 f. geht soweit, von einer Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten
Justizgewährleistungsanspruchs für den Verletzten zu sprechen; Jung, ZStW 93 (1981), 1147,
1167 sieht nicht nur aus Sicht des Verletzten eine unbefriedigende Situation, sondern die generalpräventive
Wirkung der Strafandrohung selbst in Gefahr. Schöch, NStZ 1984, 385, 389 spricht
nicht nur von erheblichen rechtlichen, sondern auch psychologischen Barrieren in der Justiz.
222
Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 779 berichtet insoweit in Bezugnahme weiterer Quellen von
einer etwa hälftigen Erfolgsrate der Sühneverfahren, für eine Beibehaltung und Ausbau auch
Geerds, JZ 1984, 786, 795; Schöch, NStZ 1984, 385, 389.
223
So von Schacky, S. 267.
224
Grebing, GA 1984, 1, 17 f.
225
Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 779.
226
Hirsch, in FS Lange, S. 815; Grebing, GA 1984, 1, 10; Rehbinder, in Vorwort zu Koewius,
spricht von „Scheinbegünstigung“ und „Täuschung“ des Verletzten, die Verweisung auf den Weg
der Privatklage, die angeblich gleichwertigen Rechtsschutz zur öffentlichen Klage biete, müsse als
bloßer Hohn erscheinen; Eser, in FS Kaufmann, 723, 727 spricht von einer „untragbaren Bürde“,
da dem Privatkläger keinerlei Zwangsaßnahmen zustehen; Schöch, NStZ 1984, 385, 389: Privatklage
als „privilegium odiosum“ für den Verletzten; für eine Abschaffung auch von Schacky, S.
267 ff.; Weigend, ZStW 96 (1984), 761, 779 meint, das Privatklageverfahren habe in seiner derzeitigen
Form seine Existenzberechtigung verloren, da Bagatellen nach den §§ 153 ff. StPO angemessen
von der Staatsanwaltschaft erledigt werden könnten, ohne dass man dem Verletzten die
Prozeßführungslast aufbürden müsse. Ähnlich Grebing, GA 1984, 1, 12 f., der die Entwicklung
„mit schwerwiegenden Bedenken“ betrachtete, da im Bagatellbereich mit den Einstellungen aus
Opportunitätsgründen ein sehr viel besseres Instrumentarium zur Verfügung stehe.

38
korrespondierte, und der Gewichtsverlagerung zugunsten der Resozialisierung
immer mehr als Fremdkörper, so dass eine Diskrepanz zwischen dem vom Leitgedanken
der Resozialisierung getragenen öffentlichen Interesses und dem nach
wie vor auf privater Genugtuung und Vergeltung beruhenden privaten Interesses
des Privatklägers entstanden sei. 227 Zudem sei es als Disharmonie im strafprozessualen
System zu bewerten, dass der Richter jemanden zu einer Kriminalstrafe
verurteilen solle, für dessen Tat wegen der durch den Bagatellcharakter bedingten
Verweisung auf den Privatklageweg schon per definitionem das öffentliche
Interesse an der Strafverfolgung fehlt. 228 Immer wieder gab es aber auch
die umgekehrten Bestrebungen, wie Grebing 229 es nennt, „Strafrechtsreform
durch das Strafprozessrecht“ zu betreiben und im Bagatellbereich die Anwendbarkeit
der Privatklage auszubauen und durch deren Filterwirkung die Staatsanwaltschaften
zu entlasten.
(2) Beibehaltung und Verbesserung der Privatklage
Nicht wenige sprechen sich demgegenüber für eine Beibehaltung und Reform
der Privatklage aus. 230 Die Reformvorschläge betreffen zumeist eine Vereinfachung
des Verfahrens, wie z.B. eine Milderung der Kostenlast des Privatklägers
231 , um die „abschreckende Wirkung“ 232 für den Verletzten und letztlich eine
Rechtsschutzverkürzung zu vermeiden. Auch wird angeregt, den Katalog der
Privatklagedelikte zu beschränken. 233
(3) Planungen des Gesetzgebers
Es gibt derzeit keine Bestrebungen des Gesetzgebers, das Privatklageverfahren
abzuschaffen oder grundlegend zu reformieren. 234 Die letzte Bundesregierung
schrieb sich in ihrem Programm vielmehr auf die Fahne „mit einer moderaten
Ergänzung der Privatklagedelikte (….) die Möglichkeit (zu) erweitern, die Fortführung
des Strafverfahrens dort dem Verletzten zu überlassen, wo das öffentliche
Interesse eine Beteiligung der Staatsanwaltschaft nicht erforderlich
macht.“ 235 Mit der geplanten „Stalking-Offensive“ sollte ein neuer strafrechtlicher
„Nachstellungs-"Tatbestand geschaffen und dieser – offensichtlich unge-
227
So Grebing, GA 1984, 1, 14 f. m.w.N.
228
Hirsch, in FS Lange, S. 817.
229
GA 1984, 1, 12 f. m.w.N.
230
So z.B. Geerds, JZ 1984, 786, 790; Jung, ZStW 93 (1981), 1167.
231
So Koewius, S. 150 ff., zu den weiteren Vorschlägen vgl. Grebing, GA 1984, 1, 11 ff.
232
Geerds, JZ 1984, 786, 791.
233
So will Koewius, S. 163 f., z.B. die Körperverletzungsdelikte ausklammern, Maiwald, GA
1970, 49 die Wettbewerbs- und Immaterialgütertatbestände.
234
Insoweit hat sich also die von Hirsch, in FS Lange, S. 836 schon 1976 geäußerte Hoffnung
und Aufforderung, auch zum Schutz des Verletzten möge der Gesetzgeber als „vordringliche Gesetzesaufgabe“
doch den Rechtsschutz im Bereich der Privatklage reaktivieren, nicht erfüllt.
235
So Justizministerin Zypries in einer Rede vor der Bonner Juristenvereinigung am
26.05.2003; die Rede ist einzusehen unter www.bmj.bund.de.

39
rührt des statistischen Versagens der Privatklage - ebenfalls in den Katalog der
Privatklagedelikte aufgenommen werden. 236
dd. Alternativen 237
Als Alternative zur Privatklage sollten entweder ein sog. Strafbescheidsverfahren,
außerstrafrechtliches Friedensverfahren oder eine neue Deliktskategorie der
„Verfehlungen“ geschaffen, der Verletzte auf den Zivilrechtsweg verwiesen,
oder schlicht die Privatklagedelikte in Offizialdelikte umgewandelt und notfalls
durch die Staatsanwaltschaft eingestellt werden. 238 Schöch 239 meint hierzu, es
wäre ehrlicher, den wohl notwendigen Entlastungseffekt für die Justiz je nach
Sachlage über Einstellungen gem. §§ 153, 153a oder gem. § 170 Abs. 2 StPO zu
wählen, anstatt dem Verletzten ein Rechtsinstitut vorzugaukeln, „das an Haupt
und Gliedern krank ist“.
c. Ergebnis:
Soweit man die gesetzgeberischen Aktivitäten abschätzen kann, gibt es derzeit
weder Bestrebungen, ein durchgängiges Konzept zum hier behandelten Themenkreis
zu entwickeln oder auch nur Änderungsvorschläge aus der Wissenschaft
aufzugreifen. Zwar ist das Schlagwort Opferschutz nach wie vor modern
und es gibt in dieser Hinsicht auch neue Gesetzesvorhaben, jedoch nicht bezüglich
des hier erfassten Themenkomplexes.
Insgesamt lässt sich daher nur eine gewisse Tendenz im Schrifttum in Richtung
einer Ablehnung der Privatklage und einer Ausweitung des Klageerzwingungsverfahrens
und somit zu einer gerichtlichen Überprüfung auch bei Opportunitätseinstellungen
feststellen. 240 Insoweit hat die von Hirsch 241 schon im Jahr
1989 geäußerten Ansicht bis heute ihre Berechtigung: „Gesetzliche Änderungen
zeichnen sich jedoch nicht ab. Denn die Justizverwaltungen forcieren aus vermeintlich
justizökonomischen Gründen die negative Entwicklung, und es gibt
weder eine Verletztenlobby noch eine hinreichende politische Durchsetzungskraft
der Wissenschaft. Nur die Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens und das
Vertrauen der Gesellschaft in die Funktionsfähigkeit des Strafrechts bleiben als
Folge dieses technokratischen Fortschritts auf der Strecke.“
236
So zumindest die Planung der „alten“ Bundesregierung, vgl. den Gesetzesentwurf „Beharrliche
Nachstellungen“, Stand 18.07.2005, einsehbar im Internet unter www.bmj.bund.de.
237
Siehe hierzu umfassend Muttelsee, S. 1 ff.
238
Für weitere Nachweise vgl. Grebing, GA 1984, 1, 18 ff., der meint, niemand, am wenigsten
der Verletzte müsse der Privatklage auch nur eine Träne nachweinen. Eine umfassende Diskussion
der Alternativen zur Privatklage findet sich auch bei Hirsch, in FS Lange, S. 818 ff. Insoweit gleitet
die Diskussion dann oft in die Frage nach der Bewältigung der Bagatellkriminalität ab, was
jedoch nicht Gegenstand dieser Darstellung ist.
239
Schöch, NStZ 1984, 385, 389 m.w.N.
240
Werner, S. 1 ff., bezeichnet den Verletzten als „traditionelle und bewährte Kontrollinstanz
gegenüber der Exekutive“.
241
Hirsch, in FS Kaufmann, S. 705.

I. Grundlagen
1. Amerikanisches Strafprozessrecht
41
C. Das amerikanische System
Die Verfasserin wird sich vorliegend darauf beschränken, die für das konkrete
Thema benötigten, unbedingt erforderlichen Ausführungen zu den Grundzügen
des Rechtssystems zu machen, da eine generelle Einführung den Rahmen der
Arbeit sprengen würde. 242 Es erfolgt auch keine Einzeldarstellung der Rechtslage
in den mehr als 52 Einzelrechtssystemen in den USA. Die Arbeit orientiert
sich hauptsächlich an den zu generalisierenden Tendenzen und Parallelen der
einzelstaatlichen und föderalen Regelungen.
a. Kein einheitliches Strafprozessrecht
Möchte man die Rechtslage in den USA darstellen, so beginnen die Schwierigkeiten
am System: in den Vereinigten Staaten von Amerika existiert weder ein
einheitliches Strafrecht, noch ein einheitliches Strafprozessrecht. Anders als
Deutschland, das in der „civil-law“-Tradition über ein gänzlich kodifiziertes
Recht verfügt, stehen in den USA das sog. „commonlaw“, von Richtern geprägtes
Recht, gem. der sog. „stare–decisis“– Doktrin sind demnach die Entscheidungen
der Obergerichte bindend, und das sog. „statute-law“, vom Parlament
erlassenes geschriebenes Gesetzesrecht, nebeneinander. Obwohl die Tendenz
besteht, die in der common-law-Tradition von Richtern definierten Grundlagen
Stück für Stück durch „statutes“ zu ersetzen, ist das common-law, gerade im
Bereich des Strafprozessrechts nach wie vor sehr präsent und seine Regeln werden
angewendet. Die in der amerikanischen Verfassung aufgelisteten Beschuldigtenrechte
sind aus den richterrechtlich festgelegten Grundsätzen abgeleitet,
der Gesetzgeber lehnt sich bei dem Erlass von Regelungen an das common-law
an. 243
b. Bundesrecht und Einzelstaaten
Straf-, Strafprozessrecht und damit auch das Recht der Staatsanwaltschaften unterscheiden
sich bisweilen stark in den verschiedenen Staaten. Auszugehen ist
von mindestens 244 52 verschiedenen Rechtssystemen: Denen der 50 Einzelstaaten,
des Districts of Columbia, sowie dem des sog. Bundesrechts („Federal
Law“). 245 Sie alle haben ihr eigenes Strafrecht geschaffen, verbunden nur durch
242
Vgl. hierzu jedoch Blumenwitz, § 1.
243
Luna, A place for comparative criminal procedure, 42 Brandeis L. J. 277, 289 ff. m.w.N.
244
Vgl. Blumenwitz, § 1, dort auch Näheres zum Recht der (ehemaligen) Kolonien und zum
Gerichtsaufbau.
245
Im weiteren Text als Bundesrecht oder föderales Recht bezeichnet.

42
eine Quelle: die Verfassung der Vereinigten Staaten. Hierdurch haben sich einige,
nicht unerhebliche gemeinsame Grundstrukturen herausgebildet. Der Bund
besitzt Gesetzgebungskompetenz nur für wenige Straftatbestände außerhalb der
Gebiete der Einzelstaaten sowie für staatenübergreifende Delikte 246 , obwohl in
den letzten Jahren eine gewisse Ausweitung der Strafrechtsbundesgesetzgebung
erkennbar wird. Innerhalb der Einzelstaaten besteht eine Bundesgesetzgebungskompetenz
nur, soweit das Gesetz dies vorsieht, Fälle hiervon sind z. B. Hinterziehung
von Bundessteuern 247 , Spionage 248 oder Verrat 249 . Die absolute Mehrheit
aller strafrechtlichen Fälle wird von einzelstaatlichen und örtlichen Behörden
verfolgt, Statistiken sprechen von weniger als 2% aller strafrechtlichen Verfolgungen
in den Vereinigten Staaten sowie von weniger als 4% der Verbrechen,
der sog. felonies, durch föderale Behörden. 250
2. Systemvergleich
Das amerikanische Strafprozessrecht ist für den in den Gegebenheiten des deutschen
Strafprozessrechts denkenden Juristen eine äußerst komplizierte und vor
allem ungewöhnliche Materie.
Voraussetzung für das Verständnis ist die Kenntnis und Akzeptanz der grundlegenden
Unterschiede der Systeme. 251 Die politische Tradition in den USA ist
von Natur aus erheblich misstrauischer gegenüber dem Staat und den vom Staat
bestellten Personen zur Ausführung öffentlicher Aufgaben als in Deutschland 252 ,
wo staatlichen Institutionen doch zumeist großes Vertrauen entgegengebracht
wird. Der amerikanische Strafrichter nimmt im Verfahren eine deutlich weniger
zentrale Stellung ein als der deutsche Richter. Amerikanische Richter und
Staatsanwälte werden in aller Regel gewählt. Anstatt die Aufgaben und Befugnisse
im Wesentlichen bei einer Person, dem Richter, zu konzentrieren, setzt
das amerikanische System auf eine durch unzählige komplizierte Beweisregeln
sorgsam ausbalancierte Verteilung der Befugnisse zwischen Richter, Staatsanwalt,
Verteidiger und Jury. Die hier verwendete einheitliche Terminologie sollte
nicht darüber hinwegtäuschen, dass die vorgenannten Teilnehmer am amerikanischen
Strafprozessrechtssystem jeweils eine von ihren deutschen Kollegen oft
ganz erheblich verschiedene Rolle einnehmen sollen und müssen. Im amerikani-
246
Wie z.B. “transporting a stolen car across the state line”, vgl. 18 U.S. C. § 2312.
247
26 U.S. C. §§ 7201 ff.
248
18 U.S. C. §§ 793 ff.
249
18 U.S. C. § 2381.
250
LaFave / Israel / King, § 91.2 (6).
251
Vgl. hierzu schon oben A. III.; eine exemplarische Darstellung der unterschiedlichen Abläufe
und Ziele von Strafprozessen findet sich z.B. bei Pizzi: Rethinking our “adversary system”, 2 U.
L. Rev. 349, 360 ff., der z.B. auf den sog. Woodward-Fall Bezug nimmt.
252
Obgleich Kapahnke, S. 1, richtigerweise anmerkt, dass auch der deutschen Staatsanwaltschaft
als weisungsabhängiger Verwaltungsbehörde seit jeher „ein gewisses Misstrauen“ entgegengebracht
wird.

43
schen Strafprozess steht nicht eine gemeinsame Suche aller Beteiligten nach der
objektiven Wahrheit im Vordergrund, sondern man glaubt, den Erfordernissen
eines fairen Strafverfahrens am ehesten dann gerecht zu werden, wenn es zu einer
Präsentation von Beweisen durch den Staatsanwalt einerseits und durch den
Verteidiger des Beschuldigten andererseits kommt. Die Frage, welche Beweise
wann, von wem, wie in den Prozess eingebracht werden dürfen, spielt eine große
Rolle und lässt den amerikanischen Strafprozess in technischer Hinsicht äußerst
kompliziert werden. Dabei nimmt es das amerikanische Rechtsverständnis
in Kauf, dass es auch dann, wenn es ausreichend Beweise gibt, diese aber aus
irgendwelchen Gründen, z.B. wegen fehlerhafter Beweisgewinnung 253 nicht in
den Prozess eingeführt werden können, zu einem Freispruch des Beschuldigten
kommen muss. Dabei kann unter Umständen zugunsten des Beschuldigten ein
Ausschluss grundsätzlich vorhandener Beweismittel in einem für deutsche Verhältnisse
254 unvorstellbaren Ausmaß stattfinden. Absolut ausgeschlossen wäre
ein freier Informationsaustausch, z.B. über den Stand der Ermittlungen zwischen
Gericht, Staatsanwalt und Verteidiger, wie es in Deutschland üblich ist. 255
Will man nun einem weiteren Beteiligten, nämlich den Verletzten mit ins Spiel
bringen, so besteht in den USA die Sorge, dieses ausbalancierte System könne
zu Lasten des Beschuldigten aus den Fugen geraten. Autoren und Gerichte, die
sich zum Thema äußern, legen diese Messlatte an. Die weiteren Ausführungen
zur Rechtslage sind unter diesem Aspekt zu betrachten.
3. Kurzüberblick über das amerikanische Strafverfahren
Das amerikanische Strafverfahren beginnt, auch bei geringfügigen Delikten, fast
immer mit dem „arrest“, der Festnahme des Verdächtigen, gleich ob aufgrund
einer Anzeige oder einer eigenen Beobachtung der Polizei. 256 Während der
Festgenommene in Haft verbleibt, wird dem Staatsanwalt von der Polizei dann
zumeist ein Bericht über die Tat vorgelegt, dieser muss dann, da in den meisten
Staaten der Verdächtige alsbald („without unnecessary delay“) dem Richter
vorgeführt werden muss (sog. „initial appearance“), eine schnelle Entscheidung
253 Hier werden die sog. exclusionary rules (keine Verwertung im Falle irgendwie fehlerhafter
Beweisgewinnung: „fruit-of-the–poisonous-tree“-Doktrin) sowie wichtige Regeln zur Beweisgewinnung,
wie z.B. die berühmte Miranda-Doktrin relevant. In Miranda v. Arizona, 384 U.S. 478,
hat sich der U.S. Supreme Court ausführlich zur Beweisgewinnung und Verwertung geäußert.
254 Zur deutschen Beweisgewinnung und den Beweisverwertungsverboten vgl. §§ 94 ff., 136 ff.
StPO. Die Regeln und Rechtsprechung in den USA sind ungleich strenger und viel komplizierter.
255 Vgl. hierzu z.B. Pizzi / Perron, Crime victims in German courtrooms, 32 Stan. J. Int´l. L. 37,
52 f.; vgl. zu den Begrifflichkeiten auch Luna, A place for comparative criminal procedure, 42
Brandeis L. J. 277, 295 ff.; zu den deutlichen Unterschieden auch Pizzi, Understanding prosecutorial
discretion in the United States, 54 Ohio St. L. J. 1325; Weigend, S. 98 ff.
256 In Einzelfällen ist auch eine Einleitung durch polizeiliche („citation“) oder gerichtliche Ladung
(„summons“) möglich, das sog. „presentment“, eine Ladung auf eigene Initiative der grand
jury gibt es dagegen kaum mehr.

44
treffen, ob das Verfahren fortgeführt oder sofort eingestellt werden soll, und
somit der Festgenommene sofort freizulassen ist. Wird das Verfahren fortgeführt,
so hängt das weitere Procedere davon ab, ob es sich um eine schwere
Straftat (felony) oder ein leichteres Delikt (misdemeanor), am ehesten vergleichbar
mit den deutschen Ordnungswidrigkeiten oder Vergehen, handelt. Im
Falle eines misdemeanors wird der Fall zumeist ohne weiteres Zwischenverfahren
vor den Gerichten niederer Ordnung mit beschränkter Strafgewalt oder dem
Friedensrichter verhandelt und der Beschuldigte freigelassen. 257
Wird das Verfahren wegen eines felony geführt, so sind vor der eigentlichen
Hauptverhandlung noch mehrere Schritte dazwischen geschaltet. Zunächst hat
der Beschuldigte zumeist das Recht, in einem „preliminary hearing“ vor dem
Richter zu erscheinen. Dabei soll richterlich nachgeprüft werden, ob der Staat
ausreichenden Grund für die Erhebung der Anklage hat. Inwieweit dies tatsächlich
der Fall ist, ist regional stark abweichend, oft verzichtet der Beschuldigte
auch gänzlich auf diese Zwischenstufe oder verhält sich passiv, während der
Staatsanwalt meist die Belastungszeugen präsentiert.
Stellt das Gericht daraufhin das Verfahren nicht ein, so kann die öffentliche Anklage
(die Anklageschrift wird in minder schweren Fällen „complaint“ genannt,
in wichtigeren Fällen wird sie oft später durch eine sog. „information“, eine etwas
präzisere Anklageschrift, ersetzt) 258 erhoben werden. Dies geschieht entweder
direkt durch den Staatsanwalt oder durch die grand jury (im Falles des Erlasses
durch die grand jury heißt der Anklagebeschluss „indictment“), ein Bürger-Gremium,
das in vielen Staaten formell für die Erhebung der Anklage zuständig
ist, faktisch aber zumeist blind den Vorschlägen des prosecutors folgt. 259
Nach Eingang der Anklage bei Gericht muss der Beschuldigte in einem Vortermin,
dem sog. „arraignment“ im Rahmen eines sog. „pleas“ angeben, ob er sich
schuldig („guilty plea“) oder nicht schuldig („plea of not guilty“) bekennt. In
manchen Staaten kann der Angeklagte überdies ein „plea de nolo contendere“
abgeben, wonach er sich im Strafverfahren schuldig bekennt, dies jedoch nicht
in einem gegen ihn geführten Zivilverfahren herangezogen werden kann.
Dem arraignment gehen häufig Verhandlungen zwischen dem Staatsanwalt und
dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger voraus, die sog. „plea negotiations“.
Es kommt dabei häufig vor, dass der Angeklagte sich gegen ein Zugeständnis
257 Die Einstufung der misdemeanors erfolgt in den Einzelstaaten unterschiedlich, für ihre Aburteilung
ist oft ein zersplittertes System von Gerichten niederer Ordnung, die nicht der Aufsicht
des Staates, sondern der der Kommunen unterstehen, und juristisch nicht unbedingt vorgebildeten
„Friedensrichtern“ zuständig, wobei diese Verfahren oft sehr ungeordnet ablaufen. Die Festlegung
der Strafen wird dabei häufig dem Richter überlassen, was z.B. die Urteile erklärt, in denen der
Täter zum regelmäßigen Kirchgang o.ä. verurteilt wird. Im Bundesrecht ist für die misdemeanors
der „U.S. magistrate“, eine Art Amtsrichter, verantwortlich, der zumindest an bestimmte Verfahrensregeln
gebunden ist. Vgl. hierzu auch Weigend, S. 117 f., der hinsichtlich der Aburteilung von
misdemeanors bemerkt, es werde dabei häufig „Gerechtigkeit zweiter Klasse“ geübt.
258 Zu Gegenstand und Ausgestaltung des Anklageprinzips vgl. Geisler, S. 1 ff.
259 Weigend in Jescheck, S. 603.

45
des Staatsanwaltes, etwa dem Fallenlassen einiger Anklagepunkte oder einer
Veränderung der rechtlichen Bewertung der Tat zugunsten des Angeklagten, die
für amerikanische Gerichte bindend ist, schuldig bekennt. Ist dies der Fall, so
wird kein Hauptverfahren durchgeführt, sondern der Richter setzt in einem gesonderten
Verfahren lediglich die Strafe fest. Zum Strafmaß werden häufig
Empfehlungen des Staatsanwaltes abgegeben, an die sich die Richter zumeist
halten. Auch diese Empfehlungen, die sog. „sentence recommendations“ sind
häufig Gegenstand einer vorgerichtlichen Absprache zwischen prosecutor und
Verteidiger.
Bekennt sich der Angeklagte dagegen nicht schuldig, so wird, vorausgesetzt der
Richter findet den Angeklagten hinreichend verdächtig („probable cause“),
Termin zur Hauptverhandlung bestimmt, oft finden vorher noch Anhörungen
(„hearings“) bzgl. der einzelnen Beweismittel statt. Die Entscheidung über
Schuld oder Unschuld wird durch einen Einzelrichter oder eine aus Bürgern des
jeweiligen Staates zusammengesetzte Jury 260 gefällt. Die Entscheidung über das
Strafmaß im Falle eines Schuldspruches trifft auch im Falle einer Durchführung
des Verfahrens durch eine Jury zumeist der Einzelrichter im Rahmen eines sog.
„sentencing-hearings“. 261
4. Staatsanwälte in den USA
Will man die Verletztenrechte in den USA darstellen, so kommt man nicht umhin,
zumindest kurz die Figur des amerikanischen Staatsanwaltes zu beleuchten.
a. Der amerikanische Staatsanwalt im Strafrechtssystem - Eine einzigartige Figur
Tätigkeit und Rolle des amerikanischen Staatsanwaltes sind nicht leicht zu beschreiben.
262 Jacoby 263 bezeichnet ihn als einzigartige Figur nicht nur im ameri-
260 Jeder Angeklagte hat in den USA das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf die Durchführung
des Prozesses vor einer Jury, vgl. U.S. Const. VI. Amendment, obgleich die ganz überwiegende
Anzahl von Strafverfahren mittels einer Absprache beendet, und somit die Durchführung
eines Verfahrens überflüssig wird; die Regeln der Auswahl einer Jury durch Staatsanwalt und
Verteidigung sind übrigens „eine Wissenschaft für sich“, die ganze Bände füllt, vgl. hierzu z.B.
Pizzi / Perron, Crime victims in German courtrooms, 32 Stan. J. Int´l. L. 37, note 69; Luna, A
place for comparative criminal procedure, 42 Brandeis L. J. 277, 310 m.w.N.; diese Jury, die im
Gericht letztlich über Schuld oder Unschuld des Angeklagten entscheidet, wird in Abgrenzung
zum Anklagegremium („grand jury“) auch oft „petit jury“ genannt, weil sie i.d.R. aus weniger
Juroren besteht.
261 Weigend in Jescheck, S. 604, 605.
262 So sinngemäß Weigend, S. 94 ff., dieser Ansicht kann man sich nur anschließen; auf diese
und in Jescheck, S. 590 ff. gemachten Ausführungen, auch unter Darlegung entsprechenden statistischen
Materials zu Einstellungsquoten etc. wird hier ausdrücklich Bezug genommen. Die Verfasserin
beschränkt sich hier auf eine weitaus kürzere Zusammenfassung. Vgl. hierzu auch sehr
ausführlich: Dengler, S. 156 ff. m.w.N.

46
kanischen System, sondern in allen Strafrechtssystemen der Welt. In keinem
anderen Land gebe es einen ähnlichen Amtsträger, der die Ausübung von quasijudizieller
Tätigkeit und politischer Macht derart in sich vereine. Obwohl sich
das amerikanische Rechtssystem aus einer Mischung seiner europäischen Vorgänger
entwickelt habe, sei das Amt des amerikanischen Staatsanwaltes eine
alleinige amerikanische Institution, zu der kein exaktes Gegenstück in den europäischen
Staaten bestehe und die in der Literatur kaum erforscht sei. 264 Allerdings
war der amerikanische Staatsanwalt und sein erheblicher Ermessensspielraum
gerade in jüngerer Zeit im Vergleich mit seinem deutschen Kollegen
durchaus Gegenstand einiger Abhandlungen 265 und nicht weniger Streitpunkte.
266
aa. Aufbau
Alle 52 Strafrechtssysteme verfügen über einen jeweils eigenen, unterschiedlichen
Aufbau der Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Staatsanwaltschaften.
Die Bundesstaatsanwälte, die „United-States-attorneys“, sind für die Strafverfolgung
der Bundesstraftaten zuständig und dem Justizministerium („Department
of Justice“) untergeordnet. Neben dem Hauptquartier in Washington liegen
sie in den föderalen Distrikten in den gesamten Vereinigten Staaten verteilt, wohingegen
sich die Systeme der Einzelstaaten vor allen Dingen durch ihre Dezentralisierung
auszeichnen. Alle Staaten sind in sog. counties unterteilt, in denen
die Büros der einzelstaatlichen Staatsanwälte, die unterschiedliche Bezeichnungen
führen, für die Verfolgung aller übrigen Straftaten, der sog. „state crimes“,
zuständig sind und völlig autonom tätig werden.
Im föderalen System wird das Department of Justice vom obersten Staatsanwalt
der USA (U.S. attorney general) geleitet, der vom Präsidenten der Vereinigten
Staaten eingesetzt und vom U.S.-Senat bestätigt wird. Staatsanwälte des föderalen
Systems („United States attorneys“) werden ebenso vom Präsidenten ernannt,
ihre Assistenten vom attorney general.
263 In: The american prosecutor: a search for identy, XV.
264 So Jacoby XV; dies hat sich seit dem Erscheinen von Jacobys Werk 1980 allerdings etwas
gewandelt, wie die steigende Zahl von Abhandlungen, die teilweise auch Gegenstand dieser Arbeit
sind, zeigt.
265 So stellt z.B. Pizzi, Understanding prosecutorial discretion in the United States, 54 Ohio St.
L. J. 1325, deutsche und amerikanische Staatsanwälte in seiner Untersuchung gegenüber.
266 Die Protagonisten hierbei: Goldstein / Marcus, The myth of judicial supervision in three
„inquisitorial“ systems: France, Italy and Germany“, 87 Yale L. J. 240, die die richterliche Überprüfung
staatsanwaltlicher Entscheidungen als bloße Theorie bezeichneten, woraufhin die Professoren
Langbein und Weinreb mit „Continental Criminal procedure: „Myth“ and reality“, 87 Yale
L. J. 1549 konterten und für das kontinentale System und dessen Wirksamkeit in die Bresche
sprangen. Der Disput zwischen den Autoren setzte sich dann noch längere Zeit mit Goldstein /
Marcus, Comment on Continental Criminal procedure, 87 Yale L. J. 1570 und Langbein: Land
without plea bargaining: How the Germans do it, 78 Mich. L. Rev. 204 fort.

47
bb. Zahlen
Im Jahr 2001 waren 2.341 Staatsanwaltsbüros mit der Verbrechensverfolgung in
den Einzelstaaten beschäftigt. In den Büros, die im Durchschnitt über ein jährliches
Gesamtbudget von USD 318.000 verfügten, waren über 79.000 Staatsanwälte,
Ermittlungsbeamte, Opferbeistände und übriges unterstützendes Personal
tätig. Dabei wurde im letzten Jahrzehnt im Durchschnitt in allen Staaten eine
Zunahme von Fällen, Personal und Budget berichtet. 267 Durchschnittlich kamen
im Jahr 2001 auf 100.000 Einwohner zehn prosecutor. 268 Immerhin 23 % aller
prosecutor waren nur in Teilzeit tätig 269 und unterhielten nebenher noch Anwaltskanzleien
etc. Die Hälfte aller neu in Vollzeit eingestellten assistentprosecutors
lag 2001 bei einem Jahresgehalt von USD 35.000 oder mehr, bei
denen mit fünfjähriger Berufserfahrung verdiente die Hälfte USD 45.000 oder
mehr. 270 Damit bildet die Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft in den USA ganz
klar das Schlusslicht beim durchschnittlichen Verdienst der Berufsanfänger
2001: das Durchschnittsgehalt aller Law-School-Absolventen inklusive der
schlecht bezahlten prosecutors lag bei USD 55.000, in Rechtsanwaltskanzleien,
in denen der ganz überwiegende Teil aller Absolventen landete, lag das Durchschnittsgehalt
für Berufsanfänger dagegen sogar bei USD 90.000. 271 Da verwundert
es wenig, dass etwa ein Drittel aller Staatsanwaltsbüros insgesamt (und
sogar mehr als 60 % der größeren und der mittleren Büros) im Jahr 2001 über
sehr große Probleme berichteten, assistent prosecutors zur Anstellung überhaupt
zu finden oder zu halten. 272
Finanziert werden die Staatsanwaltsbüros durch die jeweilige Bezirks- und/ oder
Staatsregierung. 273 Über ein Drittel aller Büros gaben bei einer Befragung überdies
an, einen Teil ihres Budgets aus Stiftungen, Unterstützungsfonds o.ä. zu
erhalten. Dabei war in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg der Budgets zu
erkennen, auch personell wurde aufgerüstet. 274
b. Der gewählte Staatsanwalt
Eine generalisierende Betrachtung ist wegen der Zersplitterung der völlig autonomen
verschiedenen Anklagebehörden in den Vereinigten Staaten kaum möglich.
Der amerikanische Staatsanwalt ist nicht wie sein deutscher Kollege Beam-
267
DeFrances, S. 1; diese und weitere statistische Daten, v. a. aus den Jahren 1990, 1992, 1994
und 1996 sind zugänglich im Internet unter www.ojp.usdoj.gov/bjs.
268
DeFrances, S. 2; eine Übersicht hinsichtlich der Bezeichnung der Staatsanwälte in den verschiedenen
Staaten findet man auf S. 11.
269
DeFrances, S. 3.
270
DeFrances, S. 3.
271
Die Zahlen für das Jahr 2001 stammen von NALP, zu erreichen über die Homepage der
American Bar Association oder direkt über www.nalp.org/nalpresearch/newgrads. htm.
272
DeFrances, S. 3; dass es sich hierbei um alles andere als ein neues Phänomen handelt, wird
später noch genauer dargestellt werden.
273
Vgl. hierzu Misner, Recasting prosecutorial discretion, 86 J. Crim. L. & Criminology 717.
274 DeFrances, S. 4.

48
ter, sondern wird in der Regel von den Bürgern seines counties, normalerweise
für eine Amtsperiode von vier Jahren, gewählt. In vier Staaten, nämlich Alaska,
Connecticut, Delaware, New Jersey und Rhode Island, werden die leitenden
Staatsanwälte nicht selbst gewählt, sondern von gewählten Amtspersonen eingesetzt.
275 In Alaska, Delaware und Rhode Island operieren die lokalen Staatsanwälte
unter der Kontrolle des Generalstaatsanwalts. Für den District of Columbia
ist der United States attorney verantwortlich. In einigen wenigen Einzelstaaten
haben auch die Gemeinden noch ihre eigenen, separaten Staatsanwälte. 276
Die Staatsanwaltsbüros stehen unter der Leitung von gewählten Chef-
Staatsanwälten („chief prosecutors“), wie viele es hiervon gibt, wird durch das
jeweilige Landesrecht bestimmt. Die Titel der chief prosecutors variieren
zwischen district attorney, prosecuting attorney, county attorney, commonwealth
attorney und state´s attorney. 277 Diese ernennen dann ihre Staatsanwaltsassistenten
(„assistent prosecutors“). Der amerikanische Staatsanwalt ist bisweilen
auch für zivil- und verwaltungsrechtliche Fälle zuständig, die hier jedoch
außer Betracht bleiben.
c. Mehr Anwalt als Staat
Die Tätigkeit des amerikanischen Staatsanwaltes unterscheidet sich deutlich von
der seiner deutschen Kollegen. In den USA wird der prosecutor tatsächlich in
erster Linie als StaatsANWALT gesehen. Er ist klar der Exekutive und nicht der
Judikative zugeordnet. 278 Das Verfahren, nach dem er vorgeht, ist kaum reglementiert
und ähnelt der freien Berufsausübung eines Rechtsanwaltes. Das Streben
seiner deutschen Kollegen nach einer möglichst objektiven Beurteilung eines
jeden Sachverhaltes ist ihm fremd; er ist Politiker 279 , arbeitet mit verschiedenen
Organisationen (z.B. Opferschutzorganisationen etc.), externen Anwälten
und Initiativen zusammen, man hält ihn allgemein für die Verbrechensbekämpfung
und die Einbindung der Bevölkerung hierzu verantwortlich (sog. „community
justice“). 280 Die Tätigkeit als Staatsanwalt, vor allem in einer der Großstädte,
gilt häufig als Sprungbrett in eine spätere politische Karriere. 281 Wie in der
275
DeFrances, S. 2, 11.
276
Misner, Recasting Prosecutorial Discretion‘, 86 J. Crim. L. & Criminology 717, 732.
277
Im Rahmen dieser Arbeit werden alle diese Bezeichnungen für den amerikanischen Staatsanwalt
synonym verwendet, wenn auch zumeist vom „prosecutor“, „district attorney“ oder schlicht
dem „amerikanischen Staatsanwalt“ gesprochen wird.
278
Weigend, S. 102 m.w.N.; für den Bund: U.S. v. Nixon, 418 U.S. 683, 693; dies gilt auch für
die Einzelstaaten.
279
Er führt Wahlkampf und wird oft von einer der großen Parteien unterstützt, vgl. Weigend in
Jescheck, S. 593, Weigend, a.a.O., m.w.N. nimmt Bezug auf die verschiedentlich auftauchende
Vermutung, dass die wichtigste Voraussetzung dafür, prosecutor zu werden, weniger juristische
Brillanz als politische Loyalität sei.
280
DeFrances, S. 1 ff.; sehr anschaulich sind auch die Internetseiten der prosecutors: einen
Link zu sämtlichen Seiten der jeweiligen Organisationen der Einzelstaaten findet man im Internet
unter www.eatoncounty.org/prosecutor.
281
Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727, note 70.

49
weiteren Folge noch näher dargestellt werden wird, besteht trotzdem auch in den
USA zumindest teilweise das Wunschbild eines Staatsanwaltes als Organ der
Rechtspflege, der zur Unabhängigkeit und zur Unparteilichkeit verpflichtet
ist. 282
Die Rechtswirklichkeit sieht jedoch – gerade im Vergleich mit dem deutschen
System - häufig anders aus: Im Wettkampf mit dem Verteidiger zeigen die amerikanischen
Staatsanwälte ein anderes und oft weitaus aggressiveres Verhalten
als ihre deutschen Kollegen. Der amerikanische Staatsanwalt nimmt in dem auf
dem Gegnerprinzip beruhenden Strafverfahren eine Parteirolle an, sein Erfolg
wird an der Zahl der erzwungenen Verurteilungen gemessen, es besteht die
Notwendigkeit, Erfolge zu liefern und „verkaufen“ zu müssen. 283 Schon die
Terminologie spricht Bände - ein Fall wird von einem amerikanischen Staatsanwalt
„gewonnen“ oder „verloren“; Wiederwahl, Beförderung und Ansehen in
der Behörde und bei der Bevölkerung des Wahlbezirks hängen von der Zahl der
erzielten Verurteilungen, dem „conviction record“ ab. So verwundert es wenig,
wenn laut der Statistik für 2001 bei mehr als der Hälfte aller Staatsanwaltsbüros
in den USA mindestens 90 % aller Fälle in einer Verurteilung wegen eines
Verbrechens oder eines Vergehens mündeten. 284 Der erfolgsorientierte amerikanische
Staatsanwalt wird schlichtweg nur die Fälle anklagen, in denen er gute
Chancen für eine Verurteilung sieht. Bei seiner Entscheidung darf und muss er
mannigfaltige Überlegungen, wie etwa die Nachweisbarkeit der Tatbegehung
durch während der Gesamtdauer des Verfahrens glaubwürdige Zeugen, Beweisverwertungsverbote,
etc. anstellen. 285 Es ist dabei völlig unbestritten, dass die
prosecutors im Rahmen ihrer Tätigkeit mit einer enormen Masse von Fällen
konfrontiert werden und bei der aus mannigfaltigen, auch sachfremden Erwägungen
vorgenommenen Auswahl durch den prosecutor zahlreiche Fälle, in de-
282 An die Verantwortung der prosecutors hat auch der U.S. Supreme Court plädiert, vgl. Berger
v. United States, 295 U.S. 78, wobei auch „äußerst eifriges“ Streben nach Verurteilung des Staatsanwaltes
gebilligt wurde. In Brady v. Maryland, 373 U.S. 83, wurde entschieden, dass der prosecutor
vor Gericht auch entlastende Umstände zugunsten des Beschuldigten vorlegen muß; dies
geschieht in der Praxis jedoch häufig nicht und der Verstoß bleibt für den Staatsanwalt ohne Folgen,
vgl. Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393, 451 ff.
283 Weigend in Jescheck, S. 592, spricht insoweit von einer Konzentration auf „publikumswirksamere“
Bereiche der Kriminalität; ein aktuelles Beispiel für das Auftreten amerikanischer Staatsanwälte
bietet der jüngst abgeschlossene Prozess gegen Michael Jackson in den USA. Tom „mad
dog“ Sneddon, der Staatsanwalt, der Jackson über Jahre hinweg eifrigst verfolgt hatte, musste mit
dem Freispruch Jacksons eine bittere Niederlage hinnehmen, seine Karriere wird nun als beendet
betrachtet. Sneddon war durch die hartnäckige Verfolgung Jacksons immer wieder in die Schlagzeilen
geraten, vgl. hierzu z.B. Süddeutsche Zeitung vom 04.06.2005, S. 3; Jackson hatte zuvor
mehrmals erfolglos versucht, Sneddon, den er von „persönlicher Feindseligkeit“ und „blindem
Eifer“ getrieben sah, abzulehnen, vgl. Pressemeldung der dpa vom 05.11.2004.
284 DeFrances, S. 6.
285 Weigend in Jescheck, S. 624 ff.

50
nen ausreichender Grund für eine Anklage bestünde, niemals vor Gericht gelangen.
286
Somit erfüllt der amerikanische Staatsanwalt auch die Rolle eines Verwaltungsbeamten,
der für die rasche und effiziente Erledigung von Strafverfahren zuständig
ist, um eine Überschwemmung der Gerichte mit Fällen zu verhindern. 287
5. Die Rolle des Verletzten - Kurzer Hintergrund der Verletztenrechte in
den USA
Der Verletzte einer Straftat („victim“) hat seine Rolle und Rechte im amerikanischen
Strafprozessrecht noch nicht endgültig gefunden.
a. Keine Berücksichtigung in der U.S.-Verfassung
In der Verfassung der Vereinigten Staaten von 1787 findet sich im VI. Amendment
288 zwar eine Regelung über die grundsätzlichen Rechte von Beschuldigten,
nicht aber über die der Verletzten, deren Schutz angesichts des von den Kolonialisten
bei Ihrer Einwanderung nach Amerika mitgebrachte englische common-law-System,
das auf der Privatanklage basierte, entbehrlich schien, denn es
waren gerade die Verletzten für die Verfolgung von Straftätern zuständig und
fungierten als Ankläger. Dieses System wurde Schritt für Schritt durch das System
der öffentlichen Strafverfolgung abgelöst, ausgehend von der Ansicht, ein
Verbrechen werde gegen den Staat verübt, wonach der Staat auch die alleinige
Kontrolle über Einleitung und Durchführung von Strafverfahren innehabe. Die
Verletzten verloren damit ihre Stellung als „Partei“ im Strafverfahren, 289 und
waren reduziert auf die Rolle, Verbrechen zu melden und vor Gericht als Zeugen
auszusagen. 290
286
Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727, notes 64-72 m.w.N.
287
Weigend in Jescheck, S. 595.
288
Dort heißt es: „In all criminal prosecutions ,the accused shall enjoy the right to a speedy and
public trial, by an impartial jury of the state and district wherein the crime shall have been committed,
which district shall have been previously ascertained by law, and to be informed of the nature
and cause of accusation; to be confronted with the witnesses against him; to have compulsory
process for obtaining witnesses in his favour, and to have the assistance of counsel for his defence.”,
vgl. U.S. Const. amend. VI.; auch aus verschiedenen weiteren Verfassungsgrundsätzen
werden Beschuldigtenrechte abgeleitet.
289
Morton, Cleaning salt from the victim´s wound, 7 Tex. Wesleyan L. Rev. 89, 92; Näheres
zur geschichtlichen Entwicklung z.B. bei Kennard, The victim´s veto, 77 Cal. L. Rev. 417, 419 ff.
m.w.N.
290
Kennard, The victim´s veto, 77 Cal. L. Rev. 417, 421; Opfer waren auf die Rolle bloßer
Beweismittel ohne eigene Rechte reduziert, oft wird insoweit vom „vergessenen“ oder „unsichtbaren“
Verletzten gesprochen, vgl. z.B. Pizzi: Rethinking our “adversary system”, 2 Utah L Rev.
349, 355 f.

51
b. Das „crime-victims-movement“ und die Folgen
Das große „crime victims´ rights movement“ begann schließlich in den siebziger
Jahren, als Vereinigungen für Frauenrechte sich für eine stärkere Ahndung von
Verbrechen wie Vergewaltigung und häuslicher Gewalt („domestic violence“)
einsetzten. 291 Die Bewegung 292 erfasste schließlich sämtliche Verletztenrechte,
U.S.-Präsident Reagan setzte 1982 eine „Task-Force“ zur Verbesserung der Opferrechte
ein. „Eine der erfolgreichsten großen Bürgerrechtsbewegungen in jüngerer
Zeit“ 293 mündete schließlich im Erlass einer ganzen Reihe von Gesetzen
und Verordnungen. 294 Im Jahr 1982 wurde auf föderaler Ebene der „Victim and
Witness Protection Act“ 295 erlassen, der die Bedrohung von Zeugen und Verletzten
unter Strafe stellt, 1984 der „Comprehensive Crime Control Act“ 296 , mit
verschiedenen verletztenorientierten Regelungen u.a. bei der Entscheidung über
Freilassung auf Kaution und dem „Victims of Crime Act“, der die Bildung eines
Entschädigungsfonds für Verletzte regelt. Es gibt zahllose Opferschutzorganisationen
in den USA. 297 Fast in allen Staaten 298 existieren Regelungen
über sog. „Victim impact statements“ 299 : Erklärungen des Opfers vor Gericht 300 ,
in denen es die Auswirkungen des Verbrechens auf sein Leben in physischer,
finanzieller und emotionaler Hinsicht schildern und seine Meinung zur Ahndung
291 1972 eröffneten als erstes das „Washington D.C. rape crisis center“ sowie das „Bay area
women against rape program“ in San Francisco.
292 Die juristische Literatur zum Thema Opferschutz ist unendlich, vgl. z.B. statt sehr vieler
Henderson, The wrongs of victim´s rights, 37 Stan. L. Rev. 937; Goldstein, Defining the role of
the victim in criminal prosecution, 52 Miss. L. J. 515.
293 Gillis / Beloof, The next step for a maturing victims rights movement, 33 McGeorge L. Rev.
689 f.
294 Heute verfügen 32 Staaten über eine „victim´s bill of rights“ (eine Auflistung findet sich im
Internet unter www.nvcan.org/stvras. htm), wenn auch der Versuch, den Opferschutz durch Erweiterung
des VI. Amendments in die Verfassung der Vereinigten Staaten zu integrieren, wie von der
Task Force vorgeschlagen, bisher fehlgeschlagen ist, vgl. Morton, Cleaning salt from the victim´s
wound, 7 Tex. Wesleyan L. Rev. 89, 93 f.; Barajas, The proposed crime victims´ federal Constitutional
Amendment: Working toward a proper balance, 49 Baylor L. Rev. 1, 2; Koskela, Victims´
Rights Amendments: an irresistible political force transforms the criminal justice system, 34 Idaho
L. Rev. 157.
295 1982 Pub. L. No. 97-291.
296 1984 Pub. L. No. 98-473, tit.2.
297 Eine Auswahl findet sich bei Gillis / Beloof: 33 McGeorge L. Rev. 689; Das amerikanische
Justizministerium hat neben zahllosen Programmen, Broschüren, Handbüchern etc. eigene Abteilungen
und Opferinstitute gebildet, Näheres im Internet unter www.ojp.usdoj.gov/ovc/.
298 Z.B. in Massachusetts: Mass. Gen. Laws ch. 258 B, § 3 (p).
299 Deren Berücksichtigung im Urteil ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht, vor allem bei den
mit der Todesstrafe bedrohten Kapitalverbrechen freilich nicht unumstritten, seit der oberste Gerichtshof
in Maryland ein Todesurteil deswegen aufgehoben hat, vgl. Booth v. Maryland, 107 S.
Ct. 2529. Das Urteil wurde allerdings in einer späteren Entscheidung des Supreme Court (Payne v.
Tennessee, 501 U.S. 808) wiederum aufgehoben und victim-impact-statements auch bei Kapitalverbrechen
zugelassen.
300 Im Falle der persönlicher Erklärung, im Gegensatz zum schriftlichen impact statement des
Verletzten oder seiner Vertretung, “allocution” genannt.

52
des Verbrechens äußern kann. 301 Zumeist enthalten diese Gesetze oder die victim´s
bill of rights´ neben verschiedenen Mitteilungspflichten und Informationsrechten
aber hauptsächlich recht umfassend formulierte Absichtserklärungen. 302
Zwar hat z.B. der Staat Wisconsin Ende der Neunziger Jahre ein Gesetz erlassen,
das jede Amtsperson oder Behörde, die einem Verletzten absichtlich seine
gesetzlichen Rechte vorenthält, mit einer Strafe von USD 1.000 belegt. 303 Diese
zivilrechtliche Haftung greift jedoch aufgrund einer grundsätzlichen Haftungsfreistellung
304 generell nicht.
In manchen Staaten ist es, zumindest in bedeutenderen Fällen, bereits gesetzlich
geregelt, dass der Staatsanwalt, bevor er eine Entscheidung über die Anklageerhebung
trifft, den Verletzten über das geplante weitere Vorgehen informiert und
entsprechend Rücksprache nehmen soll. 305
c. Victim „standing“
Typischerweise sieht in den USA sowohl die Bundes- als auch die jeweilige
Landesgesetzgebung vor, dass alle Strafverfolgungen von staatlichen Stellen
vorgenommen werden müssen. 306
Mit dem Begriff „standing“ bezeichnet man die Klagevoraussetzung eines Betroffenseins
in den eigenen Rechtsinteressen. Für eine zulässige Klage in den
USA müssen nicht nur die sachlichen Klagevoraussetzungen, sondern auch ein
starkes persönliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits geltend gemacht
werden. 307
Umstritten ist die Existenz eines „Rechts“ des Verletzten auf Anklageerhebung.
Unter der traditionellen „standing doctrine“ 308 betrachtet, können Opfer im
Strafverfahren keine eigene Rolle beanspruchen. Das United States Court of
Appeals hat 1973 festgestellt: „a private person lacks a judicially cognizable
interest in the prosecution or nonprosecution of another”. 309 Verletzte haben im
301
Über Inhalt, Ausmaß und Durchsetzbarkeit wird allerdings viel gestritten, vgl. z.B. Morton,
Cleaning salt from the victim´s wound, 7 Tex. Wesleyan L. Rev. 89; victim impact statements sind
in der Regel erst nach der Verurteilung vor Festsetzung des Strafmaßes zulässig.
302
So heißt es z. B. in der texanischen Verfassung über die Rechte der Verletzten: „…the right
to be treated with fairness and with respect for the victim´s dignity and privacy throughout the
criminal process“, Tex. Const. Art. I, § 30 (a) (1).
303
Wis. Stat. Ann. § 950. 11 (West Supp. 1999).
304
Wis. Stat. Ann. § 950. 10 (West Supp. 1999).
305
Vgl. z.B. Ala. Code § 15-23-64 (1998); Ariz. Rev. Stat. §13-4408 (1996); Miss. Code Ann.
§ 99-43-11 (1998); N. C. Gen. Stat. § 15A-832 (1998) (eff. July 1, 1999); 18 U.S. C. § 1512
(1996); Bei den weiteren Ausführungen wird von einem entsprechend informierten Verletzten
ausgegangen, weil ansonsten natürlich keinerlei Einflussnahme möglich ist. Entsprechende Information
sind vor allem im vorprozessualen Stadium wichtig, da hier oft in sog. plea-Verhandlungen
über den weiteren Fortgang des Verfahrens entschieden wird.
306
Vgl. Auf föderaler Ebene: Rule 42 b Fed. Rules of criminal procedure.
307
Brugger, S. 15.
308
Vgl. hierzu: Bandes, Victim standing, 2 Utah Law Review, 331 m.w.N.
309
Linda R.S. v. Richard D., 410 U.S. 614, 619.

53
Rahmen des Vormarsches der Opferrechte immer wieder versucht, als Partei vor
Gericht aufzutreten, was jedoch regelmäßig abgelehnt wurde. 310 Obwohl die
Gesetzgebung des Bundes und auch die der Bundesstaaten bemüht sind, mehr
Rechte für Opfer zu schaffen, so werden die Verletzten dennoch vom Strafverfahren
selbst ausgeschlossen, da sie keine Parteistellung erlangen. 311 Die föderalen
Gerichte haben entschieden, dass „Gesetze, die Verletzten bestimmte Rechte
gewähren, diesen kein gerichtlich erzwingbares Interesse zur Durchsetzung dieser
Rechte im Rahmen eines Strafverfahrens gewähren“. 312 Dabei ist dieses Ergebnis
von der Gesetzgebung gewollt: zur Vermeidung könnte ja vom Gesetzgeber
ein Passus in dem jeweiligen Gesetz über die Einklagbarkeit für das
Opfer aufgenommen werden. 313
d. Perspektiven
Die Entwicklung ist alles andere als abgeschlossen. 314 Auch die Bush-Regierung
hat offiziell ihre Unterstützung bzgl. des „Victims´ Rights Amendments“ in der
amerikanischen Verfassung geäußert. 315 Autoren fordern nun die Einklagbarkeit
der grundsätzlichen Rechte und Absichtserklärungen. 316 Die Bewertung des tatsächlichen
Effekts bisheriger Reformen ist problematisch, dieser lässt sich kaum
messen. Insgesamt ist jedoch bisher nur ein sehr geringer Einfluss auf das Strafverfahren
selbst festzustellen. 317 Während den an der Zufriedenheit des Opfers
310 In Hagen v. Commonwealth 772 N. E. 2d 32, versuchte das Opfer einer Vergewaltigung,
nachdem der Angeklagte bereits zu fünfundzwanzig Jahren Haft verurteilt, den Vollzug jedoch
durch mehrere Rechtsmittelanträge und Versäumnisse der Justiz über dreizehn Jahre nach seiner
Verurteilung immer noch nicht angetreten hatte, durch einen eigenen Antrag ihr nach dem Gesetz
von Massachusetts bestehendes Recht auf „prompt disposition“ (angemessene Verfahrensdauer)
durchzusetzen. Das Recht zur Durchsetzung – „standing“ – wurde ihr allerdings verwehrt. In Massachusetts
ist ferner gesetzlich verankert, daß Verbrechensopfer nicht autorisiert sind, die Strafverfolgung
zu lenken (to “direkt the prosecution“), vgl. Mass. Gen. Laws ch. 258 B, § 3 (g) (2000).
311 Cellini, The proposed victims´ rights amendment to the Constitution of the United States, 14
Ariz. J. Int´l & Comp. L. 839, 856 f.
312 United States v. Groundhoefer, 916 F. 2d 788, 791: dabei entschied erstmals ein Gericht,
dass unter Artikel III der Verfassung der Verletzte kein Recht auf Durchsetzung eines gerichtlichen
Wiedergutmachungsanordnung („restitution order“) gemäß des Victim- and Witness-
Protection-Acts hat.
313 Cellini, The proposed victims´ rights amendment to the Constitution of the United States, 14
Ariz. J. Int´l & Comp. L. 839, 849 ff.
314 Einen guten Überblick über die Entwicklung des Victims-Right´s-Movement von der Erlangung
bloßer Informationsrechte hin zu einer aktiveren Beteiligung am Verfahren bieten Pizzi /
Perron, Crime victims in German courtrooms, 32 Stan. J. Int´l. L. 37.
315 Gillis / Beloof: The next step for a maturing victims rights movement, 33 McGeorge L. Rev.
689, 690; ein Ziel, das die Initiatoren bis heute nicht erreicht haben und das verfassungsrechtlich
nicht unumstritten ist, vgl. Henderson: Revisting victims´ rights, 2 U. L. Rev., 383, 387 ff.
316 Gillis / Beloof, The next step for a maturing victims rights movement, 33 McGeorge L. Rev.
689, 690; Gillis und Beloof, a a.O., 693, betonen insoweit die Notwendigkeit der Einklagbarkeit
insbesondere durch qualifizierte Rechtsanwälte: “It is time to bring in the lawyers”.
317 Gillis / Beloof, The next step for a maturing victims rights movement, 33 McGeorge L. Rev.
689, 690 beklagen „strukturelle Probleme“ des Strafverfahrensrechtes.

54
außerhalb des direkten Strafverfahrens (Informationsrechte etc.) orientierten
Reformen zumindest ein marginaler Erfolg zugebilligt wird, ist es bisher nach
einhelliger Meinung aber nicht gelungen, die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten
des Verletzten auf das Strafverfahren auszubauen. 318 Da es für Opfer kaum
förmliche Rechtsbehelfe gibt, setzen sich die Gerichte relativ wenig mit der
Problematik auseinander und dadurch findet weder eine schnellere Anpassung
des case-law, noch der Gesetze statt. 319
e. Verhältnis Staatsanwalt und Verletzter
Das Verhältnis zwischen Staatsanwalt und Verletztem wird in der Regel als
schwierig angesehen, Gillis und Beloof bezeichnen Konflikte als üblich; die
Geltendmachung von Opferrechten durch den Prosecutor sei „unrealistisch“, da
Staatsanwälte ihr Wahlvolk repräsentierten, nicht aber das individuelle Verbrechensopfer.
320
Die marginale Rolle und der weitgehende Ausschluss der Opfer aus dem amerikanischen
Strafverfahrenssystem werden immer wieder beklagt. Die Opfer würden
durch das System erneut zu Opfern („second victimization“). Während der
Staatsanwalt die Interessen des Staates an vorderster Front repräsentieren könne,
bliebe der durch die Straftat primär betroffene Verletzte auf der Strecke, was
schließlich dazu führe, dass Opfer und die Bürger insgesamt sich immer mehr
entfremdeten und sich nicht mehr identifizierten mit einem Strafrechtssystem,
das ihnen keine Möglichkeit gebe, Täter der Gerechtigkeit zuzuführen. Verbrechen
würden nicht mehr angezeigt, die Bereitschaft, vor Gericht zu erscheinen
und auszusagen, nehme ab. Dies führe schließlich zu einer Erosion und Ineffizienz
des gesamten Systems. Einhelliger Tenor unter Opferrechtlern ist deshalb,
die Entfremdung („alienation“) des Opfers im Interesse eines funktionsfähigen
318 Kennard, The victim´s veto, 77 Cal. L. Rev. 417, 418; Pizzi / Perron, Crime victims in
German courtrooms, 32 Stan. J. Int´l. L. 37, 39 f. Allerdings sind auch in diesem Punkt schon Fortschritte
zu verzeichnen, so wurde z.B. vom amerikanischen Kongress am 30.10.2004 der „Justice
for all“-Act unterzeichnet. Mit dem Gesetz werden verschiedene, im Wortlaut allerdings recht
schwammig gehaltene Opferrechte mittels „mandamus“ (zum Begriff vgl. unten C.II.2.b.aa. (1))
durchsetzbar gestaltet.
319 Gillis / Beloof, The next step for a maturing victims rights movement, 33 McGeorge L. Rev.
689, 691, die hierfür auch den Mangel an spezialisierten Opferanwälten verantwortlich machen;
Bandes, Victim standing, 2 Utah L. Rev. 331, 338 ff. arbeitet hingegen heraus, dass das Opfer nur
gefragt sei, solange es dem prosecutor nütze, sobald es allerdings eigene Ansprüche geltend machen
wolle, werde es bewusst blockiert, was letztlich auch eine Kostenfrage sei; gerade Minderheiten
angehörende Verletzte seien betroffen.
320 Gillis / Beloof, The next step for a maturing victims rights movement, 33 McGeorge L. Rev.
689, 695. Allerdings beschäftigen viele Staatsanwaltsbüros eigene “victim advocates”, die sich
aber nach vorgenannter Ansicht von Gillis und Beloof, a.a.O., in einem Interessenkonflikt zwischen
ihrem Arbeitgeber und den zu beratenden Opfern befinden.

55
Systems, das auf die Mitwirkung der Verletzten angewiesen ist, zu stoppen und
in Zukunft zu vermeiden. 321
Auch die Gerichte haben das Problem nachlassender Glaubwürdigkeit von
Strafverfolgungsbehörden erkannt: „Wenn die Menschen anfangen zu glauben,
dass die organisierte Gesellschaft unwillig oder unfähig ist, Straftätern die Strafe
aufzuerlegen, die sie „verdienen“, dann werden die Samen der Anarchie gesät -
für Selbsthilfe und Lynchjustiz“. 322
Dass die Einflussnahme des Opfers überdies einen wichtigen Dienst zur Eindämmung
staatsanwaltlicher Willkür bieten würde, wird dabei immer wieder
betont. 323
6. Reichweite und Grenzen staatsanwaltschaftlichen Ermessens
a. Legalität und Ermessen
Die meisten Staaten verfügen über Gesetze, nach denen der prosecutor alle
Strafverfolgungen in seinem Bezirk („county“ oder „district“) vornehmen
soll. 324 Befugnis und Pflicht der amerikanischen Staatsanwälte sind durch die
Verfassung und die Gesetzgebung der Einzelstaaten vor allem in den Details
unterschiedlich geregelt, räumen jedoch dem Staatsanwalt hinsichtlich der Frage,
ob er anklagt oder nicht, als generelle Regel ein breites Ermessen 325 ein, solange
er in gutem Glauben hinsichtlich des Nutzens für den Staat handelt. 326 Die
321 So z.B. Kennard, The victim´s veto, 77 Cal. L. Rev. 417 f., 426, note 46, unter Verweis auf
eine Studie, die belegt, dass Verbrechensopfer einem Auftritt vor Gericht umso ablehnender gegenüberstanden,
je mehr Erfahrung sie schon mit dem Justizapparat gesammelt hatten, so auch Cardenas,
The crime victim in the prosecutorial process, 9 Harv. L. Rev. 357, der die Situation drastisch
umschreibt.
322 So wörtlich Furmann v. Georgia, 408 U.S. 238, 308.
323 So z.B. Comment: Private prosecution: A remedy or district attorney´s unwarranted inaction,
65 Yale Law Journal, 209 ff.; Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727,
758 f.
324 Z.B. „…the prosecutor shall prosecute all actions, applications, or motions, civil or criminal,
in the courts of his county in which the state or county is interested or a party… “, Wis. Stat. Ann.
§ 59. 47 (a) (1988); Rabin, Agency criminal referrals in the federal system, 24 St. L. Rev. 1036,
1072, der eine empirische Studie zur staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung durchgeführt hatte,
die von Weigend, S. 103 ff. mehrmals zitiert wird, kommt zu dem Schluss, dass diese Bestimmung,
würde sie wörtlich gelesen, in jedem amerikanischen Staatsanwaltsbüro absichtlich und
regelmäßig verletzt würde.
325 Siehe hierzu z.B. Jacoby, The American prosecutor´s discretionary power, 31-DEC Prosecutor
25, 25 ff., letzter Teil einer insgesamt vierteiligen Darstellung zum amerikanischen Staatsanwalt
von der Kolonialzeit bis zur Gegenwart. Jacoby nimmt in dem Artikel u.a. Bezug auf Studien
aus den 1920er Jahren, in denen die Autoren sich „schockiert“ ob der unbeschränkten Ermessensund
Machtfülle des prosecutors zeigten, ein Zustand, der trotz aller Kritik nach Jacoby bis heute
nicht nur unverändert anhält, sondern sogar eine Tendenz zur Ausweitung zeigt. Jacoby, a.a.O.,
sieht bei einem Ausblick in die Zukunft dennoch eine mögliche Beschränkung der Ermessensmacht
des Staatsanwaltes durch das victims´ rights movement und die zunehmenden Aktivitäten
der Gerichte.
326 63 Am. Jurisprudence 2d , Prosecuting Attorneys, §§ 22 ff.

56
Entscheidung des Staatsanwalts, einen bestimmten Sachverhalt nicht zu verfolgen,
kann durchgesetzt werden, indem der Staatsanwalt schon gar keine Ermittlungen
zulässt, diese, wenn sie bereits begonnen haben, wieder einstellt („to
dismiss“) oder ein sog. "nolle prosequi“, eine förmliche Erklärung der Rücknahme
der erhobenen Anklage, abgibt. In den Rechtssystemen mancher Staaten
schreiben aber Gesetze oder gerichtliche Richtlinien vor, dass für das Fallenlassen
der Anschuldigungen oder ein „nolle prosequi“ ab dem Beginn der Hauptverhandlung
die Zustimmung des Richters erforderlich ist. 327
aa. Grundsatz: unbeschränktes staatsanwaltliches Ermessen 328
Das weite Ermessen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Anklageentscheidung
besteht in Amerika unangefochten. Es gibt von Gesetzes wegen keine
Pflicht des Staatsanwaltes, alle geeigneten Fälle zur Anklage zu bringen. Eine
dem deutschen Legalitätsprinzip entsprechende Pflicht des amerikanischen
Staatsanwaltes, hinsichtlich aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, existiert
somit nicht. 329
Begründet wird dies unter anderem damit, dass sich die Funktion des prosecutors
aus der des Privatklägers entwickelt habe 330 , der ebenso nicht zur Anklageerhebung
gezwungen war. Als weitere Gründe werden die Eindämmung der,
nach der Meinung verschiedener Autoren bestehender, „overcriminalization“
durch den Gesetzgeber, die limitierten Ressourcen der Strafverfolgungsorgane
und das Bedürfnis einer individuell auf den Fall zugeschnittenen staatsanwaltlichen
Entscheidung angeführt. 331 Es ist gängige Praxis und unbestritten, dass der
Staatsanwalt die Strafverfolgung aus praktisch jedem Grund verweigern kann
und daher eine Vielzahl der eigentlich zur Strafverfolgung geeigneten Fälle
nicht zur Anklage kommt. Es ist eine Tatsache, dass die staatsanwaltschaftliche
Entscheidung über den Fall im täglichen Geschäftsgang von einer Vielzahl von
Faktoren außerhalb der eigentlichen rechtlichen Beurteilung des Falles beeinflusst
wird, wie z.B. Person und Glaubwürdigkeit des Opfers, politische Einflüsse,
den persönlichen Anschauungen und Karriereplänen des Staatsanwaltes sowie
den beschränkten Ressourcen im Bereich der Strafverfolgung. Bezogen auf
die Masse an Fällen besteht Einigkeit darüber, dass Personal und Haushalt in
keiner Weise ausreichen. 332
327 63 Am. Jurisprudence 2d , Criminal Law § 516.
328 Vgl. zum Ganzen grundlegend LaFave, The prosecutor´s discretion in the united states, 18
Am. J. Comp. L., 532.
329 Vgl. hierzu auch Davis, S. 63 ff.
330 Langbein, John H., The origins of public prosecution at common law, 17 American Journal
of Legal History 313.
331 LaFave, The prosecutor´s discretion in the united states, 18 Am. J. Comp. L., 532, 533 ff.
m.w.N.
332 Statt vieler: Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727, 740 f. mit vie-
len weiteren Nachweisen.

57
Allerdings darf der Staatsanwalt zumindest nach dem föderalen Recht keine Fälle
vertreten, bei denen er in persönlicher, finanzieller oder politischer Hinsicht
in einen Interessenkonflikt geraten würde. 333
Die uneingeschränkte Herrschaft des im amerikanischen System der Exekutive
zugeordneten 334 Staatsanwaltes bzgl. der Frage, ob und welche Delikte angeklagt
werden, ist in den USA allgemein anerkannt und aktuelle, gängige Rechtsprechung.
Hierbei wird eine strenge Abgrenzung zur richterlichen Tätigkeit
vorgenommen: die Aufgabe des Gerichtes, nämlich den Fall zu verhandeln und
zu entscheiden, ist der Judikative zuzuordnen. 335 Unangefochten ist auch der
Grundsatz, dass die Strafverfolgung für die Gemeinschaft aller Bürger und nicht
im Interesse des einzelnen Geschädigten erfolgt. 336 Dabei wird der Verletzte
darauf hingewiesen, dass im Strafrechtssystem nur beschränkte Ressourcen bestehen
und der Staatsanwalt in seinen Entscheidungen durch diese beeinflusst
wird. 337 Allein der Staatsanwalt habe zu entscheiden, wie er die begrenzten Ressourcen
am besten zum Wohle der gesamten Gemeinschaft einsetze. 338
bb. Form und Umfang der staatsanwaltlichen Ermessensausübung
Herzstück der staatsanwaltschaftlichen Ermessensausübung ist die sog. „charging
decision“, die Entscheidung des Staatsanwalts über die Anklageerhebung.
Es ist anerkannt, dass der Staatsanwalt mit ihr eine „quasi-richterliche“ Tätigkeit
ausführt. 339
Hierbei lassen sich zwei Entscheidungsprozesse aufspalten: Zum einen die Entscheidung,
ob eine strafrechtliche Verfolgung mittels einer Anklage erfolgt (die
sog. „screening function“) und, falls der Staatsanwalt sich hierzu entschließt, die
weitergehende Entscheidung der Auswahl und Anzahl der angeklagten Delikte
(die sog. „selection function“). 340
Der prosecutor ist vor allem aufgrund dieser Funktionen eine der mächtigsten
Figuren in der amerikanischen Regierung. Im Strafprozess gilt, mit den Worten
von Gershman 341 : „the prosecutor runs the show’“.
333 28 U.S.C.A. § 528 (West Supp 1988).
334 Weigend in Jescheck, S. 587, 611.
335 Für Massachusetts: Commonwealth v. Taylor, 704 N.E. 2d 170, ebenso Commonwealth v.
Clerk of Boston Div. of Juv. Ct. Dep´t, 738 N.E. 2d 1124, 1129.
336 Anschaulich für Massachusetts: Commonwealth v. Beal 709 N.E. 2d 413, 416:
„…prosecution pursues a conviction on behalf of the commonwealth as a whole, not on behalf of
the individual complainant”, vorgehend: Manning v. Mun. of Roxbury Dist., 361 N.E. 2d 1274.
337 Mass. Gen. Laws ch. 258 B, § 3 (2000), der bestimmt, dass die Rechte von Verbrechensopfern
im Strafrechtssystem nur „subject to appropriation and to available resources“ bestehen. Vgl.
auch Commonwealth v. Gonsalves, 739 N.E. 2d 1100, 1106.
338 Commonwealth v. Gonsalves, 739 N.E. 2d 1100, 1106.
339 State v. Karpinski, 92 Wis. 2d 599, 607.
340 Vgl. z.B. Krug, Prosecutorial Discretion and its Limits, 50 Am. J. Comp. L. 643.
341 Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393, note 74.

58
Der Staatsanwalt hat, wie die nachfolgenden jüngeren föderalen Entscheidungen
beispielhaft zeigen, eine praktisch uneingeschränkte Autorität hinsichtlich folgender
Bereiche:
(1) Ermittlungstätigkeit,
und zwar sowohl hinsichtlich des Ob als auch des Wie, 342
(2) Immunitätsgewährung, 343
(3) Absprachen im Strafprozess,
ob und wie die Möglichkeit einer Absprache besteht (sog. plea bargain), 344
(4) Anklageerhebung, -umfang und -aufrechterhaltung, 345
342 Vgl. z.B. U.S. v. Derrick, 163 F. 3d 799, 824: Die Anmerkung des district court zur Ermittlung
wurde als unerlaubte Einmischung in das staatsanwaltschaftliche Ermessen gewertet; ähnlich:
U.S. v. Tucker, 78 F. 3d 1313, 1316; U.S. v. Martinez, 785 F. 2d , 663, 670: gerichtliche Kontrolle
über die Durchführung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen bestehe nur äußerst begrenzt.
343 U.S. v. Abbas, 74 F. 3d 506, 512: “Die Staatsanwaltschaft ist mit dem alleinigen Ermessen,
Immunität zu gewähren, ausgerüstet”; U.S. v. Burns, 684 F. 2d 1066, 1077 und U.S. v. Capozzi,
883 F. 2d 608, 614: jenseits einer diskriminierenden Anwendung von Immunität, etwa um einen
unlauteren taktischen Vorteil zu erlangen, steht es im Ermessen des Staatsanwaltes, dem Zeugen
der Verteidigung gesetzliche Immunität zu gewähren oder nicht zu gewähren, so auch U.S. v. Castro,
129 F. 3d 226, 232: der Staatsanwalt hat das Recht, keine Immunität zu gewähren, außer er
verdreht vorsätzlich Fakten, versucht potentielle Zeugen zu beeinflussen oder entlastende Umstände
zu unterschlagen; differenzierend aber: U.S. v. Hamilton, 46 F. 3d 271, 278: obwohl die Entscheidung,
Immunität zu gewähren, im staatsanwaltlichen Ermessen steht, so hat dies eventuell
prozessuale Folgen hinsichtlich der richterlichen Beurteilung der Frage, ob ein Zeuge für eine
Aussage (nicht) herangezogen werden kann.
344 Vgl. z.B. U.S. v. Rodriguez, 162 F. 3d 135, 152: breiter Ermessensspielraum hinsichtlich
des Eintritts in Absprachen, auch wenn dies ein weites Auseinanderklaffen der Strafen der verschiedenen
Angeklagten zur Folge hat; U.S. v. Lawrence, 179 F. 3d 343, 348: “Es ist allgemein
anerkannt, dass es im Ermessen eines Staatsanwaltes steht, mit einigen Angeklagten in plea-
Verhandlungen einzutreten, mit anderen hingegen nicht“; U.S. v. VanDoren, 182 F. 3d 1077,
1082: es besteht keine Vermutung eines nicht regelrechten staatsanwaltschaftlichen Vorgehens,
wenn der Angeklagte es zunächst verweigert hatte, ein plea bargain zu akzeptieren, sich nach Erhebung
weiterer Anklagen dann jedoch schuldig bekennt, ähnlich auch U.S. v. Zendeli, 180 F. 3d
879, 886-887: die Bedingungen eines plea bargains werden durch das Ermessen des Staatsanwaltes
bestimmt, auch wenn die Ergebnisse unfair erscheinen; U.S.v. Huang, 178 F. 3d 184, 186: es
steht allein im Ermessen des Staatsanwaltes zu beurteilen, ob der Angeklagte die Erfordernisse des
plea bargains erfüllt hat; aber vgl. auch U.S.v. Cooper, 70 F. 3d, 563, 567: sollte der Staatsanwalt
Fakten entdecken, wonach das staatsanwaltliche Ermessen nicht regelrecht ausgeübt wird, so hat
er eine „ethische Verpflichtung“, von einer plea Vereinbarung abzusehen und den Angeklagten zu
informieren, andernfalls hat dieser das Recht, die Absprache nicht einzuhalten.
345 vgl. z.B.: U.S. v. Jackson, 189 F. 3d 655, 661: wenn hinreichender Tatverdacht besteht, so
steht es im Ermessen des prosecutors Anklage zu erheben; U.S. v. Lawrence, 179 F. 3d 343, 347:
der Staatsanwalt entscheidet, ob Anklage erhoben wird und welche Taten angeklagt werden; American
Disabled for Attendant Programms Today v. HUD, 170 F. 3d 381, 384: die Entscheidung,
nicht anzuklagen, liegt bei der Staatsanwaltschaft; Futernick v. Sumptor Township, 78 F. 3d 1051,
1056: der Staatsanwalt hat ein breites Ermessen bezüglich der Frage, wen er anklagt; U.S. v.

(5) Zeitpunkt der Anklageerhebung, 346
und
(6) Ort der Anklage. 347
59
Davis 348 benennt zusammenfassend plakativ zwölf Facetten unkontrollierter
Ermessensausübung des amerikanischen Staatsanwaltes:
- es gebe für die Ermessensausübung keine gesetzlichen Standards,
- die Rechtsprechung habe solche auch nicht gefordert und Staatsanwälte
unterwürfen sich auch nicht freiwillig Regelwerken,
- wenn ein prosecutor von einem Verbrechen erfahre, müsse er keine Ermittlungen
aufnehmen. Wenn er welche aufnehme, könne er sie jederzeit wieder
einstellen, müsse aber die Akte auch nicht schließen, sondern könne
quasi frei entscheiden, ob er Zeit für den Fall habe oder zu sehr mit anderen
Fällen beschäftigt sei,
- der prosecutor müsse keine Ermittlungsergebnisse liefern oder mitteilen,
weder gegenüber dem Opfer, einem Vorgesetzten, einem Gericht oder der
Öffentlichkeit,
- wenn er eine Entscheidung treffe, müsse er diese nicht nur nicht begründen,
er müsse tatsächlich nicht einmal Gründe haben,
- der prosecutor müsse keine Fälle vergleichen, Präzedenzfällen folgen oder
auf eine gleichmäßige Ermessensausübung achten und könne somit in zwei
völlig gleichartigen Fällen entgegengesetzt entscheiden,
Smith, 55 F. 3d 157, 159 f.: das Gericht muss dem Wunsch des prosecutors, die Anklage fallen zu
lassen, Folge leisten, außer der prosecutor handelt eindeutig gegen das öffentliche Interesse; U.S.
v. Smith, 178 F. 3d 22, 26: die Entscheidung, ob ausreichendes föderales Interesse an einer Jugendstrafverfolgung
besteht, liegt im Ermessen des Staatsanwaltes.
346 U.S. v. Crouch, 84 F. 3d 1497, 1523: eine verzögerte Anklageerhebung konnte vom Angeklagten
nicht als Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren gerügt werden, weil er nicht
nachweisen konnte, dass die Verzögerung vorsätzlich zur Gewinnung eines taktischen Vorteils
gegenüber dem Beschuldigten herbeigeführt worden war; U.S. v. Trammell, 133 F. 3d 1343, 1351:
vage Behauptungen hinsichtlich einer Benachteiligung des Angeklagten durch eine Anklageerhebung
erst drei Jahre und neun Monate nach der Tat sind ungenügend, um eine tatsächliche Benachteiligung
nachzuweisen; U.S. v. Stokes, 124 F. 3d 39, 45: die Entscheidung des Staatsanwaltes,
mit der Anklageerhebung bis zur endgültigen Entscheidung in einem parallelen, aber unabhängigen
Verfahren zu warten, steht in seinem Ermessen.
347 Vgl. z.B. U.S. v. Satterwhite, 980 F. 2d 317, 320: die Entscheidung, am föderalen und nicht
am einzelstaatlichen Gericht anzuklagen, beweist keinen Fehlgebrauch des staatsanwaltlichen
Ermessens, auch wenn die Entscheidung angeblich nicht auf staatsanwaltlichen Richtlinien beruht;
Reed v. U.S. , 985 F. 2d 880, 882-883: die Entscheidung am föderalen und nicht am einzelstaatlichen
Gericht anzuklagen, beweist keinen Missbrauch des staatsanwaltlichen Ermessens, auch
wenn das Recht des Einzelstaates nachgiebiger ist, so auch Bell v. U.S. , 48 F. 3d 1042, 1044; U.S.
v. Nelson, 137 F. 3d 1094, 1105 u. v. m.
348 Davis, S. 65 ff., m.w.N., dieser Anklage des amerikanischen Systems setzt Davis, S. 67 ff.,
in allen Punkten den deutschen Staatsanwalt entgegen.

60
- er könne sich aussuchen, welche Gesetze er verfolge und welche nicht und
könne somit durch non-enforcement die ausgewogene Arbeit des Gesetzgebers
unterlaufen,
- egal, wie schwer ein Verbrechen wiege, der prosecutor könne ein Schuldbekenntnis
akzeptieren und im Gegenzug eine geringere Straftat anklagen,
- wenn der prosecutor an oberster Stelle einer Regierungseinheit, wie etwa
Stadt, Bezirk, Staat oder Bund stehe, so ist sein Ermessen in keiner Weise
einer Überwachung durch eine höhergestellte administrative Behörde unterworfen,
- sogar wenn er absichtlich willkürlich und ermessensmissbräuchlich handle,
seien seine Entscheidungen normalerweise einer gerichtlichen Kontrolle
entzogen,
- der prosecutor müsse nicht öffentlich handeln und könne sich durch
Schweigen der Kritik der Presse und der Öffentlichkeit entziehen,
- wenn ein amerikanischer Staatsanwalt sein Ermessen missbrauche, habe
ein Verbrechensopfer keine rechtliche Möglichkeit, hiergegen vorzugehen,
selbst wenn es einen Ermessensmissbrauch beweisen könne.
cc. Grenzen staatsanwaltlicher Ermessensmacht
Grenzen findet die staatsanwaltliche Ermessensmacht nur da, wo sie verfassungsmäßige
Rechte verletzt 349 oder in böser Absicht 350 ausgeübt wird. 351 Davon
wird in der Regel aber nur ausgegangen in Fällen von:
(1). „selective prosecution“
Der Begriff „selective prosecution“ meint die böswillige selektive Strafverfolgung
aufgrund bestimmter Merkmale wie z.B. Rasse, Geschlecht, Religion,
durch die der amerikanische Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung vor
dem Gesetz („equal protection of the law“) verletzt wird. Der Paradefall hierzu
ist Yick Wo v. Hopkins 352 : die Verhaftung und Strafverfolgung eines chinesischen
Wäscherei-Inhabers wurde als Verstoß gegen das Recht von equalprotection
gewertet, weil dieser nachweisen konnte, dass von der Situation her
absolut vergleichbare nicht-chinesische Wäscherei-Inhaber nicht behelligt wurden.
Allerdings müssen Klagen wegen selektiver Strafverfolgung den Beweis
führen, dass der Staatsanwalt seine Entscheidung zur Anklage auf Faktoren wie
Rasse, Geschlecht, Religion, oder Ausübung der gesetzlichen oder verfassungsmäßigen
Rechte des Angeklagten gestützt hat 353 , und der Angeklagte
349
U.S. v. Hastings, 126 F. 3d 310, 313; U.S. v. Redondo-Lemos, 276 F. 3d 439, 444; U.S. v.
Carter, 130 F. 3d 1432, 1443.
350
U.S. v. Cerrato-Reyes, 176 F. 3d 1253, 1264; U.S. v. Smith, 178 F. 3d 22, 25 note 1.
351
Sehr umfangreich zur verfassungsrechtlichen Komponente zu diesem Themenkreis: Herbrand,
What constitutes such discriminatory prosecution or enforcement of laws as to provide
valid defense in federal criminal proceedings, 45 A.L.R. Fed. 732.
352
118 U.S. 356, 373 – 374.
353
Vgl. z.B. U.S. v. Anderson, 940 F. 2d 593, 596.

61
muss das Vorliegen einer „selective prosecution“ vor dem Prozess geltend machen
354 , wobei er zweifelsfrei nachweisen muss, dass er in einer vergleichbaren
Situation aufgrund unlauterer Motive eine andere Behandlung als andere erfahren
hat. 355
(2) „vindicative prosecution“
Der Ausdruck „vindicative prosecution“ bedeutet wörtlich übersetzt „rachsüchtige“
Strafverfolgung, gemeint ist eine nachweislich mit besonderer Härte geleitete
Strafverfolgung, die die Wahrnehmung verfassungs- und gesetzesmäßiger
Rechte durch den Beschuldigten bestraft, und die einen Verstoß gegen das verfassungsgemäße
Recht auf ein faires Verfahren darstellt, so wurde z.B. eine spätere
Anklage bzgl. eines schwerwiegenderen Tatbestandes hinsichtlich derselben
Tat, nachdem die Verurteilung mit Rechtsmitteln erfolgreich angefochten worden
war, als Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren eingestuft. 356 In einem
Fall, in dem Anklage mit dem Hintergedanken erhoben wurde, die Ehefrau
des Beschuldigten zur Kooperation in einem anderen Fall zu bewegen, wurde
hingegen keine „vindicative prosecution“ angenommen, da der Staatsanwalt
hinreichenden Tatverdacht („probable cause“) hinsichtlich der Verübung der Tat
durch den Beschuldigten hatte. 357 Keine Vermutung einer vindicative prosecution
kam einem Beschuldigten in einem Fall zu Gute, in dem vom Staatsanwalt
zusätzliche Delikte angeklagt wurden, nachdem der Angeklagte auf einem
Strafverfahren vor einer Jury bestand. 358 Ebenso wenig ergibt sich eine Vermutung
auf vindicative prosecution im vorprozessualen Stadium der pleanegotiations
bei Androhung einer Anklage härter bestrafter Tatbestände für den
Fall, dass der Beschuldigte nicht gesteht, solange dieser über den Inhalt der Absprache
voll informiert wird und frei entscheiden kann, ob er die Absprache eingeht
oder nicht. 359
(3) Hohe Nachweisgrenze
Die Gerichte verlangen zum Nachweis einer Verletzung der verfassungsmäßigen
Rechte auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz und dem Recht auf faires
Verfahren durch selective oder vindicative prosecution einen eindeutigen Fehler,
bzw. zumindest klar falschen Ermessensgebrauch und eine dadurch bedingte
Benachteiligung bestimmter Personengruppen. 360 Dabei wird von den Gerichten
zunächst unterstellt, dass die Exekutive die Strafverfolgung aus lauteren Motiven
vornimmt. 361 Die Frage, ob der Beschuldigte hineichend tatverdächtig ist,
354 Vgl. U.S. v. Gary, 74 F. 3d 304, 313.
355 Vgl. Wayte v. U.S. , 470 U.S. 598, 602-603.
356 Blackledge v. Perry, 417 U.S. 21, 28-29.
357 Vgl. U.S. v. Paguio, 114 F. 3d 928, 930.
358 U.S. v. Godwin, 457, U.S. 368, 384.
359 Bordenkirchner v. Hayes, 434 U.S. 357, 358-359.
360 U.S. v. Schoolcraft, 879 F. 2d 64, 67; U.S. v. Frega, 179 F. 3d 793, 801.
361 Z.B. Reno, 119 S. Ct. 946; Attorney Gen. of U.S. v. Irish People, Inc., 796 F. 2d 520, 526.

62
ist in den USA nur einer unter vielen anderen Einzelgründen, eine Strafverfolgung
(nicht) vorzunehmen. 362
dd. Eindämmungsbestrebungen
Das uneingeschränkte Ermessen 363 der Staatsanwälte hat in den letzten Jahrzehnten
wachsende Besorgnis in der amerikanischen Literatur 364 aber auch bei
erfahrenen Praktikern 365 hervorgerufen. 366 Dabei wird die zentrale Rolle des
Staatsanwalts in den Strafrechtsverfolgungssystemen der Vereinigten Staaten
betont. Das Ermessen der amerikanischen Staatsanwälte habe über die Jahre
immer noch zugenommen. 367 Auch die American Bar Association (die sehr
mächtige und angesehene amerikanische Anwaltsvereinigung, in der ganz
selbstverständlich auch Staatsanwälte Mitglied sind) beschreibt diese Entwicklung
der Machtfülle der prosecutors gerade im Bereich der Anklageentscheidung.
368 Gershman 369 beschreibt 1992 einen dramatischen Wandel der amerikanischen
Staatsanwaltschaften speziell in jüngerer Zeit. Staatsanwälte verfügten
über mehr Macht als jemals zuvor, unterlägen kaum gerichtlicher Kontrolle und
immunisierten sich zunehmend von ethischen Beschränkungen. Ursachen hierfür
sei u.a. der Wandel eines due-process-Systems hin zu einem Modell, das
362 State v. Barman, 13 Wis. 2d 180.
363 Auf den Punkt gebracht in McKleskey v. Kemp, 481 U.S. 279, 312: „A prosecutor can decline
to charge, offer a plea bargain, or decline to seek a death penalty in any particular case”.
364 Die Abhandlungen in der amerikanischen Literatur sind weitaus zu zahlreich, um sie alle zu
nennen, vgl. z. B. Krug, Prosecutorial Discretion and its Limits, 50 Am. J. Comp. L. 643;
Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393; Zacharias, Structuring the ethics of
Prosecutorial trial practise, 44 Vand. L. Rev. 45; Vorenberg, Decent restraint of prosecutorial
power, 94 Harv. L. Rev. 1521; Rabin, Agency criminal referrals in the federal system, 24 St. L.
Rev. 1036 u. v. m.
365 Die Verfasserin durfte an einem Symposium im Oktober 2003 mit dem Thema: „Criminal
justice innovation and Reform in the U.S. and Germany“ teilnehmen, wobei sich bedeutende Wissenschaftler
und Praktiker auch zum hier behandelten Thema äußerten. Insbesondere Peter Ozanne,
Executive Direktor der OPDS, Stanford-Absolvent und Berater des Governors von Oregon in
strafprozessualen Fragen, bestätigte das Problem anhaltend nicht regulierten staatsanwaltlichen
Ermessens und hob dies auch in den Tagungsunterlagen entsprechend hervor.
366 Vgl. zur Kritik auch Dengler, S. 177 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
367 Misner, Recasting Prosecutorial Discretion, 86 J. Crim. L. & Criminology 717, 732, so auch
Jacoby, The American prosecutor´s discretionary power, 31-DEC Prosecutor 25, 39 m.w.N.
368 Im Kommentar (1980) der ABA-Standards (American Bar Association Standards for criminal
justice) Standard 3-3.4 heißt es wörtlich: “…historically the power to initiate prosecutions was
not vested exclusively in public officials but was shared with private citizens. The essential screening
to determine whether there was a substance to a charge was performed by the magistrate …or
the grand jury. The emerge of the public prosecutor …..fundamentally altered this situation. The
advent of the office of the public prosecutor provided a new and professional medium of screening
that had not been previously available”.
369 Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393; Logan, A proposed check on the
charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L. Rev. 1695, 1703 ff. beschreibt den
Wandel der amerikanischen Staatsanwälte von anfangs wenig beachteten Personen bis zum
schließlich mächtigsten Darsteller des amerikanischen Strafprozesses.

63
mehr Wert auf Verbrechenskontrolle und Prävention setzt. Die Balance im
Strafprozess sei nicht mehr gegeben und müsse wiederhergestellt werden. 370
Auch durch die Reformierung der sog. Federal Sentencing Guidelines, die
Staatsanwälten noch mehr Möglichkeiten für Absprachen einräumen, kam es zu
einem dramatischen Anstieg von plea agreements. Diese Tendenz wird in der
Literatur mit Sorge gesehen. 371
In jüngerer Zeit wurden in den USA verschiedene Überlegungen angestellt, wie
man das derart weite Ermessen der Staatsanwälte eindämmen könnte. Von Wissenschaftlern
wird dabei immer wieder die Einführung von verbindlichen Ermessenrichtlinien
gefordert.
Obwohl eine Einschränkung staatsanwaltlichen Ermessens überwiegend für notwendig
gehalten wird, so gibt es doch auch in der amerikanischen Literatur
Gegenstimmen zum Erlass von Regeln, wobei dies meist mit der Vielfältigkeit
der Aufgaben und der hierfür nötigen Flexibilität des prosecutors begründet
wird: Easterbrook 372 verweist darauf, dass alles weniger als die Einführung des
deutschen Legalitätsprinzips lediglich eine Aufzählung von Punkten sein könne,
die der Staatsanwalt zu bedenken habe, was äußerst schwierig sei und wobei
zahlreiche Ausnahmen anfielen. Letztlich sei bei einer wirtschaftlichen Kosten-
Nutzen-Analyse die Stellung des prosecutors so beizubehalten und ggf. durch
Abschaffung der Grand jury sogar noch auszubauen. Auch wird die Einführung
und Kontrolle von Entscheidungs-Richtlinien von Kritikern als zu kostspielig
eingestuft. 373 Allerdings konnten sich die Kritiker der Richtlinien nicht durchsetzen,
diese befinden sich bereits auf dem Vormarsch. Es wurden bereits in
verschiedener Form Kriterien und Richtlinien festgesetzt. Sie sollen eine ungleiche
und ungerechte Ermessensausübung vermeiden.
(1) Einschränkung bzw. Präzisierung durch Richtlinien
(a) Gesetzlich festgelegte Richtlinien
Zumindest in einem Staat, nämlich in Washington, hat die Legislative in ihrem
Strafgesetz (Washington Criminal Code) Empfehlungsrichtlinien für die Staatsanwaltschaft
erlassen, die sogar sehr ins Detail gehen und zu deren Anwendung
370 Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393, 395 zeichnet eine drastische Entwicklung
nach: das adversatorische System sei aufgrund der Eskalation der staatsanwaltlichen
Macht bei Ermittlungen, Anklageentscheidungen, Einflussnahme auf das Urteil und das Strafmaß
fast obsolet.
371 Kuckes, Delusions of Grand Juries: Everyone knows that a grand jury would indict a ham
sandwich. So why do we bother to use them?, 2003-DEC Legal Aff. 38, 41.
372 Easterbrook, Criminal procedure as a market system, 12 Journal of legal studies 289, 299.
373 Rabin, Agency criminal referrals in the federal system, 24 St. L. Rev. 1036, 1076, der befürchtet,
Richtlinien würden zum einen den Strafzweck der Abschreckung untergraben, zum anderen
die Arbeit verkomplizieren und die Kosten erhöhen; Rabin, a.a.O., 1080, sieht aber die Notwendigkeit
einer Überwachung und schlägt stattdessen ein internes Überwachungssystem vor, das
sich allerdings auch nicht durchsetzen konnte. Alternativ verweist er auf die Privatklage.

64
ein eigener Kommentar zur Verfügung steht. 374 Hierbei ist u.a. festgelegt, wann
von einer ausreichenden Beweisführung für die jeweilige Entscheidung, Anklage
zu erheben oder nicht, ausgegangen werden kann. Danach kann ein Staatsanwalt,
auch wenn genügend Beweismaterial für eine Verurteilung vorhanden
ist, von einer weiteren Strafverfolgung absehen, wenn es keinem öffentlichen
Zweck dient, den Zweck des anzuwendenden Gesetzes in Frage stellt oder zu
vermindertem Respekt vor dem Gesetz führen würde. 375 Der empfohlene Standard
für eine Entscheidung zur Anklageerhebung differenziert zwischen Delikten
gegen Personen, Delikten gegen das Eigentum und anderen Delikten. Eine
Anklage von gegen Personen gerichteten Delikten soll danach dann erfolgen,
wenn genügend verfügbares Beweismaterial existiert, das, auch wenn es mit der
plausibelsten, vorhersehbaren Verteidigung, die erhoben werden könnte, konfrontiert
würde, eine Verurteilung durch einen vernünftigen und sich nach objektiven
Fakten richtenden Rechtsanwender rechtfertigen würde. Delikte gegen
Eigentum oder andere Delikte sollten danach zur Anklage gebracht werden,
wenn das zugängliche Beweismaterial von solch überzeugender Kraft ist, dass
ein vernünftiger und sich auf objektive Fakten stützender Rechtsanwender verurteilen
würde, selbst, wenn er sämtliches Beweismaterial und die plausibelste
Verteidigung, die nur erhoben werden könnte, in Erwägung zieht. 376 Die Richtlinien
empfehlen auch die Berücksichtigung des Verletzten bei der staatsanwaltschaftlichen
Ermessensentscheidung. Im Katalog der ausreichenden Gründe dafür,
keine weitere Strafverfolgung durchzuführen, wird auch der Fall genannt,
dass der Verletzte der Straftat dies so verlangt, wobei dies nur auf einen eng begrenzten
Kreis von Delikten und Situationen bezogen ist und weiter vorausgesetzt
wird, dass dies die freie Entscheidung des Verletzten ist und nicht
etwa ein Produkt von Drohungen oder Druck durch den Angeklagten. 377 In den
Fällen, in denen der Staatsanwalt beabsichtigt, mit der Strafverfolgung fortzufahren
oder das Verfahren vorgerichtlich gegen Auflagen oder ähnliches einzustellen,
regt das Gesetz eine entsprechende Diskussion mit dem Verletzten über
die Angemessenheit einer vorgerichtlichen Verfahrenseinstellung oder die Auswahl
der angeklagten Delikte an. Soweit es um eine vorgerichtliche Verfahrenseinstellung
geht, verlangt das Gesetz, dass der Staatsanwalt diese Diskussi-
374 State of Washington Criminal Code, Chapter 9. 94 A („Recommended Prosecuting Guidelines
for Charging and Plea Dispositions“); im sich anfügenden „Guideline/Commentary“ finden
sich zahlreiche Anwendungsempfehlungen sowie Beispiele.
375 Wie vor, Section 9. 94 A. 440 (1).
376 Wie vor, Section 9. 94 A. 440 (2) (a).
377 Wie vor Section 9. 94 A. 440 (1) (i). Es handelt sich dabei um folgende Fälle: Nötigung,
wobei das Opfer nicht, oder nur gering beeinträchtigt wurde, Eigentumsdelikte, in denen keine
Gewalt angewendet wurde und nur ein geringer Schaden entstanden sowie das öffentliche Interesse
durch eine Einstellung nicht beeinträchtigt ist. Zudem ermutigt der Gesetzestext Staatsanwälte
dazu, den Verletzten von der Einstellung des Verfahrens zu unterrichten.

65
on mit dem Verletzten in Betracht ziehen muss, bevor er eine abschließende Einigung
mit dem Angeklagten trifft. 378
(b) Modellstandards professioneller Organisationen
Verschiedene professionelle Organisationen haben Modellstandards hinsichtlich
einer Handhabung der staatsanwaltschaftlichen „charging-decision“ als Leitfaden
für das staatsanwaltschaftliche Vorgehen entwickelt. Neben verschiedenen
einzelstaatlichen Staatsanwaltschafts-Vereinigungen 379 haben auch die bekannten
Organisationen der American Bar Association 380 und der national district
attorneys Association 381 solche Modellstandards entwickelt. Auch diese Richtlinien
erwähnen bisweilen die Interessen des Geschädigten. So ist einer von siebzehn
genannten „zu berücksichtigenden Faktoren“ bei der Entscheidung, ob Anklage
erhoben wird, in den NDAA-Standards das „Interesse des Geschädigten“;
ein anderer ist „ein mögliches unredliches Motiv eines Zeugen oder des Opfers“.
In den ABA-Standards findet sich unter den Faktoren, welche der Staatsanwalt
bei der Ausübung seines Ermessens berücksichtigen sollte, „das Ausmaß der
Verletzung durch das Delikt“ sowie „der Widerstand des Verletzten auszusagen“.
Als weiterer Faktor sollen aber auch hiernach die „möglicherweise unlauteren
Motive des Anzeigenden“ berücksichtigt werden. 382 Nach den ABA-
Standards sollen die Staatsanwälte zur Evaluierung der Anklagen eigene Standards
schaffen und ihre Hilfspersonen diesbezüglich unterweisen. 383
(c) Interne staatsanwaltschaftliche Regeln
Einige Behörden haben auch interne Standards für die staatsanwaltschaftliche
Ermessensausübung entwickelt. Bei den wohl bekanntesten handelt es sich um
die internen Standards der Bundesstaatsanwaltschaft, den „Principles of Federal
Prosecution of the U.S. Department of Justice“. 384 Als Abwägungskriterium für
die Frage, ob eine weitere Strafverfolgung und Anklage erfolgen soll oder nicht,
378
Wie vor, Section 9. 94 A. 440 (20) (b) (v).
379
Z.B. James, § 4.2.
380
American Bar Association’s Standards for Criminal Justice Relating to the Prosecution
Function, sog. ABA-Standards, eine jeweils aktualisierte Version ist erhältlich im Internet unter
http://www.abanet.org/crimjust/standards; im folgenden: ABA-Standards.
381 nd
Sog. NDAA-Standards; National Prosecution Standards, 2 edition, 1991, im folgenden:
NDAA–Standards.
382
ABA-Standards, §3-3.9 (b).
383
ABA-Standard 3-3.4 (Decision to Charge) (b): “Prosecutors should take reasonable care to
ensure that investigators working at their direction or under their authority are adequately trained
in the standards governing the issuance of arrest and search warrants and should inform investigators
that they should seek the approval of a prosecutor in close or difficult cases”; (c): “The prosecutor
should establish standards and procedures for evaluating complaints to determine whether
criminal proceedings should be instituted”.
384
Die sog. „DOJ-Principles“, veröffentlicht vom amerikanischen Justizministerium erstmals
1980, jeweils fortgesetzt und aktualisiert im United States Attorneys Manual (USAM). Das Handbuch
ist auch im Internet erhältlich auf der Homepage des amerikanischen Justizministeriums:
http:// www.usdoj.gov.

66
wird ein „begründetes föderales Interesse“ vorgegeben, wobei „offensichtlich
von hervorragender Wichtigkeit die aktuelle oder potentielle Auswirkung des
Deliktes auf die Gemeinschaft und auf den Verletzten“ ist. Dabei seien ökonomische,
physische und psychologische Erwägungen bei der Festsetzung der
Auswirkungen der Tat auf das Opfer zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang
sei es für den Staatsanwalt angemessen, Faktoren wie z.B. das Alter und
die Gesundheit des Opfers, sowie der Aspekt, ob die Tat voll oder teilweise
wieder gut gemacht wurde, zu berücksichtigen. Allerdings solle auch dem Eindruck
entgegen gewirkt werden, allein durch Wiedergutmachung lasse sich eine
strafrechtliche Verfolgung vermeiden. 385
Manche Staaten, wie z.B. Minnesota, schreiben für ihre örtlichen Staatsanwälte
vor, sich selbst Regeln zu schaffen. 386
(d) Berufsethische Vorgaben
Alle Rechtssysteme in den Vereinigten Staaten haben Vorgaben, die an die berufsethische
Verantwortung der Staatsanwälte appellieren. Es handelt sich dabei
um allgemein gehaltene Zielvorgaben, die zumeist auf dem Modell der American
Bar Association basieren. 387
(e) Fehlende Justitiabilität
All diese Leitfäden und Regeln sind jedoch nicht justitiabel. 388 Die meisten Regularien
stellen selbst nicht diesen Anspruch an sich. Sie sehen sich als reine
Ratgeber, die nicht einklagbar sind. 389 Eine Nichtbeachtung schriftlicher Ermessensregeln
durch den Staatsanwalt kann nach der amerikanischen Rechtsprechung
nicht als Verteidigung oder Rechtfertigung eines Angeklagten im Verfahren
dienen. 390
385
USAM, a.a.O., § 9-27. 230.
386
Minn. Stat. § 388. 051, Subd. 3. Das Gesetz bezieht sich vornehmlich auf die Regelung der
sog. plea negotiations, mithin der vorgerichtlichen Absprache im Strafverfahren. Hierbei wird
auch vorgegeben, zu regeln, inwieweit die Interessen anderer an dem Strafverfahren beteiligter
Personen, z.B. die des Opfers oder der Strafverfolgungsbehörden bei der Formulierung von vorgerichtlichen
Absprachen zu berücksichtigen sind.
387
American Bar Associations Model Rules of Professional Conduct, die jeweils aktuelle Version
ist verfügbar im Internet unter der Adresse http:// www.abanet.org/cpr/ethics2k.html.
388
Die Gerichte haben es bisher versäumt, Richtlinien für staatsanwaltliches Verhalten zu etablieren,
Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393, 435 f. mit Beispielen.
389
ABA-Standards 3-1.1; Wash. Stat. § 9. 94 A. 430 ist die Bestimmung, die besagt, dass auf
die Richtlinien kein Recht oder Vorteil gestützt werden kann, weder formell noch materiell, und
diese nicht einklagbar sind, auch nicht im Wege eines Zivilprozesses gegen den Staat; dies wurde
auch gerichtlich bestätigt z.B. durch das Washington Court of Appeals in State v. Lee, 847 P. 2d
25, 26-27. Auch wurde von der Bundesgerichtsbarkeit schon für den Beschuldigten festgestellt,
dass dieser sich nicht auf eine für ihn günstige Regelung berufen kann, vgl. U.S. v. Shulman, 24
Cr. L. 2523.
390
Podgor, The Ethics and Professionalism of Prosecutors in Discretionary Decisions, 68
Fordham L. Rev. 1511, 1531.

67
(2) Kontrolle des Staatsanwaltes durch die Wähler
Verschiedentlich 391 wird darauf verwiesen, eine Kontrolle der staatsanwaltlichen
Entscheidungen finde durch die jeweilige Wählerschaft statt. Da der Staatsanwalt
zumindest in den meisten Einzelstaaten vom Volk gewählt wird, besteht
auch für Opferschutzorganisationen ein gewisser Spielraum, faktisch auf die
Entscheidung des Staatsanwalts einzuwirken. Es liegt jedoch auf der Hand, dass
eine derartige Kontrolle nicht den hier in der Einführung genannten Zwecken
dienen kann. 392 Die Abhängigkeit von seiner Wählerschaft wird den prosecutor
vielmehr noch in seinem Bestreben bestärken, mit Rücksicht auf einen möglichst
makellosen „conviction record“ nur die Fälle anzuklagen, bei denen er
sich einer Verurteilung sicher sein kann. Zudem besteht die Gefahr, dass sich
der Staatsanwalt hier mehr der öffentlichen Meinung und Stimmung unterwerfen
muss, als es seiner ordnungsgemäßen Pflichtausübung dienlich ist. Dieser
Punkt sollte jedoch nicht unterschätzt werden: gerade die demokratische Legitimation
des amerikanischen Staatsanwaltes stellt ein Hindernis für Einschränkungen
seines Ermessensspielraumes dar. 393
(3) Kontrolle durch Nutzung des Zivilrechtsweges
Das oberste Gericht der USA, der U.S. Supreme Court, hat in einer Entscheidung
von 1976 den Staatsanwälten absolute Immunität gegenüber zivilrechtlichen
Klagen wegen verfassungswidriger Anklagen gewährt, dies gilt sogar für
böswilliges Handeln (malicious prosecution). 394 Der Zivilrechtsweg gegen den
Staatsanwalt steht somit nicht offen.
(4) Disziplinarbeschwerde: malfeasance, misfeasance, nonfeasance, neglect of
duty, misuse of office
Ein weiterer Weg, die „charging decision“ des Staatsanwalts anzugreifen, ist
über die staatsanwaltschaftliche Selbstverwaltung der Behörde. Rechtsmittel
hierfür wäre eine Art Disziplinarbeschwerde gegen den jeweiligen Staatsanwalt.
Ein solches Rechtsmittel steht auch im amerikanischen System in den meisten
Staaten grundsätzlich zur Verfügung, wird jedoch in der Praxis selten angewandt,
noch seltener werden Staatsanwälte dann tatsächlich für ihre Entschei-
391
So z.B. Johnson, The influence of politics upon the office of the American Prosecutor, 2
American Journal of Criminal Law, 187, 193; ebenso Logan, A proposed check on the charging
discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L. Rev. 1695, 1728, der eine Kontrolle durch die
Wähler als “more theoretical than real” einstuft.
392
Negativ in dieser Hinsicht auch z.B.: Comment, Private prosection. A remedy for district attorneys´
unwarranted inaction, 65 Yale L. J. 209, 213 m.w.N.
393
Weigend, S. 104.
394
Imbler v. Pachtman, 424 U.S. 409; Williams, The Civil Regulation of Prosecutors, 67 Fordham
L. Rev. 341.

68
dungen disziplinarisch ermahnt. 395 Bemerkenswert hierzu ist, dass sich oben
genannte Entscheidung 396 des U.S. Supreme Courts trotzdem zur Begründung
der Rechtfertigung für die Immunisierung der Staatsanwälte bzgl. zivilrechtlicher
Klagen ausdrücklich auf die Verfügbarkeit disziplinarischer Maßnahmen
durch Vorgesetzte bezogen hat. 397 Die wirkliche Grenze staatsanwaltlichen Ermessens
liegt daher erst an dem Punkt, an dem sich der prosecutor selbst strafbar
macht. 398 Die in der Überschrift genannten Begriffe beziehen sich allerdings
auf disziplinarrechtliche Verstöße, mit Folgen wie z.B. Gehaltskürzung, Entfernung
aus dem Amt etc. Nach dem common law wird die „Vernachlässigung
einer Amtspflicht“ durch einen Amtsträger als misdemeanor behandelt. 399 Speziellen
Straftatbeständen wie z.B. „Strafvereitelung im Amt“ oder „Verfolgung
Unschuldiger“, wie sie im deutschen Recht existieren, unterliegt der amerikanische
Staatsanwalt hingegen in aller Regel nicht.
(5) Innerbehördliche Kontrolle durch Aufsicht 400
Selbstverständlich ist eine gewisse innerbehördliche Kontrolle durch Vorgesetzte
401 , Rotationen und Wechsel der Sachbearbeiter gegeben. Feste Aufsichtsregeln
gibt es hierfür meist nicht, es ist aber üblich, dass Berufsanfängern zunächst
kleinere unbedeutendere Fälle zugeordnet werden. Aufgrund der bestehenden
Arbeitsüberlastung der Staatsanwaltschaften ist eine lückenlose Überwachung
der Assistent prosecutors durch erfahrene Kollegen aber bei weitem
nicht immer gewährleistet. 402 Eine Überprüfung der einzelstaatlichen Staatsanwälte
durch die Staatsanwälte des Bundes findet nicht statt. 403
395
Zacharias, The Professional Discipline of Prosecutors, 79 N. C. L. Rev. 721; Gershman,
53.U.Pitt.L. Rev. 393, 445 m.w.N.; Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin
prosecutors, 1990 Wis. L. Rev. 1695, 1726; Rabin, Agency criminal referrals in the federal
system, 24 St. L. Rev. 1036, 1075, der feststellt, dass es praktisch keine “safeguards” zur Überwachung
von willkürlichen Entscheidungen des amerikanischen Staatsanwalts gibt.
396
Vgl. oben C.I.6.a.dd. (3).
397
Imbler v. Pachtman, 424 U.S. 409.
398
Vgl. z.B. Attorney General v. Pelletier, 134 N.E. 207, 212: “The district attorney nead fear
ouster only for criminal activity...”; State v. Murphy, 555 P. 2d 1110.
399
State v. Green, 376 A. 2d 424; State v. Winn, 12 N.J. 152.
400
Vgl. umfassend hierzu Zacharias, The Professional Discipline of Prosecutors, 79 N. C. L.
Rev. 721.
401
In einigen Staaten ist dies gesetzlich normiert, z.B. Neb. Rev. Stat. § 84-204 (1987); Cal.
Government Code § 12550 (West 1980): Attorney General „shall assist any district attorney in the
discharge of his duties, and may, where he deems it necessary, take full charge of any investigation
or prosecution of violations of law of which the superior court has jurisdiction”. In der Praxis findet
freilich keine dauernde Kontrolle der prosecutor durch den attorney general statt, der dies
schon allein aufgrund der Fülle seiner eigenen Fälle nicht leisten kann.
402
Generell zum Verhältnis der Staatsanwälte niederer Ränge zu ihren höherrangigen Kollegen
(„attorney general“) 7 Am. Jur. 2d , attorney general, § 13.
403
People ex rel. Tooley v. District Court of Second Judicial Dist., 549 P 2d 774; allerdings
gibt es unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Übernahme bestimmter Ermittlun-

69
(6) Kontrolle durch die grand jury 404
Im föderalen System nach der Verfassung der Vereinigten Staaten 405 sowie in
einigen Einzelstaaten, die die föderale Verfassungsregel in ihr System implementiert
haben, hat ein Beschuldigter bei bestimmten Delikten das Recht, von
einer grand jury 406 angeklagt zu werden. Vor einem föderalen Gericht 407 hat ein
Beschuldigter das Recht auf „indictment“ durch die grand jury, wenn er wegen
eines Deliktes angeklagt ist, das mit dem Tod oder mit mindestens einem Jahr
Freiheitsstrafe sanktioniert ist. In einigen Staaten ist auch die Erhebung der Anklage
allein durch die grand jury möglich, theoretisch auch gegen den Willen
des Staatsanwaltes. Dies kommt jedoch in der Praxis äußerst selten vor. Die absolute
Regel ist, dass die grand jury von dem Fall erst durch Vorlage und Präsentation
des Staatsanwaltes erfährt und die Anklage dann nur abzeichnet; Inhalt,
Ablauf und Verfahren werden meist vom prosecutor, der im Gegensatz
zum Beschuldigten ein Recht auf Anwesenheit bei den Sitzungen hat, vorgegeben,
weshalb die Sinnhaftigkeit des grand jury-Verfahrens in der Literatur
überwiegend stark bezweifelt wird. 408 Ursprünglich sollte die als Kontrollinstanz
zum Staatsanwalt sicherstellen, dass in Fällen mit ausreichender
gen durch den Bundesstaatsanwalt, vgl. Hancock v. Schroering, 481 S. W. 2d 57; zum Verhältnis
zwischen dem attorney general und den Staatsanwälten generell vgl. wie vor.
404 Vgl. hierzu die sehr gute Darstellung von Dengler, S. 205 ff.
405 U.S. Constitution, V. Amendement: “No person shall be held to answer for a capital, or otherwise
infamous crime, unless on a presentment or indictment of a grand jury…”.
406 Die sog. grand jury (abzugrenzen von der aus weniger Personen bestehenden sog. „petit jury“,
die sodann im Prozess entscheidet) ist ein aus ca. 12-23 “normalen Bürgern” aus allen Schichten
der Bevölkerung zusammengestelltes, dem Prozessgericht beigeordnetes Gremium, das den
Zweck hat, strafrechtliche Ermittlungen anzustellen und Anklagen zum Gericht zuzulassen; für
nähere Erläuterungen zu Zweck, Zusammenstellung, Geschichte etc, vgl. Kadish, Behind the lokked
door of an american grand jury: its history, its secrecy, and its process, 24 Fla. St. U. L. Rev.
1; Martin, grand jury, 81 Geo.L.J. 1040; ebenso Brenner, The voice of the community, 3 Va. J.
Soc. Pol´y & L. 67.
407 FED. R. CRIM. P. 7 (a).
408 Die Literatur geht fast einhellig davon aus, dass das Verfahren der grand jury faktisch eine
bloße Formalität ist, so z.B. Jacoby, S. 145, die von einer “rubber-stamp”-Prozedur spricht; Roots:
If it´s not a runaway, it´s not a real grand jury, 33 Creighten L. Rev. 821; Kuckes, The useful, dangerous
fiction of grand jury independance, 41 Am. Crim. L. Rev. 1, weist auf die Gefährlichkeit
der Fiktion einer unbeeinflussten grand jury hin, die in Wahrheit von den Strafverfolgungsbehörden
ganz gezielt für ihre Zwecke eingesetzt werde; aber auch die Rechtsprechung äußert starke
Zweifel an der Eigenständigkeit der grand jury: in In re grand jury Subpoena of Stewart, 545 N. Y.
S. 2d 974, 977, note 1, wird angegeben, die Skepsis gegenüber der grand jury lasse sich am besten
durch einen öffentlichen Ausspruch des Chief Justice von 1985 zusammenfassen, der behauptet
hatte, die grand jury würde auch „ein Schinken-Sandwich“ anklagen, wenn der prosecutor es von
ihr verlange; Crocker, Appointed but (nearly) prevented from serving: My experiences as a grand
jury foreperson, 2 Ohio St. J. Crim. L. 289, ein ehemaliger grand juror berichtet von ähnlichen
Erfahrungen; für die gänzliche Abschaffung der grand juries: Simmons, Re-examining the grand
jury: Is there room for democracy in the criminal justice system?, 82 B. U. L. Rev. 1; vgl. hierzu
auch Kuckes, Delusions of grand juries: Everyone knows that a grand jury would indict a ham
sandwich. So why do we bother to use them?, 2003-DEC Legal Aff. 38.

70
Beweislage Anklage erhoben und in Fällen mit nicht ausreichenden Erfolgsaussichten
das Verfahren eingestellt wird. 409
ee. Anklagemonopol des amerikanischen Staatsanwaltes?
Wie die vorhergehenden Ausführungen zur grand jury 410 und nachfolgende Ausführungen
zur Privatklage zeigen, verfügt der prosecutor zumindest formell derzeit
nicht über das Anklagemonopol, wenn dies auch hinsichtlich der anerkanntermaßen
schwachen Position von grand jury 411 und Privatklägern 412 zumindest
faktisch der Fall ist. 413
Es gibt Bestrebungen in den USA, dem Staatsanwalt ein Anklagemonopol einzuräumen.
Schon im Februar 1973 forcierte die American Bar Association in
ihren Standards zur Administration im Strafrecht die alleinige Verantwortlichkeit
des Staatsanwaltes als Ankläger. 414 Im Hinblick auf die Anklagefunktion
solle der Staatsanwalt die alleinige Kontrolle haben, Beschwerden („complaints“),
die noch von Privatpersonen initiiert würden, sollten dem Staatsanwalt
zur Zustimmung vorgelegt werden und sein Vorschlag, soweit er nicht selbst
anklagt, der „charging authority“, mithin also der grand jury zur Abzeichnung
weitergeleitet werden. 415 In vielen Staaten ist es bereits die Regel und teilweise
409 Schiappa, Preserving the autonomy and function of the grand jury: United States v. Williams,
43 Cath. U. L. Rev. 311, die die durch das Erstarken des prosecutors verbliebene marginale
Rolle der grand jury als eines “Opfers von staatsanwaltschaftlichem Missbrauch und Manipulation”
beklagt und ein Handeln des Kongresses fordert, um die Integrität der grand jury als ein unabhängiges
Gremium mit echten Kontrollmöglichkeiten zu bewahren, und die grand jury nicht weiterhin
als bloßes Werkzeug der Exekutive verkommen zu lassen; ebenso Brenner, The voice of the
community, 3 Va. J. Soc. Pol´y & L. 67.
410 Hinsichtlich der bestehenden strafprozessualen Möglichkeiten der Anklageerhebung durch
den Verletzten vgl. die weitergehenden Ausführungen.
411 Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393, 400 f. spricht angesichts der dominierenden
Rolle des Staatsanwaltes gegenüber der grand jury von einer “Perversion” der historischen
Rolle der grand jury als Puffer zwischen Bürger und Staat.
412 Vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen unter C.II.2.cc.
413 Langbein, S. 88 spricht ganz selbstverständlich von einem Anklagemonopol: “What makes
this problem of prosecutorial discretion so acute in American practise is that our prosecutor has a
monopoly over the criminal process. …. No other officer and no private citizen, not even the victim,
may come foreward to prosecute when the public prosecutor will not. No one else may make
good the prosecutors neglect.”; nur in sehr wenigen Staaten und dann meist nur hinsichtlich Vergehen
fungiert die Polizei selbst als Ankläger, vgl. Weigend in Jescheck, S. 600.
414 ABA-Standard 3-3.4 (Decision to Charge) (a): “The decision to institute criminal proceedings
should be initially and primarily the responsibility of the prosecutor.”; 2.1:“The prosecution
function should be performed by a public prosecutor who is a lawyer subject to the standards of
professional conduct and discipline”.
415 ABA-Standard 3-3.4 (Decision to Charge) (d): “Where the law permits a citizen to complain
directly to a judicial officer or the grand jury, the citizen complainant should be required to present
the complaint for prior approval to the prosecutor, and the prosecutor's action or recommendation
thereon should be communicated to the judicial officer or grand jury“.

71
schon gesetzlich verankert, dass eine Privatperson nicht ohne Erlaubnis oder
Zustimmung des Staatsanwalts Anklage erheben kann 416 , dies entspricht dem
federal case-law, wonach Privatpersonen nicht autorisiert sind, vor dem United
States district-court Anklage zu erheben. 417
b. Zusammenfassung - Kein Legalitätsprinzip
Staatsanwälte in den Vereinigten Staaten üben somit zumindest faktisch die alleinige
Kontrolle über den Beginn und die Ausführung einer strafrechtlichen
Verfolgung aus. 418 Während der Beschuldigte im Rahmen seiner verfassungsmäßigen
Rechte in engen Grenzen Möglichkeiten hat, gegen die staatsanwaltschaftliche
Ermessensentscheidung vorzugehen, wenn er darlegen und beweisen
kann, dass erstens andere Personen in einer ähnlichen Situation nicht strafrechtlich
verfolgt wurden und zweitens die staatsanwaltschaftliche Entscheidung zur
Strafverfolgung dieses speziellen Angeklagten auf diskriminierenden Erwägungen,
wie z.B. Rasse, Religion oder vorsätzlich in bösem Glauben erfolgte 419 ,
gibt es für den Verletzten in der Praxis nur wenige Möglichkeiten zur Einflussnahme
auf die staatsanwaltschaftliche Ermessensentscheidung. 420
Es bleibt demnach festzuhalten, dass der Staatsanwalt in jeder Hinsicht über ein
sehr breites Ermessen verfügt, dies auch nicht zuletzt in der hier maßgeblichen
Frage der negativen Anklageentscheidung. 421 Die wenigen Grenzen, die es gibt,
betreffen die Verhinderung von Anklagen; Möglichkeiten, den prosecutor zur
Anklageerhebung zu zwingen, existieren dagegen nicht. 422 Kommentatoren haben
die staatsanwaltliche Ermessensmacht bereits als „rechtlos“, „tyrannisch“
und „höchst gefährlich“ eingestuft. 423
416
Chermside jr., Power of private citizen to institute criminal proceedings without authorization
or approval by prosecuting attorney, 66 A. L. R. 3d 732, note 10.
417
Chermside jr., Power of private citizen to institute criminal proceedings without authorization
or approval by prosecuting attorney, 66 A. L. R. 3d 732, note 10.
418
Green, Private challenges to prosecutorial inaction, 97 Yale L. J. 488.
419
Der wohl bekannteste Fall hierzu: Yick Wo v. Hopkins, 118 US 356; vgl. auch United States
v. Armstrong, 517 U.S. 456, 463; eine gute Übersicht zu diesem Thema mit Darlegung der einzelnen
entschiedenen Fälle bietet: Tinsley, Discriminatory Enforcement of Criminal Law, 13 Am. Jur.
Proof of Facts 2d 609.
420
Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393, 407 f. spricht in diesem Zusammenhang
von unkontrolliertem Ermessen der Staatsanwälte; eine Privatperson habe, wenn sich der
prosecutor weigere, einen Fall zu verfolgen, keine realistische Chance, eine Strafverfolgung zu
erreichen, mit Verweis auf Tonkin v. Michael, 349 Fed. Supp. 78.
421
Vgl. Hassan v. Magistrate´s Court, 20 Misc. 2d 509: “…it lies with the district attorney to
determine whether acts which may fall within the literal letter of the law should as a matter of
public policy not be prosecuted.”
422
Welling, Victims in the criminal process, 30 Ariz. L. Rev. 85, 113, vgl. hierzu genauer unten
C. II.2.b aa.-cc.
423
Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393, 407 m.w.N.

72
Es häufen sich die Stimmen, die eine Kontrollinstanz für das enorme Ausmaß
der staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung fordern. 424 Dabei wird anerkannt,
dass der Staatsanwalt über ein verhältnismäßig breites Ermessen verfügen muss,
die Ausübung dieses Ermessens jedoch der Kontrolle bedarf 425 und die Beteiligung
Verletzter im Strafverfahren hierfür ein adäquates Mittel darstellt. 426 Auch
der U.S. Supreme Court hat das Interesse der Öffentlichkeit an einer effektiven
Erzwingung des Rechts („effective law-enforcement“) anerkannt. 427
Die Gerichte haben es bisher wiederholt abgelehnt, die staatsanwaltschaftliche
Ermessensentscheidung zu überprüfen. 428 Dabei wurde immer wieder betont,
dass die staatsanwaltschaftliche Funktion eine der Exekutive ist, und wegen des
Grundsatzes der Gewaltenteilung nicht der richterlichen Kontrolle unterliegt.
Traditionell wurde dies in Anlehnung an das Verwaltungsrecht begründet, in
dem richterliche Einmischung nur als störend betrachtet wurde, was allerdings
angesichts der Tendenz zu stärkerem gerichtlichem Interventionismus mittlerweile
überholt sein dürfte. 429 Auch die Zuständigkeit für eine dauerhafte Enthebung
eines Staatsanwaltes liege bei der Exekutive und nicht bei der Justiz. Nur
in wenigen Ausnahmefällen haben Gerichte Staatsanwälte hinsichtlich nicht erfolgter
Strafverfolgungen wegen Ermessensmissbrauchs gerügt oder der Enthebung
der Staatsanwälte von ihren Ämtern zugestimmt 430 , dies fast nur in Fällen,
in denen überdeutlich unlautere Motive des Staatsanwaltes erkennbar wurden. 431
In der Unwilligkeit der Justiz, dem Ermessen der Staatsanwälte wirksame Gren-
424 Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393; Logan, A proposed check on the
charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L. Rev. 1695 ff.
425 Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727, 758 f., m. w. N, vgl. note
141; so auch z.B. Comment, 65 Yale Law Journal, 209, 211: dort wird von einer zunehmenden
Zahl von Fällen gesprochen, die nicht weiter verfolgt werden, obwohl eine Anklage nötig wäre,
m.w.N.; die Kontrolle des staatsanwaltlichen Ermessens fordern sogar strikte Gegner einer privaten
Beteiligung am Strafverfahren, vgl. Comment, The outmoded concept of private prosecution,
25 Am. U. L. Rev. 754, 789 f.
426 Statt vieler: Welling, Victim participations in plea bargains, 65 Wash. U. L. Q. 301, 304 ff.;
Goldstein, Defining the role of the victim in criminal prosecution, 52 Miss. L. J. 515, 554 ff.;
Langbein, S. 88.
427 United States v. Ross, 456 U.S. 798, 804.
428 Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393, 407 m .w. N. spricht insoweit von
einer „bemerkenswerten Passivität“ der Justiz hinsichtlich der Frage der Überprüfung staatsanwaltlicher
Ermessensentscheidungen.
429 Weigend in Jescheck, S. 611, m.w.N.
430 Vgl. z.B. State ex rel. Kinsella v. Eberhardt, 116 Minn. 313: Zustimmung zur Amtsenthebung
in einem Fall, in dem der district attorney wiederholt seiner Pflicht zur Verfolgung von Straftaten
gegen die damals geltenden Alkoholvorschriften in keiner Weise nachgekommen war, weil
er offensichtlich nicht verstanden hatte, was von ihm erwartet wurde; ebenso bei umfassender
Nichtverfolgung offensichtlicher fortgesetzter massenweiser Verstöße gegen das Glücksspielrecht:
State ex. rel. McKittrick v. Graves ,144 S. W. 2d 91.
431 Attorney general v. Pelletier, 134 N. E. 407.

73
zen zu setzen, wird die Hauptursache für Dominanz des Staatsanwaltes im Strafrechtssystem
gesehen. 432
Unkontrollierte Ermessensmacht in der Hand eines mächtigen Regierungsorganes
birgt das Potential für Missbrauch. In der Hand des amerikanischen Staatsanwaltes
ist dieses Potential Realität und realisiert sich in nachlassender Fairness
und Vertrauensverlust in das System. 433
Zusammenfassend 434 muss somit festgestellt werden, dass der amerikanische
Staatsanwalt nicht dem sog. Legalitätsprinzip unterliegt, also auch im Falle ausreichenden
Tatverdachts nicht gezwungen ist, strafrechtliche Verfolgungen
durchzuführen. Zwar fällt ihm nach übereinstimmender Meinung 435 eine Berufspflicht
zu, die strafrechtlichen Verstöße in seinem Bereich, von denen er
weiß und bei denen eine hinreichende Urteilswahrscheinlichkeit besteht, zu verfolgen,
diese Pflichtausübung steht jedoch in seinem breiten Ermessen, solange
im „besten Interesse“ für den Staat gehandelt wird. 436 Faktisch ist der Staatsanwalt
in seiner Entscheidung völlig frei, ein Eingreifen der Gerichte kommt nur
bei ganz offenkundigem Ermessensmissbrauch aus unlauteren Motiven in Betracht.
Dabei muss jedoch ein etwaiger Antragsteller die Vermutung, der Staatsanwalt
handle in gutem Glauben 437 , durch Erbringung des Gegenbeweises überwinden.
Es ist stark umstritten, wie man die starke Rolle des Staatsanwalts in den USA
kontrollieren kann, ohne dessen Funktion zu stark zu beeinträchtigen. John J.
Langbein, einer der bekanntesten amerikanischen Autoren rechtsvergleichender
Ausführungen und Fragen im Bereich des Strafprozessrechts meint hierzu schon
im Jahr 1977: „There are two ways to prevent the abuse of a monopoly - break it
or regulate it.” 438
Fraglich ist, ob und wie gegen die fast unbeschränkte Ermessensmacht des
Staatsanwalts im System unter Mitwirkung des Verletzten Abhilfe geleistet wird
oder werden könnte. 439
432
Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393, 441.
433
Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393, 408 f.; Cardenas, The crime victim
in the prosecutorial process, 9 Harv. L. Rev. 357 m.w.N. zeichnet ein düsteres Bild des Vertrauens
der Bürger und spricht angesichts dessen von einer Krise des Strafrechtssystems.
434
Sehr umfassend zu dieser Problematik mit Fallauflistung: Vartanian, Duty and discretion of
district attorney as regards prosecution for criminal offenses, 155 A. L. R. 10.
435
Statt vieler Kittler v. Kelsch, 56 A. L. R. 1217; Johnston v. Foster 3 P 534.
436
Statt vieler: State v. Tufts, 56 N. H. 137, Atty. Gen. v. Pelletier, 134 N. E. 407.
437
United States v. Saade, 652 F. 2d 1126, 1135.
438
Langbein, S. 101.
439
Cardenas, The crime victim in the prosecutorial process, 9 Harv. L. Rev. 357, 390, verweist
darauf, dass insoweit die Wichtigkeit der Rolle des Verletzten nicht genug betont werden könne.

II. Rechtsbehelfe des Verletzten gegen die negative Anklageentscheidung
75
„Inevitably, the decision to prosecute is among the most important in the entire
criminal process; at that time the force of the investigatorial and prosecutorial
powers of the state are brought to the defendant.” 440 ”The power not to prosecute
may be of greater magnitude than the power to prosecute and it certainly
has been much more abused because it is so little controlled.” 441 “Who has
standing to complain when the state fails to use a monopoly power to protect
victims and keep the peace?” 442
Nachdem in obiger Darstellung bereits mehrmals angeklungen ist, dass dem
Verletzten kaum Rechtsbehelfe zustehen, soll im Folgenden dieses Thema noch
etwas genauer beleuchtet werden.
1. Ansatzpunkt: die negative Anklageentscheidung des Staatsanwaltes
Der zentrale Punkt für eine Einflussnahme des Verletzten, an dem diese Darstellung
ansetzt, ist die negative Anklageentscheidung des prosecutors 443 : an dem
kritischen Punkt der Anklageentscheidung entscheidet sich somit nicht nur die
für den Beschuldigten, sondern auch die für das Opfer einer Straftat ganz wesentliche
Frage, ob ein Gericht sich mit dem Fall befassen 444 und somit eine
strafrechtliche Aufarbeitung des Geschehens erfolgen wird.
a. Zeitpunkte einer möglichen Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwälte in den USA handeln in einem wesentlich weniger engen administrativen
Gerüst als ihre deutschen Kollegen und verfügen folglich auch
440
Comment, The outmoded concept of private prosecution, 25 Am. U. L. Rev. 754, 782 mit
Verweis auf comment: Prosecutorial discretion in the initiation of criminal complaints, 42 So.Cal.
L. Rev. 519.
441
Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L.
Rev. 1695, note 7.
442
Bandes, Victim standing, 2 Utah L. Rev. 331, 343.
443
Dieser Ansatzpunkt an der staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung wird in der Regel
auch von der juristischen Literatur in den USA gewählt, vgl. z.B. Davis, S. 3: “The strongest need
and the greatest promise for improving the quality of justice to individual parties in the entire legal
and governmental system are in the areas where decisions necessarily depend more upon discretion
than upon rules and principles and where formal hearings and judicial review are mostly irrelevant.”;
ders. S. 8: “Unguided and uncontrolled discretionary power is exceedingly damaging to
justice”.
444
Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L.
Rev. 1695, note 7, betont die evidente Wichtigkeit dieser Entscheidung für den Verletzten; so auch
Cardenas, The crime victim in the prosecutorial process, 9 Harv. L. Rev. 357; ebenso Welling,
Victims in the criminal process, 30 Ariz. L. Rev. 85; wie, bzw. in welchem Rahmen die Beteiligung
im laufenden Verfahren aussieht, und ob der Verletzte innerhalb des gerichtlichen Prozesses
ausreichende Mitwirkungsmöglichkeiten hat, ist dagegen nicht Gegenstand dieser Abhandlung.

76
über eine deutlich größere Freiheit bei der formalen Abwicklung ihrer Einstellungsentscheidung.
Es werden oft schon gar keine Akten geführt, woraus Einstellungsgründe
etc. ersichtlich wären, der amerikanische Staatsanwalt muss
nicht einmal eine förmliche Einstellungsverfügung treffen. 445
Die Frage, wie ein Geschädigter auf die Anklageerhebung einwirken kann,
hängt auch davon ab, an welchen Stationen des Strafverfahrens der Staatsanwalt
das Verfahren einstellen kann. Aus diesem Grund soll hier kurz auf solche typischen
Verfahrenseinstellungspunkte eingegangen werden.
aa. „Initial screening“ - Sofortige Verfahrenseinstellung nach ersten polizeilichen
Ermittlungen
Wie oben bereits dargestellt, verfügt der Staatsanwalt zu diesem Zeitpunkt nur
über wenige, meist eilig von einem police-officer zusammengestellte Informationen
über den Tathergang und bestenfalls noch über den „arrest-record“, der
Aufschluss über die Anzahl der Festnahmen, nicht aber die der Vorstrafen des
Verdächtigen gibt. Von dieser vielfach „über den Daumen gepeilten“ Entscheidung
hängt das weitere Schicksal des Falles ganz wesentlich ab. 446
bb. (Teil-)Einstellung im Rahmen von plea negotiations 447
Bei den sog. „plea-negotiations“ handelt es sich um außergerichtliche Verhandlungen
des Staatsanwaltes 448 mit dem Täter bzw. dessen Verteidiger. Hierbei
werden oftmals die Weichen für das Strafverfahren gestellt: gegen ein Schuldbekenntnis
(„guilty plea“) werden bestimmte Taten nicht oder nur ein milderer
Straftatbestand (z.B. gewöhnliche Körperverletzung anstelle einer schweren
Körperverletzung) angeklagt. 449 Im amerikanischen Strafverfahren ist es überdies
üblich, dass der Staatsanwalt Empfehlungen zum Strafrahmen abgibt. Auch
diese sog. „sentence-recommondations“ sind Gegenstand der plea-
Verhandlungen. Dieser „deal“ hat im amerikanischen Strafverfahrensrecht
enorm große Bedeutung und besondere Brisanz, da das Gericht in den USA bei
seiner Beurteilung an die angeklagten Straftatbestände gebunden ist: was nicht
angeklagt ist, kann nicht abgeurteilt werden, die vom Staatsanwalt vorgenom-
445 Davis, S. 66.
446 Weigend in Jescheck, S. 614 mit Darstellung von Statistiken aus den siebziger Jahren.
447 Vgl. hierzu sehr ausführlich Weigend in Jescheck, S. 650 ff.
448 Teilweise ist auch die (eingeschränkte) Mitwirkung eines Richters im plea-bargaining-
Prozess erlaubt, dies ist aber stark umstritten, vgl. z.B. Welling, Victim participations in plea bargains,
65 Wash. U. L. Q. 301, 314, note 59 ff.
449 LaFave, The prosecutor´s discretion in the United States, 18 Am. J. Comp. L. 532 unterscheidet
drei verschiedene Formen des plea bargaining: 1. Staatsanwalt und Beschuldigter verständigen
sich gegen ein Schuldbekenntnis des Beschuldigten auf eine geringere Anklage als dies
nach Beweislage möglich wäre, 2. Der Beschuldigte bekennt sich schuldig hinsichtlich der angeklagten
Tat, im Gegenzug verspricht der prosecutor einen Strafnachlass und 3. Der Beschuldigte
bekennt sich hinsichtlich der angeklagten Tat schuldig, im Gegenzug werden andere bereits erhobene
Anklagen oder in Zukunft noch vorzunehmende Anklagen fallengelassen.

77
mene rechtliche Würdigung bindet somit das Gericht. Eine härtere Bestrafung
als die für den angeklagten Straftatbestand, auch wenn das Gericht z.B. selbst
erschwerende Tatumstände zu Tage fördert, ist nicht möglich. 450 Der Staatsanwalt
kann das Ergebnis im Gerichtsverfahren somit auch im Vorfeld schon ganz
entscheidend lenken, indem er erschwerende Tatumstände nicht in die Anklage
aufnimmt und z.B. nur wegen eines Vergehens und nicht wegen eines Verbrechens
anklagt.
In praktischer Hinsicht sind die plea-Verhandlungen in den USA sehr bedeutend:
die ganz überwiegende Zahl aller Strafverfahren werden auf diese Art und
Weise außergerichtlich erledigt. Oftmals wird das als Verfahren als Notwendigkeit
in einem „überlasteten und unterfinanzierten System“ angesehen. 451 Zwar
wird auch hier die Strafe dann in einem gesonderten Verfahren 452 von einem
Richter festgesetzt, der grundsätzlich an die Absprache zwischen Staatsanwalt
und Beschuldigtem nicht gebunden ist, die Absprachen aber in aller Regel bei
der Urteilsfindung berücksichtigt, wie er sich auch im übrigen Verfahren den
Vorstellungen des prosecutors anpasst. 453
Die Verhandlungen sind nicht öffentlich, auch die Verletzten sind aus dem Verfahren
zumeist weitgehend ausgeklammert. Zwar gab es einige Bemühungen,
Opfer in das Verfahren zu integrieren, die jedoch nicht besonders erfolgreich
verliefen. 454
cc. Exkurs: Verfahrenseinstellung durch die grand jury
Im amerikanischen Bundesrecht und in etwa der Hälfte der amerikanischen
Staaten hat der eines Verbrechens Beschuldigte das Recht, über die Anklageerhebung
gegen ihn die grand jury entscheiden zu lassen. 455 Hier besteht die, oben
bereits geschilderte, Problematik der faktischen Abhängigkeit der grand jury
450 vgl. z.B. Weigend, S. 135 m.w.N. zu der auch im Hinblick auf die Beschuldigtenrechte sehr
umstrittenen Praxis dieses „Handels“, bei dem der Beschuldigte gegen die Zubilligung einer geringeren
Anklage bzw. Strafe auf sein Recht der Durchführung eines Gerichtsverfahrens verzichtet.
Allerdings hat der U.S. Supreme Court die Praxis des plea bargaining in weiten Grenzen (Zustimmung
ohne Zwang zu auf Fakten basierender Absprache) für verfassungsgemäß erklärt, vgl.
z.B. Santobello v. New York, 404 U.S. 257, 261, FED. R. CRIM. P. 11.
451 Kennard, The victim´s veto, 77 Cal. L. Rev. 417, 432.
452 Im amerikanischen System wird zunächst ein Strafverfahren zur Feststellung der Schuld
durchgeführt. Wenn die Verantwortlichkeit für den angeklagten Straftatbestand feststeht, wird in
einem weiteren, gesondertem „sentencing“-Verfahren das Strafmaß festgelegt.
453 Kennard, The victim´s veto, 77 Cal. L. Rev. 417, 432; Welling, Victim participations in plea
bargains, 65 Wash. U. L. Q. 301, auch zum näheren Ablauf der Mitwirkung des Richters etc.
454 Kennard, The victim´s veto, 77 Cal. L. Rev. 417, 432, spricht insoweit von “rubberstamp procedure”,
wobei das nur vorgeblich eingebundene Opfer dem schon zwischen Staatsanwalt und
Verteidigung ausgehandelten Ergebnis mangels realistischer Alternativen schließlich zustimme.
455 Vgl. hierzu bereits oben C.I.6.a.dd.(6).

78
vom Staatsanwalt, der die Fälle und Ermittlungsergebnisse an die grand jury
übergibt. 456
Eine wirkliche Kontrolle durch die grand jury ist somit nicht gegeben 457 , nach
einhelliger Meinung dominiert der Staatsanwalt die grand jury, die ihre Aufgabe
als unabhängiges Gremium zur Kontrolle staatsanwaltlicher Entscheidungen
nicht mehr richtig ausüben kann. Autoren rechnen schon seit geraumer Zeit mit
der schrittweisen Abschaffung der grand juries. 458
dd. Exkurs: Verfahrenseinstellung beim „preliminary hearing“ durch das Gericht
Dieses Verfahren dient – ähnlich dem deutschen Zwischenverfahren vor dem
Eröffnungsbeschluss – einer richterlichen Überprüfung der staatsanwaltlichen
Anklageentscheidung auf deren Stichhaltigkeit („probable cause“). Gem. Rule 5
des föderalen Strafprozessrechts 459 hat der Richter in diesem Stadium eine Prüfung
der Beweislage vorzunehmen und, soweit er nicht von „probable cause“
der Anklageentscheidung des Staatsanwaltes überzeugt ist, das Verfahren einzustellen.
460
ee. „nolle-prosequi“/ „dismissal“: Verfahrenseinstellung vor oder in der Hauptverhandlung
Die Möglichkeit, einmal eingeleitete Verfahren nach der förmlichen Anklageerhebung
durch einfache Erklärung, ein sog. „nolle prosequi“ wieder zu beenden,
geht auf das Recht des attorney general im auf der Privatklage basierenden
common-law zurück. Zwar wurde dieses Recht, nachdem es zunächst von den
Staatsanwälten übernommen worden war, in einigen Einzelstaaten durch Gesetzgeber
und Rechtsprechung 461 offiziell wieder abgeschafft, dennoch kann der
Staatsanwalt faktisch durch die Abgabe einer Erklärung bzw. eines entsprechenden
Antrages ein „nolle prosequi“ oder „dismissal“ (Fallenlassen der Anklage)
des Gerichtes auch weiterhin unproblematisch erreichen, da ein Richter seine
Zustimmung zur Einstellung nur selten verweigern wird, wenn dem Staat nichts
mehr an der Strafverfolgung liegt. 462 Allerdings muss der Richter zumindest
456 In welchen Fällen der Staatsanwalt das Verfahren über die grand jury abwickeln muss oder
alternativ selbst bei Gericht anklagen kann, ist nicht ganz unumstritten, vgl. hierzu umfassend
McMahon: Limitations on state prosecuting attorney´s discretion to initiate prosecution by indictment
or by information, 44 A. L. R. 4th 401.
457 So auch Weigend in Jescheck, S. 659 ff., mit Tabelle über (geringe) Einstellungsquoten; so
im Ergebnis auch Dengler, S. 235 f.
458 Jacoby, The American prosecutor´s discretionary power, 31-DEC Prosecutor 25, 39 f.
m.w.N.; vgl. hierzu schon oben C.I.6.a.dd.(6).
459 Fed.R. Crim. P. 5, 5.1.
460 Die Einzelstataaten verfügen meist über ähnliche Regelungen, vgl. z.B. für Wisconsin: Wis.
stats sec. 970.03(7)-(10).
461 Vgl. z.B. für Wisconsin: State v. Kenyon, 85 Wis. 2d 36: ein Fallenlassen der Anklage ist
nur möglich, wenn dies im öffentlichen Interesse ist und das Gericht zustimmt.
462 Weigend in Jescheck, S. 621 f.; vgl. auch Comment, 25 Am. U.L. Rev. 754, 784, Fn.157.

79
nach föderalem Prozessrecht die Zustimmung zu einer nachträglich erst im Prozess
reduzierten Anklage nicht erteilen, soweit die schwerere Tat schon angeklagt
war und der Richter der Überzeugung ist, dass der Staatsanwalt bei seiner
Überlegung zur Reduzierung der Anklage wesentliche Faktoren, die im öffentlichen
Interesse zu beachten gewesen wären, nicht beachtet hat. 463 Auf föderaler
Ebene räumt Art 48 (a) der Rules of Federal Procedure Gerichten ein Ermessen
ein, ob sie einem nolle prosequi des Staatsanwaltes stattgeben wollen. Die Regelung
ist zum Schutz des Angeklagten gedacht, der vor einer mehrmaligen Anklage
geschützt werden soll, da durch ein nolle prosequi kein Strafklageverbrauch
im Sinne eines sog. „double jeopardy“ eintritt. In der Praxis wird der
Wunsch des Staatsanwaltes nach einem dismissal nur dann nicht gewährt, wenn
dieser aus unlauteren Motiven handelt. 464
Macht der Staatsanwalt von seinem Recht Gebrauch und spricht ein sog. nolle
prosequi aus, so verliert das Gericht seine funktionelle Zuständigkeit und darf
mit dem Verfahren nicht fortfahren.
b. Diversion - Das amerikanische Gegenstück zur deutschen Einstellung gegen
Auflagen?
Im Rahmen der sog. „diversion“-Programme 465 soll sich der Angeschuldigte die
Einstellung des Strafverfahrens gegen ihn durch die Teilnahme an bestimmten
Programmen (Wiedergutmachung, Teilnahme an einem Schlichtungsprogramm,
Verhaltenstherapie o.ä.) „verdienen“.
Die Entscheidung hierüber liegt in den USA beim Staatsanwalt 466 , der hierfür
geeignete (untersagt ist diversion in der Regel nur für hartnäckige Wiederholungstäter,
Drogenabhängige etc.) 467 Fälle auswählt und die Beschuldigten an
die entsprechende, zumeist kommunale oder private Organisationen zuweist.
Bedenklich erscheint dies deshalb, weil im Vorfeld keinerlei Verfahren zur Abklärung
der tatsächlichen Schuld stattfindet. Auch der unschuldige Beschuldigte
wird sich, entsprechend der Situation beim sog. plea bargaining und in Deutschland
bei § 153a StPO, somit überlegen, ob er ein Strafverfahren mit ungewissem
Ausgang riskiert oder sich doch lieber der Teilnahme an einem Programm, die
zumindest eine Sanktion planbaren Ausmaßes darstellt, unterwirft.
Damit erfüllt der amerikanische Staatsanwalt die klassische Richter-Rolle: er
betreibt Strafzumessung. 468
463
FED.R.CRIM.P. 11, vgl. auch United States v. Ammidown, 497 F. 2d 615, 622.
464
U.S. v. Smith, 55 F. 3d 157.
465
Vgl. hierzu im einzelnen: USAM 9-22.000 zum „pretrail diversion program“.
466
Vgl. hierzu :USAM 9-22.100: „The US-Attorney, in his/her discretion, may divert any individual
against whom a prosecutable case exists….“. Der Unterschied zum deutschen § 153a StPO
besteht hier hauptsächlich darin, dass der Staatsanwalt in den USA praktisch fast jedes Delikt
durch „diversion“ erledigen kann.
467
USAM 9-22.100 Nr. 1–5.
468
Näheres bei Weigend in Jescheck, S. 639 ff.

80
2. Korrektiv durch Einflussnahme des Verletzten
a. Strafanzeige
In fast allen Jurisdiktionen in den USA besteht die Möglichkeit, eine Strafanzeige
(„information“) in Form eines Eides („oath“), einer schriftlichen eidlichen
Erklärung („affidavit“), einer Beschwerde („complaint“) o.ä. vor einer Amtsperson,
die die Angelegenheit dann weiter bearbeitet, abzugeben. Gegen den Beschuldigten
werden dann ggf. weitere Maßnahmen ergriffen, z.B. der Erlass eines
Haftbefehls („arrest“), der in den USA fast immer den Startpunkt einer strafrechtlichen
Ermittlung setzt. 469
Obwohl hier die Gesetzgebung nicht in allen Staaten der USA einheitlich ist, so
reichen complaint oder information oft aus, um die Strafverfolgung wegen eines
Vergehens in Gang zu setzen. Für die strafrechtliche Verfolgung eines Verbrechens
ist in der Regel ein zusätzliches Dokument, das sog. „indictment“ oder
„information“, vergleichbar der deutschen Anklageschrift, welches normalerweise
nach einer ersten Anhörung („preliminary hearing“) vor dem Amtsrichter
oder der grand jury ausgestellt wird, notwendig. In wenigen Staaten ist es jeder
Person, einschließlich des Verletzten, bei geringeren Vergehen möglich, einen
Strafantrag direkt an das Amtsgericht („magistrate“) zu stellen, wo der Richter
dann entscheidet, ob er den Fall zur Entscheidung annimmt. In anderen Staaten,
genauso wie im föderalen System, wird vor einer Abgabe des complaints an die
Gerichte eine Überprüfung durch den Staatsanwalt gefordert („preliminary review“).
Auf diese Möglichkeit eines jeden Bürgers wie auch des Verletzten zur Stellung
einer Strafanzeige wird in der Folge nicht näher eingegangen. Zwar wird hierdurch
möglicherweise den Anfangspunkt für eine strafrechtliche Ermittlung gesetzt,
die bloße Strafanzeige bewirkt aber in aller Regel nicht die unmittelbare
Befassung eines Gerichtes mit dem Fall und stellt keinen Rechtsbehelf gegen
eine negative Anklageentscheidung des Staatsanwaltes dar.
b. Zwei Wege und eine Alternative für den Verletzten
Opfern von Straftaten stehen grundsätzlich zwei verschiedene Wege zur Verfügung,
die negative Anklageentscheidung des Staatsanwaltes anzugreifen bzw.
faktisch außer Kraft zu setzen und „ihren“ Fall vor Gericht zu bringen: zum einen
wäre dies die Herbeiführung einer gerichtlichen Überprüfung der Einstellungsentscheidung
des Staatsanwaltes, vorliegend dargestellt unter dem Punkt
aa., zum anderen ein direkter Zugang zu den Gerichten, ohne Einholung/ Beachtung
einer staatsanwaltlichen Entscheidung, nachfolgend dargestellt unter dem
Punkt cc.. Dabei taucht der Begriff des „standing“, gemeint ist die Legitimation
469 Rule 3 of the Federal Rules of Criminal Procedure: Danach ist das Verfassen eines “complaints”
durch eine Privatperson nicht verboten, wenn auch die Justizkommission der Vereinigten
Staaten in diesen Fällen die Weiterleitung an den Staatsanwalt empfiehlt, vgl. Pugach v. Klein,
193 F Supp. 630.

81
zur Durchsetzung seiner Rechte, vor Gericht auftreten zu können 470 , in beiden
Alternativen auf: in beiden Fällen meint er den direkten Zugang des Opfers zu
Gericht, wobei in ersterem Fall nur die staatsanwaltliche Entscheidung überprüft,
in letzterem aber direkt zur Hauptsache verhandelt würde. Da in den USA
zumindest in einigen Staaten als offizielle Anklagebehörde nach wie vor die
sog. grand jury tätig wird 471 , wird unter bb. als kleiner Exkurs die Alternative
eines direkten Zuganges zur grand jury angesprochen, um evtl. unter Umgehung
des Staatsanwaltes eine Anklageerhebung zu erreichen.
Eine klare Abgrenzung von Rechtsbehelfen ist, insbesondere weil im amerikanischen
Strafprozessrecht Formalien weitgehend fehlen und daher eine Aufarbeitung
fast nur anhand von stark differierenden, sich teilweise widersprechenden
Gerichtsentscheidungen möglich ist, nicht leicht zu treffen, die Grenzen sind
fließend. Dazu kommt, dass die Problematik stark umstritten und angesichts des
Trends zur Verbesserung von Opferrechten zunehmendem Wandel unterworfen
ist. Wenn in der weiteren Darstellung vom Verletzten als Kläger oder Antragsteller
gesprochen wird, so ist damit der Verletzte selbst, oder, wie es sich in
den meisten Fällen darstellt, sein anwaltlicher Vertreter gemeint.
aa. Überprüfung der staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung durch die Gerichte
472
Ein formalisiertes, gesetzlich festgeschriebenes Verfahren zugunsten des Verletzten
vergleichbar dem deutschen Klageerzwingungsverfahren existiert praktisch
nicht. Zwar gibt es in wenigen Staaten gesetzliche Regelungen, in denen
die Kontrolle der staatsanwaltlichen Anklageentscheidung sogar gesetzlich
normiert wird 473 , der praktische Nutzen für den Verletzten scheitert schon daran,
dass der amerikanische Staatsanwalt keine strenge Pflicht zur Anklageerhebung
470
Vgl. hierzu oben bereits C.I.5.c.
471
Wenn auch eine eigenständige Entscheidung, wie oben bereits dargestellt, in der Praxis eher
unüblich ist, vgl. oben C.I.6.a.dd.(6).
472
Vgl. hierzu auch Dengler, S. 254 ff.
473
Eine solche auf den ersten Blick vielversprechende Regelung gibt es zum Beispiel in Michigan
mit Mich. Comp. Laws § 767. 41 (1990): Demnach muss der prosecutor seine Gründe für die
Ablehnung einer Anklage schriftlich fixieren, falls das Gericht mit diesen Gründen nicht zufrieden
ist, so kann es den prosecutor anweisen, die Anklage dennoch zu erstellen und somit den Fall vor
Gericht zu bringen. Diese Regelung wurde jedoch in gewohnter Manier von der Rechtsprechung
interpretiert in Genesee County prosecutor v. Genesee Circuit judge, 391 Mich. 115, 121: das Gericht
darf die staatsanwaltliche Entscheidung nur aufheben, wenn ein Ermessensmissbrauch der
Staatsanwaltschaft gegeben ist.; ebenso verhält es sich mit ähnlichen Gesetzen, vgl. z.B. Colo.
Rev. Stat.16-5-209 (Colorado 1990), hierzu Tooley v. District Court, 190 Colo. 468, 549; oder Pa.
R. Crim. P. 133(b) (2) (Pennsylvania 1989), hierzu Com. V. Eisemann, 276 Pa. Super. 543 und
Com. v. Benz, 523 Pa. 203, 209 f. 1984 wurde vom Wyoming Supreme Court eine Regelung
(Wyo. Stat.§ 7-6-110), wonach das Gericht im Falle der Unzufriedenheit mit der staatsanwaltlichen
Entscheidung diesen anweisen konnte, Anklage zu erheben, wegen Verstoßes gegen den
Grundsatz der Gewaltenteilung aufgehoben, vgl. In re Padget, 678 P. 2d 870.

82
kennt 474 und sich eine richterliche Überprüfung damit in der Weite der staatsanwaltlichern
Ermessensentscheidung verläuft. Obwohl das „Standing“ von
Verbrechensopfern immer wieder abgelehnt wurde, haben Verletzte auf verschiedenen
Wegen praktisch fortwährend versucht, über die Anfechtung der
staatsanwaltlichen Einstellungsentscheidung mit „ihrem“ Fall Zugang zu den
Gerichten zu erlangen. Zumeist erfolgt dies formell durch die Einreichung eines
oben schon erwähnten complaints direkt bei Gericht, einer Art Beschwerde mit
Abhilfeersuchen, die in den meisten Verfahrensordnungen nicht kodifiziert, aber
dennoch in vielen Staaten anerkannt ist. Ziel der Beschwerde ist die Erlangung
einer gerichtlichen Weisung an den Staatsanwalt.
(1) Mandamus - Verbindliche richterliche Weisung als amerikanisches Klageerzwingungsverfahren?
Der der Intention des deutschen Klageerzwingungsverfahren am nächsten kommende
Rechtsbehelf des amerikanischen Verletzten ist der Versuch, mittels eines
„writ of mandamus“, einer obligatorischen richterlichen Weisung an den
Staatsanwalt, eine Anklage zu erzwingen. Amerikanische Gerichte haben writs
of mandamus traditionell erlassen, um der Verwaltung die Pflicht zur Vornahme
einer bestimmten Handlung aufzuerlegen. 475
Die Voraussetzungen für den Erlass eines mandamus sind im föderalen Recht
kodifiziert 476 und werden im common law in etwa wie folgt umrissen:
- Die rechtliche Pflicht zur Ausführung einer gebundenen (nicht im
Ermessen stehenden) Diensthandlung,
- eine Aufforderung, diese Handlung durchzuführen, und
- die Weigerung der Behörde oder Amtsperson, die Handlung durchzuführen.
477
Dabei wird eine Handlung, die nicht im Ermessen steht oder als „dienstlich“
einzustufen ist, immer dann angenommen, wenn die von einer Amtsperson
durchzuführende Handlung durch ihre rechtliche Grundlage mit einer derart hohen
Präzision und Sicherheit beschrieben wird, dass keinerlei Raum für eine
eigene Beurteilung oder ein Ermessen verbleibt. 478 Falls es sich um die Durchsetzung
einer rechtlichen Pflicht handelt, so wird mandamus nur gewährt, wenn
474
Wie oben, vgl. C.I.6., dargestellt, kann der Staatsanwalt die Anklageerhebung faktisch aus
allen möglichen, auch sachfremden Erwägungen ablehnen, sofern er sich dadurch nicht selbst
strafbar macht.
475
Siehe exemplarisch Walker v. Packer, 827 S. W. 2d 833, 839, für Texas.
476
28 U.S. C. § 1361: „…to compel an officer or employee of the United States…. to perform a
duty owed to the plaintiff”.
477
Z.B. Stoner v. Massey, 586 S. W. 2d 843, 846; Dallas County Appraisal Dist. v. Funds Recovery
Inc., 887 S. W. 2d 465, 467, note 5 (Erlass eines mandamus zurückgewiesen).
478
State Bar of Tex v. Heard, 603 S. W. 2d , 829, 832, für Texas; aus der Gesetzesentwicklung
der föderalen Mandamusvorschrift geht hervor, dass im Regelfall die Gerichte weder das Ermessen
des Amtsträgers beeinflussen, noch diesbezüglich Anweisungen geben sollten.

83
der Anspruchssteller nachweist, dass er in rechtlicher Hinsicht ausdrücklich berechtigt
ist, die Handlung, die durchgesetzt werden soll, zu verlangen. 479
Einige Gerichtsentscheidungen zur Frage der gerichtlichen Überprüfbarkeit negativer
staatsanwaltlicher Entscheidungen nach Antrag des Verletzten werden
nachfolgend zum besseren Verständnis dargestellt, wobei eine kleine Auswahl
exemplarischer, oft zitierter Entscheidungen, die die Problematik jeweils aus
einer etwas anderen Perspektive beleuchten, vorgenommen wurde. 480
(a) Linda R.S. v. Richard D. 481
In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Mutter eines unehelichen Kindes neben
einigen anderen Anträgen versucht, mittels einer „injunction“, also eines
einstweiligen Rechtsbehelfs, den district attorney durch ein gerichtliches Verbot
(„court order“) zu zwingen, ein Strafverfahren gegen den Vater ihres Kindes
wegen Nichtleistung gesetzlich geschuldeter Unterhaltszahlungen fortzuführen.
Dabei bezog sie sich auf ein Gesetz des Staates Texas, wonach es eine Straftat
ist, für ein Kind keinen Unterhalt zu leisten. Die Gerichte in Texas hatten das
Gesetz fortlaufend so ausgelegt, dass es nur eheliche Kinder betraf. Die Klägerin
sah sich bzw. ihr uneheliches Kind, für das der Vater sich weigerte, Unterhalt
zu leisten, in ihren Rechten beeinträchtigt und meinte, das Gesetz, seinem
Wortlaut nach alle Kinder umfassend, müsse so ausgelegt werden, dass es auch
für uneheliche Kinder Anwendung finde. Demzufolge müsste der Staatsanwalt
auch Anklage gegen den Unterhaltschuldner erheben. Der zuständige Staatsanwalt
hatte sich dagegen unter Berufung auf die gängige Rechtsprechung angeschickt,
das Verfahren einzustellen.
Grundsätzlich, so bekräftigte das Gericht seine ablehnende Entscheidung,
stehe keinem Bürger ein rechtlich einklagbares Interesse an der strafrechtlichen
Verfolgung oder der strafrechtlichen Nichtverfolgung eines anderen Bürgers zu.
Obwohl die Klägerin nachweisen konnte, dass sie durch den Verstoß gegen Unterhaltspflichten
in akute finanzielle Probleme geraten war, entschied das Gericht,
ihr fehle schon das standing, also die Legitimation, die Entscheidung des
district attorneys, keine Anklage zu erheben, anzugreifen, weil keine direkte
Verbindung („direct nexus“) zwischen ihrem behaupteten Interesse und der
Strafverfolgung des Kindsvaters bestünde. Die strafrechtliche Verfolgung des
Vaters verbessere die Situation der Mutter hinsichtlich der erstrebten Zahlungen
nicht, da der Vater im Falle einer Verurteilung inhaftiert, und nicht etwa gezwungen
würde, Unterhaltszahlungen zu leisten. Die möglichen Auswirkungen
eines Strafverfahrens auf das Zahlungsverhalten des Vaters seien unsicher. Dem
widersprach ein Richter, Justice White, in seiner „dissenting opinion“ (von der
Mehrheitsentscheidung abweichende Ansicht, die am Ende des Urteils dargestellt
wird): er gehe durchaus von einer positiven Auswirkung drohender straf-
479 Callahan v. Giles, 155 S. W. 2d 793, 795; Ramirez v. Flores, 505 S. W. 2d 406, 411.
480 Vgl. aber auch z.B. U.S. v. Cox, 342 F. 2d 167: ein Gericht kann den Staatsanwalt nicht
zwingen, eine Anklageschrift zu unterschrieben.
481 410 U.S. 614.

84
rechtlicher Schritte auf das Verhalten des Nichtzahlers aus, ein schützenswertes
Interesse sei deshalb zu bejahen, und der Antragstellerin „standing“ zu gewähren.
482
Da der Fall bereits an dieser Stelle entschieden war, wurde die Frage nicht mehr
behandelt, ob tatsächlich eine Weisung des Gerichts an den prosecutor ergangen
wäre, dies ist zumindest stark zu bezweifeln, wie die nachfolgende Entscheidung
zeigt.
(b) Inmates of Attica Correctional Facility v. Rockefeller 483
Eine engere Verbindung zwischen behauptetem Interesse und Strafverfolgung
sahen die Richter des Second Circuit Court of Appeals in einem anderen Fall,
bei dem Insassen eines Gefängnisses, ehemalige Insassen und die Mutter eines
bei dem streitgegenständlichen Gefängnisaufstand Getöteten schwere Vorwürfe
gegen das Gefängnispersonal und z.T. hohe Amtsträger erhoben und glaubhaft
machten, sie hätten in der Vergangenheit Verletzungen erlitten und diese würden
andauern, bis die Verantwortlichen strafrechtlich belangt würden. Sie versuchten
deshalb, sowohl föderale als auch staatliche (New York) Stellen zu Ermittlungen
zu zwingen, indem sie durch eine Order des Gerichts („court order“)
dazu angewiesen würden. Zur Durchführung der Ermittlungen sollte vom Gericht
ein unparteilicher prosecutor bestellt werden, da der jetzt eingesetzte Ermittler
zwar an dem Aufstand beteiligte Insassen des Gefängnisses strafrechtlich
verfolge, nicht aber die genannten Amtsinhaber, die sich im Zuge der Aufstände
strafbar gemacht hätten.
Dieses Begehren wurde in erster und zweiter Instanz vom Gericht mit der Begründung
zurückgewiesen, es gebe keinen Anspruch der Antragsteller, aufgrund
dessen sie Abhilfe verlangen könnten. Zudem sei eine derartige richterliche
Kontrolle über die Strafverfolgungsbehörden nicht möglich, Richter seien keine
„superprosecutors“.
Dabei wurde in der Urteilsbegründung das Problem aufgeworfen, ob die föderale
Justiz auf Antrag von Verletzten hin föderale und staatliche Behörden anweisen
sollte, bestimmte Personen, denen Verstöße gegen Strafrechtsvorschriften
vorgeworfen werden, strafrechtlich zu verfolgen. Die Richter stellten dabei in
Abgrenzung zu dem zuvor dargelegten Fall Linda 484 fest, dass Personen, bei denen
eine Strafverfolgung nutzen würde, um weiteren Schaden abzuhalten, eine
stärkere Verbindung zwischen ihrem persönlichen Interesse des Schutzes vor
einer weiteren Verletzung und der Strafverfolgung hätten, als jemand der, wie
die Antragstellerin in Linda 485 , die Strafverfolgung als Druckmittel benutzen
wolle, um eine bestimmte Handlung zu erzwingen. 486 Trotz dieser Differenzie-
482
Linda R.S. v. Richard D., 410 U.S. 614, 619.
483
477 F. 2d 375, 378.
484
410 U.S. 614.
485
410 U.S. 614.
486
Das Gericht gab an, hinsichtlich der Standing-Problematik würden “troublesome questions”
aufgeworfen, das Gericht ging in Inmates of Attica Correctional Facility v. Rockefeller, 477 F. 2d

85
rung und der Anerkennung eines grundsätzlich schützenswerten Interesses wies
das Gericht das Anliegen der Gefangenen mit der Begründung zurück, die Gewaltenteilung
erlaube keine Einmischung der Gerichte in die Exekutive. Überdies
stellte das Gericht fest, dass das Opfer einer Straftat ohnehin nur dann eine
Chance habe, das strafrechtliche Verfahren, natürlich vorausgesetzt den Fall, es
liegt „probable cause“ vor, zu erzwingen, wenn es darlegen kann, dass ein vorheriges
zivilrechtliches Vorgehen mittels einer einstweiligen Verfügung nicht
dazu geführt hat, den Täter zu stoppen. 487
(c) Aschermann v. Bales 488
Der Fall wurde von einem Berufungsgericht in Kalifornien schon 1969 entschieden
und wird als Grundlagenentscheidung noch heute sehr oft angegeben.
Vorgehend war ein Beschluss des Superior Court, County of Marin, den Antrag
eines Klägers, der den district-attorney durch eine bindende gerichtliche Anweisung
bzw. Gerichtsbefehl, ein „mandamus“ oder „writ of mandate“ verpflichten
wollte, eine gewisse, namentlich benannte Person wegen Meineids strafrechtlich
zu verfolgen und zu belangen. Der Kläger, ein Arzt, wollte mit seiner gegen den
Staatsanwalt gerichteten Klage eine Anklage gegen eine Person erzwingen, die
sich im Laufe eines behördlichen Verfahrens, das sich mit der Bewerbung des in
Kalifornien zur Berufsausübung zugelassenen Chirurgen im Marin General
Hospital befasste, angeblich, die Behauptung blieb im Prozess unwidersprochen
und wurde somit als zugestanden angesehen, einer eidlichen Falschaussage
schuldig gemacht hatte. Obwohl der Kläger dem Staatsanwalt den Sachverhalt
mitgeteilt und diesen zur Strafverfolgung aufgefordert hatte, es bestand eine entsprechende
behördliche Regelung, die vorschrieb, dass „der Bezirksstaatsanwalt,
sollte er Informationen über die Begehung von Delikten haben, gegen die
ausreichend verdächtige Person Schritte bzgl. einer Verhaftung vor dem Amtsgericht
unternehmen soll“ 489 , blieb dieser untätig, was der Kläger wiederum als
Ermessensmissbrauch deutete. Die Berufung wurde zurückgewiesen, eine Petition
des Klägers bzgl. einer Anhörung vor dem Supreme Court nicht zugelassen.
Das Gericht entschied hinsichtlich des Einwand des Klägers, das Unterlassen
des Staatsanwaltes, eine Strafverfolgung wegen Meineids einzuleiten, sei ein
Ermessensmissbrauch, der nicht durch richterliche Anweisung behoben werden
könne. Es sei unzweifelhaft, dass, außer in dem Fall, in dem ein Gesetz ausdrücklich
die Möglichkeit einer solchen Anweisung vorsehe, ein Staatsanwalt
mit unbeschränkter Ermessensmacht ausgerüstet sei, die ein Gericht nicht mittels
mandamus kontrollieren könne. 490 Obwohl das Gesetz 491 die Klausel enthal-
375, 379, diesen Fragen aber letztlich erfolgreich aus dem Weg, indem es eine Ablehnung aus
anderen Gründen vornahm.
487
Inmates of Attica Correctional Facility v. Rockefeller, 477 F. 2d 375, 378
488
273 Cal. App. 2d 707.
489
Ascherman v. Bales, 708 Cal. Rptr. 445, 446.
490
Unter Verweis auf: Board v Supervisors of Los Angeles County v. Simpson, 36 Cal. 2d 671;
Taliaferro v. Locke, 182 Cal. App. 2d 752 u.a.
491
Gov. Code Cal. Section 26501.

86
te, dass der Staatsanwalt die Strafverfolgung von Personen aufnehmen solle
(„shall institute proceedings…“), die einer Straftat beschuldigt oder hinreichend
verdächtig seien, wenn er hierüber Kenntnis erlangte, so mache doch der Gebrauch
des Wortes „shall“ klar, dass es sich dabei um eine Pflicht mit Ermessengebrauch
handele.
Schon im Jahr 1893 hatte sich das kalifornische Supreme Court rechtssetzend
geweigert 492 , ein „sinn- und fruchtloses“ Mandamus gegen die Untätigkeit eines
district attorney zu erlassen, da dieser über Ermessen verfüge, das gerichtlicherseits
nicht zu überprüfen sei. Sollte sich allerdings der Staatsanwalt vorsätzlich,
in korrupter oder unentschuldbarer Art und Weise weigern, in seiner Zuständigkeit
liegenden Pflichten zu erfüllen, so könne er wegen „non- bzw. malfeasance“
im Amt belangt werden.
(d) Pugach v. Klein 493
Noch deutlicher äußerte sich zur Problematik ein föderales Gericht im Jahr
1961. In dem zugrunde liegenden Fall hatte Pugach, ein von der Rechtsanwaltskammer
ausgeschlossener ehemaliger Rechtsanwalt, versucht, mittels mandamus
den United States attorney zu zwingen, einen New York-police-officer, einen
assistant district attorney und einen county-Richter strafrechtlich zu verfolgen,
die er beschuldigte, gemeinschaftlich konspirativ und unter Verstoß gegen
ein bestimmtes Abhörgesetz 494 seine Telefongespräche abgefangen, aufgenommen
und diese so verfälscht dem Gericht und einer Zeitung zugänglich gemacht
zu haben, dass dies schließlich seine Verhaftung und Inhaftierung zur Folge gehabt
habe. Dabei beschwerte er sich massiv über den United States attorney, der
es trotz seiner mehrmaligen Aufforderungen und Beschwerden willkürlich unter
Verletzung seiner Berufspflichten und zum Nachteil des Antragstellers unterlassen
habe, geeignete Schritte gegen die Beschuldigten zu ergreifen und Anklage
gegen sie zu erheben.
Das Gericht lehnte den Erlass des mandamus aus Zuständigkeitsgründen ab 495 ,
nahm aber auch inhaltlich vernichtend für den Antragsteller Stellung: es sei definitiv
nicht Sache der Gerichte, dem United States attorney vorzuschreiben,
welche Pflichten er nach Meinung des Gerichtes habe. Dieser sei nicht eine bloße
Durchgangsstation nach Erhebung eines complaints durch den Bürger, sondern
habe vielmehr eine eigenständige Entscheidung zu treffen, ob er einen Fall
weiter verfolgen wolle, was sicherlich von zahlreichen Faktoren wie u.a. der
Schwere der Tat, Glaubwürdigkeit der Zeugen, der vorhandenen Präzedenzfälle,
politischen Erwägungen sowie der öffentlichen Meinung zum Fall abhänge. Wie
492 Boyne v. Ryan, 100 Cal. 265.
493 193 F. Supp. 630.
494 Communications Act of 1934, 47 U.S.C.A., sections 501, 605.
495 Dabei war fraglich, ob ein föderales Gericht ein mandamus überhaupt aussprechen könne,
oder ob dies als unerlaubte Einmischung in die einzelstaatliche Justiz gewertet würde, verneinend
schon 1913 Mc. Intire v. Wood, 7 Cranch 504; Restzweifel wurden durch die gesetzliche Abschaffung
des writs of mandamus beseitigt, rule 81 (b) Federal rules of civil procedure, 28 U.S.C.A.

87
genau die Fälle nach diesen Basis-Kriterien geprüft würden, zeige schon die
Tatsache, dass 97% aller angeklagten Fälle im Distrikt entweder damit endeten,
dass sich der Angeklagte schuldig bekenne oder verurteilt würde. Die Gerichte
hätten keine Macht, in das Gefüge der sorgfältigen Abwägungen, die der prosecutor
vorzunehmen habe, einzugreifen, und zwar ganz gleich, aus welchem
Grund er nicht tätig würde. Ebenso wenig habe ein privater Bürger das Recht,
die Durchsetzung des Gesetzes in die eigenen Hände zu nehmen, wenn der
Staatsanwalt untätig bleibe, und zwar gleichgültig, aus welchem Erwägungen
heraus oder ob es überhaupt einen Grund dafür gebe. 496
Damit sprechen föderale Gerichte dem Verletzten praktisch jegliche Möglichkeit
ab, ohne oder gegen den Willen des Staatsanwaltes eine strafrechtliche Verfolgung
eines anderen durchzusetzen. 497
(2) Fazit: Kein Durchdringen des Verletzten vor Gericht
Mit den oben genannten und ähnlichen Entscheidungen 498 trifft die amerikanische
Rechtsprechung, zumindest derzeit, wobei in jüngerer Zeit durchaus etwas
Bewegung in das Thema gekommen ist, wie die erstzitierten obigen Entscheidungen
zeigen, eine klare Absage an eine gerichtliche Überprüfung staatsanwaltlicher
Ermessensentscheidungen.
Im Falle der Untätigkeit des Staatsanwaltes haben die Gerichte traditionell 499
eine derartige Einflussnahme verweigert: „The remedy for the inactivity of the
prosecutor is with the executive and ultimately with the people.“ 500 Die fast unbeschränkte
Ermessensmacht des prosecutors wurde fortwährend betont. Es
wurde eindeutig festgestellt, dass keine Pflicht des Staatsanwaltes bestehe, jede
Straftat zu verfolgen, so wie es vielleicht ein Betroffener tun würde, der die
Strafverfolgung eines Anderen begehrt. 501 Die amerikanischen Gerichte, die
aufgrund der common-law-Tradition in den USA weitaus größeren Einfluss auf
die Rechtssetzung haben als beispielsweise die deutschen Gerichte, weigern
sich, das Ermessen der Staatsanwaltschaft zu überprüfen und auf diese Art und
Weise Einfluss zu nehmen.
Sämtliche Entscheidungen zu dieser Problematik lassen sich letztendlich auf
einen Punkt reduzieren: Als Begründung für die mangelnde Überprüfbarkeit von
staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen wird immer wieder die Gewaltenteilung
angeführt, wobei die Gerichte der Judikative und die Staatsanwaltschaften
496 Pugach v. Klein, 193 F. Supp. 630, 635.
497 So auch z.B. Powell v. Katzenbach, 359 F. 2d 234: ein mandamus darf nicht das Ermessen
des Attorney General, Anklage zu erheben, kontrollieren.
498 Solche oder ähnliche Entscheidungen finden sich auch in jüngerer Zeit in fast allen Bundesstaaten:
z.B. für Ohio: The state ex rel Evans v. Columbus department of law, 83 Ohio St. 3d 174.
499 So schon z.B. Wilson v. County of Marshall, 257 Ill.App. 220 (1930); vgl. auch People v.
Berlin, 316 N.Y.S. 2d 114; State v. LeVien, 44 N. J. 323; People v. Adams, 117 Cal. Reptr. 905.
500 Milliken v. Stone, 7 F. 2d 397, 399.
501 Taliferro v. Locke, 182 Cal. App. 2d , 752.

88
der Exekutive 502 zugeschlagen werden. In den Bereich der Exekutive dürfe die
Judikative aber nur eingreifen, wenn diese ganz offensichtlich gegen das Wohl
der Öffentlichkeit handle. Die Trennung der Gewalten ist in den USA auch verfassungsrechtlich
verankert, so heißt es z.B. in der Verfassung von Massachusetts
503 : „In the government of this Commonwealth, the legislative department
shall never exercise the executive and judicial powers, or either of them: the executive
shall never exercise the legislative and judicial powers, or either of
them; or the judicial shall never exercise the legislative and executive powers, or
either of them; to the end, it may be a government of laws and not of men.”
Somit hat in aller Regel der Staatsanwalt die alleinige Entscheidungsbefugnis,
ob die Straftat weiter verfolgt wird oder nicht. 504 Eine gerichtliche Einmischung
in dieses staatsanwaltschaftliche Ermessen wird als Verstoß gegen die Gewaltenteilung
gewertet. Zudem haben Gerichte bisher stets Opfern ein „standing“
im Strafprozess verweigert.
bb. Exkurs: Direkter Zugang zur grand jury
In einigen Staaten steht dem Verletzten, der den Staatsanwalt nicht überzeugen
konnte, Anklage zu erheben, das Recht zu, vor der grand jury zu erscheinen und
seine Kenntnisse über ein kriminelles Verhalten dort selbst vorzutragen, bzw.
zumindest mit der grand jury auf irgendeine Art Verbindung aufzunehmen. 505
Obwohl es weitgehend unklar ist, in welcher Weise man sich hierzu am besten
der grand jury annähern sollte, so wird meist empfohlen, sich mit dem Vorsitzenden
der grand jury in Verbindung zu setzen, um eine Zulassung zu erhalten.
506 Allerdings ist es in vielen Staaten nicht möglich, Beschwerde oder Anklage
zur grand jury zu erheben und es wird als rechtswidrig angesehen, mit der
grand jury überhaupt nur in Verbindung zu treten 507 , dies stellt bisweilen sogar
eine Straftat dar. 508
Das Verfahren vor den grand juries ist völlig informal. Interessant in diesem
Zusammenhang ist der Fall Brack v. Wells 509 aus dem Jahr 1944: Ein Bürger
namens Brack brachte beim city court in Baltimore eine Petition bzgl. des Erlas-
502
So. z.B. in Commonwealth v. Pellegrini, 608 N. E. 2d 717, 719 f.; Commonwealth v. Clerk
of Boston Div. of Juv. Ct. Dep´t, 738 N. E. 2d 1124, 1129.
503
Mass. Const. Art. XXX.
504
Klar in dieser Hinsicht: Ex rel Robinson v. Cuyahoga county prosecuting office, 2003 W. L.
1760812 (Ohio App. 8 Dist.), wo ein mandamus des Opfers zurückgewiesen wurde: ein Staatsanwalt
könne nur dann zur Anklage gezwungen werden, wenn die Entscheidung nicht anzuklagen
auf einen Ermessensmissbrauch zurückgehe und es sich um eine völlig unvernünftige, willkürliche
oder unbeabsichtigte Entscheidung handle.
505
Für einen Überblick zu diesem Thema: Wakefield, Individual´s right to present complaint or
evidence of criminal offense to grand jury, 24 A. L. R. 4th 316.
506
Brack v. Wells 40 A. 2d 319.
507
156 A.L.R. 333.
508
Z.B. Re Charge to grand jury, F. cas. No. 18255; People v. Parker, 313 U.S. 560.
509
40 A. 2d 319.

89
ses eines mandamus gegen den zuständigen Bezirksstaatsanwalt für Baltimore
City Wells ein, mit der Begründung, dieser habe es, obwohl ihm die Fakten
mehrmals eindeutig präsentiert worden seien, willkürlich und unter Verletzung
seines Amtseides verweigert, bestimmte, näher benannte dritte Personen wegen
einer widerrechtlichen Verschwörung gegen den Antragsteller sowie verschiedener
Meineide strafrechtlich zu verfolgen. Der Erlass des begehrten mandamus
wurde vom Gericht aus verschiedenen Gründen 510 abgelehnt. Zunächst habe in
formeller Hinsicht das „affidavit“, eine schriftliche eidliche Erklärung des Antragstellers,
gefehlt. Auch seien wichtige Informationen zur Begründung des
angeblichen Verstoßes gegen die behaupteten Delikte nicht vorgetragen worden.
Schließlich wurde die bereits bekannte Begründung angeführt, ein mandamus
könne nicht gewährt werden, weil die Entscheidung des prosecutors in seinem
Ermessen liege, in das das Gericht nicht eingreifen könne, solange nicht ein
grober Ermessensmissbrauch festzustellen sei oder ein zwingendes Eingreifen
des prosecutors von Gesetzes wegen bestehe bzw. zumindest glaubhaft gemacht
werde.
Allerdings scheitere der Erlass eines mandamus noch an einem anderen Grund,
nämlich der Tatsache, dass ein mandamus traditionell da nicht gewährt würde,
wo dem Anspruchsteller andere spezifische und zumutbare Rechtsmittel zustünden.
Hier stehe dem Kläger ein solches Recht zu: er könne sich direkt an die
grand jury wenden. Wie dies ablaufen könne, d.h. ob der Anspruchsteller sich
informal an der Tür des Sitzungssaales postieren oder an den Vorsitzenden der
grand jury mit der Bitte wenden sollte, „seinen Fall“ dort präsentieren zu können,
sei nicht Sache des Gerichts. Es stehe nach dem Eid, den die Jury-
Mitglieder nach dem common-law geleistet hätten, aber fest, dass die grand jury
die vom Staatsanwalt präsentierten Fälle sowie die Fälle, die auf eine andere Art
zu ihrer Kenntnis gelangten, behandeln werde, insoweit sei der Wirkungsraum
der grand jury nicht auf die Fälle beschränkt, in denen zuvor Ermittlungen durch
den Staatsanwalt durchgeführt wurden. Einschränkend räumte das Gericht aber
ein, dass dies möglicherweise ein auf das Staatsgebiet von Maryland beschränktes
Hilfsmittel für den Verletzten sei: so beschränkt die Funktion der grand jury
in diesem Punkt in anderen Staaten auch sei, so sehr habe sie in diesem Staat das
Recht, aus ihrer eigenen Macht und Funktion heraus Anklagen gegen Straftäter
zu erheben, ohne dass zuvor eine andere staatliche Stelle mit der Angelegenheit
befasst sein musste. 511
510 Vgl. hierzu schon obige Ausführungen unter C.II.2.b.aa.
511 Brack v. Wells, 40 A. 2d 319, 322, unter Bezugnahme auf Blaney v. State, 21 A. 547, wo
die grand jury blumig als eine Art Hüterin des Rechtsstaats dargestellt wird: „To them [der grand
jury] is committed the preservation of the peace of the country; the care of bringing light for examination,
trial and punishment, all violence, outrage, indecency, and terror; everything that may
occasion danger, disturbance, or dismay to the citizen. They are watchmen, stationed by the laws
to survey the conduct of their fellow-citizens, and inquire where and by whom public authority has
been violated or the laws infringed”. Heute wird die Praxis der grand juries hingegen überwiegend
kritisch beurteilt, vgl. hierzu schon oben C.I.6.a.bb.(6). Dengler, S. 236, sieht für den Bürger kaum

90
In Minnesota wurde entschieden 512 , dass es zwar einer Privatperson nicht erlaubt
sei, vor der grand jury zu erscheinen und diese zu einer Anklage zu überreden,
es ihr aber, abgesehen von dieser Handlungsweise, freistehe, das Interesse
der grand jury zu wecken. Diese könne den Verletzten dann als Zeugen für
ihre Zwecke laden.
cc. Die Privatklage - Recht des Verletzten auf direkten Zugang zu Gericht
(1) Begrifflichkeit und Einführung
Ein möglicher Rechtsbehelf bei völliger Untätigkeit oder negativer Anklageentscheidung
des Staatsanwalts ist die Privatklage 513 , die in den USA sehr umstritten
ist. Dabei ist zunächst die Begrifflichkeit zu klären: die amerikanische „Privatklage“
(„private prosecution“) berührt im Vergleich zum deutschen System
Fragen der deutschen Privatklage und auch sehr umfänglich den Bereich der
Nebenklage. 514 Der Begriff beschränkt sich zumeist auch nicht auf den Verletzten
als Antragsteller, sondern meint die Popularklage. Nach englischem Vorbild
ist die amerikanische Privatklage nach dem common law in ihrem Ursprung als
prinzipales Privatklagerecht ausgestaltet. Im Hinblick auf die Untrennbarkeit der
Materie im amerikanischen Rechtsverständnis wird generell auf Rechtslage und
Kritik der private prosecution eingegangen und trotz der Abweichung zur gewohnten
deutschen Terminologie die Begriffe „private prosecution“ und „Privatklage“
synonym verwendet. Bei den folgenden Ausführungen ist somit zu
beachten, dass entscheidende Ausführungen und Kritikpunkte an der amerikanischen
„private prosecution“ das Thema der Arbeit, nämlich die Möglichkeiten
des Opfers, eine Anklageerhebung nach negativer Anklageentscheidung des
prosecutors zu erzwingen, lediglich als einen Teil- bzw. Nebenaspekt tangieren.
eine Möglichkeit, eine Anklage über die grand jury zu erreichen, wenn der Staatsanwalt diese ablehnt.
512 Wild v. Otis, 257 N. W. 2d 361.
513 In Abgrenzung zu den oben dargestellten Rechtsbehelfen wird in der Darstellung von „Privatklage“
dann gesprochen, wenn der Prozess im Anschluss an die auf die Bemühungen einer Privatperson
zurückgehende Anklage ausschließlich (entsprechend der deutschen Privatklage, bei der
der Staatsanwalt ein Eintrittsrecht hat) oder neben der Prozessführung durch den prosecutor (dann
eher entsprechend der deutschen Nebenklage) durch den Verletzten bzw. seinen anwaltlichen Vertreter
geführt wird. Bisweilen sind die amerikanischen Ausführungen zur Privatklage auch nicht
auf den Bereich des Verletzten konzentriert, sondern bezeichnen eher eine Art Popularklage. Diese
Unterscheidungen und Verästelungen findet hier keine genauere Berücksichtigung, da Gegenstand
der Arbeit lediglich die Möglichkeit des Verletzten zur Erzwingung des Beginns eines gerichtlichen
Verfahrens ist, nicht aber die Durchführung des Gerichtsverfahrens. Langbein, S. 101, bezeichnet
die deutsche Privatklage wegen der missverständlichen Begrifflichkeit auf englisch als
„citizen prosecution“, ein Begriff, der sich allerdings nicht allgemein durchgesetzt hat.
514 Für eine amerikanische Erläuterung der deutschen Nebenklage: Pizzi / Perron, Crime victims
in German courtrooms, 32 Stan. J. Int´l. L. 37, 54 ff.

91
Die Bandbreite der Meinungen ist groß: Während einige die Privatklage als
absolute Notwendigkeit betrachten 515 , halten andere sie für falsch 516 oder sogar
für verfassungswidrig. 517 In dem auf dem Gegnerprinzip beruhenden Strafrechtssystem
der Vereinigten Staaten („adversarial system“) sind Privatpersonen
generell auf die Rolle des Angeklagten beschränkt. Staatsanwälte agieren im
Auftrag des Staates und füllen die Rolle des Anklägers aus. Dabei haben sie,
wie oben bereits dargestellt, in aller Regel die exklusive Kontrolle über Beginn
und Ausführung des Strafverfahrens. Durch das Rechtsinstrument der Privatklage
würde dem Verletzten die Möglichkeit gegeben, diese Entscheidung des
Staatsanwalts herauszufordern und eine eigene Position im Prozess zu erlangen
(sog. „standing“).
(2) Die historische Entwicklung der Privatklage in den Vereinigten Staaten 518
(a) Von der Privatklage zur staatlich dominierten Strafverfolgung
Zu den ursprünglich vorherrschenden privat finanzierten Anklägern finden sich
relativ wenige Aufzeichnungen. Im englischen Rechtssystem, wo die Angst vor
Willkür der Regierung groß war, war die Anheuerung privater Anwälte durch
Opfer oder ihre Hinterbliebenen gang und gebe. 519 Im kolonialen Amerika dominierten,
nicht zuletzt aufgrund des kontinentalen Einflusses, gegen Ende des
17. Jahrhunderts schließlich staatliche Beamte die Strafverfolgung. Im Jahr
1820 hatten die meisten Staaten örtliche Staatsanwälte eingesetzt, sie führten
weitgehend schon ihre heutigen Titel, z.B. state’s attorney, county attorney, district
attorney, oder commonwealth’s attorney. 520 Aufgrund verschiedener Unzulänglichkeiten
in der öffentlichen Strafverfolgung blieben jedoch privat bezahlte
Strafverfolger ein bedeutendes Element im Strafverfolgungssystem der
Staaten durch das 19. Jahrhundert hindurch.
(b) Unzufriedenheit mit den staatlichen Strafverfolgern
Zentraler Punkt der Unzufriedenheit mit den öffentlichen Strafverfolgern und
die nach wie vor bestehende starke Position der Privat-Ankläger war dabei die
Unerfahrenheit und Inkompetenz der Staatsanwälte. Aus dieser Zeit tauchen
immer wieder Berichte auf, wonach die Staatsanwälte so schlecht bezahlt waren,
dass kaum geeignete Kandidaten für das Amt gewonnen werden konnten. In der
515 McCormack, The need for private prosecutors: an analysis of Massachusetts and New
Hampshire law, 37 SFK. U. L. Rev. 497.
516 Nichols, No one can serve two masters: arguments against private prosecutors, 13 Cap. Def.
J. 279.
517 Bessler, The public interest and the unconstitutionalty of public prosecutors, 47 Ark. L. Rev.
511.
518 Vgl. hierzu Comment: 25 Am. U.L. Rev. 754, 756 ff. für England, ab 762 ff. für die USA;
Ireland, Privately funded prosecution of crime in the nineteenth-century United States, 39 Am. J.
Legal Hist. 43.
519 Für eine Darstellung des englischen Systems vgl. z.B. Cardenas, The crime victim in the
prosecutorial process, 9 Harv. L. Rev. 357, 359 ff., m.w.N.
520 Comment, 25 Am. U. L. Rev. 754, 763.

92
Illinois Constitutional Convention von 1847 äußerte ein Delegierter: „Das Amt
wird meist von jungen Männern übernommen, die mit den Leuten in Kontakt
kommen und Berufserfahrung sammeln wollen; sobald sie dies erreicht haben,
sind sie weg und die nächsten kommen.“ 521 Einige Jahrzehnte später forderte der
vormalige Supreme Court Richter David Davis höhere Gehälter und eine längere
Amtsperiode als zwingende Reform für das chronische Problem des Staats
mit unerfahrenen und inkompetenten Staatsanwälten. 522 Die American Law Review
spricht 1893 stellvertretend für die landläufige Meinung unter Juristen von
einem nationalen Zustand der staatsanwaltschaftlichen „Unfähigkeit“ („ineptitude“).
523 Verstärkt wurde die Problematik außerdem noch durch die Tatsache,
dass einige Staaten keinerlei Mittel für sogen. Assistant Prosecutors zur Verfügung
stellten und es somit zu einer hoffnungslosen Arbeitsüberlastung der
Staatsanwälte kam, die zumeist ein sehr großes Territorium abzudecken hatten.
524 Nach all dem war es nicht weiter verwunderlich, dass kaum fähige Leute
für das Amt des Staatsanwalts gewonnen werden konnten. So bemerkte ein
Richter in Kentucky, dass „in fast allen Strafprozessen auf der Seite der Regierung
Jugend und Unerfahrenheit herrscht“, während auf der Seite des Angeklagten
durch die Beschäftigung hochqualifizierter Strafverteidiger „alle Gelehrtheit,
Erfahrung und Talent versammelt sind“. 525
Dieses Ungleichgewicht schlug sich auch auf die durch die Straftaten Verletzten
nieder. Die Unfähigkeit der Staatsanwälte zwang die Betroffenen förmlich, private
Rechtsanwälte anzuheuern, die dem die Anklage führenden Staatsanwalt
helfend zur Seite standen, um eine Verurteilung zu erlangen. Im Jahr 1831 äußerte
der Alabama Supreme Court: „ Die Tatsache, dass die Angeklagten in der
Regel die talentiertesten Strafverteidiger beschäftigen, ist allgemein bekannt;
und je wichtiger der Fall, desto exzellenter die Verteidigung... Wenn der Staat
nicht einmal Hilfe hätte in den Strafverfahren, so würde der Wettbewerb oft für
den Zweck der Herstellung der Gerechtigkeit zu ungleich ausfallen.“ 526
Privat bezahlte Strafverfolger traten zumeist in Mordprozessen auf, dabei sogar
in einigen der meist bekannten des 19. Jahrhunderts. Auch im föderalen System
waren privat bezahlte Strafverfolger nicht unüblich. In dem Fall United States v.
Hanway 527 lobte der Vorsitzende Richter explizit die Bemühungen der privat
engagierten Anwälte, auch wenn diese am Ende keine Verurteilung erreichen
konnten.
521 Cole, ed., The Constitutional Debates of 1847, 794.
522 Illinois State Bar Association, Report of the Eighth Annual Meeting, January 13, 1885,
pp.39-40.
523 Comment: Attorney and Counsel: Appointment of a Non-Resident Attorney in a Murder
Trial, 27 American Law Review 133.
524 DeLong / Baker, The Prosecuting Attorney: Provisions of Law Organizing the Office, 23
Journal of Criminal Law and Criminology 950.
525 Louisville Daily Journal, 19 February 1850.
526 Shelton vs. State, 1 Stew. & P. (Alabama) 208, 209.
527 973 S .W. 2d 892.

93
(c) Private Ankläger oft als Unterstützung des prosecutors
Mit Einführung der öffentlichen Ankläger verschwanden, wie es in den vorhergehenden
Ausführungen schon anklingt, die „echten“ Privatkläger, im Sinne
einer Anklage ohne jegliche Beteiligung des Staatsanwaltes: Viele Staaten erließen
Gesetze, die es den Gerichten, teilweise nach Zustimmung des district attorneys,
ermöglichten, einen privaten Ankläger zur Unterstützung (in aller Regel
aber nicht aber als Ersatz 528 ) des prosecutors zu bestellen bzw. zuzulassen. Mit
der Einführung der staatlichen Strafverfolger ging es für die Verletzten damit oft
nicht mehr um die historische Rolle, nämlich selbst und eigenverantwortlich als
Ankläger zu agieren, sondern mehr darum, Anstoß zur Strafverfolgung zu geben
und Unterstützungshandlungen für den Staatsanwalt vorzunehmen. Dabei gab
und gibt es in der Praxis allerdings die gesamte Bandbreite an Variationen: Den
privaten Rechtsanwalt, der auf Staatskosten vom Gericht als „special prosecutor“
engagiert wurde 529 , sowie den, wie zuvor unter (b) geschildert, privat engagierten
und bezahlten, meist vom Verletzten oder dessen Familie bestellten Anwalt
zur Unterstützung des Staatsanwalts. 530 Die erlaubte Unterstützung durch
den Privatankläger war und ist stark schwankend: Während in einigen Fällen die
Durchführung des Verfahrens mit allen Formalitäten praktisch völlig dem Privatkläger
überlassen wurde 531 , wurden für andere Verfahren strenge Vorgaben
gemacht, inwieweit der Privatkläger eigenverantwortlich tätig werden durfte. 532
Zumeist wurden die Staatsanwälte aber zumindest von der Bestellung eines Privatanklägers
unterrichtet.
(d) Wachsender Widerstand gegen Privatkläger
Obwohl die Privatklage in historischer Hinsicht anerkannte Praxis und gültiges
common law war, so regte sich doch auch Widerstand, nicht zuletzt durch Strafverteidiger.
Es wurde eingewandt, die Praxis des Privatklageverfahrens verletzte
die Grundsätze rechtlichen Gehörs und der Unschuldsvermutung. Während öffentliche
Staatsanwälte annehmen müssten, ein Verdächtiger sei unschuldig, so
würden private Ankläger hierfür bezahlt, dass sie annähmen, die Verdächtigen
seien schuldig. Dies sei eine antike und barbarische Sitte der Rache. Private Ankläger
akzeptierten Blutgeld, um eine Verurteilung zu erreichen, dies ohne Blick
auf die vorhandenen Beweise. 533
Anders wurde dies zumeist noch von den Gerichten gesehen. Am Ende des 19.
Jahrhunderts hatten die höheren Gerichte von Alabama, Florida, Iowa, Kansas,
528 Hayner v. People, 72 N.E. 792.
529 Burkhard v. State, 18 Tex. App. 599.
530 Biemel v. State, 37 N.W. 244.
531 So soll der Staatsanwalt dem vom Gericht bestellten Privatankläger im Fall Young v. United
States (Ex. rel. Vuitton), 481 U.S. 787, 793 lediglich “viel Glück” gewünscht haben; vgl. auch
State v. Storm, 661, A. 2d 790.
532 Reed v. State, 103 P. 1042.
533 Lawson, ed., The Trial of Judge Wilkinson, Dr. Wilkinson, and John Murdaugh for the
Murder of John Rothwell and Alexander H. Meeks, Kentucky, 1839, I: 282-304 American State
Trials, Forty Years Full Practice at the Philadelphia Bar, 40, 2 vols.

94
Kentucky, Maine, Minnesota, Mississippi, Nebraska, New Jersey, North Dakota,
Texas, Utah, Vermont und Virginia die Praxis der Privatklage für etabliert
und legal befunden. Die meisten Gerichte betonten hierbei, dies sei der einzige
Weg, wie die örtlichen Staatsanwälte Unterstützung bekommen könnten. 534
Relativ vorsichtig und unentschlossen, im Ergebnis die Privatklage aber ablehnend,
gab sich dagegen der Supreme Court in Massachusetts. 535 Sehr viel deutlicher
gegen die Privatklage entschied 1875 der Supreme Court von Michigan: In
Meister v. People 536 verwies das Gericht auf ein Gesetz aus dem Jahr 1838, wonach
der Staatsanwalt verpflichtet sei, alle Fälle in seinem Bezirk zu verfolgen,
und es ihm verbot, hierfür private Gelder anzunehmen oder in derselben Sache
in einen Zivilprozess eingebunden zu sein. Hieraus werde die Intention des Gesetzgebers
erkennbar, die Unparteilichkeit sämtlicher an einem Strafverfahren
teilnehmender oder betroffener Personen zu sichern. Die Position des Staatsanwalts
sei ähnlich der des Richters und enthalte eine Pflicht zur Unparteilichkeit.
Das Auftreten privat bezahlter Ankläger sei somit illegal. Dieser Ansicht schloss
sich dreizehn Jahre später der Wisconsin Supreme Court in Biemel v. State 537
an. Es stützte sich dabei auf Gesetze, ähnlich derer in Michigan, die die Pflichten
von Staatsanwälten regelten. Dabei bezog sich der Supreme Court auf ein
kürzlich erlassenes Gesetz, wonach es Gerichten in Einzelfällen erlaubt sein
sollte, private Rechtsanwälte auf Staatskosten zu engagieren, die dem Staatsanwalt
in schwierigen Fällen helfen sollten. Hierin sah das Gericht die gesetzgeberische
Intention, die Praxis der Privatklage zu verbieten. Es bemühte ferner das
Bild des unparteilichen Staatsanwalts, der mit aller Fairness den Fall der Jury
präsentieren müsse, inklusive der Teile des Falls, die den Angeklagten entlasteten.
Privat bezahlte Ankläger unterlägen dieser Pflicht nicht, denn sie würden
engagiert von „Parteien, die aus Erregung, Vorurteil oder auch einem ehrlichen
Glauben an die Schuld des Angeklagten heraus es wünschten, seine Verurteilung
zu erreichen.“
Diese Entscheidungen wurden sieben Jahre später konterkariert vom North Dakota
Supreme Court. Obwohl North Dakota über ähnliche Gesetze verfügte wie
534 Shelton v. State, 1 Stew. & P. (Alabama) 208; Thalheim v. State, 38 Florida 169, 20 South
938 (1896); State v. Fitzgerald, 49 Iowa 260 (1878); State v. Wilson, 24 Kansas 189 (1880); Price
v. Caperton, 1 Duvall (Kentucky) 208 (1864); State v. Bartlett, 55 Maine 200 (1867); State v. Rue,
72 Minnesota 296 , 75 N.W. 325 (1898); Byrd v. State, 1 Howard (Mississippi) 247 (1835); Polin
v. State, 14 Nebraska 540, 16 N.W. 898 (1883); Gardiner v. State, 55 N.J. Law (26 Vroom) 17, 26
Atl. 30 (1892); State v. Kent, 4 North Dakota 577, 62 N.W. 631 (1895); Burkhard v. State, 18 Tex.
Criminal Appeal Reports 599 (1885); People v. Tidwell, 4 Utah 506, 12 Pac. 61 (1886); State v.
Ward, 61 Vermont 153, 17 Atl. 483 (1889); Hopper et al. v. Commonwealth, 6 Grattan (Virginia)
684 (1849).
535 Commonwealth v. Knapp, 10 Pickering 477 (1830); Commonwealth v. Scott, 123 Massachusetts
222, 223-224 (1877); in beiden Fällen hatte der private Ankläger auf Frage des Richters
wahrheitswidrig behauptet, er erhalte für seine Vertretung keine Vergütung aus privater Kasse;
aufgrund dieses Vortrags schloss das Gericht ihn zunächst nicht vom Verfahren aus.
536 Meister v. People, 31 Michigan 99, 103-104 (1875).
537 Biemel v. State, 37 N. W. 244, 245-248 (1888).

95
Michigan und Wisconsin, interpretierte das Gericht sie nicht zum Nachteil einer
privat finanzierten Anklage. In State v. Kent 538 griff das Gericht die Behauptungen
aus den Fällen Meister und Biemel an, der Staatsanwalt sei ein unparteiischer
Sachwalter, ähnlich dem Richter. Der Staatsanwalt sei selbstverständlich
und notwendigerweise Parteigänger in einem Fall. Wäre der Staatsanwalt gezwungen,
mit derselben Umsicht wie ein Gericht und die Jury vorzugehen, so
würde dies das Ende der Strafverfolgung bedeuten. Der beste Weg, die Wahrheit
ans Licht zu bringen, sei die unterschiedliche Darstellung beider Parteivertreter.
Die Verteidigung werde nicht mit ihrer Beschwerde über den Eifer der
Anklage, sei sie öffentlich oder privat, gehört, da Eifer gelobt werde und nicht
verurteilt.
Betrachtet man diese Entscheidungen, so werden zwei völlig verschiedene Verständnisse
und Ansichten über die Rolle des Staatsanwalts offenbar: Während in
den Fällen Meister und Biemel der Staatsanwalt mehr als der unparteiliche und
nach einem fairen Verfahren als nach einer Verurteilung strebende Sachwalter
des Rechts angesehen wird, verkörpert das Modell des Staatsanwalts im Fall
Kent eine Person, die eifrig auf eine Verurteilung hinwirkt. Dieser Staatsanwalt
bewegt sich in einem echten adversatorischen System, in dem ihm mit der Verteidigung
ein Gegenpart gesetzt wird. Das Kent-Gericht sieht in der privat finanzierten
Anklage oftmals auch ein Zurechtrücken des ansonsten zu Gunsten
der Verteidigung bestehenden Ungleichgewichts an Talent.
(e) Rechtswirklichkeit
Wie aber sah die Rechtswirklichkeit aus? Wurden durch die privat finanzierten
Ankläger tatsächlich so viel mehr Verurteilungen erzielt und siegte damit die
Rache über die Gerechtigkeit? Eine von dem Geschichtsprofessor Robert M.
Ireland von der Universität in Kentucky im Jahr 1995 durchgeführte Studie 539
zeichnet ein anderes Bild. Ireland untersuchte dabei mehrere berühmte Kriminalfälle
des 19. Jahrhunderts und kommt zu dem Schluss, dass privat bezahlte
Ankläger allenfalls in wenigen Einzelfällen trotz entgegenstehender offensichtlicher
Beweise, wie z.B. der Geisteskrankheit eines Angeklagten, eine Verurteilung
erzwingen konnten. In den ganz überwiegenden Fällen „siegte“ die Verteidigung
auch gegen sehr renommierte Privatkläger, die oftmals sogar zu dritt auftraten.
(3) Die Privatklage im gegenwärtigen Recht
(a) Die Privatklage heute: Anerkannt aber bedeutungslos?
Nur vier weitere Staaten distanzierten sich im 20. Jahrhundert von der generellen
Akzeptanz der Privatklage. So verurteilte der Nebraska Supreme Court 1911
die Teilnahme privat bezahlter Ankläger am Verfahren unter Verweis auf die
538
State v. Kent, 4 North Dakota 577 (1895).
539
Ireland, Privately funded prosecution of crime in the nineteenth-century United States, 39
Am. J. Legal Hist. 43.

96
Möglichkeit der Anklage der auf Staatskosten tätig werdenden Staatsanwälte.
Diese würden nicht von unlauteren Motiven geleitet und nicht nur einfach die
Wünsche, Vorurteile und Vorbehalte eines Klienten vertreten, um eine Verurteilung
um jeden Preis zu erlangen. 540 Der Missouri Supreme Court erklärte die
Privatklage 1976 für ungültig mit der Begründung, diese stelle eine Verletzung
des rechtlichen Gehörs dar. In Begründung seiner abweichenden Meinung diskutierte
der Richter Lawrence Holman die Richtigkeit der Mehrheitsentscheidung
aufgrund der anhaltenden Präsenz von sehr jungen, unerfahrenen
Staatsanwälten, die sämtliche verfügbare Hilfe bräuchten, um hoch spezialisierten
Strafverteidigern, wie sie ihnen grundsätzlich gegenüberständen, die
Stirn bieten zu können. 541 Im Jahr 1984 erklärten die Chief Judges von Georgias
obersten Gerichten durch eine einheitliche Regel die Privatklage, die zuvor gängige
Praxis gewesen war, für unzulässig. 542 Schließlich entschied im Jahr 1991
der Criminal Court der Stadt New York die Unzulässigkeit der Privatklage mit
der Begründung, diese verletze das Recht auf rechtliches Gehör. 543 Dem entgegengesetzt
entschieden das Kentucky Supreme Court und das Tennessee Criminal
Appeals Court, die Praxis der Privatklage sei verfassungsgemäß. Dabei wird
darauf verwiesen, dass der Richter die Fairness des Verfahrens überwacht und
der Staatsanwalt trotz des privaten Anklägers den Gang des Verfahrens steuert.
544
Im 20. Jahrhundert hatten die höheren Gerichte von ca. dreißig Staaten die
Praxis der Privatklage 545 grundsätzlich, wenn auch in unterschiedlichstem Umfang
und meist nur für Vergehen oder Ordnungswidrigkeiten, gebilligt. 546 Die
folgenden Staaten erlauben eine begrenzte Teilnahme von privaten Anklägern
am Verfahren, wobei dies teilweise gesetzlich normiert 547 ist: Alabama, Kalifor-
540
McKay v. State, 90 Nebraska 63, 132 N. W. 741, 745 (1911).
541
State v. Harrington, 534 S. W. 2d 44, 52, overruling State v. Matthews, 341 Missouri 1121.
542
Georgia Uniform Superior Court Rule 42. 1 in Änderung des common law, vgl. z.B. Jackson
v. State, 156 Georgia 842.
543
People v. Calderone, 573 N. Y. S. 2d 1005.
544
Commonwealth v. Hubbard, Ky. 777 S. W. 2d 882; State v. Bennett, 798 S. W. 2d 783.
545
Wenn auch in den verschiedensten Ausprägungen. An diesem Punkt muss nochmals daran
erinnert werden, dass in den USA der Schwerpunkt des Begriffes der Privatklage vor allem an der
Teilnahme des Bürgers während der Durchführung des Strafverfahrens liegt; über den hier behandelten
Themenkreis, für den ein feststehender Begriff im amerikanischen Strafprozessrecht fehlt,
ist damit noch keine Aussage getroffen.
546
Z.B. People v. Powell, 87 California 348; La Shar v. People, 74 Colorado 503; State v.
Steers, 2 Idaho 174, siehe auch State v. Scott, 239 Pac. 2d 258 (1952); Hayner v. People,72 N. E.
792 (1904); State v. Petrich, 122 Louisiana 127(1908); State v. Tighe, 27 Montana 327 (1903);
State v. Fleury, 364 A. 2d 625 (N. H.1976); State v. Lucero, 20 New Mexico 55 (1915); State v.
Carden, 209 North Carolina 404, 183 S. E. 898 (1936); State v. Ray, 143 N. E. 2d 484 (1956);
Reed v. State, 20 Oklahoma Cr. 589 (1909); Commonwealth v. Carpenter, 172 Penn. Supr. 271
(1953); State v. Addis, 257 South Carolina 482 (1972); State v. Basham, 170 N. W. 2d 238 (1969);
State v. Hoshor, 26 Washington 643, (1901); State v. Lohm, 97 West Virginia 652 (1924).
547
Für Nachweise vgl. Bessler, The public interest and the unconstitutionalty of public prosecutors,
47 Ark. L. Rev. 511, note 74.

97
nien, Colorado, Florida, Georgia 548 , Idaho, Illinois, Kansas, Kentucky, Louisiana,
Maine, Minnesota, Mississippi, New Hampshire, New Jersey, New York,
New Mexico, North Carolina, Oklahoma, Pennsylvania, South Carolina, South
Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Virginia, US Virgin Islands, Washington, West
Virginia. 549 In Alabama, Montana und Ohio ist eine Privatklage nach der Gesetzeslage
grundsätzlich ohne Beteiligung oder Überwachung des Staatsanwalts
möglich. 550 Allerdings hat in diesen Staaten das Prozessgericht ein Ermessen
hinsichtlich der Zulassung von privaten Anklägern und kann diese mit nachvollziehbarer
Begründung vom Verfahren ausschließen. 551 Die Gesetzgebungen
in Kansas (1901) und Tennessee (1978) haben in einem Gesetz die bisherige
Praxis, die die Privatklage gestützt hatte, kodifiziert. 552 Aus diesen Entscheidungen
wird deutlich, dass auch heute in den Augen der Gerichte noch keine Balance
zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft hergestellt ist. Auch heute
noch können für das Amt des Staatsanwalts eher jüngere, unerfahrene Juristen
gewonnen werden, die hoffnungslos unterbezahlt sind. 553 Diese müssen sich
dann nur allzu oft gegen professionelle, hoch bezahlte Strafverteidiger zur Wehr
setzen. Die Gerichte achten allerdings zunehmend darauf, dass ein privater Ankläger
den Verletzten nicht auch in einer verwandten Zivilsache vertritt. 554
548
State v. Harton, 163 Ga. App.773: die eigenmächtige Berufung der Eltern eines getöteten
Kindes gegen die Aufhebung des Haftbefehls des Täters auf Antrag der Verteidigung wurde mit
dem Hinweis auf mangelndes „standing“ zurückgewiesen.
549
Kalifornien: People v. Powell, 25 P. 481 (Cal. 1891); Colorado: Davis v. People, 238 P. 25;
Florida: Ates v. State, 194 SO. 286; Georgia: Allen v. State, 257 S. E. 2d 5; Brown v. State, 250 S.
E. 2d 438; Illinois: People v. Farnsley, 293 N. E. 2d 600, 605; Hayner v. People, 72 N. E. 792;
Kansas: State v. Baker, 819 P. 2d 1173; State v. Berg, 694 P. 2d 427, 431; State v. Sandstrom, 595
P. 2d 324; Kentucky: Stumbo v. Seabold, 704 F. 2d 910; Commonwealth v. Hubbard, 777, S. W.
2d 882; Earl v. Commonwealth, 569s. W. 2d 686; Louisiana: State v. Hopper, 203 SO. 2d 222;
Maine: State v. Bartlett, 74 A. 18, 19; New Jersey: State v. Harris 262 N. J. Super. 294; State v.
Wouters, 177 A. 2d 299; New Mexico: State v. Baca, 688 P. 2d 34 ; North Carolina: State v.
Moose, 313 S. E. 2d 507; North Dakota: State v. Kent, 62 N. W. 631; Oklahoma: Ryals v. State,
434 P. 2d 488; Pennsylvania: Commonwealth v. Musto, 35 A. 2d 307; South Carolina: State v.
Addis, 186 S. E. 2d 415; South Dakota: State v. Basham, 170 N. W. 2d 238; Tennessee: State v.
Bennett, 798 S. W. 2d 783; Texas: Urdiales v. Canales, 475 F. Supp, 622; Ballard v. State, 519 S.
W. 2d 426; Lopez v. State, 437 S. W. 2d 268; Utah: People v. Tidwell, 12 P. 61; Vermont: 566 A.
2d 970; Virginia: Cantrell v. Commonwealth, 329 S. E. 2d 22; Virgin Islands: Tonkin v. Michael,
349 F. Supp. 78; West Virginia: State ex. rel. Koppers Co. v. International Union of Oil, Chemical
& Atomic Workers, 298 S. E. 2d 827; State v. Riser, 294 S. E. 2d 461; viele Staaten erlauben aber
nur eine minimale Teilnahme eines privaten Anklägers bzw. nur eine Funktion als Assistent: State
v. Newman, 568 S. W. 2d 276, 282; Smith v. State, 426 N. E. 2d 364; Sedelbauer v. State, 455 N.
E. 2d 1159, 1164; State v. von Bulow, 475 A. 2d 995, 1003.
550
Alabama: Hall v. State, 411 So. 2d 831, 838; Montana: State v. Cockrell, 309 P. 2d 316;
Ohio: State v. Ray, 143 N. E. 2d 484.
551
So haben die Gerichte entsprechende gesetzliche Regelungen fortgesetzt höchst restriktiv interpretiert,
vgl. z.B. State v. Bowman, 187 N. E. 2d 627; South Euclid v. Bondy, 200 N. E. 2d 508;
beide für Ohio; Commonwealth v. Pritchard, 596 A. 2d 827, für Pennsylvania.
552
Kansas Statutes Annotated 19-717; Tennessee Code Annotated sec. 8-7-401.
553
Vgl. hierzu auch die Zahlen unter C.I.4.a.
554
Cantrell v. Commonwealth, 329 S. E. 2d.

98
Der Staat New Hampshire erlaubt es Verletzten bei weniger schweren Delikten,
für die keine Gefängnisstrafe verhängt werden kann, eine Privatklage zu führen,
wenn der Staatsanwalt von einer Verfolgung absieht 555 , ein Modell, das der
deutschen Privatklage gleicht. In State v. Rollins 556 , einer Entscheidung aus dem
Jahr 1987, hielt der New Hampshire Supreme Court ausdrücklich an der Zulässigkeit
der Privatklage fest, weigerte sich aber, dem Privatkläger die Immunitätsrechte
eines Staatsanwaltes zuzusprechen, da dieser weder eine Pflicht gegenüber
dem Staat erfülle, noch gegenüber dem Justizsystem verantwortlich sei.
Die Entscheidung des Vorgerichtes, das dem Privatkläger, dessen Anklage vom
Richter zurückgewiesen worden war, die Rechtsanwaltskosten des Angeklagten
auferlegt hatte, wurde bestätigt. Interessanterweise wird die Zulassung privater
Ankläger in jüngerer Zeit auch auf das Argument gestützt, dass eine strafrechtliche
Verfolgung nicht davon abhängen sollte, wie viel Zeit und Ressourcen der
zuständige district attorney gerade zur Verfügung hat. 557 In Massachusetts dagegen
ist es den Verletzten einer Straftat nach wie vor unmöglich, eine Privatklage
zu führen. 558 Erst kürzlich hat in Massachusetts der Supreme Court seine gänzlich
ablehnende Rechtsprechung hinsichtlich eines privaten Anklägers erneuert
559 : Dabei hatte der Inhaber eines Gemüseladens, nachdem ein Sekretär eines
Gerichtes niedriger Ordnung („clerk-magistrate“) sich geweigert hatte, seine
Beschwerde weiterzuleiten, selbst versucht, ein Strafverfahren gegen Kunden in
Gang zu setzen, die mit ungedeckten Schecks bezahlt hatten. Obwohl er den
dringenden Tatverdacht nachweisen konnte, lehnte der befasste Richter die
Strafsache mit der Begründung ab, dass, falls ein Staatsanwalt oder dessen Büro
die Strafverfolgung abgelehnt habe, eine private Partei kein verfassungsrechtliches
oder gesetzliches Recht habe, diese Entscheidung in Zweifel zu ziehen.
In Pennsylvania besteht eine gesetzliche Regelung, wonach der Privatkläger nur
in unaufschiebbaren Eilfällen und falls eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht,
ohne Zustimmung des Staatsanwaltes direkt zum Gericht anklagen kann;
ansonsten ist zu jeder Anklage die Zustimmung des Staatsanwaltes erforderlich.
560 Im Falle einer verweigerten Zustimmung hat der Verletzte dort aber die
Möglichkeit, die Entscheidung des Staatsanwalts vom „court of common pleas“
überprüfen zu lassen. 561 Das Gericht überprüft aber nur, ob ein Fall des groben
Ermessensmissbrauchs vorliegt, so dass es in den allermeisten Fällen nicht gelingen
wird, gegen den Willen des Staatsanwaltes eine Anklage zu erzwingen. 562
555 State v. Martineau, 808 A. 2d 51, 52.
556 129 N. H. 684.
557 State of N. J. v. Imperiale, 773 F. Supp. 747.
558 Commonwealth v. Gibbs, 70 Mass. (4 Gray) 146, 147; Commonwealth v. Williams, 56
Mass. (2 Cush) 582, 585; Taylor v. Newton Div. of Dist. Ct. Dep`t. 622 N. E. 2d 261, 262.
559 In Victory Distrib., Inc. v. Ayer Div. of the Dist. Ct. Dep´t, 755 N. E. 2d 273.
560 Commonwealth v. Eisemann, 453 A. 2d 1045.
561 PA rules crim. Proc.133, 134 (a) (3).
562 Vgl. hierzu Commonwealth v. Pritchard, 596 A. 2d 827.

99
Auf föderaler Ebene gibt es die Privatklage nicht 563 , wenn auch die Bundesgerichte
die einzelstaatliche Praxis nicht beanstanden. 564
Insgesamt ist der Trend zur Zurückdrängung der Privatklage hin zur Bedeutungslosigkeit
unübersehbar. Im Gegensatz zu früher sind die Gerichte heute
restriktiv bei der Zulassung von privaten Anklägern bei schwerwiegenden Delikten.
565 Dabei ist in der Praxis der Bedarf gerade in felony-Fällen besonders
groß. 566 Obwohl Gerichte nicht eine bestimmte Klasse von Delikten, die von
privaten Anklägern verfolgt werden können, klassifizierten, so treten diese jedoch
zumeist vor Gerichten niederer Ordnung, wie z.B. Amtsgerichten oder
Friedensrichtern auf. 567 In vielen Staaten, die die Privatklage nicht grundsätzlich
ablehnen, bleibt es dem Staatsanwalt zudem unbenommen, die Anklage trotz
Ingangsetzung durch den Verletzten dennoch wieder fallen zu lassen. 568
Obwohl die Tendenz zum Anklagemonopol des prosecutors nicht verkennbar
ist 569 , so bleiben doch Erinnerungen an ein rein persönliches Interesse an der
Strafverfolgung eines anderen (sog. „personal crimes“): in mehreren amerikanischen
Staaten ist Ehebruch noch unter Strafe gestellt, wobei Anklage ausschließlich
vom betrogenen Ehepartner erhoben werden kann. 570
(b) Die Young-Entscheidung des U.S. Supreme Courts - Wende zuungunsten
der Privatkläger?
1987 äußerte sich das U.S. Supreme Court zum Verfahren bei sog. „contemptproceedings“.
Die Federal Rule of criminal procedure 42 (b) 571 betrifft die
Nichteinhaltung eines sog. „court-orders“ und wurde von den Gerichten bisher
so ausgelegt, dass, sollte eine gerichtliche Anweisung von dem, an den sie ergeht,
nicht befolgt werden, für den Fall der Untätigkeit des public prosecutors
zur strafrechtlichen Verfolgung ein privater Anwalt zur Durchsetzung der Ansprüche
des Berechtigten eingesetzt werden konnte und wurde. Dabei geht es
inhaltlich um zivilrechtliche Anordnungen von Gerichten, die bei Nichtbefol-
563
Young v. United States (ex. rel. Vuitton), 481 U.S. 787, 802, m.w. N., Keenan v. McGrath,
328 F. 2d 610, U.S. v. Bryson, 434 F. Supp. 986, U.S. ex rel. Savage v. Arnold, 403 F. Supp. 172.
564
Powers v. Hauck, 399 F. 2d 322; Hughes v. Bowers, 896 F. 2d 558.
565
Vgl. z.B. Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors,
1990 Wis. L. Rev. 1695, 1726.
566
Comment, 25 Am. U. L. Rev. 754, 766 m.w.N.
567
Comment, 65 Yale L.J. 209, 229.
568
Z.B. State v. Rollins, 533 A. 2d 331.
569
So auch Cardenas, The crime victim in the prosecutorial process, 9 Harv. L. Rev. 357, 383;
Geisler, S. 18, gibt an, die Klageerhebung durch Privatpersonen spiele praktisch keine Rolle.
570
Vgl. z.B. Ariz. Rev. Stat. Ann. § 13-1408 (B) (1989); Mich. Comp. Laws § 750.31 (1990);
Minn. Stat. § 609. 36 (2) (1987); N.D. Cent. Code § 12. 1-20-09 (2) (1985); Lee v. State, 231 P.
324: Anklage kann nur von Ehepartner erhoben, im Fall der Scheidung kann das Verfahren aber
vom Staat fortgesetzt werden.
571
Dem Wortlaut nach: „notice shall be given orally by the judge in open court in the presence
of the defendant or, on application of the United states attorney or of an attorney appointed by the
court for that purpose, by an order to show cause or an order of arrest”, FED. R. CRIM. P. 42 (b).

100
gung eine Art Ordnungswidrigkeitenverfahren, sog. contempt order 572 , die dem
Strafrechtsbereich zugeschlagen werden 573 und eine entsprechende strafrechtliche
Verfolgung nach sich ziehen können. Das U.S. Supreme Court bemängelte
die Entscheidung eines district-courts, das eine am Verfahren interessierte Partei
zur Führung der Strafanklage zugelassen hatte. In dem zu Grunde liegenden Fall
Young v. United States ex. rel. Vuitton et Fils s. A. 574 befand das Supreme
Court, dass die Zulassung eines Beistands für eine am Ausgang des Verfahrens
interessierte Partei eine Grundlage für mögliche Interessenskonflikte schaffe
und zumindest den „Anschein einer Unausgewogenheit“ im Verfahren entstehen
lasse. Dabei verweigerte es der Supreme Court, nur einen „harmlosen Fehler“
anzunehmen, und hob die Verurteilung mehrerer Angeklagter auf. Es betonte
dabei unüberbrückbare Differenzen in den ethischen Verpflichtungen eines öffentlichen
im Gegensatz zu einem privaten Ankläger. Zwar erkannte das Gericht
an, dass die vom Vorgericht vorgenommene Interpretation von rule 42 (b) auf
„dem althergebrachten Anerkenntnis, dass die Einleitung von contemptconceedings
(Schritte wegen Missachtung des Gerichtes), um die Nichtbeachtung
gerichtlicher Verfügungen zu bestrafen, Teil der richterlichen Funktion“
575 sei, basiere. Dennoch sah der Supreme Court in Beginn und Durchführung
des Verfahrens durch den privaten Anwalt des Geschädigten einen direkten
Interessenskonflikt, da er befürchtete, der privat bezahlte Anwalt werde, obwohl
er vom Gericht im Namen des Staates ernannt worden war, die Interessen seines
privaten Mandanten über das Ziel der Gerechtigkeit stellen. 576
Durch diese Entscheidung wurde die Möglichkeit, in Bezug auf Art. 42 (b) ein
Verfahren anzustrengen, enorm vermindert. Für den Fall, dass der prosecutor
die Verfolgung ablehnt, bliebe sodann nur die vom Supreme Court nicht beanstandete
rein theoretische Möglichkeit, einen privaten Rechtsanwalt, der allerdings
nicht von der geschädigten Partei, sondern aus der Staatskasse zu bezahlen
wäre, und der somit auch ausschließlich die Interessen des Staates und nicht die
des Geschädigten vertritt, zu bestellen. Zunächst sollte aber nach Meinung des
Supreme Courts beim district attorney angefragt werden, ob dieser nicht an einer
Verfolgung des Falles interessiert sei. Nur für den Fall, dass dieser explizit ablehne,
könne sodann ein unvoreingenommener („disinterested“) privater Ankläger
gem. Rule 42 (b) bemüht werden. Ein solches Vorgehen der Gerichte ist
572
Vorsätzliche Verletzung einer gerichtlichen Anordnung oder Missbetragen vor dem Gericht,
vgl. Bloom v. Illinois, 391 U.S. 194.
573
Contempt orders können aber auch zivilrechtlicher Art sein, wenn es erst um Androhung einer
Strafe geht, um die Befolgung des orders zu erzwingen vgl. Hicks v. Feicock, 485 U.S. 624,
der Betroffene hat dann, wie das Gericht sich äußerte, „the keys of the prison in his own pocket“.
574
481 U.S. 787.
575
Young v. United States ex. rel. Vuitton et Fils S. A., 107 S. Ct. 2124, 2131.
576
Wörtlich spricht der Supreme Court, a.a.O., 2139, von „an appearance of impropriety that
diminishes faith in the fairness of the criminal system in general”.

101
aber unrealistisch: es gibt keinen Staatsfond, um „unabhängige“ private Ankläger
zu bezahlen. 577
Noch nicht abschließend geklärt ist die tatsächliche Auswirkung der Entscheidung
des U.S. Supreme Court, die grundsätzlich nur die sog. contempt proceedings
betrifft, auf die Privatklage. Vor der Young-Entscheidung hatten noch einige
Gerichte 578 die Privatklage in allen möglichen, vereinzelt sogar in sehr
schwerwiegenden Fällen wie Mord 579 erlaubt, ohne dass eine Beeinträchtigung
des Beschuldigten in seinen verfassungsmäßigen Rechten angenommen wurde.
580 Trotz um sich greifender Verwirrung hielten auch nach der Young-
Entscheidung mehrere höhere Gerichte der Einzelstaaten an der Zulässigkeit der
Privatklage fest. 581
Es ist anerkannt, dass sog. „supervisory“-Entscheidungen bzgl. föderaler Gerichte
des U.S. Supreme-Courts die Gerichte der Einzelstaaten nicht binden. 582
Die Mehrheit der Richter in Young lehnte es überdies selbst ausdrücklich ab, die
Strafverfolgung durch einen „disinterested prosecutor“ als verfassungsrechtlich
notwendig einzustufen 583 und war somit sichtlich bemüht, keine verbindliche
Vorgabe für die Auslegung der Verfassung hinsichtlich der generellen Zulässigkeit
von Privatklagen zu bieten. Trotzdem: jedenfalls die Alarmwirkung der
Young-Entscheidung ist enorm, betrifft sie auch nur „contempt-proceedings“,
also strafrechtliches Vorgehen wegen Nichtbeachtung zivilrechtlicher gerichtlicher
Anordnungen. Sollte sich das U.S. Supreme Court jedoch in einer späteren
Entscheidung festlegen, bereits ein solches Vorgehen erfordere aus verfassungsrechtlichen
Gründen die Verfolgung durch einen „disinterested prosecutor“, so
müsste dies für „echte“ Strafverfolgung wohl erst recht gelten.
(c) Hauptgegenargument: Verletzung der „due process“- Klausel
Hauptargument gegen die Privatklage ist die mögliche Verletzung der verfassungsmäßigen
Rechte des Beschuldigten. Dabei wird von Gegnern ausgeführt,
das fünfte amendment der U.S.-Verfassung enthalte mit dem Grundsatz der Ge-
577
Musidor, B. V. v. Great American Screen, 658 F. 2d 60; der Supreme Court selbst widmete
sich diesem praktischen Problem nur kurz in einer Fußnote, in der er auf einen sog. amicus curie
verwies, in dem die bestehenden Fonds für ausreichend erachtet wurden; nicht erwähnt wird der
gesamte Schriftverkehr, der letztendlich das Fehlen solcher Fonds belegt, vgl. Young, a.a.O., note
17.
578
Aber nicht alle, vgl. z.B. State v. Harrington, 534 S. W. 2d 44, Cantrell v. Virginia, 329 S.
E. 2d 22.
579
Vgl. z.B. Lopez v. State, 437 S. W. 2d 268, Powers v. Hauck, 399 F. 2d 322.
580
Obwohl das Problem durchaus diskutiert wurde, vgl. z.B. Woods v. Linahan, 648 F. 2d 973.
581
Vgl. z.B. State v. Worley, 369 S. E. 2d 706(West Virginia); Commonwealth v. Hubbard,
777 S. W. 2d 882 (Kentucky): für Totschlag!; State v. Bennett, 798 S. W. 2d 783 (Tennessee);
ablehnend aber z.B. People v. Benoit, 575 N. Y. S. 2d 750 (New York), Dick v. Scroggy, 882 F.
2d 184.
582
Vgl. Smith v. Phillips, 455 U.S. 209; der Supreme Court betonte in Young v. United States
ex. rel. Vuitton et Fils S. A., 481 U.S. 787, ausdrücklich, die Entscheidung sei bewusst nicht getroffen,
um verfassungsrechtliche Konsequenzen daraus zu ziehen.
583
Young v. United States ex. rel. Vuitton et Fils S. A., 481 U.S. 787, 809, note 21.

102
währung eines fairen Verfahrens auch ein Verbot, schon den Anschein einer
unausgewogenen Haltung im Prozess entstehen zu lassen. Gerichte in Massachusetts,
die die Privatklage gänzlich verbieten, haben argumentiert, dass der
Staatsanwalt genauso neutral und unparteilich auftreten sollte wie der Richter in
dem Fall. Ein privater Ankläger könne niemals dieses Erfordernis an Unbefangenheit
erfüllen. 584
Kritiker der Privatklage berufen sich demnach auf einen Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz
„due process“, da ein privater Ankläger niemals so objektiv
sein könne wie der Staatsanwalt. 585 Wenn eine Privatperson gegen eine andere
Privatperson im Wege der Privatklage vorgehe, so verstoße dies gegen das öffentliche
Interesse an einer unparteiischen und verlässlichen Prozessführung. Es
sei ein striktes Verbot privater Ankläger notwendig. Diese würden eine starke
Initiative zugunsten ihrer Auftraggeber entwickeln, deshalb sei die Gefahr für
eine fehlerhafte Verfolgung Beschuldigter besonders hoch.
Wie für die meisten Gerichte war der gegen eine Überprüfung der staatsanwaltschaftlichen
Anklageentscheidung ins Feld geführte Aspekt der Gewaltenteilung
auch für das Young-Gericht kein Thema: ein Gericht müsse die Möglichkeit haben,
seine Autorität durchzusetzen und die hierfür notwendigen Schritte ergreifen
zu können, ohne auf das Gutdünken der anderen Gewalten angewiesen zu
sein. 586
Der zentrale Punkt der Kritik an einer Privatklage ist somit die Befürchtung, ein
zugunsten des Verletzten „parteiischer“ Ankläger werde das Gericht möglicherweise
derart zu Lasten des Angeklagten beeinflussen, dass dies eine Beeinträchtigung
seines verfassungsrechtlich garantierten Rechtes auf ein faires Verfahren
(„due process“) zur Folge haben könnte.
(4) Die Bestellung eines „special prosecutors“
Die Einsetzung von sog. special prosecutors zur Ermittlung oder Verfolgung
von Straftaten hat in den USA vor allem Bereich der politischen Ebene Tradition,
so wurden z.B. die Ermittlungen im Watergate-Skandal durch speziell eingesetzte
Strafverfolger durchgeführt. 587
Der Ausdruck „special prosecutor“ meint in erster Linie die Bestellung eines
anderen anstatt des eigentlich zuständigen Staatsanwaltes, es kann aber im Einzelfall
dem fraglichen district attorney auch der attorney general als „special
584
Commonwealth v. Tabor, 384 N. E. 2d 190; siehe auch: Taylor v. Newton Div. of the Dist.
Ct. Dep´t, 622 N. E. 2d 261.
585
Bessler, The public interest and the unconstitutionalty of public prosecutors, 47 Ark. L. Rev.
511, 550 ff.
586
Young v. United States ex. rel. Vuitton et Fils S. A., 481 U.S. 787, 796.
587
Hierzu und für eine generelle Darstellung dieser Problematik vgl. Fairchild, Validity, under
state law, of appointment of independent special prosecutor to handle political or controversial
prosecutions or investigations of persons other than regular prosecutor, 84 A.L.R. 3d, 29.

103
prosecutor“ zur Seite gestellt werden oder den Fall übernehmen. 588 Möglich und
nicht unüblich ist auch, und an diesem Punkt überschneidet sich die Privatklage
mit der Möglichkeit der Bestellung eines special prosecutors, einen privaten
Rechtsanwalt als „special prosecutor“ zu bestellen. 589
Die meisten Einzelstaaten 590 sowie der Bund 591 verfügen über Gesetze oder entsprechendes
common-law, wonach ein Gericht einen special prosecutor ernennen
kann, wenn der gewählte district attorney abwesend, disqualifiziert oder aus
einem anderen Grund unfähig ist, in einer bestimmten Angelegenheit tätig zu
werden. 592 Obwohl in Nebraska die Privatklage verboten ist 593 , haben Gerichte
eindeutig die Gesetzeslage gestützt, wonach dem public prosecutor bei Bedarf
ein vom Staat bezahlter „special prosecutor“ zugeordnet werden kann. 594 Die
Zulässigkeit und Lauterkeit eines solchen, nicht vom Opfer bezahlten prosecutors
ist unbestritten. 595 Sollte der district attorney nicht mit seiner Ersetzung einverstanden
sein, so muss die Unfähigkeit des prosecutors eigens gerichtlich
festgestellt werden. 596 Die Autorität der Gerichte zu einer solchen Entscheidung
ergibt sich entweder aus dem Gesetz 597 , in diesem Fall speziell im Rahmen der
im Gesetz vorgesehenen Sachverhalte 598 , wohl aber auch abseits einer gesetzli-
588 Lykins v. State, 415 A. 2d 1113; in manchen Staaten, in denen gesetzlich entweder die konkurrierende
Zuständigkeit des attorney general mit dem district attorney, die Möglichkeit des attorney
general zu handeln, wenn der district attorney nicht tätig wird, besteht, oder der attorney
general nach Belieben Stellvertreter bestimmen kann, wird sogar eine Pflicht des attorney general
angenommen, sich oder seine Stellvertreter dort als special prosecutors einzusetzen, wo der district
attorney seine rechtlichen Pflichten zur Untersuchung und Strafverfolgung nicht adäquat ausübt,
vgl. State v. Naranjo, 611 P. 2d 1101.
589 Zumeist erfolgt die Bestellung durch die Gerichte, vgl. aber auch Kentucky v. Hubbard, 777
S. W. 2d 882, 885: wenn der county prosecutor unfähig oder unwillig ist, eine Untersuchung zu
führen, kann sich das Opfer an das „prosecutors advisory council“ wenden.
590 Vgl. z.B. für New York: McKinney´s county law, ch. 11, art. 18, sec. 701, wonach ein superior
court entweder einen privaten Rechtsanwalt oder einen Staatsanwalt aus einem anderen Bezirk
anstelle des abwesenden oder „disqualifizierten“ Bezirks-Staatsanwaltes als „special district attorney“
bestellen kann, wodurch dieser die vollen Recht und Pflichten des Bezirks-Staatsanwaltes
erhält. Er bekommt außerdem eine vom Gericht festzusetzende Vergütung aus der Staatskasse;
vgl. auch Comment: 25 Am. U. L. Rev. 754, 790, note 9; vgl. auch Ala. Code § 12-17-186 (1986);
Colo. Rev. Stat. §16-5-209 (1990); teilweise finden sich solche Regelungen sogar in der Verfassung
der Einzelstaaten, vgl. z.B. Utah Const. Art. 8 § 16; Tenn. Const. Art. 6 § 5.
591 Dort werden special-prosecutors als „independent counsel“ bezeichnet, vgl. 63 Am. Jur. 2d
Prosecting attorneys § 33; 28 C. F .R R: § 45.735-3 (c) (1993).
592 Vgl. z.B. People v. Stevens, 642 P. 2d 39, People v. Rhymer, 336 N. E. 2d 203; State ex rel.
Porter v. District court, 220 P. 2d 1035, State v. Boyce, 233 N. W. 2d 912.
593 Der Supreme Court hat dies in einer Entscheidung aus dem Jahr 1913 bereits unmissverständlich
klargemacht, vgl. Flege v. State, 142 N. W. 276.
594 McKay v. State, 132 N. W. 741.
595 McKay v. State, 132 N. W. 741, 745 (1911) stellt einen solchen Ankläger auf die gleiche
Stufe wie einen “honourable county-attorney“.
596 King v. State, 397 N. E. 2d 1260.
597 United States ex rel. Doss v. Lindsley, 158 A. L .R. 525; State v. Price, 35 A. L. R. 1458;
Coblentz v. State, 88 A. L. R. 886; People v. Schrager, 346 N. Y. S. 2d 101.
598 Hoppe v. King County, 622 P. 2d 845.

104
chen Regelung 599 , die gerichtliche Entscheidung muss allerdings auf Fakten und
nicht auf bloßem Verdacht oder ungeprüften Anschuldigungen gegen den district
attorney beruhen. 600 Insoweit stehen auch dem seines Amtes zu enthebenden
district attorney die „due-Process“-Rechte auf Benachrichtigung und rechtliches
Gehör zu 601 , dies in manchen Rechtsordnungen allerdings nur, wenn es
um eine endgültige Amtsenthebung („impeachment“) 602 geht und nicht nur um
eine einmalige Entfernung hinsichtlich eines bestimmten Sachverhaltes. 603
Für den Verletzten, der im Falle der negativen Anklageentscheidung des Staatsanwaltes
die Bestellung eines special prosecutors forciert, besteht allerdings erneut
die oben bereits angesprochene Problematik der Forderung eines „disinterested“
prosecutor. Die Befürchtung, ein privat bezahlter „special prosecutor“
werde die Interessen seines Mandanten in unangemessener Weise zu Lasten des
Beschuldigten ausüben, hat auch Eingang in die Rechtsprechung zum „special
prosecutor“ gefunden. Deshalb wird verschiedentlich bei Befürchtung der unangemessenen
Benachteiligung des Beschuldigten durch den special prosecutor
gefordert, 604 die Kontrolle über die wesentlichen Schritte der Strafverfolgung,
wie etwa der Entscheidung, ob und weswegen Anklage erhoben wird, beim district
attorney zu belassen. Für diesen Fall wäre die Bestellung eines special
prosecutors zumindest im Sinne dieser Ausführungen aber gänzlich sinnlos.
Zudem ist der Verletzte auch hier auf das Gutdünken der Gerichte angewiesen.
Die Bestellung eines special prosecutors setzt die Abwesenheit oder Disqualifikation
des district attorneys voraus. Der anwesende district-attorney, der in nicht
strafrechtlich vorwerfbarer Weise untätig bleibt oder eine negative Anklageentscheidung
trifft, muss seine Absetzung für den Fall und die Bestellung eines
special prosecutors also nicht fürchten. 605 Auch hier werden somit regelmäßig
nur Entscheidungen des Staatsanwaltes angreifbar sein, die außerhalb seines
breiten Ermessens liegen.
(5). Fazit: Unübersichtliche Rechtslage
Insgesamt bleibt somit festzuhalten, dass die Privatklage dem Verletzten nur in
einigen wenigen Fällen als Hilfe gegen die unerwünschte negative Anklageentscheidung
dienlich sein kann. Als tauglicher Rechtsbehelf, der sowohl dem Interesse
des Verletzten zugute kommt, als auch eine wirksame Kontrolle für
staatsanwaltschaftliche Ermessensentscheidungen gewährleisten kann, kommt
599 Weems v. Anderson, 84 A.L.R. 3d 106; In re Shelley, 2 A. 2d 809.
600 State ex rel. Purcell v. Circuit Court of Sullivan County, 92 N. E. 2d 843; People v.
Baugham v. Eaton, 321 N. E. 2d 531.
601 Smith v. Gallagher, 185 A. 2d 135; State v. Ilvedson v. District Court, 291 N. W. 620.
602 In re Perez, 1 SO. 2d 537.
603 Weems v. Anderson, 84 A .L. R.3d 106; Sloane v. Hammond, 81 Cal. App. 590.
604 Faulder v. Johnson, 117 S. Ct. 487.
605 Vgl. z.B. Schumer v. Holtzman, 454 N. E. 2d 522, wonach Gerichte den district attorney nur
ersetzen sollen, wenn eine klare Benachteiligung für den Beschuldigten aufgrund von Interessenskonflikten
o.ä. gegeben ist.

105
sie aufgrund ihres inzwischen zumeist marginalen Anwendungsbereiches und
der unübersichtlichen Rechtslage derzeit aber kaum in Frage. 606
Es fehlt an einem geregelten Verfahren für Zulässigkeit und Durchführung von
Privatklagen.
dd. Zusammenfassung: Anspruch und Wirklichkeit für die Verletzten in den
USA
Verletzten von Straftaten stehen somit in der Regel keine tauglichen Rechtsbehelfe
gegen eine negative Anklageentscheidung des amerikanischen Staatsanwaltes
zu. 607 Ob diese faktische Konsequenz oben dargestellter Rechtsprechung
tatsächlich so gewollt ist, bleibt fraglich. Anschaulich hierzu ist eine Entscheidung
des Supreme Courts von Minnesota:
In State ex rel. Wild v. Otis 608 wies das Gericht die Privatklage eines Bürgers,
die dieser erhoben hatte, nachdem zwei von ihm angesprochene countyattorneys
es abgelehnt hatten, die Beschuldigten strafrechtlich zu verfolgen,
endgültig zurück. Für die streitgegenständliche Frage, welches Rechtsmittel verfügbar
sei, wenn es der prosecutor abgelehnt habe, tätig zu werden, gelte folgendes:
Der Verletzte habe grundsätzlich kein Recht, vor der grand jury aufzutreten,
er könne aber dennoch mittels eines „complaints“ versuchen, die grand
jury von der Annahme des Falles zu überzeugen und in diesem Rahmen sei es
gemäß einer bestimmten gesetzlichen Regelung 609 möglich, als Zeuge dort gehört
zu werden. Schon dieser direkte Zugang zur grand jury biete für den Verletzten
eine gewisse Sicherheit. 610 Es gebe aber auch noch weitere Rechtsmittel
für den Verletzten, wenn der Staatsanwalt sich weigere, Anklage zu erheben:
- er könne das district court bitten, einen special prosecutor zu bestellen 611 ,
oder
- er könne sich an den governor wenden, der dann den attorney general anweisen
könne, die Strafverfolgung durchzuführen 612 , oder
- nach mandamus ersuchen, wobei es dabei vom Standpunkt eines verletzten
Bürgers aus problematisch sei, dass es sich bei der Entscheidung des
Staatsanwaltes, eine strafrechtliche Verfolgung einzuleiten, um eine Er-
606 So auch Dengler, S. 291, der die Privatklage als praktisch bedeutungslos einstuft.
607 So im Tenor auch Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin prose-
cutors, 1990 Wis. L. Rev. 1695, 1726 f.
608 257 N. W. 2d 361.
609 Mit dem Verweis auf Rule 18. 04, Rules of Criminal Procedure, Minnesota.
610 257 N. W. 2d 361, 364.
611 Unter Verweis auf Minn. St. 388. 12, wonach das Gericht zur Bestellung von speziellen Anklägern
berechtigt ist; allerdings verwies das Gericht auch darauf, dass dieses Gesetz verfassungsrechtlich
nicht unumstritten ist. Dies sei allerdings in diesem Fall nicht vom Gericht zu entscheiden.
612 Unter Verweis auf Minn. St. 8. 01, wonach allen Bürger ein allgemeines Petitionsrecht an
den governor zusteht.

106
messensentscheidung 613 handle und somit außerhalb der Reichweite von
mandamus liege.
Zum einen hätten sowohl der county attorney als auch die grand jury die Macht,
Strafverfolgungen einzuleiten und könnten deshalb auch gegenseitig als Kontrolle
für eine ungerechtfertigte Untätigkeit des jeweils anderen dienen, zum anderen
gebe es die genannten Alternativen für Extremfälle staatsanwaltlicher Untätigkeit.
614 Der Antragsteller habe viele Argumente eines führenden Fachartikels
615 zur Unterstützung der Privatklage genannt, aber nicht erwähnt, dass die
Autoren des Artikels für die Privatklage eine gesetzliche Grundlage für erforderlich
hielten. Zudem hätten diese in Ihrem Mustergesetzesentwurf die Bestimmung
eines „substitute attorney“ durch das Gericht und nicht etwa die Verfolgung
durch das Opfer selbst vorgesehen.
In einer späteren Entscheidung von 1994 616 wird die Ansicht des Gerichts jedoch
schon wieder teilweise revidiert: ein special prosecutor könne nur dann
bestellt werden, wenn schon eine Anklage existiere, nicht aber im Falle einer
negativen Anklageentscheidung durch den Staatsanwalt.
Setzt man sich mit den Vorschlägen des Gericht in State ex rel. Wild v. Otis 617
unter Berücksichtigung der hier gewonnenen Ergebnisse auseinander, so ist zunächst
ein Punkt bemerkenswert: das Gericht erkennt an und setzt bei seinen
Ausführungen voraus, dass grundsätzlich die Notwendigkeit einer Kontrolle
staatsanwaltlicher Untätigkeit durch den Verletzten besteht. Zu diesem Zweck
werden sodann die vermeintlichen Rechtsbehelfe des Opfers aufgezählt. Sieht
man von den außer strafprozessualen bloßen Petitionsrechten an die grand jury
und den governor ab 618 , so verbleibt, nachdem schließlich auch die Bestellung
eines special-prosecutors ausgeschlossen wurde, zum einen die rechtliche Möglichkeit
des Ersuchens nach mandamus und somit der richterlichen Kontrolle der
staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung, sowie zum anderen die Durchführung
einer Privatklage. Beide „Rechtsbehelfe“ wurden hier bereits als wirkungslos
entlarvt.
Offensichtlich fühlen sich die Gerichte in den USA mangels ausreichend klarer
Rechtslage - auf die nicht hinreichende Rechtsgrundlage für Privatkläger
hatte auch der Minnesota Supreme Court hingewiesen - selbst äußerst unsicher,
wenn sie mit Verletzten, die z.B. als Privatkläger auftreten, konfrontiert werden.
613
Dabei wies das Gericht auf eine seiner früheren Entscheidungen hin, wonach es dem Staatsanwalt
sogar in Fällen, in denen die Beweislage eine Verurteilung zulasse, freistehe, keine Strafverfolgung
durchzuführen, State v. Mayhood, 241 N. W. 2d 803.
614
257 N. W. 2d 361, 365.
615
Comment, 65 Yale L. J. 209 ff.
616
State ex rel. Graham v. Klumpp, 523 N.W. 2d 8.
617
257 N. W. 2d 361.
618
Deren praktische Wirksamkeit bleibt vorliegend außer Betracht, da nur strafprozessuale
Möglichkeiten des Verletzten Berücksichtigung finden sollen.

107
In People ex rel. Luceno v. Cuozzo 619 versuchte eine Frau, die in einen Unfall
mit einem Polizisten verwickelt war, diesen wegen verschiedener Verstöße gegen
die Straßenverkehrsordnung anzuklagen, nachdem sie selbst eine Anklage
deswegen erhalten hatte. Der zuständige Richter, der die grundsätzliche Zulässigkeit
von Privatklagen einräumte, war offensichtlich unsicher, wie er weiter
verfahren sollte und versuchte in seiner Not, beim zuständigen Bezirksstaatsanwalt
anzufragen, ob dieser die Privatklage billige oder ablehne. Dieser äußerte
sich aber nicht. 620 Nach einigem Hin und Her lehnte das Gericht die Privatklage,
die nach seiner eigenen Begründung in diesem Fall eigentlich hätte für zulässig
gehalten werden müssen, schließlich „aus eigenem Ermessen“ ab mit der Begründung,
hierdurch sei eine Kollision und Einmischung in polizeiliche Abläufe
und Ermittlungen und ein hieraus resultierender taktischer Nachteil zu befürchten.
Hinter Formulierungen wie der „grundsätzlichen Zulässigkeit von Privatklagen“
oder „der district attorney hat keine Alleinzuständigkeit für die Erhebung von
Anklagen“, von Privatklägern würde aber erwartet, sie sollten „ebenso sachlich
und unvoreingenommen an das Verfahren herangehen wie der Staatsanwalt“,
verbirgt sich tatsächlich oft ein Vakuum, in dem Richter nicht wissen, wie sie
sich im konkreten Einzelfall verhalten sollen. So entsteht beim Lesen so mancher
Entscheidung der Eindruck, dass Gerichte schon durch diese bestehenden
Unsicherheiten hinsichtlich der Durchführung des Verfahrens geneigt sind, irgendeinen
Grund zu finden, das Verfahren nicht durchführen zu müssen.
III. Reformbestrebungen und Kritik
Das fast schrankenlose Ermessen des amerikanischen Staatsanwalts und das
Fehlen fast jeglicher Kontrolle wurden in den USA in den letzten Jahrzehnten
als Problem erkannt und waren Gegenstand nicht weniger juristischer Abhandlungen.
621
Zudem wird die Tatsache, dass es für Verbrechensopfer in den Vereinigten Staaten
keine rechtlichen Möglichkeiten zur Ingangsetzung eines strafrechtlichen
Verfahrens gibt, von zahlreichen Autoren nicht hingenommen. 622
619 412 N.Y.S. 2d 748.
620 412 N.Y.S. 2d 748, 749; bei einer Ablehnung der Anklage durch den district attorney wäre
die Niederschlagung durch das Gericht sicher etwas einfacher gewesen.
621 Statt vieler: Krug, Prosecutorial Discretion and its Limits, 50 Am. J. Comp. L. 643; Gershman,
The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393; Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L.
Rev. 393, 458 spricht von gut dokumentiertem Ermessensmissbrauch von Staatsanwälten, einer
„laissez– faire“ Attitüde der Gerichte und einer enttäuschenden Performance von professionellen
Überwachungsgremien, was insgesamt ein wachsendes Potential für Missbrauch staatsanwaltlicher
Instrumente biete.
622 Statt vieler: Gittler, Expanding the role of the victim in a criminal action, 11 Pepp. L. Rev.
117, 159, die eine Opferbeteilung am Strafverfahren für notwendig zur Vermeidung von Ermessensmissbrauch
hält.

108
Für eine Reform des Systems werden die verschiedenartigsten Lösungsansätze
vertreten.
1. Ansatz bei der Privatklage
Einige Autoren 623 sprechen sich für Kontrolle der Staatsanwaltschaft durch Einführung
oder Stärkung der Privatklage aus, wobei Ausgestaltung und Umfang
variieren.
Schon 1955 wird im Yale Law Journal 624 die Prozessführung durch einen privaten
Ankläger für den Fall der unerwünschten Untätigkeit des Staatsanwaltes gefordert.
Dabei soll der Staatsanwalt zunächst die Herrschaft über das Verfahren
behalten. Nur für den Fall der fehlerhaften Ermessensausübung soll ein Gericht
auf Antrag „jeder Person“ unter bestimmten Voraussetzungen den Staatsanwalt
durch einen vom privaten Anspruchsteller benannten Rechtsanwalt ersetzen. 625
Bei der Erörterung der Privatklage wird zumeist auf das englische System 626
verwiesen und die Forderung nach Einführung der Privatklage oft nicht nur auf
den Verletzten der Straftat beschränkt, sondern nach Vorbild des englischen Systems
die Einführung einer Art Popularklage gefordert. Dabei steht zumeist
nicht nur der Anstoß, sondern die gesamte Durchführung des Strafverfahrens
623 Vgl. z.B. Goldstein, Defining the role of the victim in criminal prosecution, 52 Miss. L. J.
515, 558 der sich im Sinne eines besseren Law-Enforcements massiv für die Privatklage einsetzt;
ebenso Benson, Comment: The lost victim and other failures of the public law experience, 9 Harv.
L. Rev. 399 ff., der auf generelle Reprivatisierungstendenzen im Recht verweist und die Tradition
und Dominanz privater Ankläger anhand des Rechtes der Siedler und Goldgräber im „wilden Westen“
betont. Benson, a.a.O., 427, fordert dabei die primäre Verantwortung des Opfers für die
Strafverfolgung.
624 Comment: Private prosecution: A remedy or district attorney´s unwarranted inaction, 65 Yale
Law Journal, 209 ff.; diese Abhandlung ist wohl der meist-zitierte Aufsatz zum Thema Privatklage.
625 Comment, Yale Law Journal, Vol. 65. Dez. 1955, 209, 222 m.w.N. verweist zur Rechtfertigung
seiner Forderung nach der Popularklage auch auf die in einigen Staaten der USA existierenden
sog. „qui-tam“-statutes, die es Privatpersonen ermöglichen, bestimmte Rechtsverstöße wie
z.B. Steuerrechtsverletzungen, beschränkende Gesetze zum Verkauf von Alkohol oder Medikamenten
etc. gerichtlich zu verfolgen und, quasi als Belohnung, vom Gericht einen Teil der festgesetzten
Strafe, die eigentlich an den Staat zu bezahlen ist, zu erhalten. Vgl. zu dieser Praxis aber
die einschränkende Entscheidung des Supreme Court, United States ex. rel. Marcus v. Hess, 317
U.S. 537, im Nachgang zu dieser Entscheidung wurde die Gesetzeslage vom Congress geändert.
626 In England ist die Privatklage noch heute üblich und genießt dabei die Unterstützung der
englischen Bürger. Dies, obwohl von der englischen Regierung große Anstrengungen hinsichtlich
einer zentralen Anklagebehörde unternommen worden sind. So hat die Regierung schon 1879 eine
staatsanwaltschaftliche Behörde geschaffen, allerdings steht dabei der Staatsanwalt nicht besser als
ein durchschnittlicher Bürger, da seine Autorität nur bestimmte Strafverfolgungen erfasst. Eine
Studie, die im Jahr 1960 durchgeführt wurde, ergab, dass nur 8% aller Strafverfolgungen in Großbritannien
vom Staatsanwalt durchgeführt wurden, während private Ankläger oder die Polizei über
92% der Anklagen durchführten, vgl. Jacoby, S. 7 f.

109
durch einen privat bestellten Ankläger im Vordergrund. Die Rolle der Verletzten
erschöpft sich bei diesen Ansätzen oft darin, aufgrund ihres verständlichen
Interesses hinsichtlich einer Strafverfolgung für die Begründung der Popularklage
herhalten zu müssen. 627
Nach verschiedenen Entscheidungen des U.S. Supreme Court 628 ist ein heftiger
Schlagabtausch zwischen Gegnern 629 und Befürwortern 630 der sog. „standing
doctrine“ entbrannt. Von den Gegnern wird eine Art Popularklage 631 für viele
Rechtsbereiche als Heilmittel für unangemessen weites Ermessen des Staatsanwaltes
gefordert. McCormack 632 plädiert mit Verweis auf die Tradition privater
Ankläger im anglo-amerikanischen Rechtssystem für die Einführung der Privatklage
zumindest für kleinere Vergehen und verweist auf das kürzlich eingeführte
Privatklagesystem in New Hampshire. 633
a. Kritik an der Young-Entscheidung
Die Young-Entscheidung des U.S. Supreme Court 634 hat insgesamt von Befürwortern
der Privatklage viel Kritik erfahren.
Der Missouri-court-of-appeals fragt 635 , woher die Fonds für die „disinterested
prosecutors“, die in der Young-Entscheidung erwähnt werden, kommen sollen.
Meier 636 meint, der Supreme Court habe die Bedeutung, die die Privatklage in
historischer Sicht im System hatte und bis jetzt habe, weit unterschätzt. Zudem
kritisiert sie die Aufhängung der Problematik am Punkt des Beschuldigtenschutzes:
das Recht auf Durchführung des Verfahrens durch einen public prosecutor
sei nicht mit anderen due-process-Rechten wie z.B. dem Recht auf Verteidigung,
Beweiserbringung „beyond reasonable doubt“ oder Durchführung eines
627 So z.B. comment, 65 Yale Law Journal, 209, 228: hier wird auf das nach historischer Herleitung
besondere Interesse des Verletzten (nach der Darstellung begründet dabei auch der Vergeltungsgedanke
ein solches Interesse) an einer Strafverfolgung das Täters verwiesen, im später, 233
f., vorgeschlagenen Mustergesetz aber dann „any person“ als berechtigter Anspruchssteller angeführt.
628 Z.B. Lujan v. Defenders of Wildlife, 504 U.S. 555; Fed.Election Comm`n v. Akins, 524
U.S. 11.
629 Vgl. z.B. Winter, The Metaphor of standing and the problem of self-governance, 40 Stan. L.
Rev. 1371; Sunstein, What´s standing after Lujan? Of citizen suits, “Injuries”, and Article III, 91
Mich. L. Rev. 163, jeweils m.w.N.
630 Z.B. Woolhandler / Nelson, Does History defeat standing doctrine?, 102 Mich. L. Rev. 689
m.w.N.
631 Verschiedentlich wird auch ein law-enforcement durch sog. agencies angeregt, vgl. Stewart /
Sunstein, Public Programs and Private Rights, 95 Harv. L. Rev. 1193.
632 McCormack, The need for private prosecutors: an analysis of Massachusetts and New
Hampshire law, 37 SFK. U. L. Rev. 497 m.w.N., verweist auf den positiven Effekt der Privatklage
auf die Strafverfolgung, die aus dem “stranglehold” des district attorneys befreit werde.
633 Vgl. oben C.II.2.b.cc.(3).
634 Vgl. hierzu die obigen Ausführungen unter II. 2. cc. (3) (b).
100.
635 In O´Brien, 778 S. W. 2d , 407.
636 Meier, The “right” to a disinterested prosecutor of criminal contempt., 70 Wash. U. L. Q. 85,

110
jury-Verfahrens vergleichbar. Die Autorin betont dabei, dass die, wenn auch mit
vielen Einschränkungen versehene Privatklage heute noch in zahlreichen Staaten
verbreitet und gegen Abschaffung geschützt ist. 637 Zudem verstoße die Privatklage
auch in keiner Weise gegen Rechte des Beschuldigten oder der Öffentlichkeit
im Sinne eines fairen Verfahrens: zum einen entspreche das Bild des
„objektiven“ Staatsanwaltes im Gegensatz zum übereifrigen, rachsüchtigen Privatkläger
schlichtweg nicht der Realität. Genau sowenig wie im Einzelfall feststehe,
ob ein wirklich objektiver, neutraler, nicht von unsachlichen Erwägungen
beeinflusster Staatsanwalt tätig würde, so müsse nicht jeder Privatkläger nur aus
Rache tätig werden. Was das Problem der Unparteilichkeit angehe, so sei ein
Gericht, dem an der Durchsetzung seiner Anweisung gelegen sei, wohl kaum
unparteiischer als ein Privatkläger. 638
Auch das öffentliche Interesse erfordere keine Strafverfolgung nur durch die
Staatsanwälte: dass ein Staatsanwalt möglicherweise eine Straftat gegen den
Willen des Opfers zu Gunsten des Beschuldigen nicht weiter verfolge, bedeute
nicht, dass es sich herbei gerade um eine besonders faire und gerechte Strafverfolgung
handle. Das Bild eines völlig hilflosen Beschuldigten, gegen den durch
einen privaten Ankläger die volle „staatliche Maschinerie“ aufgefahren würde,
sei unangebracht, da jeder, der mit einer Gefängnisstrafe von 6 Monaten oder
mehr bedroht sei, das Recht auf einen Pflichtverteidiger habe. Die Young-
Entscheidung sei auch deshalb besonders falsch, weil sie gerade nicht auf die
objektivste anzustellende Erwägung hinsichtlich einer „gerechten“, im objektiven
Interesse stehenden Strafverfolgung abstelle, nämlich der Frage, ob hinreichender
Tatverdacht und ausreichend Beweise vorlägen. Es seien keinerlei
objektive Standards präsentiert worden, wann eine Strafverfolgung denn als gerecht
und unparteilich einzustufen sei, wie es ansonsten bei Entscheidungen z.B.
zum plea-bargaining üblich sei und an denen auch die Privatklage zu messen
sei. Somit sei die bloße Behauptung, die öffentlich initiierte Strafverfolgung sei
fairer und gerechter als die privat initiierte völlig unsubstantiiert. 639 Öffentliche
Strafverfolgung sollte als das gesehen werden, was sie tatsächlich sei, nämlich
eine Reflektion sozialer Werte und Moral, die individuelle Verbrechen als
Verbrechen gegen den Staat und somit die Gemeinschaft behandle, worin die
Öffentlichkeit ein fundamentales Interesse habe. Sie stelle einen Versuch der
Gesellschaft dar, auf diese Weise Werte in das Strafrechtssystem zu implementieren.
Dies sollte jedoch nicht mit einer maximalen Protektion von Beschuldigten
oder notwendigerweise mit „Gerechtigkeit“ verwechselt werden. 640
637 Meier, The “right” to a disinterested prosecutor of criminal contempt., 70 Wash. U. L. Q. 85,
103 ff.
638 Meier, The “right” to a disinterested prosecutor of criminal contempt., 70 Wash. U. L. Q. 85,
113 ff.
639 Meier, The “right” to a disinterested prosecutor of criminal contempt., 70 Wash. U. L. Q. 85,
118.
640 Meier, The “right” to a disinterested prosecutor of criminal contempt., 70 Wash. U. L. Q. 85,
118.

111
Schließlich seien die contempt-actions ohnehin nicht mit den „normalen“ Strafverfolgungen
zu vergleichen, auch deshalb dürfe man aus der Young-
Entscheidung keine generelle Regel und ein due-process-Erfordernis eines „disinterested
prosecutors“ folgern.
b. Diskussion zur Neutralität des Privatklägers
Ein häufig gegen die Privatklage geführtes Argument ist, dass damit oft eine
strafrechtliche Verfolgung ohne ausreichenden Hintergrund durchgeführt würde,
nur mit dem Ziel, den Beschuldigten zu verfolgen und bloß zu stellen. 641 Während
der public prosecutor bei Ausübung seines Amtes an ethische Grundsätze
gebunden, der Öffentlichkeit und dem Beschuldigten gegenüber verpflichtet sei,
schulde der Privatankläger ausschließlich absolute Loyalität seinem Klienten
gegenüber. 642 Es wird auf Entscheidungen verwiesen, wonach der public prosecutor
unabhängig von privaten Einflüssen finanzieller Art sein muss. 643 Speziell
sei zu befürchten, dass eine unangemessen hohe Anklage erhoben werde, die
vom Supreme Court im Brady-Fall 644 vom prosecutor geforderten Entlastungsbeweise
nicht vorgelegt würden, eine härtere Bestrafung als erforderlich erstrebt
oder es während des Prozesses zu einem fehlerhaften Verfahren komme. Da der
prosecutor anerkanntermaßen über sehr umfassendes Ermessen verfüge und dieses
praktisch unüberprüfbar sei, bleibe keine andere Möglichkeit, als private
Ankläger, auf die die gleichen Regeln anzuwenden wären, zu verbieten. Zudem
wäre der strafrechtliche Strafanspruch wegen der „double-jeopardy“-Doktrin
gefährdet, da im Falle eines Freispruchs aufgrund einer Privatklage der prosecutor
den Fall nicht mehr vor Gericht bringen könne. 645
Auch in diesen Punkten widersprechen die Befürworter der Privatklagen: Gerichte
haben die Möglichkeit, dem entgegenzuwirken und haben dies entsprechend
getan, indem entschieden wurde, dass die Privatankläger durch ihre Ankläger
keinerlei eigene Immunität vor einer Strafverfolgung haben. 646 Die Berufsgrundsätze
und Richtlinien, die für Staatsanwälte gelten, sind auch für private
Ankläger anzuwenden und von diesen zu beachten. 647 Von einigen Autoren
641
Waldron v. Tuttle, 4 N. H. 149, 151; hiergegen Davis / Kunreuther / Connick: Expanding
the victim´s role in the criminal court dispositional process, 75 J. Crim. L. & Crim. 491, die in
einer praktischen Studie gerade kein übereifriges Rachestreben o.ä. der Opfer feststellen konnten.
642
Comment, the outmoded concept of private prosecution, 25 Am. U. L. Rev. 754, 775 unter
Bezugnahme auf die ABA – Standards.
643
Z.B. State v. Harris, 477 S. W. 2d 42, Callahan v. Jones, 93 P. 2d 326; die Teilnahme des
Opfers an der Ermittlung durch deren Finanzierung wurde z.T. als unzulässig betrachtet, weil zu
befürchten sei, dass hierdurch ein Konflikt des Staatsanwaltes zwischen dem Opfer und der Öffentlichkeit,
zu der laut People v. Eubanks, 927 P. 2d 310 auch „der Beschuldige, seine Familie
sowie alle, die um ihn besorgt seien“ gehörten.
644
Brady v. Maryland, 373 U.S. 83.
645
Bessler, The public interest and the unconstitutionalty of public prosecutors, 47 Ark. L. Rev.
511, 569 ff.
646
State v. Rollins, 533 A. 2d 331, 332.
647
People v. Van Sickle, 192 N. E. 2d 9.

112
wird zudem vorgeschlagen, dass Gerichte bei einer mutwilligen Klageerhebung
entsprechende Sanktionen erlassen sollten. Die Möglichkeit, ihre Anwaltszulassung
zu verlieren oder eine entsprechende Strafe zu zahlen, sollte ausreichend
sein, Rechtsanwälte von der Erhebung grundloser Klagen abzuhalten. 648 Dabei
werde eine Beeinträchtigung der Rechte des Beschuldigten geprüft. Vom prosecutor
verlangt der Supreme Court zur Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte
des Beschuldigten, jeder einzelne belastende Umstand müsse dem Beschuldigten
„beyond reasonable doubt“ bewiesen werden. 649 Die gleichen Maßstäbe sind
an den Privatkläger anzulegen. Wenn das Gericht zu der Ansicht kommt, die
verfassungsmäßigen Rechte eines Beschuldigten würden durch den Privatankläger
beeinträchtigt, so schließt es diesen aus und belässt die Strafverfolgung in
den Händen des Staatsanwalts; auch Berufungsgerichte haben so entschieden. 650
Die Rechte des Beschuldigten sind somit ausreichend gewahrt. Benson 651 verweist
auf das hohe Missbrauchspotential staatlicher Macht, für das letztlich
niemand verantwortlich gemacht werden könne, während Privatankläger wenigstens
zur Verantwortung gezogen werden könnten.
c. Nutzen für den Verletzten
Schließlich führen die Fürsprecher der Privatklage auch das berechtigte Interesse
der Verletzten ins Feld. Dies wird insbesondere vor dem Hintergrund gesehen,
dass Opfer ansonsten keinerlei Möglichkeiten haben, gegen die Entscheidung
des Staatsanwalts, keine Anklage zu erheben und das Verfahren nicht weiterzuführen,
vorzugehen. Nicht nur Interessen des Beschuldigten, sondern auch
das Interesse des Opfers an einer, sogar äußerst eifrigen, Strafverfolgung des
Täters ist von den Gerichten anerkannt. 652 Für das System der Strafverfolgung
wäre es nach Vertretern dieser Auffassung zudem ein großer Schaden, den Verletzten
nach wie vor nur als uninteressante und nicht beteiligte Randfigur anzusehen.
Die Privatklage biete ein Mittel für den Verletzten, eine aktivere Rolle in
der Strafverfolgung zu spielen und die Unzufriedenheit mit dem System zu
mindern. Dies komme auch der Allgemeinheit zu Gute, da eine effektivere
Strafverfolgung möglich ist. Verletzte, die mehr in das System eingebunden
sind, haben mehr Vertrauen in die Strafverfolgung und bringen somit auch mehr
Straftaten zur Anzeige, die ansonsten ungeahndet blieben, was schließlich auch
648 McCormack, The need for private prosecutors: an analysis of Massachusetts and New
Hampshire law, 37 SFK. U. L. Rev. 497, 509; State v. Rollins, 533 A. 2d 331.
649 In re Winship, 397 U.S. 358.
650 Z. B. Rogowicz v. O’Connell, 786 A. 2d 841; Commonwealth v. Tabor, 384 N. E. 2d 190.
651 Benson, Comment: The lost victim and other failures of the public law experience, 9 Harv.
L. Rev. 399, 417 ff., führt als Beispiel staatlicher Willkür den Massenmord an Juden während der
NS-Zeit, sowie die Verbrechen der amerikanischen Regierung im Zeitalter der Rassentrennung an.
652 State v. Atkins, 445 U.S. 904, dort stellte der West Virginia Supreme Court als weiteren
Grund für die Bestellung eines private Prosecutor fest: „…the victim´s family may wish to satisfy
itself that the case is being vigorously prosecuted”.

113
für die Allgemeinheit zu einem Schaden führen kann. 653 Schließlich entlasteten
die Privatkläger auch die ohnehin chronisch überlasteten Staatsanwaltschaften.
Insgesamt könnten somit alle Systeme von der Privatklage profitieren. Eine
Schwächung des Strafrechtssystems dadurch, dass Verletzte auf das Wohlwollen
von Staatsanwälten angewiesen sind, könnte so vermieden werden. 654
Gegenüber den Vertretern der strikten sog. standing doctrine, wonach dem Einzelnen
kein Recht auf Durchführung einer Strafverfolgung eines anderen zusteht
und den Betroffenen ausschließlich auf das Zivilrecht verweist, wird eingewendet,
das Opfer sei nicht nur in seinen zivilen Rechten betroffen. Es gebe nach
dem geltenden Recht in den USA keine Pflicht des Staatsanwaltes, die Interessen
eines Verletzten einer Straftat durch eine Strafverfolgung zu schützen. 655
Der Staat, der die Strafverfolgung als Monopol übernimmt, schulde dem Bürger
als Gegenleistung aber auch, ihn dann auch wirksam vor Verbrechen zu schützen.
656 Somit gebe es zwar grundsätzlich einen Übergang des Strafanspruches
an die Gemeinschaft, wenn diese aber nicht in der Lage sei, diesen ausreichend
auszuüben, aber selbstverständlich einen entsprechenden Rückgewährsanspruch
des Verletzten. 657
Die öffentliche Strafverfolgung führe auch nicht, wie es oft von deren Befürwortern
behauptet werde, zu einer gewissen Standardisierung der Strafverfolgung,
weil die Systeme stark variierten und der Staatsanwalt die zu verfolgenden
Fälle willkürlich auswählen könne und dies je nach Umfeld auch mache. 658
Zudem hält auch das von den Gegnern der Privatklage bemühte Bild des völlig
neutralen Staatsanwaltes nicht stand: 659 der Staatsanwalt wird an der Zahl der
von ihm erzielten Verurteilungen gemessen. Politisch ehrgeizige und aggressive
prosecutors sind in keiner Weise ungewöhnlich und der Eifer eines nach einem
höheren Amt strebenden oder ein bestimmtes politisches Ziel verfolgenden
Staatsanwaltes dürfte nicht geringer sein als der eines „interested“ privaten Anklägers.
660 Gerichte haben herausgestellt, dass die Rolle des unbelasteten, nur
nach der „Wahrheit“ suchenden prosecutors mit der Prämisse des adversatorischen
amerikanischen Strafrechtssystems inkompatibel ist. Die Wahrheit werde
dort nicht durch direkte Untersuchung gefunden, sondern dadurch, dass man
653
Comment: Private prosecution: A remedy or district attorney´s unwarranted inaction, 65
Yale Law Journal, 209.
654
McCormack, The need for private prosecutors: an analysis of Massachusetts and New
Hampshire law, 37 SFK. U. L. Rev. 497, 509; State v. Rollins, 533 A. 2d 331.
655
Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727, 729, so auch Logan, A proposed
check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L. Rev. 1695, 1720
m.w.N.
656
Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727, 730 m.w.N.
657
Comment, 65 Yale Law Journal, 209, 227 f. m.w.N.
658
Benson, Comment: The lost victim and other failures of the public law experience, 9 Harv.
L. Rev. 399, 413 f.
659
So auch Goldstein, Defining the role of the victim in criminal prosecution, 52 Miss. L. J.
515, 550 ff.
660
Dick v. Scroggy, 882 F. 2d 192, 196.

114
zwei gegnerischen Parteien erlaubt, ihre opponierenden Positionen nach ihren
besten Möglichkeiten zu präsentieren. 661
2. Die Befürworter einer gerichtlichen Überprüfung der staatsanwaltlichen
Ermessenentscheidung
Viele Autoren 662 und Organisationen 663 favorisieren vor allem in jüngerer Zeit
kumulativ oder alternativ eine gerichtliche Überprüfung der staatsanwaltlichen
Ermessenentscheidung, nicht anzuklagen, auf Antrag des Verletzten. Kommt
das angerufene Gericht zu der Entscheidung, dass hinreichender Tatverdacht
vorliegt, so könnte es evtl. selbst die Anklage zulassen bzw. den prosecutor anweisen,
Anklage zu erheben.
Gegner eines solchen Modells tragen in erster Linie verfassungsrechtliche Bedenken
i.S. der separation of powers–Doktrin vor. Das U.S. Supreme Court
selbst hat die Anklageentscheidung in Wayte v. United States 664 zwar als „particulary
ill suited to judicial review“ eingestuft und „systemic costs“ wie etwa
Verzögerungen und negative Auswirkungen auf die staatsanwaltliche Effektivität
bemängelt, das Anführen verfassungsrechtlicher Bedenken aber weitgehend
unterlassen.
Umgekehrt verweisen Gegner der „standing doctrine“ und Befürworter einer
gerichtlichen Überprüfung auf verfassungsrechtliche Probleme mangelnden
Schutzes für den Verletzten sowie einer nicht ausreichenden Strafverfolgung. 665
a. Umsetzungsproblematik
Auch um in Zukunft differierende Gerichtsentscheidungen mit der Folge unklarer
Rechtslage zu vermeiden, fordern Autoren die Eingrenzung dieser Einfluss-
661 Dick v. Scroggy, 882 F. 2d 192, 197: “prosecutors are supposed to be advocates”.
662 Vgl. z.B. Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors,
1990 Wis. L. Rev. 1695, 1730 f., Comment: Judicially initiated prosecution: A means of preventing
continuing victimization in the event of prosecutorial inaction, 76 Cal. L. Rev. 727, Green,
Private challenges to prosecutorial inaction, 97 Yale L. J. 488; Bandes, Victim standing, 2 Utah L.
Rev. 331, 343: “There is room for much judicial supervision without running the risk of stripping
prosecutors of their discretion”.
663 Selbst die National Advisory Comission on Criminal Justice Standards and Goals
(NACCJSD) und sogar die American Bar Association, Privatklägern gegenüber negativ eingestellt,
spricht sich in den ABA-Standards, Kommentar zu Standard 3-2. 1 nicht gegen ein solches
System aus: Die Bemühungen zur Einräumung eines Anklagemonopols „…not intended to discourage
the adoption of a system under which a complainant may move for prosecution before a
magistrate when a prosecutor has declined to proceed…“.
664 470 U.S. 598; hierbei ging es allerdings nicht um eine vom Opfer initiierte Überprüfung einer
negativen Anklageentscheidung, sondern generell um Justitiabilität staatsanwaltlicher charging-Entscheidungen.
665 Bandes, Victim standing, 2 Utah L. Rev. 331, 344 sieht hier z.B. den equal-protection-
Grundsatz verletzt; Aynes, Constitutional considerations: government responsibility and the right
not to be a victim, 11 Pepp. L Rev. 63, sieht eine Pflicht der Regierung, ihre Bürger zu beschützen.

115
nahme und Änderungen der Rechtslage mittels einer klar artikulierten Kodifikation
durch den Gesetzgeber. 666 Ziel der Reformbestrebungen wäre mithin die
Schaffung einer gesetzlichen Regelung dergestalt, dass für den Fall der negativen
Anklageentscheidung des prosecutors vom Verletzten das Gericht angerufen
werden kann, das dann überprüfen könnte, ob ausreichender Tatverdacht vorliegt,
und bei Bejahung die Anklage zulassen könnte.
Die Umstrittenheit und Problematik einer solchen, praxisrelevanten opferfreundlichen
Regelung, lässt sich anschaulich an einem Gesetz des die Privatklage
gänzlich verbietenden 667 Bundesstaates Wisconsin darstellen:
Wisconsin Statute sec. 968.02(3) besagt wörtlich:
„If a district attorney refuses or is unavailable to issue a complaint, a circuit
judge may permit the filing of a complaint, if the judge finds there is probable
cause to believe that the person to be charged has committed an offense after
conducting a hearing. If the district attorney has refused to issue a complaint,
he or she shall be informed of the hearing and may attend. The hearing shall be
ex parte without the right of cross-examination”.
Das Gesetz wurde vom obersten Gericht des Staates Wisconsin, dem Supreme
Court, 1987 für verfassungswidrig erklärt. 668 Es verletze das in der Verfassung
von Wisconsin verankerte Gewaltenteilungsprinzip, indem in unerlaubter Weise
wesentliche Funktionen eines Zweiges der Gewalten auf den anderen verteilt
würden. Staatsanwälte seien, wie auch parallel auf Bundesebene, unzweifelhaft
der Exekutive zuzuordnen, welcher verfassungsgemäß 669 die Aufgabe zugeschrieben
sei, die Einhaltung der Gesetze zu überwachen. Die Entscheidung
darüber, ob jemand wann weswegen angeklagt werde, liege, bis auf Fälle groben
Ermessensmissbrauchs, in denen die Gerichte eingreifen könnten, beim Staatsanwalt.
Diesem stehe dabei ausdrücklich ein breites Ermessen auch hinsichtlich
selektiver Strafverfolgung zu. Zwar könne der Staatsanwalt eine einmal gerichtlich
anhängige Anklage nicht mehr einseitig zurücknehmen, diese Situation sei
jedoch deutlich von der zu unterscheiden, in der noch keine gerichtliche Anklage
vorliege. In letztgenanntem Stadium des Verfahrens habe der prosecutor Alleinentscheidungsbefugnis.
Genau hierin greife das Gesetz aber ein, indem es
dem Richter nicht nur die Überprüfung einer staatsanwaltlichen Entscheidung
erlaube, sondern auch eine Anklageentscheidung „ab initio“, d.h. bevor überhaupt
ein prosecutor tätig geworden sei; es handele sich eindeutig um eine
666
Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727, note 73; so auch Dengler, S.
315 f.
667
Vgl. schon oben; Biemel v. State, 37 N. W. 244; Rock v. Eckern, 156 N. W. 197.
668
Unnamed Petitioners v. Connors, 401 N. W. 2d 782; der zugrunde liegende Fall war State ex
rel. Newspapers, Inc. v. Circuit Court for Milwaukee County, 370 N. W. 2d 209, inhaltlich ging es
dabei um eine junge Frau, die vergewaltigt worden war. Obwohl ausreichender Tatverdacht gegen
den Beschuldigten bestand, weigerte sich der prosecutor, Anklage zu erheben, angeblich weil er
Zweifel hatte, dass die Schuld im Prozess „beyond reasonable doubt“ bewiesen werden könnte.
669
Unter Verweis auf Wis. Const. Art. V, sec. 4: „…..take care that the laws be faithfully executed“.

116
Usurpation der staatsanwaltlichen Entscheidung. Der Richter übernehme die
Entscheidung, ob ein bestimmter Sachverhalt angeklagt werde und erfülle damit
vollständig die Funktion des Staatsanwaltes. 670 Dabei sprachen die den Fall entscheidenden
Richter auch eine andere mögliche gesetzliche Regelung an, zu deren
Verfassungsmäßigkeit sie allerdings ausdrücklich keine Stellung nehmen
wollten: ein Gesetz über die richterliche Überprüfung staatsanwaltlicher Ermessensentscheidungen.
In diesem Zusammenhang wurde ausdrücklich auf eine
frühere Entscheidung 671 Bezug genommen, worin es als äußerst notwendig und
wünschenswert bezeichnet worden war, verbindliche Richtlinien für die Ausübung
staatsanwaltlicher Tätigkeit und damit die Basis für eine richterliche
Kontrolle zu schaffen. Auch die im Ergebnis zustimmende Richterin Justice
Abrahamson mahnte in ihrer Begründung 672 nochmals ausdrücklich die Notwendigkeit
der Überprüfung der staatsanwaltlichen Entscheidung, nicht anzuklagen,
durch den Verletzten an. Dabei verwies sie auf die Geschichte privater
Ankläger und verschiedene Gesetzesbegründungen in Wisconsin, wonach der
Gesetzgeber einen solchen Verletztenschutz für erforderlich gehalten und das
legitime Interesse des Opfers an einer Strafverfolgung anerkannt habe. Zudem
habe der Gesetzgeber absichtlich die Anklagefunktion im Falle der Untätigkeit
des Staatsanwaltes an andere Personen verteilt. 673 Richterin Abrahamson widersprach
vehement der unter Verweis auf eine bestimmte Entscheidung 674 von der
Mehrheit erwähnten Ansicht, wonach es unter dem Aspekt der Gewaltenteilung
auch der Legislative nicht ohne weiteres möglich sei, verbindliche Regelungen
für die Ermessensausübung des Staatsanwaltes zu schaffen, da diese Pflichten
der Exekutive inhärent und deshalb dem Zugriff der Legislative verschlossen
seien. Sowohl in State v. Coubal 675 , als auch in Kurkierewicz 676 hätten sich die
Gerichte deutlich von einer solchen Ansicht distanziert.
670 Unnamed Petitioners v. Connors, 136 Wis. 2d 118, 136.
671 Karpinski v. State, 92 Wis. 2d , 599, 608.
672 Unnamed Petitioners v. Connors, 136 Wis. 2d 118, 143 ff.
673 Unter Verweis auf u.a. Wis. Sec. 23. 65 (3) stats, wonach in bestimmten Fällen der Richter
ein „complaint“ ausstellen kann, Wis. Sec. 59.4, stats, wonach der Richter unter bestimmten Umständen
einen „special-Prosecutor“ einsetzen kann, Wis. sec. 979.04 (2), wonach Richter unter
bestimmten Umständen auf Antrag eine Weisung an die Staatsanwaltschaft erlassen kann, wenn
diese nach Ansicht des Gerichts ermessensmissbräuchlich nicht tätig geworden ist sowie verschiedene
weitere gesetzliche Regelungen, die bestimmen, dass das Justizministerium tätig werden
kann, wenn der Staatsanwalt dies verweigert. Verwiesen wird auch auf Wis. Sec.19.97 (4) stats,
eine Regelung, wonach bei Verstößen gegen das Versammlungsrecht jeder Bürger im Namen des
Staates Anklage erheben und im Falle des Obsiegens sogar Rechtsanwaltsgebühren geltend machen
kann, falls der Staatsanwalt zwanzig Tage nach Erhalt einer begründeten Beschwerde nicht
tätig geworden ist.
674 State v. Coubal, 248 Wis. 247.
675 State v. Coubal, 248 Wis. 247. 256 f.
676 State ex rel. Kurkierewicz v. Cannon, 166 N. W. 2d 255, dort heißt es : “….the position of
the district attorney, though constitutional, was not one of inherent powers, but was answerable to
specific directions of the legislature…”.

117
Zwei weitere Richter entfernten sich deutlich von der Mehrheitsentscheidung in
ihrer dissenting opinion: das streitgegenständliche Gesetz sei nicht verfassungswidrig,
sondern ein ordentliches und realistisches Instrument, Fälle in ordnungsgemäßer
Weise durch das Strafrechtssystem zu bringen, ohne dabei die
staatsanwaltliche Ermessensentscheidung zu usurpieren. Da in der Verfassung
keine eindeutigen Pflichten der district-attorneys vorgegeben seien, sei es Aufgabe
der Legislative, diese vorzugeben, was mit der streitgegenständlichen Regelung
gerade geschehen sei. 677 Die historische Betrachtung der Verfassung ergebe,
dass dem district attorney keineswegs exklusiv die Entscheidung zur Anklage
oder Nicht-Anklage zugestanden habe. 678 Es gebe weder eine verfassungsrechtliche
Vorgabe, noch eine Geschichte der alleinigen Entscheidungsbefugnis
des Staatsanwalts über die Anklage. Das angegriffene Gesetz stelle die Balance
zwischen Justiz und Exekutive wieder her, die durch die Abschaffung der grand
jury ins Wanken geraten sei. Es bestehe ein Bedürfnis für eine Kontrolle durch
Gerichte in einer geregelten Form. Darin sei keine unzulässige Einmischung in
die Rechte und verfassungsgemäße Funktion der Exekutive zu sehen.
Die Appelle der Abweichler fruchteten und nur zwei Jahre später wurde die Entscheidung
durch das gleiche Gericht in State v. Unnamed Defendant 679 wieder
aufgehoben. Das streitgegenständliche Gesetz verletze nicht den Grundsatz der
Gewaltenteilung. Dabei stützte sich das Gericht vorwiegend auf die Ansicht der
vorgenannten abweichenden Meinung und insbesondere eine neue historische
Herleitung, wonach die Anklageentscheidung eben nicht alleine in den Händen
des prosecutors und somit der Exekutive, sondern ursprünglich auch schon immer
von Gerichten ausgeübt worden sei. 680
In praktischer Hinsicht hat die Gesetzgebung bzgl. gerichtlicher Überprüfung
staatsanwaltlicher Entscheidungen mit Durchbrechungen der staatsanwaltlichen
Alleinherrschaft, man denke nur an die Durchführung der preliminary hearings,
677 Unnamed Petitioners v. Connors, 136 Wis. 2d 118, 164f. unter Verweis auf State ex rel.
Kurkierewicz v. Cannon, 42 Wis. 2d 368, 379.
678 Dabei wird u.a. auf ein Gesetz aus dem Jahr 1889 Bezug genommen, in dem geregelt war,
dass der Staatsanwalt, wenn er sich entschied, nicht anzuklagen, diese Entscheidung mit Gründen
versehen an das Gericht zuleiten solle. War das Gericht von der Argumentation nicht überzeugt, so
sollte der Staatsanwalt die Sache anklagen. Auch war der Staatsanwalt gezwungen, alle von der
grand jury gewünschten Sachverhalte anzuklagen.
679 150 Wis. 2d 352; zugrunde liegend war hier ein Fall, indem sich das örtliche Staatsanwaltsbüro
wegen „ethischer Probleme“ geweigert hatte, eine Anklage wegen sexueller Übergriffe zu
erheben.
680 150 Wis. 2d 352, 441; in erster Linie wurde auf die lange Tradition des Gesetzes verwiesen,
wogegen die Regelungen, die dem prosecutor die Macht über die Anklageentscheidung einräumten,
sehr viel jünger seien. Deshalb bestünden beide Kompetenzen nebeneinander; kritisch zu der
Entscheidung in dieser Hinsicht: Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin
prosecutors, 1990 Wis. L. Rev. 1695, 1702 ff.

118
wobei der Richter schon vor Erhebung der Anklage über den weiteren Fortgang
des Falles entscheidet, schon lange eingesetzt. 681
b. Modelle zur Umsetzung
Gegner 682 derartiger Regelungen berufen sich ferner darauf, dass die Entscheidung
der U.S.-Attorneys flexibel gehalten werden müsse, um „schwache“ Fälle
von Anfang an aussondern und auf die individuellen Anforderungen des Falles
reagieren zu können. 683 Ferner werden massive Belastungen befürchtet: die
Nachprüfung staatsanwaltlicher Entscheidungen werde das ohnehin überlastete
criminal justice system vollkommen überstrapazieren. 684
Solchen Befürchtungen will Logan 685 wirksam entgegentreten, indem er eine
gegenüber der oben angeführten Rechtslage in Wisconsin 686 etwas eingeschränkte
und präzisierte Regelung vorschlägt. Dabei betont er spezifisch zwei
herausragende Vorteile einer richterlichen Überprüfung der charging decision:
zum einen sei eine solche Sicherheitsmassnahme im Sinne der Fairness für die
Opfer und dem übergeordneten Interesse einer Stärkung des Vertrauens der
Bürger in das System essentiell, zum anderen komme dies auch den Staatsanwälten
selbst zugute, die mehr Sicherheit bzgl. ihrer Entscheidungen gewännen
und nicht länger dem Vorwurf obskurer Entscheidungsfindung ausgesetzt seien.
687 Allerdings hält er die Ausrichtung am Kriterium „probable cause“ allein
für zu breit und unflexibel. Er fordert den Ausbau fester Ermessensrichtlinien.
Nur bei Ermessensmissbrauch (= Verstoß gegen die Richtlinien) und Verstoß
gegen grundsätzliche Tabus, etwa der Benachteiligung aufgrund von Hautfarbe,
Religion etc., solle das Gericht nach vollständigem Studium der Akte die Entscheidung
des Staatsanwaltes aufheben können. Im Gegensatz zur genannten
Regelung in Wisconsin sollte nicht jeder, sondern nur das tatsächliche Opfer die
staatsanwaltliche Entscheidung herausfordern können. So könnten einerseits die
681 Vgl. obige Ausführungen zum preliminary hearing und plea bargaining. Auch später im
Prozess kann der Staatsanwalt in einigen Staaten nicht mehr ohne weiteres eigenständig Anklagen
fallenlassen, vgl. Fed-R. CRIM. P. 48 (a), vgl. auch z.B. Rinaldi v. U.S. 434 U.S. 22, 30 (1977);
U.S. v. Hamm, 659 F. 2d 624, 628 f.
682 Allen voran die föderalen Gerichte, vgl. schon obige Beispiele unter C.I.6.a.bb.; vgl. auch
Wayte v. U.S., 470 U.S. 598, 608: föderale Gerichte als „properly hesitant to examine the decision
whether to prosecute“; ähnlich Powell v. Katzenbach, 359 F. 2d 234 und U.S. v. Torquato, 602 F.
2d 564, 569.
683 Spillmann v. U.S. , 413 F. 2d 527, 530.
684 Wayte v. U.S., 470 U.S. 598.
685 Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L.
Rev. 1695, 1703 ff.
686 Wisconsin Statute sec. 968. 02 (3).
687 Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L.
Rev. 1695, 1735.

119
berechtigten Interessen der Verletzten befriedigt, andererseits aber zu hohe Lasten
für das System vermieden und dessen Flexibilität beibehalten werden. 688
In prozessualer Hinsicht soll der Rechtsbehelf wie folgt gestaltet werden: 689
Auf jeden Fall müsse sich der Antragsteller zunächst an den district attorney mit
der Bitte um Strafverfolgung wenden. Lehne der prosecutor die Strafverfolgung
ab, müsse er dies schriftlich mit Verweis auf das nach den Richtlinien übliche
Vorgehen der Behörde begründen. Die Begründung müsste dem Antragsteller
zugänglich gemacht werden. Dieser habe dann das Recht, sich an eine Art internen
Beschwerdeausschuss (idealerweise besetzt mit „senior prosecutors“ oder
anderen, in Anklageentscheidungen erfahrenen Personen) im Büro des Staatsanwalt
zur nochmaligen Durchsicht der Entscheidung zu wenden. Nur wenn
dieses Gremium ebenfalls die Entscheidung bestätige, könne sich der Antragsteller,
vorausgesetzt er ist der durch die Straftat Verletzte, an das Gericht
wenden. Wenn das Gericht mit der Entscheidung des Staatsanwaltes nicht einverstanden
ist, soll es einen special prosecutor (am besten einen Staatsanwalt
aus einem anderen district, nicht aber einen vom Verletzten privat bezahlten
Anwalt) bestellen, der den Fall dann vor Gericht vertritt. Dem Verletzten soll im
Falle einer negativen Entscheidung die Möglichkeit zur Beschwerde an das höhere
Gericht eingeräumt werden.
Green 690 plädiert abweichend hiervon aus verfassungsrechtlichen Gründen zu
äußerster Vorsicht und schlägt bei richterlicher Überprüfung der negativen Anklageentscheidung
ein nur deklaratorisches Statement des Gerichts, nicht aber
verbindliche Anweisungen an den Staatsanwalt vor. Dies habe ausreichende Signalwirkung.
691
3. Andere oder ergänzende Reformvorschläge
a. Kombination beider Ansätze
Davis 692 votiert vehement für ein Recht des Verletzten, eine Strafverfolgung
auch gegen den Willen des district attorney in Gang zu setzen und schlägt hierzu
eine Kombination aus richterlicher Überprüfung der negativen Anklageentscheidung
und Privatklage vor. Für den Fall, dass das Gericht die Unrichtigkeit
der staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung feststelle und der Staatsanwalt
die Anklageerhebung weiterhin ablehne, solle der Verletzte selbst mittels Privatklage
Anklage erheben dürfen. Zu diesem Zweck hat er für den Einsatz in
688
Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L.
Rev. 1695, 1736 f.
689
Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L.
Rev. 1695, 1738 ff.
690
97 Yale L.J. 488.
691
Green, Private challenges to prosecutorial inaction, 97 Yale L. J. 488, 505.
692
Davis, The crime victims right to a criminal prosecution, 38 De P. L. Rev. 329.

120
New York ein bis ins Detail ausgearbeitetes, bereits mit einem Kommentar versehenes,
Modell-Gesetz entworfen. 693
b. Einsatz bestimmter prosecutor
Wainstein 694 schlägt vor, zum Schutz bestimmter Opfer vor Reviktimisierung
vom Gericht bestimmte prosecutor einzusetzen, die den Interessen der Opfer
verpflichtet sind. Diese sollen dann zum Einsatz kommen und eine Anklageerhebung
durch das Gericht selbst ermöglichen, wenn der Staatsanwalt es verweigert
hat, Anklage zu erheben, obwohl hinreichender Tatverdacht vorlag, dies
zumindest in den Fällen, in denen ein Verletzter demonstrieren kann, dass eine
Anklage notwendig ist, um den Verdächtigen vom Verletzten fernzuhalten. 695
Zwar wird eingeräumt, die alleinige Ausübung der Strafverfolgung durch den
Staat reflektiere die fundamentale Konzeption des Strafrechts, wonach Verbrechen
gegen die Gesetze verstießen, und somit gegen die Gemeinschaft als Ganzes
gerichtet seien. Auch die Strafzwecke der Abschreckung, Rehabilitation und
Vergeltung dienten vornehmlich sozialen Zwecken und nicht den Interessen des
einzelnen Opfers. Allerdings stimmten die persönlichen Interessen des von einem
möglichen Wiederholungstäter gefährdeten Opfers mit dem spezialpräventiven
sozialen Ziel, den speziellen Täter von weiteren Straftaten abzuhalten, überein.
696 Der Staat, der die Strafverfolgung als Monopol übernehme, schulde
dem Bürger aber als Gegenleistung, ihn dann auch wirksam vor Verbrechen zu
schützen, ansonsten habe er seine Legitimation verloren. 697 Drohe also eine
Wiederholung der Straftat, so habe der prosecutor die spezielle Pflicht, das Opfer
durch Anklagerhebung zu schützen. Tue er dies nicht, so ist nach der Ansicht
Wainsteins eine Ausnahme zum staatsanwaltlichen Monopol der Anklageerhebung
zuzulassen, weil der Staat es versäumt habe, den berechtigten Interessen
des schutzlosen Verletzten gerecht zu werden. Dieser habe dann einen Anspruch
auf einen Rechtsbehelf, der die negative charging-Entscheidung des Staatsanwaltes
berichtige. 698 Dies soll aber nur für Opfer gelten, die vor Gericht nachweisen
können, dass die Anklage berechtigt und eine weitere Beeinträchtigung
wahrscheinlich ist, und zivilrechtliche Mittel nicht aussichtsreich sind. 699 Gelingt
dies, so soll der Richter einen privaten, aus Staatsmitteln finanzierten 700
693
Davis, The crime victims right to a criminal prosecution, 38 De P. L. Rev. 329, 398.
694
Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727.
695
Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727.
696
So Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727, 728, der insbesondere
auf Wiederholungstäter abstellt.
697
Davis, The crime victims right to a criminal prosecution, 38 De P. L. Rev. 329, 337.
698
Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727, 730 f.
699
Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L. Rev. 727, 733, hat hier hauptsächlich
die sog. battered-woman-cases sowie white-collar-crimes, also Fälle häuslicher Gewalt und Wirtschaftskriminalität,
aber auch Markenrechtsverletzungen im Auge.
700
Dies soll die Unabhängigkeit des privaten Anwaltes („disinterested“), wie vom Supreme
Court in Young v. United States ex. rel. Vuitton et Fils S. A., oben dargestellt unter

121
Ankläger mit der Durchführung des Verfahrens vor Gericht beauftragen, der mit
allen Rechten eines public prosecutor versehen ist, jedoch auch entsprechend
vom Gericht überwacht wird. Ein „Standing“ des Verletzten sei in diesem Fall,
verwiesen wird auf die Rechtsprechung in den Fällen Linda R.S. v. Richard D.
und Inmates of Attica Correctional Facility v. Rockefeller 701 möglich, da die
vom Supreme Court geforderte direkte Verbindung - „direct nexus“ - vorliege.
Ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung, wie er bei Inmates of Attica Correctional
Facility v. Rockefeller 702 angesprochen worden war, sei bei einem derartigen
Vorgehen ausgeschlossen, weil der Richter hier keinen Einfluss auf die Staatsanwaltschaft
nehme oder eine Weisung erteile, sondern vielmehr selbst, wie in
Rule 42 (b) für die Durchsetzung von court contempt vorgesehen, einen prosecutor
bestimme.
c. Beteiligung beim plea-bargaining:
Das Interesse von Verletzten auch und vor allem im plea bargaining-Prozess ist
mittlerweile anerkannt und viele Staaten verfügen insofern über Informations-,
Benachrichtigungs- und bisweilen auch Anwesenheitsrechte für Opfer. 703
Kennard 704 schlägt vor, dem Verletzten ein Veto-Recht in plea-negotiations einzuräumen.
705 Die vorgerichtliche Verhandlungsphase biete eine einmalig effektive
Gelegenheit, den Einfluss des Opfers auszubauen, ohne dabei die verfassungsmäßigen
Rechte des Beschuldigten zu beschränken. Denn ob mit oder ohne
Beteiligung des Verletzten sei der Beschuldigte in seinen verfassungsmäßigen
Rechten gegen Zwang geschützt; dem Beschuldigten stehe es frei, ein vom
Opfer für gut befundenes Plea-Angebot einzugehen oder auszuschlagen. Somit
werde das empfindlich ausbalancierte Verhältnis zwischen Beschuldigtem und
Regierung als Strafverfolgungsbehörde nicht zu Lasten des Beschuldigten beeinflusst.
706 Die Staatsanwaltschaftsbüros sollen als bindende Richtlinie vorgeben,
vor Aufnahme von Gesprächen mit der Verteidigung den Verletzten über
das beabsichtigte Angebot sowie dessen Hintergründe schriftlich aufzuklären
C.II.2.b.cc.(3)(b), verlangt, sicherstellen. Da es, wie oben bereits erwähnt, keinen Fond für die
Bestellung privater Anwälte gibt, schlägt Wainstein, Judicially initiated prosecution, 76 Cal. L.
Rev. 727, 747 vor, der Verletzte, oder die ihn vertretende Interessengruppe solle Geld in einen
Fond einlegen, aus dem der vom Gericht ausgesuchte und bestellte Anwalt dann bezahlt würde,
ohne eine direkte Verbindung zum Opfer zu haben.
701 Vgl. oben C.II.2.b.aa.(1)(a) und (b).
702 Vgl. hierzu oben C.II.2.b.aa.(1)(b).
703 Vgl. für eine genaue Darstellung der verschiedenen Regelungen: Welling, Victim participations
in plea bargains, 65 Wash. U. L. Q. 301, 338 ff. m. w .N.; derzeit räumt aber noch kein Staat
dem Opfer Kontrolle über den plea bargaining Prozess ein, vgl. Mosteller, Popular justice, 109
Harv. L. Rev. 487, 493, note 23.
704 Kennard, The victim´s veto, 77 Cal. L. Rev. 417, so auch Fletcher, S. 247 f.
705 Für eine bessere Beteiligung der Opfer schon im plea-bargaining-Prozess auch Caplow,
What if there is no client?, 5 Clinical L. Rev. 1; ebenso Welling, Victim participations in plea bargains,
65 Wash. U. L. Q. 301.
706 Kennard, The victim´s veto, 77 Cal. L. Rev. 417, 434.

122
und dessen Zustimmung einzuholen. Für den Fall, dass das Opfer seine Zustimmung
verweigerte, müsste der Staatsanwalt dann entweder ein neues Angebot
aushandeln und hierfür die Zustimmung des Verletzten einholen oder den
Gerichtsprozess einleiten. Kritik 707 am vorgeschlagenen Veto-Verfahren will
Kennard 708 bereits von Anfang an ausräumen, indem sie vorträgt, es sei in verfassungsrechtlicher
Hinsicht weder ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen
Verfahrens („due process“), noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
(„equal protection“) gegeben. Der U.S. Supreme Court habe entschieden, es gebe
kein Recht auf ein plea bargain. 709 Auch sei der Gleichbehandlungsgrundsatz
gewahrt, weil mit der Einbindung des Verletzten ein sachlicher Grund und ein
legitimes staatliches Interesse für die Ungleichbehandlung von Beschuldigten
gegeben sei, deren Opfer einem plea-agreement zustimmen und jenen, die hierzu
wegen eines Veto des Verletzten keinen Zugang haben. Ebenso wenig sei ein
Eingriff in das Ermessen von Staatsanwalt und Richter gegeben, da das Veto
erst ausgeübt werden dürfe, wenn der Staatsanwalt sich bereits entschlossen habe,
gegen den Beschuldigten weiter vorzugehen, und zwar, falls keine außergerichtliche
Einigung möglich ist, mittels einer Anklageerhebung im Strafverfahren;
der Richter könne ohnehin völlig frei entscheiden.
Sinnvoll wäre die Veto-Möglichkeit gegen die Reduzierung der Anklage freilich
nur in Kombination mit weiteren Rechtsbehelfen für den Verletzten wie z.B. der
Privatklage oder der Möglichkeit der richterlichen Überprüfbarkeit staatsanwaltlicher
„dismissals“ im vorgerichtlichen Stadium auf Antrag des Verletzten: andernfalls
könnte der Staatsanwalt bei Ausübung des Vetorechts durch das Opfer
die Anklage einfach anderweitig fallen lassen. 710
d. Direkter Zugang zur (gestärkten) grand jury
Zumindest für die Opfer von polizeilicher Brutalität wird von Davis 711 für den
Fall eines nicht anklagewilligen Staatsanwaltes der direkte Zugang zur grand
707
Comment, 25 Am. U. L. Rev. 754, 784; Es wird die Befürchtung geäußert, dass, wenn ein
privater Ankläger den Staatsanwalt in diesem kritischen vorgerichtlichen Stadium beeinflussen
könne, der Beschuldigte fälschlich einer Tat angeklagt werden könne, die er nicht begangen hat
bzw. wegen eines schwereren Deliktes angeklagt würde, als dies der prosecutor sonst getan hätte.
708
Kennard, The victim´s veto, 77 Cal. L. Rev. 417, 438 ff.
709
Kennard, The victim´s veto, 77 Cal. L. Rev. 417; in Bezugnahme auf Weatherford v.
Bursey, 429 U.S. 545.
710
Ähnliche Bedenken gegen die Wirksamkeit eines Vetorechts äußert Mosteller, Popular justice,
109 Harv. L. Rev. 487, 493. Er weist ferner auf eine mögliche Unlust der prosecutors hin, einen
Fall, den er selbst, möglicherweise aus zeitlichen Gründen, für das plea bargaining vorgesehen
hatte, weiter zu verfolgen, wenn seine Pläne durch ein Veto des Opfers durchkreuzt wurden. Insgesamt
bezweifelt Mosteller eine sinnvolle Kosten-Nutzen-Struktur im Falle einer derartigen stärkeren
Einbindung des Verletzten.
711
Davis, Rodney King and the decriminalization of police brutality in America, 53 Md. L.
Rev. 271; für einen direkten Zugang zur grand jury ist auch Beloof, The third model of criminal
process, 2 Utah L. Rev. 289, 313, der sich zusätzlich für ein Verfahren zur richterlichen Überprüfung
staatsanwaltlicher Ermessensentscheidungen ausspricht.

123
jury vorgeschlagen. Staatsanwälte würden sich wegen ihrer engen Zusammenarbeit
mit der Polizei im Falle polizeilicher Gewalt nicht ausreichend engagieren.
712 Allerdings ist dieser Ansatz nicht auf sämtliche Verletzte übertragbar, da
Davis den Abschreckungsgedanken in den Vordergrund stellt. 713
Gegner äußern hier die Befürchtung, die bloße Anwesenheit eines Privatklägers
könnte die jury gegenüber dem Beschuldigten einnehmen. 714
e. Schaffung eines unabhängigen Gremiums zur Überprüfung staatsanwaltlicher
Entscheidungen
Gershman 715 will, entsprechend einer im Jahr 1985 abgeschafften Regelung in
Texas 716 , zur Überprüfung des staatsanwaltlichen Ermessens ein unabhängiges
Gremium schaffen, das ähnlich den Organisationen zur Überwachung der Richter
die Einhaltung der ethischen Verpflichtungen und Richtlinien überwacht.
Zudem hebt er die Sinnhaftigkeit von Privatklägern und „special prosecutors“
hervor und hält die stärkere Einbindung privater Ankläger zur Kontrolle für
notwendig. 717
712
Davis, Rodney King and the decriminalization of police brutality in America, 53 Md. L.
Rev. 271.
713
Davis, Rodney King and the decriminalization of police brutality in America, 53 Md. L.
Rev. 271 ff. gibt an, zivilrechtliche Mittel hätten nicht zu einer Abschreckung geführt und wartet
mit der These auf, nur die konkrete Bedrohung mit Strafverfolgung werde zu einer Abschreckung
für polizeiliche Gewalt führen.
714
Comment, 25 Am. U. L. Rev. 754, 786 m.w.N.
715
Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393, 454 unter Berufung auf Steele:
Unethical prosecutors and inadequate discipline, 38 S. W. L. J. 965, der ein entsprechendes Modellgesetz
entworfen hatte.
716
Tex. Rev. Civ. Stat. Ann. Art. 33 2d (West Supp. 1984).
717
Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393, 457.

124
D. Zusammenfassung und Ausblick
I. Rechtsgegenüberstellende Zusammenfassung
1. Renaissance des Opfers und Tendenz zur stärkeren strafprozessualen
Einbindung
Die Rechte des Opfers haben in beiden Rechtssystemen in den letzten Jahrzehnten
eine fulminante Renaissance erlebt. Während in den siebziger Jahren die
Rehabilitation des Täters im Vordergrund stand 718 , gilt der neue Blick dem vernachlässigten
Verletzten.
In den USA hat die Opferschutzbewegung große Auswirkungen gehabt. Fast in
jedem Staat wurden Opferrechte, zum Grossteil sogar in der Verfassung, kodifiziert.
Verletzte haben deshalb z.B. oft das Recht, sich mit Staatsanwälten zu beraten
und vor einem vorgerichtlichen Verfahrensabschluss informiert zu werden.
Ihnen stehen in fast jedem Staatsanwaltsbüro des Landes sog. „victimadvocates“
zur Verfügung, die Opfern helfen sollen, „mit den Realitäten des
Strafrechtssystems fertig zu werden“ und das erlittene Trauma zu verarbeiten. 719
Verletzte haben auch die Möglichkeit, vor Gericht ein sog. „victim-impactstatement“
abzugeben und dabei die Auswirkungen des Verbrechens auf ihr Leben
zu beschreiben. 720 Es gibt zahlreiche soziale und finanzielle Hilfsangebote
für Opfer und zunehmende Informationsrechte.
Dies sind sicherlich in psychologischer und praktischer Hinsicht nicht zu unterschätzende
Erleichterungen, die zur Erreichung des Zieles der Wiederherstellung
der Würde und des Respekts und der Fairness auch für das Opfer 721 nicht
unerheblich beitragen. Allerdings erschöpfen sich die Veränderungen oft mehr
in kurzlebigen symbolischen Gesten, etwa in als bloße Absichtserklärung abgefassten
Gesetzen, als in systematischen und umfangreichen Reformen. Die Opferrechtsbewegung
hat bisher in den USA wenig Einfluss auf die Ausgestaltung
des Strafprozessrechts genommen. 722 Angesehene Autoren halten die Fortschrit-
718 Näheres zur kriminologischen Entwicklung des amerikanischen Strafrechtes bei: Dubber,
The victim in american penal law, 3 Buffalo criminal L. Rev. 3.
719 So Commonwealth v. Harris, 567 N. E. 2d 899, 905.
720 Statt vieler: Monopoli, Hagen v. Commonwealth: should crime victims have a legally recognized
interest in the outcome of criminal cases?, 37 New. Eng. L. Rev. 351, 365.
721 Beloof, The third model of criminal process, 2 Utah L. Rev. 289, 293.
722 So Schünemann / Dubber, S. 18; ders., S. 37 prognostiziert, dass ohne eine sorgfältige Konzeption
des Strafverfahrens, die Opfern einen Platz einräume, die Errungenschaften der Opferrechtebewegung
bestenfalls als Symbole überleben werden, die letztendlich die Rolle des Opfers mehr
einschränken als diese festschreiben könnten.

125
te in diesem Bereich für nicht ausreichend 723 und machen die Vernachlässigung
der Verletzten für das Scheitern des Systems verantwortlich: für eine effiziente
Strafverfolgung müsse das Opfer stärker in die Strafverfolgung eingebunden
werden. 724 Wie oben bereits dargelegt, haben derartige Vorstöße jedoch auch
mit Widerständen verschiedenster Art zu kämpfen, bisweilen wird auch behauptet,
Veränderungen in dieser Hinsicht seien politisch gar nicht unbedingt erwünscht.
725 Als einer der hervorstehenden Gründe zur Verbesserung der Opferkontrollrechte
wird das Erfordernis der Kontrolle der Staatsanwaltschaft anerkannt.
Auch die Europäische Union hat sich 1985 an den Opferschutz in diesem
Punkt herangewagt: Mit der Ratsempfehlung R (85) in der für den Fall einer
negativen Anklageentscheidung das Opfer ein Recht zur Reaktion haben sollte
durch: Kontrolle der staatsanwaltlichen Entscheidung durch eine kompetente
Autorität oder durch Privatklage. 726 Dass eine wirksame Kontrolle unabdingbar
ist, wird in Deutschland bisweilen selbst von Staatsanwälten anerkannt. 727
2. Das deutsche System als Vorbild für Reformen des amerikanischen
Strafprozessrechts?
Bezieht man die in den USA bisher erreichten Verbesserungen aus rein strafprozessualer
Hinsicht auf das hiesige Thema, so sind diese freilich mehr kosmetischer
Natur. Mittlerweile fokussiert sich die Diskussion über Opferrechte in den
USA allerdings auf Rechtsbehelfe im Strafrechtsprozess 728 ; die Rede ist inso-
723 Bandes, Victim standing, 2 Utah L. Rev. 331, 342 ff. beschreibt die Maßnahmen als Augenwischerei.
Solange die Opferinteressen mit denen des Staates konform gingen, würden sie umgesetzt,
das Potential für eine Kontrolle der Staatsanwaltschaft aber nicht genutzt.
724 Benson, Comment: The lost victim and other failures of the public law experience, 9 Harv.
L. Rev. 399.
725 Bandes, Victim standing, 2 Utah L. Rev. 331, 346 f. legt in ihrer „zynischen“ Schlussbetrachtung
dar, es seien vor allem gesellschaftliche Randgruppen betroffen, wobei die Regierung
aber mehr als deren Schutz im Sinn habe, eigenes Fehlverhalten, inklusive polizeilicher Übergriffe
und Korruption aus der richterlichen Überprüfbarkeit herauszuhalten. Ob dies tatsächlich einen
verlangsamenden Faktor bei den Reformen darstellt, ist eine Frage politischer Interessen und kann
mit dieser Darstellung nicht beantwortet werden.
726 Vgl. Tsitsoura, Policy regarding the victim-council of europe norms, in Kaiser, Victims and
criminal justice, Band 4, S. 799, 810.
727 So meinte z.B. eine Staatsanwältin anlässlich einer Diskussion zum Einstellungsverhalten
der Staatsanwaltschaft, der richtige Ansatzpunkt sei nicht die Diskussion über Begriffe, entscheidend
sei vielmehr die fehlende richterliche Kontrolle, was dazu führe, dass die Einstellung nicht
begründet werden müsse; dies führe zu Intransparenz, vgl. Geisler, Ermittlungsverhalten, S. 277.
728 Dubber, The victim in american penal law, 3 Buffalo criminal L. Rev. 3. Insoweit ist die
Aussage Kaisers, S. 82 ff. nicht mehr ganz richtig. Kaiser hatte tendenziell zutreffend angeführt,
es gebe für den Verletzten außer dem sog. victim-impact statement praktisch keine Rechte für eine
Teilhabe am Verfahren, insoweit müsse er sich an den Staatsanwalt halten. Auch Bischoff, S. 243,
bezeichnete den amerikanischen Verletzten als weitgehend machtlos, wenn die Staatsanwaltschaft
die Verfolgung ablehnt. Dies trifft de lege lata immer noch so zu, allerdings ist unbestreitbar Bewegung
in die Angelegenheit gekommen.

126
weit schon von einer neuen Ära eines Strafprozessrechts, das die legitimen Interessen
auf Teilnahme und Profit der Verletzten anerkennt. 729
In fast jeder Rechtsordnung gibt es eine Kontrolle der staatsanwaltlichen Einstellungspraxis
in Strafverfahren durch Privatpersonen. Dabei erfolgt die Kontrolle
alternativ oder kumulativ durch die Popularklage, die subsidiäre Privatklage
oder ein Beschwerdeverfahren. 730 In den USA hingegen ist, wie oben
festgestellt wurde, diese Kontrolle nur sehr schwach ausgeprägt. 731 Da die deutliche
Mehrheit aller Strafverfahren durch sog. plea-Verhandlungen oder durch
diversion erledigt wird, wäre es bei der Reform der Verletztenrechte von entscheidender
Bedeutung, eine Teilnahme schon im vorprozessualen Stadium des
Strafverfahrens zu ermöglichen. 732 Dieses Problem ist in den USA, wo es generell
noch kaum taugliche Rechtsbehelfe des Verletzten gegen die negative Anklageentscheidung
des Staatsanwaltes gibt, nicht annähernd so stark diskutiert
wie in Deutschland, wird jedoch bei näherer praktischer Befassung mit der Problematik
immer mehr in den Vordergrund rücken.
a. Grundlegende Unterschiede
Davis 733 stellt die beiden Systeme hinsichtlich des staatsanwaltlichen Ermessens
als gänzlich gegensätzlich gegenüber: während das Ermessen des deutschen
Staatsanwaltes praktisch dauernd kontrolliert werde 734 , und zwar einerseits
durch das Legalitätsprinzip, andererseits durch kontrollierte Ermessensausübung,
werde der amerikanische Staatsanwalt durchgehend praktisch gar nicht
kontrolliert. Das deutsche System vermittle im Gegensatz zum amerikanischen
den Eindruck einer sorgfältigen Planung. 735 Er skizziert für den Rechtszustand
in den USA die vorherrschende Meinung des 19. Jahrhunderts, die davon ausging,
eine gerichtliche Einmischung in die Tätigkeit der Exekutive werde nichts
als Ärger produzieren. Allerdings habe sich diese Sicht im 20. Jahrhundert
grundlegend geändert und die richterliche Überprüfung sei jetzt die Norm, wovon
die Unüberprüfbarkeit staatsanwaltlicher Entscheidungen aber eine klare
Abkehr sei. 736 Zudem seien die Staatsanwälte zu großem politischem Einfluss
unterworfen, auch diesbezüglich könnten die Amerikaner vom deutschen Sy-
729
Cardenas, The crime victim in the prosecutorial process, 9 Harv. L. Rev. 357, 358.
730
Vgl. Bischoff, S. 244.
731
Bischoff, S. 244.
732
So auch Cardenas, The crime victim in the prosecutorial process, 9 Harv. L. Rev. 357, 393,
der eine aktive Teilnahme und Kontrolle des Opfers beim plea bargaining sowie während des gesamten
Vorverfahrens vorschlägt.
733
Davis, S. 61 ff.
734
Die nicht stattfindende Kontrolle staatsanwaltlicher Opportunitätseinstellungen stuft er bei
höchstens 10 % ein, Davis, S. 61.
735
Davis, S. 70.
736
Davis, S. 70 m.w.N., Davis, a.a.O., führt dies auf die Befürchtung der Richter hinsichtlich
eines klar erhöhten Arbeitsaufwandes zurück; diese bestimmten so eine wichtige Frage der Justizpolitik.

127
stem lernen, das die Stellung als Staatsanwalt nicht als Sprungbrett für eine juristische
Karriere ausgestaltet habe. 737
Vergleicht man die beiden Rechtssysteme, so stellt man tatsächlich zunächst die
unterschiedlichen Ausgangspositionen fest. Der deutsche Staatsanwalt verfügt
grundsätzlich über ein Anklagemonopol und bewegt sich bei der Frage der Anklageerhebung
zumindest de lege lata im engen Rahmen des Legalitätsprinzips.
Dem Verletzten stehen bei Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO das Klageerzwingungsverfahren
und bei Ablehnung des öffentlichen Interesses bei Antragsdelikten
die Privatklage zu. Obwohl die grundsätzliche Konzeption und praktische
Wirksamkeit dieser Rechtsbehelfe nicht unumstritten ist 738 , konzentrieren
sich die Reformüberlegungen dennoch überwiegend auf den kritischen Punkt
der Opportunitätseinstellungen. 739
Die Amerikaner setzen demgegenüber auf einen mächtigen, in seiner Entscheidungsfreiheit
kaum eingeschränkten Staatsanwalt und somit auf die Opportunität.
740 Dazu kommt das faktische Anlagemonopol; weder die grand jury, noch
der Privatkläger sind derzeit ernsthafte Konkurrenten des prosecutors. 741 Der
Verletzte, dessen „standing“ grundsätzlich umstritten ist, hat in den allermeisten
Staaten weder die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der staatsanwaltlichen
Anklageentscheidung, noch die der Erhebung einer Privatklage; gegen
die weit verbreitete Praxis des plea-bargaining (oder diversion) als vorgerichtlicher
Verfahrenseinstellung steht ihm kein Rechtsmittel zu. Obwohl Reformbedarf
erkannt wurde, scheiden sich die Geister über die Frage, an welchem
Punkt man hierzu am besten ansetzen sollte. 742
Als grundlegende Unterschiede des amerikanischen zum deutschen System lässt
sich zusammenfassend somit folgendes festhalten:
- Der amerikanische Staatsanwalt ist nicht dem Legalitätsprinzip unterworfen
und es gibt Bestrebungen, ihm das Anklagemonopol, über das er faktisch
mit wenigen Ausnahmen bereits verfügt, einzuräumen. Seine Ermessensmacht
ist praktisch unbeschränkt.
- In den USA ist die Staatsanwaltschaft eindeutig Teil der Exekutive, in
Deutschland ist die Einordnung zumindest nicht unumstritten. 743
- In den USA ist die Funktion des prosecutors aus der der Privatkläger entstanden,
in Deutschland soll der Staatsanwalt die Objektivität eines Richters
an den Tag legen. 744
737
Davis, S. 72; gleichwohl wird eine politische Abhängigkeit der Staatsanwaltschaft auch im
deutschen System oft kritisiert.
738
Vgl. hierzu oben B.II.2.a.und b.
739
Vgl. hierzu oben B.II.2.c.
740
Vgl. hierzu oben C.I.4.und 6.
741
Vgl. hierzu oben C.I.6.a.dd. und ee.
742
Vgl. hierzu oben C.II.2.,III.
743
Vgl. Koller, S. 1 ff. m.w.N.

128
- In den USA spielen aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen zum Schutz
des Beschuldigten entwickelte Beweisregeln grundsätzlich eine enorme
Rolle, was es für die Opfer von Straftaten schwieriger macht, am System
teilzuhaben. 745 Folglich ist die Frage, wie ein Verletzter Einfluss auf das
Strafverfahren nehmen kann, streng mit der Wertung verfassungsrechtlicher
Regelungen verknüpft, wie sie im deutschen Recht gar nicht erst auftauchen.
b. Gemeinsame Elemente
Allerdings sind auch zahlreiche Gemeinsamkeiten der Systeme zu statuieren, so
entpuppt sich auch der ein oder andere Unterschied als in Wirklichkeit gar nicht
grundlegend, sondern nur als graduell verschieden. Obwohl die Rollen der Beteiligten
(Staatsanwalt, Verletzter, Richter, Jury, Beschuldigter) nicht deckungsgleich
verteilt sind, so steht doch die gleiche Idee und Grundkonstellation eines
adversatorischen Systems mit verteilter Macht und dem Bedürfnis nach gegenseitiger
Kontrolle dahinter. 746 In beiden Systemen agieren Staatsanwälte und
Polizei zumindest tendenziell mehr nach dem Gegnerprinzip als in der in der
kontinentalen Rechtstheorie vorgesehenen Rolle als neutrale Ermittler. Beide
Systeme ermöglichen einen starken Staatsanwalt, der, von wenigen, praktisch
nicht sehr relevanten Ausnahmen abgesehen, hinsichtlich der Anklagentscheidung
eine Monopolstellung innehat. 747 Das vorprozessuale Verfahren
ähnelt sich zumindest vom Ablauf her: die Polizei ermittelt, der Staatsanwalt
trifft die Anklageentscheidung. In der Praxis verfügt der Staatsanwalt in beiden
Staaten über ein verhältnismäßig breites Ermessen hinsichtlich der Anklageentscheidung.
748 Weigend/ Frase 749 stellen sogar die Frage, ob das deutsche System
nicht zu ähnlich sei, um hieraus Reformvorschläge für das amerikanische System
ableiten zu können.
744 Jescheck, The prosecutor in West Germany, 18 Am. J. Comp. L. 508, 510.
745 Vgl. z.B. zur unterschiedlichen Befragung von Opferzeugen vor Gericht Pizzi / Perron,
Crime victims in German courtrooms, 32 Stan. J. Int´l. L. 37, 42 ff.
746 So auch Weigend / Frase: German criminal justice as a guide to american law reform: Similar
problems, better solutions?, 18. B. C. Int´l & Comp. L. Rev. 317, 318. Die Autoren behandeln
in dem Aufsatz eine vergleichende zusammenfassende Gegenüberstellung des amerikanischen/
deutschen Strafprozessrechts und stellen diverse Ähnlichkeiten fest.
747 Langbein, S. 88; Langbein, S. 89, hält das deutsche Recht wegen der vergleichbaren Monopolstellung
der Staatsanwälte besonders für rechtsvergleichende Betrachtungen geeignet; ähnlich
argumentiert auch Cardenas, The crime victim in the prosecutorial process, 9 Harv. L. Rev. 357,
387, der das in beiden Ländern bestehende Anklagemonopol betont und auf das deutsche Klageerzwingungsverfahren
als „signifikante Option“ verweist.
748 Weigend / Frase: German criminal justice as a guide to american law reform: Similar problems,
better solutions?, 18. B. C. Int´l & Comp. L. Rev. 317, 352, die die größere Nähe des deutschen
zum amerikanischen, auch verglichen mit dem französischen System betonen.
749 Weigend / Frase: German criminal justice as a guide to american law reform: Similar problems,
better solutions?, 18. B. C. Int´l & Comp. L. Rev. 317, 353.

129
In beiden Ländern besteht grundsätzlich dahingehend Übereinstimmung, dass
das Strafverfolgungsermessen nicht dem Gericht, sondern der Staatsanwaltschaft
zustehen muss. 750 Hiervon abzugrenzen ist jedoch die richterliche Kontrolle
des Verfolgungsermessens. 751 Bedenken hinsichtlich der Gewaltenteilung
hätte der deutsche Jurist sicher eher im Hinblick auf die fast unbeschränkte Diversions-,
Absprachen- und damit Sanktionskompetenz des amerikanischen
Staatsanwaltes, worauf hier allerdings nicht näher eingegangen werden kann. 752
Die zentrale und nachvollziehbare Befürchtung ist der Auftritt des Opfers als
Partei und weiterer Gegner des Beschuldigten. Beide Länder gewähren dem
Einzelnen kein Recht auf Strafverfolgung eines anderen. Zudem besteht in der
strafprozessrechtlichen Literatur beider Länder Einigkeit, dass eine Besserstellung
des Verletzten im Verfahren nicht zu einer Benachteiligung des Beschuldigten
führen darf. Auch insoweit decken sich somit die Befürchtungen in beiden
Ländern. 753 Eine Parteistellung des Verletzten im Strafverfahren in Kumulation
zur Staatsanwaltschaft stößt in den USA auf erhebliche Bedenken. Selbst
die harschesten Kritiker begrenzen ihre Vorbehalte allerdings auf die Rechtsstellung
des Verletzten im Prozess selbst, mithin auf die Konstellation der deutschen
Nebenklage. 754
c. Bessere strafprozessuale Ausgangsposition des Verletzten im deutschen System
Wertet man obige Erkenntnisse und Feststellungen zusammenfassend aus, so
lässt sich sagen, dass Opfer von Straftaten in Deutschland insgesamt in rein
strafprozessualer Hinsicht eine grundsätzlich bessere Ausgangsposition vorfin-
750
So für das deutsche System Erb, S. 223 f.
751
Mit der überwiegenden Ansicht im Schrifttum spricht Erb, S. 224 m.w.N., sich für eine gerichtliche
Beteiligung bei der Umsetzung des Opportunitätsprinzips aus: die Notwendigkeit einer
solchen ergebe sich zwingend daraus, dass eine gerichtliche Kontrolle der Ermessensausübung
neben der Bereitstellung von ermessensteuernden Richtlinien gerade als zentrales Instrument zur
Herstellung der angestrebten gleichmäßigen Einstellungspraxis dienen solle und aus rechtsstaatlichen
Überlegungen im Grundsatz unerlässlich erscheine.
752
Zu den Problemen der sanktionsbehafteten Opportunitätsentscheidung im deutschen Recht
vgl. Erb, S. 240 ff.
753
Schünemann / Dubber, 7 ff. halten es für einen „abstrusen“ Gedanken und „Irrweg“, das Opfer
als weitere Gegenpartei (den deutschen Richter, der nicht nur die Funktionen von Richter und
jury, sondern auch durch die Durchführung der Zeugenbefragung die Funktionen des amerikanischen
Staatsanwalts in sich vereine, bezeichnen Schünemann / Dubber, S. 8 zuvor als „die allmächtige
Gegenpartei, die den Angeklagten zu überführen und danach die Verurteilung auszusprechen
hat“) im Prozess aufzubauen.
754
Schünemann / Dubber, S. 8, halten eine Parteistellung des Opfers allerdings sogar unproblematisch
für möglich, wenn aufgrund des bisherigen Verfahrensverlaufs Grund bestehe, gegenüber
der Verfolgungsenergie des Staatsanwaltes misstrauisch zu sein, z.B. wenn der Staatsanwalt
das Verfahren zunächst einstellen wollte und erst durch ein Rechtsmittel des Verletzten dazu gezwungen
wurde, Anklage zu erheben. In diesem Fall wirke das Opfer im Prozess zugleich als
Kontrollinstanz des Staatsanwaltes mit, und in dieser Ausnahmesituation erscheine deshalb eine
Kumulation von Anklägerrollen vertretbar.

130
den als in den USA. 755 In Deutschland fokussiert sich die Diskussion derzeit auf
den kritischen Punkt der Opportunitätseinstellungen, auch wenn die praktische
Wirksamkeit der Rechtsbehelfe Privatklage und Klageerzwingungsverfahren
keineswegs unumstritten ist. Den - allerdings praktisch nicht unerheblichen -
Schwachpunkt des deutschen Rechtsschutzsystems stellt somit die Lücke bei
den umstrittenen Opportunitätseinstellungen dar. 756 Dem entsprechen im amerikanischen
System die diversion-Einstellungen 757 , so dass hier bereits des Ausmaß
der Ungleichheit der Möglichkeiten von Verletzten erkennbar wird: während
der deutsche Verletzte „nur“ in diesem Fall seine Einflusslosigkeit hinnehmen
muss, wird dieser Punkt für das amerikanische Opfer noch nicht einmal
diskutiert, weil schon Rechtsbehelfe für weit dringendere, etwa bei einer negativen
Anklageentscheidung bei schweren Straftaten, und zahlreichere, etwa hinsichtlich
der praktisch sehr bedeutsamen plea-negotiations, Fälle fehlen.
d. Ursachen
Die non-adversatorischen Elemente des auf materielle Wahrheitsfindung angelegten
deutschen Systems machen es dem Opfer leichter, sich in den Prozess
einzubringen, den Ablauf zu verstehen und verstanden zu werden. 758 Da in
Deutschland der Richter den Rechtsstreit entscheidet, und in der Regel alle Informationen
allen Beteiligten zugänglich sind, ist der deutsche Verletzte generell
weniger dem Einwand ausgesetzt, er müsse unabhängig sein.
Die U.S. amerikanische Rechtstradition ist hingegen zutiefst geprägt von der
englischen liberalen Rechtstradition, die staatliche Bevormundung zurückwies
und die Freiheit des Individuums, für sich selbst zu entscheiden, in den Vordergrund
stellt. In Situationen, in denen eine Einbindung staatlicher Stellen (die
dann als Streitschlichter bei sozialen Disputen agieren) unabdingbar ist, wird
versucht, die staatliche Maßnahme zu kontrollieren. Das common-law ging dabei
aus Entscheidungen einzelner Gerichte in einzelnen Streitfällen hervor. Dies
zeugt von einem Methodenverständnis, wonach so wenig wie möglich Macht
durch den Staat auf den Einzelnen ausgeübt werden kann, möglicherweise um
den Preis, dass Verbrechen im Einzelfall ungesühnt bleiben. 759 Demgegenüber
755 Weigend / Frase: German criminal justice as a guide to american law reform: Similar problems,
better solutions?, 18. B. C. Int´l & Comp. L. Rev. 317, 338, so auch Cardenas, The crime
victim in the prosecutorial process, 9 Harv. L. Rev. 357, 383, der u.a. die Diskussion des deutschen
Systems zur Verbesserung amerikanischer Opferrechte heranziehen möchte; ebenso Davis,
S. 60 ff.
756 Vgl. hierzu oben B.II.2.
757 Weigend / Frase: German criminal justice as a guide to american law reform: Similar problems,
better solutions?, 18. B. C. Int´l & Comp. L. Rev. 317, 338.
758 Zu diesen Vergleichspunkten sinngemäß so auch Weigend / Frase: German criminal justice
as a guide to american law reform: Similar problems, better solutions?, 18. B. C. Int´l & Comp. L.
Rev. 317, 342 ff.
759 Vgl. hierzu auch die Darstellung bei Benson, 9 Harv. L. Rev. 399, 416 ff., die insoweit Einblick
in die amerikanische Denkweise bietet.

131
sind die kontinentalen, wie z.B. das französische oder das deutsche System,
nicht von einem derart starken Misstrauen gegenüber einer zentralisierten Autorität
geprägt. Ein richterrechtliches, auf den Einzelfall bezogenes System war
nicht erforderlich, vielmehr wurden wissenschaftlich fundierte, jeden Einzelfall
erfassende Gesetze entwickelt. 760
Somit bleibt besonders in den USA die Befürchtung, dass eine Verbesserung der
strafprozessualen Opferrechte auf dem Rücken des Beschuldigten ausgetragen
wird; es besteht stets die Sorge, der private Ankläger sei nicht so objektiv wie
der Staatsanwalt, der ja auch entlastende Umstände zu berücksichtigen habe. 761
Dieses Argument mag aus deutschem Blickwinkel heraus nicht auf Anhieb verständlich
erscheinen, da auch und gerade der amerikanische Staatsanwalt, verglichen
mit seinem deutschen Kollegen, tatsächlich in der Zusammenschau oft
nicht gerade ein Leitbild der Objektivität abgibt. Entscheidend für die Rolle des
Verletzten ist jedoch das Gefüge im Strafprozess in den USA. Die fortwährende
Befürchtung einer Beeinträchtigung von Beschuldigteninteressen ist nachvollziehbar:
Während es sich das deutsche System, das zwar adversatorische Elemente
aufweist, aber dennoch stärker inquisitorisch geprägt ist, leisten kann,
durch einen auf Wahrheitsfindung angelegten Prozess, durchgeführt von einem
mächtigen und objektiven Richter, mit dem Verletzten einen weiteren Verfahrensbeteiligten
zuzulassen, fehlt diese objektive Instanz im deutlich stärker adversatorisch
geprägten amerikanischen Strafprozess, in dem sich der Beschuldigte
mit dem Verletzten einem weiteren Gegner gegenübersieht, dies ohne eine
„Verstärkung“ auf seiner Seite. Denn naturgemäß korrespondiert mit dem Recht
des Verletzten auf Zugang zum Gericht umgekehrt auch eine Verpflichtung des
Beschuldigten. Dieser sieht sich, obwohl er vielleicht z.B. aufgrund Arbeitsüberlastung
der Staatsanwaltschaft „Glück gehabt“ hätte, und keine Anklage
gegen ihn erhoben oder das Verfahrens mittels plea bargaining oder diversion
schnell und ohne größere Sanktion beendet worden wäre, einer gerichtlichen
Hauptverhandlung ausgesetzt.
Als grundsätzliche Erleichterungen des mit tendenziell weniger adversatorischen
Elementen ausgestatteten deutschen Systems für den Verletzten lassen
sich somit zusammenfassend anzuführen 762 :
- die einheitliche Entscheidung über Schuld und Strafe des Beschuldigten,
wohingegen in den USA hierfür zwei gänzlich getrennte Verfahren stattfinden,
- die aktive Leitung und Kontrolle des Verfahrens durch den Richter, wohingegen
im amerikanischen Strafprozess eine mit den Akten nicht vertraute
Jury entscheidet und der Richter mit dem vorprozessualen Procede-
760 So Luna, A place for comparative criminal procedure, 42 Brandeis L. J. 277, 300.
761 Vgl. z.B. State v. Harris, 262 N. J. Super. 294.
762 So auch Pizzi / Perron, Crime victims in German courtrooms, 32 Stan. J. Int´l. L. 37 ff.

132
re in aller Regel nichts zu tun hat und sich im Prozess selbst äußerst passiv
763 verhält,
- Begründung und Überprüfbarkeit der Urteile deutscher Gerichte, wogegen
der amerikanische Schuld-/Freispruch nicht begründet und nur in sehr seltenen
Fällen mit Rechtsmitteln angreifbar ist,
- Im deutschen Strafprozess steht die Suche nach der materiellen Wahrheit
bei allen Beteiligen im Vordergrund, wohingegen das amerikanische Strafprozessrecht
weder die jury, noch der Richter die Obligation hat, die
Wahrheit zu finden, sondern das System vor allem auf der Frage basiert, ob
der Staat dem Beschuldigten die Tat „beyond reasonable doubt“ beweisen
kann, und somit mehr die „formelle“ Wahrheit im Vordergrund steht. 764
e. Übertragbarkeit deutscher Rechtsbehelfe
Seit Jahrzehnten wird das deutsche System in der amerikanischen Literatur als
Beispiel für Reformen im hier behandelten Themenkreis vorgeschlagen. 765 In
der amerikanischen Literatur ist das deutsche Strafrechtssystem mit einem dem
Legalitätsprinzip unterworfenen Staatsanwalt beliebt und viel zitiert. Jescheck 766
schrieb 1970 im American Journal of Comparative Law eine glühende Lobrede
auf das deutsche Legalitätsprinzip und den deutschen Staatsanwalt als „Wächter
der Gerechtigkeit“ und „objektivsten Beamten der Welt“. Vorgerichtliche Absprachen
mit dem Beschuldigten oder seinem Verteidiger seien verboten. 767
Langbein 768 spricht vom „celebrated Legalitätsprinzip“ und stellt das deutsche
763
Zur Figur des Richters als weitgehend neutralen Beobachter, dem die Fakten von beiden
Seiten präsentiert werden, sowie als „Hüter“ der Prozessregeln im amerikanischen Strafverfahren
vgl. auch Luna, A place for comparative criminal procedure, 42 Brandeis L. J. 277, 296.
764
Wie Pizzi: Rethinking our “adversary system”, 2 Utah L Rev. 349, 359 es ausdrückt:
“American trials are about winning”.
765
Vgl. z.B. schon 1974 Langbein, Controlling prosecutorial discretion in Germany, 41 U. Chi.
L. Rev. 439; Langbein, S. 90 ff.: “What the Germans have largely done, and the Americans largely
not done, is to devise means to regulate the prosecutor´s monopoly. …. This is the celebrated Legalitätsprinzip
of german law…The Germans have undertaken to forbid their monopolistic prosecutor
the discretion to refuse to prosecute in cases where adequate incriminating evidence is at
hand”; Weigend / Frase: German criminal justice as a guide to american law reform: Similar problems,
better solutions?, 18. B. C. Int´l & Comp. L. Rev. 317; Fletcher, S. 1 ff.; Herrmann, The rule
of compulsory prosecution and the scope of prosecutorial discretion in Germany, 41 U. Chi. L.
Rev. 468; Pizzi: Rethinking our “adversary system”, 2 Utah L Rev. 349, 355 f., 366, der auf eine
höhere Glaubwürdigkeit und mehr Vertrauen in die Justiz in den europäischen Ländern verweist;
kritisch aber insoweit LaFave, The prosecutor´s discretion in the United States, 18 Am. J. Comp.
L. 532, 539, der in den USA die hierarchische Struktur für die Einführung der deutschen Rechtsbehelfe
für nicht passend hält.
766
Jescheck, The prosecutor in West Germany, 18 Am. J. Comp. L. 508.
767
Jescheck, The prosecutor in West Germany, 18 Am. J. Comp. L. 508, 511.
768 Langbein, S. 89.

133
System von den Anfängen an präzise dar. 769 Das deutsche Legalitätsprinzip gewährleiste
Staatsanwälte, die nicht nur für die Anklagetätigkeit zuständig sein,
sondern zugleich auch die vollständige Verfolgung von Straftaten garantierten
und somit als eine der Justiz zugeordnete Behörde den staatlichen Willen nach
Gerechtigkeit repräsentierten. Letztere Funktionen widersprächen einem weiten
Ermessenspielraum bei der Ingangsetzung von Strafverfahren. 770 Gesichert werde
das Legalitätsprinzip durch Rechtsbehelfe des Verletzten wie Dienstaufsichtsbeschwerde,
Klageerzwingungsverfahren 771 und Privatklage. 772 Weigend/Frase
773 betonen die Gemeinsamkeiten der Systeme und sprechen sich für
einen regen Austausch und ein gegenseitiges Lernen voneinander aus. In ihren
durch das deutsche Recht inspirierten Reformvorschlägen für das amerikanische
System fordern sie eine striktere Kontrolle der staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung
und erwähnen die Gefahr eines „underenforcements“. 774 Gleichzeitig
fordern sie mehr Rechte für die Verletzten in Amerika und betonen die Wichtigkeit
der Rechte deutscher Verletzter gegen ungerechtfertigte Verfahrenseinstellungen,
selbst wenn diese selten ausgeübt würden, als Sicherheit gegen staatsanwaltliche
Fehlentscheidungen. 775 Cardenas 776 will schlicht ganze Komponenten
aus dem französischen und deutschen System implementieren.
Die direkte Übernahme von Rechtsbehelfen muss aber auch kritisch gewürdigt
und beurteilt werden 777 : auch wenn sich die Situationen in beiden Ländern annähern
und ähnlich ausgestaltet sind (Bedürfnis der Ausweitung von Opferrechten
im Zuge einer Rückbesinnung auf die Verletzten, gleichzeitiges Bedürfnis
der Einschränkung bzw. sinnvollen Kontrolle sich ausweitender staatsanwaltlicher
Ermessensspielräume), so darf man sich nicht der Illusion der Übertragbarkeit
nur einzelner Elemente ohne Einpassung in das vorhandene System hingeben.
Vielmehr müssen die vorhandenen Gegebenheiten berücksichtigt wer-
769 Langbein, S. 90 ff. führt die geschichtliche Entwicklung der Staatsanwaltschaft bis auf Savigny
zurück: “In contrast to the unplanned parentage of the anglo-american prosecutor, the german
prosecutor was conceived with considerable forethought about his duties and powers”.
770 Jescheck, The prosecutor in West Germany, 18 Am. J. Comp. L. 508.
771 Langbein, S. 102, nennt dieses Verfahren: “mandamusing the prosecutor”.
772 Jescheck, The prosecutor in West Germany, 18 Am. J. Comp. L. 508, 512f., Langbein, S.
103, ist von der Wirksamkeit der Rechtsbehelfe überzeugt: “Where they do apply, however, these
remedies constitute significant controls over and deterrents against abuse of prosecutorial authority”.
773 Weigend / Frase: German criminal justice as a guide to american law reform: Similar problems,
better solutions?, 18. B. C. Int´l & Comp. L. Rev. 317, 360.
774 Weigend / Frase: German criminal justice as a guide to american law reform: Similar problems,
better solutions?, 18. B. C. Int´l & Comp. L. Rev. 317, 354.
775 Weigend / Frase: German criminal justice as a guide to american law reform: Similar problems,
better solutions?, 18. B. C. Int´l & Comp. L. Rev. 317, 355 f.
776 Cardenas, The crime victim in the prosecutorial process, 9 Harv. L. Rev. 357, 392.
777 Pizzi / Perron, Crime victims in German courtrooms, 32 Stan. J. Int´l. L. 37, 64.

134
den. 778 Im existierenden, wohl ausbalancierten System mit den Protagonisten
Staatsanwalt und defense attorney sowie den Nebendarstellern Jury und Richter
werden aus verfassungsrechtlichen Erwägungen in den USA hinsichtlich der
Beschuldigtenrechte 779 nur marginale, in das System eingepasste Änderungen
durchsetzbar sein. 780 Nicht außer acht gelassen darf auch die Filterfunktion des
amerikanischen Staatsanwaltes: während im deutschen System eine Aussortierung
bestimmter Sachverhalte den Gerichten durch Interpretation des weit gefassten
Gesetzesinhaltes überlassen wird, fällt im amerikanischen Recht die Rolle,
zu weit gefasste oder veraltete Gesetze nicht mehr zur Anwendung zu bringen,
dem Staatsanwalt zu. 781 Auch die Pflicht zu Verhinderung exorbitant hoher
Strafen trifft in den USA oft den Staatsanwalt, der durch sein breites Ermessen
eine reduzierte Anklage z.B. durch plea bargaining erreichen kann, während in
Deutschland eine angemessene Strafe durch gesetzliche Vorgaben (Gesamtstrafenbildung)
und im Normalfall eine Orientierung der Richter am unteren Rand
des Strafrahmens erfolgt. 782
f. Ergebnis: Trotz unterschiedlicher Wurzeln: Annäherung der Systeme
Verblüffendes Ergebnis bei Gegenüberstellung der Systeme ist jedoch: Trotz der
grundlegenden Unterschiede gerade in den hier angesprochenen Problemkreisen
778
So auch Mosteller, Popular justice, 109 Harv. L. Rev. 487, 492; Mosteller wirft Fletcher
vor, nur einzelne Elemente (in diesem Fall die Nebenklage) kontinentaler und vor allem des deutschen
Systems in das amerikanische integrieren zu wollen, ohne auf die Verschiedenheit der Systeme
einzugehen. Er wolle dabei weder den Nutzen der rechtlichen Analyse verschiedener
Rechtssysteme zur Reform des eigenen Systems, noch das „highly regarded german criminal system“
kritisieren. Ein einzelnes Element eines anderen Systems, das bestimme Rechte im eigenen
System außer Kraft setze, könne und dürfe aber nicht einfach integriert werden, ohne irgendeine
Kompensation oder Anerkennung der alternativen Protektionen des anderen Systems. Pizzi / Perron,
Crime victims in German courtrooms, 32 Stan. J. Int´l. L. 37, 64; auch Bandes, Victim standing,
2 Utah l. Rev. 331, 337 f. verweist auf die Unterschiedlichkeit der Systeme, wobei das Opfer
dem Staatsanwalt im amerikanischen Strafrechtssystem weitaus öfter in´s Gehege komme als im
deutschen System, das an der Wahrheitsfindung ausgerichtet sei; Henderson, Revisting victims´
rights, 2 U. L. Rev. 383, 405, hält einen absoluten Quervergleich der zwei in Recht und Praxis
verschiedenen Kulturen gar für „gefährlich“. Auch fehle jeder empirische Beweis dafür, dass
Verbrechensopfer im deutschen System tatsächlich zufriedener seien.
779
Die mögliche Beeinträchtigung von Beschuldigtenrechten ist das zentrale Argument der Reformgegner,
vgl. hierzu schon die verfassungsmäßigen Einwände. So auch Mosteller, Popular
justice, 109 Harv. L. Rev. 487, 489, 493.
780
Pizzi: Rethinking our “adversary system”, 2 Utah L Rev. 349, 356 ff. verweist allerdings auf
die Notwendigkeit der Verbesserung der Opferrechte auch zu Gunsten des Beschuldigten, denn
das System behandle gegenwärtig nicht nur Verletzte, sondern auch nicht reiche und ungebildete
Beschuldigte schlecht.
781
Herrmann, The rule of compulsory prosecution and the scope of prosecutorial discretion in
Germany, 41 U. Chi. L. Rev. 468, 472.
782
Herrmann, The rule of compulsory prosecution and the scope of prosecutorial discretion in
Germany, 41 U. Chi. L. Rev. 468, 474.

135
ist grundsätzlich eine gewisse Annäherung der Systeme erkennbar. 783 So ist bezeichnend,
dass die von amerikanischen Autoren gemachten Reformvorschläge
den deutschen Regelungen in erstaunlicher Hinsicht gleichen bzw. teilweise
komplett übereinstimmen. Vom amerikanischen Staatsanwalt wird mittlerweile
verlangt, auch entlastende Umstände zugunsten des Beschuldigten offen zu legen.
784 Für den deutschen Staatsanwalt ist dies gesetzlich normiert, vgl. § 160
Abs. 2 StPO; gem. § 296 Abs. 2 StPO kann er Rechtsmittel auch zugunsten des
Beschuldigten einlegen.
Interessant ist auch die zeitliche Koinzidenz einer deutlichen Zunahme von Verfahrensabsprachen
in beiden Systemen: Das Legalitätsprinzip wurde in Deutschland
immer mehr abgebaut und das Absprache(un)wesen hat zugenommen, um
die Masse von Fällen zu bewältigen, während in den USA die Rufe zur Einschränkung
staatsanwaltlichen Ermessens bei zunehmender Machtfülle der
Staatsanwälte, die praktisch jedes Verfahren durch Verfahrensabsprachen erledigen
können, laut werden.
aa. Paradoxon Privatklage
Obige Ausführungen 785 haben gezeigt, dass die deutsche und die amerikanische
Privatklage im herkömmlichen Sinne per se nicht vergleichbar sind und auch
verschiedene Zwecke erfüllen: das amerikanische Institut verkörpert eine sog.
„subsidiäre“ Privatklage, und somit ein aus der Zeit der privaten Ankläger übrig
gebliebenes Bürgerrecht des common law, das durch das Vordringen der öffentlichen
Ankläger immer weiter zurückgedrängt wurde und wird. Die deutsche
„prinzipale“ Privatklage hingegen war schon aus ihrer Entstehungsgeschichte
und Motivation heraus niemals wirklich als Kontrolle der Staatsanwaltschaft
konzipiert, da hierbei stets der Grundsatz des „minima non curat praetor“ im
Vordergrund stand und sie somit Delikte erfasst, die der Gesetzgeber in aller
Regel ohnehin nicht als durch die Staatsanwaltschaft verfolgungswürdig ansieht.
Interessant ist vor diesem Hintergrund dagegen die jüngere Entwicklung der
Privatklage in den USA: wie z.B. die neue gesetzliche Regelung in New Hampshire
786 zeigt, hat sich Inhalt und Zweck der Privatklage gewandelt. War sie früher,
wie heute noch in England üblich, als echte Alternative zur öffentlichen
Strafverfolgung gedacht und genutzt (die Rolle als echte Alternative der Staatsanwaltschaft
ist ihr auch heute noch von ihren Befürworten so zugedacht), so
hat sie heute in der praktischen Anwendung und der Gesetzgebung immer mehr
die Rolle der deutschen Privatklage als Möglichkeit Verletzter, geringfügige
783
Zum gleichen Ergebnis kommt Dengler, S. 353 ff. Für grundsätzliche Ausführungen hierzu
vgl. Weigend / Frase: German criminal justice as a guide to american law reform: Similar problems,
better solutions?, 18. B. C. Int´l & Comp. L. Rev. 317, 359 ff.
784
Vgl. zum Stand der Konkretisierung und Judikatur der staatsanwaltlichen Offenlegungspflicht
Geisler, S. 103 ff.; dieser stellt auch die praktischen Probleme bei der Umsetzung dar.
785
Zur deutschen Privatklage vgl. oben B.II.2.b. zur amerikanischen Privatklage vgl. oben
C.II.2.cc.
786
Vgl. hierzu oben C.II.2.cc.(3).

136
Delikte anzuklagen, an denen das öffentliche Interesse nicht groß ist, übernommen,
so dass insoweit in der jüngeren Entwicklung ein gewisser Gleichlauf der
Systeme hinsichtlich der Privatklage erkennbar wird. Dabei erscheint die Abkehr
von der Privatklage angesichts der oben bereits mehrmals dargestellten
Skepsis gegenüber staatlichen Institutionen sowie einer Monopolisierung in den
USA generell eher verwunderlich. Weigend 787 gibt an, das Anklagemonopol des
Staatsanwaltes sei so sehr zur Selbstverständlichkeit geworden, dass die gelegentlichen
Versuche, wenigstens für Fälle des Ermessensmissbrauchs private
Anwälte als Ankläger zuzulassen, zum Scheitern verurteilt sein dürften. Selbst
führende Opferrechtler 788 räumen ein, dass man wohl kaum gänzlich auf die
staatliche Strafverfolgung verzichten kann. 789
Gegen die Popularklage in den USA werden in die gleichen Vorbehalte erhoben,
wie sie in Deutschland seinerzeit gegen die Einführung der subsidiären Privatklage
als Kontrollinstrument der Staatsanwaltschaft erhoben wurden: in
Deutschland konnte sie sich auch deshalb nicht durchsetzen, weil man dem Verletzten
selbst nicht traute. 790 Genauso misstraut man in Amerika dem heutigen
Privatkläger, und wirft ihm Rachsucht und per se Unfairness vor.
Es ist somit bemerkenswert, dass in den USA, in denen das Opportunitätsprinzip
gilt, die gerichtliche Überprüfung bevorzugt wird. Doch insoweit hat sich eine
schon seit längerer Zeit abzeichnende Entwicklung bestätigt und fortgesetzt. 791
Insgesamt erscheint es wohl vielen Kritikern einfacher, sich nicht auf den Ausbau
der Privatklage, die nur noch rudimentär aus dem common law vorhanden
und in der Anwendung umstritten ist, zu verlassen, sondern lieber ein Kontrollinstrument
für staatsanwaltliche Ermessensentscheidungen durch den Verletzten
zu schaffen. Insgesamt hat sich gezeigt: die Privatklage bietet in beiden Ländern
kein ausreichendes Korrektiv gegen ungerechtfertigte Ermessenseinstellungen.
bb. Parallelen beim Klageerzwingungsverfahren
Auch in diesem Punkt ergibt sich eine erstaunliche Parallele: die in den USA
gemachten Einwendungen gegen ein Klageerzwingungsverfahren wiederholen
sich: die Diskussion darüber, ob ein Gericht nunmehr selbst die Klageerhebung
anordnen dürfe, oder ob dies gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoße,
findet, wie oben dargestellt 792 , in beiden Rechtsordnungen parallel statt.
Auch hier fällt im Vergleich aber zunächst eine Ungewöhnlichkeit auf: während
man in den USA die Befürchtung einer unzulässigen Einmischung der Gerichte
in den Bereich der Staatsanwaltschaft hegt, so wird in Deutschland gerade im
787
Weigend, S. 106.
788
Beloof: The third model of criminal process, 2 Utah Law Rev. 289; Gittler, Expanding the
role of the victim in a criminal action, 11 Pepp. L. Rev. 117, 156.
789
Radikaler insoweit aber Benson, 9 Harv. L. Rev. 399, 427, der in erster Linie das Opfer für
die Strafverfolgung zuständig hält.
790
Vgl. obige Ausführungen, B.II.2.b.
791
Werner, S. 329.
792
Vgl. oben B.I.2.a.bb. und C.II.2.aa. und III.2.

137
Hinblick auf die Gewährleistung eines unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung
„rechtsstaatlich bedenkenfreien Verfahrens“ die gerichtliche Kontrolle
der staatsanwaltlichen Strafverfolgungstätigkeit gefordert. 793 Zweck des Gewaltenteilungsprinzips
sei es nämlich, durch Aufteilung der Herrschaft im Strafverfahren
auf Organe, die verschiedenen Staatsgewalten zugeordnet seien, willkürliche
Strafverfolgungen möglichst zu verhindern. 794 Eine Kontrolle wird besonders
dort als notwendig angesehen, wo der Staatsanwaltschaft, wie bei der
Entscheidung über die Anklageerhebung oder Einstellung, ein bestimmter Entscheidungsspielraum
eingeräumt ist. 795 Allerdings ist auch in den USA ein ähnlicher
argumentativer Ansatz in Sicht: Eine begrenzte richterliche Kontrolle
wird immer öfter für zulässig gehalten, die Vorbehalte gegenüber einer richterlichen
Kontrolle von Verwaltungsbehörden, die im 19. Jahrhundert propagiert
worden waren, schwinden, und entgegen der ursprünglichen Einstellung vernimmt
man nunmehr auch vereinzelt, der Zweck der Gewaltenteilung erfordere
sogar eine gerichtliche Überprüfung. 796 Die Gegenmeinung gehe dabei wohl
unzulässig davon aus, dass eine gerichtliche Kontrolle neben der Verurteilungswahrscheinlichkeit
auch Gesichtspunkte der Billigkeit berücksichtigen müsse. 797
Ferner ist auffällig, dass Verletzte im amerikanischen System immer wieder
mittels sehr an das deutsche Klageerzwingungsverfahren erinnernden Methoden
versucht haben, eine gerichtliche Entscheidung zu erreichen. 798 Auch die zunehmende
Festschreibung von Ermessensrichtlinien dürfte in Richtung eines
Klageerzwingungsverfahrens weisen.
cc. Rechtsschutz für den Verletzten und Kontrolle der Staatsanwaltschaft
Vorliegend werden die Rechtsbehelfe des Verletzten in der Hinsicht untersucht,
ob sie einerseits eine Rechtsschutzmöglichkeit des Opfers im Falle einer negativen
Anklageentscheidung darstellen, die andererseits eine weitere Intention,
nämlich eine externe Kontrolle der Staatsanwaltschaft ermöglichen. Insoweit
hatten wir uns als Ausgangserwägung Weigend 799 angeschlossen, der trotz einer
irreversiblen Entprivatisierung des Strafverfahrens 800 die Kombination einer
793
Werner, NStZ 1984, 401, 403.
794
Gössel, in FS Dünnebier, S. 121, 139 ff.
795
Gössel, in FS Dünnebier, S. 121, 141; Gössel, a.a.O., S. 142 ff. setzt sich deshalb massiv für
den Ausbau des „schwächlichen“ Kontrollinstrumentes zu einer echten richterlichen Kontrolle
auch im Bereich der Ermessenseinstellungen ein; sollte die Privatklage wieder ihre ursprüngliche
Bedeutung zur Kontrolle der Staatsanwaltschaft erreichen, müssten die §§ 383, 390 Abs. 5 StPO
beseitigt werden mit der Folge, dass das Strafverfahren nur nach §§ 153 ff. StPO eingestellt werden
kann, Gössel, a.a.O., S. 146.
796
Davis, S. 70; vgl. auch die Diskussion in Wisconsin, oben dargestellt unter C.III.2.
797
Weigend in Jescheck, S. 611.
798
Vgl. oben C.II.2.aa.
799
Siehe oben A.II.
800
Weigend, Deliktsopfer, S. 172, argumentiert, die Zeit des Opfers als Initiator und Gestalter
des Strafverfahrens sei unwiederbringlich vorüber, was jedoch nicht bedeute, dass er auf die Rolle

138
Rechtsschutzmöglichkeit für den Verletzten mit einer externen Kontrollmöglichkeit
der Staatsanwaltschaft für sinnvoll hält.
Unter diesem Aspekt müssen nun die Rechtsschutzmöglichkeiten sowohl in
Deutschland als auch in den USA betrachtet und gegenüberstellend bewertet
werden. Dabei hat sich nach oben dargestellter Rechtslage und den Reformbestrebungen
folgendes Bild ergeben:
(1) Privatklage
Die deutsche und neuerliche Ausprägung der amerikanischen Privatklage bieten
genau genommen hinsichtlich eines hier verfolgten Aspekts, nämlich eines eigenen
Rechtsbehelfs des Verletzten bei negativer Anklageentscheidung des
Staatsanwaltes, wegen ihres stark beschränkten Anwendungsbereichs auf zumeist
Bagatelldelikte keine ausreichende Grundlage. Der weitere Zweck, nämlich
die wirksame Kontrolle der staatsanwaltlichen Anklagetätigkeit, wird nicht
oder allenfalls marginal erreicht. 801 Der Staatsanwalt wird hinsichtlich des Bagatellcharakters
der meisten deutschen Privatklagedelikte geradezu froh sein, das
Verfahren los zu sein. Sollte dies nicht der Fall sein, so kann er es dem Privatkläger
jederzeit aus den Händen nehmen. Somit hat der deutsche Privatkläger
mit dem Privatklagerecht auch gleich die Verfolgungslast übernommen. 802 Entstanden
aus einem Desinteresse des Staates an der Verfolgung bestimmter Delikte
zum Schutz des Verletzten, ist es inzwischen zu einer beliebten und praktischen
Entlastungsmöglichkeit für die Staatsanwaltschaft zu Lasten des Verletzten
geworden. 803 Hinsichtlich der Erfüllung beider o.g. Punkte besser geeignet
wäre eine subsidiäre Privatklage, wie sie im amerikanischen System eigentlich
angelegt ist. Durch die Zurückdrängung der Privatklage im herkömmlichen Sinn
und Annäherung an ein System der prinzipalen Privatklage bei Bagatelldelikten
schreitet jedoch die Erosion der Kontrollmöglichkeiten des Anklageermessens
des amerikanischen Staatsanwaltes weiter fort. Dies natürlich umso mehr, als
der amerikanische Staatsanwalt freies Ermessen hinsichtlich der Anklageerhebung
genießt.
(2) Klageerzwingungsverfahren
Das Klageerzwingungsverfahren hingegen erfüllt beide hier angelegten Kriterien
optimal, weil es sowohl dem Verletzen Zugang zum Gericht verschafft, als
auch eine Kontrolle des staatsanwaltlichen Beurteilungsermessens ermöglicht.
Anzuraten wäre allerdings, um für das deutsche System einen wirklich „runden“
eines Zeugen reduziert sein müsse und seine legitimen Interessen im Verfahren nicht wahrnehmen
könne.
801 So auch Werner, NStZ 1984, 401, die anmerkt, die für den Verletzten beschwerliche und
wenig erfolgversprechende Möglichkeit der Privatklage ersetze nicht das fehlende Recht, über
einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Erhebung der öffentlichen Anklage zu erzwingen.
802 Werner, S. 308.
803 von Schacky, S. 19.

139
Rechtsbehelf anbieten zu können, das Klageerzwingungsverfahren auf die Ermessenseinstellungen
der Staatsanwaltschaft, zumindest dort, wo keine gerichtliche
Zustimmung notwendig ist, auszudehnen. Immer wieder wird gegen das
Klageerzwingungsverfahrens als Argument seine seltene Anwendung vorgebracht.
Zugegebenermaßen muss sich ein Rechtsbehelf auch in der Rechtswirklichkeit
behaupten. Es wäre daher wünschenswert, das Klageerzwingungsverfahren
entsprechend den oben dargestellten Vorschlägen zu reformieren und
somit schlagkräftiger zu gestalten. Insoweit käme vor allem eine niedrige Kostentragung
und ein vereinfachtes Verfahren 804 in Betracht. Den Arbeits- und
Kostenmehraufwand, den dies bedeutet, sollte der Staat angesichts des Nutzens
hinzunehmen bereit sein. Allerdings ist in diesem Fall die seltene Anwendung
auch kein wirksames Argument gegen dieses Verfahren: entscheidend ist schon
die präventive Wirkung des Rechtsbehelfs: ein mit dem Klageerzwingungsverfahren
bedrohter Staatsanwalt wird sich seine ablehnende Anklageentscheidung
sorgsam überlegen. Insofern bietet schon die Existenz dieser Kontrollmöglichkeit
ein wichtiges Mittel, um die Interessen des Verletzten zu sichern. 805
(3) Ergebnis
Am Ende dieser Ausführungen lässt sich folgendes feststellen:
Bezüglich der Privatklage haben beide Länder trotz der verschiedenen Wurzeln
eine ähnliche faktische Entwicklung hin zur Bedeutungslosigkeit dieses Rechtsbehelfs
durchgemacht und sich weitgehend von der Privatklage entfremdet. Die
Privatklage ist in ihrer derzeitigen Ausgestaltung als prinzipaler Rechtsbehelf
auch nicht in der Lage, sowohl das Erfordernis eines wirksamen Rechtsbehelfs
des Verletzten einerseits und andererseits eine Kontrolle der Staatsanwaltschaft
sicherzustellen.
Eine gewisse, wenn auch langsame Annäherung des amerikanischen an das
deutsche System lässt sich feststellen, was den Bereich der Überprüfung staatsanwaltlicher
Ermessensentscheidungen angeht. Insoweit bleibt die Frage, ob
Amerika einklagbare Ermessensrichtlinien einführen wird oder ob dies letztlich
mit der Rolle des amerikanischen Staatsanwaltes inkompatibel bleibt.
Vor diesem Hintergrund bleibt es spannend, wie der Gesetzgeber in den USA
und die höheren Gerichte von Bund und Einzelstaaten den hier aufgegriffenen
Themenbereich weiter behandeln werden. Dennoch gibt keinen Zweifel daran,
dass das Zusammentreffen zweier großer Strömungen, zum einen die Bewegung
zur Verbesserung der Opferrechte, zum anderen die wachsende Kritik an der
804
Wie oben dargestellt neigen die Gerichte dazu, mutmaßlich auch um die eigene Arbeitslast
zu minimieren, die Anforderungen für die Zulässigkeit eines Klageerzwingungsverfahrens hochzuschrauben
und m. E. teilweise auch zu überspannen.
805
Insofern schließt sich die Verfasserin vollkommen der Argumentation von Eser, in FS
Kaufmann, S. 723, 731 an.

140
unbeschränkten staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung, Auswirkungen auf
den amerikanischen Strafprozess 806 haben wird. 807
II. Ausblick - Kleine Schritte zu welchem Ziel?
Die Betrachtung der Thematik aus Opfersicht und mit einigem Zeitabstand hat
schließlich ein etwas anderes als das von Weigend 808 skizzierte Bild ergeben:
Dieser stellt in seinen Ausführungen von 1978 fest, dass „die Tage des selbstherrlichen
Staatsanwaltes gezählt sein“ dürften, der über das „Ob und Wie“ der
Anklageerhebung unkontrolliert nach Lust und Laune bestimmen und heute so,
morgen anders entscheiden könne. 809 Man erwarte in den USA in „naher Zukunft“
bevorstehende „öffentlich zugängliche(r), nachprüfbare(r), detaillierte(r),
aber flexible Richtlinien über die Entscheidung über Anklageerhebung oder
Einstellung“. Weigend wies insoweit gar auf deutschen Nachahmungsbedarf hin.
Der tatsächliche strafprozessuale Status von Verbrechensopfern hinsichtlich einer
Kontrolle staatsanwaltlicher Ermessensentscheidungen stellt sich jedoch,
nunmehr immerhin fast dreißig Jahre später, als fast unverändert dar. Immer
noch gibt es kaum Rechtsbehelfe für Opfer, staatsanwaltliches Ermessen wird
somit fast gänzlich unkontrolliert ausgeübt und verbindliche Ermessensrichtlinien
sind bis heute nicht zum Standard geworden.
Fest steht aber, dass die zunehmend stärker werdende staatliche Kontrolle der
Strafverfolgung und die damit einhergehende Verdrängung der Privatklage den
Amerikanern unheimlich geworden ist und zu wachsender Unzufriedenheit geführt
hat. 810 Aus diesem Grund wird, wenn schon aufgrund der Abkehr von der
Privatklage keine direkte Einmischung mehr stattfinden kann 811 , der Ruf nach
Kontrolle des unbegrenzten staatsanwaltlichen Anklageermessens laut. Und
auch hier spiegelt sich im Grundsatz das stärkere private Engagement der Amerikaner
wieder: private Opferschutzorganisationen haben sich erhebliche
Machtpositionen erstritten, sie müssen nun den Sprung machen, ihren Einfluss
auf das Strafverfahren selbst auszubauen.
806
Auch Jacoby, The American prosecutor´s discretionary power, 31-Dec-Prosecutor 25, 39
bezweifelt angesichts der Opferschutzbewegung, dass das Ermessen des amerikanischen Staatsanwaltes
unverändert bleibt.
807
Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L.
Rev. 1695, 1696.
808
Weigend, S. 167 ff.
809
Weigend, S. 165.
810
Reformer halten Gegnern insoweit entgegen, das System werde nicht zu Lasten der Beschuldigten
aus der Balance gebracht, sondern das Strafrechtsystem habe durch die Vernachlässigung
der Verletzten essentiell an Balance verloren, vgl. President´s Task Force on victim´s of crime,
Final Report (1982), 114.
811
Die Unsicherheit der Gerichte bei der Zulassung von Privatklagen wurde oben, vgl.
C.II.2.b.cc.(5), bereits dargestellt.

141
Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der amerikanischen Reformbestrebungen
folgendes feststellen: Die Tendenz im amerikanischen System geht ganz
klar weg von der Privatklage hin zu einer wie auch immer gestalteten richterlichen
Überprüfung der staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung. 812 Einhellig
ist auch der Tenor zur Schaffung verbindlicher staatsanwaltlicher Ermessensrichtlinien.
813
Um einen Ausblick hinsichtlich der möglichen weiteren Entwicklungen wagen
zu können, soll hier kurz der verfassungsrechtliche Rahmen, in dem eine solche
Entwicklung stattfinden könnte, skizziert werden:
1. Kurze Einführung in die verfassungsrechtlichen Vorgaben 814 in den USA
Insofern ist zu überprüfen, welche verfassungsrechtlichen Einwendungen gegen
die einzelnen Möglichkeiten des Verletzten erhoben werden könnten. Da diese
Fragen von den Gerichten noch nicht abschließend entschieden sind, können die
u.g. Ansätze im Rahmen dieses Ausblicks nur als Diskussionsgrundlage dienen.
a. Verfassungsrechtliche Einwände gegen die Privatklage
Zentraler Einwand gegen die Privatklage ist, wie oben herausgearbeitet wurde,
in verfassungsrechtlicher Hinsicht die Verletzung der Beschuldigtenrechte, insbesondere
der sog. due process-Klausel.
aa. „Due Process“ 815 :
In Young 816 haben die Beklagten sich gegen den privaten Ankläger unter Berufung
auf das Recht von due process zur Wehr gesetzt. Die due process-clause
gewährt, dass jede Sanktion, die zu einer Beeinträchtigung des Lebens, der Freiheit
oder des Eigentums des Beschuldigten führt, in einer fairen Weise zu erfolgen
hat. Ein fairer Prozess vor einem fairen Tribunal ist dabei eine unabdingbare
Voraussetzung 817 . Der Beschuldigte würde geltend machen, dass er das Recht
812
So auch Misner, Recasting prosecutorial discretion, 86 J. Crim. L. & Criminology 717, 776;
Cardenas, The crime victim in the prosecutorial process, 9 Harv. L. Rev. 357, 393.
813
Statt vieler Gershman, The new prosecutors, 53 U. Pitt. L. Rev. 393 ff., Logan, A proposed
check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L. Rev. 1695, 1726 ff.; Misner,
Recasting prosecutorial discretion, 86 J. Crim. L. & Criminology 717, 720; Davis, The crime
victims right to a criminal prosecution, 38 De P. L. Rev. 329, 396.
814
Freilich erfolgt hier keine vertiefte Darstellung und abschließende Beurteilung. Für einen
guten Überblick zum amerikanischen Verfassungsrecht vgl. Brugger, S. 302 ff., worin die strafprozessualen
Verfahrensrechte allerdings relativ wenig Berücksichtigung finden.
815
Die due process clause lautet: “ no person shall …. be deprived of live, liberty, or property
without due process of law”, U.S. Const. amend. V. , dieselben Restriktionen werden den state
governments im 14. Amendment auferlegt, U.S. Const. amend. XIV.
816
Vgl. Young v. United States ex. rel. Vuitton et Fils S. A, 481 U.S. 787, oben erläutert unter
C.II.2.b.cc.(3)(b).
817
In re Murchison, 349 U.S. 133, 136; United States v. Salerno, 107 S. Ct. 2095, 2101.

142
auf Strafverfolgung durch einen public prosecutor hat und er bei einer Anklageerhebung
durch einen Privatkläger in diesem Recht beeinträchtigt wird.
Der U.S. Supreme Court 818 hat einige Regeln und Abwägungskriterien für die
Entscheidung der Frage definiert, ob ein bestimmtes Vorgehen noch dem Recht
auf die Durchführung eines fairen Prozesses entspricht:
(1) Text of the Constitution:
Zunächst ist dabei auf den Wortlaut der Verfassung abzustellen. Es gibt aber
kein in der Verfassung 819 festgeschriebenes Recht, dass nur öffentliche Ankläger
die Strafverfolgung durchführen dürften, vielmehr verfügt der amerikanische
Staatsanwalt derzeit faktisch, nicht aber formell über das Anklagemonopol.
(2) „Tradition“
Traditionen, die sich auf die althergebrachte Konzeption der angloamerikanischen
Rechtsgeschichte stützen, spielen im amerikanischen Rechtssystem
eine enorm große Rolle. Ein Verstoß gegen Traditionen durch die Privatklage
dürfte allerdings nur schwer begründbar sein: private Ankläger bildeten
den Ursprung des anglo-amerikanischen Strafrechtssystems und haben sich bis
heute in der Mehrzahl der Einzelstaaten zumindest in irgendeiner Weise halten
können. 820
(3) „Balancing test“:
Der Supreme Court hat die Verfassungsmäßigkeit einer bestimmten strafrechtlichen
Maßnahme darüber hinaus danach bemessen, ob das Verhältnis zwischen
dem Interesse des Staates, in einer bestimmten Art und Weise vorzugehen, und
der daraus resultierenden möglichen Beeinträchtigung des Betroffenen ausgewogen
ist. 821 Dabei müssen möglichst alle Faktoren, wie z.B. das private Interesse,
das möglicherweise beeinträchtigt würde, das Risiko einer irrtümlichen
Beeinträchtigung dieses Rechtes durch die gewünschte Vorgehensweise, der
Nutzen einer dagegen eingebauten Sicherung, sowie das Interesse des Staates an
der Maßnahme, einschließlich der zusätzlichen finanziellen und administrativen
Hürden zu ihrer Durchsetzung, beachtet und gegeneinander abgewogen werden.
822
An diesem Punkt müsste ein Abwägungsprozess der Gerichte zur Beurteilung
der Privatklage im Sinne dieser Ausführungen ansetzen.
818 Mathews v. Eldridge, 424 U.S. 319; United States v. Salerno, 107 S. Ct. 2095, 2102. Im Fall
Snyder v. Massachusetts, 291 U.S. 97, 105, überprüfte der Supreme Court genauestens anhand von
Präzedenzfällen, ob das gerügte procedere „offends some principle of justice so rooted in the traditions
and conscience of our people as to be ranked as fundamental”.
819 Ein in der amerikanischen Verfassung wörtlich niedergelegtes Beschuldigtenrecht ist z.B.
das Recht auf einen Strafverteidiger, U.S. Const. Amend. VI.
820 Vgl. zur Tradition der Privatklage und heutiger Rechtslage oben Punkt C.II.2.b.cc.
821 Z.B. Mathews v. Eldridge, 424 U.S. 319; United States v. Salerno, 107 S. Ct. 2095, 2102.
822 Mathews v. Eldridge, 424 U.S. 319, 335.

143
Hinsichtlich einer Kosten-Nutzen-Analyse wäre zugunsten der Möglichkeit einer
direkten Ingangsetzung eines Strafverfahrens durch den Verletzten der positive
Nebeneffekt einer Kontrolle der Staatsanwaltschaft sowie die nicht unerhebliche
Vertrauensstärkung in das System in die Waagschale zu werfen.
Diskutiert man nur den Punkt der bloßen Ingangsetzung eines Strafverfahrens
vor einem Gericht 823 , so könnte ein Beschuldigter lediglich einwenden, da der
Staatsanwalt ihn hinsichtlich der streitgegenständlichen Straftat nicht verfolgt
habe, dürfe auch der Verletzte die Anklage nicht erzwingen.
bb. Equal protection 824
Denkbar wäre aus diesem Grund der Einwand des Beschuldigten, eine gleichmäßige
Strafverfolgung sei nicht gegeben. Es hänge von der finanziellen Situation,
dem Willen und der Zeit des Opfers ab, ob und inwieweit er verfolgt werde.
Fraglich ist, ob dieses Argument des Beschuldigten als stichhaltig eingestuft
würde, da es auch bei der Staatsanwaltschaft von einer Reihe von, keineswegs
nur sachdienlichen, Gründen abhängt, ob eine Strafverfolgung erfolgt. Der Beschuldigte
wäre grundsätzlich somit nicht schlechter gestellt, als bei einer Verfolgung
durch den Staatsanwalt. Ob ein Recht des hinreichend verdächtigen Täters
besteht, sich im Einzelfall auf sein „Glück“ – die negative Anklageentscheidung
des Staatsanwaltes ergeht aus anderen Gründen als den Erfolgsaussichten,
z.B. wegen Arbeitsüberlastung – zu berufen, erscheint zumindest zweifelhaft.
Zwar sind die prosecutors grundsätzlich zur Unparteilichkeit verpflichtet 825 , dies
schützt den Beschuldigten aber nicht davor, sich einem eifrig um Verurteilung
bemühten 826 und dabei auch manche Grenze überschreitenden 827 prosecutor gegenüber
zu sehen. Die Rolle des, verglichen mit seinen deutschen Kollegen
823 Wobei es dem Gericht natürlich im Rahmen der üblichen Vorschriften unbenommen bliebe,
das Strafverfahren wegen Nichtvorliegens von „probable cause“ gar nicht erst zu eröffnen oder
gleich wieder einzustellen; die im Zusammenhang mit der Privatklage zentrale Befürchtung, nämlich
die Frage, ob ein privater Anwalt bei der Durchführung des Verfahrens fair ist, bleibt hier
außer Betracht.
824 Die equal-protection clause wird abgeleitet aus dem 14. amendment der Verfassung der
Vereinigten Staaten, wo es heißt: „(n)o state shall….deny to any person within ist jurisdiction the
equal protection of the laws…“; zwar ist die föderale Regierung hierdurch eigentlich nicht gebunden,
dennoch wird der equal-protection-Grundsatz auch noch unter das Erfordernis des due process
im die föderale Regierung bindenden V. Amendment subsumiert, vgl. Bolling v. Sharp, 347
U.S. 497, 500.
825 Marshall v. Jerrico, Inc., 446 U.S. 238, 249 f.
826 Dass der prosecutor mit Eifer nach der Verurteilung strebt, ist nach der Rechtsprechung zulässig
und durch das adversatorische System angelegt: Marshall v. Jerrico, Inc., 446 U.S. 238, 248,
so auch Wright v. United States, 732 F. 2d 1048, 1056, wo es heißt: „ If honestly convinced by the
defendant´s guilt, the prosecutor is free, indeed obliged, to be deeply interested in urging that view
by fair means. True disinterest …. is the domain of the judge and the jury - not the prosecutor”.
827 So wurde eine unrichtige Behauptung gegenüber der Jury im Fall Donnelly v. De Christoforo,
416 U.S. 637 ebenso hingenommen, wie ein Übertreten der Grenze einer angemessenen Vertretung
in United States v. Monaghan, 741 F. 2d 1434, 1443.

144
doch recht ehrgeizig um eine Verurteilung bemühten amerikanischen Staatsanwalts,
der z.B. Zeugen „präpariert“, ist, wie oben schon dargestellt, durchaus
systematisch bedingt. 828 Auch eine möglicherweise eingewendete Unerfahrenheit
des privaten Anklägers stellt den Beschuldigten nicht schlechter: denn es
dürfte ebenso ein vollkommen unerfahrener public prosecutor den Fall führen,
ohne dass der Beschuldigte hiergegen etwas unternehmen könnte. 829
Im deutschen Recht gibt es kein subjektives Recht des Beschuldigten darauf,
dass die Durchsetzung von Strafandrohungen unter bestimmten Voraussetzungen
unterbleibt. 830 Erst recht kann es im deutschen Recht damit keinen Anspruch
des Beschuldigten geben, quasi durch Zufall nicht verfolgt zu werden.
Ob eine Privatklage tatsächlich als verfassungswidrig eingestuft wird, muss sich
im Einzelfall zeigen. Der U.S. Supreme Court hat ganz bewusst bisher keine
verfassungsrechtlich bindende Aussage zur Privatklage getroffen. 831
b. Verfassungsrechtliche Einwände gegen die Überprüfung der staatsanwaltlichen
Ermessensentscheidung
Die richterliche Überprüfung der staatsanwaltlichen negativen Anklageentscheidung
sieht sich des Einwands eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung
(„separation of powers“) ausgesetzt.
Die Gewaltenteilung im föderalen System der USA sichert die Wahrnehmung
der den einzelnen Zweigen (Exekutive, Legislative, Judikative) des Staates zugewiesenen
Aufgaben jeweils durch den Zweig, dem sie der Verfassung nach
zugewiesen sind. Nach Artikel II, Section 3 der U.S. Constitution obliegt die
Aufgabe der Verfolgung von Straftaten der Exekutive, dem Präsidenten ist die
Aufgabe übertragen, dafür zu sorgen, dass die Gesetze richtig ausgeführt werden.
832 Durch die Gewaltenteilungsdoktrin ist auch der amerikanische Congress
als Legislative dergestalt gebunden, dass auch im Rahmen neuer Gesetzgebung
die verfassungsrechtliche Zuweisung von Zuständigkeiten beachtet werden
muss, von der Judikative werden neue Gesetze nach diesen Gesichtspunkten
überprüft. 833 Hierbei handelt es sich um eine föderale Doktrin, die von den Einzelstaaten
grundsätzlich nicht beachtet zu werden braucht. 834 In Auslegung die-
828
Pizzi / Perron, Crime victims in German courtrooms, 32 Stan. J. Int´l. L. 37, 43.
829
Vgl. z.B. State v. Harrington, 534 S. W. 2d 44, 52; hier gab der Richter an, es sei nicht ungewöhnlich,
dass eine Person als prosecutor gewählt und tätig werde, die noch keinen einzigen
Fall geführt habe.
830
BVerfGE 51, 176, 185 ff.
831
Vgl. oben C.II.2.b.cc. (3)(b).
832
„… Take care that the laws be faithfully executed“, U.S. Const. Art. II, § 3.
833
Vgl. z.B. Nixon v. Administrator of General Services, 433 U.S. 425: ein Gesetz, das öffentlichen
Zugang zu Unterlagen des früheren Präsidenten Nixon gewährte, wurde nicht wegen evtl.
Einmischung in den Bereich der Legislative als Verstoß gegen die Gewaltenteilung gewertet.
834
Nach der U.S. constitution findet die separation of power – Doktrin grundsätzlich nur auf
den föderalen Bereich Anwendung, ohne dass es eine verfassungsmäßige Verpflichtung gibt, dies

145
ser Regelung hat das U.S. Supreme Court entschieden, dass die Exekutive die
alleinige Autorität und Ermessen bzgl. der Entscheidung hat, ob die strafrechtliche
Verfolgung eines Falles stattfindet. 835 Allerdings wird von Kommentatoren
der Entscheidung im Hinblick auf den Wortlaut der Klausel in der Verfassung,
der die Überwachung der ordnungsgemäßen Ausführung durch die Exekutive
anordnet 836 , zwar eine verstärkte Pflicht der Exekutive zur Verfolgung von
Rechtsverletzungen, nicht aber ein Recht zur Nicht-Verfolgung von Rechtsverletzungen
abgeleitet. Die sog. „take-care-clause“ wird somit als reine Verpflichtung
angesehen, die Einhaltung der geltenden Gesetze zu gewährleisten. 837
Die Gewaltenteilung soll ein „Bollwerk gegen Tyrannei“ 838 darstellen und nach
dem Muster von „checks and balances“ funktionieren: ein Prinzip, das die Balance
zwischen den drei Staatsgewalten erhalten, ihre Integrität und Unabhängigkeit
sichern und die Bündelung von unkontrollierter Macht in den Händen
einer der drei Gewalten vermeiden soll. 839
Interpretiert man die Verfassung auf diese Weise, so wären Rechtsbehelfe des
Verletzten wie auch die richterliche Überprüfung von negativen staatsanwaltlichen
Anklageentscheidungen ohne weiteres verfassungsrechtlich zulässig und
nicht als Verstoß gegen die Gewaltenteilung zu werten. 840 Eine derartige Interpretation
hat durch die Gerichte kürzlich in strafrechtlicher 841 und verwaltungsrechtlicher
Hinsicht Unterstützung erhalten, indem die gerichtliche Überprüfung
von negativen Entscheidungen sog. „agencies“, die für die Verfolgung von Verstößen
gegen Verwaltungsvorschriften zuständig sind, zugelassen 842 und diesbe-
auch in den Einzelstaaten so zu handhaben, vgl. U.S. v. Solomon, 216 F. Supp. 835, 838: „All the
powers of government may be commingled by any state of the union without a violation of the
United States Constitution“. Freilich ist es für die Einzelstaaten grundsätzlich möglich, den separation
of power-Grundsatz in die eigene Verfassung aufzunehmen, wie es auch ganz überwiegend
geschah.
835
United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 693, hiergegen aber z.B. Krent, Executive control
over criminal law enforcement: some lessons from history, 38 Am. U. L. Rev. 275.
836
Sog. „take-care-clause“.
837
So z.B. Sunstein, Reviewing Agency Inaction after Heckler v. Chaney, 52 U. Chi. L. Rev.
653, 670.
838
United States v. Brown, 381 U.S. 437, 443.
839
Layton School of Art & Design, 262 N. W. 2d 218, 229; dieses Prinzip biete auch dem Bürger
mehr Sicherheit: wenn eine der Gewalten ein berechtigtes Interesse nicht anerkannt habe, so
könne der Bürger sich zur Unterstützung an die andere Gewalt wenden, vgl. Matter of Complaint
against Grady, 348 N. W. 2d 559, 573.
840
Note, private challenges to prosecutorial inaction: A model declaratory judgement statute,
97 Yale L.J. 488, 499 f., so auch Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin
prosecutors, 1990 Wis. L. Rev. 1695, 1718 f.
841
In Commonwealth v. Benz, 565 A. 2d 764, wurde die richterliche Überprüfung einer negativen
Anklageentscheidung und Anordnung der Anklageerhebung wegen Totschlags gegen einen
Polizisten als verfassungskonform eingestuft.
842
Vgl. z.B. Adams v. Richardson, 480 F. 2d 1159; Heckler v. Chaney, 470 U.S. 821.

146
züglich sogar mandamus gewährt wurde. 843 Dies könnte auch auf unerwünschte
staatsanwaltliche Untätigkeit Anwendung finden, da die take-care-Klausel die
Grundlage für die Erzwingung gleichermaßen verwaltungsrechtlicher wie strafrechtlicher
Vorschriften bildet. Die richterliche Überprüfung wäre dann eine
verfassungsrechtlich zulässige Antwort auf die Untätigkeit des prosecutors. 844
Überdies hat der U.S. Supreme Court auch nicht für eine absolute Teilung der
Gewalten, sondern für eine flexible und pragmatische Herangehensweise an diese
Fragen plädiert. 845
So hat er mehrere, auf die sog. „appointment-clause“ 846 gestützte Gesetze aufrecht
erhalten, bei denen der Gesetzgeber den Einfluss der Judikative auf die
Exekutive festgeschrieben hat. Zwar wurde, wie oben bereits dargestellt, im
Young-Fall 847 der private Ankläger, bei dem nach Ansicht des Gerichtes Besorgnis
der Befangenheit zugunsten seines Mandanten bestand, zurückgewiesen.
Die grundsätzliche Option des Gerichtes, gem. Rule 42 (b) für den Fall, dass der
Staatsanwalt die Verfolgung einer sog. contempt action endgültig ablehnt, einen
„disinterested“ Privatankläger zu bestellen, wurde aber bestätigt.
Zum anderen wurde der „Ethics of government Act“ 848 bestätigt, der die gerichtliche
Bestellung eines Sonderermittlers und –anklägers („independent prosecutor“)
für die Ermittlung und Verfolgung angeblicher krimineller Handlungen
von enumerativ genannten hohen Staatsbeamten ermöglicht, nachdem der D.C.
Circuit Court of Appeals dies zuvor im Hinblick auf Artikel II 849 und die appointment
clause verneint hatte. 850
In beiden Fällen wird die Strafverfolgung schließlich durch das Gericht und somit
durch die Judikative durch Einsetzung eines Anklägers in Gang gesetzt. Da
der Wortlaut der einschlägigen Regeln in der Verfassung sehr allgemein gehalten
ist, hat der Supreme Court 851 für die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit
von gesetzlichen Einschränkungen des staatsanwaltlichen Ermessens im Hinblick
auf die Gewaltenteilung ein Zwei-Punkte-Schema herausgearbeitet, das
bei der Abwägung zu beachten ist:
843 Carpet, Lineoleum & Resilient Tiles Layers Local 419 v. Brown, 656 F. 2d 564: Hier wurde
die Durchsetzung eines Gesetzes zu Gehaltstandards erzwungen.
844 Note, private challenges to prosecutorial inaction: a model declaratory judgement statute, 97
Yale L.J. 488, 501 f., 595 f.
845 Nixon v. Administrator of General Services, 433 U.S. 425, 442; Buckley v. Valeo, 424 U.S.
121.
846 U.S. Const. Art. II, § 2, clause 2; hiernach darf der Congress das Recht zur Bestellung „inferior
Officers“ auf die „courts of law“ übertragen, während der Exekutive die Bestellung von „Officers
of the United States“ zusteht.
847 Young v. United States ex. rel. Vuitton et Fils S.A., 107 S. Ct. 2124.
848 28 U.S. C.§§ 591-598.
849 U.S. Const. art. II, § 3.
850 Morison v. Olson, 487 U.S. 654.
851 Young v. United States ex. rel. Vuitton et Fils S. A., 107 S. Ct. 2124; Nixon v. Administra-
tor of General Services, 433 U.S. 425.

147
- Das Ausmaß der Einwirkung auf die traditionelle staatsanwaltliche Funktion
und Ermessensausübung durch die Übertragung der Aufgabe auf die Justiz,
und
- die Wichtigkeit des Zieles, das mit der Übertragung durch den Gesetzgeber
erreicht werden soll.
Auch hier wird somit letztlich im Einzelfall eine Interessensabwägung vorzunehmen
sein.
2. Konkrete Probleme einer möglichen Umsetzung
Zentrales Problem ist die Unsicherheit, anhand welcher Kriterien die Kontrolle
staatsanwaltlicher Ermessensentscheidungen erfolgen soll. 852 Diese Frage stellt
den Dreh- und Angelpunkt weiterer Überlegungen dar: Wie soll eine staatsanwaltliche
Ermessensentscheidung sinnvoll überprüft werden, wenn der Staatsanwalt
neben dem Kriterium des hinreichenden Tatverdachtes auch mannigfaltige
andere Erwägungen, darunter völlig sachfremde, wie z.B. die Auswirkung
der Durchführung das Falles auf seine weitere politische Karriere, berücksichtigen
darf und seine Gründe nicht einmal offen legen muss? 853 Erst wenn die Ermessensentscheidung
des amerikanischen Staatsanwaltes durch Einführung verbindlicher
Entscheidungskriterien gelenkt wird, ist sie auch justitiabel.
Ein weiteres praktisches Problem gesellt sich hinzu: der amerikanische Staatsanwalt
ist oft nicht an bestimmte formale Vorschriften, wie er seine Akten zu
führen und seine Entscheidungen zu begründen hat, gebunden. Dies kann besonders
bei der Entscheidung im „initial screening“ Probleme bereiten. Insoweit
ist es unabdingbar, dass Richtlinien sich auch auf derartige Formalia beziehen
und eine Begründung verlangen, an der eine Anfechtung der Entscheidung anknüpfen
kann. 854
Den Weg für die strafprozessualen Änderungen ebnen die gesetzlichen Vorgaben
und Entscheidungsrichtlinien. 855 Insofern haben die USA die Reise schon
begonnen: sobald der Staatsanwalt seine Entscheidungen dokumentieren und
852 Auf dieses Problem zieht sich auch das Gericht in Inmates of Attica Correctional Facility v.
Rockefeller, 477 F. 2d 375, 380 zurück: „ ..nor it is clear what the judiciary’s role of supervision
should be were it to undertake such a review……What evidentiary standard would be used to decide
whether prosecution should be compelled?”.
853 Die Notwendigkeit eines Ansatzes zunächst an diesen Punkten sieht auch Logan, A proposed
check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L. Rev. 1695, 1734;
ebenso stellt Bandes, Victim standing, 2 Utah L. Rev. 331, 345 fest: „… if everything is discretionary,
there can be no judicially cognizable abuse of discretion“.
854 Zur Notwendigkeit einer eingehenden Begründung von Ermessensentscheidungen zur verbesserten
rechtsstaatlichen Absicherung des Opportunitätsprinzips vgl. auch Erb, S. 205 f. m.w.N.,
der die gegenwärtige deutsche Anwendungspraxis hierzu beklagt.
855 Die Einführung verbindlicher Richtlinien wird in den USA zunehmend gefordert, vgl.
Logan, A proposed check on the charging discretion of Wisconsin prosecutors, 1990 Wis. L. Rev.
1695, 1731 m.w.N., ebenso Davis, The crime victims right to a criminal prosecution, 38 De P. L.
Rev. 329, 396; Inmates of Attica Correctional Facility v. Rockefeller, 477 F. 2d 375, 380.

148
offen legen muss 856 , so ist es kein weiter Weg mehr hin zur Forderung einer
nachvollziehbaren Begründung, die dann auch justitiabel wird. Kein Zweifel
besteht insoweit an der Notwendigkeit einer Regelung der Materie durch den
Gesetzgeber. 857
3. Bei einer konkreten Umsetzung zu beachtende Grenzen
Grundsätzlich hätten nach oben vorgenommener verfassungsrechtlicher Einschätzung
sowohl eine Normierung und Stärkung der Privatklage, als auch eine
Regelung zur gerichtlichen Überprüfung der staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung
Erfolgsaussichten, wenn folgende Kriterien beachtet werden:
a. Keine Usurpation der vorgerichtlichen staatsanwaltlichen Entscheidungsbefugnisse
durch Verletzten oder Richter
Dies könnte z.B. durch eine Regelung sichergestellt werden, wonach eine Privatklage
oder Überprüfung der Entscheidung des Staatsanwaltes nur nach einer
negativen Anklageentscheidung oder Nichtbefassung des Staatsanwaltes binnen
angemessener Fristsetzung ermöglicht wird. Auch wäre es sicherlich von Vorteil,
dem Staatsanwalt zum Antrag des Verletzten das Recht zur Stellungnahme
einzuräumen. Um eine realistische Einflussmöglichkeit des Verletzten zu gewährleisten,
müsste dieser ein Recht erlangen, schon im vorprozessualen Stadium
bei den plea-Verhandlungen, mitzuwirken. Denkbar wäre dabei, von einer
solchen Regelung die Bagatellkriminalität auszunehmen oder einen Katalog von
schwereren Straftaten, die typischerweise den Verletzten besonders belasten,
und bei denen Verletzten ein Vetorecht zusteht, zu schaffen, um allzu großen
Aufwand für das überlastete System zu vermeiden.
Auf diese Weise wäre das Recht des prosecutors auf den ersten Zugriff 858 des
Falles gewährleistet.
856 Dies ist schon in verschiedenen Staaten gesetzlich normiert, vgl. z.B. Neb. Rev. Stat. § 29-
1606 (1989): der prosecutor muß seine Einstellungsentscheidung schriftlich begründen, ebenso
Mich. Comp. Laws § 767. 41 (1990); gem. Pa. R. Crim. P. 133 (b)(2) soll („shall“) der Staatsanwalt
seine Entscheidung in einem Formblatt begründen.
857 Gerichte haben ihre ablehnende Haltung immer wieder mit der Abwesenheit solcher verbindlicher
Regelungen begründet, vgl. z.B. Sackinger v. Nevins, 114 Misc. 2d 454; Goldstein,
Defining the role of the victim in criminal prosecution, 52 Miss. L. J. 515, 552 m.w.N. hält eine
gesetzgeberische Regelung, mit der Opfern „standing“ eingeräumt würde, für unproblematisch
möglich.
858 Dieser exklusive erste Zugriff ist auch nach der Ansicht des Solicitor General, der als Amicus
Curiae die Executive im Young-Fall repräsentiert hatte, ausreichend zur Wahrung der Befugnisse
der Exekutive, vgl. Young v. United States ex. rel. Vuitton et Fils S. A., 107 S. Ct. 2124
(1987), notes 85 ff.

149
b. Weiteres Verfahren
Zu entscheiden wäre in der Konsequenz, wer im Falle einer durch das Gericht
angeordneten oder vom Verletzten erhobenen Anklage das Verfahren sodann
tatsächlich als Ankläger durchführen sollte.
Mehr als in Deutschland, wo der Richter den Gang des Verfahrens bestimmt,
besteht in den USA tatsächlich die Möglichkeit, dass ein zur Anklageerhebung
gezwungener Staatsanwalt das weitere Verfahren torpediert. 859 Die meisten Befürchtungen
gegen die Privatklage richten sich gegen die tatsächliche Durchführung
des Verfahrens durch einen vom Verletzten bezahlten, „interested“, Anwalt.
Dem Bedürfnis der Strafverfolgung durch einen „disinterested prosecutor“
könnte dadurch Rechnung getragen werden, dass man, sollte auf Initiative des
Verletzten das Verfahren tatsächlich eröffnet werden, dem Staatsanwalt ein Eintrittsrecht
zur Durchführung des Verfahrens gewährt. Lehnt dieser die Fortführung
des Verfahrens ab, so könnte das Verfahren durch einen Rechtsanwalt nach
dem Rotationsprinzip (etwa entsprechend einer Liste, die die zuständige barassociation
aufstellt) betreut werden. Der Verletzte könnte die anfallenden Gebühren,
so er sie tragen müsste, nicht an den jeweiligen Rechtsanwalt direkt,
sondern in einen speziell für Privatankläger zu bildenden Fonds 860 einzahlen,
woraus der Rechtsanwalt pauschal eine Vergütung erhalten könnte. Im Prozess
selbst sollte der Einfluss des Verletzten aus verfassungsrechtlichen Gründen so
gering wie möglich gehalten werden.
4. Eigene Einschätzung und Prognose
Das amerikanische Strafverfahrensrecht soll seit Jahrzehnten reformiert werden.
861
Vielleicht gelingt es im Zuge einer umfassenden Reformierung, die wichtige
Kontrolle für Anklageentscheidungen der Staatsanwaltschaft einzubauen und
gleichzeitig die Rechte von Verletzten zu verbessern. 862 Dabei ist es schwierig
zu sagen, welche Reformintention, ob nun ein verbesserter Schutz des Verletzten
oder eine Kontrolle der Anklagebehörde, letztendlich zu Änderungen führen
mag. Wie viel Umsetzungskraft von der Opferschutzbewegung noch ausgehen
wird, ist fraglich. Noch halten führende Organisationen am Schlagwort Opfer-
859 Langbein, S. 104 .
860 So auch schon comment, 65 Yale L. J. 209, 233. Hier wird die Übernahme der Kosten des
Gerichtes und des privaten Anklägers durch einen sog. „county-fund“ gefordert, wobei im Falle
der böswilligen Strafverfolgung der Richter festsetzen könnte, dass diese und die Anwaltskosten
des Beschuldigten dem Antragsteller auferlegt werden.
861 Es finden sich mittlerweile mehrere aktualisierte „model codes for criminal procedure“, eine
jeweils aktuelle Übersicht gibt es z.B. bei http://wings. buffalo.edu/law/bclc/resource.htm.
862 Bei den Reformüberlegungen steht häufiger das Bedürfnis nach einer Begrenzung des
staatsanwaltlichen Ermessens im Vordergrund, wobei die daraus resultierende Verbesserung der
Opferrechte gern in Kauf genommen wird, so z.B. Davis, S. 74.

150
schutz fest, wobei es durchaus Stimmen gibt, die den Zenith der Bewegung als
überschritten ansehen. 863
Das hier behandelte Thema hat im amerikanischen Rechte durch das Zusammenfließen
zweier großer Strömungen (das Bemühen um eine Kontrolle der
Staatsanwaltschaft einerseits, Verbesserung der Opferrechte in diesem Punkt
andererseits) in den letzten Jahren allerdings besondere Bedeutung erhalten:
wann, wenn nicht jetzt, wo doch von beiden Seiten Anstöße kommen, sollten
Änderungen durchsetzbar sein? Die Möglichkeit einer systeminternen Überwachung
des Staatsanwalts durch den Verletzten ist zumindest erkannt worden.
Sollte eine Veränderung erfolgen, so zielt der derzeit eingeschlagene Weg mehr
in Richtung der Einführung einer Art Klageerzwingungsverfahren und somit
einer gerichtlichen Überprüfung der staatsanwaltlichen Ermessensentscheidung.
Obige Darstellung hat gezeigt, dass ein Klageerzwingungsverfahren nach deutschem
Vorbild, immer vorausgesetzt, es werden für den Staatsanwalt verbindliche
Ermessensrichtlinien geschaffen, weder am Gesichtspunkt der Gewaltenteilung
noch dem des Beschuldigtenschutzes zwingend scheitern muss. Der Gesetzgeber
könnte somit tätig werden, wenn er will. Die staatsanwaltliche Ermessensentscheidung
mit zu beachtenden Richtlinien zu versehen und richterlich
überprüfbar zu gestalten, hieße jedoch, sich von der Opportunität im weiteren
Sinne, die derzeit bei der amerikanischen staatsanwaltlichen Anklageentscheidung
vorherrscht, zu verabschieden und den Weg hin zur gebundenen Rechtsanwendung
bis zum Extremfall der Anklagepflicht bei hinreichendem Tatverdacht,
wie es bei der Wisconsin-Regelung 864 der Fall ist, und somit dem Legalitätsprinzip,
einzuschlagen. Inwiefern die in der Praxis extensiv genutzten amerikanischen
Möglichkeiten zur außergerichtlichen Verfahrenserledigung (plea
bargaining) hier Platz finden, wäre dann eine gesondert zu regelnde Frage;
ebenso wie die „Schleusenfunktion“ des amerikanischen Staatsanwalts, dessen
Aufgabe oft gerade darin gesehen wird, passende Fälle zur Anklage auszusondern,
bewahrt werden muss bzw. reformiert werden kann. 865
Inwieweit sich in den USA ein solches neues System durchsetzen können wird,
wird letztlich auch von verfahrensökonomischen Gesichtspunkten abhängen 866 ,
da das Ziel der Entlastung der Rechtpflegeorgane im Wege des Opportunitätsprinzips
durch ein derartiges Vorgehen konterkariert wird. 867 Das Argument der
863 So sinngemäß wohl Schünemann / Dubber, 37 f. die meinen, selbst die Kette symbolischer
Reformen könnte zu Ende gehen.
864 Vgl. oben C.III.2.
865 Weigend in Jescheck, S. 611 f. Bei dieser Aufgabe unterliegt er schon seiner Grundkonzep-
tion nach nicht dem Legalitätsprinzip.
866 Bzw. „was man in einen Gewinn an Rechtsstaatlichkeit zu investieren bereit ist“, so Erb, S.
207.
867 Vgl. Erb, S. 206 f.; vollkommen zutreffend: „Es liegt auf der Hand, daß die für eine fundierte
Ermessensentscheidung erforderlich sorgfältige Erfassung des Sachverhaltes, die Überlegung,
wie der Fall unter Berücksichtigung allgemeiner Richtlinien einerseits und eventueller individueller
Besonderheiten andererseits zu behandeln ist, sowie die nachvollziehbare und aussagekräftige

151
begrenzten Ressourcen der Strafverfolgungsorgane rechtfertigt die beiderseits
des Atlantiks bestehenden Opportunitätsvorschriften. Allerdings dürfen justizökonomische
Gesichtspunkte im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit nicht der
alleinige Maßstab sein und völlig die Oberhand gewinnen. Hier muss sich zeigen,
ob die Verbesserungen auch hinsichtlich einer gleichmäßigeren Strafverfolgung
es dem System wert sind, die Kosten hierfür zu tragen. Sicherlich wird
in beiden Systemen nie eine Maximalforderung verwirklicht werden können,
entscheidend ist, eine Balance zwischen den Interessen des Beschuldigten, des
Verletzten und letztlich auch den Kapazitäten des Systems zu finden.
Ein Wiedererstarken der Privatklage ist nach der obigen Darstellung wenig
wahrscheinlich; die rein staatliche Strafverfolgung befindet sich in beiden Ländern
unaufhaltsam auf dem Vormarsch; das amerikanische System hat sich insoweit
deutlich von seinen Wurzeln entfernt.
Im amerikanischen Strafprozessrecht sind nach der Vorstellung des deutschen
Juristen Privatklage und Nebenklage thematisch untrennbar ineinander verwoben.
Ansatzpunkt und Untersuchungsgegenstand der Arbeit waren vorliegend
aber ausschließlich die Rechte des Verletzten gegen die negative Anklageentscheidung,
die auch als Kontrolle der staatsanwaltschaftlichen Anklageentscheidung
dienen. Hierdurch ist für die USA keine Ausweitung von Opferrechten zu
Lasten des Beschuldigten zu befürchten. 868 Ein etwas anderes Bild könnte sich
bei einer Beteiligung des Verletzten im Verfahren selbst, z.B. als Nebenkläger,
entsprechend dem deutschen Vorbild ergeben: hier haben sich im Zuge des gewandelten
Strafprozesses hin zum alleinigen staatlichen Strafanspruch nicht zu
vernachlässigende Einwände ergeben. Gerade im amerikanischen Verfahren 869
mit seiner adversatorischen Ausrichtung begegnet eine zu starke Einmischung
des Opfers in das Verfahren selbst nachvollziehbaren Vorbehalten. Dies im Einzelnen
zu überprüfen wäre jedoch ein gesondertes Thema.
Schließlich soll ein abschließendes Wort dem deutschen System gelten: Wie
obige Ausführungen gezeigt haben, dient die deutsche Rechtslage vielen amerikanischen
Autoren als Vorbild für eine Reformierung des eigenen Systems. Allerdings
ist in dieser Darstellung auch angeklungen, dass das „celebrated Legalitätsprinzip“
870 in Deutschland immer mehr abgebaut wird und wir uns insofern
mehr und mehr dem amerikanischen System annähern. Dies äußert sich nicht
Begründung der so getroffenen Entscheidung ein ungleich höheres Maß an Arbeitskraft beansprucht,
als eine ´über den Daumen gepeilte´ und nicht oder nur formelhaft begründete Opportunitätsentscheidung“.
868 In diesem Sinne wohl auch Schünemann, NStZ 1986, 193, 200, der sich kritisch vor allem
hinsichtlich der Erweiterung der Offensiv- und Informationsrechte äußert, dann aber Enttäuschung
über die „fehlende Bereitschaft der Regierung, die Stellung des Verletzten auch einmal auf Kosten
des staatlichen Verfolgungsanspruchs anstatt des Beschuldigten zu verbessern“ äußert.
869 Aber nicht nur dort, vgl. die Arbeit von Jäger, S. 1 ff.
870 Langbein, S. 90 ff.

152
nur in einer immer extensiveren Anwendung der Opportunitätsvorschriften,
sondern z.B. auch in einer deutlichen Zunahme von Absprachen im Strafprozess
871 , wie sie in den USA seit langem auf der Tagesordnung stehen. In Amerika
haben diese Möglichkeiten zu einer übergroßen Machtfülle der Staatsanwälte
geführt; nun wird versucht, hiergegen anzusteuern. Für das deutsche System
sollte vor diesem Hintergrund ebenso gewarnt werden, Elemente eines gänzlich
anderen Systems ohne weiteres in die eigene Rechtsordnung und Rechtspraxis
integrieren zu wollen. Vielleicht ist es an der Zeit, zu überlegen, ob wir die Verhältnisse
und Probleme, wie wir sie im amerikanischen Rechtsraum vorfinden,
wirklich übernehmen wollen, oder ob wir nicht lieber ein bewährtes System, das
sicherlich nicht perfekt ist, aber um das andere uns beneiden, nicht leichtfertig
aufgeben und bewahren wollen.
871 Demgegenüber sprach Langbein 1979 noch von Deutschland als: „Land without plea bargaining:
How the Germans do it“, 78 Mich. L. Rev. 204.

Rechtswissenschaften
Herausgegeben von
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Dr. Küffner & Partner, Landshut, München
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des deutschen und griechischen Rechts
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Anklageentscheidung des Staatsanwaltes in den USA · Rechtslage und
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Aktiengesellschaft: weisungsgebundene Werkzeuge des öffentlichen Gesellschafters?
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kreisfreien Städte im Spannungsverhältnis zwischen Rechtsverordnung und
Allgemeinverfügung
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Band 40: Kerstin Wetzel: Die EG-Richtlinie zu Massenentlassungen RL 98/59/EG und ihre
Umsetzung im französischen Recht
2004 · 200 Seiten
Band 39: Patrick Bühring: Demonstrationsfreiheit für Rechtsextremisten? ·
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Band 37: Friederike Knaupp: Der Einkommensteuertarif als Ausdruck der Steuergerechtigkeit
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Band 36: Sabine Leube: Die Rolle des Staates im Internet · Eine Untersuchung der Möglichkeit,
Zulässigkeit und Notwendigkeit staatlicher Regulierung
2004 · 347 Seiten
Band 35: Natascha Hühnerbein: Rechtsvergleichende Untersuchung der Miterfinderschaft
2004 · 261 Seiten
Band 34: Christine von Schildt-Lutzenburger: Der urheberrechtliche Schutz von Gebäuden
2004 · 236 Seiten
Band 33: Ursula Schweßinger: Der Einfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention auf den
zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz in Deutschland, Frankreich und England
2004 · 445 Seiten
Band 32: Kilian Friemel: Die Betriebsvereinbarung über Arbeitnehmererfindungen und technische
Verbesserungsvorschläge
2004 · 260 Seiten
Band 31: Michael Luber: Der mehrseitige Austauschvertrag · Eine materiellrechtliche und
zivilprozessuale Untersuchung
2003 · 265 Seiten
Band 30: Dagmar Güttler: Die Rangfolgeregelungen für die Einspeisung von Fernsehprogrammen
in analoge Kabelanlagen und ihre Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit
2003 · 268 Seiten
Band 29: Christoph Parchmann: Pluralistische Wirklichkeit und Verwaltungsrecht ·
Das Beispiel der baurechtlichen Verunstaltungsvorschriften
2003 · 196 Seiten
Band 27: Andreas Erler: Die private Nutzung neuer Medien am Arbeitsplatz
2003 · 300 Seiten
Band 26: Dagobert Nitzsche: Ausgewählte rechtliche und praktische Probleme der gewerblichen
Prozesskostenfinanzierung unter besonderer Berücksichtigung des Insolvenzrechts
2003 · 217 Seiten
Erhältlich im Buchhandel oder direkt beim Verlag:
Herbert Utz Verlag GmbH, München
089-277791-00 · info@utz.de
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