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Ein historischer Überblick<br />
Die Nutzungsdauer<br />
beim weiblichen<br />
Milchrind (Teil 3)*<br />
Großtierpraxis 4:02, 5-18 (2003)<br />
von F. Klug, F. Rehbock und A. Wangler<br />
Milchleistungsmerkmale<br />
Milchmenge<br />
Ü<br />
ber die Zusammenhänge zwischen<br />
<strong>de</strong>r Milchleistung und<br />
<strong>de</strong>r Nutzungsdauer gehen die<br />
Meinungen im Laufe <strong>de</strong>r letzten Jahrzehnte<br />
stark auseinan<strong>de</strong>r. So ist Untersuchungsergebnissen<br />
<strong>de</strong>r 50er Jahre zu<br />
entnehmen, dass hohe Milchleistungen<br />
Störungen <strong>de</strong>s Gleichgewichts innersekretorischer<br />
Drüsen und damit vermin<strong>de</strong>rte<br />
Fruchtbarkeiten und eine reduzierte<br />
Langlebigkeit bedingen (Schmidt<br />
1950, Dieter 1954). Auch wird von einer<br />
Fruchtbarkeitsträgheit bzw. gewissen<br />
Formen <strong>de</strong>r Unfruchtbarkeit bei<br />
steigen<strong>de</strong>r Milchleistung berichtet<br />
(Doorme 1946, Machts 1949). Dass die<br />
Konstitution <strong>de</strong>r Kühe durch die Zucht<br />
auf hohe Leistungen „kollektiven<br />
Traumen“ ausgesetzt sei, die zu Stoffwechselstörungen<br />
und in <strong>de</strong>ren Gefolge<br />
zu vermin<strong>de</strong>rter Fruchtbarkeit (Unfruchtbarkeit)<br />
führe, wird auch von<br />
Wille (1954) gefolgert. Dabei wird vom<br />
Autor in Übereinstimmung mit Ergebnissen<br />
von Müller (1954) jedoch erwähnt,<br />
dass viele Störungen die Folge<br />
einer ungenügen<strong>de</strong>n Zuchtwahl auf<br />
Fruchtbarkeit und Konstitution sind.<br />
Unter amerikanischen Bedingungen<br />
kam Udris (1954) zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass<br />
in Her<strong>de</strong>n mit hohem Leistungsniveau<br />
eine ND von 4,0 Laktationen und bei<br />
einem mittleren Niveau von 5,2 Laktationen<br />
ermittelt wur<strong>de</strong>. Die ausgeprägte<br />
Stresssituation unter <strong>de</strong>n Produktionsbedingungen<br />
sowie eine frühzeitige<br />
Merzung aufgrund mangeln<strong>de</strong>r Leistung<br />
könnten dafür verantwortlich<br />
sein. An<strong>de</strong>re Autoren (Horn 1948,<br />
Schäper 1950, Ziegenhagen 1951, Küst<br />
1955, Schönherr 1954, Wussow und<br />
Dietrich 1958, Böttger 1960) kamen<br />
Angaben zu <strong>de</strong>m Schluss, dass we<strong>de</strong>r<br />
die Milchleistung noch die Leistungszucht<br />
an sich die Fruchtbarkeit o<strong>de</strong>r<br />
Nutzungsdauer beeinflussen. Dabei<br />
war auch, wie Böttger (1960) herausstellte,<br />
eine Nutzungsdauerverkürzung<br />
als Begleiterscheinung hoher Leistungen<br />
nicht zu verzeichnen. Im Gegenteil,<br />
mit Erhöhung <strong>de</strong>r Jahresleistung erhöhte<br />
sich die durchschnittliche Nutzungsdauer.<br />
Zu diesem Zeitpunkt kam<br />
<strong>de</strong>r Autor bereits zu <strong>de</strong>m Schluss, dass<br />
eine Jahresleistung von 7.000 kg <strong>de</strong>n<br />
erreichten Nutzungsdauerdurchschnitt<br />
von 7 Jahren nicht wird drücken können<br />
und stellte heraus, die „Leistungsgrenze“,<br />
die als „die obere“ <strong>de</strong>finiert<br />
wur<strong>de</strong>, neu zu bestimmen. Beispielhaft<br />
wird von Schönherr (1954) die Ziege<br />
angeführt, bei <strong>de</strong>r Fruchtbarkeitsstörungen<br />
beim weiblichen Geschlecht<br />
außeror<strong>de</strong>ntlich selten zu beobachten<br />
sind, obwohl die Milchleistung jährlich<br />
* Herrn Professor Dr. habil. O. Weiher zum 60. Geburtstag gewidmet<br />
bis zum 30-fachen <strong>de</strong>s Körpergewichts<br />
beträgt. Der Autor ging unter <strong>de</strong>n damaligen<br />
Bedingungen davon aus, dass<br />
die Stoffwechselleistung einer sehr guten<br />
Kuh mit einer Jahresleistung von<br />
etwa <strong>de</strong>m 10-fachen <strong>de</strong>s Körpergewichts<br />
an sich keine Probleme nach<br />
sich ziehen muss.<br />
Zusammenfassend kommt Müller<br />
(1966) nach Analyse <strong>de</strong>r bis zu diesem<br />
Zeitpunkt recherchierten Literaturquellen<br />
zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass das Hauptproblem<br />
<strong>de</strong>r Leistungszucht nicht die<br />
Zucht auf hohe Leistungen ist, son<strong>de</strong>rn<br />
Kühe mit hohem Milchertrag bei guter<br />
Fruchtbarkeit und hoher Nutzungsdauer.<br />
Eine Berücksichtigung dieser komplexen<br />
Zusammenhänge in <strong>de</strong>r Zucht<br />
wur<strong>de</strong> als zwingend angesehen.<br />
In <strong>de</strong>n 60er bis 90er Jahren wur<strong>de</strong>n<br />
Untersuchungen über Zusammenhänge<br />
zwischen <strong>de</strong>r Milchleistung,<br />
insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r 1. Laktation, und <strong>de</strong>r<br />
Nutzungsdauer und Lebensleistung<br />
durchgeführt. Ergebnisse dieser Untersuchungen<br />
sind in Übersicht 10 zusammengefasst.<br />
Nach Essl (1982 und 1984) wäre aufgrund<br />
<strong>de</strong>r Ergebnisse als logische<br />
Folge zu erwarten, dass sich bei einer<br />
wirksamen Selektion auf eine höhere<br />
Erstlaktationsleistung auch die<br />
GROSSTIERPRAXIS 02/2003<br />
5
NUTZUNGSDAUER<br />
Nutzungsdauer indirekt über die<br />
korrelativen Beziehungen verlängert.<br />
Die zu diesem Zeitpunkt vorliegen<strong>de</strong>n<br />
Erfahrungen konnten diesen<br />
Zusammenhang nicht bestätigen<br />
und wiesen, wie bekannt, in die entgegengesetzte<br />
Richtung, die bis zum<br />
heutigen Tag anhält. In einer kritischen<br />
Diskussion, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Autor<br />
die bis dato verfügbaren Literaturergebnisse<br />
auswertete, wur<strong>de</strong> folgen<strong>de</strong>r<br />
Schluss gezogen:<br />
(1) Bei statistischen Populationsanalysen<br />
wur<strong>de</strong> ein überwiegend positiver<br />
Zusammenhang zwischen 1.<br />
Laktationsleistung und Nutzungsdauer<br />
gefun<strong>de</strong>n.<br />
(2) Erfahrungen aus <strong>de</strong>r Zuchtpraxis<br />
sowie Ergebnisse, die auf Mutter-<br />
Tochter-Beziehungen (Bakels 1959)<br />
und damit auf <strong>de</strong>m tatsächlichen<br />
Vererbungsgeschehen basieren,<br />
weisen ein<strong>de</strong>utig auf einen Merkmalsantagonismus<br />
zwischen diesen<br />
Kriterien hin.<br />
6 GROSSTIERPRAXIS 02/2003<br />
(3) Ursachen für die ausgewiesenen<br />
Wi<strong>de</strong>rsprüche müssen in starken<br />
Maskierungseffekten gesucht wer<strong>de</strong>n,<br />
die mit üblichen Parameterschätzungen<br />
nicht auszuschalten<br />
sind.<br />
Ausgehend von <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Ergebnissen<br />
einer weltweiten Leistungssteigerung<br />
von ca. 50 % in <strong>de</strong>r 1. Laktation<br />
sowie <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Ten<strong>de</strong>nz erheblich<br />
rückläufigen Nutzungsdauer<br />
kommt Essl (1982) unter einer eher<br />
vorsichtigen Annahme zu einer „realisierten“<br />
genetischen Korrelation von<br />
rg = -0,33.<br />
Nach Ansicht <strong>de</strong>s Autors erscheint es<br />
äußerst unwahrscheinlich, dass die<br />
phänotypischen und genetischen Beziehungen<br />
zwischen Milchleistung (1.<br />
Laktation) und ND wirklich physiologischer<br />
Natur sind. Es wird darauf<br />
verwiesen, dass sich die Korrelation<br />
einerseits bedingt durch die über Jahre<br />
verteilte Leistungsselektion <strong>de</strong>utlich<br />
in die positive Richtung verschieben<br />
muss, an<strong>de</strong>rerseits die Son<strong>de</strong>rbehand-<br />
lung von Hochleistungskühen als<br />
weiterer Faktor wirkt und somit zu einer<br />
positiven Scheinkorrelation am<br />
Tier selbst führt. Hinweise auf negative<br />
Beziehungen wer<strong>de</strong>n auch von<br />
Ziegenhagen (1951) und Bakels (1954<br />
und 1959) mitgeteilt. Ebenso halten<br />
Schönmuth et al. (1983) einen gewissen<br />
Merkmalsantagonismus für möglich.<br />
Swalve (1999) geht von einem<br />
sehr schwach ausgeprägten Antagonismus<br />
aus, wonach die geschätzten<br />
negativen Korrelationen im Einklang<br />
mit <strong>de</strong>r Auswertung <strong>de</strong>s genetischen<br />
Trends für die Nutzungsdauer stehen.<br />
Bergfeld und Klunker (2002) hingegen<br />
legten Ergebnisse vor, aus <strong>de</strong>nen sich<br />
auf phänotypischer Basis ein <strong>de</strong>utlicher<br />
Antagonismus ableiten lässt. So<br />
wird von <strong>de</strong>n Autoren im Zeitraum<br />
1992 — 2001 über eine Leistungssteigerung<br />
von ca. 50 % für die Gesamtpopulation<br />
bei gleichzeitiger Verkürzung<br />
<strong>de</strong>r Nutzungsdauer berichtet. Einhergehend<br />
mit einer <strong>de</strong>utlich erhöhten<br />
Merzungsrate auf grund konstitutionsbedingter<br />
Erkrankungen (Sterilität ca.<br />
+25 %, Klauen und Gliedmaßen ca.<br />
Übersicht 10: Phänotypische und genetische Korrelationen zwischen <strong>de</strong>r Milchleistung<br />
<strong>de</strong>r 1. Laktation und <strong>de</strong>r Nutzungsdauer (Literaturergebnisse)<br />
Autor Jahr Merkmal Merkmal<br />
Milchleistung Nutzungdauer rp rg<br />
(ML)<br />
Parker et al. 1960 ML Alter letztes Kalb 0,18<br />
White und Nichols 1960 ML Alter letztes Kalb 0,22<br />
Gaalaas 1963 ML Abgangsalter 0,18<br />
Plowman et al. 1964 ML Abgangsalter 0,22<br />
Hargrove et al. 1969 ML Anzahl Lakt. 0,43 0,76<br />
Hoque und Hodges 1980 ML ND 0,28 0,44<br />
Pape et al. 1982 ML Futtertage 0,13 0,22<br />
De Lorenzo 1982 ML VR 48 0,27 0,34<br />
Lehmann 1987 ML ND (Tage) 0,26 0,17<br />
Essl 1) 1984 ML Anzahl Lakt. 0,09 -0,24<br />
Dürr et al. 2) 1999 ML funkt. LPL 0,18<br />
Swalve 3) 1999 ML funkt. LPL -0.12<br />
1) Rangkorrelation<br />
2) Pearson-Korrelation<br />
3) Zuchtwert ML: Zuchtwert LPL (RZM:RZN)
+50 %) verringerte sich diese im Untersuchungszeitraum<br />
von 40 auf ca. 30<br />
Monate, wobei sich die Reproduktionsrate<br />
von ca. 17 % auf 40 % erhöhte.<br />
An einer umfangreichen Stichprobe<br />
(38.000 Laktationen) konnte Lehmann<br />
(1987) nachweisen, dass Kühe<br />
mit leicht überlegener Milchleistung<br />
in <strong>de</strong>r 1. Laktation die besten Bedingungen<br />
zur Erreichung einer hohen<br />
Nutzungsdauer vorfin<strong>de</strong>n. Für Kühe<br />
mit einem genetisch <strong>de</strong>utlich überlegenen<br />
Leistungsvermögen schienen<br />
die entsprechen<strong>de</strong>n Umweltbedingungen<br />
nicht vorzuliegen, um eine<br />
hohe Nutzungsdauer zu erreichen.<br />
Das Ergebnis unterstreicht auch die<br />
in <strong>de</strong>r Vielzahl <strong>de</strong>r Literatur relativ<br />
schwachen Zusammenhänge bzw.<br />
<strong>de</strong>n, wie Essl (1982) es formuliert,<br />
nichtlinearen progressiven Trend, <strong>de</strong>r<br />
zu <strong>de</strong>r Annahme berechtigt, dass mit<br />
steigen<strong>de</strong>m Erstlaktationsniveau die<br />
physiologische Korrelation zwischen<br />
diesem und <strong>de</strong>r ND (Fitness) zunehmend<br />
negativ wird.<br />
Bereits 1966 entwickelte Robertson ein<br />
mathematisches Mo<strong>de</strong>ll, das die nichtlinearen<br />
Beziehungen zwischen <strong>de</strong>n Produktionsmerkmalen<br />
und <strong>de</strong>r ND zu<br />
schätzen erlaubt. Strandberg und<br />
Hakansson (1994) prüften über dieses<br />
Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>r freiwilligen<br />
Merzung auf die phänotypischen und<br />
genetischen Korrelationen zwischen <strong>de</strong>r<br />
Erstlaktatiosleistung (Milch) und <strong>de</strong>r ND<br />
(Übersicht 11). Danach ist ein <strong>de</strong>utlicher<br />
Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r<br />
Leistungsmerzung und <strong>de</strong>m Grad <strong>de</strong>r<br />
Korrelationen zwischen Milchleistung<br />
und ND nachgewiesen wor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r bei<br />
<strong>de</strong>r Interpretation <strong>de</strong>r Ergebnisse eine<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle spielt.<br />
Unter <strong>de</strong>n Bedingungen einer optimalen<br />
Leistungsausschöpfung, jedoch<br />
suboptimalen Bedingungen für Leistungsstabilität,<br />
prüften Klug et al.<br />
(1990) an 21 bzw. 34 Nachkommengruppen<br />
mit durchschnittlich 108 bzw.<br />
164 Nachkommen pro Vater die Frage,<br />
inwieweit mit Kennwerten von Jungkühen,<br />
insbeson<strong>de</strong>re aus <strong>de</strong>r Frühlaktation,<br />
Aussagen zur Nutzungsdauer<br />
möglich sind. Bei einer Betrachtung <strong>de</strong>r<br />
Extreme konnten für Nachkommengruppen<br />
mit einer hohen ND mittlere<br />
Milchzuchtwerte bzw. mittlere 100-<br />
Tage-Leistungen und für die NKG mit<br />
<strong>de</strong>r niedrigsten ND signifikant höhere<br />
Milchzuchtwerte nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />
Resultierend daraus ergaben sich<br />
zwischen <strong>de</strong>r Nutzungsdauer und <strong>de</strong>m<br />
Zuchtwert (Milch kg) in Übereinstimmung<br />
mit Essl (1982 und 1984) signifikant<br />
negative Beziehungen (Übersicht<br />
12). Darin zeigte sich unter <strong>de</strong>n geprüften<br />
Bedingungen ein gewisser Antagonismus<br />
zwischen <strong>de</strong>r Milchleistungsveranlagung<br />
und <strong>de</strong>r Nutzungsdauer.<br />
Auffallend war an<strong>de</strong>rerseits, dass in einem<br />
Teil <strong>de</strong>r Stichprobe, in <strong>de</strong>r über 10<br />
Jahre exakte Erhebungen zum Gesundheitsstatus<br />
vorgenommen wur<strong>de</strong>n,<br />
enge negative Beziehungen zwischen<br />
Leistungsveranlagung und Gesundheit<br />
sowie Gesundheit und Nutzungsdauer<br />
bestan<strong>de</strong>n (siehe auch Einflussfaktor<br />
Erkrankungen). Die Zusammenhänge<br />
konnten hinsichtlich <strong>de</strong>r Nutzungsdauer<br />
und Gesundheit über <strong>de</strong>n Vater<br />
auf <strong>de</strong>n zweiten Teil <strong>de</strong>r Stichprobe<br />
übertragen wer<strong>de</strong>n, da für die Nachkommengruppen<br />
zwischen bei<strong>de</strong>n Betrieben<br />
signifikante Korrelationen bestan<strong>de</strong>n.<br />
Diese Schätzwerte <strong>de</strong>uten<br />
gleichzeitig darauf hin, dass für bestimmte<br />
Nachkommengruppen von einer<br />
hohen Belastbarkeit ausgegangen<br />
wer<strong>de</strong>n kann, da die Rangfolge in einem<br />
weiten Umweltspektrum, in diesem<br />
NUTZUNGSDAUER<br />
Fall zwei unterschiedlich bewirtschaftete<br />
Milchviehbetriebe mit hoher Bestandskonzentration,<br />
erhalten blieb. Mit<br />
<strong>de</strong>n Ergebnissen konnte gezeigt wer<strong>de</strong>n,<br />
dass nicht die Leistungsveranlagung an<br />
sich, son<strong>de</strong>rn Mängel in <strong>de</strong>r Aufzucht<br />
sowie ungünstige Umweltbedingungen<br />
in <strong>de</strong>r Erstlaktation, insbeson<strong>de</strong>re bei<br />
genetisch höher veranlagten Nachkommen,<br />
die Tiergesundheit beeinflussen<br />
und somit über diesen Pfad zu einer<br />
eingeschränkten Nutzungsdauer führen.<br />
Somit scheinen die zwischen <strong>de</strong>n<br />
Zuchtwerten <strong>de</strong>r Milchleistung und<br />
Nutzungsdauer signifikant negativen<br />
Korrelationen aufgrund <strong>de</strong>r hohen Erkrankungsrate<br />
und einer daraus resultieren<strong>de</strong>n<br />
hohen Zwangsmerzung die<br />
Aussage von Strandberg und Hakansson<br />
(1994) zu bestätigen. Danach sind<br />
mit steigen<strong>de</strong>r Zwangsmerzung und somit<br />
eingeschränkter Leistungsmerzung<br />
zunehmend negative Korrelationen zu<br />
erwarten.<br />
Tatsache ist, dass die von <strong>de</strong>r Mehrzahl<br />
<strong>de</strong>r Autoren in <strong>de</strong>r Literatur getroffene<br />
Annahme, Kühe, die im Vergleich zu<br />
ihren Stallgefährten eine höhere Erstlaktationsleistung<br />
erzielen, eine effektiv<br />
höhere ND erreichen (positive phänotypische<br />
und genetische Korrelationen),<br />
immer unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong>de</strong>r Reduzierung<br />
<strong>de</strong>r Zwangsmerzungen gesehen<br />
wer<strong>de</strong>n muss. Eine durch Fehler im<br />
Management verursachte bzw. genetisch<br />
bedingte hohe Krankheitsrate ver-<br />
Übersicht 11: Einfluss <strong>de</strong>r freiwilligen Merzung (Leistungsmerzung)<br />
auf die Höhe <strong>de</strong>r Korrelationen zwischen Erstlaktationsleistung<br />
und Nutzungsdauer (Strandberg und<br />
Hakansson 1994)<br />
Korrelation freiwillige Merzung 1. Laktation keine freiwillige<br />
Merzung<br />
% Merzung 15 % 10 % 5 % 0 % 0 %<br />
rg 0,77 0,65 0,46 -0,01 -0,47<br />
rp 0,29 0,20 0,08 -0,10 -0,21<br />
GROSSTIERPRAXIS 02/2003<br />
7
Übersicht 12: Jungkuhkennwerte extremer Nachkommengruppen<br />
von Bullen mit höchster und niedrigster Nutzungsdauer<br />
(ÜLR 3. Laktation), Rangkorrelationen zwischen<br />
Nutzungsdauer (ND) und Zuchtwert (ZW Milch kg)<br />
(Klug et al. 1990)<br />
hoch<br />
Überlebensrate<br />
niedrig rs (ND:ZWM)<br />
ÜLR 3. Laktation 25,8 1,1 -0,39 — -0,54<br />
Zuchtwert Milch kg 290 422<br />
bun<strong>de</strong>n mit daraus bedingten Merzungen<br />
und einer eingeschränkten Leistungsselektion<br />
führt, wie in einem Teil<br />
<strong>de</strong>r Untersuchungen nachgewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n konnte, zwangsläufig zu negativen<br />
Auswirkungen auf die ND, insbeson<strong>de</strong>re<br />
bei genetisch höher veranlagten<br />
Kühen. Die realisierten negativen<br />
genetischen Korrelationen von Bakels<br />
(1960), Miller et al. (1967), Essl (1984),<br />
Klug et al. (1990) sowie die Mo<strong>de</strong>llkalkulationen<br />
von Strandberg und<br />
Hakansson (1994) sind ein Beweis dafür.<br />
Milcheiweiß<br />
Dem Milcheiweißgehalt als Kennwert<br />
für Leistungsstabilität kommt in <strong>de</strong>n<br />
letzten Jahren eine beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung<br />
zu. In einer Vielzahl von Untersuchungen<br />
wer<strong>de</strong>n Ergebnisse vorgelegt<br />
(Schüler 1981 und 1989, Depke<br />
1981, Simianer et al. 1991, Uribe et al<br />
1995, Panicke et al. 1998), aus <strong>de</strong>nen<br />
hervorgeht, dass Kühe mit hohem Eiweißgehalt<br />
nach wie vor wirtschaftlicher<br />
sind und über eine höhere Leistungsstabilität<br />
verfügen. Es kann als<br />
Tatsache gelten, dass aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Nährstoffökonomik und <strong>de</strong>r physiologischen<br />
Belastbarkeit das kg Milcheiweiß<br />
bei höherem Gehalt immer günstiger<br />
als bei niedrigerem produziert<br />
wird. Ebenso ist experimenteller Untersuchungen<br />
zu entnehmen, dass<br />
zwischen <strong>de</strong>m Eiweißgehalt und weiteren<br />
Blut- bzw. Milchkennwerten<br />
(GOT, Bilirubin, Aceton, β-HB) <strong>de</strong>utlich<br />
negative Beziehungen zu pathophysiologischen<br />
Vorgängen nachge-<br />
8 GROSSTIERPRAXIS 02/2003<br />
wiesen wur<strong>de</strong>n, die in engem Zusammenhang<br />
zu subklinischen Stoffwechselstörungen<br />
stehen.<br />
In Verbindung mit diesem Thema<br />
muss man auf <strong>de</strong>n biologischen Antagonismus<br />
hinweisen, <strong>de</strong>r zwischen<br />
<strong>de</strong>r Erhöhung <strong>de</strong>r Milchproduktion<br />
und <strong>de</strong>n so genannten Sekundärmerkmalen<br />
besteht. Untersuchungsergebnisse<br />
von Foote (1983) und Graf<br />
(1984) zeigen, dass aus physiologischer<br />
Sicht die Ausscheidung <strong>de</strong>s<br />
Milchzuckers bei diesen Störungen<br />
eine große Rolle spielt. An<strong>de</strong>rerseits<br />
wer<strong>de</strong>n zur Produktion von 1 kg<br />
Milch 350 — 700 g Glukose benötigt.<br />
Mit <strong>de</strong>r Erhöhung <strong>de</strong>s Eiweißgehaltes,<br />
das Gleiche gilt für <strong>de</strong>n Fettgehalt,<br />
nimmt <strong>de</strong>r Nährstoffbedarf zur Herstellung<br />
von einem kg Milcheiweiß ab.<br />
Die relative Differenz für die Produktion<br />
von 1 kg Milchfett wird unter <strong>de</strong>r<br />
Voraussetzung, gleiches Gewicht und<br />
gleiche Milchleistung, bei einem Fettgehaltsunterschied<br />
von 1 % (3 % zu 4<br />
%) mit ca. 20 % Nährstoffeinsparung<br />
(Futterenergie) angegeben. Wie von<br />
Bozo (1986) nachgewiesen, wird die<br />
Erzeugung von einer Einheit Milcheiweiß,<br />
das Gleiche gilt für Fett, in <strong>de</strong>r<br />
konzentratärmeren Milch mit einer<br />
größeren Transformation <strong>de</strong>s Wassers,<br />
<strong>de</strong>s Milchzuckers und <strong>de</strong>r Mineralstoffe<br />
belastet, und <strong>de</strong>r Nachschub <strong>de</strong>r<br />
Mineralstoffe birgt, wie bekannt, viele<br />
Schwierigkeiten in sich.<br />
Aufgrund von Untersuchungen<br />
(Houston 1972) lässt sich feststellen,<br />
dass die Transformation <strong>de</strong>s Eiweißes<br />
<strong>de</strong>n Körper <strong>de</strong>r Kuh wesentlich weniger<br />
belastet als die Transformation <strong>de</strong>s<br />
Wassers, <strong>de</strong>s Zuckers und <strong>de</strong>r Mineralstoffe.<br />
Diese Feststellung wird von<br />
<strong>de</strong>m Fakt unterstützt, dass die außeror<strong>de</strong>ntlichen<br />
Lebensleistungen, hohe<br />
Nutzungsdauer und gute Reproduktionseigenschaften<br />
bei <strong>de</strong>n Rassen, die<br />
konzentrierte Milch produzieren (Jersey,<br />
Ayrshire, Angler), viel häufiger<br />
vorkommen als bei Rassen mit hoher<br />
aber konzentratarmer Milch.<br />
Auch die im August 2002 vorgenommene<br />
höhere Wichtung <strong>de</strong>r Milchinhaltsstoffe<br />
im Gesamtzuchtwert berücksichtigt<br />
die jahrelange For<strong>de</strong>rung,<br />
diese in <strong>de</strong>r Selektion stärker zu beachten,<br />
um somit indirekt zu einer<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r Konstitution und resultierend<br />
daraus zur Erhöhung <strong>de</strong>r<br />
Nutzungsdauer auf züchterischem<br />
Wege beizutragen.<br />
Ergebnisse zu Beziehungen zwischen<br />
<strong>de</strong>m Eiweißgehalt und <strong>de</strong>r Nutzungsdauer<br />
wur<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />
Fragestellungen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er<br />
Jahre im ehemaligen Forschungszentrum<br />
für Tierproduktion Dummerstorf<br />
vorgelegt (Lehmann 1987, Lenz 1987,<br />
Klug et al. 1990).<br />
Unter züchterischen Gesichtspunkten<br />
ermittelte Lehmann (1987) an einer<br />
umfangreichen Stichprobe (n = 38.404)<br />
positive genetische Korrelationen zwischen<br />
<strong>de</strong>m Eiweißgehalt in <strong>de</strong>r 1. Laktation<br />
und <strong>de</strong>r Nutzungsdauer (rg =<br />
0,37). Trotz <strong>de</strong>r Annahme, dass diese<br />
Beziehung überschätzt sein könnte,<br />
wur<strong>de</strong> im Ergebnis eines Selektionsexperiments<br />
im Gegensatz zum Fettgehalt<br />
ein positiver Selektionserfolg<br />
für die Nutzungsdauer auf <strong>de</strong>n Eiweißgehalt,<br />
ohne Berücksichtigung<br />
<strong>de</strong>r Milchmenge, erzielt.<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>s Züchtungsexperiments<br />
„Milcheiweiß“ kam Lenz (1987)<br />
ebenfalls zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass Kühe
mit einem höheren Milcheiweißgehalt<br />
in ihrer phänotypischen Ausprägung<br />
eine <strong>de</strong>utlich höhere Überlebensrate<br />
(Wie<strong>de</strong>rauffindungsrate) zum Abschluss<br />
<strong>de</strong>r 2. und 3. Laktation aufwiesen<br />
(Übersicht 13). Die von <strong>de</strong>r Autorin<br />
aus <strong>de</strong>n phänotypischen Schätzungen<br />
vorsichtig gezogene Schlussfolgerung,<br />
die vermutlich aus Mangel an in <strong>de</strong>r<br />
Literatur vergleichbaren Ergebnissen<br />
begrün<strong>de</strong>t war, sollte in weitergehen<strong>de</strong>n<br />
Untersuchungen auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />
genetischer Korrelationen an einer<br />
umfangreicheren Stichprobe<br />
überprüft wer<strong>de</strong>n.<br />
Klug et al. (1990) konnten diesen Zusammenhang<br />
auf <strong>de</strong>r Basis extremer<br />
Nachkommengruppen im Eiweißgehalt<br />
(Zuchtwert bzw. 100-Tage-Leistung)<br />
<strong>de</strong>r 1. Laktation bei gleicher<br />
Milchleistung ebenfalls nachweisen.<br />
Die Nachkommengruppen, die in zwei<br />
technologisch unterschiedlichen Anlagen<br />
an territorial entfernten Standorten<br />
und über einen Zeitraum von 10<br />
Jahren geprüft wur<strong>de</strong>n, wiesen ten<strong>de</strong>nziell<br />
in die gleiche Richtung (Übersicht<br />
13). Auffallend für die Kühe <strong>de</strong>r<br />
Anlage A, in <strong>de</strong>r über <strong>de</strong>n Gesamtzeitraum<br />
<strong>de</strong>r Untersuchung eine exakte<br />
Registratur und Speicherung aller ermittelten<br />
Diagnosen erfolgte war, dass<br />
die NKG mit genetisch höherem Eiweißgehalt<br />
eine signifikant geringere<br />
Erkrankungsrate aufwiesen (Übersicht<br />
13). Die Rangkorrelationen zwischen<br />
<strong>de</strong>n Zuchtwerten ausgewählter Erkrankungen<br />
und <strong>de</strong>m Eiweißzuchtwert<br />
lagen alle im signifikant negativen<br />
Bereich (rs= -0,3 — -0,67) und wiesen<br />
ten<strong>de</strong>nziell darauf hin, dass für <strong>de</strong>n<br />
Eiweißgehalt genetisch höher veranlagte<br />
Nachkommengruppen mit einer<br />
geringeren Erkrankungsrate reagierten.<br />
Diese Ten<strong>de</strong>nz spiegelt sich auch in<br />
<strong>de</strong>n von Jahnke (1988) durchgeführten<br />
Selektionsexperimenten zur Eutergesundheit<br />
wi<strong>de</strong>r, woraus geschlussfolgert<br />
wur<strong>de</strong>, dass <strong>de</strong>m Eiweißgehalt als<br />
Selektionsmerkmal hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />
Eutergesundheit eine größere Be<strong>de</strong>utung<br />
zukommen sollte. Einschränkend<br />
ist darauf hinzuweisen, dass diese<br />
Schätzwerte nicht die ursächlichen<br />
Zusammenhänge erklären, son<strong>de</strong>rn<br />
nur <strong>de</strong>n Fakt an sich darstellen. Eine<br />
Erklärung, welche Hintergrün<strong>de</strong> dieser<br />
Beziehung zugrun<strong>de</strong> liegen, wie z.B.<br />
das höhere Futteraufnahmevermögen,<br />
die effektivere Energieverwertung dieser<br />
Nachkommen etc. bedürfen einer<br />
weiteren Prüfung.<br />
Bei <strong>de</strong>r simulierten Anwendung unterschiedlicher<br />
Selektionsindices wur<strong>de</strong><br />
durch Korrelationskoeffizienten<br />
zwischen In<strong>de</strong>xpunkten und Erkrankungsursachen<br />
die Be<strong>de</strong>utung einer<br />
richtigen Merkmalswichtung unterstrichen<br />
(Franz und Klug 1991), wonach<br />
neben <strong>de</strong>r Milchleistung die In-<br />
NUTZUNGSDAUER<br />
haltsstoffe, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Eiweißgehalt,<br />
züchterisch verbessert wer<strong>de</strong>n<br />
sollten. Analoge Ergebnisse wur<strong>de</strong>n<br />
auch von Jahnke (1988) aus Untersuchungen<br />
zur Eutergesundheit mitgeteilt.<br />
Die stärkere Wichtung <strong>de</strong>r Gehaltswerte<br />
bei gleichzeitig geringeren<br />
Selektionserfolgen für die Milchmenge<br />
führt nach Erkenntnissen <strong>de</strong>r Tierernährung,<br />
bedingt durch eine vermin<strong>de</strong>rte<br />
Laktoseproduktion <strong>de</strong>r konzentratreicheren<br />
Milch, zu einer energetischen<br />
Entlastung <strong>de</strong>r Milchkuh<br />
(Piatkowski 1982).<br />
Damit unterstreichen die sowohl auf<br />
phänotypischer wie genetischer Basis<br />
geschätzten Beziehungen <strong>de</strong>n Einfluss<br />
<strong>de</strong>s Eiweißgehalts auf <strong>de</strong>n Gesundheitsstatus<br />
und resultierend auf<br />
die Höhe <strong>de</strong>r Nutzungsdauer. Ein genetisch<br />
hoher Eiweißgehalt (überdurchschnittlicher<br />
Zuchtwert) bei<br />
gleicher Milchleistung war in <strong>de</strong>n<br />
Untersuchungen immer verbun<strong>de</strong>n<br />
mit einer vermin<strong>de</strong>rten Erkrankungsrate<br />
und einer signifikant höheren<br />
Überlebensrate. Analoge Zusammenhänge<br />
zwischen Eiweißgehalt<br />
und ausgewählten Erkrankungs-<br />
und Merzungsraten auf phänotypischer<br />
Basis fan<strong>de</strong>n Depke<br />
(1981) (Übersicht 14) sowie Lottham-<br />
Übersicht 13: Überlebensrate (%) von extremen Leistungs- bzw. Nachkommengruppen<br />
mit unterschiedlichem Eiweißgehalt (Lenz 1987, Klug et al. 1990)<br />
Eiweiß ÜLR (%)<br />
Autor Betrieb % n 2. Laktation 3. Laktation 4. Laktation<br />
Lenz 1) hoch 68,6 53,0 -<br />
niedrig 32,9 18,4 -<br />
Klug et al. 2) A hoch 500 59,5 33,8 18,3<br />
niedrig 602 35,6 7,2 2,3<br />
B hoch 1278 76,6 57,3 41,6<br />
niedrig 775 36,4 10,9 3,4<br />
1) extreme Leistungsgruppen, absoluter Eiweißgehalt (phänotypisch)<br />
2) extreme Nachkommengruppen (> 100 Nachkommen pro Bulle) Zuchtwert Eiweiß % und<br />
gleiche Milchleistung<br />
GROSSTIERPRAXIS 02/2003<br />
9
NUTZUNGSDAUER<br />
mer (1990) und auf genetischer Basis<br />
Simianer et al. (1991), die jedoch keine<br />
Aussagen zur Nutzungsdauer<br />
bzw. zum Abgang vorlegten.<br />
Juszczak et al. (2001) versuchten auf<br />
<strong>de</strong>r Basis von Milchproteinpolymorphismen<br />
an 362 Jungkühen einen<br />
Beitrag zur Nutzungsdauer in <strong>de</strong>n<br />
Genotypvarianten <strong>de</strong>s K-Caseins und<br />
<strong>de</strong>s β-Lactoglobins zu erbringen. Es<br />
konnte kein statistisch gesicherter<br />
Zusammenhang ermittelt wer<strong>de</strong>n, da<br />
nach Ansicht <strong>de</strong>r Autoren im weiteren<br />
Lebensabschnitt Umweltfaktoren<br />
zunehmend an Einfluss gewannen.<br />
Es stellte sich aber ten<strong>de</strong>nziell heraus,<br />
wenn auch nicht gesichert, dass<br />
die heterozygoten Genotypvarianten<br />
(K-CN AB und β-LG AB) in allen<br />
untersuchten Kriterien <strong>de</strong>r Nutzungsdauer<br />
überlegen waren. Dabei<br />
lagen die Differenzen zwischen <strong>de</strong>n<br />
Genotypvarianten, wenn sich die Ergebnisse<br />
statis-tisch sichern lassen,<br />
im ökonomisch relevanten Bereich.<br />
Es wird empfohlen, diese Ten<strong>de</strong>nz an<br />
größeren Kuhpopulationen zielgerichtet<br />
weiter zu verfolgen um genetische<br />
Unterschie<strong>de</strong> nachweisen zu<br />
können. Das Interesse für Milchprotein<br />
und seine polymorphen Varianten<br />
beruht allerdings auf <strong>de</strong>n Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>n Verarbeitungseigenschaften<br />
<strong>de</strong>r Milch. Der<br />
Einfluss <strong>de</strong>s Milchproteins jedoch<br />
auch in Bezug auf die Nutzungsdauer<br />
geprüft wer<strong>de</strong>n.<br />
10 GROSSTIERPRAXIS 02/2003<br />
Exterieur und Euterform<br />
Mit <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>r Körpermaße,<br />
Euter- und Körperformmerkmale sowie<br />
subjektiver Noten, wird das Ziel verfolgt,<br />
die <strong>de</strong>n jeweiligen Bedingungen<br />
am besten angepasste Kuh zu bewerten<br />
und für die weitere Zucht zu berücksichtigen.<br />
Robert Bakewell (1725 —<br />
1795), einer <strong>de</strong>r ersten Pioniere auf <strong>de</strong>m<br />
Gebiet <strong>de</strong>r Haustierzucht, führte im<br />
Zuge <strong>de</strong>r Prüfung neuer Zuchtmetho<strong>de</strong>n<br />
die Konsolidierung eines neuen<br />
Typs ein. Die von ihm auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />
<strong>de</strong>r Exterieurbewertung vorgenommene<br />
Nachkommenprüfung führte danach<br />
zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass alle nicht<br />
seinen I<strong>de</strong>alvorstellungen entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Tiere gemerzt und somit über diesen<br />
Weg eine bestimmte Typisierung<br />
über züchterische Maßnahmen erzielt<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
Es ist insbeson<strong>de</strong>re Settegast (1872)<br />
zu verdanken, dass <strong>de</strong>r Stand <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Tierzuchtwissenschaft und<br />
–Praxis in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
umfassend überliefert wur<strong>de</strong>. So<br />
verdichtete er die Vorstellungen über<br />
anzustreben<strong>de</strong> Proportionen in seinem<br />
fundamentalen Lehrbuch „ Die<br />
Tierzucht“ zu einer Theorie <strong>de</strong>r Exterieurbeurteilung,<br />
<strong>de</strong>r Proportionslehre,<br />
die auch heute als gültig angenommen<br />
wer<strong>de</strong>n kann.<br />
In einem Beitrag zur Gestaltung einer<br />
Mo<strong>de</strong>llkuh gaben Franz, Baumung<br />
und Klug (1988 und 1989) eine bis dahin<br />
einmalige Übersicht zu <strong>de</strong>n Proportionen<br />
und <strong>de</strong>ren Verän<strong>de</strong>rung im<br />
Laufe <strong>de</strong>r letzten 100 Jahre und legten<br />
die Grundlage für die unter Anleitung<br />
von Franz und Schönmuth von <strong>de</strong>n<br />
Künstlern Hallmann und Winkelmann<br />
mo<strong>de</strong>llierte SMR-Kuh. Ob das<br />
vorgeschlagene SMR-Mo<strong>de</strong>ll sich als<br />
richtig erweisen wird, bleibt <strong>de</strong>r Entscheidung<br />
<strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Generationen<br />
vorbehalten. Franz schlussfolgert<br />
mit einem Zitat von Settegast:<br />
„Theorien mögen vergehen, wenn nur<br />
<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Kampfe um sie entsprungene<br />
Fortschritt bestehenbleibt“.<br />
Für die züchterische Auslese auf Nutzungsdauer<br />
und Lebensleistung ist somit<br />
auch die Frage von Be<strong>de</strong>utung, ob<br />
und in welchem Maße sich aus <strong>de</strong>r<br />
Körperform Rückschlüsse auf diese<br />
Eigenschaften ziehen lassen. Nach<br />
Müller (1966) sprechen von vornherein<br />
Beobachtungen dagegen, wie man<br />
an <strong>de</strong>r am intensivsten und längsten<br />
auf Leistung und Konstitution gezüchteten<br />
Haustierrasse, am englischen<br />
Vollblutpferd, nachweisen<br />
kann (Horses ran in all forms). Danach<br />
ist von einem einheitlichen Typ<br />
bei diesen Pfer<strong>de</strong>n keine Re<strong>de</strong>.<br />
In <strong>de</strong>n 40er und 50er Jahren wur<strong>de</strong>n<br />
Typbeurteilungen immer unter <strong>de</strong>m<br />
Gesichtspunkt <strong>de</strong>r Konstitution verstan<strong>de</strong>n<br />
und durchgeführt. So sollen<br />
nach Schmidt (1950) die Stärke <strong>de</strong>s<br />
Knochenbaus, eine gera<strong>de</strong> Rückenlinie,<br />
geräumiger Brust- und Bauchraum,<br />
gute Brust- und Flankentiefe<br />
eine gewisse Beurteilung <strong>de</strong>r Konstitution<br />
ermöglichen. An<strong>de</strong>rerseits wird<br />
Übersicht 14: Mittlere Erkrankungs- und Abgangsrate (%) von Jungkuh- NKG mit unterschiedlichem<br />
Eiweißgehalt bei gleicher Milchleistung (Klug und Baumung 1989, Depke 1981)<br />
Eiweiß (%) Ketose Mastitis Klauen- Puerperal Abgangsrate<br />
Autor ZW abs. n erkrankung störungen 1. Laktation<br />
Klug und Baumung 0,20 3,48 500 0,8 26 6 9 27-35<br />
0,04 3,24 602 7,0 40 12 26 41-49<br />
Depke 3,51 1,6 11 7,4<br />
3,32 9,1 24 18,1
davon ausgegangen, dass durch die<br />
Formbeurteilung anatomische Anomalien<br />
erfasst wer<strong>de</strong>n können. Es<br />
wur<strong>de</strong> jedoch bezweifelt, dass sich Gesundheit<br />
und Konstitution noch auf<br />
diesem Wege <strong>de</strong>r Formbeurteilung<br />
von einem gewissen Punkte an verbessern<br />
lassen können. Trotz ernsthafter<br />
Bemühungen konnte bis zu diesem<br />
Zeitpunkt nicht <strong>de</strong>r Beweis erbracht<br />
wer<strong>de</strong>n, dass mit <strong>de</strong>r Zucht auf Körperform<br />
eine Verbesserung <strong>de</strong>r Konstitution,<br />
<strong>de</strong>ren zuverlässiges Maß die<br />
Nutzungsdauer und Fruchtbarkeit<br />
sind, möglich sei (Horn 1948, Köprich<br />
1948, Grimm 1954, Hogreve 1937,<br />
Engler 1957). Ebenso wie es nicht<br />
möglich war über die Formbeurteilung<br />
die Verbesserung dieser Merkmale<br />
zu erreichen, ließ sich aus <strong>de</strong>n<br />
bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführten<br />
Untersuchungen ebenso wenig ein<br />
Nutzungszeichen für die Milchleistung<br />
ableiten. An<strong>de</strong>rerseits ist zu beachten,<br />
dass die Körperform als züchterisches<br />
Merkmal insbeson<strong>de</strong>re von<br />
Umweltfaktoren wie Aufzucht, Haltung<br />
und Fütterung stark beeinflusst<br />
wird und gera<strong>de</strong> bei dieser Art <strong>de</strong>r Beurteilung<br />
die Gefahr, <strong>de</strong>n Phänotyp<br />
und nicht <strong>de</strong>n Genotyp zu bewerten<br />
beson<strong>de</strong>rs groß ist (Schmidt 1950).<br />
Auch aus <strong>de</strong>r von Burnsi<strong>de</strong> et al.<br />
(1984) vorgelegten Literaturstudie<br />
konnte nicht entnommen wer<strong>de</strong>n,<br />
dass zwischen objektiv ermittelten<br />
Typmerkmalen und <strong>de</strong>n zu einem In<strong>de</strong>x<br />
zusammengefassten Merkmalen<br />
die in schwacher bis loser Beziehung<br />
zur ND stehen, ein züchterischer Zusammenhang<br />
bestand.<br />
An einer sehr umfangreichen Stichprobe<br />
kommt Sieber (1984) jedoch zu<br />
signifikant positiven Zusammenhängen<br />
zwischen einzelnen Euterformmerkmalen<br />
bzw. <strong>de</strong>r Euternote einerseits<br />
und <strong>de</strong>r Klauen- und Gliedmaßenqualität<br />
sowie <strong>de</strong>r Nutzungsdauer<br />
an<strong>de</strong>rerseits. In Übersicht 15 wer<strong>de</strong>n<br />
auszugsweise Ergebnisse dieser Arbeit<br />
mitgeteilt.<br />
In einer <strong>de</strong>r Arbeit vorangestellten Literaturbesprechung<br />
wird vom Autor jedoch<br />
geschlussfolgert, dass sich keine<br />
klare Aussage treffen lässt, ob von Exterieurbewertungen<br />
positive o<strong>de</strong>r negative<br />
Auswirkungen auf die Nutzungsdauer<br />
ausgehen. Gleiche Aussagen lassen<br />
sich für die Beziehung zwischen<br />
Milchleistung und Exterieurmerkmalen<br />
machen (Placke 1982), was durch<br />
ein sich wie<strong>de</strong>rholen<strong>de</strong>s Wechselspiel<br />
von positiven und negativen Korrelationen<br />
zwischen diesen bei<strong>de</strong>n Komplexen<br />
gekennzeichnet war.<br />
In <strong>de</strong>r neueren Literatur wur<strong>de</strong>n eine<br />
Vielzahl von Ergebnissen vorgelegt,<br />
die sich ausschließlich mit <strong>de</strong>r Quantifizierung<br />
<strong>de</strong>s Zusammenhangs von<br />
Körperformmerkmalen und Nutzungsdauer<br />
befassten (Boldman et al.<br />
1992, Dekkers et al. 1994, Vollema<br />
1998, Ducroq 1997, Dürr et al. 1999,<br />
Vukasinovic et al. 2001 und 2002).<br />
Schlussfolgernd aus diesen Arbeiten<br />
konnte abgeleitet wer<strong>de</strong>n, dass Kühe<br />
mit wünschenswerten Körperproportionen,<br />
gesun<strong>de</strong>n Eutern und korrekten<br />
Klauen und Gliedmaßen in <strong>de</strong>r<br />
Regel eine längere Nutzungsdauer<br />
aufwiesen. So ist insbeson<strong>de</strong>re Ergebnissen<br />
von Vukasinovic et al. (2002)<br />
zu entnehmen, dass zwischen <strong>de</strong>r bewerteten<br />
hinteren und vor<strong>de</strong>ren Euteraufhängung<br />
und <strong>de</strong>r Nutzungsdauer<br />
signifikant positive genetische<br />
Korrelationen (rg = 0,32 bzw. 0,31) und<br />
zur Zitzenlänge negative von rg= -<br />
0,41 bestan<strong>de</strong>n, Zusammenhänge, die<br />
NUTZUNGSDAUER<br />
auch von Boldman et al. (1992) für die<br />
vor<strong>de</strong>re Euteraufhängung (rg = 0,46)<br />
und die Eutertiefe (rg = 0,47) geschätzt<br />
wur<strong>de</strong>n.<br />
Analoge Ergebnisse konnten auch<br />
von Bünger und Swalve (2000) vorgelegt<br />
wer<strong>de</strong>n. Die aus <strong>de</strong>r Humanmedizin<br />
stammen<strong>de</strong> Methodik <strong>de</strong>r Lebensdaueranalyse<br />
wur<strong>de</strong> tierzüchterischen<br />
Problemstellungen angepasst und somit<br />
für die Zuchtwertschätzung <strong>de</strong>r<br />
Nutzungsdauer verwen<strong>de</strong>t. Auf <strong>de</strong>r<br />
Datengrundlage von ca. 39.000 Kühen<br />
konnte mit Hilfe <strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong><br />
nachgewiesen wer<strong>de</strong>n, dass Kühe mit<br />
einem hohen, fest aufgehängten Euter,<br />
enger vor<strong>de</strong>rer Strichstellung und<br />
einem starken Zentralband eine überdurchschnittliche<br />
funktionale Nutzungsdauer<br />
erreichten. Hohe Klauen<br />
und eine mittlere Körpertiefe führten<br />
ebenfalls zu einem signifikant vermin<strong>de</strong>rten<br />
Ausfallrisiko. Dürr et al.<br />
(1999) konnten über das Weibull-Mo<strong>de</strong>ll<br />
zwischen Zuchtwerten aus kombinierten<br />
Körperformmerkmalen <strong>de</strong>s<br />
Typs, <strong>de</strong>r Körperkapazität, <strong>de</strong>r Klauen<br />
und Gliedmaßen sowie <strong>de</strong>s Euters sowohl<br />
für die wahre wie funktionale<br />
LPL signifikant positive Korrelationen<br />
ermitteln (r=0,19 — 0,46).<br />
Aufgrund <strong>de</strong>r bisher teilweise wi<strong>de</strong>rsprüchlichen<br />
Zusammenhänge<br />
schien es auch von Interesse, inwie-<br />
Übersicht 15: Zusammenhang zwischen Euterform, Klauen<br />
sowie Gliedmaßen und Nutzungsdauer<br />
Merkmal ND (Jahre) F-Test<br />
Sprunggelenk spastisch 2,06<br />
steil 2,94<br />
normal 2,99<br />
stark 2,79 signifikant<br />
Strichlänge kurz 2,89<br />
normal 2,99<br />
lang 2,69 signifikant<br />
GROSSTIERPRAXIS 02/2003 11
NUTZUNGSDAUER<br />
weit zwischen <strong>de</strong>n Körper- und Euterformmerkmalen<br />
und relevanten<br />
Erkrankungen, die im negativen Zusammenhang<br />
zur Nutzungsdauer<br />
stehen, Abhängigkeiten nachzuweisen<br />
waren. In früheren Arbeiten<br />
wur<strong>de</strong> insbeson<strong>de</strong>re bei pathologischen<br />
Fällen, wie z.B. <strong>de</strong>r heute selten<br />
gewor<strong>de</strong>nen Nymphomanie, zuweilen<br />
ein maskulines Gepräge nachgewiesen.<br />
So berichtete Berger (1954)<br />
über <strong>de</strong>n Zusammenhang eines intersexuellen<br />
Typs bei Kühen mit erblichen<br />
Anlagen für Ovarialzysten.<br />
Dabei wur<strong>de</strong> vom Autor erwähnt,<br />
dass gera<strong>de</strong> diese Tiere mit ihrer<br />
enormen Brust- und Flankentiefe,<br />
guten Eutern und einer guten Kondition<br />
sich <strong>de</strong>m oberflächlichen Beobachter<br />
gera<strong>de</strong>zu als I<strong>de</strong>altyp <strong>de</strong>r<br />
schönen Kuh darstellten.<br />
Umfangreiche Untersuchungsergebnisse<br />
wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n 60er bis 80er Jahren<br />
vorgelegt, die <strong>de</strong>n Zusammenhang<br />
zwischen verschie<strong>de</strong>nen Eutermaßen<br />
und <strong>de</strong>r Mastitisanfälligkeit<br />
beschreiben. Danach konnten signifikante<br />
Beziehungen zwischen Bo<strong>de</strong>nabstand<br />
(Young et al. 1960, Hamori<br />
12 GROSSTIERPRAXIS 02/2003<br />
1980, Janicki et al 1980, Seykora et al.<br />
1985, Madsen et al. 1987, Jahnke<br />
1988), Zitzenumfang bzw. -durchmesser<br />
(Hickman 1964, Batra et al. 1984,<br />
Thomas et al. 1984, Sieber 1984, Madsen<br />
et al. 1987, Jahnke 1988) sowie<br />
differenziert zu beurteilen<strong>de</strong> Zusammenhänge<br />
zwischen Zitzenlänge und<br />
Mastitis (Thomas et al. 1984, Jensen et<br />
al. 1985, Seykora et al 1985) nachgewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
In <strong>de</strong>r neueren Literatur weisen ebenfalls<br />
Ergebnisse darauf hin, dass zwischen<br />
Merkmalen die die Formen <strong>de</strong>s<br />
Euters, <strong>de</strong>r Klauen sowie Gliedmaßen<br />
beschreiben, und klinischen Erkrankungen<br />
<strong>de</strong>s Euters und <strong>de</strong>r Klauen Zusammenhänge<br />
bestehen (Lundt et al.<br />
1994, Böttcher et al. 1998, van Dorp et<br />
al. 1998, Wells et al. 1993). Auszugsweise<br />
wer<strong>de</strong>n Ergebnisse in Übersicht<br />
16 wie<strong>de</strong>rgegeben.<br />
Nicht überraschend war die hohe<br />
Korrelation zwischen <strong>de</strong>n Merkmalen,<br />
die die Klauen, Gliedmaßen und<br />
<strong>de</strong>n Rumpf beschreiben, und <strong>de</strong>m<br />
Auftreten klinischer Klauenerkrankung.<br />
In Abhängigkeit vom Mo<strong>de</strong>ll<br />
<strong>de</strong>r Schätzung fan<strong>de</strong>n Böttcher et al.<br />
(1998) hohe genetische Korrelationen<br />
zwischen Klauenwinkel und<br />
Übersicht 16: Genetische Korrelationen (r g ) zwischen<br />
Merkmalen <strong>de</strong>r Euter- und Klauen- bzw. Gliedmaßenform<br />
und klinischer Mastitis (M) bzw. Klauenerkrankung (KE)<br />
Merkmal KE 1 KE 2 M 3 M 4 M 5 M 6<br />
Gliedmaßen und Klauen -0,46 0,09<br />
Klauenwinkel -0,76 -0,36<br />
Hintergliedmaßen -0,68<br />
Eutertiefe -0,44 0,00 0,11<br />
Euteraufhängung -0,02 0,07<br />
Zitzenlänge 0,30 0,37 0,18 0,37 0,72<br />
Rumpf -0,38<br />
Bo<strong>de</strong>nabstand -0,49 -0,36 -0,14<br />
1) Böttcher et al. 1998 (lineares Mo<strong>de</strong>ll)<br />
2) van Dorp et al. 1998<br />
3) van Dorp et al. 1998<br />
4) Jensen et al. 1985<br />
5) Madsen et al. 1987<br />
6) Lundt et al. 1994<br />
Klauenerkrankung (rg = -0,76 bzw. -<br />
0,64), Beziehungen, die auch von<br />
van Dorp et al. (1998) bestätigt wer<strong>de</strong>n<br />
konnten (rg = -0,36). Analoge Ergebnisse<br />
wur<strong>de</strong>n von Wells et al.<br />
(1993) auf phänotypischer Basis festgestellt,<br />
die bei einem um 10° abfallen<strong>de</strong>n<br />
seitlichen Klauenwinkel ein<br />
erhöhtes Klauenerkrankungsrisiko<br />
(OR = 2,4) ermittelten. Auch die genetischen<br />
Korrelationen zwischen<br />
<strong>de</strong>r Stellung <strong>de</strong>r Hintergliedmaßen<br />
und klinischen Klauenerkrankungen<br />
von rg = -0,68 unterstreichen, dass<br />
Kühe, die mit ihren Sprunggelenken<br />
eingeknickt und mit <strong>de</strong>n Klauen auswärts<br />
schräg stehen bzw. laufen, beson<strong>de</strong>rs<br />
für Klauenerkrankungen<br />
prädisponiert sind. Van Dorp et al.<br />
(1998) konnten in Übereinstimmung<br />
mit Lundt et al. (1994) mit Ausnahme<br />
<strong>de</strong>r Zitzenlänge we<strong>de</strong>r phänotypische<br />
noch genetische Korrelationen zwischen<br />
Euterformmerkmalen und<br />
Mastitis nachweisen. Die vor<strong>de</strong>ren<br />
Zitzenlängen korrelierten zum Mastitisvorkommen<br />
genetisch positiv (rg<br />
= 0,37). Danach wiesen Kühe mit<br />
mittlerer Zitzenlänge eine geringere<br />
Mastitisanfälligkeit auf.<br />
An einer umfangreichen Stichprobe<br />
prüften Hansen et al. (2002) für die<br />
dänischen Verhältnisse Zusammenhänge<br />
zwischen <strong>de</strong>m Typmerkmal<br />
„Milchcharakter“ und <strong>de</strong>r Mastitisanfälligkeit<br />
(rg = 0,24) sowie weiteren<br />
Erkrankungen (rg = 0,41). Schlussfolgernd<br />
konnte daraus abgeleitet wer<strong>de</strong>n,<br />
diesen Kennwert, wenn schon in<br />
Zuchtprogrammen vorgesehen, negativ<br />
und nicht wie in verschie<strong>de</strong>nen<br />
Län<strong>de</strong>rn (USA, Kanada, Dänemark)<br />
positiv zu wichten.<br />
Zusammenfassend ist einzuschätzen,<br />
dass Kühe mit gera<strong>de</strong>n Hintergliedmaßen<br />
und steilerem Fußwinkel<br />
zu vermin<strong>de</strong>rter Anfälligkeit gegenüber<br />
klinischen Klauenerkrankungen<br />
und Kühe mit mittleren Zitzen<br />
zu einer reduzierten Mastitisanfälligkeit<br />
neigten.
Genetische Faktoren<br />
Die Bewertung <strong>de</strong>r genetischen<br />
Aspekte ist mit Hilfe <strong>de</strong>r Heritabilitätskoeffizienten<br />
möglich. In Übersicht<br />
17 wer<strong>de</strong>n h 2 -Werte verschie<strong>de</strong>ner<br />
Autoren <strong>de</strong>r letzten 40 Jahre dargestellt.<br />
Die über verschie<strong>de</strong>ne Mo<strong>de</strong>lle<br />
bzw. unterschiedliche Kennwerte<br />
<strong>de</strong>r Nutzungsdauer ermittelten<br />
Schätzungen sind im Allgemeinen<br />
sehr niedrig, woraus abzuleiten ist,<br />
dass die genetischen Einflüsse auf die<br />
Nutzungsdauer gering sind. So liegen<br />
daher auch die Erfolgschancen einer<br />
direkten züchterischen Verbesserung<br />
<strong>de</strong>r Nutzungsdauer sehr niedrig.<br />
Haltungssysteme–<br />
Bewirtschaftungsweise<br />
Neben <strong>de</strong>n bisher dargestellten tiergesundheitlichen,<br />
genetischen und leistungsbedingten<br />
Einflüssen können als<br />
mögliche Ursachen für eine verkürzte<br />
Nutzungsdauer auch Fütterungs-, Bewirtschaftungs-<br />
und Haltungsfaktoren<br />
in Betracht gezogen wer<strong>de</strong>n. Die in <strong>de</strong>n<br />
50er Jahren durchgeführte Analyse<br />
(Richter 1959), in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Einfluss <strong>de</strong>r<br />
ganzjährigen Stallhaltung und <strong>de</strong>r<br />
Sommerwei<strong>de</strong> untersucht wur<strong>de</strong>, führte<br />
zu <strong>de</strong>m unerwarteten Ergebnis, dass<br />
Kühe in ganzjähriger Stallhaltung eine<br />
geringfügig höhere Nutzungsdauer gegenüber<br />
Wei<strong>de</strong>tieren aufwiesen. Im Gegensatz<br />
dazu kamen Sölker und Essl<br />
(1990) zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass die Sommerwei<strong>de</strong><br />
einen wesentlich positiven<br />
haltungstechnischen Einflussfaktor<br />
darstellt. Beim Fleckvieh konnte eine<br />
um 4 Monate und beim Braunvieh eine<br />
um 8 Monate verlängerte Nutzungsdauer<br />
gegenüber <strong>de</strong>r Stallhaltung ermittelt<br />
wer<strong>de</strong>n. Übereinstimmend wird<br />
davon ausgegangen, <strong>de</strong>n Kühen die<br />
Sommerwei<strong>de</strong> zumin<strong>de</strong>st für Laufstallkühe<br />
anzubieten, da <strong>de</strong>r Wei<strong>de</strong>gang<br />
generell mit einer verbesserten Gesundheit<br />
und Fruchtbarkeit verbun<strong>de</strong>n ist<br />
(Ekesbo 1966, Krohn und Rasmussen<br />
1992, Gustafson 1993, Thogersen 1995).<br />
Untersuchungen hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />
Standflächen (Kurz-Langstand) bei<br />
Konstanthaltung verschie<strong>de</strong>ner Managementfaktoren<br />
erbrachten indifferente<br />
Ergebnisse. Ebenfalls keine Ten<strong>de</strong>nzen<br />
wur<strong>de</strong>n für die mittlere Standlänge,<br />
Einstreu und Gitterrost gefun<strong>de</strong>n,<br />
während sich für die Gummimatte ein<br />
leicht positiver Trend ermitteln ließ<br />
(Sölkner und Essl 1990).<br />
Bünger et al. (2001) kommen hingegen<br />
zu <strong>de</strong>r ein<strong>de</strong>utigen Aussage, dass<br />
Stallanlagen mit Einstreu (Stroh o<strong>de</strong>r<br />
Sägemehl) einen signifikant positiven<br />
Effekt auf die LPL ausübten. Dieser<br />
Einfluss konnte sowohl in Anbin<strong>de</strong>wie<br />
auch in Laufstallanlagen ermittelt<br />
wer<strong>de</strong>n. Auch Alban und Agger<br />
NUTZUNGSDAUER<br />
(1996) kamen zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass<br />
Anlagen ohne Einstreu klare Nachteile<br />
in <strong>de</strong>r LPL zeigten. Nach Ansicht<br />
<strong>de</strong>r Autoren ist die Haltung mit Einstreu<br />
für das Wohlbefin<strong>de</strong>n und die<br />
Gesundheit <strong>de</strong>r Kühe entschei<strong>de</strong>nd.<br />
Insgesamt stellen sich die Ergebnisse<br />
als sehr wi<strong>de</strong>rsprüchlich dar, so dass es<br />
schwer fällt aus haltungstechnischer<br />
Sicht, mit Ausnahme <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n letzten<br />
Jahren gefun<strong>de</strong>nen positiven Zusammenhänge<br />
zur Einstreuhaltung,<br />
einen einheitlichen Trend abzuleiten.<br />
In vielen Studien wur<strong>de</strong> versucht, <strong>de</strong>n<br />
Einfluss <strong>de</strong>r unterschiedlichen Be-<br />
Übersicht 17: Heritabilitätsschätzwerte (h 2 ) für die Nutzungsdauer<br />
beim weiblichen Milchrind<br />
Autor Jahr h2 Merkmal<br />
White und Nichols 1965 0,13 Anzahl Laktationen<br />
Gill und Allaire 1976 0,23 Anzahl Kalbungen<br />
Pape 1982 0,10 Alter Abgang<br />
Essl 1982 0,10 Mutter-Tochter-Regr.<br />
van Dormal et al. 1985 0,04 — 0,06 VR 42, 54, 66, 78 1)<br />
1985 0,03 — 0,04 VR 17, 30, 43, 55<br />
Karras et al. 1985 0,05 — 0,08 VR 48-84<br />
Leroy 1986 0,01 VR 36<br />
0,04 VR 48<br />
Lehmann 1987 0,019 Nutztage<br />
0,125 Anzahl Laktationen<br />
Boldman et al. 1992 0,03 Funkt. ND<br />
Veerkamp et al. 1995 0,06<br />
Visscher et al. 1995 0,05 — 0,07<br />
Bötcher et al. 1999 0,04 — 0,05 Abgang 1. — 3. Laktation<br />
Dürr et al. 1999 0,09 log. LPL<br />
0,09 log. funkt. LPL<br />
Bünger et al. 2001 0,17 LPL<br />
Cruickshank et al. 2002 0,12 funkt. LPL<br />
1) VR= Verbleibrate<br />
Trotz <strong>de</strong>r niedrigen h2-Werte wur<strong>de</strong>n von Lehmann (1987) hohe Differenzen<br />
(+35 bis –30) in <strong>de</strong>n Zuchtwerten für die Überlebensrate (ÜLR 12)<br />
sowie von Klug et al. (1990) in <strong>de</strong>r ÜLR zum Abschluss <strong>de</strong>r 3. Laktation<br />
zwischen 1,1- und 25,8 % ermittelt, Hinweis auf eine hohe genetische Variabilität.<br />
GROSSTIERPRAXIS 02/2003 13
NUTZUNGSDAUER<br />
wirtschaftungsweisen sowie <strong>de</strong>r Intensität<br />
<strong>de</strong>r Bewirtschaftung auf die<br />
Nutzungsdauer nachzuweisen. In einer<br />
komplex angelegten Untersuchung<br />
konnte Hermisson (1970) eine<br />
Rangfolge <strong>de</strong>r geprüften Einflussfaktoren<br />
auf die Nutzungsdauer, gemessen<br />
am relativem Anteil <strong>de</strong>r Kühe > 6<br />
Jahre, ermitteln (Übersicht 18).<br />
Insgesamt ließen sich dabei durch diese<br />
Betriebskriterien 21,5 % <strong>de</strong>r Variation<br />
<strong>de</strong>r Nutzungsdauer erklären. Die<br />
geschätzten Korrelationen zwischen<br />
<strong>de</strong>n Bewirtschaftungskriterien bzw.<br />
<strong>de</strong>r Milchleistung und <strong>de</strong>r Nutzungsdauer<br />
lagen durchweg im signifikant<br />
negativen Bereich (Übersicht 19).<br />
Ebenso wur<strong>de</strong>n Zusammenhänge zwischen<br />
<strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Mineralstoffdüngung<br />
und ausgewählten Stoffwechselstörungen<br />
von Zacharias (1970) vorgelegt.<br />
Für die untersuchten Düngerarten<br />
(N, P2O5, K2O) sowie <strong>de</strong>n Düngungsaufwand<br />
(DM/ha) konnte sowohl für<br />
diese Störungen sowie für die Tierarztkosten<br />
ein negativer Einfluss nachgewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n (r = 0,24 — 0,30), Ergebnisse,<br />
die auch Romaniuk (1980) zwischen<br />
intensiver Mineralstoffdüngung<br />
und erhöhtem Auftreten von Ovarialzysten<br />
feststellte. Untersuchungen,<br />
die <strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>r alternativen<br />
Landwirtschaft auf die Höhe <strong>de</strong>r ND<br />
untersuchten, liegen <strong>de</strong>rzeit in äußerst<br />
Übersicht 18: Rangfolge <strong>de</strong>r<br />
untersuchten Einflussfaktoren<br />
auf die Nutzungsdauer<br />
(% Kühe > 6 Jahre) nach<br />
Hermisson (1970)<br />
1 K2O-Düngung<br />
2 Fettleistung Her<strong>de</strong><br />
3 Milchleistung Her<strong>de</strong><br />
4 Düngungsaufwand<br />
5 N-Düngung<br />
14 GROSSTIERPRAXIS 02/2003<br />
geringem Umfang vor. So konnte<br />
Kuhlendahl (1989) nachweisen, dass<br />
sich durch die Umstellung von konventioneller<br />
auf alternative Wirtschaftsweise<br />
das Durchschnittsalter<br />
von 5,5 auf 7,6 Jahre erhöhte. Vergleichen<strong>de</strong>n<br />
Untersuchungen von Klenke<br />
(1989) war dieser Zusammenhang<br />
ebenfalls zu entnehmen. Für Kühe<br />
unter alternativer Bewirtschaftung<br />
konnte eine um 10,4 % höhere Nutzungsdauer<br />
(LPL) gegenüber <strong>de</strong>r konventionellen<br />
Form ermittelt wer<strong>de</strong>n.<br />
Der relativ geringe Stichprobenumfang<br />
sowie die <strong>de</strong>utlich geringere<br />
Milchleistung <strong>de</strong>r Kühe unter alternativer<br />
Bewirtschaftung lassen eine gesicherte<br />
Aussage zu <strong>de</strong>n ökonomischen<br />
Vorteilen nicht zu.<br />
Züchterische<br />
Einflussnahme<br />
Die unbestrittenen ökonomischen<br />
Vorteile einer langen Nutzungsdauer<br />
(ND) beim weiblichen Milchrind waren<br />
immer wie<strong>de</strong>r Anlass, auch nach<br />
Wegen einer züchterischen Einflussnahme<br />
zu suchen. Danach ist die ND<br />
ein wichtiges, nicht mehr wegzu<strong>de</strong>nken<strong>de</strong>s<br />
Selektionsmerkmal, <strong>de</strong>ssen Be<strong>de</strong>utung<br />
für <strong>de</strong>n Zuchtwert <strong>de</strong>r Kuh<br />
außer Zweifel steht.<br />
Es ist allerdings zu berücksichtigen,<br />
dass die ND als Selektionsmerkmal relativ<br />
spät vorliegt und bei einer direkten<br />
Berücksichtigung zu einer wesentlichen<br />
Verlängerung <strong>de</strong>s Generationsintervalls<br />
führen wür<strong>de</strong>. An<strong>de</strong>rerseits<br />
ist darauf hinzuweisen, dass resultierend<br />
aus einem ungünstigen Umwelt-<br />
gefüge eine hohe Rate von Zwangsmerzungen<br />
die Intensität <strong>de</strong>r Leistungsselektion<br />
erheblich einschränkt<br />
und somit Aussagen zur züchterischen<br />
Beeinflussung <strong>de</strong>r Nutzungsdauer<br />
verzerrt wer<strong>de</strong>n. Ebenso wur<strong>de</strong>n<br />
in allen Untersuchungen relativ<br />
niedrige Heritabilitäten geschätzt,<br />
woraus abzuleiten ist, dass die Erfolgsaussichten<br />
einer züchterischen<br />
Beeinflussbarkeit <strong>de</strong>r ND außeror<strong>de</strong>ntlich<br />
gering sind. Schönmuth<br />
(1982) kommt ebenfalls zu <strong>de</strong>m<br />
Schluss, dass gezielte züchterische<br />
Maßnahmen einen geringen Erfolg<br />
versprechen und mit einem hohen<br />
Aufwand verbun<strong>de</strong>n sind. Die Verbesserung<br />
sollte daher in erster Linie über<br />
Umweltmaßnahmen realisiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Trotz dieser Aussagen ist die ökonomische<br />
Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r so genannten<br />
funktionalen Merkmale wie Fitness<br />
und Nutzungsdauer in <strong>de</strong>n Zuchtprogrammen<br />
entschei<strong>de</strong>nd. Das Potential<br />
für eine Verlängerung <strong>de</strong>s produktiven<br />
Lebens durch gute Fruchtbarkeit<br />
und Gesundheit reduziert die<br />
Zwangsmerzungen und ermöglicht<br />
somit <strong>de</strong>n Spielraum für freiwillige<br />
Merzungen.<br />
Die absolute Information „Nutzungsdauer“<br />
ist aber ohne Kenntnis <strong>de</strong>r<br />
auf sie wirken<strong>de</strong>n Faktoren für die<br />
Zucht Be<strong>de</strong>utungslos. Es sind daher<br />
Kennwerte zu suchen, die zeitiger als<br />
die ND erfassbar sind und von <strong>de</strong>nselben<br />
Einflussfaktoren abhängen,<br />
die die ND beeinflussen bzw. zu dieser<br />
in genetischer Beziehung stehen<br />
(Simon 1989).<br />
Übersicht 19: Korrelationen zwischen Einflussfaktoren<br />
und Nutzungsdauer (Hermisson 1970)<br />
Einflussfaktor r<br />
N-Düngung in kg/ha -0,249<br />
K2O -0,257<br />
Düngungsaufwand DM/ha -0,305<br />
Her<strong>de</strong>nfettleistung -0,210
Bereits 1984 wies Essl darauf hin, einen<br />
Teil <strong>de</strong>s vorliegen<strong>de</strong>n Selektionspotentials<br />
<strong>de</strong>r Milchleistung für die<br />
Erhaltung bzw. Verbesserung <strong>de</strong>r ND<br />
zu verwen<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren<br />
wur<strong>de</strong>n umfangreiche Untersuchungsergebnisse<br />
vorgelegt, die sich<br />
ausschließlich mit züchterischen<br />
Möglichkeiten und <strong>de</strong>r ökonomischen<br />
Relevanz dieser Maßnahmen<br />
befass-ten. Insbeson<strong>de</strong>re rückten Untersuchungen<br />
und Analysen in <strong>de</strong>n<br />
Vor<strong>de</strong>rgrund, die sich mit <strong>de</strong>m Zusammenhang<br />
von Exterieurmerkmalen<br />
und ND bzw. dieser und die ND<br />
beeinflussen<strong>de</strong>n Erkrankungen —<br />
insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Klauen und <strong>de</strong>s Euters<br />
auseinan<strong>de</strong>r setzten. In einer<br />
komplex angelegten Analyse verfolgten<br />
Veerkamp et al. (1995) das<br />
Ziel, über verschie<strong>de</strong>ne In<strong>de</strong>xkonstruktionen<br />
<strong>de</strong>n Zusammenhang<br />
zwischen diesen Faktoren und <strong>de</strong>r<br />
LPL sowie <strong>de</strong>n ökonomischen Wert<br />
dieser unterschiedlichen Wichtungen<br />
nachzuweisen. Übersicht 20 gibt<br />
einen Überblick dieser Indices sowie<br />
<strong>de</strong>r Auswirkungen.<br />
Auch van Ra<strong>de</strong>n und Wiggans (1995)<br />
kamen zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass ein In<strong>de</strong>x,<br />
in <strong>de</strong>m die Zuchtwerte <strong>de</strong>r Milchleistung<br />
und <strong>de</strong>r LPL kombiniert sind<br />
und <strong>de</strong>r eine ökonomische Wichtung<br />
von 2,5:1 (Milch:LPL) aufwies, <strong>de</strong>n<br />
ökonomischen Fortschritt um 4 %<br />
steigerte. In<strong>de</strong>xkonstruktionen mit<br />
unterschiedlicher Wichtung <strong>de</strong>r LPL<br />
zur Milchleistung wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Literatur<br />
in einer Vielzahl von Publikationen<br />
vorgestellt. Sie sind breit gestreut<br />
(0,8:1 — 8,0:1), woraus <strong>de</strong>r unterschiedliche<br />
Stellenwert <strong>de</strong>r ND in<br />
<strong>de</strong>r Selektion hervorgeht (Allaire und<br />
Gibson 1992, Congleton und King<br />
1984, Dekkers 1992, Harris und Freeman<br />
1993, Rogers und McDaniels<br />
1989, Arendonk 1991). Schlussfolgernd<br />
wird dazu von Strandberg<br />
(1997) herausgestellt, im Zuchtziel<br />
<strong>de</strong>n Gewinn einer Kuh höher zu bewerten<br />
als die absolute LPL an sich. So<br />
sehen Groen et al. (1997) zwei Haupt-<br />
wege in <strong>de</strong>r Herleitung <strong>de</strong>r ökonomischen<br />
Be<strong>de</strong>utung für die Länge <strong>de</strong>s<br />
produktiven Lebens:<br />
a) <strong>de</strong>n ökonomischen Wert <strong>de</strong>r ansteigen<strong>de</strong>n<br />
LPL,<br />
b) <strong>de</strong>n ökonomischen Wert einer reduzierten<br />
Zwangsmerzung.<br />
Züchterisch scheinen somit zwei unterschiedliche<br />
Komplexe von ökonomischer<br />
Relevanz zu sein, die die LPL<br />
beeinflussen:<br />
a) die Höhe <strong>de</strong>r Erkrankungen, als Ursache<br />
erhöhter Zwangsmerzungen,<br />
b) Merkmale, die mehr o<strong>de</strong>r weniger mit<br />
<strong>de</strong>r ND im Zusammenhang stehen.<br />
Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge<br />
bzw. Abhängigkeiten<br />
wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n nordischen Län<strong>de</strong>rn<br />
die Schwerpunke in <strong>de</strong>n Zuchtprogrammen<br />
neben <strong>de</strong>r Milchleistung (19<br />
NUTZUNGSDAUER<br />
— 60 %) verstärkt auf die Sekundärmerkmale<br />
wie Fruchtbarkeit, Erkrankungen,<br />
Kalbeverhalten, Euterform<br />
etc. gelegt. Übersicht 21 gibt einen<br />
Auszug <strong>de</strong>r Wichtungen.<br />
Die Gesamtzuchtwerte unterschiedlicher<br />
Populationen unterschei<strong>de</strong>n sich<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r Wichtung wie auch<br />
Merkmale <strong>de</strong>utlich, wobei allgemein<br />
eine Ten<strong>de</strong>nz zur stärkeren Berücksichtigung<br />
funktionaler Merkmale zu<br />
beobachten ist.<br />
Eine relativ hohe Wichtung von 37<br />
— 46 % allein für die Merkmale<br />
„Euterform + Fruchtbarkeit +<br />
Krankheiten“ unterstreicht in diesen<br />
Län<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n hohen Stellenwert <strong>de</strong>r<br />
Sekundärmerkmale in <strong>de</strong>n Zuchtprogrammen.<br />
Übersicht 20: Selektionsindices mit unterschiedlicher<br />
Zielfunktion und ökonomische Auswirkungen (Veerkamp<br />
et al. 1995)<br />
Zielfunktion<br />
Gewinn Milchleistung LPL<br />
Wichtungsfaktoren (Zuchtwert):<br />
Milch -0,02 -0,03 0,01<br />
Fett (kg) 0,60 0,60 0,00<br />
Eiweiß (kg) 3,92 4,04 -0,12<br />
Winkelung 1,8 1,8<br />
Foot angle 1,1 1,1<br />
Euterform 2,7 2,7<br />
Zitzenlänge<br />
Auswirkungen:<br />
-2,5 -2,5<br />
LPL (%) 0,14 0 0,81<br />
Milch (kg) 117 119 0<br />
Fett (kg) 4,9 5,0 0<br />
Eiweiß (kg) 3,9 3,9 0<br />
Gewinn 1) 1) engl. Pfund<br />
15,6 15,3 2,7<br />
Mit <strong>de</strong>n Ergebnissen konnten die Autoren unterstreichen, dass mit <strong>de</strong>r In<strong>de</strong>xkombination<br />
aus Milchmengenmerkmalen und ND ein höherer Gewinn<br />
gegenüber einer ausschließlichen Leistungsselektion zu erzielen war,<br />
wobei dieser aus <strong>de</strong>r verlängerten LPL resultierte.<br />
GROSSTIERPRAXIS 02/2003 15
NUTZUNGSDAUER<br />
Wünsch und Bergfeld (2002) gehen<br />
davon aus, dass <strong>de</strong>rartige Größenordnungen<br />
auch unter <strong>de</strong>utschen Bedingungen<br />
relevant sein können. Auszugsweise<br />
wer<strong>de</strong>n in Übersicht 22 die<br />
über Mo<strong>de</strong>llkalkulationen abgeleiteten<br />
Faktoren dieser Untersuchung dargestellt.<br />
Im vorgelegten Mo<strong>de</strong>ll kommen<br />
die Autoren bereits zu einer <strong>de</strong>utlich<br />
reduzierten (ca. 45 %) Wichtung für<br />
die Milchmengenmerkmale und zu einer<br />
wesentlich erhöhten (>50 %) für<br />
die funktionalen Merkmale. Auffallend<br />
an <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Merkmale<br />
und <strong>de</strong>ren Wichtung ist, dass die Autoren<br />
im Gegensatz zu Empfehlungen<br />
an<strong>de</strong>rer Untersucher bzw. <strong>de</strong>r Berücksichtigung<br />
in Zuchtprogrammen und<br />
In<strong>de</strong>xkonstruktionen auf Exterieurund<br />
Euterformmerkmale, Milchinhaltsstoffe<br />
sowie Gesundheitsdaten<br />
(Ausnahme Mastitis) ganz verzichten<br />
und hier versuchen, wahrscheinlich<br />
aufgrund ökonomisch realisierbarer<br />
Möglichkeiten, über das Merkmal<br />
„Nutzungsdauer“ diesen Teil mit abzu<strong>de</strong>cken.<br />
Inwieweit damit die in dieser<br />
Population erhöhten Merzungsraten<br />
aufgrund von konstitutionsbedingten<br />
Erkrankungen (Bergfeld und Klunker<br />
2002) eingeschränkt und die Ursachen<br />
reduziert wer<strong>de</strong>n, muss die Anwen-<br />
16 GROSSTIERPRAXIS 02/2003<br />
dung dieser Konstruktion perspektivisch<br />
zeigen. Es bleibt nach wie vor offen,<br />
ob über indirekte Selektionsmerkmale<br />
die ursächlichen Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r erhöhten<br />
Zwangsmerzung, die konstitutionsbedingten<br />
Krankheiten, minimiert<br />
wer<strong>de</strong>n können.<br />
Auch für das Zweinutzungsrind, das<br />
Fleckvieh, erfahren die Produktionsmerkmale<br />
eine Wichtung von 63 %,<br />
während die funktionalen Merkmale<br />
bei 37 % liegen (Zellzahl, Nutzungsdauer<br />
und Fruchtbarkeit mit je 12,3 %,<br />
Milchleistung mit 41 %, Fleischwert<br />
mit 21 %). In Österreich ist perspektivisch<br />
eine noch stärkere Berücksichtigung<br />
funktionaler Merkmale geplant<br />
(Krogmeier 2001). Trotz einer Wichtung<br />
Milch : Fleisch : Fitness von 37 :<br />
18 : 45 für das Zweinutzungsrind im<br />
Gesamtzuchtwert konnten Baumung<br />
und Sölkner (1999) berichten, dass<br />
mehr als 80 % <strong>de</strong>s Zuchtfortschritts<br />
über die Verbesserung <strong>de</strong>r Michleistung<br />
zu erwarten sind.<br />
Um eine Verbesserung <strong>de</strong>r Gesundheits-<br />
und Fitnessmerkmale über züchterische<br />
Maßnahmen zu erreichen,<br />
sind aus Sicht von Krogmeier (2001)<br />
eine Reihe von Ansätzen <strong>de</strong>nkbar:<br />
- Verbesserung <strong>de</strong>r Zuchtwertschätzung<br />
für funktionale Merkmale,<br />
Übersicht 21: Wichtungsfaktoren <strong>de</strong>r in die Selektion<br />
einbezogener Merkmale<br />
Merkmal NOR<br />
Land<br />
SW DEN FIN<br />
Milchleistung 19 29 29 60<br />
Fleisch 11 7 12 0<br />
Melkbarkeit 5 0 8 0<br />
Körperform 5 3 6 0<br />
Euterform 9 24 18 12<br />
Temperament 4 9 1 0<br />
Fruchtbarkeit 12 9 10 16<br />
Kalbeverhalten 8 6 7 0<br />
Mastitis 18 9 9 12<br />
sonstigen Krankheiten 1 4 0 0<br />
- stärkere Wichtung <strong>de</strong>r funktionalen<br />
Merkmale im Zuchtziel,<br />
- Erhöhung <strong>de</strong>r Töchterzahlen von<br />
Prüfbullen,<br />
- markergestützte Selektion (Nutzung<br />
von QTLs).<br />
Allgemein betrachtet liegt die Relation<br />
in <strong>de</strong>r Bewertung zwischen Milchleistungsmerkmalen<br />
und funktionalen<br />
Merkmalen <strong>de</strong>rzeit meist bei 60: 40<br />
(Swalve 2000). Nach Wünsch und<br />
Bergfeld (2001) wird sich das Verhältnis<br />
jedoch aufgrund <strong>de</strong>r Aufnahme neuer<br />
Merkmale und durch die Abnahme <strong>de</strong>s<br />
Milchpreises weiter zugunsten <strong>de</strong>r<br />
funktionalen Merkmale verän<strong>de</strong>rn.<br />
Ob damit das Verhältnis, wie von Steine<br />
und Sehested (1999) auf 70: 30 vorgeschlagen,<br />
zuungunsten <strong>de</strong>r Milchleistungsmerkmale<br />
verschoben wird,<br />
bleibt abzuwarten.<br />
Für <strong>de</strong>n Deutschen Holstein-Verband<br />
wur<strong>de</strong> 2002 die Einführung eines weiterentwickelten<br />
Gesamtzuchtwertes beschlossen,<br />
<strong>de</strong>r im August 2002 zur Anwendung<br />
kam. Hierbei war ein wichtiges<br />
Ziel, neben relevanten Informationen<br />
zur Eutergesundheit, wichtigen<br />
Exterieurmerkmalen und Kalbeeigenschaften<br />
für jüngere Bullen einen Nutzungsdauerzuchtwert<br />
zur Verfügung<br />
zu stellen, <strong>de</strong>r mit einer <strong>de</strong>utlich höheren<br />
Wichtung (25 %) gegenüber <strong>de</strong>m<br />
alten Gesamtzuchtwert (6 %) eingeht.<br />
Neben einer unverän<strong>de</strong>rten Wichtung,<br />
jedoch leichten Umverteilung <strong>de</strong>r Exterieurmerkmale<br />
zugunsten von Fundament<br />
und Euter (Ruten und Rensig<br />
2001) und einer Reduzierung <strong>de</strong>r Eutergesundheit<br />
von 14 auf 5 % wur<strong>de</strong><br />
die Milchleistung als ökonomisch relevantester<br />
Komplex von <strong>de</strong>r Höhe her<br />
mit 50 % etwas geringer (vorher 56 %)<br />
berücksichtigt. Zusätzlich erfahren die<br />
Gehaltswerte eine zusätzliche Be<strong>de</strong>utung.<br />
Mit <strong>de</strong>r 50 %-igen Wichtung im<br />
Gesamtzuchtwert (RZG) liegt Deutschland<br />
im international üblichen Rahmen,<br />
wobei die Extreme mit 35 % (Dänemark)<br />
und 88 % (Neuseeland) <strong>de</strong>utlich<br />
abweichen.
Im internationalen Vergleich stellt<br />
sich die Wichtung für die ND im Gesamtzuchtwert<br />
als wegweisend dar.<br />
Die Auswirkungen <strong>de</strong>s neuen Gesamtzuchtwerts<br />
wer<strong>de</strong>n sich nach<br />
Rensing et al. (2002) grundsätzlich in<br />
die erwartete Richtung verschieben:<br />
a) mehr Zuchtfortschritt bei <strong>de</strong>r ND,<br />
b) Abschwächung <strong>de</strong>s negativen<br />
Trends in <strong>de</strong>n Inhaltsstoffen <strong>de</strong>r<br />
Schwarzbunten,<br />
c) trotz Reduzierung <strong>de</strong>r Eutergesundheitswichtung<br />
(14 % auf 5 %)<br />
eine genetische Verbesserung <strong>de</strong>r<br />
Eutergesundheit aufgrund einer<br />
indirekten Selektionswirkung über<br />
<strong>de</strong>n stark gewichteten Nutzungsdauerzuchtwert.<br />
Gewinner dieser Umstellung wer<strong>de</strong>n<br />
Vererber mit hohen Inhaltsstoffen und<br />
hoher Nutzungsdauer sein. Ebenso<br />
wer<strong>de</strong>n Bullen mit guter Eutergesundheit<br />
und Exterieurvererbung mit Stärken<br />
im Fundament und Euter zu Vorteilen<br />
in <strong>de</strong>r Rangfolge im neuen RZG<br />
kommen.<br />
Detaillierte Informationen zu diesem<br />
Thema sind <strong>de</strong>n Arbeiten von Ruten<br />
und Rensing (2001) sowie Rensing et<br />
al. (2002) zu entnehmen.<br />
Die optimistischen Einschätzungen<br />
<strong>de</strong>r Rin<strong>de</strong>rzuchtverbän<strong>de</strong>, die übereinstimmend<br />
davon ausgehen, dass<br />
die Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>n Milchviehhaltern<br />
entgegen kommen, berechtigen<br />
dazu, dass mit <strong>de</strong>r Einführung ein<br />
Zuchtfortschritt für die ND realisierbar<br />
ist.<br />
Inwieweit das Hauptproblem einer reduzierten<br />
ND, die erhöhte Krankheitsanfälligkeit,<br />
sich durch diese züchterische<br />
Maßnahme beeinflussen lässt,<br />
ist eine Frage, die perspektivisch beantwortet<br />
wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Zusammenfassend ist einzuschätzen,<br />
dass neben einer optimalen Gestaltung<br />
<strong>de</strong>r Umwelt züchterische Maßnahmen<br />
erfolgversprechend sein können.<br />
Zusammenfassung<br />
1.Auf <strong>de</strong>r Basis von ca. 300 Literaturangaben<br />
<strong>de</strong>r letzten 80 Jahre<br />
und eigenen Untersuchungen wird<br />
ein Überblick zur wirtschaftlichen<br />
Be<strong>de</strong>utung, umfangreicher Einflussfaktoren<br />
sowie die Möglichkeiten<br />
einer züchterischen Verbesserung<br />
<strong>de</strong>r Nutzungsdauer beim<br />
weiblichen Milchrind gegeben.<br />
2.Eine Erhöhung <strong>de</strong>r Nutzungsdauer<br />
führt zu:<br />
a) einer Reduzierung <strong>de</strong>r Bestandsergänzungskosten,<br />
b) einer Erhöhung <strong>de</strong>r mittleren<br />
Her<strong>de</strong>nleistung durch die Anteilserhöhung<br />
<strong>de</strong>r Kühe in älteren,<br />
leistungsstärkeren Altersgruppen,<br />
c) einer Reduzierung <strong>de</strong>r Nachzucht,<br />
d) einer Erhöhung <strong>de</strong>r möglichen<br />
freiwilligen Merzung.<br />
3.Unumgängliche Voraussetzung für<br />
eine Verlängerung <strong>de</strong>r Nutzungsdauer<br />
ist die Reduzierung <strong>de</strong>s Erkrankungsgeschehens,<br />
wobei die<br />
Bekämpfung <strong>de</strong>r Sterilität und die<br />
Reduzierung <strong>de</strong>r Mastitisanfälligkeit,<br />
Klauenerkrankungen und<br />
NUTZUNGSDAUER<br />
Stoffwechselstörungen beson<strong>de</strong>re<br />
Priorität haben. Die Einbeziehung<br />
<strong>de</strong>r Gesundheitsdaten in das Zuchtprogramm<br />
ist aktueller <strong>de</strong>nn je.<br />
4.Eine normgerechte Aufzucht ist<br />
Grundvoraussetzung einer hohen<br />
Nutzungsdauer. Intensiv aufgezogene<br />
Jungrin<strong>de</strong>r wiesen als Kuh eine<br />
erhöhte Sterilitätsrate sowie eine<br />
<strong>de</strong>utlich vermin<strong>de</strong>rte Nutzungsdauer<br />
auf. Schnelles Jugendwachstum<br />
scheint einen negativen Einfluss<br />
auf die Länge <strong>de</strong>s produktiven Lebens<br />
zu haben.<br />
5.Die Zusammenhänge zwischen <strong>de</strong>r<br />
Milchleistung in <strong>de</strong>r 1. Laktation<br />
und <strong>de</strong>r Nutzungsdauer korrelieren<br />
phänotypisch und genetisch<br />
schwach positiv und erklären nur<br />
einen geringen Teil <strong>de</strong>r Varianz, so<br />
dass weitere Faktoren eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Rolle spielen müssen.<br />
So ist <strong>de</strong>r Einfluss <strong>de</strong>r unfreiwilligen<br />
Merzung, bedingt durch eine<br />
hohe Krankheitsrate, ein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r<br />
Faktor zur Verzerrung <strong>de</strong>r<br />
Schätzwerte. Hoch veranlagte<br />
Kühe in einer suboptimalen Umwelt<br />
neigen zu erhöhten Gesundheitsstörungen<br />
und resultierend<br />
daraus zu Zwangsmerzungen, die<br />
somit die Zusammenhänge zwi-<br />
Übersicht 22: Ökonomische Wichtungsfaktoren für<br />
Milchleistung und funktionale Merkmale (Wünsch und<br />
Bergfeld 2002)<br />
Merkmal (Gesamtzuchtwert) Einheit Grenznutzen (%)<br />
Fett- und Eiweißmenge kg 45,9<br />
Nutzungsdauer Tage 30,7<br />
Konzeptionsrate % 3,1<br />
Kalbeverhalten Klasse 0,3<br />
Totgeburtenrate % 1,4<br />
Persistenz s 4,7<br />
Mastitisresistenz % 9,9<br />
Melkbarkeit kg/min 4,0<br />
Summe 100,0<br />
GROSSTIERPRAXIS 02/2003 17
NUTZUNGSDAUER<br />
schen Milchleistung und Nutzungsdauer<br />
beeinflussen.<br />
6.Zusammenhänge zwischen <strong>de</strong>m<br />
Milcheiweißgehalt und <strong>de</strong>r Nutzungsdauer<br />
waren in allen Untersuchungen<br />
phänotypisch wie genetisch<br />
positiv. Mit <strong>de</strong>r züchterischen<br />
Verbesserung <strong>de</strong>s Eiweißgehalts besteht<br />
die Möglichkeit das Risiko bestimmter<br />
postpartaler Störungen<br />
(Ketose, Endometritis, Mastitis) zu<br />
reduzieren und somit die Nutzungs-<br />
FÜR SIE GELESEN<br />
18 GROSSTIERPRAXIS 02/2003<br />
dauer über diesen Weg zu erhöhen.<br />
7.Die Aussagen zum Einfluss von Haltungssystemen<br />
und Bewirtschaftungsweisen<br />
waren wi<strong>de</strong>rsprüchlich,<br />
ten<strong>de</strong>nziell wenig aussagekräftig<br />
und im Feld auf <strong>de</strong>r Basis von freiwilligen<br />
Erhebungen schwer interpretierbar.<br />
Experimentelle Untersuchungen<br />
in Verbindung mit <strong>de</strong>r Beurteilung<br />
indirekter Kennwerte, die<br />
im Zusammenhang Nutzungsdauer<br />
stehen, könnten aussagefähiger sein.<br />
8.Mit <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>r höher gewichteten<br />
Nutzungsdauer im Gesamtzuchtwert<br />
bestehen berechtigte<br />
Aussichten die Nutzungsdauer auch<br />
Anschrift <strong>de</strong>r Verfasser:<br />
Lan<strong>de</strong>sforschungsanstalt für<br />
Landwirtschaft und Fischerei<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Institut für Tierproduktion<br />
Wiss. Direktor: Prof. O. Weiher<br />
Wilhelm-Stahl-Allee<br />
18196 Dummerstorf<br />
Tel.: 038208-6300; Fax: 038208-63011<br />
E-Mail: lfamv.ift@t-online.<strong>de</strong><br />
Internet: www.landwirtschaft-mv.<strong>de</strong><br />
Die Ökobauern <strong>de</strong>s Jahres gekürt<br />
Gute Gute Beispiele Beispiele trotz trotz Agrarkrise: Agrarkrise: vom vom echten echten Bio-Imker Bio-Imker über über glückliche glückliche Hühner Hühner in in ihren ihren ihren Wohnmobilen<br />
Wohnmobilen<br />
bis bis zu zu vegetarischen vegetarischen Forellen. Forellen. Umsatz Umsatz Umsatz von von Öko-Lebensmitteln Öko-Lebensmitteln im im Jahr Jahr 2002 2002 2002 weiter weiter gestiegen, gestiegen, gestiegen, wenn wenn<br />
wenn<br />
auch auch auf auf niedrigem niedrigem Niveau.<br />
Niveau.<br />
Trotz allgemeiner Kaufzurückhaltung<br />
mel<strong>de</strong>ten die Statistiker Positives<br />
pünktlich zum Tag <strong>de</strong>s Ökolandbaus:<br />
Ökolebensmittel verzeichneten im Jahr<br />
2002 mit einem Umsatzplus von etwa<br />
10 Prozent erneut einen <strong>de</strong>utlichen<br />
Aufschwung. Bereits 2001 war <strong>de</strong>r Umsatz<br />
von Ökoerzeugnissen von 2 Milliar<strong>de</strong>n<br />
Euro im Jahr 2000 auf 2,7 Milliar<strong>de</strong>n<br />
Euro gestiegen. Im vergangenen<br />
Jahr lag <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Ökoprodukte<br />
am Lebensmittelumsatz in Deutschland<br />
bei 2,3 Prozent, so die Zentrale Marktund<br />
Preisberichtsstelle.<br />
Damit es weiter aufwärts geht, brauchen<br />
die Biobauern noch viele schlaue<br />
Einfälle, wie Ökolandbau einfacher<br />
und besser betrieben wer<strong>de</strong>n kann. Das<br />
Bun<strong>de</strong>sministerium für Verbraucherschutz,<br />
Ernährung und Landwirtschaft<br />
lobt <strong>de</strong>shalb seit 2001 <strong>de</strong>n jährlichen<br />
För<strong>de</strong>rpreis Ökologischer Landbau aus.<br />
Er geht an Menschen o<strong>de</strong>r Firmen mit<br />
beispielhaften Lösungen im gesamten<br />
Agrarbereich.<br />
Günther Friedmann gilt als ein Vorreiter<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Demeter-Imkerei.<br />
Er betreut etwa 400 Völker beson<strong>de</strong>rs<br />
bienengerecht und setzt sich auch für<br />
Hornissen und Wespen ein. Zwar<br />
kann auch Friedmann seinen Ökobienen<br />
nicht verbieten, auf Nicht-<br />
Ökoflächen zu schwirren. Aber er<br />
hat die Haltung und Fütterung optimiert<br />
und sehr gut auf Berufs- und<br />
Hobbyimker übertragbar gemacht.<br />
Seine Metho<strong>de</strong>n zeigen, dass Bienen,<br />
die Naturwabenbau betreiben und<br />
ihrem natürlichen Schwarmtrieb<br />
folgen dürfen, auch für <strong>de</strong>n Imker<br />
rentabel sind.<br />
Die Preisträger Iris und Max Weiland<br />
vom Freu<strong>de</strong>ntalhof bei Witzenhausen<br />
hingegen haben ein bisher ungelöstes<br />
Problem bei <strong>de</strong>r Hühnerhaltung angegangen:<br />
Wie ermöglicht man angesichts<br />
<strong>de</strong>r heute üblichen und für ein<br />
Auskommen nötigen tausen<strong>de</strong>n von<br />
Hühnern pro Bauer eine Freilandhaltung?<br />
„Hühner in einer solchen Zahl<br />
über züchterische Maßnahmen zu<br />
verbessern.<br />
ruinieren immer <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n direkt vor<br />
<strong>de</strong>m Stall“ sagt Max Weiland. Sie<br />
fressen noch die letzten Hälmchen<br />
Gras ab und hinterlassen zentnerweise<br />
Kacke. “Dann kriegen sie Parasiten<br />
und Krankheiten und haben ein Problem.“<br />
Die Lösung <strong>de</strong>r Weilands: das<br />
Hühnermobil, ein fahrbarer Hühnerstall<br />
mit 500 o<strong>de</strong>r 1.000 Tieren. Der<br />
wird alle vierzehn Tage umgesetzt,<br />
was Bo<strong>de</strong>nschä<strong>de</strong>n vermei<strong>de</strong>t und die<br />
Hor<strong>de</strong>n immer auf frischer Wiese<br />
scharren lässt.<br />
Allerdings hat das Glück seinen Preis.<br />
Pro Ei kostet das Mobil ein paar Cent<br />
mehr als ein Käfigstall. Dazu kommen<br />
noch einige Cent höhere Arbeitskosten<br />
gegenüber einem Stall mit zehntausen<strong>de</strong>n<br />
von Tieren. Dafür hat man<br />
aber auch eine Rarität zu verkaufen:<br />
Freilan<strong>de</strong>ier, die unter tiergerechten<br />
Umstän<strong>de</strong>n im Freiland erzeugt wer<strong>de</strong>n<br />
(www.huehnermobil.<strong>de</strong>).<br />
(Quelle: taz vom 25.01.03)