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Mit dem Amtsblatt des Landkreises Neustadt a. d. Aisch - Bad ...

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Die Welt der fränkischen Müller (Teil 35)<br />

Sonntagsruhe und Gewerbeaufsicht<br />

<strong>Mit</strong>telfranken ist ein<br />

niederschlagsarmes<br />

und damit wasserarmes<br />

Gebiet, und<br />

der <strong>Aisch</strong>grund, der<br />

im Regenschatten<br />

der Landschwellen<br />

von Steigerwald und<br />

Frankenhöhe liegt,<br />

weist nur einen<br />

durchschnittlichen<br />

Jahresniederschlag<br />

zwischen 500 bis<br />

600 mm auf, liegt damit deutlich unter <strong>dem</strong><br />

mittelfränkischen Durchschnitt von 650 mm.<br />

Dies wirkt sich vor allem auf den Oberlauf<br />

<strong>des</strong> Flusses aus.<br />

Die Müller hatten immer wieder Probleme,<br />

das zum Mahlen nötige Wasser bereitzustellen,<br />

und so mussten sie dann mahlen, wenn<br />

Wasser zur Verfügung stand, Tag und Nacht,<br />

Woche für Woche, von Montag bis Sonntag,<br />

werktags wie feiertags.<br />

War die Mühle klein, und ausschließlich der<br />

Müller und seine Angehörigen mit <strong>dem</strong> Mahlen<br />

beschäftigt, konnte immer eine Lösung<br />

gefunden werden, auch an Sonn- und Feiertagen<br />

die Mühle laufen zu lassen. Anders<br />

natürlich, wenn angestelltes Personal diese<br />

Arbeit verrichtete. Da galt es, gesetzliche<br />

Vorschriften einzuhalten.<br />

Kurz vor Weihnachten im Jahre 1910 erhielt<br />

der Bürgermeister der Gemeinde Ickelheim<br />

ein Schreiben <strong>des</strong> Bezirksamts Uffenheim<br />

betreffend „Sonntagsruhe in Betrieben mit<br />

unregelmäßiger Wasserkraft“. Die Gemeinde<br />

wurde unter Angabe der einschlägigen<br />

Paragraphen aufgefordert, die Müllermeister<br />

Vieröther und Arnold auf der Dorf- und Linkenmühle<br />

über die Gesetzeslage zu informieren<br />

und den Arbeitern zum Freizeitausgleich<br />

zu verhelfen.<br />

Die Ickelheimer Linkenmühle (heute Christmühle) vor 1910<br />

Die Dorfmühle von Ickelheim aus der Zeit vor <strong>dem</strong> Ersten Weltkrieg<br />

„Zufolge Entschließung der kgl. Regierung<br />

von <strong>Mit</strong>telfranken, Kammer <strong>des</strong> Innern in<br />

Ansbach vom 4. Dezember 1910, N°. 43949“<br />

- so stand da zu lesen - „wurde gemäß §§<br />

105b, Abs. I, 105 e, Abs. I der RGO und §§<br />

32 ff der Min. Entschl. vom 14 März 1895<br />

(MABl <strong>des</strong> Innern, S. 107) unter teilweiser<br />

Abänderung der Reg. Entschließung vom 23.<br />

Mai 1895 N° 6363 mit Wirkung vom 1. Januar<br />

1911 an angeordnet, daß in der Mühle <strong>des</strong><br />

Michael Arnold und Paul Vieröther in Ickelheim,<br />

Arbeiter jährlich an höchstens 25 Sonn-<br />

und Festtagen mit Ausnahme <strong>des</strong> ersten<br />

Oster-, Pfi ngst- und Weihnachtsfeiertages<br />

sowie <strong>des</strong> Charfreitages in protestantischen<br />

und <strong>des</strong> Fronleichnamstages in katholischen<br />

Orten unter Einhaltung der nachstehenden<br />

Bedingungen beschäftigt werden dürfen:<br />

1. Wenn die Beschäftigung an einem Sonn-<br />

oder Festtage länger als drei Stunden dauert<br />

oder die Arbeiter am Besuch <strong>des</strong> Gottesdienstes<br />

gehindert werden, so ist jeder<br />

Arbeiter entweder an je<strong>dem</strong> dritten Sonntag<br />

volle 36 Stunden<br />

oder an je<strong>dem</strong> zweiten<br />

Sonntag min<strong>des</strong>tens in<br />

der Zeit von 6 Uhr morgens<br />

bis 6 Uhr abends<br />

von der Arbeit frei zu<br />

lassen.<br />

2. Ist auch dies wegen<br />

der Unregelmäßigkeit<br />

der Wasserkraft für einen<br />

bestimmten Zeitraum<br />

nicht tunlich, so<br />

kann während der letzteren<br />

zum Ausgleich<br />

für die Sonn- und Fest-<br />

LANDKREIS JOURNAL Nr. 22/2009<br />

tagsarbeit wöchentlich ein halber Werktag<br />

freigegeben werden.<br />

3. Die Sonn- und Festtagsarbeiten sind von<br />

den Gewerbetreibenden mit den in §<br />

105b Abs. 2 der Reichsgewerbeordnung<br />

bezeichneten Angaben über die Zahl der<br />

beschäftigten Arbeiter, die Dauer ihrer<br />

Beschäftigung, sowie die Art der vorgenommenen<br />

Arbeiten in das daselbst vorgeschriebene,<br />

der höchsten Minist. Entschließung<br />

vom 14. März 1895 als Anlage<br />

1 (M Bl d. Innern S. 133) beigegebenen<br />

Verzeichnis einzutragen.<br />

Hiervon ist der Müller Michael Arnold und<br />

Paul Vieröther in Ickelheim gegen anher vorzulegenden<br />

Nachweis zu verständigen.“<br />

Das Eingreifen <strong>des</strong> Staates durch Arbeitszeitregelungen<br />

und Kontrolle der Arbeitsbedingengen<br />

war nach der Reichsgründung von<br />

1871 ausgebaut worden. Ein weiteres Beispiel<br />

stellt die Kontrolle der Unterbringung der<br />

Mahlburschen auf der Neustädter Kohlenmühle<br />

dar. 1905 hatte der kgl. Fabriken- und<br />

Gewerbeinspektor für den Regierungsbezirk<br />

<strong>Mit</strong>telfranken die Schlafstätte der dortigen<br />

Mühlenkammer bemängelt: „Die im Eingang<br />

<strong>des</strong> Mehlraums befi ndliche Schlafstätte gibt<br />

zu Bedenken in gesundheitlicher, sittlicher<br />

und feuergefährlicher Beziehung ernste<br />

Veranlassung und dürfte nach diesseitiger<br />

An schauung zu verlegen sein.“ Der Müller<br />

erklärte sich zur Verlegung <strong>des</strong> Schlafraums<br />

bereit, der Vollzug wurde von <strong>dem</strong> städtischen<br />

Polizeisoldaten Franz Strößenreuther<br />

kontrolliert und <strong>dem</strong> Bezirksamt mitgeteilt.<br />

Dr. Wolfgang Mück<br />

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