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Prof. Dr. Dionys Zink: Die multiple Identität der Sozialen Arbeit ...

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong>:<br />

<strong>Die</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

Vortrag im Rahmen des PraxisanleiterInnentag am 6. Mai 2009<br />

BA-Studiengang Soziale <strong>Arbeit</strong> <strong>der</strong> Kath. Stiftungsfachhochschule München<br />

Abteilung München<br />

In <strong>der</strong> S 8 zwischen Geltendorf und dem Rosenheimer Platz. Zwei junge junge Leute reden über ihr<br />

Studium. Sie wissen nicht, dass sie einen kundigen Mithörer haben.<br />

Sie: Du studierst?<br />

Er: Ja Physik.<br />

Sie: Mm, mein’s wär das nicht.<br />

Er: Und du?<br />

Sie : Ich studier’ Sozialarbeit.<br />

Er: Aha. Was studiert man da eigentlich?<br />

Sie, recht zögerlich: Alles Mögliche; Psychologie, Recht, Pädagogik ....<br />

Er, will’s genauer wissen: Interessant, aber was genau ist das eigentlich, was du da studierst,<br />

„Sozialarbeit“?<br />

Sie: Wir helfen Menschen in sozialen Schwierigkeiten, Behin<strong>der</strong>ten und Obdachlosen zum<br />

Beispiel.<br />

Er: Dazu muss man studieren?<br />

Sie: Ja, weißt du, ich studiere so eine Art „Angewandte Sozialpsychologie“.<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren<br />

Natürlich ist es nicht statthaft, auf <strong>der</strong> Grundlage einer einzigen Erfahrung gleich eine Hypothese<br />

zu bilden, doch lässt das eben wie<strong>der</strong>gegebene Gespräch immerhin die Feststellung eines<br />

dreifachen ersten Befunds zu:<br />

a) die Studentin weiß (noch) nicht so recht, was sie eigentlich studiert;<br />

b) sie stellt sich ganz selbstverständlich <strong>der</strong> Frage, ohne ihrerseits das Nichtwissen ihres<br />

Gesprächspartners zu thematisieren und so die Berechtigung seiner Frage zu prüfen und<br />

c) sie nimmt in ihrer Erklärungsnot Zuflucht zu einer von ihr geschätzten „richtigen“<br />

Wissenschaft.


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong>: <strong>Die</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> 2<br />

Wer unter uns war nicht schon einmal selbst in ähnlicher Verlegenheit?<br />

Kaum jemand aber stellt eine ähnliche Frage etwa an einen Physiker, einen Mediziner o<strong>der</strong><br />

Ingenieur und meist wohl würden diese und die Vertreter und vieler an<strong>der</strong>er Wissenschaften eine<br />

solche Frage auch mit dem Hinweis auf die Allgemeinbildung zurückgeben.<br />

Noch ehe also unser Thema zu Wort kommt, mag uns schon <strong>der</strong> Eindruck zu denken geben, es sei<br />

die Soziale <strong>Arbeit</strong> eine irgendwie studiengestützte Berufstätigkeit, die sich ständig nach ihrer<br />

<strong>Identität</strong> befragen lässt und selbst befragt – und damit zu erkennen gibt, dass sie noch immer –<br />

o<strong>der</strong> vielleicht sogar prinzipiell – nicht „bei sich“ ist.<br />

Recht komplex – das ist jetzt schon erkennbar - ist daher die Thematik, die zu bearbeiten ich<br />

deshalb mit gehörigem Respekt von den Verantwortlichen des PraxisanleiterInnentags<br />

übernommen habe. Ihr zu entsprechen, befinde ich mich – in den Jahren des Ruhestands ein<br />

wenig langsamer und bedächtiger geworden – heute vor Ihnen in einer Situation, die Ihnen im<br />

Beruf täglich begegnet, auf eine Anfor<strong>der</strong>ung nämlich spontan, nur gestützt auf die aktuell<br />

paraten Kenntnisse und Fertigkeiten, tätig zu werden. Bitte betrachten Sie also das Folgende in<br />

formaler Hinsicht als Versuch, Ihrer berufsalltäglichen Anfor<strong>der</strong>ung nahezukommen und dazu die<br />

mir verbliebenen Einsichtsressourcen zu nutzen.<br />

1. Der Begriff <strong>der</strong> <strong>Identität</strong><br />

Wenn in <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> von „<strong>Identität</strong>“ die Rede ist, dann öffnet sich in unserem<br />

Wissensgedächtnis meist und schnell die Schublade <strong>der</strong> Psychologie. Sie gibt uns Namen wie<br />

Erikson 1 (1) o<strong>der</strong> Taylor 2 (2) preis, Forscher also, die den Begriff vor allem in den Human- und<br />

Sozialwissenschaften populär gemacht haben.<br />

Dennoch ist er uralt und vor allem: Bestandteil einer Wissenschaft, die nicht nur in <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong><br />

<strong>Arbeit</strong> ein eher staubiges Kellerdasein führt, <strong>der</strong> Logik nämlich.<br />

Dort ist von „<strong>Identität</strong>“ die Rede, wenn in einer Beziehung die vollkommene Übereinstimmung<br />

von etwas mit etwas – mathematisch ausgedrückt mit dem Gleichheitszeichen ( = ) – behauptet<br />

wird. Soll diese Behauptung nicht bloß Wie<strong>der</strong>holung desselben, also tautologisch, aber zugleich<br />

auch wi<strong>der</strong>spruchsfrei sein, so müssen ihre Glie<strong>der</strong>, obgleich durch alternative Hinsichten<br />

verschieden, dennoch dasselbe bezeichnen. Das ist zum Beispiel <strong>der</strong> Fall, wenn verschiedene<br />

Namen dieselbe Person bezeichnen, ein Subjekt sich durch seine Verän<strong>der</strong>ungen im Verlauf <strong>der</strong><br />

Zeit als „<strong>Die</strong>ses“ durchhält o<strong>der</strong> eine Gesellschaft unabhängig vom Wechsel ihrer Mitglie<strong>der</strong><br />

Bestand hat.<br />

L o g i s c h e <strong>Identität</strong> o<strong>der</strong> Wesensgleichheit liegt vor, wenn mehrere Seiende, also Dinge<br />

1 Erikson, Erik, <strong>Identität</strong> und Lebenszyklus, Frankfurt/M, 1966<br />

2 Taylor, Charles, Quellen des Selbst, Frankfurt/M, 1996


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong>: <strong>Die</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> 3<br />

o<strong>der</strong> Ereignisse, im selben Begriff zum Ausdruck kommen, z.B.: „Anna und Peter sind<br />

Menschen“. Von r e a l e r o<strong>der</strong> sachlicher <strong>Identität</strong> spricht man, wenn – umgekehrt – ein<br />

Seiendes mehrere Begriffe auf sich vereinigt: „Alle Menschen sind <strong>der</strong> Endlichkeit, also<br />

Sterblichkeit unterworfen“. I n t e n t i o n a l e <strong>Identität</strong> schließlich bezeichnet das existentielle<br />

Ausgerichtetsein eines Seienden auf ein ihm wesensgleich An<strong>der</strong>es, das ihm zugleich aber doch<br />

schon prinzipiell zugehört: die „Göttlichkeit <strong>der</strong> Seele“, zum Beispiel 3 .<br />

Aus dem Keller <strong>der</strong> Logik wie<strong>der</strong> ans Tageslicht gekommen, haben wir den Eindruck, es<br />

tauge vor allem die l o g i s c h e <strong>Identität</strong> zur weiteren Gewinnung eines angemessenen<br />

Verständnisses <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong>, jene <strong>Identität</strong> also, die in einem Begriff verschiedene Zustände<br />

o<strong>der</strong> Entfaltungen desselben versammelt. Folgt man dem damit eingeschlagenen Erkenntnisweg,<br />

dann ist, unter Beibehaltung des Begriffs <strong>der</strong> „<strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong>“ jetzt nach dem in ihren<br />

verschiedenen Facetten gleichwohl Eigentümlichen zu suchen.<br />

2. Suchrichtungen zur <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

Noch ehe wir freilich mit dieser Suche beginnen können, haben wir mit <strong>der</strong> alltagssprachlichen<br />

Schlamperei in unseren eigenen Reihen aufzuräumen, die im Begriff <strong>der</strong> „<strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong>“ keinen<br />

Unterschied macht zwischen dem praktischen Handlungsgefüge, seiner Organisation und den,<br />

beidem zugrundeliegenden Wissensbeständen, <strong>der</strong> S o z i a l a r -b e i t s w i s s e n s c h a f t also,<br />

die – genau genommen – allein doch nur Gegenstand und Inhalt eines entsprechenden Studiums<br />

sein kann. Unter <strong>der</strong> Voraussetzung dieser Differenzierung stellt sich dann zunächst also die Frage<br />

nach <strong>der</strong> <strong>Identität</strong> eben dieser spezifischen W i s s e n s c h a f t.<br />

2.1 Der wissenschaftstheoretische Zugang zur Sozialarbeitswissenschaft<br />

Zur Klärung <strong>der</strong> Eigenständigkeit einer Wissenschaft gebraucht die Wissenschaftstheorie bis auf<br />

den heutigen Tag die zwei Kriterien des Material- und Formalobjekts. Material bestimmt sie dabei<br />

den Gegenstand <strong>der</strong> zu prüfenden Wissensbestände; formal benennt sie den auswählenden Blick,<br />

unter dem dieser Gegenstand das Interesse <strong>der</strong> spezifischen Forschung und Lehre findet.<br />

Eigenständig ist daher eine Wissenschaft dann, wenn sie sich in wenigstens einem <strong>der</strong><br />

Objektbereiche von je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en unterscheidet. Der Unterschied zwischen Physik und Chemie<br />

mag dies verdeutlichen: bei<strong>der</strong> Materialobjekt ist die Natur – die sie daher auch als<br />

Naturwissenschaften ausweist. Im Unterschied aber zur Physik, <strong>der</strong>en formaler Zugang zur Natur<br />

vom Interesse an ihren Energieformen bestimmt ist, beschäftigt sich die Chemie mit ihr unter <strong>der</strong><br />

3 vgl. de Vries, <strong>Identität</strong>, in: Brugger, Walter, Philosophisches Wörterbuch, Freiburg/Basel/Wien,<br />

(14) 1976, S. 177- 178 und Wagner, Tim, idion, in: Horn/Rapp, (Hg.) Wörterbuch <strong>der</strong> antiken<br />

Philosophie, München, 2002, S. 221


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong>: <strong>Die</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> 4<br />

formalen Bedingung ihrer stofflichen Beschaffenheit. Weil formal also unterschieden, können die<br />

beiden Wissenschaften tatsächlich selbständige genannt werden. .<br />

Zweifelsohne ist das Materialobjekt <strong>der</strong> Sozialarbeitswissenschaft <strong>der</strong> Mensch. Weil sie dieses<br />

aber auch mit an<strong>der</strong>en Wissenschaften teilt, muss sie sich deshalb, um als eigenständige<br />

Wissenschaft zu gelten, nunmehr in formaler Hinsicht von allen an<strong>der</strong>en mit dem Menschen<br />

befassten Wissenschaften unterscheiden. <strong>Die</strong>s gelingt, wie leicht ersichtlich, nicht mit den<br />

herkömmlichen Bestimmungen des <strong>Sozialen</strong>, <strong>der</strong> Erziehung <strong>der</strong> Bildung, <strong>der</strong> Resozialisierung o<strong>der</strong><br />

Rehabilitation und Ähnlichem. Lediglich <strong>der</strong> seinerseits zu klärende Begriff <strong>der</strong> „S o z i a l e n<br />

K o m p e t e n z“ scheint geeignet, die Sozialarbeitswissenschaft formal zu definieren und damit<br />

auch zu verselbständigen<br />

<strong>Die</strong> Sozialarbeitswissenschaft, so können wir jetzt sagen, ist jene<br />

Wissenschaft, die den Menschen zum Gegenstand hat, <strong>der</strong> in seinen unterschiedlichen<br />

Lebensverhältnissen und –beziehungen sozialer Kompetenzen und zu <strong>der</strong>en Erwerb beruflicher<br />

Hilfe bedarf.<br />

Wie die Medizin- und Ingenieurwissenschaften ist allerdings auch die Sozialarbeitswissenschaft<br />

eine im strengen Sinne theorielose Praxiswissenschaft, die mit ihrem Formalobjekt – <strong>der</strong> eben<br />

genannten beruflichen Hilfe zu sozialer Lebenskompetenz – bestimmte Teile einschlägiger<br />

Grundlagenwissenschaften auswählt, vereinigt und nutzt.<br />

2.2 Der historische Zugang zur <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeitspraxis<br />

Auch wenn mit <strong>der</strong> beruflichen Hilfe zu sozialer Lebenskompetenz das Forschungs – und<br />

Lehrinteresse markiert werden kann, das die Sozialarbeitswissenschaft kennzeichnet, so haben wir<br />

damit zwar eine <strong>Identität</strong>sgrundlage auch für die praktische <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> entdeckt, doch bleibt<br />

<strong>der</strong> Eindruck, es sei gerade die Praxis eine zusätzliche, vielleicht sogar entscheidende Quelle, sie<br />

zusätzlich zu profilieren. Einem traditionellen Erkenntnisweg folgend, vergewissern wir uns daher<br />

jetzt ihrer Geschichte.<br />

<strong>Die</strong>se beginnt in Europa mit <strong>der</strong> Armenfürsorge <strong>der</strong> mittelalterlichen Städte, welche die religiöse<br />

Pflicht zum individuellen Almosen durch bürgerliche Mitverantwortung für die unverschuldet in<br />

Not Geratenen ergänzt. „Residuale Wohlfahrt“ – Restveranstaltung also – ist denn auch <strong>der</strong><br />

sozialwirtschaftliche Fachbegriff dieser Form <strong>der</strong> Unterstützung.<br />

Mit dem Aufkommen <strong>der</strong> Massenverelendung mit ihrer Landflucht und ihren, die Lebenskosten<br />

nicht mehr deckenden Niedriglöhnen zu Beginn <strong>der</strong> neuzeitlichen Industrialisierung gerät diese<br />

Organisationsform sozialer Hilfe jedoch an ihre Leistungsgrenze. Weil nunmehr prinzipiell je<strong>der</strong><br />

Bürger nicht mehr unter allen Umständen in <strong>der</strong> Lage ist, sein Leben aus eigener Kraft zu fristen<br />

und angemessen zu gestalten, wird diese Aufgabe zur öffentlichen Daseinsvorsorge des Staates,


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong>: <strong>Die</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> 5<br />

<strong>der</strong> sie dann auch folglich <strong>der</strong> Institutionalisierung unterwirft. Sie transformiert die bisher<br />

individuell erbetene Hilfe in einen öffentlich garantierten Anspruch; aus dem Almosen wird eine<br />

standardisierte Sozialleistung, die flächendeckend organisiert und mit Ordnungsprinzipien<br />

verknüpft, kaum mehr ehrenamtlich gewährt, son<strong>der</strong>n beruflich vermittelt wird.<br />

Im mo<strong>der</strong>nen Sozialstaat erfährt diese Entwicklung ihre Fortsetzung und Verdichtung durch eine<br />

ihm eigene Bürokratie. Mit ihren <strong>Arbeit</strong>sprinzipien <strong>der</strong> normierten Ausgangslagen, Vorgänge,<br />

Mittel und Zwecke, mit einem Instrumentarium also, das Max Weber diagnostisch<br />

„Maschinenförmigkeit“ nennt, begegnet diese Sozialbürokratie zwar den häufigsten sozialen<br />

Problemlagen, doch ist sie gerade aufgrund <strong>der</strong> ihr eigenen Prinzipien kaum in <strong>der</strong> Lage,<br />

diejenigen anzutreffen, die als vielfach darin verwickelte „Problemeigentümer“ <strong>der</strong> persönlichen<br />

Motivation, Vermittlung, Beratung und Begleitung bedürfen. In und zwischen <strong>der</strong><br />

sozialbürokratischen Leistung des Sozialstaates und den persönlichen Bedürfnissen und<br />

Kompetenzen seiner Hilfsbedürftigen wird es nunmehr einem neuen Beruf aufgetragen, die<br />

notwendigen sozialdiagnostischen und -praktischen Übersetzungsaufgaben zu bewältigen.<br />

Bis auf den heutigen Tag gehört es daher auch zur gesellschaftlichen Bestimmung <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong><br />

<strong>Arbeit</strong>, sich vor allen sonstigen Hilfeagenturen immer neuen sozialen Problemen zu stellen, sie<br />

primärdiagnostisch und experimentell – praktisch aufzubereiten und sie für nachfolgende<br />

Spezialistenberufe zu erschließen. <strong>Die</strong> Beispiele dieser sozial – strategischen Funktion <strong>der</strong><br />

<strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> reichen von <strong>der</strong> frühen ambulanten Gesundheitshilfe über die <strong>Arbeit</strong> mit<br />

Suchtmittelabhängigen und chronisch Viruserkrankten bis zur Schulsozialarbeit.<br />

Nicht verwun<strong>der</strong>lich unter solchen Bedingungen ist dann die Tatsache – nur nebenbei sei dies<br />

bemerkt – , dass seine Angehörigen deshalb von allen, an ihrer <strong>Die</strong>nstleistung Interessierten als<br />

GrenzgängerInnen betrachtet und daher auch mit gewissem Argwohn bedacht werden. <strong>Die</strong>sen<br />

Umstand, gilt es beruflicherseits nicht permanent zu beklagen. Vielmehr ist ihm im offensiven<br />

Bewusstsein <strong>der</strong> Zugehörigkeit zu einem, die Sozialbürokratie überschreitenden und sozialfachlich<br />

unabdingbaren Diagnose-, Experimentier- und Zuweisungsberuf zu begegnen, mit dem<br />

Bewusstsein <strong>der</strong> Zugehörigkeit zu einem Beruf, dessen spezifischen Status es mit Kompetenz,<br />

Engagement und Gelassenheit zu repräsentieren und gegebenenfalls auch zu verteidigen gilt.<br />

Auch wenn dieser historische Rückblick recht skizzenhaft bleibt, so macht er doch auf ein<br />

zusätzliches Bestimmungsstück <strong>der</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> aufmerksam, die institu-tionell<br />

gebundene persönliche <strong>Die</strong>nstleistung mit gesellschaftlich immer nur vorläufiger Bestimmung. In<br />

Ergänzung zur Objektbestimmung <strong>der</strong> Sozialarbeitswissenschaft können wir daher – jetzt schon<br />

praxisnäher – sagen:<br />

Soziale <strong>Arbeit</strong> ist institutionell gebundene und prinzipiell vorläufige, persönliche <strong>Die</strong>nstleistung<br />

für Menschen, die in unterschiedlichen Lebensverhältnissen und –beziehungen sozialer<br />

Kompetenzen und zu <strong>der</strong>en Erwerb beruflicher Hilfe bedürfen.


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong>: <strong>Die</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> 6<br />

Auch wenn es den Anschein hat, dass diese Formel das <strong>Identität</strong>sspektrum <strong>der</strong> beruflichen<br />

<strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> schon zur Genüge füllt, so zeigt eine weitere, nunmehr s o z i a l p o –<br />

l i t i s c h - s y s t e m a t i s c h e Perspektive ihre weitere Ergänzungsbedürftigkeit.<br />

2.3 Der sozialpolitisch - systematische Zugang zur <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

Mit ihrer Industrialisierung haben alle seither so genannten Gesellschaften auch ihr Wirtschaften<br />

weiterentwickelt und zur zunächst liberalen Marktwirtschaft ausgebaut. <strong>Die</strong>se gründet in <strong>der</strong><br />

Umwandlung prinzipiell nicht marktfähiger, weil nicht beliebig herstell- und vermehrbarer Dinge,<br />

<strong>der</strong> <strong>Arbeit</strong> nämlich, des Bodens und auch <strong>der</strong> mit „Kapital“ bezeichneten Kaufkraft zu daher nur<br />

fälschlicherweise so genannten „Gütern“. Mit ihrer Entscheidung, diese Nicht – Güter einem Markt<br />

auszusetzen, haben sich diese Gesellschaften mehr o<strong>der</strong> weniger öffentlich darauf verständigt, die<br />

elementaren Lebensbedingungen des Menschen - mit seiner <strong>Arbeit</strong> sogar ihn selbst – dem „Spiel“<br />

von Angebot und Nachfrage auszusetzen. Unvermeidlich schädigt dieses „Spiel“ aber diejenigen,<br />

die auf diesen Märkten nichts – we<strong>der</strong> Boden, noch <strong>Arbeit</strong>, noch Geld – anzubieten haben. Ihre<br />

Boden-, <strong>Arbeit</strong>s- und Mittelllosigkeit macht sie daher wertlos im Marktgeschehen und reduziert<br />

damit zugleich ihre gesellschaftlichen Teilnahmechancen auf ein Minimum. Um überleben zu<br />

können, bedürfen solche Menschen demnach gesellschaftlicher Stützsysteme. <strong>Die</strong>se sind denn<br />

auch folgerichtig, doch bemerkenswerterweise allesamt außerökonomisch mit dem Zweck<br />

entstanden, die „Kolateralschäden“ <strong>der</strong> liberalen Marktwirtschaft zu kompensieren. In <strong>der</strong><br />

Transformation <strong>der</strong> liberalen zur sozialen Marktwirtschaft „erfindet“ daher die mo<strong>der</strong>ne<br />

Gesellschaft die allseits bekannten, die marktwirtschaftliche Erosion des Humanums begrenzen<br />

sollenden Agenturen und Instrumente: die Sozialversicherungen und Gewerkschaften gegen die<br />

Risiken auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt, die gesetzlichen Regelungen des Boden-, Wohnungs-, Erbschafts-<br />

und Steuerrechts gegen die Wucherungen auf dem Bodenmarkt, die öffentlichen monetären<br />

Steuerungswerke zur Erhaltung <strong>der</strong> Kaufkraft.<br />

Obgleich noch immer gewisse gesellschaftliche Teilsysteme die Fiktion aufrechterhalten, es<br />

genügten die eben genannten „Erfindungen“ zur Lebenssicherung <strong>der</strong> auf den drei Basismärkten<br />

aus welchen Gründen auch immer Benachteiligten, zeigt die bloße Existenz <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> –<br />

auch sie eine gesellschaftliche, wenn auch späte „Erfindung“ – eine zusätzliche Notlage auf, die<br />

wohl zutreffend als „m u l t i p l e“ zu kennzeichnen ist und daher von keiner <strong>der</strong> herkömmlichen<br />

Agenturen mit ihren speziellen Leistungsspektren und auftragsspezifischen Instrumenten allein<br />

zureichend bearbeitet werden kann. Ihr und ihren „Inhabern“ gerecht zu werden erfor<strong>der</strong>t, „von<br />

unten“ betrachtet, einen auf die Vielfältigkeit <strong>der</strong> Notlage gerichteten Handlungsansatz mit<br />

problemorientierten Verfahren, „von oben“ jedoch die integrative Nutzung <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />

Systeme im Rahmen eines problemlösungsfähigen, i n t e n t i o n a l konstruierten Suprasystems<br />

o<strong>der</strong> schlicht: einer von „höherer“ Problemeinsicht und Lösungsperspektive getragenen und<br />

motivierten <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong>.


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong>: <strong>Die</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> 7<br />

Auch dieser Befund gibt Anlass, die <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> zu modifizieren:<br />

Soziale <strong>Arbeit</strong> ist institutionell gebundene und prinzipiell vorläufige, persönliche <strong>Die</strong>nstleistung<br />

für Menschen, die sich in unterschiedlichen Lebensverhältnissen und –beziehungen in komplexen<br />

sozialen Problemlagen befinden, zu <strong>der</strong>en Bearbeitung sie beruflich vermittelter sozialer<br />

Kompetenzen und system- und maßnahmenintegrieren<strong>der</strong> Hilfe bedürfen.<br />

<strong>Die</strong>se Auskunft über die <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> nötigt uns schon zu einem gewissen Respekt.<br />

Dennoch gibt es noch immer eine Erkenntnisebene, die berücksichtigt zu werden verdient, die<br />

topologische nämlich.<br />

2.4 Der Zugang zur <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> über ihre Topologie<br />

Vergleichbar nur mit <strong>der</strong> <strong>Prof</strong>ession <strong>der</strong> Juristen, sind auch SozialarbeiterInnen beinahe „überall“<br />

tätig. Ihre Beschäftigungsweite reicht in <strong>der</strong> Tat vom Strafvollzug über den Gesundheitsdienst bis<br />

in die Jugend- und Erwachsenenbildung und weiter ins Organisationsmanagement. Kaum ein<br />

gesellschaftliches System kann offenbar auf sie verzichten. Auffällig ist dabei allerdings, dass<br />

dieser Beruf nicht zu den jeweils systemtypischen Berufen zählt: we<strong>der</strong> zu den Ärzten o<strong>der</strong><br />

PflegerInnen im Krankenhaus, noch zu den Juristen und Vollzugsbeamten im Strafvollzug, in den<br />

Kirchen nicht zu den Priestern, Pastoren, Diakonen o<strong>der</strong> Laientheologen, in den Schulen nicht zum<br />

Lehrpersonal.... die Reihe ließe sich nach Belieben fortsetzen. Wohl aber gehören sie in allen<br />

diesen Organisationen und Betrieben zu den, den jeweiligen Systemzweck ergänzenden und<br />

unterstützenden <strong>Die</strong>nstleistungsberufen. <strong>Die</strong>s trifft selbst in <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung zu, <strong>der</strong>en<br />

Primärzweck ja die Garantie <strong>der</strong> öffentlichen Ordnung ist. .<br />

Wie zu erwarten, folgt daher auch die Tätigkeit <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> nicht den, dem jeweiligen<br />

System typischen Aufgaben. Bezogen auf die s o z i a l e n B e g l e i t u m s t ä n d e <strong>der</strong><br />

eigentlichen Systemzwecke und die davon berührten Bedürfnisse und Kompetenzen <strong>der</strong><br />

KlientInnen, besteht ihre wenigstens dreifache Aufgabe in formaler Hinsicht zunächst darin,<br />

- den NutzerInnen des speziellen Systems dessen Angebote und Anfor<strong>der</strong>ungen zugänglich und<br />

sie damit vertraut zu machen;<br />

- die sozialen Hilfesysteme den Bedürfnissen ihrer NutzerInnen entsprechend zu gestalten und<br />

zu optimieren; und schließlich<br />

- <strong>der</strong>en <strong>Die</strong>nste im Einzelfall zu einem klienten- und problembezogenen Verbund zu<br />

koordinieren und komplexitätsreduziert einzusetzen.<br />

Ein weiteres Mal haben wir also Grund, die <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> zu modifizieren und in<br />

einer angemessen knappen Formel zusammenzufassen:


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong>: <strong>Die</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> 8<br />

Soziale <strong>Arbeit</strong> ist eine gesellschaftlich notwendige, institutionell gebundene und prinzipiell<br />

vorläufige, doch persönlich – professionelle <strong>Die</strong>nstleistung. Sie gilt Menschen, die in aktuellen<br />

Lebenslagen mit komplexen sozialen Problemen konfrontiert sind und daher system- und<br />

maßnahmenintegrieren<strong>der</strong> Hilfe bedürfen. In unterschiedlichen gesellschaftlichen Systemen,<br />

besteht ihre <strong>Die</strong>nstleistung daher in <strong>der</strong> Organisation und Gestaltung systemübergreifen<strong>der</strong><br />

Prozesse, die den Erwerb, die Optimierung und den Erhalt sozialer Kompetenz zum Ziel haben.<br />

Begreift man diese noch immer nicht ganz hinreichende <strong>Identität</strong>sbestimmung <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

doch immerhin als ein allgemeines Anfor<strong>der</strong>ungsprofil an eine entsprechende <strong>Prof</strong>ession, so<br />

ergibt sich daraus eine Konsequenz, die abschließend skizziert werden soll.<br />

3. Das generalistische Berufsbild <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

Unter dem Gesichtspunkt des Aufmerksamkeitsfeldes ihrer Wissenschaft und ihres Handlungsfelds<br />

unterscheiden sich <strong>Prof</strong>essionen in generalistische und spezialisierte. Während die meisten <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Wissenschaften ihre großen, freilich auch mit gegenseitigen<br />

Verständnisschwierigkeiten erkauften Erfolge <strong>der</strong> Spezialisierung verdanken, bemühen sich einige<br />

wenige – von ihrer spezialisierten „Konkurrenz“ oftmals gar nicht als echte Wissenschaften<br />

gewürdigt – um die Wahrung einer umfassenden Sicht und Handlungsintention auf die ganze<br />

Wirklichkeit. „Generalistische“ Wissenschaften werden sie deshalb genannt. Ihre Eigentümlichkeit<br />

besteht darin, die Formalobjekte vieler Einzelwissenschaften auf ein einziges Materialobjekt hin<br />

zu vereinen und miteinan<strong>der</strong> zu integrieren. Ihnen entspricht daher auch eine Praxis, welche die<br />

Verfahren und Techniken <strong>der</strong> einzelwissenschaftlichen Praktiken kennt, koordiniert und<br />

zielführend einsetzt. Auch wenn <strong>der</strong> diesbezügliche Begriff <strong>der</strong> Militärwissenschaft entstammt, so<br />

benennt er doch diese integrative Praxis recht genau mit dem Wort „Strategie“, das ja in seiner<br />

ursprünglichen Bedeutung „Führung mit kluger Übersicht“ heißt.<br />

Erkenntnisgeleitete, unvoreingenommene und von diversen Interessen freie Einsicht kommt<br />

angesichts des bisher Vorgetragenen und zuletzt auch <strong>der</strong> realen beruflichen Tätigkeit <strong>der</strong><br />

SozialarbeiterInnen nicht umhin, <strong>der</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> eine – vielleicht ungewohnte –<br />

s t r a t e g i s c h e Komponente hinzuzufügen:<br />

1. Soziale <strong>Arbeit</strong> ist eine gesellschaftlich notwendige, institutionell<br />

garantierte, prinzipiell vorläufige und professionell angebotene<br />

persönliche <strong>Die</strong>nstleistung.<br />

2. Sie gilt Menschen, die in aktuellen Lebenslagen mit komplexen sozialen<br />

Problemen konfrontiert sind und daher system- und maßnahmen-<br />

integrieren<strong>der</strong> Hilfe bedürfen.


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong>: <strong>Die</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> 9<br />

3. In unterschiedlichen gesellschaftlichen Systemen tätig, initiiert,<br />

organisiert, koordiniert und lenkt sie problembezogene individuelle und<br />

kollektive soziale Verän<strong>der</strong>ungsprozesse.<br />

4. <strong>Die</strong>se haben den Erwerb, die Optimierung o<strong>der</strong> den Erhalt sozialer<br />

Kompetenz zum Ziel.<br />

Das zugegeben jetzt doch recht komplex gewordene <strong>Prof</strong>il eines auf diese Weise bestimmten<br />

s t r a t e g i s c h e n Berufs liegt auf <strong>der</strong> Hand.<br />

Nicht Spezialisierung in einzelnen seiner Grundlagenwissenschaften darf ihn kennzeichnen,<br />

son<strong>der</strong>n die Kenntnis ihrer s o z i a l p r o b l e m r e l e v a n t e n Erklärungs-, Verstehens- und<br />

Handlungs p o t e n z e n. Solide Kenntnis <strong>der</strong> gesellschaftlichen O r g a n i s a t i o n e n und<br />

Instanzen <strong>der</strong> sozialen Hilfe, ihrer W i r k m e c h a n i s m e n vor allem, gehören ebenso zum<br />

Berufsbild strategisch verstandener Sozialer <strong>Arbeit</strong>, wie die unter allen, auch widrigen Umständen<br />

aktivierbare P h a n t a s i e zum Entwurf alternativer und zukunftsfähiger Perspektiven und<br />

Programme individueller und kollektiver Problemlösung.<br />

Für den Beruf <strong>der</strong>/des Sozialarbeiterin/Sozialarbeiters bedeutsamer noch als diese<br />

notwendigerweise ständig parat zu haltenden Wissensbestände, Fertigkeiten und Realutopien<br />

sind freilich die s t r a t e g i s c h e n Fähigkeiten<br />

• <strong>der</strong> systemischen Wahrnehmung und Analyse sozialer Wirklichkeit,<br />

• <strong>der</strong> umfassenden Bewertung ihrer Entwicklungs- und Behin<strong>der</strong>ungspotenzen,<br />

• <strong>der</strong> realistischen Zielsetzung und Hilfeplanung,<br />

• <strong>der</strong> Beschaffung und Integration ideeller, materieller, energetischer und prozessualer<br />

Ressourcen,<br />

• <strong>der</strong> überlegten und klugen Lenkung des Hilfeprozesses und<br />

• <strong>der</strong> kriteriengeleiteten Evaluation des Erreichten.<br />

Zwei <strong>der</strong> vielen möglichen Folgerungen aus diesem eher nur grob konturierten Anfor<strong>der</strong>ungs-<br />

profil 4 mögen die Eine o<strong>der</strong> den An<strong>der</strong>en unter uns jetzt erschrecken, weil sie einerseits die<br />

Berufsmentalität <strong>der</strong> SozialarbeiterInnen und zum an<strong>der</strong>en <strong>der</strong>en Ausbildung betreffen.<br />

Nicht die in einem „schönen“ Beruf ästhetisierte, idealisierte und auch vielfach gewünschte<br />

„Mitmenschlichkeit“ nämlich kann unter den aufgewiesenen Bedingungen und Folgerungen das<br />

Mentalitätszentrum <strong>der</strong> in <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> Handelnden sein, son<strong>der</strong>n die berufliche<br />

Befähigung von Partnern zu sozialkompetentem L e b e n s m a n a g e m e n t.<br />

4<br />

vgl. alternativ dazu das neue Berufsbild für Sozialarbeiterinnen des DBSH unter:<br />

http://www.dbsh.de/html/berufsbild.html


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong>: <strong>Die</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> 10<br />

Unabhängig davon sind auch in <strong>der</strong> Ausbildung die Gewichte zwischen den fachspezifischen<br />

Grundlagenwissenschaften und jenen Teilen des Studiums genauer zu tarieren, in denen die,<br />

einen strategischen Beruf kennzeichnenden K o m p l e x h a n d l u n g e n g e ü b t und<br />

wenigstens zu Basisroutinen entwickelt werden können. Zu denken ist in diesem Zusammenhang<br />

vor allem an die Modifikation <strong>der</strong> „Handlungslehre“, die bis dato zwischen Selbst- und<br />

Gruppenerfahrung sowie situationsdiagnostischer und handlungsentwerfen<strong>der</strong> Übung mehr o<strong>der</strong><br />

weniger spontanpraktisch oszilliert und damit den TeilnehmerInnen gerade die r a t i o n a l e<br />

Anstrengung und Einübung k o m p l e x e r Wahrnehmung und Handlung vorenthält.<br />

Zu einer umfassenden „Rhetorik <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong>“ zu ergänzen ist daneben aber auch die<br />

vorwiegend <strong>der</strong> Beratung gewidmeten „Gesprächsführung“, zu einer Rhetorik, die auch die<br />

Gesprächsformen <strong>der</strong> Meinungsbildung und Überzeugung, <strong>der</strong> Verteidigung und Durchsetzung,<br />

und – als „ideativ - praktische – wohl auch zum Beispiel <strong>der</strong> Anteilnahme und des Trostes zu<br />

Gegenständen hat.<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren<br />

Mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holung meiner Vorbemerkung über meine nach etlichen Jahren des Ruhestands<br />

nur noch begrenzten Kenntnisse <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> und ihrer Ausbildung beende ich meinen<br />

Vortrag. Nicht nur aus Altersgründen, son<strong>der</strong>n vor allem aus <strong>der</strong> Haltung eines wissenschaftlich<br />

Interessierten erinnere ich mich gerne an den jeweils letzten Satz eines akademischen Lehrers<br />

zum Ende je<strong>der</strong> seiner Lehrveranstaltungen: „Wer’s besser weiß, tritt vor und teilt’s mit!“<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong><br />

6.5.2009


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong>: <strong>Die</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> 11<br />

Vorläufige <strong>Identität</strong>sformeln <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

1. Sozialarbeitswissenschaft ist jene Wissenschaft, die den<br />

Menschen zum Gegenstand hat, <strong>der</strong> in seinen<br />

unterschiedlichen Lebensverhältnissen und –<br />

beziehungen sozialer Kompetenzen und zu <strong>der</strong>en<br />

Erwerb beruflicher Hilfe bedarf.<br />

2. Soziale <strong>Arbeit</strong> ist institutionell gebundene und<br />

prinzipiell vorläufige, persönliche <strong>Die</strong>nstleistung für<br />

Menschen, die in unterschiedlichen Lebensverhältnissen<br />

und –beziehungen sozialer Kompetenzen und zu <strong>der</strong>en<br />

Erwerb beruflicher Hilfe bedürfen.<br />

3. Soziale <strong>Arbeit</strong> ist institutionell gebundene und<br />

prinzipiell vorläufige, persönliche <strong>Die</strong>nstleistung für<br />

Menschen, die sich in unterschiedlichen<br />

Lebensverhältnissen und –beziehungen in komplexen<br />

sozialen Problemlagen befinden, zu <strong>der</strong>en Bearbeitung<br />

sie beruflich vermittelter sozialer Kompetenzen und<br />

system- und maßnahmenintegrieren<strong>der</strong> Hilfe bedürfen.<br />

4. Soziale <strong>Arbeit</strong> ist eine gesellschaftlich notwendige,<br />

institutionell gebundene und prinzipiell vorläufige, doch<br />

persönlich – professionelle <strong>Die</strong>nstleistung. Sie gilt<br />

Menschen, die in aktuellen Lebenslagen mit komplexen<br />

sozialen Problemen konfrontiert sind und daher system-<br />

und maßnahmenintegrieren<strong>der</strong> Hilfe bedürfen. In<br />

unterschiedlichen gesellschaftlichen Systemen besteht<br />

ihre <strong>Die</strong>nstleistung daher in <strong>der</strong> Organisation und<br />

Gestaltung systemübergreifen<strong>der</strong> Prozesse, die den<br />

Erwerb, die Optimierung und den Erhalt sozialer<br />

Kompetenzen zum Ziel haben.


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Dionys</strong> <strong>Zink</strong>: <strong>Die</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Identität</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong> 12<br />

<strong>Die</strong> <strong>Identität</strong>sformel <strong>der</strong> <strong>Sozialen</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

- ein Vorschlag -<br />

1. Soziale <strong>Arbeit</strong> ist eine gesellschaftlich notwendige,<br />

institutionell garantierte, prinzipiell vorläufige und<br />

professionell angebotene persönliche <strong>Die</strong>nstleistung.<br />

2. Sie gilt Menschen, die in aktuellen Lebenslagen mit<br />

komplexen sozialen Problemen konfrontiert sind und<br />

daher system- und maßnahmenintegrieren<strong>der</strong> Hilfe<br />

bedürfen.<br />

3 In unterschiedlichen gesellschaftlichen Systemen tätig,<br />

initiiert, organisiert, koordiniert und lenkt sie<br />

problembezogene individuelle und kollektive soziale<br />

Verän<strong>der</strong>ungsprozesse.<br />

4 <strong>Die</strong>se haben den Erwerb, die Optimierung o<strong>der</strong> den<br />

D. <strong>Zink</strong><br />

6.5.09<br />

Erhalt sozialer Kompetenz zum Ziel.

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