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Florian Steger und Thomas Cronen Max Mohr (1891-1937) - Bruno ...

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<strong>Florian</strong> <strong>Steger</strong> <strong>und</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Cronen</strong><br />

<strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> (<strong>1891</strong>-<strong>1937</strong>) - <strong>Bruno</strong> Frank (1887-1945)<br />

Kostproben einesBriifwechse!s<br />

Einführung<br />

<strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> (<strong>1891</strong>-<strong>1937</strong>) war ein erfolgreicher Schriftsteller seiner Zeit - <strong>und</strong> das,<br />

obgleich er eigentlich Arzt war - <strong>und</strong> - was noch wesentlich beachtenswerter ist -,<br />

obwohl er sich als Jude in einem zunehmend judenfeindlichen Umfeld zu behaup-<br />

ten hatte.' <strong>1937</strong> starb <strong>Mohr</strong> im Exil in Shanghai, einer Zufluchtstätte vieler jüdi-<br />

scher Ärzte während des Nationalsozialismus? Derzeit ist <strong>Mohr</strong> im Rahmen einer<br />

wichtigen Ausstellung ein Erinnerungsort gestiftet. Es handelt sich dabei um die<br />

momentan in den Räumen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) prä-<br />

sentierte Ausstellung "Approbationsentzug 1938". Anlass dieser Ausstellung ist der<br />

70. Jahrestag des Entzugs der Approbationen aller jüdischer Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte.'<br />

Vgl. zur Einführung: <strong>Florian</strong> <strong>Steger</strong> <strong>und</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Cronen</strong>: "Seelig, wer nichts erwartet von<br />

Deutschland." Der vergessene Arzt <strong>und</strong> Literat <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> (<strong>1891</strong>-<strong>1937</strong>). In: Literatur in Bay-<br />

ern 22/23 (2007), S. 39-43. <strong>Thomas</strong> <strong>Cronen</strong> arbeitet seit einiger Zeit an einer Dissertation, in<br />

der er die Rezeption des Werks von <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> unter der dreigefachorten Perspektive Jude,<br />

Arzt <strong>und</strong> Schriftsteller untersucht. Die Arbeit wird von <strong>Florian</strong> <strong>Steger</strong> betreut. Zur Einord-<br />

nung von <strong>Mohr</strong>s Werk in die literarische Modeme vgl. Barbara Pittner: <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> <strong>und</strong> die li-<br />

terarische Modeme. Aachen 1998. Ein weiteres Desiderat der Forschung ist eine wissen-<br />

schaftlich verlässliche Biographie: Bei der Arbeit von Carl-Ludwig Reicher!: .Lieber keinen Kom-<br />

paß, als einen[alscben": Würzbu'l. - Wolfsgrub - Shanghai. Der Schriftsteller <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> (<strong>1891</strong> bis<br />

<strong>1937</strong>) (monAkzente, 5). München 1997 handelt es sich um einen engagierten journalistischen<br />

Versuch, nicht aber um eine wissenschaftliche Näherung.<br />

Vgl. Paul U. Unschuld: Shanghai als Zufluchtstätte deutscher Ärzte in der Zeit des<br />

Nationalsozialismus. Teil II: Erinnerungen an <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong>. In: ChinaMed. Zeitschrift für Me-<br />

dizin, Politik, Wirtschaft <strong>und</strong> Kultur 4 (1996), S. 50-52.<br />

Hintergr<strong>und</strong> des Approbationsentzugs war die am 25.7.1938 in Ergänzung zu den Nürnber-<br />

ger Rassengesetzen erlassene "Vierte Verordnung zum Reichsbürgergesetz", in deren Folge<br />

die Approbation jüdischer Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte zum 30.9.1938 entzogen wurde; am<br />

31.1.1939 kam es zu einer Erweiterung der Verordnung auf die jüdischen Zahnärzte, Tier-<br />

ärzte <strong>und</strong> Apotheker. Dem Approbationsentzug wiederum war das Verbot gegangen, dass jü-<br />

JLM 2 (2008), S. 219-227


220<br />

<strong>Florian</strong> <strong>Steger</strong> <strong>und</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Cronen</strong><br />

<strong>Mohr</strong> hatte seit 1920 großen Erfolg als Schriftsteller, seine Theaterstücke waren auf<br />

den wichtigen Bühnen (Bochum, Frankfurt, Hamburg, Karlsruhe, Köln, Mainz,<br />

München, Stuttgart) präsent, er reiste viel <strong>und</strong> genoss hohes Ansehen als Schrift-<br />

steller. Dies hatte zur Konsequenz, dass er seine ärztliche Praxis in der Wolfsgrub<br />

bei Rottach-Egern am Tegernsee vernachlässigte wie auch seine Familie. Erst als<br />

<strong>Mohr</strong> 1934/35 unter zunehmenden politischen Druck nach Shanghai emigrierte,<br />

war er wieder verstärkt um seine ärztliche Praxis bemüht - dies aber wohl vor allem<br />

aus Gründen der existentiellen Sicherung. Seine Familie blieb am Tegernsee.<br />

Korrespondenzpartner<br />

<strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> hatte zahlreiche Korrespondenzpartner. Unter diesen befanden sich<br />

durchaus bekannte Schriftsteller <strong>und</strong> Schauspieler wie zum Beispiel D.H. Lawrence,<br />

Heinrich George, <strong>Bruno</strong> Frank, Paul Wegener u.a. In der unten stehenden Über-<br />

sicht sind jene Korrespondenzen <strong>Mohr</strong>s verzeichnet, die in seinem Nachlass in der<br />

Monacensia. Literaturarchiv <strong>und</strong> Bibliothek erhalten sind (Nachlass <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong><br />

(113). Briefe 1-23 <strong>und</strong> Dokumente 1_7).4<br />

disehe Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte bereits 1933 keine kassenärztliche Versorgung mehr leisten<br />

durften. So minimierte sich die Zahl der im "Deutschen Reich" im Jahr 1933 noch 9000 täti-<br />

gen jüdischen Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte auf 3152 im Jahr 1938. Ihnen wurde mit der Approbation<br />

auch die existenzielle Gr<strong>und</strong>lage genommen, von den verbliebenen 3152 jüdischen Ärztinnen<br />

<strong>und</strong> Ärzten erhielten gerade einmal 709 eine Genehmigung als "Krankenbehandler" die ei-<br />

gene Familie <strong>und</strong> jüdische Patientinnen <strong>und</strong> Patienten zu behandeln. Der Ausstellung sind<br />

zwei wichtige Veröffentlichungen vorausgegangen: Renate Jäckle: Schicksale jüdischer <strong>und</strong><br />

,staatsfeindlicher' Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte nach 1933 in München. München 1988 <strong>und</strong> die<br />

Dokumentation der Bayerischen Landesärztekammer Axel Drexoll, Jan Schleusener, Tobias<br />

Winstel: Nationalsozialistische Verfolgung der jüdischen Ärzte in Bayern. München 1998.<br />

Darüber hinaus steht zu erwarten, dass im Nachlass von Heinrich George ein Teil des Brief-<br />

wechsels zwischen <strong>Mohr</strong> <strong>und</strong> George erhalten ist. Ein Briefwechsel zwischen <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> <strong>und</strong><br />

seiner Frau Käthe ist ebenfalls überliefert; er befindet sich im Privatbesitz. VgL zum Beispiel<br />

"Shanghai - Wolfsgrub via Siberia. Briefe <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong>s an Käthe <strong>Mohr</strong> 1934-<strong>1937</strong>", veröffent-<br />

licht in <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong>: Das Einhorn. Romanfragment. Mit Briefen <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong>s aus Shanghai,<br />

1934-<strong>1937</strong>. Herausgegeben <strong>und</strong> mit einem Nachwort von Nicolas Humbert. Bonn 1997, S.<br />

133-178. Schließlich korrespondierte <strong>Mohr</strong> mit <strong>Thomas</strong> Mann; diese Korrespondenz ist zum<br />

Teil ediert (S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M.), zum Teil sollte sich diese im Themas-Mann<br />

Archiv, Zürich befinden.


<strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> <strong>und</strong> <strong>Bruno</strong> Frank 221<br />

Korrespondenzpartner Art <strong>und</strong> Datum überlieferte Form<br />

Auswärtiges Amt Brief (22.9.1934). Typoskript<br />

Burgtheater Wien Brief (29.1.1926) Typoskript<br />

Frank, <strong>Bruno</strong> Brief (5.6.1931) Manuskripte<br />

Brief-Karte (8.6.1931)<br />

Karte (9.6.1931)<br />

Brief-Karte (10.7.1931)<br />

Fuhrmann, Ernst Brief mit Beilage (terminus Typoskript<br />

ante quem: 1927/78)<br />

Georg Müller Verlag, Mün- Briefdurchschrift (9.9.1933) Typoskript<br />

chen<br />

George, ffelluich Brief (<strong>und</strong>atiert) Manuskript<br />

Graf, Oskar Maria Brief (27.8.1931) Typoskript<br />

Heath & Company 2 Briefe (8.5.1935, 21.6.1935) Typoskripte<br />

Hirschfeld, Georg Brief (22.12.1929) Manuskript<br />

Iltz, Walter-<strong>Bruno</strong> Telegramm (13.9.1922) Manuskripte<br />

3 Briefe (16.9.1922, 20.9.1922<br />

<strong>und</strong> 26.9.1922)<br />

Jaffe-Richthofen, Else 3 Briefe (5.3.1930, 4.10.1930, Manuskripte<br />

22.1.1931)<br />

Kehm, Albert Telegramm (4.9.1922) Manuskript<br />

Krecke, Albert Brief (26.12.1929) Typoskript<br />

Leitgeb, J osef 7 Briefe (24.12.1933, Manuskripte<br />

14.1.1934,28.1.1934,<br />

23.2.1934, 2.5.1934, "Pfingstdienstag"<br />

1934 <strong>und</strong> 25.8.1934)<br />

Lawrence, D.ff. mehr als 40 Briefe (1927- Manuskripte<br />

1930) Typoskripte<br />

Lawrence, Frieda 3 Briefe (13.7.1931, 1.1.1933, Manuskripte<br />

13.9.1933)<br />

2 Briefe (teildatiert: 1.2.?,<br />

6.3.?)<br />

10 weitere Briefe (<strong>und</strong>atiert)<br />

Lernet-Holenia, Alexander 2 Briefe (<strong>und</strong>atiert) Manuskript<br />

Meinhard, Carl 2 Briefe (25.12.1929 <strong>und</strong> Manuskript <strong>und</strong> Typoskript<br />

7.1.1930) Manuskript<br />

Foto-Karte (20.6.1931)<br />

Roh, Franz Brief (<strong>und</strong>atiert) Typoskript<br />

Schauspielhaus Hamburg Telegramm (28.9.1922) Manuskript<br />

Theater [osefstadt, Wien Brief (<strong>und</strong>atiert) Typoskript<br />

Thompson, Dorothy Brief (12.1.1926) Typoskript<br />

Wegener, Paul 9 Briefe (6.1.1926, 21.2.1926, Typoskripte<br />

10.4.1926,9.3.1927,16.6.1927,<br />

20.6.1927,25.6.1927,6.9.1927,<br />

28.9.1927)<br />

Ziegel, Carl Brief (22.6.1926) Manuskript<br />

Zuckmayer, Carl Karte (8.6.1931) Manuskript


222<br />

<strong>Florian</strong> <strong>Steger</strong> <strong>und</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Cronen</strong><br />

Die Fre<strong>und</strong>schaft von LadiZ (München, 1931) <strong>und</strong> <strong>Mohr</strong>s Korrespondenz mit <strong>Bruno</strong><br />

Frank<br />

<strong>Mohr</strong> hatte mit seinen Theaterstücken großen Erfolg. Er konnte mit seinen auf der<br />

Bühne inszenierten Stücken die Zuschauer(innen) für sich begeistern. So sind für<br />

<strong>Mohr</strong>s Komödie Improvisationen im Juni (Komödie in drei Akten. München: Georg<br />

Müller 1922) über 50 Aufführungen allein am Münchner Residenztheater (Urauf-<br />

führung: Residenztheater München, 25.3.1922) nachzuweisen. Für ein Hörspiel<br />

wurden Improvisationen im Juni von C. Lewis <strong>und</strong> S. Behn ins Englische übersetzt<br />

(Ursendung: Londoner R<strong>und</strong>funk, 7.3.1928). An dieser Stelle kann die Frage, welches<br />

Verhältnis <strong>Mohr</strong> zu den anderen Künstlern seiner Zeit hatte, aufgenommen<br />

werden. Er hatte sehr gute Beziehungen zu seinen Kolleg(inn)en <strong>und</strong> war ein<br />

durchaus geschätzter Literat. So schreibt Oskar Maria Graf (1894-1967) an <strong>Max</strong><br />

<strong>Mohr</strong> am 27.8.1931 Bezug nehmend auf seine Improvisationen <strong>und</strong> übersendet ihm<br />

seinen neuesten Roman in der Hoffnung, dass <strong>Mohr</strong> Verständnis für diesen habe: 5<br />

Oskar Maria Graf<br />

München 23<br />

Hohenzollernstr. 23/III<br />

Herrn Dr. <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong><br />

Rottach Nr. 151 am Tegernsee<br />

Sehr verehrter Herr Doktor <strong>Mohr</strong>!<br />

München, den 27. August 1931<br />

Sie werden sich sicher w<strong>und</strong>ern, so ganz unvermittelt von einem Menschen, den sie weder<br />

persönlich noch literarisch kennen, einen Brief zu erhalten. Ich glaube aber immerhin,<br />

dass Sie als Verfasser der w<strong>und</strong>erbar leichten "Improvisationen im Juni" für den beige-<br />

legten Roman [Bollwieser, F.St. u. Th.C] von mir, welcher in der Septembermitte im Drei<br />

Masken Verlag erscheint, Interesse haben. Ich kann eigentlich gar keinen weiteren Gr<strong>und</strong><br />

Der Brief ist dem Nachlass entnommen, der sich in der Monacensia. Literaturarchiv <strong>und</strong><br />

Bibliothek befindet: NacW. <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> (113), Briefe 1-23, B 4: Graf. Oskar Maria, 1 Brief.<br />

(Typoskript). Das Gegenstück von <strong>Mohr</strong> kann nicht präsentiert werden. Auf editorische Be-<br />

merkungen wird verzichtet.


<strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> <strong>und</strong> <strong>Bruno</strong> Frank 223<br />

angeben, warum ich gerade bei Ihnen Verständnis für mein neues Buch erhoffe, aber seit<br />

jenen Improvisationen habe ich sozusagen Ihrem Schaffen <strong>und</strong> Ihrer Persönlichkeit von<br />

weitem zugesehen <strong>und</strong> empfand eine stille, aufrichtige Sympathie, obgleich ich nie wieder<br />

dazukam, ein weiteres Buch von Ihnen zu lesen. Ich sah nur das Theaterstück <strong>und</strong> - war<br />

zufrieden damit, dass einer in unserem schrecklich schönen, muffigen Bayern lebt, der<br />

langsam <strong>und</strong> fast lautlos gegen unsere Finsternis ankämpft.<br />

Deshalb, sehen Sie, verehrter Herr Doktor <strong>Mohr</strong>, sende ich Ihnen meinen Roman (den<br />

Sie selbstverständlich später als fertiges Buch erhalten) <strong>und</strong> würde mich sehr, sehr freuen,<br />

wenn Sie mir auf irgendeine Weise Ihre Meinung darüber wissen lassen wollten.<br />

In grösster Wertschätzung<br />

Ihr sehr ergebener<br />

Oskar M. Graf.<br />

Seinen erfolgreichen Theaterstücken gegenüber stehen <strong>Mohr</strong>s Romane, die sich<br />

Zeit seines Lebens nur schwer durchsetzen konnten. Wenn er auch die Leser-<br />

(innen) mit seinen Romanen weniger erreichen konnte, waren doch <strong>Mohr</strong>s litera-<br />

rische Kolleg(inn)en von diesen umso mehr angetan. Gerade von dieser Wert-<br />

schätzung legt die erhaltene Korrespondenz beredtes Zeugnis ab:<br />

So konnte <strong>Mohr</strong> 1931 seinen vierten Roman Die Fre<strong>und</strong>schaft von LadiZ in Mün-<br />

chen bei Georg Müller verlegen." <strong>Mohr</strong> schrieb in seinem neuen Roman die<br />

Fre<strong>und</strong>schaft zu D.H. Lawrence (1885-1930) fest,' wovon nicht zuletzt die dem<br />

Roman vorangestellte Widmung an Lawrence zeugt. Es geht in Die Fre<strong>und</strong>schqft von<br />

LadiZ um eine tiefe Männerfre<strong>und</strong>schaft, wie <strong>Mohr</strong> eine solche mit Lawrence ver-<br />

band. Zum Inhalt: Xaver Ragaz, Alpinist <strong>und</strong> Geologe, hat sich von der Zivilisation<br />

abgewandt in einem Dorf im Karwendelgebirge niedergelassen. Hier trifft er Philip<br />

Glenn, einen berühmten Maler. Beide sind müde von der Zivilisation <strong>und</strong>, wenn sie<br />

anfangs auch gegensätzlich scheinen, verbindet sie doch sogleich die negative Sicht<br />

auf Zeit <strong>und</strong> Zivilisation. Die beiden Männer rücken noch mehr zusammen, als<br />

Die Fre<strong>und</strong>schaft von LadiZ' Roman. München: Albert Langen, Georg Müller 1931 ist zuerst<br />

1931 in der "Kölnische[n] Zeitung" als Fortsetzungsroman erschienen. 1932 erscheint in Ber-<br />

!in bei der "Deutsche[n] Buchgemeinschaft" eine vom Autor durchgesehene Neuausgabe. Im<br />

selben Jahr kann in London eine englische Übersetzung unter dem Titel Philip Glenn bei<br />

Sidgwick & Jackson veröffentlicht werden.<br />

Vgl. <strong>Florian</strong> <strong>Steger</strong>: <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> (<strong>1891</strong>-<strong>1937</strong>) <strong>und</strong> D.H. Lawrence (1885-1930). Kostproben<br />

eines Briefwechsels. In: Jahrbuch Literatur <strong>und</strong> Medizin 1 (2007), S. 223-229.


224<br />

<strong>Florian</strong> <strong>Steger</strong> <strong>und</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Cronen</strong><br />

Glenn seine große Liebe bei einem Skiunfall verliert. Als Ausdruck ihrer tiefen<br />

Fre<strong>und</strong>schaft meistern Ragaz <strong>und</strong> Glenn eine schwierige Bergtour über die Ladizer<br />

Nordwand des Karwendelgebirges. Scheinbar im Hintergr<strong>und</strong> wirkt Ragaz' Ehefrau,<br />

die ihn in seiner Abkehr von der Zivilisation unterstützt <strong>und</strong> zugleich die<br />

Familie zusammenhält. Man fühlt sich bei Ragaz' Ehefrau an <strong>Mohr</strong>s F_rauKathe<br />

erinnert <strong>und</strong> bei den beiden Männern, bis hinein in einzelne Charakteristika der<br />

Personen, an die Fre<strong>und</strong>schaft zwischen <strong>Mohr</strong> <strong>und</strong> Lawrence.<br />

<strong>Mohr</strong>s neuer Roman fand in der Presse geteiltes Echo; er musste sich auch den<br />

Vorwurf des ,,Antifeminismus" anhören. Doch der Schriftsteller-Kollege <strong>Bruno</strong><br />

Frank (1887-1945), der am Tag nach dem Reichstagsbrand emigrierte," war - neben<br />

Georg Hirschfeld <strong>und</strong> Heinrich George u.v.a. - begeistert von <strong>Mohr</strong>s neuem Ro-<br />

man <strong>und</strong> schrieb an <strong>Mohr</strong>. Unter anderem wollte sich Frank dafür einsetzen, dass<br />

<strong>Mohr</strong>s neuer Roman kräftig beworben wird. Nicht zuletzt hatte Frank bei diesen<br />

Werbemaßnahmen, die für <strong>Mohr</strong> existentielle Bedeutung hatten, auch <strong>Thomas</strong><br />

Mann eingeplant, mit dem Frank 9 <strong>und</strong> dann auch <strong>Mohr</strong> ein gutes Verhältnis unter-<br />

hielt; vielleicht kann man sogar sagen, dass Frank für <strong>Mohr</strong> die Bekanntschaft zu<br />

<strong>Thomas</strong> Mann bahnte. Mann schätzt das Werk <strong>Mohr</strong>s zunehmend <strong>und</strong> schrieb<br />

immer wieder wertschätzende Briefe an ihn.<br />

Aus der erhaltenen Korrespondenz werden folgende vier Briefe bzw. (Brief)-Kar-<br />

ten von <strong>Bruno</strong> Frank an <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> vorgestellt."<br />

VgL zum Kontext von <strong>Bruno</strong> Frank: Elke Nyssen: Geschichtsbewusstsein <strong>und</strong> Emigration.<br />

Der historische Roman der deutschen Antifaschisten 1933-1945. München 1974.<br />

Beredtes Zeugnis hiervon legt der Nachruf Manns auf Frank ab: "<strong>Bruno</strong> Frank ist tot, ein<br />

lieber, guter <strong>und</strong> um das Gute tief ernstlich bemühter Mensch (... ) dass ich [<strong>Thomas</strong> Mann,<br />

F.St.] ihn ehrte, dass ich ihn <strong>und</strong> seinen heiteren, klugen, zuverlässigen, fre<strong>und</strong>lichen Beistand<br />

vermissen werde (... ) Ich habe damals von seinem Werk, soweit es vorlag, seiner schlichten,<br />

feinfühligen Verskunst, seiner lauteren <strong>und</strong> gesittungsvollen Prosa, der ,Fürstin', dem ,Trenck'<br />

gesprochen." <strong>Thomas</strong> Mann: In Memoriam <strong>Bruno</strong> Frank. In: <strong>Thomas</strong> Mann: Rede <strong>und</strong> Ant-<br />

wort. Über eigene Werke; Huldigungen <strong>und</strong> Kränze: Über Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Weggefahrten <strong>und</strong><br />

Zeitgenossen. In: <strong>Thomas</strong> Mann: Gesammelte Werke in Einzelbänden. Hg. von Peter de<br />

Mendelssohn. Berlin 1922, S. 392-395.<br />

10 Monacensia. Literaturarchiv <strong>und</strong> Bibliothek. Nachlass <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> (113), Briefe 1-23, B 1:<br />

Frank, <strong>Bruno</strong>, 1 Brief, 2 Brief-Karten, 1 Karte. (Manuskripte)<br />

Die Gegenstücke sind derzeit nicht präsentierbar. Auf editorische Anmerkungen wird hier<br />

verzichtet.


1. Brief vom 5.6.1931:<br />

Dr. <strong>Bruno</strong> Frank<br />

MÜNCHEN<br />

MAUERKIRCHERSTRASSE 43<br />

5. Juni 1931<br />

Lieber Herr <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong>,<br />

<strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> <strong>und</strong> <strong>Bruno</strong> Frank 225<br />

dies ist eine gute St<strong>und</strong>e für mich, denn es gibt nichts Besseres, als zu einem Kunstwerk,<br />

<strong>und</strong> zumal wenn es ein Fre<strong>und</strong> gearbeitet hat, aus vollem Herzen ja zu sagen. Zu gratulie-<br />

ren. Sie haben da etwas Herrliches gemacht.<br />

Das Buch ist ein grosser innerer Sieg. Aus einer schmerzhaften, allgemeinen ,Malaise',<br />

einem qualvollen Unbehagen <strong>und</strong> Ungenügen an den Zuständen dieses prächtigen Welt-<br />

alters stossen Sie durch zu einem herrischen Ja, einer trotzigen Lebensform ,jenseits der<br />

Erkenntnis', ja sogar, man darf das ruhig <strong>und</strong> nüchtern so nennen, zu einem Lebensre-<br />

zept. Ich bin ganz sicher, dass dieser Anti-Morgen <strong>und</strong> Anti-Bachofen eine geistesge-<br />

schichtliche Stelle behalten wird.<br />

Aber simplen Gemüts, wie ich nun einmal bin, ist nicht das mir die Hauptsache. Die<br />

Hauptsache ist für mich die prächtige Summe an gestaltetem Leben. Ich habe Ihr Buch<br />

genossen, lieber <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong>, genossen wie lang keines. Da lebt <strong>und</strong> funkelt alles; man ist<br />

bereichert durch eine Fülle herrlicher Bekanntschaften. Abgesehen von allem, was Sie<br />

damit wollen, liebt man die zwei Männer mit hoher Freude. Ich weiss gar keinen deut-<br />

schen Autor, der so was könnte, <strong>und</strong> bei den Engländern muss ich bis auf Kipling zu-<br />

rückgehen (<strong>und</strong> das ist von mir aus ein schwärmerisches Lob - Sie wissen nicht, was für<br />

eins!). Und um die Beiden blüht es nur so.<br />

Das Kind! Die Knechte! Die Leute um den Fergus! Und die Frauen selber! In deren<br />

Gestaltung offenbart sich eine liebende Gerechtigkeit, die gerade in diesem Buch er-<br />

schüttert <strong>und</strong> beglückt. Dazu die grossartige Gegenständlichkeit der Umwelt, die grim-<br />

mige Gescheitheit im Socialen. Und - beatissima avis in hoc saeculo - diese Entladungen,<br />

diese Sommer-Gewitter eines wahren <strong>und</strong> neuen Humors. Das ist etwas! Das Buch wird<br />

nicht absterben mit ein paar Jahren; die Leute werden lange in seiner Welt umhergehen-<br />

ich einmal ganz gewiss.<br />

Seien Sie auch gewiss, dass dieser Brief hier den Enthusiasmus nicht fre<strong>und</strong>schaftlich<br />

aufbläht. Sie wissen, dass ich nicht jedes Ihrer Produkte acclamiere, bloss weil ich Sie mag.<br />

Und es wäre auch eine Fälschung, wenn ich dem neuen w<strong>und</strong>erbaren Werk gegenüber<br />

meinen Einwand verschwiege. Sie kennen ihn aber im Voraus: er betrifft den olympischen


226<br />

<strong>Florian</strong> <strong>Steger</strong> <strong>und</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Cronen</strong><br />

Kommentar des Ganzen. Auch hier ist vieles amüsant geglückt, <strong>und</strong> ich glaube auch zu<br />

wissen, warum Ihnen diese deus-welt [der von uns kursivierte Begriff ist nicht eindeutig<br />

entzifferbar, F.St. u. Th.C.] so wichtig gewesen ist. Sie mag Ihnen jetzt so wichtig sein,<br />

wie sie will, objektiv notwendig war der Kommentar nicht. Ich meine immer, der ,Sinn'<br />

einer Dichtung habe immanent zu bleiben, habe aus Ihrer Gestaltungskunst heraus-<br />

zustrahlen als natürliche Licht-Frucht. Sie wissen genau, was ich meine, <strong>und</strong> Sie geben mir<br />

Unrecht. Aber eine gelegentliche Meditation, glauben Sie mir, verdient der Einwand doch.<br />

Und nun wünsche ich dem schönen, grossen, bedeutungsvollen Buch von ganzem<br />

Herzen jede Wirkung: erfreuende, befeuernde, bleibende!<br />

Wir Beide grüßen Sie <strong>und</strong> Ihre Frau tausendmal.<br />

Ihr <strong>Bruno</strong> Frank.<br />

2. Brief-Karte vom 8.6.1931:<br />

<strong>Bruno</strong> Frank<br />

8.Juni 31<br />

Lieber Doktor <strong>Mohr</strong>,<br />

schönen Dank für die lieben Zeilen! - Ich bin heute drüben bei <strong>Thomas</strong> Mann <strong>und</strong> werde<br />

ihn mit aller Intensität auf Ihr Buch stossen. Ein paar kräftige Worte von ihm wären<br />

schon gut für die Propaganda. Und ganz ohne Propaganda geht's ja nicht in diesen liebli-<br />

chen Pleite-Tagen.<br />

In Fre<strong>und</strong>schaft Ihr F.<br />

3. Karte vom 9.6.1931:<br />

Herrn Dr. <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong><br />

Löbehof/Wolfsgrub<br />

Rottach am Tegernsee<br />

Mchn. 9. Juni 31.


Lieber <strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong>,<br />

<strong>Max</strong> <strong>Mohr</strong> <strong>und</strong> <strong>Bruno</strong> Frank 227<br />

Th. M. hat die Fre<strong>und</strong>schaft von Ladiz noch gar nicht bekommen. Geben Sie doch dem<br />

Verlag einen sanften Rippenstoss!<br />

Herzliehst Ihr Frank.<br />

4. Brief-Karte vom 10.7.1931:<br />

10. Juli 31.<br />

Lieber Doktor <strong>Mohr</strong>,<br />

ich beeile mich, Ihnen Pallenbergs Adresse zu nennen: Schloss Kammer am Attersee.<br />

Oberösterreich. Schreiben Sie ihm gleich. Ich halte die Chancen für diese Spielzeit nicht<br />

für schlecht.<br />

Frau Katja Mann war in der Tat trotz meiner Hymnen zwar widerborstig gegen die<br />

,Fre<strong>und</strong>schaft'. Aber nun hat sie das Buch zu Ende gelesen <strong>und</strong> ist doch sehr positiv ge-<br />

sinnt. Er nimmt das Buch in seine Ferien an die Ostsee mit <strong>und</strong> liest es da in Ruhe. Ich<br />

sehe ihn Sonntag <strong>und</strong> blase da abermals die Tuba. Aus leidenschaftlicher Überzeugung.<br />

Denn das Buch ist ganz wichtig; <strong>und</strong> es hat wohl - leider - materielle, aber gill; keine<br />

symptomatische Bedeutung wenn das Echo auf sich warten lässt. Das Feuilleton der<br />

Frankfurter Zeitung, von zu kurz gekommenen Arschfickem [siel] gemanagt, ist ein em-<br />

pörendes Kapitel für sich.<br />

Speyer kündet Rente endlich ein Kommen für nahe Zeit an. Hoffentlich macht er's wahr!<br />

Ihr getreuer Frank.<br />

Korrespondenzadresse:<br />

PD Dr. <strong>Florian</strong> <strong>Steger</strong><br />

FAU Erlangen-Nürnberg<br />

Institut für Geschichte <strong>und</strong> Ethik der Medizin<br />

Glückstraße 10<br />

D-91054 Erlangen<br />

florian.steger@gesch.med.uni-erlangen.de<br />

<strong>Thomas</strong> <strong>Cronen</strong><br />

Franzstr. 95<br />

D-52064 Aachen<br />

thomas.cronen@rwth-aachen.de

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