21.02.2013 Aufrufe

Schweizerische Ärztezeitung Bollettino dei medici svizzeri Bulletin des

Schweizerische Ärztezeitung Bollettino dei medici svizzeri Bulletin des

Schweizerische Ärztezeitung Bollettino dei medici svizzeri Bulletin des

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

16<br />

18.4.2012<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

S chweizerische <strong>Ärztezeitung</strong><br />

<strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong><br />

<strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses<br />

Editorial 571<br />

Managed Care: so nicht!<br />

Swiss Medical Board 576<br />

Fragestellungen <strong>des</strong> Swiss Medical Board<br />

im Jahr 2012<br />

SAMW 579<br />

Medizin für alle? Ethische Anforderungen<br />

an Kosten-/Nutzenbewertungen in der Medizin<br />

Tribüne 594<br />

Kinder psychisch kranker Eltern: gemeinsame Aufgabe<br />

von Erwachsenen-, Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

Horizonte 603<br />

Wer wird ein guter Chefarzt sein?<br />

«Zu guter Letzt» von Erhard Taverna 610<br />

Dolmetschen<br />

Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch<br />

Organe officiel de la FMH et de FMH Services www.bullmed.ch<br />

<strong>Bollettino</strong> ufficiale della FMH e del FMH Services


FMH<br />

Editorial<br />

571 Managed Care: so nicht!<br />

Zentralvorstand<br />

573 Zentralvorstandssitzung<br />

vom 23. Februar 2012<br />

574 Personalien<br />

Weitere Organisationen und Institutionen<br />

Swiss Medical Board<br />

576 Fragestellungen <strong>des</strong> Swiss Medical Board<br />

im Jahr 2012<br />

Swiss Medical Board<br />

Nach den vieldiskutierten Empfehlungen zum PSA-Test<br />

wird das Swiss Medical Board im Jahr 2012 den Nutzen<br />

dreier weiterer medizinischer Leistungen analysieren las-<br />

sen. Lesen Sie, welche es sein werden.<br />

Symposium<br />

577 Qualitätssicherung – es wird konkreter,<br />

aber nicht leichter<br />

Christoph Röder<br />

Verantwortung und Entscheidungen für Qualitäts-<br />

sicherung werden nicht selten wie der «Schwarze<br />

Peter» hin und her geschoben: vom Bund zu den<br />

Versicherern, weiter zu den Leistungserbringern<br />

und zurück. Das Symposium «Qualitätsmanage-<br />

ment – vom Schwarzen Peter zum Wettbewerbs-<br />

faktor» erörtert vielfältige Aspekte und Perspekti-<br />

ven. Im Rahmen der Veranstaltung wird auch der<br />

Swiss Quality Award verliehen.<br />

SAMW<br />

579 Medizin für alle? Ethische Anforderungen<br />

an Kosten-/Nutzenbewertungen in der<br />

Medizin<br />

<strong>Schweizerische</strong> Akademie der Medizinischen<br />

Wissenschaften<br />

Informationen zum Programm einer gemeinsamen<br />

Tagung der Nationalen Ethikkommission im Bereich<br />

Humanmedizin und der <strong>Schweizerische</strong>n Akademie der<br />

Medizinischen Wissenschaften. Die Tagung beleuchtet<br />

konkrete Beispiele aus Intensivmedizin und Onkologie,<br />

fragt nach Möglichkeiten und Grenzen der Bewertung<br />

von Lebensqualität und diskutiert bisherige Erfahrungen.<br />

biaggi & partner<br />

580 Führungsseminar für Oberärztinnen und<br />

Oberärzte, Leitende Ärztinnen und<br />

Leitende Ärzte 2012–2013<br />

Jean Biaggi<br />

Briefe / Mitteilungen<br />

581 Briefe an die SÄZ<br />

583 Facharztprüfung /Mitteilungen<br />

FMH Services<br />

584 Rechtsschutzversicherung für Ärzte<br />

FMH Insurance Services<br />

586 Stellen und Praxen<br />

Tribüne<br />

INHALT<br />

Thema<br />

594 Eine gemeinsame Aufgabe von Erwachsenen-<br />

sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

Elisabeth Schmidt, Suzanne von Blumenthal,<br />

Jörg Leeners<br />

Die psychische Erkrankung eines Elternteils stellt für Kin-<br />

der einen bedeutsamen Risikofaktor in ihrer Entwicklung<br />

dar. Um ihre Situation verbessern, haben die Psychiatri-<br />

schen Dienste und die Kinder- und Jugendpsychiatrie <strong>des</strong><br />

Kantons Graubünden ein Konzept entwickelt, das die al-<br />

tersangemessene Psychoedukation der Kinder und die<br />

Unterstützung der Eltern in den Mittelpunkt stellt.<br />

Standpunkt<br />

598 Médecine pénitentiaire en Valais,<br />

minuit moins une!<br />

Marc-Henri Gauchat<br />

Der Präsident <strong>des</strong> Walliser Ärzteverban<strong>des</strong> bezeichnet<br />

die Lage der Gefängnismedizin in seinem Kanton als<br />

b eunruhigend. Für Ärzte sei es in dieser Lage schwierig,<br />

ihrer Aufgabe adäquat nachzukommen.<br />

599 Die Schweiz tritt der Allianz ESTHER<br />

bei – welche Perspektiven eröffnen sich?<br />

Nathalie Mezger, Thomas Vogel, Beat Stoll,<br />

Alexandra Calmy<br />

2011 trat die Schweiz of-<br />

fiziell der europäischen<br />

Allianz ESTHER (Ensem-<br />

ble pour une Solidarité<br />

Thérapeutique Hospita-<br />

lière en Réseau) bei.<br />

Durch Partnerschaften<br />

zwischen Ländern und<br />

Spitälern unterstützt sie die Bekämpfung von Aids in Ent-<br />

wicklungs- und Schwellenländern. Nun gilt es, die<br />

Schweizer Gruppe zu gründen, unter Beteiligung der<br />

wichtigsten Partner: der Spitäler und der Regierung.<br />

602 Spectrum


IMPRESSUM<br />

Horizonte<br />

Redaktion<br />

Dr. med. et lic. phil. Bruno Kesseli<br />

(Chefredaktor)<br />

Dr. med. Werner Bauer<br />

Dr. med. Jacques de Haller (FMH)<br />

PD Dr. med. Jean Martin<br />

Anna Sax, lic. oec. publ., MHA<br />

Prof. Dr. med. Hans Stalder<br />

Dr. med. Erhard Taverna<br />

lic. phil. Jacqueline Wettstein (FMH)<br />

Redaktion Ethik<br />

PD Dr. theol. Christina Aus der Au<br />

Prof. Dr. med. Lazare Benaroyo<br />

Dr. phil., dipl. biol. Rouven Porz<br />

Redaktion Medizingeschichte<br />

PD Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann<br />

PD Dr. rer. soc. Eberhard Wolff<br />

Redaktion Ökonomie<br />

Anna Sax, lic. oec. publ., MHA<br />

Redaktion Recht<br />

Fürsprecher Hanspeter Kuhn (FMH)<br />

Managing Editor<br />

Annette Eichholtz M.A.<br />

Streiflicht<br />

603 Wer wird ein guter Chefarzt sein?<br />

Marco Mumenthaler<br />

Eine schwer zu beantwortende Frage, doch die Überle-<br />

gungen und Ratschläge kommen aus berufenem<br />

Munde: Der vielen Lesern bekannte Autor war fast<br />

30 Jahre Chefarzt und hat aus unterschiedlichen Blick-<br />

winkeln zahlreiche Chefärztinnen und Chefärzte in<br />

ihrem Wirken und in ihrer Auswirkung erlebt.<br />

606 Fast Track in der ambulanten Medizin<br />

als strategische Trumpfkarte für Spitäler<br />

Richard O. Binswanger<br />

Buchbesprechungen<br />

607 Aus der ärztlichen Werkstatt<br />

Erhard Taverna<br />

«Ihr Spital wird alle Kon-<br />

kurrenten ausstechen!»,<br />

dies verspricht der Autor.<br />

Doch die Einführung eines<br />

«Fast Track» sei nicht nur<br />

ein Wettbewerbsvorteil,<br />

sondern auch ein Postulat<br />

der Gerechtigkeit.<br />

Das Spektrum der hier vorgestellten Bücher ist beacht-<br />

lich: Belletristisches für Gross und Klein, Fachliches für<br />

Spezialisten und neugierige Nicht-Spezialisten.<br />

609 Manuelle Medizin für Schmerzpatienten<br />

Sandra Krüger<br />

Redaktionssekretariat<br />

Elisa Jaun<br />

Redaktion und Verlag<br />

EMH <strong>Schweizerische</strong>r Ärzteverlag AG<br />

Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz<br />

Tel. 061 467 85 55, Fax 061 467 85 56<br />

E-Mail: redaktion.saez@emh.ch<br />

Internet: www.saez.ch, www.emh.ch<br />

Herausgeber<br />

FMH, Verbindung der Schweizer<br />

Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18,<br />

Postfach 170, 3000 Bern 15<br />

Tel. 031 359 11 11, Fax 031 359 11 12<br />

E-Mail: info@fmh.ch<br />

Internet: www.fmh.ch<br />

Herstellung<br />

Schwabe AG, Muttenz<br />

Marketing EMH<br />

Thomas Gierl M.A.<br />

Leiter Marketing und Kommunikation<br />

Tel. 061 467 85 49, Fax 061 467 85 56<br />

E-Mail: tgierl@emh.ch<br />

Zu guter Letzt<br />

610 Dolmetschen<br />

Erhard Taverna<br />

INHALT<br />

Publish or perish – so lautet die Devise. Wer keine Zeit<br />

hat, setzt «Ghostwriter» ein. Ist das fair? Dient es der<br />

Wissenschaft? Der Verständlichkeit diene es manchmal<br />

schon, wenn man Profis das Schreiben überliesse. Doch<br />

soll der akademische Nachwuchs nicht lernen, Wissen-<br />

schaft selber zu kommunizieren?<br />

Anna<br />

Inserate<br />

Werbung<br />

Sabine Landleiter<br />

Leiterin Anzeigenverkauf<br />

Tel. 061 467 85 05, Fax 061 467 85 56<br />

E-Mail: slandleiter@emh.ch<br />

«Stellenmarkt/Immobilien/Diverses»<br />

Matteo Domeniconi, Inserateannahme<br />

Stellenmarkt<br />

Tel. 061 467 86 08, Fax 061 467 85 56<br />

E-Mail: stellenmarkt@emh.ch<br />

«Stellenvermittlung»<br />

FMH Consulting Services<br />

Stellenvermittlung<br />

Postfach 246, 6208 Oberkirch<br />

Tel. 041 925 00 77, Fax 041 921 05 86<br />

E-Mail: mail@fmhjob.ch<br />

Internet: www.fmhjob.ch<br />

Abonnemente<br />

FMH-Mitglieder<br />

FMH Verbindung der Schweizer<br />

Ärztinnen und Ärzte<br />

Elfenstrasse 18, 3000 Bern 15<br />

Tel. 031 359 11 11, Fax 031 359 11 12<br />

EMH Abonnemente<br />

EMH <strong>Schweizerische</strong>r Ärzteverlag AG<br />

Abonnemente, Postfach, 4010 Basel<br />

Tel. 061 467 85 75, Fax 061 467 85 76<br />

E-Mail: abo@emh.ch<br />

Jahresabonnement: CHF 320.–,<br />

zuzüglich Porto<br />

© 2012 by EMH <strong>Schweizerische</strong>r<br />

Ärzteverlag AG, Basel. Alle Rechte vorbehalten.<br />

Nachdruck, elektronische<br />

Wiedergabe und Übersetzung, auch<br />

auszugsweise, nur mit schriftlicher<br />

Genehmigung <strong>des</strong> Verlages gestattet.<br />

Erscheint jeden Mittwoch<br />

ISSN 0036-7486<br />

ISSN 1424-4004 (Elektronische Ausg.)


Editorial FMH<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Die FMH möchte eine positive Rolle bei der Kampagne<br />

spielen und sich im Hinblick auf die Abstimmung über<br />

die Managed-Care-Vorlage am 17. Juni konstruktiv engagieren.<br />

Fest steht eindeutig, dass die FMH die Art und Weise, wie<br />

die Versicherten und die Patientinnen und Patienten bei<br />

der zur Abstimmung stehenden Gesetzesvorlage geknebelt<br />

werden, nicht akzeptieren kann; eindeutig fest steht<br />

aber auch, dass wir im Rahmen der Kampagne konkrete<br />

Vorschläge vorlegen wollen, um unsere Bereitschaft zur<br />

Weiterentwicklung <strong>des</strong> Systems zu unterstreichen.<br />

Managed Care: so nicht!<br />

Freie Arztwahl und Schaffung von Anreizen<br />

Eine echte freie Arztwahl für alle ist ein nicht verhandelbarer<br />

Bestandteil der Politik der FMH.<br />

Während der gesamten parlamentarischen Arbeit, die in<br />

den aktuellen Gesetzesentwurf über Managed Care gemündet<br />

ist, hat die FMH den freiwilligen Verzicht der Versicher-<br />

«Die freie Arztwahl wird für viele<br />

Versicherte ausgehöhlt, wenn sie finan-<br />

ziell bestraft werden.»<br />

ten auf eine völlig freie Arztwahl im Rahmen von Managed<br />

Care als einen Kompromiss akzeptiert, der weiterhin den sogenannten<br />

Vertragszwang, also die freie Arztwahl ausserhalb<br />

von Managed Care, zulassen würde. Die Versicherten sollten<br />

die Freiheit haben, sich entweder für eine Einschränkung der<br />

freien Arztwahl gegen Gewährung eines finanziellen Vorteils<br />

zu entscheiden oder die Möglichkeit der freien Arztwahl vollständig<br />

wahrnehmen können.<br />

Die FMH hält an dieser Position fest und unterstreicht,<br />

dass die freie Arztwahl für viele Versicherte ausgehöhlt wird,<br />

wenn sie, wie im Gesetzesentwurf vorgesehen, finanziell bestraft<br />

werden.<br />

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass ein Anreiz<br />

wie ein tieferer Selbstbehalt, der direkt mit dem Erhalt von<br />

Leistungen zusammenhängt, Sinn machen kann, wohingegen<br />

eine Reduktion von Prämien in erster Linie dem System<br />

die benötigten finanziellen Mittel vorenthält. Zu den besten<br />

Anreizen gehören grundsätzlich zusammen mit einem tieferen<br />

Selbstbehalt insbesondere eine umfassende Behandlungsqualität<br />

und erweiterte Leistungen.<br />

Budgetmitverantwortung<br />

Die Ärzteschaft – die Organisationen der bestehenden Netzwerke<br />

eingeschlossen – hat eine Verpflichtung zur Budgetmitverantwortung<br />

stets ausdrücklich abgelehnt – aus guten<br />

Gründen.<br />

Für uns Mediziner steht hier jedoch nicht zur Diskussion,<br />

dass diese Weiterentwicklung auf Kosten der<br />

freien Arztwahl der Patientinnen und Patienten, der<br />

B ehandlungsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte sowie auf<br />

dem Rücken der Schwächsten unserer Gesellschaft<br />

e rfolgen soll.<br />

Managed Care – ja, wenn gewünscht, aber so nicht!<br />

Dr. med. Jacques de Haller, Präsident der FMH<br />

Einerseits wirkt sie abschreckend auf die Bildung neuer Netzwerke.<br />

Andererseits birgt diese Verpflichtung, wenn sie für die<br />

Versicherer mit der Freiheit verknüpft ist, einen Vertrag mit<br />

einem Netzwerk abzulehnen (oder nicht zu verlängern), vor<br />

allem das Risiko eines Preisdrucks. Dieser kann eindeutig die<br />

Therapiefreiheit der Ärzte und ihrer Patienten aufs Spiel<br />

setzen und sich nachteilig auf die Behandlungsqualität auswirken.<br />

Qualität<br />

Die Qualität muss auf drei Ebenen gewährleistet werden: die<br />

Strukturqualität, die Prozessqualität und die Ergebnisqualität.<br />

Während das Prinzip der Qualitätsversicherung im<br />

Gesetz verankert werden kann, ist die eigentliche Definition<br />

der Qualität und die Umsetzung der damit zusammenhängenden<br />

Massnahmen eine Angelegenheit der betroffenen<br />

Fachleute.<br />

«Die Budgetmitverantwortung birgt<br />

das Risiko eines Preisdrucks,<br />

der eindeutig die Therapiefreiheit der<br />

Ärzte und ihrer Patienten aufs Spiel<br />

setzen kann.»<br />

Der «Patientenpfad» muss klar sein; die integrierte Versorgung<br />

muss eine vollständige Leistungskette bilden, um zu<br />

vermeiden, dass am Ende einfach nur die billigsten Spezialisten<br />

gesucht werden.<br />

Risikoausgleich<br />

Die Bestandteile <strong>des</strong> aktuellen Gesetzesentwurfs über den<br />

Risiko ausgleich und die Unabhängigkeit der Leistungserbringer<br />

gegenüber den Kostenträgern müssen nach der Abstimmung<br />

zwingend in einen neuen Gesetzesentwurf aufgenommen<br />

werden.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

571


Zentralvorstand FMH<br />

Aus dem Protokoll<br />

Zentralvorstandssitzung vom 23. Februar 2012<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Psychische Gesundheit im Alter – Die Arbeitsgruppe<br />

«Psychische Gesundheit und alternde Bevölkerung»<br />

organisiert ein jährliches Forum für den Erfahrungsaustausch.<br />

Der Zentralvorstand der FMH hat entschieden,<br />

diese Veranstaltung in der Konzeption,<br />

inhaltlichen Gestaltung und Durchführung mitzutragen.<br />

Preis für Gesundheitskompetenz – Die Plattform<br />

«Allianz Gesundheitskompetenz» schreibt einen<br />

jährlichen Preis für innovative Projekte im Bereich<br />

Gesundheitskompetenz aus. Die FMH beteiligt sich<br />

an der Koordination dieses Preises. Weitere Informationen<br />

zur Teilnahme unter www.allianz-gesundheitskompetenz.ch<br />

IV-Informationsplattform – Eine neue Informationsplattform<br />

soll behandelnden Ärztinnen und Ärzten<br />

Fit für eHealth. Die Health<br />

Professional Card der FMH.<br />

Der neue Arztausweis mit elektronischen<br />

Zusatzfunktionen: kompakt und praktisch.<br />

Kostenlos für Mitglieder.<br />

alle relevanten Informationen für IV-Abklärungen<br />

und IV-Leistungen zur Verfügung stellen. Die FMH<br />

tritt der Plattform als Trägerin bei und delegiert Vertreterinnen<br />

und Vertreter für die Redaktions- und<br />

die Steuerungsgruppe.<br />

Qualitätsmanagement – Für das jährliche «Nationale<br />

Symposium für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen»<br />

übernimmt die FMH wieder das Patronat.<br />

Elektronisches Patientendossier – Die FMH hat in<br />

Bezug auf die Verwendung der AHV-Nr. ein Rechtsgutachten<br />

in Auftrag gegeben. Dieses kommt zum<br />

Schluss, dass die AHV-Nummer nicht als Merkmal<br />

zur Identifikation der Patientinnen und Patienten<br />

verwendet werden darf.<br />

Mehr erfahren<br />

und HPC<br />

bestellen auf<br />

www.fmh.ch<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

573


Personalien<br />

To<strong>des</strong>fälle / Décès / Decessi<br />

Aldo Leone Calanca (1929), † 9. 2. 2012,<br />

Spécialiste en psychiatrie et psychothérapie,<br />

1009 Pully<br />

Slobodan Brzakovic (1922), † 25. 2. 2012,<br />

9038 Rehetobel<br />

Hermann Stäuble (1920), † 13. 3. 2012,<br />

Facharzt für Pneumologie und Facharzt<br />

für Allgemeine Innere Medizin, 4600 Olten<br />

Gallus Hafen (1930), † 17. 3. 2012,<br />

Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin,<br />

9011 St. Gallen<br />

Eugène Aymon (1941), † 17. 3. 2012,<br />

Spécialiste en chirurgie cardiaque et vasculaire<br />

thoracique, 1950 Sion<br />

Hervé Corboud (1948), † 18. 3. 2012,<br />

Spécialiste en chirurgie, 1723 Marly<br />

Jean Sarkissoff (1922), † 19. 3. 2012,<br />

Spécialiste en psychiatrie et psychothérapie,<br />

1306 Daillens<br />

Pierre Aellen (1956), † 19. 3. 2012,<br />

Spécialiste en rhumatologie et Spécialiste en<br />

médecine interne générale, 1260 Nyon<br />

Ulrich Vischer (1958), † 19. 3. 2012,<br />

Spécialiste en endocrinologie/diabétologie<br />

et Spécialiste en médecine interne générale,<br />

1226 Thônex<br />

Bernhard Cappis (1930), † 29. 3. 2012,<br />

Facharzt für Allgemeine Innere Medizin,<br />

3084 Wabern<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Praxiseröffnung /<br />

Nouveaux cabinets médicaux /<br />

Nuovi studi <strong>medici</strong><br />

BE<br />

Belinda Nazan Walpoth,<br />

Fachärztin für Kardiologie, Bollwerk 19,<br />

3011 Bern<br />

Maximilian Jahns,<br />

Praktischer Arzt und Facharzt für Allgemeine<br />

Innere Medizin, Bubenbergplatz 11, 3011 Bern<br />

Kristina Strub,<br />

Fachärztin für Oto-Rhino-Laryngologie,<br />

Effingerstrasse 41, 3008 Bern<br />

Janet Buatsi,<br />

Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin,<br />

Spitalackerstrasse 65, 3013 Bern<br />

Stephan Ammann,<br />

Praktischer Arzt und Facharzt für Allgemeine<br />

Innere Medizin, Spitalackerstrasse 65,<br />

3013 Bern<br />

Margrit Studer Dangerfield,<br />

Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie,<br />

Villettemattstrasse 15, 3007 Bern<br />

BS<br />

Ursula Berger-Ingerle,<br />

Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie,<br />

Alemannengasse 83, 4058 Basel<br />

GR<br />

Tim Rönz,<br />

Facharzt für Allgemeine Innere Medizin,<br />

Alte Strasse 31, 7430 Thusis<br />

NW<br />

Bettina Zwyssig,<br />

Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin,<br />

Alter Postplatz 2, 6370 Stans<br />

SG<br />

Stefan Funk,<br />

Praktischer Arzt, St. Leonhardstrasse 31,<br />

9000 St. Gallen<br />

Abdollreza Khoshnewisan,<br />

Praktischer Arzt, Bogenstrasse 7,<br />

9621 Oberhelfenschwil<br />

Thomas Michael Hans Richard Gladewitz,<br />

Praktischer Arzt, Vonwilstrasse 29,<br />

9000 St. Gallen<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

SO<br />

Maja Strasser,<br />

Fachärztin für Neurologie, Hauptgasse 5,<br />

4500 Solothurn<br />

TI<br />

FMH<br />

Simone Vannini,<br />

Specialista in gastroenterologia e Specialista<br />

in <strong>medici</strong>na interna generale, via Trevano 38,<br />

6900 Lugano<br />

VD<br />

Virgil Mueller,<br />

Médecin praticien, CM Centre Médical SA,<br />

9, avenue Haldimand, 1400 Yverdon-les-Bains<br />

ZH<br />

Matthias Schnorf,<br />

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie,<br />

Praxis am Zug, Bergstrasse 2, 8712 Stäfa<br />

Urs Grossenbacher,<br />

Facharzt für Physikalische Medizin und<br />

Rehabilitation, Limmattalstrasse 16,<br />

8049 Zürich<br />

Caroline Douw van der Krap-Baugatz,<br />

Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie,<br />

Im Zinggen 1, 8475 Ossingen<br />

Mathias Dolder,<br />

Facharzt für Gastroenterologie und<br />

Facharzt für Allgemeine Innere Medizin,<br />

Weinbergstrasse 26, 8001 Zürich<br />

Rosilla Bachmann Heinzer,<br />

Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie,<br />

Stolzestrasse 3, 8006 Zürich<br />

Julia Röseler,<br />

Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie,<br />

Bahnhofplatz 7, 8400 Winterthur<br />

Aargauischer Ärzteverband<br />

Zur Aufnahme in den Aargauischen Ärzteverband<br />

als ordentlich praktizierende Mitglieder<br />

haben sich angemeldet:<br />

Reto Allemann, D-Rostock, Facharzt für Ophthalmologie<br />

FMH, Praxiseröffnung in Zufikon am<br />

1. September 2012<br />

Manuela Gaggiotti, Riehen, Fachärztin für Neurologie<br />

FMH, Praxiseröffnung in Rheinfelden<br />

am 1. April 2012<br />

Diese Kandidaturen werden in Anwendung<br />

von Art. 5 der Statuten <strong>des</strong> Aargauischen Ärz-<br />

574


Personalien FMH<br />

teverban<strong>des</strong> veröffentlicht. Einsprachen müssen<br />

innert 14 Tagen seit der Bekanntmachung<br />

schriftlich und begründet der Geschäftsleitung<br />

<strong>des</strong> Aargauischen Ärzteverban<strong>des</strong> eingereicht<br />

werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist<br />

entscheidet die Geschäftsleitung über<br />

Gesuche und allfällige Einsprachen.<br />

Ärztegesellschaft <strong>des</strong> Kantons Bern<br />

Ärztlicher Bezirksverein Bern Regio<br />

Zur Aufnahme als ordentliches Mitglied hat<br />

sich angemeldet:<br />

Hagen R. Thomas, Facharzt für Oto-Rhino-<br />

Laryngologie, Hirschengraben 6, 3011 Bern<br />

Einsprachen gegen dieses Vorhaben müssen<br />

innerhalb 14 Tagen seit dieser Veröffentlichung<br />

schriftlich und begründet beim Präsidenten<br />

<strong>des</strong> Ärztlichen Bezirksvereins Bern<br />

Regio eingereicht werden.<br />

Nach Ablauf der Einsprachefrist entscheidet<br />

der Vorstand über die Aufnahme <strong>des</strong> Gesuchs<br />

und über die allfälligen Einsprachen.<br />

Ärztegesellschaft<br />

<strong>des</strong> Kantons Luzern<br />

Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft Sektion<br />

Stadt haben sich gemeldet:<br />

Thomas Weidenbach, Facharzt für Dermatologie<br />

und Venerologie, Vitasol, Haldenstrasse 47,<br />

6006 Luzern<br />

Andreas Beyer, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe,<br />

ab 1. Mai 2012 Praxis in 6048 Horw<br />

Lisa Sharon Steinmann, Fachärztin für Dermatologie<br />

und Venerologie FMH, ab 1.8.2012 Tätigkeit<br />

in Gemeinschaftspraxis mit Frau Dr. Katrin<br />

Baumann, Kapellplatz 10, 6004 Luzern<br />

Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft Sektion<br />

Gäu hat sich gemeldet:<br />

Frank Ulrich Schamerowski, Praktischer Arzt,<br />

Menznauerstrasse 11, 6110 Wolhusen<br />

Einsprachen sind innert 20 Tagen zu richten<br />

an das Sekretariat, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern<br />

(Fax 041 410 80 60).<br />

Ärztegesellschaft<br />

<strong>des</strong> Kantons Schwyz<br />

Zur Aufnahme in die Ärztegesellschaft <strong>des</strong><br />

Kantons Schwyz hat sich angemeldet:<br />

Werner Sonntag, Praktischer Arzt, Ärztezentrum<br />

Reichenburg AG, Kantonsstrasse 60, 8864 Reichenburg.<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Einsprache gegen diese Aufnahme richten Sie<br />

schriftlich innert 20 Tagen an Dr. med. Hugo<br />

Brunner, Dorfstrasse 14, 6417 Sattel.<br />

Ärztegesellschaft Thurgau<br />

Zum Eintritt in die Ärztegesellschaft Thurgau<br />

haben sich gemeldet:<br />

Mark Ebneter, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

FMH, Clienia Littenheid AG, Littenheid<br />

Dietrich Hack, Facharzt für Kardiologie FMH,<br />

Medizinisches Zentrum Arbon<br />

Marcel Rütsche, Facharzt für Psychiatrie und<br />

Psychotherapie FMH, Medizinisches Zentrum<br />

Arbon<br />

Dominik Schmid, Facharzt für Plastische, Rekonstruktive<br />

& Ästhetische Chirurgie und Chirurgie<br />

FMH, Medizinisches Zentrum Arbon<br />

Einsprachen gegen die Aufnahmen sind innerhalb<br />

von 10 Tagen seit der Publikation<br />

beim unterzeichneten Sekretariat schriftlich<br />

zu erheben.<br />

La Société Médicale du Valais/<br />

Walliser Ärzteverband<br />

Se sont annoncés comme candidats à l’admission<br />

à la Société Médicale du Valais: / Zum Eintritt<br />

in den Walliser Ärzteverband haben sich angemeldet:<br />

Membres ordinaires / Ordentliche Mitglieder<br />

Patrick Boutes, 1955, Médecin praticien, Martigny<br />

Christophe Copt, 1977, Spécialiste FMH en<br />

médecine interne, Grimisuat<br />

Delphine Dubuis, 1978, Spécialiste FMH en pédiatrie,<br />

Sion<br />

Sophie Duc Volluz, 1977, Spécialiste FMH en<br />

médecine interne générale, Martigny<br />

Simon Charles Fluri, 1973, Facharzt für Pädiatrie<br />

und Neonatologie FMH, Visp<br />

Carmen Forno, 1978, Fachärztin für Dermatologie<br />

und Venerologie FMH, Visp<br />

Pierre-Etienne Fournier, 1959, Spécialiste FMH en<br />

médecine physique et réhabilitation, Sion<br />

Maja Fronius, 1972, Fachärztin für Gynäkologie<br />

und Geburtshilfe FMH, Visp<br />

Josette Nadine Huber, 1966, Fachärztin für Psychiatrie<br />

und Psychotherapie FMH, für Kinder-<br />

und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie<br />

FMH, Brig<br />

Roswitha Kremser, 1969, Fachärztin für Radiologie<br />

FMH, Brig<br />

Michael Lehner, 1975, Praktischer Arzt FMH,<br />

Visp<br />

Joëlle Nickels Holtzem, 1976, Spécialiste FMH en<br />

médecine interne générale, Sion<br />

Renato Raetz, 1972, Spécialiste FMH en psychiatrie<br />

et psychothérapie, Sion<br />

Marco Rusca, 1971, Spécialiste FMH en médecine<br />

interne et médecine intensive, Sierre<br />

Beatrice Simonetti Zermatten, 1970, Spécialiste<br />

FMH en gynécologie et obstétrique, Sion<br />

Nicolas Stalder, 1973, Spécialiste FMH en cardiologie,<br />

Sion<br />

Ingemar Stec, 1961, Facharzt für Psychiatrie und<br />

Psychotherapie FMH, Brig<br />

Roger Studer, 1979, Facharzt für Allgemeine<br />

Innere Medizin FMH, Visp<br />

Toncka Zavrsnik, 1948, Fachärztin für Gynäkologie<br />

und Geburtshilfe, Visp<br />

Djamel Zeraï, 1960, Spécialiste FMH en psychiatrie<br />

et psychothérapie, Sierre<br />

Membres extraordinaires / Ausserordentliche<br />

Mitglieder<br />

Cristian Damsa, 1971, Spécialiste FMH en psychiatrie<br />

et psychothérapie, Vétroz<br />

Doris Zürcher, 1967, Spécialiste FMH en ophtalmologie<br />

et ophtalmochirurgie, Sion<br />

Les avis opposés à l’une ou l’autre admis-<br />

sion sont à adresser au Secrétariat de la Société<br />

Médicale du Valais (Route de Vissigen 70,<br />

1950 Sion) dans un délai de 10 jours après<br />

publication. / Einsprachen gegen diese Aufnahmen<br />

sind innerhalb von 10 Tagen seit der Publikation<br />

beim WAeV-Sekretariat (Route de Vissigen 70,<br />

1950 Sion) schriftlich zu erheben.<br />

Ärzte-Gesellschaft <strong>des</strong> Kantons Zug<br />

Zur Aufnahme in die Ärzte-Gesellschaft <strong>des</strong><br />

Kantons Zug als ordentliches Mitglied hat sich<br />

angemeldet:<br />

Bussmann Lorenz, Facharzt für Radiologie FMH,<br />

Taminserstrasse 65, 7012 Felsberg<br />

Einsprachen gegen diese Kandidatur müssen<br />

innerhalb 14 Tagen seit dieser Veröffentlichung<br />

schriftlich und begründet beim Sekretariat<br />

der Ärzte-Gesellschaft <strong>des</strong> Kantons Zug<br />

eingereicht werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist<br />

entscheidet der Vorstand über Gesuch<br />

und allfällige Einsprachen.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16 575


Swiss Medical Board weitere organiSationen und inStitutionen<br />

Fragestellungen <strong>des</strong> Swiss Medical Board<br />

im Jahr 2012<br />

Swiss Medical Board<br />

Korrespondenz:<br />

Swiss Medical Board<br />

Sekretariat Trägerschaft<br />

Obstgartenstrasse 21<br />

CH-8090 Zürich<br />

Tel. 043 259 24 79<br />

info[at]medical­board<br />

www.medical­board.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

die trägerschaft <strong>des</strong> Swiss Medical Board hat für das Jahr 2012 drei analysen medi­<br />

zinischer Leistungen in auftrag gegeben: die chirurgische entfernung von Leber­<br />

metastasen bei darmkrebs und die anwendung von Computertomographie bei der<br />

diagnose koronarer Herzerkrankungen. Über die Fragestellung <strong>des</strong> dritten Berich­<br />

tes wird später entschieden.<br />

Der Vorstand der Trägerschaft <strong>des</strong> Swiss Medical<br />

Board hat für das Jahr 2012 die Analyse von drei medizinischen<br />

Leistungen in Auftrag gegeben. Die Auswahl<br />

der Fragestellungen erfolgte aufgrund von<br />

Empfehlungen aus der Ärzteschaft. Zwei Analysen<br />

sollen so weit als möglich aus bereits im Ausland erstellten<br />

und veröffentlichten Berichten abgeleitet<br />

werden. Damit nimmt das Swiss Medical Board die<br />

Bestrebungen auf, Synergien zwischen den HTA-<br />

Agenturen zu nutzen, wie dies auch in der internationalen<br />

Zusammenarbeit im Rahmen von SNHTA<br />

(Swiss Network for Health Technology Assessment)<br />

angestrebt wird. Ein wichtiger Bestandteil aller HTA-<br />

Berichte ist die medizinische Evidenz. In diesem<br />

(aufwendigen) Teil erhofft man sich die grössten<br />

Syn ergieeffekte. Länderspezifisch sind sicherlich die<br />

rechtlichen, ethischen und ökonomischen Erwägungen,<br />

welche das unterschiedliche Umfeld berücksichtigen<br />

und in die Empfehlungen einfliessen.<br />

Konkret wird sich das Swiss Medical Board in<br />

diesem Jahr mit folgenden Fragestellungen befassen:<br />

Chirurgische Entfernung von Lebermetastasen<br />

beim kolorektalen Karzinom<br />

Unter dem Begriff «kolorektales Karzinom» werden<br />

die Krebserkrankungen <strong>des</strong> Dickdarms (Kolon) und<br />

<strong>des</strong> Mastdarmes (Rektum) zusammengefasst. 25 bis<br />

35% der Patienten, bei welchen ein solches Karzinom<br />

chirurgisch entfernt wurde, erkranken im weiteren<br />

Verlauf von 5 Jahren an Metastasen in der Leber.<br />

Im Rahmen der vorliegenden Fragestellung wird<br />

untersucht, ob eine chirurgische Entfernung solcher<br />

Metastasen im Vergleich zu anderen Therapieverfahren<br />

für die betroffenen Patienten mit einem<br />

relevanten Vorteil bezüglich Überlebensdauer und<br />

Lebensqualität verbunden ist. Hierbei werden auch<br />

die potentiell negativen Wirkungen der unterschiedlichen<br />

Therapieverfahren und das Kosten-<br />

Wirksamkeits-Verhältnis betrachtet.<br />

Computertomographie-Scanner in der<br />

Abklärung der koronaren Herzkrankheit –<br />

eine Untersuchung auf Basis eines HTA-<br />

Berichtes von NICE<br />

Die Koronare Herzkrankheit (KHK, Verengung der<br />

Herzkranzgefässe) ist eine häufige Erkrankung mit<br />

hoher Morbidität und Mortalität. Für die Diagnose<br />

der KHK und die Quantifizierung der Verengung stehen<br />

zwei diagnostische Möglichkeiten zur Verfügung:<br />

1. die invasive Koronarangiographie, bei der<br />

ein Katheter über die Leistenarterie in die Herzkranzgefässe<br />

vorgeschoben wird, um die Gefässe darstellen<br />

zu können, und 2. die Computertomographie.<br />

Bei einer Teilgruppe von Patienten mit Verdacht<br />

auf eine KHK ergibt die Computertomographie mit<br />

herkömmlichen Geräten eine zu geringe diagnostische<br />

Genauigkeit. Neue Geräte (sogenannte «NG-<br />

CCT, New-generation-cardiac-CT-Geräte»), sollen<br />

diese Lücke schliessen.<br />

Bei dieser Fragestellung wird die diagnostische<br />

Genauigkeit der neuen NGCCT-Geräte untersucht.<br />

Als Vergleich dient die Koronarangiographie. Es<br />

wird auch darauf geachtet, ob dieses Verfahren einen<br />

patientenrelevanten Vorteil bietet. Zusätzlich<br />

werden potentiell negative Wirkungen der beiden<br />

Verfahren und das Kosten-Wirksamkeits-Verhältnis<br />

betrachtet. Grundlage <strong>des</strong> Fachberichtes ist eine<br />

Evidenz-Synthese, die im August 2011 vom britischen<br />

National Institute for Health and Clinical Excellence<br />

(NICE) erstellt wurde.<br />

Über das Thema einer dritten Fragestellung wird<br />

zu einem späteren Zeitpunkt entschieden.<br />

Die Verabschiedung und Veröffentlichung der<br />

Berichte ist für Ende Jahr vorgesehen.<br />

Weitere Informationen zu Fragestellungen <strong>des</strong><br />

Swiss Medical Board: www.medical-board.ch/<br />

index.php?id=810<br />

Swiss Medical Board<br />

im Januar 2012 hat sich die regierung <strong>des</strong><br />

F ürstentums Liechtenstein der trägerschaft <strong>des</strong><br />

Swiss Medical Board angeschlossen.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

576


Symposium weitere organiSationen und inStitutionen<br />

Qualitätssicherung – es wird konkreter,<br />

aber nicht leichter<br />

Christoph Röder<br />

Institutsleiter a. i, MEM<br />

Forschungszentrum, Institut für<br />

Evaluative Forschung in der<br />

Orthopädie, Universität Bern<br />

Korrespondenz:<br />

PD Dr. med<br />

Christoph Röder, MPH<br />

MEM Forschungszentrum<br />

Institut für Evaluative Forschung<br />

in der Orthopädie<br />

Universität Bern<br />

Stauffacherstrasse 78<br />

CH-3014 Bern<br />

Tel. 031 631 59 32<br />

Fax 031 631 59 60<br />

christoph.roeder[at]<br />

memcenter.unibe.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Der schon fast zum Unwort verkommene Begriff<br />

der Qualitätssicherung (QS) geistert seit Jahren<br />

durch das schweizerische und andere Gesundheitssysteme.<br />

Während lange Zeit Einzelinitiativen auf<br />

Ebene Praxis, Abteilung oder Klinik in mehr oder<br />

weniger unverbindlichem Rahmen stattfanden,<br />

haben ökonomische Zwänge, politische Gegebenheiten<br />

und neue Strömungen in der Wissenschaft<br />

der QS zu einer nationalen und verbindlicheren<br />

Dimension verholfen.<br />

Pünktlich zu den Meldungen von gefährlichen<br />

Ionenkonzentrationen im Blut von Trägern der<br />

Metall-Metall-Hüftprothesen aus Frankreich wurde<br />

in der Schweiz – nach langen Jahren der Vorbereitung<br />

– das SIRIS Implantatregister für Hüft- und<br />

Knieprothesen unter der Schirmherrschaft <strong>des</strong> ANQ<br />

in Kooperation mit der <strong>Schweizerische</strong>n Gesellschaft<br />

für Orthopädie und Traumatologie SGOT aus der<br />

Taufe gehoben. Der Skandal um die PIP-Brustimplantate<br />

verhilft der Diskussion um das seit 2009<br />

bestehende und bis dato freiwillige Implantatregister<br />

der <strong>Schweizerische</strong>n Gesellschaft für Plastische und<br />

Rekonstruktive Chirurgie zu neuer Aktualität und<br />

Frage nach verpflichtender Teilnahme. Dazu haben<br />

sich z. B. die schweizerischen Nephrologen in einem<br />

neuen Vertrag mit den Kostenträgern verpflichtet.<br />

Jeder Dialysepatient wird zukünftig min<strong>des</strong>tens<br />

einmal jährlich mit einem minimalen, der übergeordneten<br />

EU-Arbeitsgruppe konformen Datensatz<br />

im SRRQAP, dem Swiss Renal Registry and Quality<br />

Assessment Program, dokumentiert. Schliesslich hat<br />

die <strong>Schweizerische</strong> Gesellschaft für Ophtalmologie<br />

Ende 2011 ihr Pilotprojekt eines Kunstlinsenregisters<br />

beendet und plant eine definitiven Start für den<br />

Spätsommer 2012. Es wird offensichtlich, dass die<br />

Qualitätsmessung und Sicherung vor allem bei teuren<br />

Therapien, bei denen häufig Implantate im Spiel<br />

sind, auf dem Weg der definitiven Umsetzung ist.<br />

Dies ist jedoch kein unumstösslicher Trend, denn<br />

auch die Spitex entwickelt derzeit ihr lan<strong>des</strong>weites<br />

Pflegeregister zur Erforschung und Sicherung der<br />

B ehandlungsqualität und deren Ergebnisse, den<br />

sogenannten Outcomes.<br />

Medizinregister liegen im Trend. Obschon in der<br />

Schweiz dank Registerpionier Maurice E. Müller<br />

(MEM) seit über 35 Jahren in vor allem orthopädischer<br />

Anwendung, haben sich die Beobachtungen<br />

medizinischer Versorgung in der Alltagssituation<br />

und ihre zentralisierte Dokumentation nur langsam<br />

als anerkannte wissenschaftliche Methode durchgesetzt.<br />

Einer der Hauptgründe für diese Verzögerung<br />

war die evidenzbasierte Medizin, die in den letzten<br />

zehn Jahren den Fokus vor allem auf die interne Validität<br />

medizinischer Studien, und damit auf ihre<br />

methodologische Güte gerichtet hat. Dabei hat ausgerechnet<br />

der Vater der modernen Outcomeforschung,<br />

Archie Cochrane, in seinen Random Reflections<br />

on Health Services bereits 1972 den Unterschied<br />

zwischen randomisierten kontrollierten Studien,<br />

welche die Wirksamkeit einer Behandlung in einem<br />

künstlich optimierten Studiensetting untersuchen,<br />

und Beobachtungsstudien, welche die Zweckmässigkeit<br />

von Behandlungen in der klinischen Routine<br />

betrachten, herausgestellt. Letztere tragen bei zugegebenermassen<br />

begrenzter interner Validität vor<br />

allem eine hohe externe Validität, d. h. Übertragbarkeit<br />

auf die Allgemeinheit und sind damit für die<br />

t atsächliche Evaluation <strong>des</strong> Potentials einer Therapie<br />

von grosser Bedeutung. Dank der ungebrochenen<br />

Überzeugung <strong>des</strong> Institutsgründers MEM und seiner<br />

Nachfolger erfreut sich das seit 2003 an der Uni Bern<br />

beheimatete Institut für Evaluative Forschung in der<br />

Medizin einer stetig wachsenden Registerklientel auf<br />

seinem speziell dafür entwickelten MEMdoc Portal.<br />

Es ist daneben einer der Ausrichter <strong>des</strong> Nationalen<br />

Symposiums für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen<br />

(siehe Kasten).<br />

Die Konkretisierung all dieser QS-Bemühungen<br />

ist zu begrüssen, doch ob Pilotstudie oder tatsächliche<br />

Umsetzung, Ernüchterung tritt oft dann ein,<br />

wenn bemerkt wird, dass aus administrativen oder<br />

medizinischen Routinedaten meist nicht die für die<br />

Qualitätsmessung benötigten Informationen zu gewinnen<br />

sind. Seien die erforderlichen Datensätze<br />

noch so klein, Zusatzaufwand muss betrieben werden,<br />

Prozesse geändert und Ressourcen aloziiert, ggfs.<br />

muss sich gar die gesamte «Kultur» einer Abteilung<br />

oder Klinik anpassen bzw. neu definieren. Hinzu<br />

kommen Medienbrüche, die viele nationale Projekte<br />

mit sich bringen. Aus Mangel an Schnittstellen mit<br />

z. B. zentralen Registerdatenbanken, oder auch aus<br />

Mangel an Finanzkraft, solche Schnittstellen aufseiten<br />

der Klinik zu programmieren, müssen die QS-<br />

Datensätze in ein «externes», also nicht spitaleigenes<br />

Klinikinformationssystem eingegeben werden.<br />

Auf der anderen Seite ist ein zentraler Datenpool für<br />

QS-Projekte unbedingt zu befürworten, da nur so ein<br />

Benchmark, also ein aus lan<strong>des</strong>weiten Daten errechneter<br />

Durchschnitts- und damit Referenzwert für<br />

bestimmte Indikatoren erarbeitet und zum Vergleich<br />

herangezogen werden kann. Der Mangel an Schnittstellen<br />

wird erwartungsgemäss mit zunehmender<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

577


Symposium weitere organiSationen und inStitutionen<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

abbildung 1<br />

Modell der Versorgungs-/Gesundheitsforschung.<br />

Reife der QS-Projektlandschaft in der Schweiz zurückgehen,<br />

da diese sich als nachhaltige Investitionen<br />

mit Perspektiven erweisen werden.<br />

Neue Komplexität, aber auch Rückenwind erhält<br />

die Qualitätsdiskussion nicht nur wegen leerer Kassen<br />

und Pressemeldungen über gefährliche Implantate;<br />

die vielen eng mit QS verbundenen Aspekte der Outcomeforschung,<br />

der evidenzbasierten Medizin, der<br />

Nachverfolgung von Implantaten und der Qualitätsforschung<br />

sind in einer neuen, zunehmend an Bedeutung<br />

und Bekanntheit gewinnenden wissenschaftlichen<br />

Disziplin vereinigt: der Versorgungs forschung<br />

als Subdisziplin der Gesundheitssystemforschung.<br />

Die Versorgungsforschung ist entstanden, weil<br />

sich die Lage im Gesundheitswesen zunehmend<br />

dadurch auszeichnet, dass den vielfältigen Problemen<br />

der Kranken- und Gesundheitsversorgung<br />

keine tragfähigen Problemlösungen gegenüberstehen.<br />

Die grossen Akteursgruppen in diesem Feld –<br />

Praktiker, Politiker und Wissenschaftler – haben bisher<br />

keine schlüssige Antwort auf die drängende<br />

Frage gefunden, wie die ökonomischen und qualitätsbezogenen<br />

Probleme im Gesundheitswesen ge-<br />

löst werden können. Dies liegt zum einen an der<br />

Komplexität der Versorgungsprobleme, zum anderen<br />

aber auch an der begrenzten Problemlösungskapazität<br />

<strong>des</strong> Gesundheitswesens. Eine der zentralen<br />

Ursachen für die mangelnde Problemverarbeitungskapazität<br />

ist, dass es an Daten und Wissen über die<br />

Versorgungssituation und ihre «inneren» Zusammenhänge<br />

mangelt. An diesem Punkt setzt die Versorgungsforschung<br />

an. Das Ziel der Versorgungsforschung<br />

ist, grundlegen<strong>des</strong> und anwendungsnahes<br />

Wissen über die Praxis der Kranken- und Gesundheitsversorgung<br />

zu generieren und der Öffentlichkeit<br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

Die Versorgungsforschung kann definiert werden<br />

als ein fachübergreifen<strong>des</strong> Forschungsgebiet,<br />

das die Kranken- und Gesundheitsversorgung und<br />

ihre Rahmenbedingungen beschreibt und kausal erklärt,<br />

zur Entwicklung wissenschaftlich fundierter<br />

Versorgungskonzepte beiträgt, die Umsetzung neuer<br />

Versorgungskonzepte begleitend erforscht und die<br />

Wirksamkeit von Versorgungsstrukturen und -prozessen<br />

unter Alltagsbedingungen evaluiert. Gegenstand<br />

der Versorgungsforschung ist die «letzte<br />

Meile» <strong>des</strong> Gesundheitssystems. Unter dem Begriff<br />

der letzten Meile <strong>des</strong> Gesundheitssystems ist die<br />

konkrete Kranken- und Gesundheitsversorgung in<br />

den Krankenhäusern, Arztpraxen und sonstigen<br />

Gesundheitseinrichtungen zu verstehen, in deren<br />

Rahmen die entscheidenden Versorgungsleistungen<br />

zusammen mit dem Patienten erbracht werden.<br />

Die aktuelle und zukünftige Qualitätsdiskussion<br />

und Umsetzung der QS wird von dieser jungen fachübergreifenden<br />

Wissenschaft entscheidend mitgeprägt<br />

werden. Sie macht die QS durch Einordnung<br />

in ein neues System von Modellen, Konzepten und<br />

Interaktionen griffiger und verständlicher, aber auch<br />

komplexer.<br />

5. nationales Symposium für Qualitätsmanagement im gesundheitswesen<br />

15. Mai 2012 – auditorium ettore rossi, inselspital, Bern:<br />

Qualitätsmanagement – vom «Schwarzen Peter» zum wettbewerbsfaktor<br />

Qualitätsmanagement – ein zentraler und oft verwendeter Begriff<br />

in den aktuellen diskus sionen im gesundheitswesen. Qualitätsmanagement<br />

ist ein ansatz, ein Konzept aber auch eine<br />

Haltung, modern und vorwärtsgerichtet, wird jedoch auch<br />

gerne und schnell mit Bürokratie und Zusatzaufwand verknüpft.<br />

trotz der wichtigkeit <strong>des</strong> themas herrscht auf übergeordneter<br />

ebene so etwas wie Stillstand vor. die Verantwortung und anstehende<br />

entscheide werden wie der «Schwarze Peter» hin- und<br />

hergeschoben: vom Bund zu den Versicherern, weiter zu den<br />

Leistungserbringern und zurück. es ist nicht erstaunlich, dass<br />

die grossen würfe bislang ausgeblieben sind und immer wieder<br />

resignation aufkommt.<br />

erfreulicherweise brachten strukturelle Veränderungen Bewegung<br />

ins gesundheitssystem. Qualitätsmanagement und die<br />

Qualität werden plötzlich zu einem bedeutenden wettbewerbs-<br />

faktor und erreichen möglicherweise den Stellenwert, der lange<br />

angestrebt wurde. das nationale Symposium 2012 setzt sich mit<br />

diesen Fragen auseinander. experten aus dem in- und ausland<br />

zeigen Lösungsvorschläge und erörtern die zentralen Fragen.<br />

Sie beleuchten den themenkreis aus verschiedenen praktischen<br />

und theoretischen Perspektiven.<br />

Auch dieses Jahr wird dank der grosszügigen Unterstützung durch<br />

die FMH im Rahmen <strong>des</strong> Nationalen Symposiums der Swiss Quality<br />

Award verliehen.<br />

informationen zum Symposium und anmeldungen unter www.<br />

qmsymposium.ch<br />

informationen zum Swiss Quality award unter www.fmh.ch<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16 578


SAMW Weitere orgAniSAtionen und inStitutionen<br />

gemeinsame tagung der nationalen ethikkommission im Bereich Humanmedizin<br />

und der <strong>Schweizerische</strong>n Akademie der Medizinischen Wissenschaften<br />

Medizin für alle? ethische Anforderungen<br />

an Kosten-/nutzenbewertungen in der Medizin<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Die Diskussion über die Rolle und die Legitimation<br />

von Kosten-/Nutzenbewertungen medizinischer<br />

Leistungen ist in jüngerer Zeit auch in der Schweiz in<br />

Gang gekommen. So bemühen sich zwei Institutionen<br />

darum, die systematische Bewertung medizinischer<br />

Verfahren in der Gesundheitspolitik zu verankern:<br />

das «Swiss Medical Board» und «SwissHTA»<br />

(Swiss Health Technology Assessment). Diese beiden<br />

Projekte, aber auch konkrete politische Vorstösse, die<br />

eine schweizweite HTA-Agentur fordern, tragen zu<br />

einer vermehrten öffentlichen Debatte bei, wie dies<br />

zuletzt auch die vielen Repliken auf den «Myozyme®-<br />

Entscheid» <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichts vom 23. November<br />

2010 taten. Dabei stehen nicht nur medizinische und<br />

ökonomische Aspekte von Kosten-/Nutzenbewertungen<br />

im Brennpunkt <strong>des</strong> Interesses, sondern ebenso<br />

und ganz zentral deren ethische Dimension.<br />

Manche Stimmen in der Debatte sehen in etablierten<br />

und konsensuellen Verfahren zur Bewertung<br />

von Kosten und Nutzen einen Beitrag zu einer gerechten<br />

und transparenten Allokation der begrenzten Ressourcen<br />

im Gesundheitswesen. Andere befürchten<br />

eine ungerechtfertigte Einschränkung <strong>des</strong> gleichberechtigten<br />

Zugangs zu medizinischen Leistungen<br />

und insbesondere eine Schwächung ohnehin schon<br />

vulnerabler Patientengruppen. Wo die einen eine<br />

Programm – Donnerstag, 5. Juli 2012, Kongresszentrum Hotel Ador, Bern<br />

9.15 Uhr Begrüssung und einführung<br />

P rof. Christian Kind, Präsident der Zentralen Ethikkommission der SAMW,<br />

St. Gallen<br />

Was bedeuten Kosten-/nutzenbewertungen im medizinischen Alltag? Praxisbeispiele<br />

9.30 Uhr Coûts-utilité en oncologie<br />

Prof. Pierre-Yves Dietrich, Hôpitaux Universitaires de Genève<br />

9.45 Uhr Kosten-/Nutzenbewertungen in der Intensivmedizin<br />

Prof. Daniel Scheidegger, Universitätsspital Basel<br />

10.00 Uhr Nachgefragt<br />

Dr. Barbara Bleisch, Schweizer Radio und Fernsehen SRF, Zürich<br />

grundlagen von Kosten-/nutzenbewertungen<br />

10.15 Uhr B isherige Erfahrungen mit Health Technology Assessment und gesundheitspolitische<br />

Überlegungen in der Schweiz<br />

lic. iur. Andreas Faller, Bun<strong>des</strong>amt für Gesundheit, Bern<br />

10.35 Uhr M ethoden zur Bewertung von Kosten und Nutzen in der Medizin: eine systematische<br />

Übersicht; Prof. Thomas Szucs, Universität Basel<br />

10.55 Uhr Pause<br />

11.15 Uhr Wie lässt sich Lebensqualität messen? Empirische und ökonomische Überlegungen;<br />

Prof. Urs Brügger, ZHAW Winterthur<br />

11.35 Uhr L e problème de la détermination de la qualité de vie: réflexions éthiques<br />

Prof. Samia Hurst, Université de Genève<br />

11.55 Uhr Diskussion<br />

12.30 Uhr Mittagessen<br />

Chance sehen, unvermeidliche Leistungsbeschränkungen<br />

durch eine vermehrte Klärung der Wirksamkeit,<br />

Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit<br />

medizinischer Massnahmen gerechter auszugestalten,<br />

warnen die anderen vor einer unerwünschten<br />

Rationierung im Bereich der Medizin.<br />

Dabei steht nicht nur die Grundidee der Bewertung<br />

von Kosten und Nutzen zur Debatte, sondern<br />

ebenso die Methoden und Kriterien, deren sich eine<br />

solche Bewertung bedient. Der vierte Anlass in der<br />

Tagungsreihe «Ökonomisierung der Medizin» beleuchtet<br />

zunächst die konkreten Beispiele der Intensivmedizin<br />

und der Onkologie. Gefragt wird anschliessend<br />

nach den Möglichkeiten und Grenzen der Bewertung<br />

von Lebensqualität als einem in ethischer<br />

Hinsicht zentralen Kriterium für Kosten-/Nutzenbewertungen<br />

in der Medizin. Schliesslich werden die<br />

bisherigen Erfahrungen ebenso wie die konkreten<br />

Anforderungen an entsprechende Verfahren in politischer,<br />

ethischer, juristischer und ökonomischer Hinsicht<br />

zur Diskussion gestellt.<br />

An der öffentlichen Tagung stellen namhafte<br />

Expertinnen und Experten aus Medizin, Ethik, Ökonomie,<br />

Jurisprudenz und Politik ihre Standpunkte zu<br />

den aufgeworfenen Fragen dar und diskutieren diese<br />

mit einem interessierten Publikum.<br />

Kosten-/nutzenbewertungen und die Ökonomisierung medizinischer<br />

entscheidungen<br />

13. 30 Uhr Swiss Medical Board: Methoden, Erfahrungen und Erkenntnisse<br />

Prof. Peter Suter, Trägerverein Swiss Medical Board, Genf<br />

13.50 Uhr Rolle und Funktion von Kosten-/Nutzenbewertungen in der Medizin aus<br />

rechtlicher Sicht; Prof. Brigitte Tag, Universität Zürich<br />

14.10 Uhr G erechte Leistungsbeschränkungen? Zur Ethik der Kosten-/Nutzenbewertungen<br />

in der Medizin<br />

PD Dr. Markus Zimmermann-Acklin, Universität Fribourg<br />

14.30 Uhr Diskussion<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

Pause<br />

15.20 Uhr Podiumsdiskussion: Kosten-/nutzenbewertungen in der Medizin:<br />

Forderungen aus ethischer, gesundheitspolitischer und medizinischer<br />

Perspektive<br />

Mit: Dr Ignazio Cassis, Conseiller national, Montagnola; Dr. Ruth Baumann-<br />

Hölzle, Institut «Dialog Ethik», Zürich; Dr. Reto Guetg, Vertrauensarzt santésuisse,<br />

Bern; Prof. Samia Hurst, Université de Genève; Prof. Daniel Scheidegger,<br />

Universitätsspital Basel. Moderation: Dr. Barbara Bleisch, Schweizer Radio und<br />

Fernsehen SRF, Zürich<br />

Synthese und Ausblick<br />

Prof. Otfried Höffe, Präsident der NEK-CNE, Tübingen<br />

Simultanübersetzung Deutsch-Französisch Anmeldung: mail[at]samw.ch<br />

579


iaggi & partner weitere organisationen und institutionen<br />

Führungsseminar für oberärztinnen<br />

und oberärzte, Leitende Ärztinnen<br />

und Leitende Ärzte 2012–2013<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Für oberärztinnen und oberärzte sowie Leitende Ärztinnen und Leitende Ärzte ist<br />

der adäquate umgang mit den verschiedenen Berufsgattungen, Hierarchien und<br />

s ituationen im komplexen spitalalltag eine Voraussetzung, damit sie als Kaderärzte<br />

ernst genommen werden und sich durchsetzen können. im Führungsseminar<br />

m achen sie sich mit den wichtigsten Führungsprinzipen vertraut und lernen, sie im<br />

Praxisalltag richtig einzusetzen.<br />

Das Führungsseminar richtet sich ausschliesslich an Oberärztinnen und Oberärzte,<br />

Leitende Ärztinnen und Leitende Ärzte aller Fachgebiete.<br />

«Fachkompetenz alleine genügt nicht, um als<br />

Kaderarzt Führungsaufgaben erfolgreich zu<br />

meistern, dazu braucht es zusätzliche Kenntnisse<br />

und praxisbewährte tools.»<br />

Die 4 Module (4 × 2 Tage) werden von qualifizierten<br />

Experten begleitet und beinhalten die wichtigsten<br />

führungsrelevanten Themen.<br />

Inhalte (Auszug)<br />

– Effiziente Gesprächsführung, das schwierige Gespräch,<br />

Kritik erteilen, Anstellung, Qualifikation,<br />

Zielvereinbarung, Sitzungsleitung;<br />

– Führungsprinzipien und Führungsmethoden,<br />

Ärzte als Führungspersonen, eigene Führungskompetenz,<br />

wirkungsvolles Führen in komplexen<br />

Organisationen;<br />

– Konfliktmanagement, eigenes Verhalten in Konfliktsituationen,<br />

Harvard Modell, Interventionsmöglichkeiten,<br />

Teamentwicklung, Potentialanalyse;<br />

– Zeitmanagement und Prioritätensetzung für<br />

Kader ä rzte, Umgang mit Macht, Mobbing,<br />

eigene Erfolgspotentiale, Bewerbung und Vorstellung<br />

für Kaderstellen<br />

Das Seminar wird vom <strong>Schweizerische</strong>n Institut für<br />

Weiter­ und Fortbildung (SIWF) der FMH für die<br />

Fortbildung akkreditiert und mit 32 Credits anerkannt.<br />

Offizielles Zertifikat.<br />

Daten<br />

– 1. und 2. November 2012<br />

– 3. und 4. Dezember 2012<br />

– 24. und 25. Januar 2013<br />

– 14. und 15. März 2013<br />

Seminarort<br />

Kongress­Hotel und Kursaal AG, Bern<br />

Kurskosten<br />

5200 Franken für 8 Seminartage inkl. Mittagessen,<br />

Pausenverpflegungen, Infrastruktur und ausgiebige<br />

Kursunterlagen<br />

Anmel<strong>des</strong>chluss<br />

31. August 2012<br />

Weitere Informationen und Anmeldung<br />

biaggi-partner, führungsseminare,<br />

Kurssekretariat<br />

Postfach 15, CH-3074 Muri, tel. 031 951 72 34<br />

jean.biaggi[at]bluewin.ch<br />

www.biaggi-partner.ch<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

580


edaktion.saez@emh.ch BRIEFE<br />

Briefe an die SÄZ<br />

Ärztliche Suizidhilfe<br />

Verstehe ich den Artikel der SAMW [1] betreffend<br />

Problemen bei der Durchführung von<br />

ärztlicher Suizidhilfe richtig, wenn ich daraus<br />

schliesse, dass die ZEK den assistierten Freitod<br />

auf terminale Krankheiten beschränken<br />

möchte?<br />

Ich stimme mit der Zentralen Ethikkommission<br />

(ZEK) der SAMW überein, dass bei einem<br />

Wunsch nach Beendigung <strong>des</strong> eigenen Daseins<br />

allergrösste Vorsicht geboten ist, und klare<br />

Richtlinien berücksichtigt werden sollen. Ich<br />

möchte die ZEK und die SAMW aber anfragen,<br />

was sie unheilbar schwerstleidenden Menschen<br />

raten, die nicht das «Glück» haben, in<br />

den nächsten Tagen oder Wochen eines natürlichen<br />

To<strong>des</strong> sterben zu können? In England<br />

kämpft ein Mann mit «Locked-in-Syndrom»<br />

gerade jetzt vor dem High Court dafür, dass er<br />

in seinem Heimatland in einen begleiteten<br />

Freitod gehen darf. (Er wird optimal zu Hause<br />

gepflegt, seine Angehörigen verstehen und akzeptieren<br />

aber seinen Wunsch.) Wie stellt sich<br />

die <strong>Schweizerische</strong> Ethikkommission gegenüber<br />

solchen Situationen? Hat die Ethikkommission<br />

Zahlen, wie viele Menschen mit Carcinomen<br />

(Leidenserwartung Tage bis Wochen)<br />

und wie viele Menschen mit schwerst invalidisierenden<br />

und schmerzhaften unheilbaren<br />

neurologischen Erkrankungen (Leidenserwartung<br />

Monate bis Jahre) in den Tod gehen?<br />

Ich möchte mit meiner im November 2011 gegründeten<br />

Organisation lifecircle (www.lifecircle.ch)<br />

die Selbstbestimmung in schwierigen<br />

Lebenslagen stärken, uneingeschränkt, aber<br />

dafür mit sehr viel ärztlichem Verantwortungsgefühl.<br />

Deswegen habe ich kürzlich in der SÄZ<br />

meinen Artikel über Palliativmedizin und Freitodbegleitung<br />

veröffentlicht und darin einen<br />

konkreten Fall beschrieben [2], den Markus<br />

Zimmermann-Acklin, Vizepräsident der ZEK,<br />

in der NZZ als «haarsträubend» bezeichnet [3].<br />

Vorrang hat bei lifecircle nicht die Freitodbegleitung,<br />

sondern die Suizidprophylaxe, Pflege<br />

zu Hause, Patientenverfügung und die Palliativmedizin.<br />

Die Freitodbegleitung wird aber<br />

über eine zugehörige Stiftung auch ermöglicht.<br />

Ich bitte die Verantwortlichen der SAMW bzw.<br />

der ZEK, mit Personen, die in Bezug auf Freitodbegleitung<br />

sehr viel Fachkompetenz haben,<br />

in persönlichen Kontakt zu treten. Dies in der<br />

Hoffnung, dass sehr bald gute, humane Richtlinien<br />

entstehen, die auch den Menschen mit<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

unheilbarem, chronischem Leiden die Möglichkeit<br />

geben, ihr Menschenrecht auf eine eigenhändige,<br />

aber sichere und begleitete Beendigung<br />

ihres Leidens zu beanspruchen.<br />

Eine engagierte Hausärztin mit Herz<br />

Dr. med. Erika Preisig, Biel-Benken<br />

1 Zentrale Ethikkommission der <strong>Schweizerische</strong>n<br />

Akademie der Medizinischen Wissenschaften<br />

(SAMW). Probleme bei der Durchführung<br />

von ärztlicher Suizidhilfe. Schweiz <strong>Ärztezeitung</strong>.<br />

2012;93(11):411–2.<br />

2 Preisig E. Palliativmedizin und Freitodbegleitung:<br />

Erfahrungsbericht einer Hausärztin.<br />

Schweiz <strong>Ärztezeitung</strong>. 2011;92(41):1588–9.<br />

3 www.nzz.ch/nachrichten/politik/schweiz/<br />

kritik_an_suizidhilfe_durch_aerzte_1.15787086.<br />

html<br />

Neue Kommunikationswege<br />

sind dringend nötig<br />

Herr Ritler, Vizedirektor <strong>des</strong> BSV, malt in seinem<br />

Artikel über die Philosophie der IV [1] ein<br />

sehr harmonisches Bild der Zusammenarbeit<br />

verschiedenster Institutionen rund um den behinderten<br />

Menschen. Aus jahrzehntelanger Erfahrung<br />

als Grundversorger muss ich dieser<br />

Ansicht entschieden widersprechen. Die Zusammenarbeit<br />

von uns Ärztinnen und Ärzten<br />

mit der IV war schon immer schlecht und ist es<br />

noch jetzt, trotz den in unregelmässigen Abständen<br />

deklarierten Neuerungen.<br />

Herr Ritler betont wiederholt, wie wichtig der<br />

IV die Zusammenarbeit mit uns sei, ja dass unsere<br />

Meinung über einen Patienten entscheidend<br />

für die schliessliche Verfügung sei. Ich<br />

denke, dass ich nicht der Einzige bin, der hier<br />

schlicht den Kopf schütteln muss, denn in unserem<br />

Alltag erleben wir mit der IV anderes:<br />

Noch nie in 30 Jahren bin ich von einem IV-<br />

Sachbearbeiter kontaktiert worden, das telefonische<br />

Eindringen in die IV zu einer kompetenten<br />

Person ist weiterhin fast unmöglich. Man<br />

gelangt nur bis zur entsprechenden Büroperson,<br />

die von den gesundheitlichen Aspekten<br />

<strong>des</strong> betreffenden Menschen keine Ahnung hat.<br />

Als der «regionale Ärztedienst RAD» vor ein<br />

paar Jahren gegründet wurde, habe ich ein paar<br />

Mal vergeblich versucht, dort einen Kollegen,<br />

eine Kollegin zu sprechen. Wenn man von einer<br />

Sekretärin oder einer Hotline nicht durchgelassen<br />

wird und auch der gewünschte Rückruf<br />

nie stattfindet, verliert man den Mut. Miss-<br />

mutig nimmt man also die schrecklich<br />

komplizierten und mit unverständlichen Fragen<br />

gespickten IV-Formulare hervor, versucht<br />

sie zu beantworten, wohl wissend, dass diese<br />

Mühsal keinerlei Einfluss auf die Entscheidungsprozesse<br />

der IV haben wird. Viele Fragen<br />

sind so gestellt, dass eine seriöse Antwort nicht<br />

möglich ist. Wird jemand von der IV zu einem<br />

Konsiliarius geschickt, erwartet den Patienten<br />

fast immer ein vernichten<strong>des</strong> Urteil.<br />

Alles, was Herr Ritler schreibt, ist eine perfekte<br />

Utopie: Die konstruktive Zusammenarbeit mit<br />

uns Ärzten und Ärztinnen findet trotz unserer<br />

Bereitschaft nicht statt. Wir werden nicht einbezogen<br />

und fühlen uns – wie unsere Patienten<br />

und Patientinnen – von den Entscheidungen<br />

ausgeschlossen. Wir werden nicht gehört! Die<br />

IV arbeitet unglaublich langsam und die Bürokratie<br />

ist überall spürbar. Der persönliche Kontakt<br />

der begleitenden und beratenden IV-Fachleute<br />

mit uns ist inexistent, aus unserer Sicht<br />

scheint eben gerade das Aktenstudium und<br />

nicht die institutionelle Zusammenarbeit im<br />

Zentrum zu stehen. Schön ist das Bild, dass<br />

sich die behinderte Person, der Arbeitgeber, die<br />

IV, andere involvierte Versicherungen und wir<br />

Ärzte quasi an einem Tisch sitzen, um das Beste<br />

für den Menschen, um den es geht, herauszuholen;<br />

die Realität sieht leider anders aus.<br />

Ich bin aus meiner Erfahrung skeptisch, ob<br />

sich unter dem jetzigen, politisch motivierten<br />

Spardruck etwas ändern wird, wünsche der IV<br />

aber viele gute Ideen beim Erschaffen von<br />

neuen Kommunikationswegen zu uns Ärzten.<br />

Sie sind dringend nötig und würden viel zu einer<br />

besseren Stimmung beitragen. Eine raffinierte<br />

Internetplattform ist sicher zeitgemäss,<br />

das gute, alte Telefongespräch aber sicher besser,<br />

weil einfacher. Auf das neue IV-Ärzteformular<br />

bin ich gespannt, ich hoffe, dass es praxisgerechter<br />

ist als die bisherigen.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

Dr. med. Daniel Rähle, Wetzikon<br />

1 Ritler S. Eingliederung ist eine Chance,<br />

Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern.<br />

Schweiz <strong>Ärztezeitung</strong>. 2012;93(11):409–10.<br />

Populistische Pauschalverurteilungen<br />

Bei seiner Meinungsäusserung in der SÄZ vom<br />

22.3.12 [1] macht der Präsident von «Pulsus»,<br />

Marcus Maassen, Managed Care schlecht, indem<br />

er Beispiele aus den USA zitiert, welche<br />

581


edaktion.saez@emh.ch BRIEFE<br />

selbstverständlich so in der Schweiz nicht möglich<br />

wären.<br />

Es ist grundsätzlich falsch, US-amerikanische<br />

Managed-Care wie auch HMO-Medizin mit der<br />

Arbeit von schweizerischen Netzwerken zu vergleichen.<br />

Das wird zwar leider schon seit<br />

20 Jahren so gemacht, wird aber <strong>des</strong>wegen<br />

nicht richtiger.<br />

Was Maassen in Deutschland über Netzwerke<br />

von Hausärzten erfahren und gelernt hat, entzieht<br />

sich meiner Kenntnis. Leider hat er sich<br />

aber seit seiner Tätigkeit in der Schweiz nicht<br />

über unsere Arbeit informiert, sonst würde er<br />

nicht solche populistischen Pauschalverurteilungen<br />

verbreiten. Als Präsident von «Pulsus»,<br />

ein konservativer, Vergangenheits-orientierter<br />

Ärzteverein, wäre er eigentlich verpflichtet,<br />

sich vor einer solchen Stellungnahme besser zu<br />

informieren (bei Bedarf stelle ich mich gerne<br />

zur Verfügung!). Auch Maassen hat Angst um<br />

seine Pfründe, eine Angst, die völlig unberechtigt<br />

ist. Wir Hausärzte in Winterthur arbeiten<br />

selbstverständlich eng und regelmässig mit unseren<br />

Spezialisten zusammen. Die gesammelten<br />

133 000 Unterschriften zeigen eigentlich<br />

nur, wie leicht beeinflussbar und abhängig ein<br />

Patient ist.<br />

Integrierte Versorgungsnetze vermeiden Doppelspurigkeiten,<br />

sichern Qualität und dämpfen<br />

Kosten (NZZ vom 23.3.12). Die Angst vor Einkommensverlust<br />

ist unbegründet. Ich appelliere<br />

<strong>des</strong>halb an alle unentschlossenen Spezialisten:<br />

Stimmen Sie am 17. Juni JA zur Managed-Care-<br />

Vorlage!<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Dr. med. Christoph Bovet, Winterthur<br />

1 Maassen MM, Bianchetti M. Flächendecken<strong>des</strong><br />

Managed Care: aus Erfahrung schlecht –<br />

der Blick über den Ozean. Schweiz <strong>Ärztezeitung</strong>.<br />

2012;93(12):445–6.<br />

Cyanocobalamin<br />

Den kritischen Ausführungen von Markus<br />

Gnädinger [1] über einen gewissen Unwillen<br />

und eine Trägheit von Swissmedic, auf seine<br />

Probleme mit Medikamenten einzugehen,<br />

kann ich mich anschliessen. Ich suchte, leider<br />

vergebens, bei Swissmedic Hilfe bei der Lösung<br />

der Problematik von Cyanocobalamin:<br />

Cyanocobalamin ist eine relativ stabile Form<br />

von Cobalamin (Vitamin B12). Deswegen wurde<br />

sie auch als Erste im Labor synthetisiert, was<br />

mit dem Nobelpreis gewürdigt wurde. Im Körper<br />

entsteht sie aus Hydroxocobalamin und<br />

Methylcobalamin, wenn diese mit Stickstoffverbindungen,<br />

wie z.B. auch mit dem Stickstoffoxid<br />

(NO) reagieren, was eine der wichtigsten<br />

fast unzähligen Wirkungen von Vitamin<br />

B12 ist. Es bildet sich dabei das Abbauprodukt<br />

Cyanocobalamin, das vorwiegend in der Niere<br />

ausgeschieden und nur zum kleinen, vermutlich<br />

von Mensch zum Mensch unterschiedlichem<br />

Teil zurück in Hydroxocobalamin und<br />

dann zum Metylcobalamin umgewandelt wird.<br />

Man weiss, dass bei manchen Krankheiten,<br />

wie z. B.Raucheroptikusneuritis, Cyanocobalamin<br />

toxisch wirkt. Vermutlich ist dies auch<br />

sonst der Fall – den Nachweis zu erbringen, ist<br />

jedoch nicht leicht.<br />

Ungeachtet dieser Nachteile wurde Cyanocobalamin<br />

erst in der Injektionsform, später auch<br />

in der oralen Form mit grossem Erfolg für die<br />

Therapie <strong>des</strong> Vitamin-B12-Mangels angewandt,<br />

und zwar aus einem einfachen Grund – es gab<br />

keine anderen, besseren Formen von Vitamin<br />

B12 als Medikament. Wegen <strong>des</strong> Verlustes<br />

durch die Niere muss(te) man Cyanocobalamin<br />

oft spritzen, und so entwickelte man eine<br />

künstliche Depotform. Da das inzwischen vorhandene<br />

Hydroxocobalamin nicht durch die<br />

Niere ausgeschieden wird, ist es schon natürlich<br />

in der «Depotform» (Vitarubin Depot der<br />

Fa. Streuli), noch dazu ohne die min<strong>des</strong>tens<br />

potentiellen Gefahren und offensichtlichen<br />

Nachteile <strong>des</strong> Cyanocobalamins, und erst noch<br />

zum gleichen Preis! Mit der Zeit erschien für<br />

die orale Anwendung das Methylcobalamin,<br />

das aber in der Schweiz nur über das Internet<br />

erhältlich ist. Wenn wir also Cyanocobalamin<br />

in den üblichen Vitaminpräparaten in kleinen<br />

Dosen zu uns nehmen, mag es keinen Schaden<br />

anrichten, wenn wir jedoch bei Vitaminmangel<br />

pharmakologische Dosen, noch dazu<br />

manchmal bei Schwangeren benützen, ist die<br />

Wirkung min<strong>des</strong>tens vermindert, wenn nicht<br />

schädlich. So kann man Berichte erklären, die<br />

trotz grotesk hohen Cyanocobalamin-Blutwerten<br />

keine oder nur eine minimale Wirkung zeigen.<br />

Der erste Schritt, das Verbot <strong>des</strong> parenteralen<br />

Cyanocobalamins, den Grossbritannien bereits<br />

vor Jahren getan hat, sollte problemlos möglich<br />

sein, abgesehen von den Verlusten für Firmen,<br />

die das Produkt vertreiben. Der zweite,<br />

der Ersatz von Cyanocobalamin durch Methylcobalamin<br />

in den oralen Präparaten, ist zwar sicher<br />

komplizierter, aber wir sollten ihn ebenfalls<br />

vollziehen, zumin<strong>des</strong>t in den pharmakologischen<br />

Dosierungen (500–1000 mcg, also<br />

100–200 % <strong>des</strong> Tagesbedarfes). Warum Swissmedic<br />

nicht bereit ist, in diesem Bereich etwas<br />

zu unternehmen, ist für mich unklar und<br />

scheint mir für Swissmedic beschämend. Ich<br />

hoffe auf Hilfe seitens <strong>des</strong> Ressorts Heilmittel<br />

der FMH. Dies auch beim Hem-Iron-Protein<br />

(HIP = Proferrin). Das ist aber ein anderes Kapitel.<br />

Dr. med. Peter Marko, St. Gallen<br />

1 Gnädinger M: Zu Risiken und Nebenwirkungen<br />

fragen Sie den Arzt oder Apotheker.<br />

Schweiz <strong>Ärztezeitung</strong>. 2012;93(12):467–8.<br />

santésuisse als Zauberer<br />

und Illusionisten<br />

santésuisse will Grundversorger nachhaltig<br />

besserstellen [1]. Wer’s glaubt zahlt santé suisse<br />

einen Taler (bzw. mehrere Millionen, die uns<br />

Hausärzte zwischen 2004 und 2008 vorenthalten<br />

wurden).<br />

Aktuell soll wieder einmal die Besuchsinkonvenienzpauschale<br />

von 40 TP in den Grund-Tarif<br />

eingebaut werden, d.h. als Pauschale verschwinden.<br />

Ein Nullsummenspiel, bei dem wir<br />

uns bei santésuisse noch bedanken sollen. Der<br />

Hausbesuch wurde vor TARMED im Kt. Zürich<br />

ab 1998 zum Tarif von 80 Franken plus Wegkosten<br />

abgegolten. Bei der Einführung <strong>des</strong><br />

TARMED wurde der Hausbesuch (absichtlich?)<br />

vergessen und tariflich gleich wie eine gewöhnliche<br />

Konsultation behandelt. Im Kt. Zürich<br />

z.B. für 20 Min. mit 47.18 Franken (d.h. minus<br />

41 %, im Vergleich zu vor TARMED). Nach<br />

4 Jahren Kampf um eine gerechte Entschädigung<br />

<strong>des</strong> Hausbesuches wurde uns dann 2008,<br />

grosszügig, eine befristete Besuchsinkonvenienzpauschale<br />

von 40 TP zugestanden. Damit<br />

wird heute der Hausbesuch (für einen 20-minütigen<br />

Hausbesuch ergibt dies 82.78 Franken)<br />

wieder etwa gleich schlecht entschädigt wie<br />

vor 10 Jahren. santésuisse möchte nun die Besuchsinkonvenienzpauschale<br />

fest in den Tarif<br />

einbauen [1]. Wo bitte bleibt da die angekündigte<br />

Besserstellung? Zuerst nimmt man den<br />

Hausärzten während 4 Jahren eine grundlegende<br />

Position einfach weg, dann gewährt<br />

man diese wieder grosszügig, aber befristet.<br />

Und nun verkündet santésuisse lautstark eine<br />

nachhaltige Besserstellung alleine durch den<br />

geforderten Einbau in den Tarif. Für eine nachhaltige<br />

Besser stellung der Hausärzte braucht es<br />

mehr als leere Worthülsen. Da kann ich allen<br />

nur empfehlen, in Zukunft jeden Hausbesuch<br />

nur noch als Notfall und mit Notfallinkonvenienzpauschale<br />

von 50 TP durchzuführen. Dies<br />

entspricht etwa den Kosten eines ganz normalen<br />

Hausbesuchs vor der Einführung <strong>des</strong> TAR-<br />

MED.<br />

Dr. med. Valerio Rosinus, Zürich<br />

1 Communiqué vom 14.3.2012: santésuisse will<br />

Grundversorger nachhaltig besser stellen.<br />

www.santesuisse.ch/datasheets/<br />

files/201203141518450.pdf<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16 582


Mitteilungen<br />

Facharztprüfung<br />

Facharztprüfung zur Erlangung<br />

<strong>des</strong> Facharzttitels Gastroenterologie<br />

Teil A und B<br />

Datum und Ort: 15. November 2012, Inselspital<br />

Bern, Saal Paradiso<br />

schriftlich­theoretische Prüfung (Teil A) und<br />

schriftliche Interpretation von Dokumenten<br />

bildgebender Verfahren (Teil B)<br />

Teil C<br />

Datum und Ort: 6. Dezember 2012, Abteilung<br />

für Gastroenterologie, Kantonsspital Luzern<br />

mündliche praktische Prüfung mit Falldiskussion<br />

(Teil C)<br />

Anmeldefrist: 31. August 2012<br />

Die Anmeldung gilt mit der Einzahlung der<br />

Prüfungsgebühr.<br />

Weitere Informationen finden Sie auf der Website<br />

<strong>des</strong> SIWF unter www.siwf.ch → Weiterbildung<br />

AssistenzärztInnen → Facharztprüfungen<br />

<strong>Schweizerische</strong> Gesellschaft für<br />

Klinische Neurophysiologie (SGKN)<br />

Prüfung zur Erlangung der Fähigkeitsausweise<br />

Elektroenzephalographie (SGKN),<br />

Elektroneuromyographie (SGKN) und<br />

Zerebrovaskuläre Krankheiten (SGKN)<br />

Zur Erlangung der Fähigkeitsausweise Elektroenzephalographie,<br />

Elektroneuromyographie<br />

und Zerebrovaskuläre Krankheiten ist neben<br />

den übrigen Voraussetzungen, die unter www.<br />

fmh.ch/fmh.cfm abrufbar sind, eine abschliessende<br />

theoretische und praktische Prüfung obligatorisch.<br />

Die Prüfung kann frühestens ein<br />

Jahr vor dem voraussichtlichen Erwerb <strong>des</strong><br />

Facharzttitels abgelegt werden.<br />

Datum und Ort<br />

Donnerstag und Freitag, 15./16. November<br />

2012, Inselspital in Bern<br />

Anmeldung<br />

Kolleginnen und Kollegen, die sich für die Prüfung<br />

anmelden, werden gebeten, ein Dossier<br />

mit folgenden Unterlagen bis zum 15. August<br />

2012 einzureichen:<br />

– Curriculum Vitae;<br />

– Bestätigungsschreiben der Ausbildungsstätte<br />

mit folgenden Angaben: a) Name <strong>des</strong>/<br />

der verantwortlichen Ausbildners/­in, b) genaue<br />

Ausbildungszeit, c) Stellenprozente/<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Beschäftigungsgrad, d) geforderte Untersuchungszahlen,<br />

e) Anzahl der selbständig<br />

durchgeführten Untersuchungen in der zu<br />

prüfenden Disziplin;<br />

– Angabe zu Ihrem Facharzttitel (unter Beilage<br />

einer Kopie <strong>des</strong> entsprechenden Diploms).<br />

Falls Sie noch keinen Facharzt haben:<br />

Wann werden Sie ihn voraussichtlich<br />

erwerben?<br />

– Prüfungssprache: Wünschen Sie auf<br />

Deutsch oder Französisch geprüft zu werden?<br />

– Mitgliedschaft: Sind Sie Mitglied bei der<br />

SGKN oder haben Sie sich für die Mitgliedschaft<br />

angemeldet? (Falls Sie sich vor der<br />

Prüfung anmelden, gelten reduzierte Prüfungsgebühren.)<br />

Anmeldungen mit komplettem Bewerbungsdossier<br />

sind zu richten an: Geschäftsstelle<br />

SGKN, Frau Christa Kubat, Blumenweg 13,<br />

5036 Oberentfelden, Tel. 062 723 42 80, Fax<br />

062 723 42 81, sgkn[at]bluewin.ch<br />

Prüfungsorganisator: Dr. Claudio Gobbi, claudio.gobbi[at]eoc.ch<br />

Prüfungsgebühr<br />

Für Mitglieder der SGKN: 500 Franken<br />

Für Nichtmitglieder der SGKN: 1000 Franken<br />

Walter Siegenthaler Gesellschaft<br />

für Fortschritte in der<br />

Inneren Medizin<br />

Ludwig-Heilmeyer-Preis 2012<br />

Zur Förderung <strong>des</strong> wissenschaftlichen Nachwuchses<br />

wird der Preis der Ludwig­Heilmeyer­<br />

Medaille in Silber, der mit einem Geldbetrag<br />

von 5000 Euro dotiert ist, für das Jahr 2012 ausgeschrieben.<br />

Der Preis wird alle 2 Jahre für<br />

grundlegende wissenschaftliche Arbeiten über<br />

aktuelle Themen der Inneren Medizin verliehen.<br />

Die Arbeiten dürfen bislang bei keiner anderen<br />

Preisauszeichnung eingereicht sein. Es<br />

darf nur eine Arbeit eingereicht werden. Diese<br />

sollte weitgehend im deutschsprachigen Raum<br />

entstanden sein. Dabei kann es sich auch um<br />

eine Habilitationsschrift handeln. Der/die Bewerber/in<br />

soll nicht älter als 40 Jahre sein. Der<br />

Preis der ausgewählten Arbeit geht an den<br />

Autor, der die Bewerbung eingereicht hat.<br />

Die Arbeiten werden, neben einem kurzen Curriculum<br />

Vitae, in 7­facher Ausfertigung erbeten<br />

an den Generalsekretär der Gesellschaft für<br />

Fortschritte in der Inneren Medizin, Prof. Dr.<br />

med. R. Mies, St. Antonius­Krankenhaus,<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

MITTEILUNGEN<br />

Schiller strasse 23, D­50968 Köln. Deadline zur<br />

Einreichung ist der 1. Mai 2012.<br />

Die drei besten eingereichten Arbeiten werden<br />

auf einer Posterdemonstration anlässlich <strong>des</strong><br />

Symposiums vorgestellt und sind zitierfähig.<br />

Die Entscheidung <strong>des</strong> Kuratoriums über die<br />

Auswahl <strong>des</strong> Preisträgers ist endgültig. Der<br />

Rechtsweg bleibt ausgeschlossen.<br />

Die Preisverleihung findet anlässlich <strong>des</strong><br />

32. Symposiums der Gesellschaft vom 15. bis<br />

17. November 2012 in Köln statt.<br />

Allergiestiftung<br />

Ulrich Müller-Gierok<br />

Unterstützung für klinische Studien<br />

Die Stiftung unterstützt alljährlich Studien in<br />

klinischer Allergologie in der Schweiz mit insgesamt<br />

bis zu 300 000 Franken pro Jahr.<br />

Gesuche für die Unterstützung müssen mit<br />

entsprechender Dokumentation bis 15. Juni<br />

2012 bei der Geschäftsführung der Stiftung<br />

eingegeben werden. Detaillierte Angaben zur<br />

Gesuchstellung finden Sie auf der Homepage<br />

der <strong>Schweizerische</strong>n Gesellschaft für Allergologie<br />

und Immunologie, www.ssai.ch, Link Stiftungen.<br />

Der Stiftungsrat wird bis Ende September 2012<br />

über die Unterstützung entscheiden.<br />

Korrigendum<br />

In der SÄZ Nr. 13 vom 28. März 2012 wurden<br />

bei der Ausschreibung von «The Cardiovascular<br />

Research Prize» infolge eines Dispositionsfehlers<br />

falsche Informationen publiziert. Die<br />

korrekten Angaben lauten:<br />

– This annual prize aims at rewarding a clinical<br />

research project, published or accepted<br />

for publication in a peer­reviewed journal in<br />

2010/2012.<br />

– Manuscripts should be submitted before the<br />

1st of September 2012.<br />

– The winner will be notified in December<br />

2012 and will be invited to give a short oral<br />

presentation of his work during the annual<br />

meeting of the «28 e Rencontre Cardiologique<br />

Franco-Suisse de la Tour» in March 2013 in<br />

Geneva.<br />

Wir bedauern diese Fehler und bitten dafür um<br />

Entschuldigung.<br />

Anzeigenregie EMH<br />

583


Redaktionelle Verantwortung: FMH SERVICES<br />

FMH SERVICES<br />

Die grösste stan<strong>des</strong>eigene Dienstleistungsorganisation<br />

Rechtsschutzversicherung für Ärzte<br />

Jetzt Schutz beantragen<br />

✂<br />

Stellen Sie sich vor, …<br />

… drei Tage nach dem Erwerb eines Occasionsgerätes versagt dieses seinen Dienst.<br />

… bei einem Verkehrsunfall werden Sie verletzt, die gegnerische Partei bestreitet jedoch ihre Schuld.<br />

… ein Krankenversicherer weigert sich, die von Ihnen erbrachte medizinische Leistung gemäss Tarif zu entschädigen.<br />

Selbst ein friedfertiger Mensch kann heutzutage in eine rechtliche Auseinandersetzung geraten. Und nicht immer lässt sich die<br />

Frage wer recht hat, so einfach beantworten. Daraus folgen hohe Anwaltshonorare, Gerichtskosten und Forderungen.<br />

Die FMH Insurance Services Rechtsschutzversicherung hilft Ihnen, zu Ihrem Recht zu kommen. Experten und Anwälte stehen<br />

Ihnen im Rechtsstreit mit Rat und Tat zur Seite. Weiter übernimmt die Versicherung Anwaltshonorare und Gerichtskosten bis zu<br />

einer Summe von CHF 250 000.– pro Schadenereignis.<br />

Versicherte Risiken<br />

Berufsrechtsschutz für selbständig praktizierende<br />

Ärzte sowie für angestellte<br />

Ärzte und Medizinische Praxisassistentinnen<br />

in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit<br />

für die versicherte Praxis (inkl. Überarztung).<br />

Bestellen Sie die Antragsunterlagen, damit Sie sich und Ihre Familie vor den Folgen eines Rechtsstreites schützen können. Oder<br />

rufen Sie uns an, damit wir Sie zu dieser Versicherung oder zu weiteren Themen im Vorsorge-, Vermögens- und Versicherungsbereich<br />

beraten können.<br />

Antworttalon Bitte einsenden oder per Fax an: 031 959 50 10<br />

Vorname / Name<br />

Adresse<br />

PLZ / Ort<br />

Geburtsdatum<br />

Erwerbsart ❍ Selbständig erwerbend ❍ Angestellt<br />

Telefon Privat / Geschäft<br />

Beste Zeit für einen Anruf<br />

E-Mail-Adresse<br />

❍ Bitte senden Sie mir Abschlussunterlagen zur FMH<br />

Insurance Services Rechtsschutzversicherung.<br />

❍ Ich wünsche eine persönliche Beratung.<br />

Bitte rufen Sie mich an.<br />

❍ Ich interessiere mich für:<br />

Verkehrsrechtsschutz für alle mit dem<br />

Versicherten im gleichen Haushalt lebenden<br />

Personen sowie die berechtigten<br />

Lenker der auf den Versicherungsnehmer<br />

eingelösten Motorfahrzeuge.<br />

❍ Pensionsplanung ❍ Pensionskasse BVG<br />

❍ Säule 3a ❍ Krankenkasse<br />

❍ Finanz-/Steuerplanung ❍ Berufshaftpflichtversicherung<br />

❍<br />

Privatrechtsschutz für alle mit dem Versicherten<br />

im gleichen Haushalt lebenden<br />

Personen.<br />

Roth Gygax & Partner AG n Koordinationsstelle<br />

Moosstrasse 2 n 3073 Gümligen<br />

Telefon 031 959 50 00 n Fax 031 959 50 10<br />

mail@fmhinsurance.ch n www.fmhinsurance.ch Talon-Code: IN16/2012 / Rechtsschutzversicherung


Thema TRIBÜNE<br />

Bündner Präventionsprogramm für Kinder psychisch kranker Eltern<br />

Eine gemeinsame Aufgabe von Erwachsenen-<br />

sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

Elisabeth Schmidt a ,<br />

Suzanne von Blumenthal b ,<br />

Jörg Leeners c<br />

a Fachpsychologin für<br />

Psychotherapie, Kinder­ und<br />

Jugendpsychiatrie Graubünden<br />

b Dr. med., Chefärztin<br />

Psychiatrische Dienste<br />

Graubünden<br />

c Dr. med., Chefarzt Kinder­<br />

und Jugendpsychiatrie<br />

Graubünden<br />

Korrespondenz:<br />

Elisabeth Schmidt<br />

Kinder­ und Jugendpsychiatrie<br />

Graubünden KJP<br />

Ambulante Angebote<br />

Masanserstrasse 14<br />

CH­7000 Chur<br />

Tel. 081 252 90 23<br />

Fax 081 252 95 01<br />

elisabeth.schmidt[at]kjp-gr.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Die psychische Erkrankung eines Elternteils stellt für Kinder einen bedeutsamen<br />

Risiko faktor in ihrer Entwicklung dar. Um ihre Situation zu verbessern, haben die<br />

Psych i atrischen Dienste und die Kinder- und Jugendpsychiatrie <strong>des</strong> Kantons<br />

G raubünden ein Konzept entwickelt, das die altersangemessene Psychoedukation<br />

der Kinder und Unterstützung der Eltern in den Mittelpunkt stellt.<br />

Kinder von psychisch kranken Eltern sind einem<br />

stark erhöhten Risiko ausgesetzt, im Lauf ihres<br />

Lebens selbst an einer psychischen Störung zu erkranken.<br />

Neben dem genetischen Risiko kann die<br />

psychische Erkrankung die Beziehungsfähigkeit und<br />

Erziehungskompetenz eines Elternteils beeinträchtigen.<br />

Des Weiteren sind die Kinder gehäuft<br />

psychosozialen Risiken ausgesetzt wie Armut, niedrigem<br />

sozioökonomischem Status der Eltern, Verlust<br />

von Bezugspersonen, Vernachlässigung, Misshandlung<br />

oder sexuellem Missbrauch [1, 2]. Mattejat und<br />

Remschmidt stellten fest, dass bei der Inanspruchnahmepopulation<br />

einer stationären kinder­ und jugendpsychiatrischen<br />

Behandlung bis zur Hälfte der<br />

Kinder und Jugendlichen bei einem psychisch erkrankten<br />

Elternteil aufwuchsen [1].<br />

Gemäss einer Nationalfonds­Studie aus dem Jahr<br />

2006 haben in der Schweiz rund 50 % der psychisch<br />

Erkrankten Kinder. Schätzungen zufolge sind damit<br />

ca. 50 000 Kinder betroffen, wobei man von einer<br />

hohen Dunkelziffer ausgehen muss [3]. Rechnet<br />

man allein die Kinder aus Familien mit Suchterkrankungen<br />

hinzu, erhöht sich die Zahl massiv. Nach<br />

Schätzungen der <strong>Schweizerische</strong>n Fachstelle für<br />

Alko hol­ und andere Drogenprobleme (SFA) leben<br />

rund 100 000 Kinder und Jugendliche in Familien<br />

mit einem suchtmittelabhängigen Elternteil [4].<br />

Hilfe für die betroffenen Kinder besteht in erster<br />

Linie in der effektiven Behandlung der elterlichen<br />

Krankheit. Daneben sind weitere Bestandteile der<br />

Präventionsarbeit psychoeduktive Interventionen<br />

sowie therapeutische oder pädagogische Hilfen für<br />

Eltern und Kinder, die individuell an die Situation<br />

der Familie angepasst werden [1]. Studien haben gezeigt,<br />

dass ein hoher Informationsgrad der Kinder<br />

über die elterliche Erkrankung ein sehr bedeutender<br />

Schutzfaktor ist [5]. Die zentrale Frage in der Prävention<br />

ist daher, wie man die betroffenen Kinder erreichen<br />

kann, bevor sie selbst Auffälligkeiten entwickeln,<br />

bzw. sie bei Bedarf möglichst rasch in Kontakt<br />

mit spezialisierten Hilfsangeboten bringen kann.<br />

Programme de prévention du canton <strong>des</strong><br />

Grisons pour les enfants de parents souf-<br />

frant de troubles psychiques: une tâche<br />

commune à la psychiatrie d’adultes et à<br />

la psychiatrie d’enfants et d’adolescents<br />

Les troubles psychiques d’un <strong>des</strong> parents présentent<br />

pour les enfants un facteur de risque dans leur déve-<br />

loppement. Or, les enfants ne sont souvent pas pris<br />

en considération dans le traitement psychiatrique<br />

<strong>des</strong> parents. Pour améliorer la situation de ces en-<br />

fants, les services de psychiatrie <strong>des</strong> Grisons (PDGR)<br />

et le service de psychiatrie pour enfants et adoles-<br />

cents <strong>des</strong> Grisons (KJP Graubünden) ont développé<br />

un concept qui met au centre la psychoéducation<br />

<strong>des</strong> enfants, adaptée à leur âge, et le soutien <strong>des</strong> pa-<br />

rents. Après le succès de la phase pilote, le concept<br />

sera élargi à tous les services du canton où se<br />

trouvent <strong>des</strong> patients ayant <strong>des</strong> enfants mineurs.<br />

Projektaufbau und -ablauf<br />

Das gemeinsame Projekt der Psychiatrischen Dienste<br />

Graubünden (PDGR) und der Kinder­ und Jugendpsychiatrie<br />

Graubünden (KJP Graubünden) wurde<br />

mit dem Ziel ins Leben gerufen, psychisch kranke<br />

Eltern für die Problematik zu sensibilisieren und sie<br />

dabei zu unterstützen, mit ihren Kindern altersgemäss<br />

über ihre Erkrankung zu reden. Auf diese Weise<br />

sollen Eltern und Kinder in der für alle Beteiligten<br />

schwierigen Situation entlastet und gestärkt werden.<br />

Darüber hinaus sollte die Möglichkeit einer weiterführenden<br />

Begleitung oder Abklärung in der KJP bei<br />

entsprechender Indikation vereinfacht werden.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

594


Thema TRIBÜNE<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Die Erarbeitung <strong>des</strong> Konzepts begann im Oktober<br />

2009. Die Projektgruppe setzte sich aus einem<br />

Pflegefachmann, einer Sozialarbeiterin und einem<br />

Psychiater der PDGR sowie einer Psychologin der<br />

KJP Graubünden zusammen. Von Oktober 2010 bis<br />

März 2011 fand eine sechsmonatige Pilotphase statt,<br />

in der das Konzept auf vier Stationen der Psychiatrischen<br />

Dienste überprüft wurde. Neben zwei Aufnahmestationen<br />

waren eine Mutter­Kind­ sowie eine<br />

Station für Suchtpatienten beteiligt. Auf jeder Station<br />

waren zwei Pflegefachpersonen für die Umsetzung<br />

<strong>des</strong> Konzepts zuständig. Diese Verantwortlichen<br />

wurden zuvor in einer eintägigen Veranstal­<br />

Rund 100 000 Kinder und Jugendliche leben in Familien<br />

mit einem suchtmittelabhängigen Elternteil.<br />

tung durch die KJP Graubünden in Bezug auf<br />

Entwicklungspsychologie, mögliche Reaktionsweisen<br />

von Kindern sowie Gesprächsführung mit Familien<br />

geschult und während der Pilotphase supervisorisch<br />

begleitet. Als Unterstützung in der Arbeit mit<br />

den Eltern und Kindern dienten Broschüren der pro<br />

juventute (z. B. «Wenn ein Vater oder eine Mutter<br />

psychische Probleme hat…») und von sucht info<br />

schweiz (z. B.«Kinder aus alkoholbelasteten Familien»).<br />

Auf Wunsch der Eltern bestand das Angebot<br />

gemeinsamer Gespräche mit den Kindern in der Erwachsenenpsychiatrischen<br />

Klinik mit Mitarbeitern<br />

der Kinder­ und Jugendpsychiatrie. Für eine Überweisung<br />

zur KJP Graubünden galten folgende Kriterien:<br />

ausgeprägte Sorge der Eltern um die Entwick­<br />

Abbildung 1<br />

Patienten mit Kindern und Beratungsquote nach Geschlecht.<br />

lung, bereits vorliegende Schwierigkeiten der Kinder<br />

und Jugendlichen, Miterleben von potentiell traumatisierenden<br />

Ereignissen, wie z. B. Suizidversuch<br />

<strong>des</strong> Elternteils. Die Pflegefachpersonen hatten zudem<br />

immer die Möglichkeit, eine fragliche Indikation<br />

für eine Überweisung mit zuständigen Mitarbeitern<br />

der KJP Graubünden zu besprechen.<br />

Ergebnisse<br />

Während der sechsmonatigen Pilotphase wurden<br />

auf den vier Stationen insgesamt 212 Eintritte verzeichnet.<br />

Von den Patientinnen und Patienten hatten<br />

30% Kinder im unmündigen Alter; 42 der Frauen<br />

waren Mütter (35%), 22 der Männer Väter (23%)<br />

(Abb. 1). Alle Patientinnen und Patienten wurden<br />

nach der Situation ihrer Kinder gefragt, einerseits<br />

um sicherzustellen, dass diese in der Zeit <strong>des</strong> Klinikaufenthaltes<br />

gut betreut waren, andererseits um ihnen<br />

im Sinne <strong>des</strong> Projekts Unterstützung anzubieten,<br />

wie sie die Kinder angemessen über ihre Erkrankung<br />

informieren könnten. Während die Klärung<br />

der Betreuung am Beginn <strong>des</strong> Aufenthalts stand,<br />

wurde mit der Beratung gewartet, bis die Patientinnen<br />

und Patienten so weit stabil waren, um sich mit<br />

diesem Thema auseinandersetzen zu können. Teilweise<br />

kam ein verfrühter Austritt diesem Gespräch<br />

zuvor, oder die Patienten, häufig Väter, lebten schon<br />

seit Jahren getrennt von ihrer Familie und hatten<br />

keinen Kontakt zu den Kindern. Insgesamt war es in<br />

81% der Fälle möglich, Beratungen der Eltern durchzuführen<br />

(Abb. 2). In keinem der Fälle lag eine akute<br />

Gefährdung vor, in einem Fall wurde eine Notfallplazierung<br />

der Kinder während der stationären Behandlung<br />

in die Wege geleitet. In 5 % der Fälle fand eine<br />

kinderpsychiatrische Behandlung statt resp. wurden<br />

die Kinder zu einer Abklärung an die KJP überwiesen.<br />

Die Möglichkeit, eine Indikation zuvor mit der<br />

Kinder­ und Jugendpsychologin <strong>des</strong> Projekts zu diskutieren,<br />

wurde von den Pflegefachpersonen sehr<br />

selten genutzt.<br />

Abbildung 2<br />

Anteil der Patientenberatungen.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16 595


Thema TRIBÜNE<br />

Hilfe für die Kinder von Suchtkranken besteht in erster Linie in der effektiven Behandlung der<br />

elterlichen Krankheit.<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Bei Bedarf und Interesse wurden die Eltern mit<br />

Hilfe eines Flyers auf das Angebot der KJP hingewiesen,<br />

so dass sie sich auch zu einem späteren Zeitpunkt<br />

Unterstützung holen könnten. Bei den Patientinnen<br />

und Patienten wurde das Projekt weitgehend<br />

positiv aufgenommen. Deutliche Unterschiede zeigten<br />

sich jedoch zwischen den Stationen: Am einfachsten<br />

war die Umsetzung auf der Mutter­Kind­<br />

Station. Auf der Therapiestation der Suchterkrankungen<br />

war es hingegen deutlich schwieriger, einen<br />

förderlichen Austausch über die Situation der Kinder<br />

zu ermöglichen. Bis auf wenige Ausnahmen wurde<br />

von den Suchtpatientinnen und ­patienten meist zurückgemeldet,<br />

dass es den Kindern gut gehe und<br />

kein Interesse an Unterstützung bestehe.<br />

Von den Betroffenen wird das Vorgehen<br />

als hilfreich erlebt, von den Pflegefachpersonen als<br />

Bereicherung beschrieben.<br />

Insgesamt wurde das Vorgehen von den Betroffenen<br />

positiv aufgenommen. So äusserten viele Eltern<br />

Erleichterung darüber, dass das Thema überhaupt<br />

angesprochen wurde und ihnen Handlungsmöglichkeiten<br />

aufgezeigt wurden, wie sie trotz ihrer<br />

Erkrankung ihre Elternrolle wahrnehmen können.<br />

Einige Patienten berichteten, dass sie selbst als Kinder<br />

von der Thematik betroffen waren und von einem<br />

solchen Angebot profitiert hätten. Auch aufseiten<br />

der Pflegefachpersonen stiess das Projekt auf<br />

Akzeptanz und Interesse, die zusätzlichen Aufgaben<br />

waren vom Umfang her gut neben dem Kernge­<br />

schäft umsetzbar. Aufgrund der guten Erfahrungen<br />

in der Pilotphase und der Wichtigkeit, die Situation<br />

der Kinder psychisch kranker Eltern zu verbessern,<br />

wird das Konzept in Zukunft auch auf fast alle anderen<br />

Stationen ausgeweitet. Ergänzend wurde seit Februar<br />

2011 auf mehreren Stationen mit Elterngruppen<br />

begonnen, die Psychoedukation über die Situation<br />

der Kinder und die Möglichkeit zum Austausch der<br />

Eltern untereinander anbieten. Ziel der Elterngruppe<br />

ist es, den Eltern alltagsnah Kompetenzen im Umgang<br />

mit ihren Kindern und ihrem Partner zu vermitteln<br />

und diese anhand konkreter Beispiele gemeinsam<br />

einzuüben. Die Gruppe findet wöchentlich<br />

statt und wird interdisziplinär geleitet von<br />

ärztlich­psychologischer und pflegerischer Seite.<br />

Fazit<br />

Die Erfahrungen der Pilotphase haben gezeigt, dass<br />

es möglich ist, das Präventionsprogramm für Kinder<br />

psychisch kranker Eltern im Kontext der stationären<br />

Erwachsenenpsychiatrie mit verhältnismässig wenig<br />

Aufwand umzusetzen. Somit wird ein wichtiger gesellschaftlicher<br />

Beitrag geleistet, um psychisch<br />

kranke Eltern und ihre Kinder zu stärken und Fehlentwicklungen<br />

vorzubeugen. Von den Betroffenen<br />

wird das Vorgehen als hilfreich erlebt, von den Pflegefachpersonen<br />

als Bereicherung beschrieben.<br />

Als einer der Erfolgsfaktoren hat sich die Implementierung<br />

<strong>des</strong> Konzepts mittels einer Schulung<br />

und begleitender Supervision erwiesen. Die Sensibilisierung<br />

der Pflegefachpersonen für die Situation<br />

der betroffenen Familien stellt unseres Erachtens<br />

eine zentrale Voraussetzung für eine Haltung dar, die<br />

die Patienten als Eltern wahrnimmt und stärken<br />

kann, jenseits ihrer Patientenrolle. Klare Zusammenarbeitsstrukturen<br />

zwischen PDGR und KJP Graubünden<br />

mit niederschwelligen Austauschmöglichkeiten<br />

haben ebenfalls zu einer effizienten Umsetzung beigetragen.<br />

Weiterhin hat sich zudem das Informationsmaterial<br />

von pro juventute und sucht info<br />

schweiz als hilfreich erwiesen.<br />

Zu Beginn der Pilotphase äusserten sich mehrere<br />

Pflegefachpersonen skeptisch, ob sie der Zusatzaufgabe<br />

hinsichtlich ihrer zeitlichen und fachlichen<br />

Ressourcen gerecht werden könnten. Eine klare Abgrenzung<br />

der Zuständigkeiten, konkretes Einüben<br />

der Gespräche und das Beratungs­ und Supervisionsangebot<br />

trugen dazu bei, dass sich die Pflegefachpersonen<br />

zunehmend sicherer und der Aufgabe gewachsen<br />

fühlten. Die positiven Erfahrungen und<br />

Rückmeldungen der Patienten bewirkten zudem<br />

eine Stärkung und kontinuierliche Kompetenzerweiterung,<br />

sodass die Pflegefachpersonen wiederum die<br />

Eltern wirksamer in ihrer Elternrolle unterstützen<br />

konnten. Allerdings hat sich trotz <strong>des</strong> relativ geringen<br />

zeitlichen Aufwands gezeigt, dass die Umsetzung<br />

<strong>des</strong> Konzepts durch eine hohe Arbeitsbelastung<br />

eingeschränkt wird. Es erscheint daher wichtig, mittels<br />

regelmässiger Supervisionen das Bewusstsein für<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16 596


Thema TRIBÜNE<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

die Problematik wiederholt zu thematisieren und zu<br />

vertiefen.<br />

Im Vergleich zu den Zahlen der Nationalfonds­<br />

Studie [3] fanden sich in der Pilotphase verhältnismässig<br />

wenige Eltern unter den Patienten (30 %).<br />

Dies könnte daran liegen, dass nur Patienten mit<br />

Kindern in unmündigem Alter erfasst wurden. Die<br />

Grenzen <strong>des</strong> Konzepts zeigen sich in der Beratungsrate<br />

von 81 %. Das Angebot beruht auf Freiwilligkeit.<br />

Wenn Patientinnen und Patienten eine Beratung<br />

oder einen Einbezug der Kinder ablehnen, sei es weil<br />

sie ihre Erkrankung oder die Folgen für die Kinder<br />

Im Bereich Sucht scheint es besonders schwierig,<br />

den Teufelskreis aus Scham, Schuld, mangelnder Krank-<br />

heitseinsicht, Bagatellisierung und Tabuisierung<br />

zu durchbrechen.<br />

bagatellisieren oder tabuisieren, ist dies zu respektieren.<br />

Im Bereich Sucht scheint es besonders schwierig,<br />

den Teufelskreis aus Scham, Schuld oder mangelnder<br />

Krankheitseinsicht, Bagatellisierung und<br />

Tabui sierung zu durchbrechen und mit Eltern die<br />

Situation ihrer Kinder zu thematisieren. Dennoch<br />

bleibt zu hoffen, dass diese Patientinnen und Patienten<br />

längerfristig sensibilisiert werden und sich die<br />

Wahrscheinlichkeit erhöht, die Bedürfnisse ihrer<br />

Kinder wahrzunehmen und spezialisierte Hilfsangebote<br />

in Anspruch zu nehmen.<br />

Eine weitere Grenze <strong>des</strong> Konzepts besteht darin,<br />

dass ambulante Patientinnen und Patienten zurzeit<br />

noch nicht berücksichtigt werden können. Dafür<br />

wäre die Vernetzung und Zusammenarbeit mit niedergelassenen<br />

Psychiatern massgebend. Die Mög­<br />

lichkeit, mit wenig Aufwand die Situation der betroffenen<br />

Familien verbessern zu können und Folgekosten<br />

zu vermindern, spricht eindeutig dafür, ein<br />

solches Vorgehen als Standard in der Schweiz einzuführen.<br />

Literatur<br />

1 Mattejat F, Remschmidt H. Übersichtsartikel Kinder<br />

psychisch kranker Eltern. Deutsches Ärzteblatt.<br />

2008;105(23): 413–8.<br />

2 Mattejat F, Lisofsky B. (Hrsg.). Nicht von schlechten<br />

Eltern: Kinder psychisch Kranker.<br />

Bonn: Balance buch + medien Verlag; 2008.<br />

3 Sollberger D. Biographische Identität zwischen Stigma<br />

und Tabu. Kinder psychisch kranker Eltern –<br />

Resultate einer <strong>Schweizerische</strong>n Nationalfonds­Studie.<br />

Der Nervenarzt 2007; 78 Suppl. 2: 491.<br />

4 Stiftung Bündner Suchthilfe. Suchtreport der<br />

suchthilfe.gr. Jahresbericht 2011.<br />

5 Lenz A. Interventionen bei Kindern psychisch kranker<br />

Eltern. Göttingen: Hogrefe Verlag; 2008.<br />

Verwendete Broschüren<br />

– Wenn ein Vater oder eine Mutter psychische Probleme<br />

hat … Informationen für Eltern. pro juventute<br />

(2007, 4. Aufl.).<br />

– Wenn <strong>dei</strong>n Vater oder <strong>dei</strong>ne Mutter in psychiatrische<br />

Behandlung muss … Informationen für Kinder im<br />

Alter von 8–12 Jahren. pro juventute (2007, 4. Aufl.).<br />

– Wenn <strong>dei</strong>n Vater oder <strong>dei</strong>ne Mutter psychische<br />

Probleme hat … Informationen für Jugendliche<br />

zwischen 12 und 18 Jahren. pro juventute<br />

(2007, 4. Aufl.).<br />

– Kinder aus alkoholbelasteten Familien. <strong>Schweizerische</strong><br />

Fachstelle für Alkohol­ und andere Drogenprobleme<br />

(2004).<br />

– Eltern vor allem – Eltern trotz allem. Sucht Info<br />

Schweiz (2010).<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16 597


Standpunkt TRIBÜNE<br />

Médecine pénitentiaire en Valais, minuit moins une!<br />

Marc-Henri Gauchat<br />

Président de la Société médicale<br />

du Valais, député<br />

Correspondance:<br />

Dr Marc-Henri Gauchat<br />

Spécialiste en médecine interne<br />

générale FMH<br />

Médecine manuelle SAMM<br />

Rue de Pré-Fleuri 9<br />

CH-1950 Sion<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Il ne se passe presque pas une semaine sans que la<br />

presse ne rapporte sur les prisons valaisannes [1, 2, 3].<br />

La situation est inquiétante! En effet, le Réseau<br />

Santé Valais (RSV), qui avait accepté le mandat de<br />

l’Etat du Valais pour prendre en charge la médecine<br />

pénitentiaire (Service de médecine pénitentiaire-<br />

IPVR), a dénoncé ce contrat avec effet au 30 juin<br />

2012. Comment en est-on arrivé à cette situation difficile?<br />

L’audit du système pénitentiaire valaisan a<br />

pointé sur un certain nombre de dysfonctionnements<br />

et de lacunes dans l’organisation qui ne sont<br />

plus compatibles avec les normes en vigueur dans ce<br />

secteur [4]. Le SMP-IPVR a cherché à rencontrer la<br />

Conseillère d’Etat en charge du dossier à plusieurs reprises,<br />

sans succès. Le SMP estime ne plus pouvoir<br />

exercer son mandat de manière satisfaisante tant que<br />

les conditions restent identiques, notamment en ce<br />

qui concerne:<br />

– le manque de personnel de surveillance pour<br />

conduire les détenus à la consultation (prison<br />

<strong>des</strong> îles, par ex.),<br />

– le manque de ressources nécessaires pour le traitement<br />

<strong>des</strong> personnes soumis à <strong>des</strong> mesures<br />

d’internement selon art. 53 al. 3 CPS,<br />

– le manque de modèle intégratif et de ressources<br />

médicales pour le traitement <strong>des</strong> jeunes placés à<br />

Pramont, lieu de placement éducatif, et qui présentent<br />

<strong>des</strong> souffrances et <strong>des</strong> troubles mentaux<br />

parfois très lourds,<br />

– l’impossibilité d’évaluer et de connaître l’activité<br />

médicale et psychiatrique de l’établissement de<br />

Brigue, problèmes confirmés par la Commission<br />

<strong>des</strong> aumôniers <strong>des</strong> prisons de l’Eglise Réformée,<br />

La situation de la médecine pénitentiaire en Valais est<br />

inquiétante.<br />

– le mode de fonctionnement très administratif et<br />

sanctionnant de la direction <strong>des</strong> EPV,<br />

– la tentative de mise sous tutelle du SMP par la direction<br />

<strong>des</strong> EPV.<br />

Cette situation est incompatible avec le déploiement<br />

d’une activité de médecine pénitentiaire indépendante<br />

tel que l’exigent les directives médico-éthiques<br />

de l’Académie Suisse <strong>des</strong> Sciences Médicales (ASSM)<br />

dans les établissements pénitentiaires.<br />

Le groupe de travail chargé par le Département<br />

de la Sécurité, <strong>des</strong> Affaires sociales et de l’Intégration<br />

(DSSI) de trouver <strong>des</strong> pistes et <strong>des</strong> solutions pour un<br />

nouveau concept médical ne semble pas encore avoir<br />

siégé. Il serait temps que les conditions fixées par le<br />

SMP pour la poursuite de son activité soient examinées<br />

et discutées, soit:<br />

– que soient levés les obstacles à l’accès aux prestations<br />

ou aux soins en dotant les établissements<br />

pénitentiaires <strong>des</strong> ressources nécessaires pour accompagner<br />

les détenus ou soignants vers les espaces<br />

de consultation médicale,<br />

– que soient clairement définis les périmètres<br />

d’action et de responsabilité <strong>des</strong> soignants avec<br />

une dotation suffisante pour y assurer une activité<br />

médicale digne de ce nom,<br />

– que la charge financière du SMP soit transférée<br />

du DSSI vers le Département <strong>des</strong> Finances <strong>des</strong> Institutions<br />

et de la Santé DFIS,<br />

– qu’une plateforme interinstitutionnelle de concertation<br />

entre le Département de la Sécurité, <strong>des</strong><br />

Affaires sociales et de l’Intégration DSSI, le DFIS<br />

et le RSV soit mise en place immédiatement pour<br />

accompagner cette réforme.<br />

La balle est maintenant dans le camp <strong>des</strong> politiques,<br />

et il serait temps d’agir sous peine de se retrouver dans<br />

la situation <strong>des</strong> pays totalitaires avec une médecine<br />

<strong>des</strong> prisons à la botte du pouvoir administratif! [5]<br />

Références<br />

1 Audit sévère du système carcéral valaisan, ATS,<br />

Le Temps, 23 septembre 2011.<br />

2 Georges Sewer, maître contesté <strong>des</strong> prisons du Valais,<br />

Marie Parvex, Le Temps, 11 février 2012.<br />

3 Le Valais fait volte-face sur l’alimentation forcée <strong>des</strong><br />

détenus, Denis Masmejan, Le Temps, 10.3.2012.<br />

4 Rapport final de l’audit systématique sur le fonctionnement<br />

<strong>des</strong> établissements pénitentiaires valaisans,<br />

Benjamin F. Brägger, 2 septembre 2011.<br />

5 La pratique médicale dans les prisons: comparaison<br />

internationale, Jean-Pierre Restellini, in Rapports entre<br />

médecins et autorités: indépendance ou collaboration?<br />

18 e Journée du droit de la Santé, Neuchâtel 2011.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

598


Standpunkt TRIBÜNE<br />

Die Schweiz tritt der Allianz ESTHER bei –<br />

welche Perspektiven eröffnen sich?<br />

Nathalie Mezger,<br />

Thomas Vogel, Beat Stoll,<br />

Alexandra Calmy<br />

Übersetzung: Beat Stoll<br />

Korrespondenz:<br />

Dr. med. Nathalie Mezger, MD,<br />

DTMH, MPH<br />

Oberärztin Hôpitaux<br />

Universitaires de Genève (HUG)<br />

Service de Médecine Internationale<br />

et Humanitaire (SMIH)<br />

Av. Gabrielle­Perret­Gentil 6,<br />

CH­1211 Genève 14<br />

Tel. 022 372 96 58<br />

nathalie.mezger[at]hcuge.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Am 16. November 2011 beschloss die <strong>Schweizerische</strong><br />

Eidgenossenschaft, über das Departement für auswärtige<br />

Angelegenheiten (EDA) und die Direktion für<br />

Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) der aus<br />

zehn Ländern bestehenden europäischen Allianz ES­<br />

THER beizutreten. Dies ist das Resultat eines langjährigen<br />

Prozesses und nun auch der Beginn einer nationalen<br />

Initiative, denn jetzt soll die Gruppe ESTHER<br />

Schweiz an Kontur gewinnen und sich zu einem<br />

Pfeiler der schweizerischen Solidarität ent wickeln.<br />

Was bedeutet die Allianz ESTHER?<br />

Die europäische Allianz ESTHER (Ensemble pour une<br />

Solidarité Thérapeutique Hospitalière en Réseau), ist<br />

eine aus Frankreich stammende Initiative. Seit 2002<br />

vereint sie immer mehr Länder, die sich auf Basis einer<br />

Charta in der Bekämpfung von HIV/Aids und<br />

seinen Folgen in Entwicklungs­ und Schwellenländern<br />

engagieren (detaillierte Informationen unter<br />

www.esther.eu).<br />

Das Neue dieser Initiative ist, dass die Zusammenarbeit<br />

zu Nord­Süd­, aber auch zu Süd­Süd­<br />

Spitalpartnerschaften führt.<br />

Die Allianz entwickelt gleichzeitig ein Netzwerk<br />

von Gesundheitsfachleuten, um die lokalen Kompetenzen<br />

gemäss den vor Ort ermittelten Bedürfnissen<br />

zu stärken. Oberstes Ziel ist der Zugang zum Gesundheitswesen<br />

und <strong>des</strong>sen Qualitätssteigerung. Angestrebt<br />

ist keinesfalls die Entwicklung hochspezialisierter<br />

Spitalzentren, die sich von den Bedürfnissen<br />

der Bevölkerung wegentwickeln.<br />

Die Spitäler, integrierter Bestandteil eines jeden<br />

Gesundheitssystems, spielen dabei eine essentielle<br />

Rolle, sowohl was die geleistete Pflege als auch die<br />

Ausbildung <strong>des</strong> Gesundheitspersonals, die Früherkennungsprogramme,<br />

Prävention und Forschung<br />

anbelangt. Ohne die Spitäler ist eine vernünftige<br />

Entwicklungszusammenarbeit, die langfristige Ziele<br />

zur Gesundheit der Bevölkerung anvisiert, kaum vorstellbar.<br />

Die Spitäler ihrerseits können die anderen<br />

Partner im Gesundheitswesen nicht ignorieren. Sich<br />

gegenseitig ergänzend gilt es, den Patienten ins Zentrum<br />

zu stellen innerhalb seiner sozialen Gruppe mit<br />

allen zugehörigen Leistungserbringern.<br />

Die Kontinuität und der Austausch zwischen<br />

den verschiedenen Gesundheitssystemen sind der<br />

Kern der Allianz ESTHER. Deswegen umfassen die<br />

laufenden Projekte zusätzlich zu den Spitälern die<br />

Zivilgesellschaft und andere, ausserhalb der Spitäler<br />

angesiedelte Gruppen. Die Projekte werden sogar<br />

Zusammenfassung<br />

Am 16. November 2011 trat die Schweiz offiziell der<br />

aus 10 Ländern bestehenden europäischen Allianz<br />

ESTHER bei. ESTHER steht für «Ensemble pour une<br />

Solidarité Thérapeutique Hospitalière en Réseau».<br />

Diese Allianz umfasst verschiedenartige Partner­<br />

schaften von Ländern und Spitälern mit dem Ziel<br />

der Bekämpfung von HIV/Aids in Entwicklungs­ und<br />

Schwellenländern. In diesem Beitrag stellen wir<br />

zuerst die europäische Allianz ESTHER kurz vor und<br />

zeigen dann einige aktuelle Herausforderungen, die<br />

sich sowohl der Allianz als auch der Schweiz als Mit­<br />

gliedstaat stellen. Dies sind:<br />

– d en Mitgliedern eine gewisse Flexibilität in der<br />

Zusammenarbeit zuzugestehen, obwohl diese auf<br />

Partnerschaften zwischen Regierungen und Spi­<br />

tälern basieren;<br />

– e ine Erweiterung der Grundthematik HIV/Aids zu<br />

erlauben, da einige Mitglieder den Fokus auf<br />

Spital partnerschaften und auf die Förderung<br />

l okaler Kompetenzen richten;<br />

– e ine Gruppe Schweiz zu gründen, die möglichst<br />

tatkräftig agieren kann.<br />

häufig ausserhalb <strong>des</strong> Spitals durchgeführt. Seit Beginn<br />

wurden mehr als 120 Programme in mehr als<br />

40 Ländern entwickelt. Diese umfassen sehr verschiedene<br />

Aktivitäten wie die Ausbildung und Begleitung<br />

von Gesundheitsfachleuten (Ärzte, Pflegefachleute,<br />

Biologen, Administratoren usw.), die Kompetenzförderung,<br />

die technische Unterstützung und<br />

die klinische Feldforschung.<br />

Welchen Herausforderungen muss sich<br />

ESTHER stellen?<br />

Erste Herausforderung: eine Ausweitung der Themen<br />

der Zusammenarbeit zwischen den Spitälern:<br />

Auch wenn auf den ersten Blick das gemeinsame<br />

Thema HIV/Aids begrenzt erscheinen mag, so muss<br />

doch hervorgehoben werden, dass schon allein da­<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

599


Standpunkt TRIBÜNE<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Portugal<br />

Luxembourg<br />

Spain<br />

Belgium<br />

Austria<br />

durch ein breiter Zugang möglich ist. Dieses Problem<br />

steht in engem Zusammenhang mit der Qualität der<br />

Pflege als Ganzem und verlangt sowohl transversal<br />

umzusetzen<strong>des</strong> Fachwissen als auch eine Koordination<br />

aller Pflegefachkräfte, jener in den Spitälern<br />

und jener ausserhalb. Als Beispiel seien hier folgende<br />

Projekte angeführt: Spitalhygiene, Steigerung der<br />

Sicher h eit von Bluttransfusionen, Spitalabfallbeseitigung,<br />

Apotheken, Verbesserung der Qualität<br />

medizintechnischer Labors, der Vorgehensweise bei<br />

besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen (Mutter­Kind,<br />

Gefängnisinsassen, Drogenabhängigen<br />

usw.), der nationalen Versorgung und <strong>des</strong> Managements<br />

von Medikamenten, Unterstützung beim Ausarbeiten<br />

der beim Global­Fund gegen Aids, Tuberkulose<br />

und Malaria einzugebenden Projekte.<br />

Auch wenn die Bekämpfung der HIV/Aids­<br />

Epidemie im Zentrum von ESTHER steht, so setzen<br />

einige Mitglieder der Allianz den Akzent mehr und<br />

mehr auf generelle Partnerschaften, auf die Entwicklung<br />

lokaler Kompetenzen, auf die Verbesserung <strong>des</strong><br />

Gesundheitssystems als Ganzen oder auf die Umsetzung<br />

der Millenniumsziele zur Entwicklung (MDG<br />

4, 5, 6). Diese Erweiterung der Thematik ist willkommen.<br />

Sie zeugt vom Potential der Allianz, eine engagierte<br />

medizinische Zusammenarbeit zu entwickeln,<br />

und widerspiegelt die Fähigkeit zu Dynamik und<br />

Dialog.<br />

Zweite Herausforderung: der vermehrte Einbezug der<br />

Regierungen in die Zusammenarbeit und den Aufbau<br />

der Partnerschaften:<br />

Was in der Theorie einfach klingt – die Arbeit in<br />

der Gruppe, in Partnerschaften oder in Netzwerken –,<br />

Italy<br />

Norway<br />

Germany<br />

Am 16. November 2011 trat die Schweiz offiziell der aus 10 Ländern bestehenden<br />

e uropäischen Allianz ESTHER bei.<br />

Greece<br />

France<br />

SMIH ?<br />

Swiss<br />

=<br />

Representant<br />

Switzerland<br />

The Esther Group?<br />

(HUG, SHC,<br />

H+, OFSP, SDC)<br />

erweist sich in der Realität häufig als komplizierter<br />

als angenommen. Statt bereichernd und konstruktiv,<br />

kann diese Arbeit schnell ineffizient oder gar zur<br />

Behinderung werden, wenn man nicht die nötigen<br />

Vorkehrungen trifft. Es ist daher unabdingbar, den<br />

Erwartungen, Besonderheiten und Möglichkeiten<br />

der wichtigsten Partner – Spitäler und Regierungen –<br />

Rechnung zu tragen und dabei den Patienten und<br />

die Bevölkerung als im Zentrum aller Aktivitäten stehend<br />

zu betrachten.<br />

Die Regierungen, sowohl im Norden als auch im<br />

Süden, sollten die treibende Kraft der Allianz sein.<br />

Durch ihre Anstrengungen, durch ihre politische<br />

und finanzielle Unterstützung können sie auf eine<br />

bessere Integration hinarbeiten und für eine dauerhafte<br />

Umsetzung der Projekte mit einem nachhaltigen<br />

Einfluss auf die Bevölkerung einstehen.<br />

Die Allianz ihrerseits berücksichtigt die Erwartungen<br />

der Organisationen, der Mitgliedstaaten und<br />

der finanzierenden Institutionen. Jede Regierung hat<br />

ihre eigenen Prioritäten und Anforderungen an das<br />

Funktionieren <strong>des</strong> Staates und muss seinen Bürgern<br />

Rechenschaft über die durch öffentliche Mittel erreichten<br />

Ergebnisse ablegen. Mit Hilfe der Allianz<br />

sollte diese Restitution leichter werden.<br />

Dritte Herausforderung: die Förderung <strong>des</strong> Spitals im<br />

weiteren Sinne zu einem anerkannten Partner der<br />

Entwicklungszusammenarbeit:<br />

Der innovative Aspekt von ESTHER (Spital als<br />

Basis, medizinische Aktivitäten) fällt teilweise aus<br />

dem Rahmen der üblichen Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Wenn die Regierungen die Thematik und die<br />

Arbeitsweise von ESTHER gutheissen, sollte es ihnen<br />

möglich sein, eine gewisse Flexibilität zu zeigen und<br />

die Besonderheiten, die sich aus der vorrangigen<br />

Zusammenarbeit mit Spitälern ergeben, zu berücksichtigen<br />

Tatsächlich sind es die Spitäler mit ihrem Fachwissen<br />

und ihrer Erfahrung, die in der Allianz ES­<br />

THER die treibende Kraft sind. Jene aus der Schweiz<br />

haben übrigens nicht auf den Beitrittsbeschluss gewartet,<br />

um internationale Entwicklungsprojekte<br />

und Partnerschaften umzusetzen. Die Abteilung<br />

«Médecine internationale et humanitaire» <strong>des</strong> Universitätsspitals<br />

Genf (SMIH/HUG) hat hierzu eine<br />

Untersuchung durchgeführt und fand 30 Spitäler<br />

mit insgesamt 112 Projekten zur Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Diese Partnerschaften, die untereinander<br />

nicht vernetzt sind, beginnen meist auf persönlicher<br />

Ebene, sind spontan und führen meist zu<br />

kleineren Projekten. Mit der Zeit baut sich dann Vertrauen<br />

auf, die Projekte etablieren sich und führen<br />

zu verschiedenen neuen Unterprojekten, manchmal<br />

sogar multisektoriell. Häufig jedoch werden die Ergebnisse<br />

kaum richtig kapitalisiert, nicht mit anderen<br />

geteilt, und die Wertschöpfung bleibt bescheiden.<br />

Die Allianz kann hier Möglichkeiten bieten, Erkenntnisse<br />

und Vorgehensweisen miteinander<br />

auszutauschen und zu diskutieren, um die besten<br />

Lehren daraus zu ziehen.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16 600


Standpunkt TRIBÜNE<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

ESTHER Schweiz: eine Gelegenheit?<br />

Oder ein Weg voller Hindernisse?<br />

Wenn auch offensichtlich ist, dass in der Schweiz<br />

das Interesse besteht, über soziale Ungleichheiten<br />

nachzudenken, sich darüber auszutauschen und<br />

diese wenn möglich zu vermindern, so braucht dieser<br />

Prozess doch viel Zeit, Energie und auch finanzielle<br />

Mittel. Alle bestehenden, jetzt durchgeführten<br />

Projekte bedeuten für die involvierten Gruppen einen<br />

relativ grossen Aufwand, und dies in einer Zeit,<br />

in der die meisten Spitäler sich Personalmangel und<br />

ökonomischen Schwierigkeiten gegenübersehen.<br />

Schliesslich gehört die internationale Zusammenarbeit<br />

nicht zu den primären Aufgaben eines Schweizer<br />

Spitals, auch wenn es sich dabei um das Universitätsspital<br />

in einer internationalen Stadt wie Genf<br />

handelt. Es sei aber der Vollständigkeit halber angemerkt,<br />

dass die internationale Zusammenarbeit zumin<strong>des</strong>t<br />

ein Teil <strong>des</strong> strategischen Konzepts <strong>des</strong> Universitätsspitals<br />

in Genf (HUG) ist.<br />

Um relevant und effizient zu sein, sollte ESTHER<br />

Schweiz koordiniert aufgebaut sein und dabei die Regierungsvertreter<br />

und die interessierten Spitäler von<br />

Wir hoffen, dass die Schweiz die Ambition hegt und pflegt, vermehrt<br />

Nord­Süd­Spitalpartnerschaften zu entwickeln.<br />

Anfang an einbeziehen. Anfänglich wäre eine<br />

schlanke Struktur wohl das Beste (z.B. durch die<br />

Gründung eines Vereins, der von den verschiedenen<br />

Partnern unabhängig ist), um möglichst flexibel und<br />

rasch auf die Erwartungen und Bedürfnisse der zu<br />

begünstigenden Partner und der finanzierenden Institutionen<br />

zu reagieren.<br />

Laut den Mitgliedstaaten von ESTHER kann die<br />

Allianz von einem Ministerium oder mehreren Ministerien<br />

abhängig sein. Eine Mischung ministerieller<br />

Zugehörigkeiten, obwohl zwar eher schwerfällig,<br />

könnte manchmal aber auch erlauben, das Aktionsfeld<br />

in der Bekämpfung von HIV/Aids oder anderer<br />

Probleme zu erweitern und sogar über die gegebenen<br />

Grenzen eines Ministeriums hinauszugehen (für das<br />

eine z.B. muss sich eine Intervention in ein Länderkonzept<br />

einfügen, für ein anderes ist das Thema ausschlaggebend).<br />

Definition einer Organisation, Aufgaben<br />

und Verantwortlichkeiten<br />

Was auch immer die Identität und Form sein wird,<br />

ESTHER Schweiz sollte nun unter Einbezug der wichtigsten<br />

Partner, Regierung und Spitäler, gegründet<br />

werden. Wir möchten betonen, dass die Allianz mittelfristig<br />

die Möglichkeit hat, auch noch andere Institutionen,<br />

Vereine oder einzelne Schlüsselpersonen<br />

aufzunehmen, die durch die Spitäler involviert oder<br />

ganz einfach an der Entwicklungszusammenarbeit<br />

interessiert sind.<br />

Die Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Ziele und<br />

Mittel müssen allerdings noch definiert werden. Die<br />

Koordination und Vertretung bei der europäischen<br />

Allianz ESTHER könnte von der Eidgenossenschaft<br />

getragen werden, in Form einer zweiköpfigen Delegation,<br />

zusammengesetzt aus Vertretern der Hauptakteure:<br />

der Regierung und der Spitäler.<br />

Abschliessend möchten wir auch darauf hinweisen,<br />

dass es in einer Zeit knapper Finanzen, in der<br />

Krankheiten quasi gegeneinander ausgespielt und in<br />

einen Wettbewerb gestellt werden (z.B. chronisch<br />

übertragbare Krankheiten gegenüber chronisch<br />

nicht­übertragbare Krankheiten), immer wichtiger<br />

wird, Synergien aufzubauen, um die vorhandenen<br />

Mittel und Informationen zu teilen. Das kann dazu<br />

beitragen, die lokalen Kapazitäten der Gesundheitssysteme<br />

und der Partner zu stärken in der Absicht,<br />

andere Problemkreise leichter zu integrieren. Denn<br />

am Ende der Kette steht immer ein und derselbe Patient,<br />

ein und dieselbe Bevölkerung, die mehr und<br />

mehr an multiplen Problemen gleichzeitig leidet<br />

und bei ein und demselben Gesundheitswesen Hilfe<br />

erhalten sollte.<br />

Wir hoffen, dass die Schweiz die Ambition hegt<br />

und pflegt, vermehrt Nord­Süd­Spitalpartnerschaften<br />

zu entwickeln und diese vollständig in die Ziele<br />

der empfohlenen Entwicklungspolitik zu integrieren.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16 601


Spectrum TRIBÜNE<br />

Optimisation du portail<br />

mySNF<br />

Le Fonds national suisse (FNS) a<br />

a ffiné les fonctionnalités de son<br />

portail mySNF: de nombreuses amé­<br />

liorations facilitent la soumission,<br />

l’évaluation et la gestion <strong>des</strong> re­<br />

quêtes et projets. Le FNS veut dé­<br />

lester les chercheurs <strong>des</strong> tâches<br />

administratives. A cette fin, il vise un<br />

soutien optimal du traitement élec­<br />

tronique <strong>des</strong> projets, sans papier.<br />

Pour évoquer seulement une <strong>des</strong><br />

nouveautés: si les chercheurs ne sou­<br />

haitent pas gérer seuls leurs requêtes<br />

et leurs projets, ils peuvent désor­<br />

mais fournir plus facilement à<br />

d’autres personnes les autorisations<br />

nécessaires pour être associées au<br />

projet. Ainsi, il est possible de définir<br />

quels collaborateurs recevront auto­<br />

matiquement une copie de tous les<br />

courriels du FNS relatifs au projet.<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

(FNS)<br />

Ferienlager für Kinder von<br />

MS-Patienten<br />

Die Diagnose Multiple Sklerose trifft<br />

auch die Kinder von MS­Betroffe­<br />

nen. Ihr Leben ist oftmals durch<br />

Ängste und Unsicherheiten in Zu­<br />

sammenhang mit der Krankheit<br />

i hrer Eltern bestimmt. In ihrem Fe­<br />

rienlager versucht die MS­Gesell­<br />

schaft, diese Kinder aus der Isolation<br />

zu holen und ihnen die Möglichkeit<br />

zu geben, sich mit anderen Kin­<br />

dern MS­betroffener Eltern auszu­<br />

tauschen, Probleme zu besprechen,<br />

aber auch wieder einmal eine unbe­<br />

schwerte Zeit zu geniessen. Ebenso<br />

ermöglicht die Lagerwoche den El­<br />

tern eine Auszeit. Das MS­Kinder­<br />

camp findet in den Sommerferien<br />

statt. Die Teilnahme ist kostenlos.<br />

Die Daten <strong>des</strong> MS­Kindercamps<br />

werden jeweils zwischen März und<br />

April auf www.multiplesklerose.ch<br />

→ Ferienwochen veröffentlicht.<br />

(MS-Gesellschaft)<br />

Vor allem Mütter werden sich freuen, dass die<br />

Förde rung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit<br />

in der Bun<strong>des</strong>verfassung verankert werden soll.<br />

BÄK fordert Überarbeitung von Früherkennungsuntersuchen<br />

bei Kindern<br />

Nur wenn wir Risikofaktoren für die frühkindliche<br />

Entwicklung rechtzeitig erkennen und beeinflussen,<br />

lassen sich Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten<br />

bei Kindern und Jugendlichen abwenden<br />

oder zumin<strong>des</strong>t lindern. Deshalb forderte<br />

Rudolf Henke, Vorstandsmitglied der Bun<strong>des</strong>ärztekammer<br />

(BÄK) bei der 4. Präventionstagung in Berlin:<br />

«Es ist höchste Zeit, dass der Gemeinsame Bun<strong>des</strong>ausschuss<br />

die Richtlinien für die Früherkennungsuntersuche<br />

ändert und es Ärzten ermöglicht,<br />

Plus de prestations OPAS – mais pas partout<br />

L’Observatoire suisse de la santé a présenté les derniers<br />

indicateurs de santé actualisés, notamment<br />

sur les services d’aide et de soins à domicile. Depuis<br />

2010, cette statistique englobe non plus seulement<br />

les organisations de droit public et de droit privé à<br />

but non lucratif, mais aussi les organisations privées<br />

à but lucratif ainsi que les infirmières et infirmiers<br />

indépendants. Compte tenu de cet élargissement<br />

<strong>des</strong> prestataires pris en compte, l’année 2010<br />

a été marquée par une nette augmentation du<br />

nombre d’équivalents plein temps et de cas de prestations<br />

de l’ordonnance sur les prestations de l’assurance<br />

<strong>des</strong> soins (OPAS), ainsi que par une hausse<br />

<strong>des</strong> dépenses pour les services d’aide et de soins à<br />

domicile. On observe de fortes disparités entre les<br />

cantons tant au niveau de l’offre et de la demande<br />

que sur le plan <strong>des</strong> dépenses pour les prestations<br />

d’aide et de soins à domicile.<br />

(Obsan)<br />

Der Bun<strong>des</strong>rat unterstützt<br />

Familienpolitik<br />

Der Bun<strong>des</strong>rat unterstützt die Einführung einer<br />

neuen Verfassungsbestimmung zur Familienpolitik,<br />

wie sie die Sozialkommission vorschlägt. Ein<br />

Entwurf der Kommission sieht vor, die Förderung<br />

der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit<br />

als Staatsaufgabe in der Bun<strong>des</strong>verfassung zu verankern.<br />

Der Bun<strong>des</strong>rat schliesst sich den Anträgen<br />

der Kommissionsminderheiten an und unterstützt<br />

eine Verfassungsbestimmung zur Harmonisierung<br />

der Alimentenbevorschussung. Die <strong>Schweizerische</strong><br />

Akademie der Geistes­ und Sozialwissenschaften<br />

SAGW vertritt diese Anliegen seit längerer<br />

Zeit im Rahmen <strong>des</strong> Netzwerkes «Generationenbeziehungen»<br />

und hat sie in den beiden soeben<br />

aufgelegten Publikationen «Was ist Generationenpolitik?<br />

Eine Positionsbestimmung» und dem<br />

«Positionspapier zur künftigen Ausgestaltung der<br />

Sozialpolitik» konkretisiert. Weitere Informationen<br />

dazu auf www.sagw.ch/generationen.<br />

ein stärkeres Gewicht auf die Erkennung psychischer<br />

Auffälligkeiten, aber auch auf Bewegungsmangel<br />

oder falsche Ernährung zu legen und die<br />

Eltern entsprechend zu beraten.» Henke sprach<br />

sich ausserdem dafür aus, dass die von den Krankenkassen<br />

angebotenen Präventionskurse mehr<br />

Angebote zur Stärkung von Eltern und Kindern zur<br />

Verfügung stellen und sich hierbei inhaltlich enger<br />

mit Ärzten abstimmen.<br />

(BÄK)<br />

L’aide et les soins à domicile deviennent de plus en<br />

plus importants.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

Foto:DAK-Gesundheit<br />

(SAGW)<br />

602


Streiflicht Horizonte<br />

Wer wird ein guter Chefarzt* sein?<br />

Marco Mumenthaler<br />

Der Autor war langjähriger<br />

Ordinarius für Neurologie an<br />

der Medizinischen Fakultät<br />

der Universität Bern und<br />

Direktor der Neurologischen<br />

Universitätsklinik Bern. Nach<br />

der Emeritierung im Jahr 1990<br />

war er privatärztlich als<br />

Fachneurologe in Zürich tätig,<br />

wo er sich auch im Unterricht<br />

für Studierende sowie in der<br />

Fortbildung für Ärzte engagierte.<br />

* Zur besseren Lesbarkeit wird<br />

die männliche Form<br />

verwendet. Selbstverständlich<br />

bezieht sich das Gesagte auch<br />

auf die Chefärztin.<br />

Korrespondenz:<br />

Prof. Dr. med.<br />

Marco Mumenthaler<br />

Neurologie FMH<br />

Witikonerstrasse 326<br />

CH-8053 Zürich<br />

mumenthaler33[at]bluewin.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Vor 60 Jahren trat ich meine erste Stelle als jüngster<br />

Assistenzarzt in einer Universitätsklinik an. Während<br />

weiterer 40 Jahre war ich an Universitätskliniken<br />

tätig und war dabei fast 30 Jahre Chefarzt und<br />

Mitglied einer Medizinischen Fakultät. Seither habe<br />

ich als Arzt ausserhalb eines Spitals praktiziert. In<br />

unterschiedlichen Funktionen und aus unterschiedlichen<br />

Blickwinkeln habe ich Chefärztinnen und<br />

Chefärzte in ihrem Wirken und in ihrer Auswirkung<br />

erlebt.<br />

Ich habe über Verschiedenstes mich mündlich<br />

und schriftlich geäussert. Einen Plan hatte ich Jahr<br />

um Jahr hinausgeschoben, diesen möchte ich mit<br />

diesen Zeilen gegen Ende meines Lebens doch noch<br />

verwirklichen: Ich möchte versuchen zu definieren,<br />

was ein guter Chefarzt – ja, allgemeiner noch: was ein<br />

guter Vorgesetzter – ist. Dies möchte ich aus verschiedenen<br />

Gründen noch zu Papier bringen. Einmal, weil<br />

ich allzu oft erlebt habe, wie junge Ärztinnen und<br />

Ärzte sich vergeblich nach einem guten Chef sehnen.<br />

Andererseits, weil ich immer wieder erlebt habe, wie<br />

oft kleine, vermeidbare Fehler einem Vorgesetzten<br />

die Chance verderben, ein guter Chef zu sein. Hierbei<br />

stütze ich mich auf bei Kollegen Beobachtetes, auch<br />

auf mein eigenes Wirken, aber noch viel mehr auf die<br />

Reflexion begangener eigener Fehler.<br />

Verwaltungsräte, Stiftungsräte, Wahlbehörden,<br />

politische und andere Instanzen wählen Menschen<br />

für bestimmte Funktionen. Daraus ergibt sich ein<br />

Anforderungsprofil. Hier geht es im Besonderen um<br />

die Vorgesetztenfunktion im Bereich medizinischer<br />

Institutionen, also von Chefärzten. Sie müssen Garant<br />

dafür sein, dass an der von ihnen geleiteten Institution<br />

die Kranken fachlich und menschlich optimal<br />

betreut werden. In Universitätsspitälern sind die<br />

Chefärzte zugleich Direktoren von Kliniken, die<br />

unter anderem Verantwortung für die Forschung<br />

sowie auch für die Ausbildung von Medizinstudenten<br />

und – wie auch viele nicht-universitäre Chefärzte<br />

– von Assistenzärzten haben, also die künftige<br />

Ärztegeneration schulen müssen.<br />

Aus diesen Funktionen ergeben sich bereits<br />

einige der Fähigkeiten, die der verantwortliche Chefarzt<br />

besitzen sollte:<br />

Er muss eine überdurchschnittliche Fachkompetenz<br />

in dem von ihm vertretenen Bereich der Medizin<br />

haben. Diese muss jedoch gerade heutzutage noch<br />

weiter spezifiziert und differenziert werden. Die vertieften<br />

Kenntnisse innerhalb eines bestimmten Bereichs<br />

und damit die Subspezialisierung innerhalb<br />

der einzelnen Bereiche ist so weit fortgeschritten,<br />

dass ein Einzelner unmöglich in jedem Subbereich<br />

seines Hauptfaches der Beste sein kann. Dies gilt besonders<br />

für die früher grossen Fächer wie die Innere<br />

Medizin und die Chirurgie, trifft aber in zunehmendem<br />

Masse auch für verschiedene kleinere Fachbereiche<br />

wie zum Beispiel die Neurologie oder die<br />

Orthopädie zu. Ein Chef muss also fähig sein, neben<br />

sich andere qualifizierte Fachleute wirken zu lassen,<br />

die in ihrem speziellen Bereich besser sind als er. Er<br />

darf diesen nicht aus Neid eine angemessene Entfaltung<br />

verunmöglichen. Ja, er muss ihnen sogar im<br />

Rahmen <strong>des</strong> betriebswirtschaftlich Machbaren eine<br />

befriedigende Position mit dem nötigen Mass an<br />

Selbständigkeit verschaffen. Er muss ihnen im Rahmen<br />

<strong>des</strong> finanziell Möglichen auch ein angemessenes<br />

Einkommen vermitteln Er muss aber auch die<br />

Förderung und die Beförderung eines solchen Mitarbeiters<br />

anstreben und in seine Planung einbeziehen.<br />

Dies setzt eine gefestigte Persönlichkeit voraus,<br />

deren Selbstbewusstsein nicht von der Ausübung<br />

einer Macht abhängt und bei dem Toleranz stärker<br />

als Neid ist.<br />

ein Chef muss fähig sein, neben sich andere qualifizierte Fachleute<br />

wirken zu lassen, die in ihrem speziellen Bereich besser sind als er.<br />

Für die Jüngeren, die Assistenz- und Oberärzte,<br />

muss er nicht nur ein fachlich kompetenter Lehrer<br />

sein. Er muss für sie auch in anderer Hinsicht Vorbildfunktionen<br />

ausüben. Diese Jungen wollen nicht<br />

nur ihr Wissen und ihre Kenntnisse vermehren. Sie<br />

wollen auch erleben, wie man mit den Situationen<br />

im Rahmen <strong>des</strong> ärztlichen Alltags in der Patientenberatung<br />

und Patientenbetreuung umgeht: mit diagnostisch<br />

nicht gesicherten Krankheitsbildern, mit<br />

gemachten Fehlern, mit verzweifelten Angehörigen.<br />

Sie wollen lernen, wie man eine sorgfältige Anamnese<br />

aufnimmt, wie man Zusatzuntersuchungen<br />

gezielt einsetzt, wie man kritisch Einzelelemente<br />

ordnet und synthetisch zusammenfügt und deduktiv<br />

zu einer diagnostischen Beurteilung gelangt. Sie<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

603


Streiflicht Horizonte<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

wollen demonstriert bekommen, wie man das therapeutische<br />

Vorgehen aus der Automatik einer starren<br />

Diagnose-Therapiesequenz in eine stets individuell<br />

angemessene Variante der Therapie überführt. Dies<br />

den Jungen mitzugeben, gehört zu den wichtigsten<br />

Aufgaben <strong>des</strong> Chefarztes. Er kann diese Aufgabe nur<br />

dann optimal erfüllen, wenn er neben der nötigen<br />

fachlichen und menschlichen Autorität für diese<br />

Funktionen genügend Zeit einsetzt. Dies geht logischerweise<br />

zulasten anderer Tätigkeiten, unter anderem<br />

von privatärztlichen Funktionen. Der Chefarzt<br />

ist auch der letztlich Verantwortliche für die<br />

optimale ärztliche Betreuung der Kranken. Er muss<br />

also für jeden Patienten bei Bedarf zur Verfügung stehen.<br />

Jeden hospitalisierten Patienten muss er min<strong>des</strong>tens<br />

einmal gesehen haben und muss für die Patienten<br />

in dem Masse verfügbar sein, wie es deren<br />

Problem erfordert. Daraus ergibt sich automatisch<br />

eine Schlussfolgerung in Bezug auf die Anzahl Patienten,<br />

für die ein einzelner Chefarzt verantwortlich<br />

sein kann. Die Grösse einer Klinik muss mit der<br />

Erfüllung der soeben umschriebenen Aufgaben vereinbar<br />

sein. Die Qualität <strong>des</strong> Wirkens muss immer<br />

stärker gewichtet werden als die Menge der zugeteilten<br />

Betten oder die Anzahl der Mitarbeiter. Diese<br />

letztliche ärztliche Verantwortung kann er nicht<br />

delegieren. Dennoch wird es so sein, dass ein qualifizierter<br />

verantwortlicher Oberarzt im Einzelfall entscheiden<br />

kann, wann er den Chefarzt zusätzlich<br />

zuziehen will.<br />

Trotz der aus diesen Verpflichtungen sich ergebenden<br />

grossen zeitlichen Belastung <strong>des</strong> Chefarztes<br />

mit letztinstanzlichen ärztlichen Aufgaben ist<br />

es wünschenswert, dass er auch zeitlich beschränkt<br />

privatärztlich tätig ist. Nur in dieser Funktion übt er<br />

dauernd die eigentliche ärztliche Funktion vom primären<br />

Zugang zum Patienten, der Erarbeitung einer<br />

diagnostischen Beurteilung, der Anwendung einer<br />

Therapie und der Begleitung <strong>des</strong> Kranken aus. Diese<br />

Funktion soll er auch dauernd üben, denn er muss<br />

sie auch seinen Schülern vermitteln können. Der<br />

Chefarzt wird dadurch immer in Kontakt mit der<br />

Realität der persönlichen Begegnung mit dem Patienten,<br />

für den er die volle persönliche Verantwortung<br />

übernimmt, sein. Die letztinstanzliche Tätigkeit<br />

als Chef ersetzt dies nicht, da hierbei viele wichtige<br />

Aspekte wegfallen.<br />

Noch ein Wort zur Autorität. Autorität besteht<br />

nicht im Befehle erteilen. Der Chef ist in vielem der<br />

letztlich Verantwortliche, die letzte Instanz, derjenige,<br />

der verbindliche Entscheide fällt, die Wei-<br />

chen stellt und <strong>des</strong>sen Meinung und Massnahmen<br />

zu akzeptieren sind. Dies setzt im Rahmen <strong>des</strong><br />

Teams, dem er vorsteht, Autorität voraus. Gewiss ist<br />

ihm bereits durch seine Position in der Spitalhierarchie<br />

formal Autorität zugesprochen worden. Diese<br />

stellungsbedingte Autorität ist jedoch auf die Dauer<br />

ungenügend. Er muss seine Autorität vielmehr<br />

durch fachliche Kompetenz, durch persönlichen<br />

Einsatz, durch Grosszügigkeit, durch Toleranz, durch<br />

Förderung seiner Mitarbeiter, durch vorbildlichen<br />

Umgang mit dem Patienten und durch menschliche<br />

Wärme festigen. Er muss überzeugen und nicht befehlen,<br />

muss jedoch in dem, was er letztlich beschliesst,<br />

klar, bestimmt und konsequent sich durchsetzen.<br />

Dies hat gelegentlich auch zur Folge, dass er<br />

zugunsten der Funktionstüchtigkeit <strong>des</strong> von ihm<br />

geleiteten Betriebes eigenen menschlichen Neigungen<br />

oder den Wünschen eines Mitarbeiters nicht<br />

entsprechen kann. So muss er z.B. unter Umständen<br />

eine Person in einer ihr nicht genehmen Funktion<br />

einsetzen oder auf die Weiterbeschäftigung eines<br />

Mitglie<strong>des</strong> <strong>des</strong> Teams verzichten.<br />

Im akademischen Krankenhaus hat der Chefarzt<br />

und Klinikdirektor noch zwei zusätzliche wichtige<br />

Verantwortungen. Er muss die Forschung in der eigenen<br />

Klinik fordern und fördern. Auch hier wie in<br />

der ärztlich-fachlichen Kompetenz wird er neben<br />

dem von ihm persönlich gepflegten Bereich andere<br />

Bereiche durch qualifizierte Mitarbeiter pflegen lassen<br />

müssen. Auch diesen gegenüber muss er sich in<br />

gleicher Weise, wie weiter oben für die klinisch-ärztlichen<br />

Mitarbeiter hervorgehoben wurde, verhalten.<br />

Da sehr oft Mitarbeiter sowohl klinische Verpflichtungen<br />

wie Forschungstätigkeiten ausüben, muss<br />

der Chefarzt dafür sorgen, dass durch entsprechende<br />

Entlastungen bzw. Freistellungen die Erfüllung beider<br />

Aufgaben zumutbar ist. Dass dies dennoch eine<br />

überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft der Beteiligten<br />

voraussetzt, sollte trotzdem nicht zu unzumutbaren<br />

Belastungen oder zu einem Burn-out<br />

führen.<br />

Gelegentlich muss er zugunsten der Funktionstüchtigkeit <strong>des</strong> Betriebs<br />

eigene neigungen oder Wünsche einzelner Mitarbeiter zurückstellen.<br />

An einer Universitätsklinik hat der Chefarzt und<br />

Direktor schliesslich auch Studenten zu unterrichten.<br />

Er darf nicht vergessen, dass er als Mitglied einer<br />

Medizinischen Fakultät Teil der Universität ist, deren<br />

Aufgabe unter anderem die Ausbildung der Studierenden<br />

ist. Je nach Unterrichtsmodus wird der Chefarzt<br />

somit entweder im Rahmen von Vorlesungen<br />

oder von Seminarien oder Gruppenunterricht seine<br />

Lehrtätigkeit ausüben. Und er hat wahrlich die<br />

Pflicht, sie gut auszuüben! Seine vornehmste Auf-<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16 604


Streiflicht Horizonte<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Fachliche Kompetenz, persönlicher Einsatz, Förderung<br />

der Mitarbeiter, Grosszügigkeit, Toleranz, vorbildlicher<br />

Umgang mit den Patienten, menschliche Wärme – all<br />

das macht die Autorität eines Chefarztes aus.<br />

DAK/Scholz<br />

gabe ist nicht so sehr die, den Studierenden Fakten<br />

beizubringen. Diese können sich die Studenten auch<br />

aus Büchern, Videos oder durch E-Learning erwerben.<br />

Als Chefarzt hat er ihnen Vorbild zu sein. Er<br />

kann auch in einer Vorlesung beim Vorstellen eines<br />

Patienten den Studierenden zeigen, wie man<br />

menschlich auf die Kranken eingeht. Er kann ihnen<br />

sogar an Fällen zeigen, wie ethische Überlegungen<br />

unser Handeln mitbestimmen, er kann sie motivieren,<br />

unter Verzicht auf ein zusätzliches Einkommen<br />

auf unnötige Zusatzuntersuchungen zu verzichten.<br />

Neben diesen fachbezogenen ärztlichen Aufgaben<br />

muss aber ein Chefarzt noch in einer ganzen<br />

Reihe anderer Bereiche wirken. Er muss jederzeit bereit<br />

sein, seinen Mitarbeitern und seinen Studenten<br />

persönlicher Berater auch in nicht berufsbezogenen<br />

Belangen zu sein. Er muss bereit sein, individuelle<br />

Probleme anderer mitzutragen. Er muss seine Mitarbeiter<br />

auf allen Stufen spüren lassen, dass er ihnen<br />

beizustehen bereit ist, wenn sie es wünschen. Dies<br />

wird allerdings nur dann gelingen, wenn der Chef-<br />

arzt frei von Hochmut ist, ein freundliches Naturell<br />

hat – was durchaus mit einer natürlichen Autorität<br />

verbunden sein kann – und auf die Mitarbeiter zugeht,<br />

ohne sich ihnen aufzudrängen. Dies alles setzt<br />

Einfühlungsvermögen, verfügbare Zeit und eine<br />

offene Türe voraus.<br />

Das Erfüllen all dieser Aufgaben setzt die Fähigkeit<br />

voraus, die eigene Zeit gut einzuteilen, die Prioritäten<br />

richtig zu setzen, trotz konzentrierter Arbeitsweise<br />

und diszipliniertem Einsatz der Kräfte sich<br />

nicht zur unkontrollierten Hast verleiten zu lassen. Er<br />

muss auch delegieren können und den Mut haben,<br />

persönlich auf gewisse zeitlich belastende Aufgaben<br />

zu verzichten, selbst wenn diese verlockend sind.<br />

Das bisher Gesagte ist schön und gut und mag<br />

auch wünschbar sein. Gibt es aber diese Übermenschen?<br />

Mir scheint aber nicht dies die wesentliche<br />

Frage zu sein. Die zwei wesentlichen Fragen sind<br />

vielmehr die folgenden:<br />

– Kann man die oben aufgeführten Eigenschaften<br />

nicht durch entsprechen<strong>des</strong> Insichgehen fördern,<br />

anstreben oder durch entsprechende Veranstaltungen<br />

sogar schulen? Ich bin überzeugt,<br />

dass man dies kann.<br />

– Kann man nicht bei der Wahl eines Chefarztes<br />

und insbesondere, wenn eine Fakultät einen Klinikdirektor<br />

wählt, auf die charakterlichen Besonderheiten<br />

und die menschlichen Qualitäten der<br />

Kandidaten achten? Gewiss ist dies schwieriger<br />

und aufwendiger als die quantitative und qualitative<br />

Auswertung durchgemachter Schulungen<br />

und veröffentlichter wissenschaftlicher Arbeiten.<br />

Eine Analyse <strong>des</strong> Verhaltens und der Wirkungsweise<br />

eines Kandidaten oder einer Kandidatin<br />

für Cheffunktionen an den bisherigen Wirkungsstätten<br />

gewissermassen vor Ort ist sehr<br />

wohl möglich, wenn auch zugegebenermassen<br />

aufwendig.<br />

So, jetzt habe ich mir dieses Anliegen von der Seele<br />

geschrieben. Ich weiss, dass ich selber dem hier skizzierten<br />

Bild in vielem nicht entsprochen habe. Vielleicht<br />

wird aber der eine oder andere Chefarzt oder<br />

der eine oder andere für eine Chefarztwahl Verantwortliche<br />

diese Gedanken lesen und sich zu Herzen<br />

nehmen.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16 605


Streiflicht Horizonte<br />

Kurztext für Ärztinnen und Ärzte mit knappem zeitbudget<br />

Fast track in der ambulanten Medizin<br />

als strategische trumpfkarte für Spitäler<br />

Richard O. Binswanger<br />

Der Autor arbeitet als Konsiliararzt<br />

für Radiologie an den<br />

Kantonsspitälern Münsterlingen<br />

und Baden.<br />

Korrespondenz:<br />

Dr. med. Richard O. Binswanger<br />

Radiologie<br />

und Nuklearmedizin FMH<br />

Führungsschule Bodensee<br />

Münsterlingen<br />

Oberer Seeweg 9<br />

CH­8597 Landschlacht<br />

r.binswanger[at]bluewin.ch<br />

www.fsb-spital.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Mein Schwager wohnt in Afrika. Vor zwei Jahren<br />

erhielt er eine Knietotalprothese in der Schweiz.<br />

Diese macht seither Probleme. Er ist nie schmerzfrei.<br />

Im vergangenen Sommer kam er in die Schweiz, um<br />

eine Lösung zu finden. Der Orthopäde sah ihn<br />

schon am Tag nach der Ankunft. Er meldete ein<br />

neurologisches Konsilium an. Dieses fand drei<br />

Wochen später statt. Der Bericht lag nach weiteren<br />

zwei Wochen vor. Dann folgten Probebehandlungen<br />

mit Anästhetika, danach verging wieder viel Zeit,<br />

unter anderem mit Physiotherapie. Am Tag <strong>des</strong><br />

Abflugs war das Problem nicht gelöst. Mein<br />

Schwager ist zurückgereist. Er hat weiter Schmerzen<br />

und hofft nun auf eine Lösung in einem Jahr, wenn<br />

er wieder in die Schweiz kommt. Solche Geschichten<br />

höre ich jeden Tag von Patienten, Freunden und<br />

Kollegen.<br />

Fast Track im ambulanten Bereich<br />

Im stationären Bereich ist der Fast Track für die Abklärung<br />

und Behandlung schon seit langem etabliert.<br />

Wir kennen oft schon am ersten oder zweiten<br />

Spitaltag die definitive Diagnose. Und in der Ambu­<br />

Auch in der Medizin muss es Wege geben, auf denen alles etwas schneller geht als üblich.<br />

lanz? Ganz anders an der Mayo Klinik [1]. Dort kümmern<br />

sich spezialisierte Teams um die Optimierung<br />

der Patiententermine. Das brauchen wir auch! Wir<br />

brauchen eine Abteilung mit Spezialisten, die sich<br />

um die zeitnahe Terminvergabe kümmern. Über alle<br />

Fachgebiete und für externe Abklärungen. Ein interdisziplinäres<br />

Projekt. Wenn ein Spezialist den Rat<br />

weiterer Fachärzte braucht, darf die gesamte Abklärung<br />

nicht mehr als zehn Tage dauern, Labor­ und<br />

Histologieberichte inklusive.<br />

Ein Postulat der Gerechtigkeit<br />

Wenn die Regierungspräsidentin Ihres Kantons<br />

(oder Ihre Mutter) ambulant ins Spital kommt und<br />

mehrere Spezialisten sehen muss, greifen Sie oder<br />

Ihre Sekretärin zum Telefon und erhalten alle Termine<br />

am gleichen oder am Folgetag. Nach 3 bis 4 Tagen<br />

haben Sie alles beisammen. Die Behandlung kann<br />

beginnen. Schliesslich würde ohne Ihre Patientin<br />

nichts mehr laufen in der Politik, und die rasche<br />

Rückkehr an den Arbeitsplatz ist sowieso volkswirtschaftlich<br />

gefordert. Wenn ein Eisenleger aus Mazedonien<br />

mit 5 Kindern zu Hause in der gleichen Lage<br />

ist, dauert das Gleiche mehrere Wochen. In dieser<br />

Zeit fehlt er bei der Arbeit und chronifiziert. Im<br />

schlimmsten Fall landet er in der Invalidenversicherung.<br />

Das ist Zweiklassenmedizin. Das dürfen wir<br />

nicht länger zulassen!<br />

Der strategische Vorteil<br />

Die Vorteile <strong>des</strong> Fast Tracks sind evident: Zuallererst<br />

für den Patienten, dann aber auch für die Volkswirtschaft,<br />

die Versicherer und insbesondere die Invalidenversicherung.<br />

Ein Spital, das den Fast Track einführt,<br />

wird ausserordentlich erfolgreich und erfährt<br />

einen riesigen Reputationsgewinn. Medizinisch und<br />

wirtschaftlich (die Mayo Klinik erwirtschaftete im<br />

Jahr 2007 auf einen Umsatz von 7 Milliarden US­<br />

Dollar einen Gewinn von 700 Millionen). Ihr Spital<br />

wird alle Konkurrenten ausstechen. Das soll nicht<br />

gehen? Das kostet zu viel? Mitnichten. Versuchen<br />

Sie es doch. Starten Sie das Programm in den nächsten<br />

Monaten!<br />

Literatur<br />

1 Berry LL, Selterman KD. Management Lessons from<br />

Mayo Clinic. McGraw­Hill; 2008.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

606


Buchbesprechungen HORIZONTE<br />

Aus der ärztlichen Werkstatt<br />

Erhard Taverna<br />

erhard.taverna[at]saez.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Das Spektrum ist beachtlich, Belletristisches für<br />

Gross und Klein, Fachliches für Spezialisten und<br />

neugierige Nicht-Spezialisten. Drei Kollegen sind im<br />

Ruhestand, der Gynäkologe Albert Mambourg in<br />

Luzern, der emeritierte Universitätsdozent in Romainmôtier<br />

und der frühere chirurgische Chefarzt Otto<br />

Wicki in Iragna. Zwei weitere Kollegen stecken noch<br />

mitten im Praxisalltag, der ärztliche Direktor der Privatklinik<br />

Hohenegg Toni Brühlmann in Meilen bei<br />

Zürich und der Fusschirurg Christian Sommer in<br />

seiner Klinik in Luzern und Zürich.<br />

Im Zuge Magrittes<br />

Albert Mambourg<br />

Im Zuge Magrittes<br />

Esch/Lauer, Luxemburg:<br />

Op der Lay; 2011<br />

204 Seiten. 15.90 Euro.<br />

ISBN 978-2-87967-176-5<br />

Der Name <strong>des</strong> Romanhelden ist nicht zufällig der <strong>des</strong><br />

belgischen Surrealisten Magritte. Man kann das<br />

Buch als erotisch aufgeladene Gesellschaftssatire<br />

lesen, in der betrogene Ehemänner, üppige Leichenschmäuse<br />

und ein sehr vitaler Kleinstadt-Don-Juan<br />

ein groteskes Theaterstück aufführen. Es wird stets<br />

opulent aufgetragen, von den Rezepten <strong>des</strong> Sternekochs<br />

im Bären zu den ausschweifenden Vereinigungen<br />

in fremden Schlaf- und Badezimmern bis zu<br />

der sexuellen Aufklärung eines Bischofs mit Hilfe<br />

mittelalterlicher Tafeln zur weiblichen Anatomie.<br />

Magritte ist ein belesener Schwadroneur, <strong>des</strong>sen ausufernde<br />

Rhetorik akademisch gebildete Gegner spielend<br />

schachmatt setzt. Ein Hofnarr mit einem zangenbedingten<br />

Geburtsschaden, denn: «Magritte war<br />

ein reiner Triebmensch, er zeigte also keine Scham,<br />

er hatte kein Ehrgefühl und keine Manieren, weil<br />

ihm der züchtigende Eingriff <strong>des</strong> Vorderhirns, der<br />

Seele also, fehlte.» Der Regisseur dieser bunten<br />

Truppe von Juristen, Ärzten und Klerikern war jahrzehntelang<br />

Gynäkologe in Luzern. Vielleicht nimmt<br />

er auch uns Leser, wie der berühmte Maler, auf<br />

den Arm. Diesem zufolge sind Bilder eine vertrackte<br />

Sache, denn: «Kein Gegenstand ist mit seinem Namen<br />

so verbunden, dass man keinen anderen für ihn fin-<br />

den könnte, der besser zu ihm passt.» Der Magritte<br />

im Buch hatte viele Anhänger: «Mit seiner Diskussionsmethode<br />

– Plattitüden, gemischt mit gros ser<br />

Philosophie – hatte er einen rechten Erfolg. Eine<br />

kleine, neue Religion war entstanden.»<br />

Blutspurlos<br />

Ein Kardiologe verlässt aufgeschreckt sein Labor. Er<br />

fährt fluchtartig in die französische Abgeschiedenheit<br />

der Tortue. Im Landhaus eines Freun<strong>des</strong> will er<br />

sich seinem Feind stellen, planmässig, nach einem<br />

strikten Schema, mit äusserster Disziplin. Er macht<br />

sich zum Objekt eines wissenschaftlichen Experimentes,<br />

will seine Strategie tabellarisch auf dem<br />

Computer festhalten, nur Fakten notieren, sich selbst<br />

in der Anlage eines Kriegstagebuchs subtrahieren.<br />

Nichts entgeht seinem Misstrauen, nachts hört er bedrohliche<br />

Geräusche. Zwanghaft und zunehmend<br />

paranoid, treibt es ihn unaufhaltsam der psychotischen<br />

Katastrophe zu. Das wird alles beklemmend,<br />

mit grosser Präzision und gutformuliert beschrieben.<br />

Aus den Briefen an die verstorbene Ehefrau entwickelt<br />

der Autor die schwierige Beziehung zwischen<br />

einer sensiblen Poetin und einem überrationalen, gefühlsgestörten<br />

Mann, der aufgrund seiner tragischen<br />

Biografie überzeugt ist, einen To<strong>des</strong>keim in sich zu<br />

tragen. Dieser halluziniert, hört Stimmen in seinem<br />

Kopf, bekommt von der Nachbarin ein Jagdgewehr<br />

ausgeliehen, verletzt sich und stirbt fast an einer Lungenentzündung.<br />

Schlimmer kann es nicht mehr werden.<br />

Da betritt er widerwillig eine Kapelle, deren Reliquie,<br />

eine Mumie, sein Freund untersuchen soll. Der<br />

Ich-Erzähler, Schrittmacherspezialist und Elektronik-<br />

Ingenieur soll ihm dabei helfen. Sind es die Gedichte<br />

der verstorbenen Ehefrau, ist es die Heilige, deren<br />

Existenz höchst zweifelhaft erscheint, die Geschichte<br />

nimmt eine über raschende Wendung. André Blum<br />

hat in seinem Erstling geschickt und sprachmächtig<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

André Blum<br />

Blutspurlos<br />

Kreuzlingen: Edition Isele;<br />

2012.<br />

232 Seiten. 25.90 CHF<br />

ISBN 928-3-86142-541-0<br />

607


Buchbesprechungen HORIZONTE<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

eine Krankheits- und Liebesgeschichte mit archäologischem<br />

Gespür zu einer Heilsgeschichte mit einem<br />

offenen Ausgang verflochten.<br />

Pepino der kleine Esel<br />

Auf der Website von Otto Wick steht sein Eingangsmotto:<br />

«Am Ende <strong>des</strong> Lebens bleibt Dir nur das, was<br />

Du anderen geschenkt hast.» Der 1932 geborene<br />

Schriftsteller hat schon vieles geschenkt, als Chirurg<br />

war er Co-Autor und Begründer der «Medizinischen<br />

Checklisten», einer flexiblen Taschenbuchreihe<br />

im Thieme-Verlag. Es folgten zahlreiche<br />

Erzählungen und jetzt auch ein Kinderbuch mit<br />

15 schönen Farbbildern von Bernd Günther. Pepino<br />

muss schwere Lasten tragen, immer angetrieben<br />

von Marco, dem Ziegenhirten. Im Traum sieht<br />

Marco, wie der hungernde Esel dem fast erblindeten<br />

Fuchs seine Augen im Austausch für ein fettes<br />

Huhn ausleiht, das er Marco gegen viel Heu überlässt.<br />

Beide werden bei diesem Handel so dick, dass<br />

sie nicht mehr für die Arbeit taugen. Von da an behandelt<br />

Marco seinen Esel liebevoller. Pepino bekommt<br />

täglich frisches Heu und saftige Karotten.<br />

Das Hungern hat ein Ende, und sie arbeiteten<br />

glücklich und als Freunde bis zum heutigen Tag.<br />

Denn, so die Moral der Geschichte: «Wer Gutes tut,<br />

bekommt alles doppelt zurück.»<br />

Begegnung mit dem Fremden<br />

Otto Wicki<br />

Pepino der kleine Esel<br />

Kinderbuch für<br />

3–10-Jährige.<br />

Frankfurt: August von<br />

Goethe Literaturverlag;<br />

2011<br />

22.20 CHF.<br />

ISBN 978-3-83720-969-3<br />

Toni Brühlmann<br />

Begegnung mit<br />

dem Fremden<br />

Stuttgart: Kohlhammer;<br />

2011<br />

178 Seiten. 44.90 CHF<br />

ISBN 978-3-17021-858-1<br />

Toni Brühlmann, Psychiater, Verfasser zahlreicher<br />

Publikationen zu Burn-out, Depression und narzisstischen<br />

Störungen, versieht sein Fachbuch mit dem<br />

Untertitel: Zur Psychotherapie, Philosophie und Spiritualität<br />

menschlichen Wachsens. Sein Werk hat er<br />

in sechs Kapitel unterteilt: Die Voraussetzungen<br />

menschlichen Wachsens; der historische Kontext:<br />

die heutige Krisenzeit; Anthropologie in psychotherapeutischer<br />

Sicht; Anthropologie in philosophischer<br />

Sicht; Therapie als Emanzipation und Resignation<br />

und im Anhang: postnarzisstische Übergangszeit<br />

– quo vadis? Das fundiert und konzentriert<br />

geschriebene Buch richtet sich in erster Linie an<br />

Fachpersonen aus der Psychotherapie, an Personen<br />

geisteswissenschaftlicher Richtungen und an interessierte<br />

Laien. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt<br />

dem fortschreitenden Irrationalismus der Gegenwart<br />

und den Auswüchsen und Schäden der Leistungs-<br />

und Erfolgskultur mit ihrer Subjektzentrierung.<br />

Zusammenfassungen am Ende eines jeden Kapitels<br />

bringen die anspruchsvolle Lektüre auf den<br />

Punkt. Brühlmann beschreibt die bisherigen Denkwege<br />

als eine Philosophie der Abwesenheit, als Philosophie<br />

der Verneinung und Exteriorität, da das Bestimmende<br />

im «Ausserhalb» gesehen wird. Er<br />

wünscht sich eine zeitgemässere Philosophie der Anwesenheit,<br />

die aus der Verbindung, Bejahung und<br />

Liebe, entgegen der heutigen Realität, hervorgehen<br />

würde. Das anspruchsvolle Buch kann als konzises<br />

Kompendium der Philosophie und Ethik, als Lehrbuch<br />

der Psychotherapie und als kritisches Essay gelesen<br />

werden, das mit den Worten <strong>des</strong> Autors «über<br />

die Grenze und die heutige Borderline-Ära einen<br />

Blick hinüber werfen will».<br />

Operationstechniken in der Fusschirurgie<br />

Christian Sommer<br />

Operationstechniken<br />

in der Fusschirurgie<br />

Heidelberg:<br />

Springer-Verlag KG; 2012<br />

350 Seiten. 319 Abb.<br />

119.00 CHF<br />

978-3-21199-422-1<br />

Der Autor Dr. med. Christian Sommer ist Facharzt<br />

für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie.<br />

Sein Spektrum umfasst korrektive Fussoperationen,<br />

Revisions- und Rheumachirurgie und Prothetik.<br />

Seine praktische OP-Anleitung versteht sich als<br />

Orientierungshilfe aus der Praxis für die Praxis. Der<br />

vorliegende Band ergänzt das bereits in zweiter Auflage<br />

bestehende Buch über die Grundlagen der<br />

Fusschirurgie. 319 sehr schöne Farbabbildungen<br />

weisen den Weg durch die Grundlagen- und Spezialkapitel.<br />

Der Autor hat seine Sprache genauso im<br />

Griff wie sein Skalpell. Knapp, klar und gut ver-<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16 608


Buchbesprechungen HORIZONTE<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

ständlich schildert er die Voraussetzungen <strong>des</strong> Operierens,<br />

die Nachbehandlung und die zahlreichen,<br />

komplexen Pathologien <strong>des</strong> Fusses. Literaturempfehlungen,<br />

eine kurze Anleitung zum Gebrauch<br />

<strong>des</strong> Hallux-Goniometers und ein ausführliches<br />

Sachverzeichnis beenden die auch für Nichtspezialisten<br />

lesenswerten Ausführungen. Statistiken<br />

belegen, dass fast die Hälfte der Patienten den<br />

Ortho päden wegen Fussproblemen aufsuchen.<br />

Fehlstellungen, Überlastungssymptome, Instabilitätsprobleme,<br />

Arthrosen und Sportunfälle sind<br />

auch in der hausärztlichen Praxis häufige Konsultationsgründe.<br />

Es gibt also gute Gründe, genauer zu<br />

wissen, wie ein renommierter Kollege in seiner<br />

Privatpraxis damit umgeht. Empfohlen sei auch die<br />

interessante Website www.fussclinic.ch<br />

Manuelle Medizin für Schmerzpatienten<br />

Ulrich Böhni,<br />

Markus Lauper,<br />

Hermann-Alexander<br />

Locher<br />

Manuelle Medizin 2<br />

Diagnostische und<br />

therapeutische Techniken<br />

praktisch anwenden<br />

Stuttgart: Thieme; 2011<br />

615 Seiten. 252 CHF<br />

ISBN 978-3-13165-271-3<br />

Die Manuelle Medizin hat sich inzwischen erfolgreich<br />

in die Schmerzanalyse und -therapie integriert.<br />

Sie bietet eine gute Alternative bzw. zusätzliche<br />

M ethode für Schmerzpatienten, wenn intensive<br />

medikamentöse, physikalische und invasive Therapie<br />

allein nicht erfolgreich waren. Das Werk «Manuelle<br />

Medizin 2 – Diagnostische und therapeutische<br />

Techniken praktisch anwenden» ist der erste Band<br />

der neukonzipierten Reihe «Manuelle Medizin»,<br />

der erschienen ist. Der Band «Manuelle Medizin 1 –<br />

Fehlfunktionen und Schmerz am Bewegungsorgan<br />

verstehen und behandeln» wird voraussichtlich<br />

noch in diesem Jahr beim Thieme-Verlag erscheinen.<br />

Das Werk ist für das Selbststudium bestens geeignet.<br />

Das Buch wird als Handbuch bezeichnet, ist aber<br />

in Wirklichkeit ein sehr umfassen<strong>des</strong> Werk. Es enthält<br />

viele Techniken nicht nur für Einsteiger, sondern<br />

auch Fortgeschrittene. Es dient mit Schritt-für-Schritt-<br />

Anleitungen, die wichtigsten Techniken der Manuellen<br />

Medizin zu erlernen. Die Kursinhalte <strong>des</strong> erforderlichen<br />

Curriculums zur Manuellen Medizin können<br />

mit dem Werk nochmals wiederholt, vertieft werden<br />

oder aber auch schon zur Vorbereitung dienen.<br />

Der Aufbau <strong>des</strong> Werkes basiert auf dem Doppelseitenprinzip,<br />

das heisst, dass links jeweils die Texte<br />

stehen und rechts ein Atlas integriert ist. Die Fotos<br />

mit den eingefügten Symbolen fassen die erlernten<br />

Behandlungstechniken nochmals auf einen Blick zusammen.<br />

Die teilweise komplizierten Griffe und<br />

dreidimensionalen Bewegungen werden so auf einfache<br />

Weise verdeutlicht. Die Systematik und Übersichtlichkeit,<br />

die dem Werk eigen ist, ist ein grosser<br />

didaktischer Vorteil beim Erlernen der Techniken. So<br />

ist es für das Selbststudium bestens geeignet.<br />

Das Buch ist entsprechend den Kursinhalten in<br />

acht grosse Kapitel gegliedert. Der Abschnitt «Diagnostik<br />

der Wirbelsäule: Hals, Schulter, Arm» erklärt<br />

regionale und segmentale Untersuchungstechniken<br />

für die Hals- und die Brustwirbelsäule inklusive Rippen.<br />

Analog dazu gibt es das Kapitel «Therapie Wirbelsäule:<br />

Hals, Schulter, Arm», das entsprechende<br />

Behandlungstechniken vorstellt. Das Kapitel «Diagnostik<br />

und Therapie periphere Gelenke: Hals,<br />

Schulter, Arm» widmet sich den Untersuchungstechniken<br />

der Gelenke der oberen Extremität und<br />

zeigt eine Auswahl der für die manualmedizinische<br />

Praxis relevanten Behandlungstechniken. Analog zu<br />

den Gelenken gibt es ein Kapitel zur «Diagnostik<br />

und Therapie Muskulatur: Hals, Schulter, Arm», in<br />

dem die wichtigsten Muskeln der Hals- und Brust-<br />

wirbelsäulenregion sowie der oberen Extremität behandelt<br />

werden. Die folgenden vier Kapitel wurden<br />

entsprechend den erwähnten angelegt, nur dass sie<br />

die Lendenwirbelsäule, das Becken und die untere<br />

Extre mität betreffen.<br />

Dr. med. Sandra Krüger, Berlin<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16 609


Dolmetschen<br />

Die «Volksnaturlehre zur<br />

Dämpfung <strong>des</strong> Aberglaubens»<br />

war ein überaus<br />

erfolgreiches populärwissen<br />

schaft liches Buch, das<br />

drei Generationen von<br />

Lesern belehrte.<br />

1 Schatz G. Zaubergarten<br />

Biologie. Zürich: NZZ<br />

Libro; 2012.<br />

2 Reinhart WH.<br />

Ghostwriter – die Geister,<br />

die ich rief.<br />

Schweiz Med Forum.<br />

2012;12(12):259–61.<br />

erhard.taverna[at]saez.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

1786 erschien zum ersten Mal die «Volksnaturlehre<br />

zur Dämpfung <strong>des</strong> Aberglaubens» <strong>des</strong> evangelischen<br />

Pfarrers Johann Heinrich Helmuth. Das im<br />

populärwissenschaftlichen Stil geschriebene Buch<br />

war überaus erfolgreich, es belehrte drei Generationen<br />

Leser und verfolgte ein ähnliches Ziel wie die<br />

französischen Enzyklopädisten der Aufklärung.<br />

Literatur, die wissenschaftliche Themen für die<br />

Öffentlichkeit verständlich macht, ist seither unentbehrlich.<br />

Das Schmiermittel der Wissensmaschinerie<br />

ist längst zum gewohnten Bestandteil der permanenten<br />

Volksbildung geworden, wobei sich Kommerz,<br />

Politik und Neugier die Waage halten. Wer aus<br />

der Fachsprache für Laien dolmetscht, will vermitteln,<br />

erklären, einordnen, transparent machen und<br />

auch unterhalten, was zahlreiche Mediengefässe<br />

mehr oder weniger gekonnt demonstrieren, etwa<br />

Scobel auf 3Sat, Netz auf SF1, n-tv und viele andere.<br />

Wissenschaftsjournalismus, bis in die 1990er-Jahre<br />

ein Exotenfach, ist zu einer Spezialdisziplin geworden,<br />

die an Hochschulen vermittelt und durch zahlreiche<br />

Preise gefördert wird. In der Schweiz etwa seit<br />

2008 durch die «Stiftung experimentelle Medizin»,<br />

die jährlich einen gutdotierten Recherchepreis für<br />

Wissenschafts- und Medizinjournalismus verleiht.<br />

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ und die<br />

Neue Zürcher Zeitung NZZ waren Vorreiter für gute<br />

Berichte in Kulturjournalen und Feuilletons. Vielen<br />

Lesern dürften die regelmässigen Beiträge von Gottfried<br />

Schatz in der NZZ ein Begriff sein. Der auch<br />

musisch begabte Biochemiker, langjähriger Leiter<br />

<strong>des</strong> Biozentrums in Basel und Präsident <strong>des</strong> <strong>Schweizerische</strong>n<br />

Wissenschafts- und Technologierates, hat<br />

für diese hohe Kunst <strong>des</strong> Dolmetschens Massstäbe<br />

gesetzt. In einem Interview sprach er vom Brückenschlag<br />

zwischen Natur- und Geisteswissenschaften.<br />

Dabei sei die Literatur ein Vorbild, denn beide Sprachen<br />

sollten möglichst einfach, klar und schön sein.<br />

Nichts sei für unsere Gesellschaft gefährlicher als<br />

gutausgebildete, aber ungebildete Wissenschaftler,<br />

wobei der Kampf gegen Vorurteile und Aberglaube<br />

nur selten das Hauptanliegen der Universitäten sei.<br />

Seine neuste Publikation «Zaubergarten Biologie –<br />

Wie biologische Entdeckungen unser Menschenbild<br />

prägen» [1], zu dem Rolf Zinkernagel ein Vorwort<br />

geschrieben hat, beglückt mit brillanten Erzählungen.<br />

Pflichtlektüre für alle Mediziner.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

zu guter letzt<br />

Nicht jeder Forscher ist ein Multitalent wie Gottfried<br />

Schatz, der mit seinen geistreichen Essays, vorwiegend<br />

aus der Welt der Biologie, seit Jahren im<br />

besten Sinne seinem Publikum den Horizont erweitert.<br />

Weitere Beispiele wären Linus Pauling, Adolf<br />

Portmann, Ernst Mayr, Gerd Binnig oder Stephen<br />

Hawking, die sich ebenso Mühe gegeben haben, ihre<br />

Entdeckungen ausserhalb der eigenen Zunft zu verbreiten.<br />

Sie und viele andere aus allen Wissenschaftssparten<br />

sind ein Glücksfall und leider eine<br />

Minderheit. Darum braucht es neben diesen Doppeltalenten<br />

die Handwerker, die sich fremde Erkenntnisse<br />

aneignen und möglichst unverfälscht einem<br />

nicht spezialisierten Personenkreis verständlich<br />

machen.<br />

In einem Editorial <strong>des</strong> <strong>Schweizerische</strong>n Medizin-<br />

Forums wurden diese professionellen Schreiber, insbesondere<br />

die medical writers, als ghostwriter bezeichnet<br />

[2]. Das Problem dieser Form medizinischer<br />

Informationsvermittlung bestehe in der Einflussnahme<br />

der Sponsoren aus der Industrie. Wo administrative<br />

und ökonomische Zwänge die eigene Zeit<br />

auffressen und Forschung viel kostet, sind häufige<br />

Publikationen, mit einem möglichst hohen Impact-<br />

Faktor, eine Überlebensfrage. Wenn publish or perish<br />

über Karrieren und Projekte entscheidet, braucht es<br />

die kleinen Helferlein <strong>des</strong> Journalismus. Der Autor<br />

«Wer aus der Fachsprache für laien dolmetscht, will vermitteln, erklären,<br />

einordnen, transparent machen und auch unterhalten.»<br />

formuliert ein grundsätzliches Problem, dass der<br />

akademische Nachwuchs nicht mehr lernt, Wissenschaft<br />

selber zu publizieren und zu kommunizieren.<br />

«Wenn man z. B. habilitieren und die Lehrbefähigung<br />

(Venia legendi) erwerben kann, indem man<br />

Publikationen von Studien vorlegt, die von professionellen<br />

Schreibern verfasst worden waren, dann<br />

wird man auch Scientific Writing nicht weiter vermitteln<br />

können.» In der beiliegenden <strong>Ärztezeitung</strong><br />

wünscht sich Werner Bauer «viele zukünftige und<br />

junge Ärztinnen und Ärzte mit Interesse an Literatur,<br />

an der Sprache als Grundlage <strong>des</strong> Denkens und Instrument<br />

<strong>des</strong> Heilens, an den bildenden Künsten, an<br />

Philosophie und anderen Humanwissenschaften.»<br />

Dabei kann es nicht schaden, bei Vorbildern wie<br />

Gottfried Schatz abzuschauen, wie man das macht.<br />

Wer will, kann es ihm nachtun, und als Geiger in<br />

verschiedenen Opernhäusern spielen. Doch das ist<br />

nicht unbedingt nötig.<br />

Erhard Taverna<br />

610


Editores Medicorum Helveticorum<br />

Die letzte Seite der SÄZ wird von Anna frei gestaltet, unabhängig von der Redaktion.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | <strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins suisses | <strong>Bollettino</strong> <strong>dei</strong> <strong>medici</strong> <strong>svizzeri</strong> | 2012;93: 16<br />

ANNA<br />

www.annahartmann.net

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!