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DER RUNENBRIEFLEHRGANG - Thule-italia.net

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der runenbrieflehrgang<br />

<strong>DER</strong><br />

<strong>RUNENBRIEFLEHRGANG</strong><br />

VON IGOR WARNECK<br />

2. LEHRBRIEF<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 1


der runenbrieflehrgang<br />

Einleitung zum 2. Lehrbrief<br />

Nachdem wir uns den Runen und unseren Göttern etwas angenähert haben,<br />

bewegen wir uns nun weiter im Futhark und den Strukturen des nordischen<br />

Lebensweges. Dazu mögen unter anderem ein Interview mit Sveinbjörn<br />

Beinteinson, dem isländischen Begründer des Asatrú dienen, sowie Odins<br />

Runenlied.<br />

Wir werden in diesem Lehrbrief mehrere Runen auf einmal kennenlernen.<br />

Nochmals möchte ich Dich darauf hinweisen, daß es besser für Dich ist, wenn Du<br />

jede einzelne Rune für sich durcharbeitest und erfährst. Eile und Hektik haben<br />

hier keinen Platz. Laß Dir Zeit und erspüre, ergründe die Runen auf Deine ganz<br />

persönliche Art und Weise.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 2


der runenbrieflehrgang<br />

Sveinbjörn Beinteinsson wurde am 4.7.1924 als Sohn des Bauern Beinteinn<br />

Einarsson aus Litlabotni am Hvaljarðarströnd und der Helga Pétursdóttir aus<br />

Drághals im Svinadal geboren. Er starb am 24.12.1993 an Herzversagen.<br />

1972 begründete er die Asatrúarfélag, die isländische Heidengruppe, deren<br />

Allsherjargóði er seit dieser Zeit war. Bis 1991 lebte Sveinbjörn auf seinem alten<br />

Hof in Drághals im Bergmassiv Skardsheiði (90 km nördlich von Reykjavik), wo<br />

sich auch eine 2 Meter hohe Thorsstatue befindet.<br />

Gespräch mit Sveinbjörn Beinteinsson<br />

geführt von Gisela Graichen<br />

entnommen dem Buch: „Die neuen Hexen“ von G. Graichen<br />

„Hier in Island ist das Heidentum eine ganz normale Sache. Ich habe mehr Angst<br />

zuzugeben, daß ich rauche als daß ich Heide bin. Meine Religion ist im Mai 1973<br />

offiziell von der Regierung anerkannt worden.<br />

Sie waren der Initiator?<br />

Ja, schon in meiner Kindheit habe ich mich für die alten Götter interessiert. Ich<br />

habe mir das Wissen aus den Sagas, der Edda und den alten Erzählungen<br />

herausgeholt. Gleich als ich lesen konnte, beschäftigte ich mich mit den Sagas,<br />

und mit sechzehn brachte ich meine ersten Gedichte über die alten Götter heraus.<br />

Was sind Sie von Beruf?<br />

Bauer, Schriftsteller und Dichter. Meine Vorfahren waren immer Bauern.<br />

Sie leben hier alleine auf Ihrem Hof. Ist das nicht sehr einsam?<br />

Oh nein, mein nächster Nachbar wohnt fünf Kilometer entfernt. Außerdem bin<br />

ich umgeben von Wesen, von Erdgeistern - huldrufolk. i<br />

Und wenn Sie krank sind?<br />

Gehe ich hinaus in die Natur und hole mir Kräuter, um mich wieder gesund zu<br />

machen. ii<br />

Was schreiben Sie?<br />

Werke über Islands Geschichte, Lieder Dichtungen. Ich habe auch ein<br />

wissenschaftliches Buch über den Aufbau der altisländischen Gedichte<br />

veröffentlicht. Wir haben hier sehr komplizierte Gedichtformen.<br />

Sind Sie christlich getauft?<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 3


der runenbrieflehrgang<br />

Getauft, konfirmiert, alles. Ich habe immer echt lockere Verbindungen zum<br />

Christentum gehabt, wie es typisch für das isländische Christentum ist. iii<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 4


der runenbrieflehrgang<br />

Sind Sie noch in der Kirche?<br />

Nein, man muß aus der Staatskirche austreten, bevor man bei uns aufgenommen<br />

wird.<br />

Wann kam Ihnen die Idee Ihren Glauben an die alten Götter zu einer Bewegung zu<br />

machen?<br />

Im Winter 71/72. Da kamen in Island einige christliche Sekten auf, wie die<br />

„Kinder Jesu“, und ich sagte mir, wir haben im Lande einen alten Glauben.<br />

Warum sollen wir den nicht wieder ins Leben rufen? Wieso brauchen wir diese<br />

Sekten? Ich habe eine Gruppe von Leuten zusammengerufen, wir waren zwölf zu<br />

Anfang, und bald kamen mehr dazu. Die Idee hat sofort einen guten Anklang<br />

gefunden.<br />

War das eine bewußte Gegenbewegung zu den Sekten?<br />

Ja, als Gegensatz dazu. Wir wollten den Menschen eine Wahlmöglichkeit geben,<br />

indem wir ihnen die alte Religion anbieten. Die Religion, die es auf Island vor dem<br />

Christentum gab, die im Jahre 1000 verboten worden ist, als Island christianisiert<br />

wurde.<br />

War die alte Religion im Volk immer noch unterschwellig vorhanden?<br />

Absolut! Sie war all die Jahrhunderte vollkommen lebendig. iv<br />

Warum war sie dann 970 Jahre lang nur im Verborgenen lebendig und kommt jetzt erst<br />

wieder an die Öffentlichkeit?<br />

Weil sie gesetzlich verboten war. Man praktizierte die alte Religion nur versteckt,<br />

weil man Angst vor der Kirche als stärkster Macht im Lande hatte. Island war bis<br />

1550 katholisch. Dann kam die Reformation und damit die evangelische<br />

Staatskirche. Erst 1874 bekamen wir die Religionsfreiheit, und man konnte aus der<br />

Kirche austreten. Danach brauchten wir erst einmal Zeit, um die Luft sauber zu<br />

machen für unsere Aktion. v<br />

Sie sagen, die alte Religion war auch nach dem Jahre 1000 im Volk lebendig. Wie<br />

äußerte sich dieses Lebendigsein?<br />

Das einfache Volk hat immer an die Natur geglaubt, an Naturereignisse, an<br />

Wesen, die in der Natur leben wie Alfen, Kobolde und gute, positive Wesen, die<br />

die Menschen begleiten und ihnen helfen. Es können auch Verstorbene sein. Man<br />

weiß nicht, wo diese Wesen wohnen, man weiß nur, daß bestimmte Personen von<br />

ihnen umgeben sind.<br />

Nicht alle Menschen?<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 5


der runenbrieflehrgang<br />

Nein, nicht alle.<br />

Wonach suchen die Wesen sich denn ihre Menschen aus, die sie begleiten wollen?<br />

Warum es bestimmten Personen zufällt, weiß man nicht. Es ist ein besonderes<br />

Glück, wenn einem diese Unterstützung zuteil wird. Sie haben nichts mit den<br />

Heiligen zu tun, wie wir sie von der christlichen Kirche her kennen.<br />

Gibt es auf Ihrem Hof auch Geister?<br />

Ich habe sie nie gesehen, aber ich spüre sie.<br />

Wie nennen Sie sich, Heiden?<br />

Wir nennen unsere Religion Asatrú, den Glauben an die Asen, an die alten<br />

nordischen Götter. Wir wollen uns nicht einfach Heiden nennen, weil es so viele<br />

verschiedene Arten von Heidentum gibt. Heide ist der Oberbegriff.<br />

Wie haben Sie ihre offizielle Anerkennung als Religion durchgesetzt?<br />

Wir haben keine Demonstrationen gemacht und keine Revolution angezettelt. Wir<br />

haben einen Verein gegründet, den Verein der Menschen, die an die Asen<br />

glauben. In der Satzung steht sogar, daß es verboten ist zu missionieren. Man soll<br />

seinen eigenen Glauben nicht anderen aufzwingen. Die kommen von alleine,<br />

wenn sie soweit sind.<br />

Wie war die amtliche Reaktion auf ihre Vereinseintragung?<br />

Zuerst kam Skepsis. Ich mußte zum Justizminister gehen - der ist auch zuständig<br />

für religiöse Angelegenheiten - und unsere Ziele erklären. Jeder kann eine<br />

Religionsgemeinschaft eintragen lassen, aber um dieselben Rechte wie die offizielle<br />

Staatskirche zu bekommen, brauchten wir die Erlaubnis des Ministeriums.<br />

War es schwierig, diese Rechte durchzusetzen?<br />

Ich kannte den Justizminister. Er war früher Professor für Jura an unserer<br />

Universität in Reykjavik gewesen. Ich konnte auf alte Veröffentlichungen von ihm<br />

hinweisen, in denen er einige die Religion betreffende Gesetze so interpretiert<br />

hatte, daß es mir leichtfiel, mich darauf zu berufen. Daß es legal war, was wir<br />

machten. So gelang es mir, ihn dazu zu bewegen unsere Religion anzuerkennen.<br />

Dann mußte ich mir noch bei der Polizei ein Führungszeugnis besorgen, und<br />

seitdem haben wir dieselben Rechte wie die Staatskirche.<br />

Welche Rechte sind das?<br />

Ich bekam zum Beispiel die offizielle Erlaubnis Ehen zu schließen. In Island muß<br />

man nicht zum Standesamt gehen. Die Eheschließung durch den Vorsitzenden<br />

unseres Vereins ist juristisch einwandfrei.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 6


der runenbrieflehrgang<br />

Wie viele Paare haben Sie schon getraut? Der Kanzler der deutschen Botschaft erzählte<br />

mir, daß auch Anfragen aus Deutschland gekommen seien.<br />

Etwa zehn Ehepaare.<br />

Ich habe von einem Fall gehört, in dem die jungen Leute Ihre Trauung offensichtlich für<br />

einen Jux hielten. Die junge Dame soll recht wohlhabend gewesen sein und hat angeblich<br />

am nächsten Tag zu ihrem Entsetzen festgestellt, daß die Eheschließung amtlich war. Sie<br />

soll daraufhin eine Annullierung verlangt haben, weil sie bei einer Scheidung die Hälfte<br />

ihres Vermögens an den jungen Mann hätte abgeben müssen.<br />

Die haben das nicht für einen Jux gehalten. Die Ehe ist vor dem<br />

Parlamentsgebäude geschlossen und auch richtig eingetragen worden. Die haben<br />

gemerkt, daß sie nicht zueinander paßten, und wollten die Ehe für ungültig<br />

erklären lassen, um keine Scheidung zu beantragen. Aber sie sind damit nicht<br />

durchgekommen. Die Ehe ist gültig und vollkommen legal. Sie müssen jetzt wie<br />

alle anderen auch die Scheidung einreichen.<br />

Wie hat die isländische Staatskirche auf ihre amtliche Anerkennung reagiert?<br />

Während der Prozedur hatte das Justizministerium den Bischof um eine<br />

Stellungnahme gebeten. Die fiel natürlich negativ aus. Der Bischof begab sich<br />

auch offiziell ins Ministerium, um sich dagegen zu wehren. Doch das Ministerium<br />

hat die Stellungnahme des Bischofs nicht anerkannt. Der hat daraufhin einen<br />

langen Artikel in der Zeitung geschrieben. Aber die Öffentlichkeit hat sehr positiv<br />

auf die Wiederbelebung unserer alten Religion reagiert. Im Parlament gab es dann<br />

noch einen Antrag eines Abgeord<strong>net</strong>en der konservativen Partei, daß man unsere<br />

Religion verbieten solle. Es gab eine Debatte, aber er ist mit seinem Antrag nicht<br />

durchgekommen. Der Justizminister befürwortete unsere Religion und stand<br />

persönlich dahinter.<br />

Gehörte er zu Ihrer Bewegung?<br />

Nein, aber hier in Island sind wir in der Religionsausübung sehr tolerant, man hat<br />

viel Verständnis für uns. In Norwegen haben sie die Anerkennung auch versucht,<br />

aber da haben sie es nicht geschafft.<br />

Wie viele Mitglieder hatten Sie im Mai 1973?<br />

Vierzig.<br />

Wie viele Mitglieder haben Sie heute (1986)?<br />

Achtzig eingetragene Mitglieder. Aber eine viel größere Anzahl von Gästen<br />

kommt zu unseren Treffen, zu den blóts. Das sind Freunde unseres Vereins, und<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 7


der runenbrieflehrgang<br />

die sind in der Mehrzahl, die nicht offiziell registriert sind. Blóts sind unsere<br />

Feiern, das altnordische Wort für Opferfest.<br />

Wird heute noch geopfert?<br />

Wir wissen nicht genau, wie das früher auf den Zusammenkünften vor sich ging,<br />

aber wir opfern nichts mehr. Wenn wir uns treffen, wird die Zusammenkunft erst<br />

einmal heiliggesprochen und geseg<strong>net</strong>.<br />

Gibt es dabei die Funktion des Hohenpriesters?<br />

Das ist der Allsherjargóði, derjenige Gode, der die höchste Macht, oder besser: das<br />

höchste Ansehen hat. Früher hatte jeder Kreis seinen eigenen Goden. Einmal im<br />

Jahr trafen sie sich am Þingplatz. Sie übten sowohl eine politische als auch eine<br />

priesterliche Funktion aus. Mit der Christianisierung Islands wurde die religiöse<br />

Funktion abgeschafft. Der Allsherjargóði sprach das Þing heilig und seg<strong>net</strong>e es. So<br />

beginnen auch heute unsere Zusammenkünfte. Dann werden die alten Sagen aus<br />

der Edda vorgelesen, und es wird auf die Götter getrunken.<br />

Viel?<br />

Symbolisch aus einem Horn. Wir bereiten einen Met zu, den wir trinken. Danach<br />

kann jeder aufstehen und sich äußern, wenn er etwas zu sagen hat. Hier in Island<br />

werden auch viele Gedichte vorgetragen. Anschließend feiert man zusammen,<br />

man ißt, man trinkt.<br />

Welche Götter werden angebetet?<br />

Hauptsächlich Þhorr. Er genoß unter den Asen das höchste Ansehen. Er ist als<br />

Gottesidee auch einfacher als Oðinn, volkstümlicher. Er ist der Gott des<br />

Ackerbaus, er macht das Erdreich mit seinem Hammer fruchtbar, er ist stark,<br />

zuverlässig und hilfsbereit.<br />

Gibt es bei den Feiern einen Altar mit rituellen Werkzeugen?<br />

Wir haben das Horn aus dem wir trinken, und ein kleine Statue von Þhorr.<br />

In Deutschland wird Ihre Religion als Odinismus bezeich<strong>net</strong>. Welche Rolle spielt Oðinn<br />

in Ihrem Glauben?<br />

Jeder kann die Götter anbeten, die er möchte. Oðinn steht für Weisheit, die<br />

Imagination und die Suche nach größeren Kenntnissen.<br />

Er ist auch der Gott der Magier und Zauberer?<br />

Das ist ein Teil seines Wissens, ja, absolut! Man spricht und diskutiert mit den<br />

Göttern je nach ihren unterschiedlichen Funktionen.<br />

Aber der oberste Gott ist Oðhinn, also männlich.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 8


der runenbrieflehrgang<br />

Die Göttinnen spielen jedoch eine sehr große Rolle. Freyja, die Göttin der<br />

Fruchtbarkeit ist sehr wichtig. Sie ist die Gemahlin Oðins.<br />

Ist sie ihm gleichberechtigt oder untergeord<strong>net</strong>?<br />

Gleichberechtigt. Da gibt s keinen Unterschied.<br />

Welche Rolle spielen die Frauen im Asatrú?<br />

Bei den eingetragenen Mitgliedern haben wir achtzig Prozent Männer und zwanzig<br />

Prozent Frauen. Das mag daran liegen, daß Frauen eher zögern, auf das Amt zu<br />

gehen und sich bei einem Beamten eintragen zu lassen. Man muß ja auch vorher<br />

aus der Kirche austreten, und Frauen scheuen oft das Formale. Die Besucher, die<br />

bei den blóts dazukommen, sind überwiegend Frauen. Gesellschaft in Island war<br />

nie sehr patriarchalisch aufgebaut. Frauen hatten immer schon sehr viel stärkere<br />

Rechte und waren sehr viel mehr als gleichwertig anerkannt, als das auf dem<br />

Kontinent je der Fall war.<br />

Was verstehen Sie unter „Hexen“?<br />

Keine lebendigen Personen. Der Begriff steht für eine Kraft, eine magische Kraft. vi<br />

Welche Art von Kraft?<br />

Es spielt nicht die Hauptrolle, welche Kraft oder Macht das ist, sondern wie sie<br />

sich mit unserer eigenen Kraft mischt. Auf das Zusammenspiel kommt es an.<br />

Meine eigenen Energien werden durch die magischen Kräfte verstärkt, bei allem,<br />

was ich tue. Diese Kräfte, die aus dem engen Kontakt mit der Natur entstehen,<br />

waren früher in den Menschen vorhanden. Im Laufe der Zeit haben wir diese<br />

Fähigkeiten verloren und versucht, sie durch Pseudodinge wie stärkere Autos und<br />

größere Häuser zu ersetzen. Jetzt werden wir uns wieder bewußt, daß diese Kräfte<br />

tief im Innern in uns ruhen, und wir wollen sie wieder hervorholen. Dies ist meine<br />

persönliche Meinung. Aber die meisten Mitglieder unserer Religion gehen in diese<br />

Richtung. Alle, die sich ernsthaft damit beschäftigen, sehen es so. Man muß offen<br />

vor der Möglichkeit sein, daß wir mit unserem Geist weitergehen können. Wir<br />

haben die Fähigkeit, wieder Kontakt zu den Kräften zu bekommen. Diese<br />

Fähigkeit müssen wir kultivieren, wir dürfen sie nicht länger mißachten. Da die<br />

Wissenschaft nur das anerkennt, was man mit dem Kopf und dem Verstand<br />

macht, hat sie uns von diesen Fähigkeiten und Möglichkeiten weggeführt.<br />

Auch wenn es - wie Sie sagen - nicht darauf ankommt, möchte ich gerne mehr über diese<br />

magischen Kräfte wissen.<br />

Es ist eine besondere Aufgabe unserer Religion, die Verbindung des Menschen zur<br />

Natur wiederherzustellen, zu allen Kräften, die in der Natur sind, um sie verstehen<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 9


der runenbrieflehrgang<br />

zu können. Es fließt ein Bach, es wächst ein Baum, der Mensch ist nur ein Teil<br />

dieses Prozesses. Er muß sich bewußt als einen Teil des Ablaufs der Naturkräfte<br />

empfinden. Die älteren Leute, die ich als Kind kannte, das waren zwar Christen,<br />

aber sie übertrieben es nicht gerade mit dem Christentum. Auf ganz normale<br />

Weise mischten sie Christentum mit ihrem Naturglauben. Sie hatten noch das<br />

Gespür für Alfen und Wesen, die um sie waren. Es war eine so viel bessere<br />

Beziehung zwischen den Menschen und der Natur und den Menschen<br />

untereinander.<br />

Sie haben hier in Island aufgrund der abgelegenen Insellage und der politischen<br />

Abgeschiedenheit - erst 1944 wurde die unabhängige Republik ausgerufen - eine<br />

besondere Situation.<br />

Ja, der technische Fortschritt brach plötzlich über uns herein. Maschinen, Autos,<br />

Flugzeuge, moderne Schiffe, alles kam auf einmal, in einer Generation. Hier gab es<br />

keine stetige Entwicklung dahin wie in den anderen Ländern Europas. Nehmen<br />

Sie das Beispiel Segeln. Tausende von Jahren sind die Menschen gesegelt.<br />

Tausende von Jahren hat man gebraucht, um segeln zu lernen. Und plötzlich<br />

kommen in einem Menschenalter Dampfschiffe, Motorschiffe bis hin zum<br />

atombetriebenen U-Boot auf uns zu. Das war alles viel zu schnell und kam viel zu<br />

viel auf einmal. Das kann ein Generation kaum verkraften. Rein äußerlich<br />

gewöhnt der Mensch sich erstaunlich schnell an neue Dinge, aber sein ganz<br />

normales, intuitives Verhältnis zur Natur hat er verloren. Statt dessen baut er sich<br />

so viel tote Umgebung. Der Mensch baut sich ständig Wüsten. vii<br />

Rächt sich die Natur, indem sie stirbt, weil der Mensch die Verbindung zu ihr verloren<br />

hat? Ist das Ihre Antwort darauf?<br />

Ja, ich kann mich gut erinnern, wie die älteren Leute zu mir als Kind sagten: Laß<br />

den Baum stehen, das Moos an dem Stein, die Fliege am Fenster wird nicht<br />

getötet. Die Natur war immer Teil unseres Lebens. Nachdem Technik und<br />

Wissenschaft über uns hereingebrochen sind, müssen wir warten, daß die Seele<br />

nachkommt. Die Menschheit kommt mir vor wie jemand, der aus Zwang tanzt.<br />

Früher kannte ich Leute die mußten tanzen, sie konnten nicht wieder aufhören,<br />

bis sie erschöpft hinfielen oder gar tot umfielen. So ist heute die ganze Welt mit all<br />

ihren Kriegen. Die Welt tanzt sich zu Tode und kann nicht aufhören.<br />

Die Menschen ihrer Generation können sich noch an die anderen Zeiten erinnern.<br />

Dadurch haben Sie es auch leichter in Ihrer Bewußtwerdung als wir auf dem Kontinent.<br />

Ja, aus unserer Kindheit kennen wir die Zeit vor dem technischen Fortschritt, der<br />

ja sehr spät zu uns kam. Diese enge Verbindung zur alten Zeit, dieser enge<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 10


der runenbrieflehrgang<br />

Kontakt zur Natur und auch zu unserer kulturellen Vergangenheit haben geholfen<br />

den Boden für unseren Glauben zu bereiten.<br />

Wollen Sie die Zeit zurückdrehen?<br />

Nein, ich setze mich nicht mit meiner Gruppe dahin und sage, jetzt haben wir den<br />

Glauben von früher, leben wir auch das Leben von früher. Ich will die Zeit nicht<br />

tausend Jahre zurückdrehen. Ich muß mein Leben an die heutige Zeit anpassen.<br />

Wir können und wollen die technische Entwicklung nicht abschaffen.<br />

Sie lehnen Autos oder das Fernsehen nicht ab?<br />

Nein, wir müssen lernen, damit umzugehen. Diese Dinge dürfen nicht die alte<br />

Ausgewogenheit der Menschen zerstören, die sie früher hatten. Die Wissenschaft<br />

hat uns unser Gleichgewicht im Leben genommen. Wir fühlen uns nicht mehr<br />

wohl. In meiner Jugend habe ich hier in Island dieses Gleichgewicht noch bei den<br />

Älteren erlebt. Sie führten ein einfaches Leben, versuchten niemandem weh zu<br />

tun, sie ruhten in sich. Menschen, die in sich ruhen, gibt es kaum noch. Das<br />

haben die schnellen technischen Entwicklungen zerstört.<br />

Sie versuchen mit Ihrer Religion die Menschen wieder zu dieser Ausgewogenheit zu<br />

führen?<br />

Das ist eines unserer Hauptziele.<br />

Welches sind die anderen?<br />

Mit dieser Ausgewogenheit auch durch die neue Zeit gehen zu können, die<br />

Balance nicht zu verlieren.<br />

Glauben Sie, die Menschen mit Ihrer Religion zur Besinnung bringen zu können, so daß<br />

sie mit dem Tanz aufhören können?<br />

In unserer Religion sehe ich absolut eine Hoffnung. Wir sind da an einem<br />

wichtigen Punkt. Sie fragten zu Anfang, warum der alte Glaube jetzt erst wieder<br />

aus dem Verborgenen hervorkommt. Ich antwortete, es war die Angst vor der<br />

Macht der Kirche. Aber es ist noch etwas anderes: Es war auch die Angst vor der<br />

Wissenschaft, die Anfang dieses Jahrhunderts aufkam. Die Angst, sich lächerlich<br />

zu machen, wenn man zugab, daß man an Alfen und Kobolde glaubte, daß es<br />

Geister gibt, daß es spukt. viii<br />

Heute kann man es wieder zugeben?<br />

Heute stellt man die Wissenschaft wieder mehr in Frage. Man kann wieder<br />

zugeben, daß man etwas glaubt, was man nicht sieht. Diese übergroße Achtung<br />

vor dem technischen Fortschritt haben wir überwunden. Man sieht ja, wohin wir<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 11


der runenbrieflehrgang<br />

damit gekommen sind. Er hat uns nicht das gebracht, was wir uns vor fünfzig<br />

Jahren erhofften.<br />

Wollen Sie eine andere Gesellschaft schaffen?<br />

Keine Revolution. Die Wissenschaft hat uns auch Gutes gebracht wie die<br />

Medikamente, die Kenntnisse über Seuchen. Obwohl wir damit auch wieder die<br />

Hungersnöte in der Dritten Welt verstärkt haben. Wir wollen auf unsere Seele<br />

warten, lernen, die Aggressionslust aus uns herauszutreiben, weniger zu verlangen,<br />

nicht meinen, alles haben zu wollen. Menschen können lernen, weniger aggressiv<br />

miteinander umzugehen, sondern aufeinander zuzugehen, sich gegenseitig zu<br />

helfen.<br />

Warum glauben Sie, das mit Ihrer Religion eher erreichen zu können als das Christentum<br />

mit seinem „Liebe deinen Nächsten“?<br />

Unsere Religion ist mehr mit der Natur, mit der natürlichen Harmonie<br />

verbunden. Das Christentum wehrt sich doch sogar offiziell gegen diese Harmonie.<br />

Beispiel Hexenverbrennungen. Es erlaubt kein ungestörtes, normales Verhältnis zu<br />

den Dingen, die uns umgeben; statt dessen schreibt es uns eine direkte, starre<br />

Linie vor. Dagegen wehre ich mich.<br />

Wie schaffe ich es, durch Ihre Religion zu dieser Harmonie zu finden? Ändert sich etwas<br />

im alltäglichen Leben, wenn ich Ihre Religion praktisch lebe?<br />

Alles wird leichter. Man fühlt sich wohler. Man nimmt es nicht so ernst, wenn<br />

etwas fehlt. Man lernt, Dinge hinzunehmen, auf sich zu nehmen und seine Kraft<br />

besser zu nutzen. Es ist nicht möglich, jeden Tag in diesen Zustand zu kommen.<br />

Dazu braucht man Ruhe.<br />

Fühlt man nach den feiern besondere Kräfte in sich?<br />

Nicht nur bei den blóts, den offiziellen Feiern, sondern allgemein durch das<br />

Zusammensein mit gleichgesinnten Leuten. Daraus kommt die Kraft. Man spürt<br />

die positive Wirkung des anderen, das verstärkt sich gegenseitig. Das ist ein<br />

Zusammenstimmen wie bei Instrumenten, ein Einklang, eine Harmonie. Mir ist die<br />

Verbindung zueinander wichtig, zur Natur, zu Islands alter Geschichte und<br />

Sprache. Wir bemühen uns, ein schönes, gutes Isländisch zu sprechen. Manchmal<br />

sagen wir im Scherz, wir müssen dieselbe schöne Sprache sprechen wie Oðhinn.<br />

Können Sie die gewonnenen Kräfte auf etwas Spezielles richten?<br />

Vorsicht! Mit der Kraft, die ich bekomme, kann ich anderen helfen. Aber das<br />

meine ich allgemein, indem ich eine positive Wirkung ausstrahle, nicht im Sinne<br />

von spezifisch Heilen oder so etwas. Wir gehen nicht Richtung Spiritismus. Man<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 12


der runenbrieflehrgang<br />

muß da stark aufpassen, das darf nicht durcheinandergeworfen werden, daß es ein<br />

Brei oder eine Suppe wird.<br />

Dinge hinnehmen wie sie sind, das hört sich so nach Fatalismus an.<br />

Ja, eine Art Fatalismus. Ich bin nicht in einem konstanten Kampf. Aber ich renne<br />

auch nicht vor den Problemen weg.<br />

Wenn Sie nicht gekämpft hätten, wäre Ihre Religion nie offiziell anerkannt worden.<br />

Es ist schwer, welche Methode man wählen soll. Die Leute müssen es aus sich<br />

selbst heraus begreifen, was los ist, wo wir stehen. Aber den Machthabern muß<br />

man es klarmachen.<br />

Tun Sie das?<br />

Ich äußere mich in Zeitungen und anderen Veröffentlichungen. Wenn das<br />

Bewußtsein jedes einzelnen da ist, kommen wir zu dem Punkt, daß wir auf die<br />

Machthaber einen gewissen Druck ausüben. Aber man muß aufpassen. Zu großer<br />

Druck wirkt sich negativ aus.<br />

Was halten Sie von der neuen heidnischen Bewegung in Deutschland?<br />

Wenn sie den richtigen Weg gehen, ist es gut. Jeder hat doch heute vor Augen,<br />

daß es so nicht weitergehen kann, wie Umwelt und Natur zerstört werden. Wir<br />

müssen jetzt stopp sagen und wieder einen stärkeren Kontakt zur Natur<br />

bekommen, uns als Teil der Natur erkennen. Aber die Leute müssen diese Weg<br />

ohne Extremismus gehen, ohne Aggressionen.<br />

Glauben Sie, daß Ihre neue - alte - Religion sich ausbreiten wird?<br />

Ich denke schon. Wir werden es mit Ruhe und Gelassenheit abwarten.“<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 13


Fragen stellen<br />

der runenbrieflehrgang<br />

Immer wieder stoße ich bei meinem Unterricht auf ein kleines aber sehr wichtiges<br />

Problem. Es handelt sich hierbei um ein Problem des Austausches.<br />

Wenn Du glaubst, Dein Lehrer wäre ein perfekter und allwissender Mensch, dann<br />

irrst Du. Wir lernen voneinander: Ich von Dir und Du von mir. Wenn wir<br />

gemeinsam an einer Zukunft dieses Weges arbeiten wollen dann ist es wichtig das<br />

Du Fragen stellst. Du mußt genauso wenig allwissend sein wie ich.<br />

Aus mir durchaus verständlichen Gründen haben viele Menschen gerade auf dem<br />

Gebiet der magischen Ausbildung eine gewisse Scheu Fragen zu stellen, denn das<br />

würde ja implizieren, daß sie selbst dumm wären oder etwas nicht verstanden<br />

hätten. Dabei ist lediglich der Lehrer daran schuld, denn er konnte das Wissen<br />

nicht dem Schüler angemessen übermitteln. Und diesen Irrtum kann ein Lehrer<br />

nur erkennen, wenn er Fragen gestellt bekommt, so belanglos sie Dir auch<br />

erscheinen mögen. Wenn sie zum Thema gehören oder dem Thema vorgreifen, an<br />

dem Du gerade arbeitest, bringen diese Fragen uns beide weiter!<br />

Also: Fragen fragen! Und sich nicht blöd dabei vorkommen!<br />

Im Havamal heißt es hierzu:<br />

Weise dünkt sich schon wer zu fragen weiß<br />

Und zu sagen versteht;<br />

Doch Unwissenheit mag kein Mensch verbergen,<br />

Der mit Leuten leben muß.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 14


URUZ<br />

der runenbrieflehrgang<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

Uruz ist die zweite Rune des<br />

Futhark.<br />

Lautwert: U; manchmal V Zahlenwert: 2<br />

Traditionelle Bedeutung:<br />

Auerochse<br />

Assoziationskette: Ursprung -<br />

Urkraft - Urquell - Urzeit - Urkuh<br />

(Audhumla) - Auerochse -<br />

Urmutter - Göttin - Muttergöttin -<br />

Die Gebärende und Verschlingende<br />

- Urbarmachung - Urmuster - Urd<br />

Der Auerochse, welcher heute nur noch in einigen Wildgehegen anzutreffen ist,<br />

war früher ein begehrtes und schwer zu jagendes Tier. Seine Statur und Kraft ist<br />

dem des Bison gegenüberzustellen. Es gehörte zu den Bewährungsproben für junge<br />

Männer, in der damaligen Stammesgesellschaft, einen solchen Auerochsen zu<br />

erlegen. Bei den damaligen Jagdmethoden bedeutete dies ein gefährliches<br />

Unterfangen und viele dieser jungen Männer werden nicht mehr von der Jagd<br />

heimgekehrt sein. Nur der Stärkste und Geschickteste vermochte in dieser Zeit zu<br />

überleben. Wer jemals auf einer Weide, einem Bullen gegenüberstand, weiß welche<br />

Aggression und Kraft in einem solchen Tier komprimiert ist: Das ist Uruz in seiner<br />

Reinform. Dies ist das Lebensfeuer, gebunden in einer beweglichen Form.<br />

Im Gylfaginning der jüngeren Edda heißt es:<br />

6. Da fragte Gangleri: Wo wohnte Ymir? Oder wovon lebte er? Har antwortete:<br />

Als das Eis auftaute und schmolz, entstand die Kuh, die Audhumla hieß, und<br />

vier Milchströme rannen aus ihrem Euter; davon ernährte sich Ymir. Da fragte<br />

Gangleri: wovon nährte die Kuh sich? Har antwortete: Sie beleckte die<br />

Eisblöcke, die salzig waren, und den ersten Tag, da sie die Steine beleckte,<br />

kam aus den Steinen am Abend Menschenhaar hervor, den anderen Tag eines<br />

Mannes Haupt, den dritten Tag war es ein ganzer Mann, der hieß Buri. Er war<br />

schön von Angesicht, groß und stark und gewann einen Sohn, der Bör hieß.<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 15


der runenbrieflehrgang<br />

Der vermählte sich mit Bestla, der Tochter des Riesen Bölthorn; da gewannen<br />

sie drei Söhne: Der eine hieß Odin, der andere Wili (gemeint ist Hönir), der<br />

dritte We (gemeint ist Loki). Und das ist mein Glaube, daß dieser Odin und<br />

seine Brüder Himmel und Erde beherrschen.<br />

Audhumla können wir als Manifestation der Muttergöttin ansehen, die der<br />

vorangegangenen Idee der Schöpfung nun Form verleiht. Daraus geht zunächst<br />

der Vater aller Götter hervor, dessen Sohn schließlich zusammen mit Bestla den<br />

obersten Asen Odin und seine Brüder Hönir und Loki zeugt. Hier finden wir den<br />

nährenden und formgebenden Aspekt der Großen Göttin wieder. Eine<br />

Verkörperung der Göttin ist Mutter Erde. Die Griechen nannten diesen Aspekt<br />

Gaia, bei uns heißt sie Njörd.<br />

Fehu verkörperte die chaotische Energie des Urfeuers. Uruz verleiht dieser<br />

unkontrollierten Kraft Form. Uruz verkörpert nicht die Form, sondern die<br />

formgebende Kraft. Diese Rune ist Quelle archetypischer Muster, der Muster des<br />

Ur-Sprungs.<br />

Ur führt uns zu Urd, einer der drei Nornen. Die Nornen sind die nordischen<br />

Schicksalsgöttinnen, welche das Netz des Wurd (im englischen: Wyrd) wirken.<br />

Wurd wird oft mit dem Schicksal gleichgesetzt, meint jedoch etwas völlig anderes.<br />

Im nordischen Schicksalsbegriff gibt es keine Unabdingbarkeit.(siehe dazu das<br />

Kapitel: Das Wirken und Weben)<br />

Wenn wir uns die chaotische Kraft des Urfeuers (Fehu), gepaart mit der<br />

formgebenden Kraft der Muttergöttin (Uruz) vorstellen, kommen wir zurück zum<br />

Auerochsen. Dieses Tier verkörpert ungeheure Energie, die solange ruhig bleibt,<br />

bis sie gereizt wird, dann kommt die Aggression zum Zuge, mit welcher das Tier<br />

um seine Freiheit, sein Leben kämpft. Aggression wird in unserer heutigen<br />

Gesellschaft negativ bewertet, doch tatsächlich ist es doch die uns allen<br />

innewohnende Kraft, mit der wir uns durchsetzen können, mit der wir wieder in<br />

die Freiheit gelangen. Die Verteufelung der Aggression läßt heute die Schwachen<br />

über die Starken herrschen. Ein gesunder und bewußter Umgang mit dieser<br />

Energie macht uns vollständiger und mächtiger. Wird die Aggression<br />

heruntergeschluckt, frißt sie uns auf. Extrem aggressive Menschen sind ein gutes<br />

Beispiel dafür, wie man wird, wenn man nicht mit sich in Frieden leben kann. Mit<br />

sich jedoch in Frieden zu leben und seine Wünsche und seinen Willen zu kennen,<br />

und auch den Mut dazu zu haben sie durchzusetzen, stellt den positiven und<br />

gesunden Aspekt von Aggression dar.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 16


der runenbrieflehrgang<br />

Diese Kraft des Durch- und Aufbruchs können wir im Frühjahr in der Natur<br />

wahrnehmen. Bäume strahlen diese Energie aus, zu dem Zeitpunkt, kurz bevor die<br />

Blätter aus den Knospen quellen.<br />

Unser Willen vermag die potentielle Energie der Aggression in Bahnen der<br />

Kreativität zu lenken.<br />

Uruz steht eng mit der Tätigkeit des Heilens in Verbindung. Dabei geht es um die<br />

Heilung anderer Menschen und uns selbst. In Odins Runenlied heißt es:<br />

Ein anderes weiß ich, des alle bedürfen,<br />

Die heilkundig heißen.<br />

Oft geht eine Krankheit mit der Entwurzelung von Körper, Seele oder Geist<br />

einher. Zu diesen Wurzeln kann uns Uruz zurückbringen. Weiterhin steht Uruz<br />

mit der Erdkraft in Verbindung. Wir finden diese Kraft in den Ley-Linien unseres<br />

ganzen Pla<strong>net</strong>en wieder. Ein Netz von (mag<strong>net</strong>ischen) Energielinien umspannt<br />

unseren Erdball und viele Kraftplätze finden sich an und auf ihnen. Unsere<br />

Ahnen konnten diese Kraftlinien wahrnehmen und erbauten darauf ihre heiligen<br />

Plätze, aus denen dann im Zuge der Missionierung, Kapellen, Kathedralen und<br />

Kirchen wurden. Stonehenge, Glastonbury, Externsteine, Chartre, Prag, der<br />

Heiligenberg bei Heidelberg, dies sind alles Orte auf diesen Kraftlinien. Manchmal<br />

finden wir solche Kraftplätze der Erde auch mitten im Wald oder Feld. Bäume und<br />

Pflanzen wachsen dort etwas anders, als anderswo und kein Mensch weiß mehr<br />

um die Bedeutung dieses Kraftortes, doch dort können wir die Energie der Erde<br />

besonders deutlich wahrnehmen. Mit dieser Kraft kann man heilen und wird<br />

selbst geheilt. Wie wir diese Kraft aufnehmen können, wird zum Schluß dieses<br />

Abschnittes als Runenstellung beschrieben. ix<br />

Uruz verleiht uns jugendliche Kraft und fördert die Regeneration der physischen<br />

Gesundheit. Wir vermögen mit ihr so stark und mutig wie ein Auerochse zu<br />

werden, vorausgesetzt, wir laufen nicht ständig vor unserer eigenen Kraft davon. x<br />

Die Energie, welche wir durch die Fehu-Rune anziehen können, vermag Uruz zu<br />

speichern und sozusagen in ein stilles Kraftreservat, ein ruhendes, zu verwandeln.<br />

Durch Thurisaz kommt dann der eigene Willen hinzu, diese Kraft in die Tat<br />

umzusetzen.<br />

Der negative Aspekt der Uruz-Rune, ist die blinde Wut, die unkontrollierte<br />

Aggression, das Durchsetzen des eigenen Willens ohne Rücksicht auf andere<br />

Menschen und die Bedürfnisse der eigenen Seele. Menschen, die sich selbst<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 17


der runenbrieflehrgang<br />

besonders wichtig nehmen und bei der Ausführung ihrer Ideen über Leichen<br />

gehen, entsprechen diesem negativen Aspekt. Eine andere Schattenseite von Uruz<br />

wäre das krankhafte alles-in-eine-Form-pressen. Um sich sein Weltbild aufrecht zu<br />

erhalten wird alles geord<strong>net</strong> und dem eigenen Horizont angepaßt, was über diesen<br />

hinausgeht, wird verteufelt und als lebensbedrohend empfunden. Uruz kann uns<br />

zwar bei der inneren Verwurzelung helfen, doch zeigt sich ihre negative Seite auch<br />

im physischen Bereich, im Festsitzen und Festhalten an alten Mustern und<br />

Strukturen. Sehr erdhafte Menschen entsprechen manchmal diesem Bild. Sie sind<br />

so verwurzelt in ihrem Wesen und ihren eigenen Ideen, daß die Inspiration durch<br />

andere Ansichten leidet, und sie letztendlich nicht mehr weiterkommen auf ihrem<br />

Weg.<br />

Bei der magischen Arbeit können wir Uruz folgendermaßen verwenden: Zur<br />

Erlangung von Stärke, Entschlossenheit, Ausdauer und physischer Gesundheit.<br />

Uruz findet bei Heilungen Verwendung, meistens in Kombination mit anderen<br />

Runen. Fehu und Uruz ergänzen sich ausgezeich<strong>net</strong>. Mit Uruz können wir die<br />

mag<strong>net</strong>ischen Erdströme mit in unsere Arbeit einbeziehen und sie nutzen. Auch<br />

wenn es vonnöten sein sollte, einen chaotischen Zustand wieder in geord<strong>net</strong>e<br />

Bahnen zu lenken, empfiehlt sich diese Rune.<br />

Um die Erdenergien und die Energie der Uruz-Rune in uns aufzunehmen, beugen<br />

wir den Oberkörper nach vorn, der Rücken verläuft parallel zum Boden, Arme<br />

und Fingerspitzen zeigen zum Erdboden. Der Rücken kann sich auch in Form der<br />

Rune etwas neigen. Diese Übung eig<strong>net</strong> sich hervorragend dazu, um Geist, Körper<br />

und Seele zu "erden". Dies scheint immer dann angezeigt, wenn wir zerfahren oder<br />

chaotisch sind, zuviel Energie in uns angestaut haben und wir kribbelig bis in die<br />

Fingerspitzen sind. Bei diesen Übungen werden die Kräfte im Körper wieder in ein<br />

Gleichgewicht gebracht. Das heißt, wir nehmen dabei nicht nur auf - wir gleichen<br />

auch durch das Abgeben von überschüssiger Energie wieder aus.<br />

Diese Runenstellungen kann man auch in geschlossenen Räumen machen, doch<br />

sollte dabei wenigstens für frische Luft gesorgt werden. In freier Natur werden die<br />

xi xii<br />

Ergebnisse jedoch deutlicher zu spüren sein.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 18


Wo bist Du? xiii<br />

der runenbrieflehrgang<br />

1. Verfolge die Spur Deines Trinkwassers von seinem Ursprung bis zu Deinem<br />

Wasserhahn.<br />

2. In wie vielen Tagen ist Vollmond? (Du darfst Dich um zwei Tage irren.)<br />

3. Wann gab es zuletzt in Deiner Region eine Feuerkatastrophe?<br />

4. Was waren die wichtigsten Nahrungsquellen älterer bzw. Alter Kulturen in<br />

Deiner Region?<br />

5. Nenne zehn einheimische Pflanzen in Deiner Region und die Jahreszeit, in der<br />

sie gesammelt werden können.<br />

6. Aus welcher Himmelsrichtung kommen in Deiner Region die Winterstürme?<br />

7. Wo wird Dein Müll entgelagert?<br />

8. Wie lange dauert in Deiner Heimat die Anbau- und Ernteperiode?<br />

9. An welchem Tag im Jahr sind in Deiner Region die Schatten am kürzesten?<br />

10. Wann ist die Hirschbalz, und wann werden in Deiner Gegend die jungen Tiere<br />

geboren?<br />

11. Nenne zehn Sträucher Deiner Region. Sind das einheimische Gewächse?<br />

12. Nenne fünf Vogelarten Deiner Region, die das ganze Jahr dort bleiben, und<br />

fünf bei Dir vorkommende Zugvogelarten.<br />

13. Kennst Du die Geschichte der Nutzung des Landes in Deiner Heimat?<br />

14. Welche Arten wurden in Deiner Region ausgerottet?<br />

15. Welche Pflanzenfamilien bevölkern Deine Region vor allem?<br />

16. Zeige jetzt auf der Stelle nach Norden.<br />

17. Welche frei wachsende Frühlingsblume ist immer unter den ersten blühenden<br />

Blumen in Deiner Region?<br />

18. Was schätzt Du wie spät es gerade ist?<br />

19. Wieviele Stunden bleiben noch bis es dunkel wird?<br />

20. Wo geht die Sonne auf?<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 19


der runenbrieflehrgang<br />

21. Zu welcher Jahreszeit gehen Sonnenuntergang und Mondaufgang ineinander<br />

über?<br />

22. Wann hast Du zum letzten mal den Duft von frischem Heu gerochen?<br />

23. Wo wächst die nächste Eibe in Deiner Nähe? xiv<br />

Anmerkung: Dieser Fragebogen wurde dem Buch ÖKOREGIONALISMUS von<br />

Roman Schweidlenka entnommen und mit einigen spezifischen Fragen<br />

meinerseits ergänzt.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 20


der runenbrieflehrgang<br />

ODINS RUNENLIED<br />

Ich weiß, daß ich hing am windigen Baum<br />

Neun lange Nächte,<br />

Vom Speer verwundet, dem Odin geweiht,<br />

Mir selber ich selbst,<br />

Am Ast des Baumes, dem man nicht ansehn kann<br />

Aus welcher Wurzel er sproß.<br />

Sie boten mir nicht Brot noch Met;<br />

Da neigt ich mich nieder<br />

Auf Runen sinnend, lernte sie seufzend:<br />

Endlich fiel ich zur Erde.<br />

Hauptlieder neun lernt ich von dem weisen Sohn<br />

Bölthorns, des Vaters Bestlas,<br />

Und trank einen Trunk des teuern Mets<br />

Aus Odhrörir geschöpft.<br />

Zu gedeihen begann ich und begann zu denken,<br />

Wuchs und fühlte mich wohl.<br />

Wort aus dem Wort verlieh mir das Wort,<br />

Werk aus dem Werk verlieh mir das Werk.<br />

Runen wirst Du finden und Ratestäbe,<br />

Sehr starke Stäbe,<br />

Sehr mächtige Stäbe,<br />

Erzredner ersann sie, Götter schufen sie,<br />

Sie ritzte der hehrste der Herrscher.<br />

Odin den Asen, den Alfen Dain,<br />

Dwalin den Zwergen,<br />

Alswid aber den Riesen; einige schnitt ich selbst.<br />

Weißt Du zu ritzen? Weißt Du zu erraten?<br />

Weißt Du zu finden? Weißt Du zu erforschen?<br />

Weißt Du zu bitten? Weißt Opfer zu bieten?<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 21


der runenbrieflehrgang<br />

Weißt Du wie man senden,<br />

weißt wie man tilgen soll?<br />

Besser nicht gebeten, als zu viel geboten:<br />

Die Gabe will stets Vergeltung.<br />

Besser nicht gesendet, als zu viel getilgt;<br />

so ritzt es Thundr zur Richtschnur den Völkern.<br />

Dahin entwich er, von wannen er ausging.<br />

Lieder kenn ich, die kann die Königin nicht<br />

Und keines Menschen Kind.<br />

Hilfe verheißt mir eins, denn helfen mag es<br />

In Streiten und Zwisten und in allen Sorgen.<br />

Ein andres weiß ich, des alle bedürfen,<br />

Die heilkundig heißen.<br />

Ein drittes weiß ich, des ich bedarf<br />

Meine Feinde zu fesseln.<br />

Die Spitze stumpf ich dem Widersacher;<br />

Mich verwunden nicht Waffen noch Listen.<br />

Ein viertes weiß ich, wenn der Feind mir schlägt<br />

In Bande die Bogen der Glieder,<br />

So bald ich es singe, so bin ich ledig,<br />

Von den Füßen fällt mir die Fessel,<br />

Der Haft von den Händen.<br />

Ein fünftes kann ich: fliegt ein Pfeil gefährdend<br />

Übers Heer daher,<br />

Wie hurtig er fliege, ich mag ihn hemmen,<br />

Erschau ich ihn nur mit der Sehe.<br />

Ein sechstes kann ich, so wer mich versehrt<br />

Mit harter Wurzel des Holzes:<br />

Den andern allein, der mir es antut,<br />

Verzehrt der Zauber, ich bleibe frei.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 22


der runenbrieflehrgang<br />

Ein siebentes weiß ich, wenn hoch der Saal steht<br />

über den Leuten in Lohe,<br />

Wie breit sie schon brenne, ich berge sie noch:<br />

Den Zauber weiß ich zu zaubern.<br />

Ein achtes weiß ich, das allen wäre<br />

Nützlich und nötig:<br />

Wo unter Helden Hader entbrennt,<br />

Da mag ich schnell ihn zu schlichten.<br />

Ein neuntes weiß ich, wenn Not mir ist<br />

Vor der Flut das Fahrzeug zu bergen,<br />

So wend ich den Wind von den Wogen ab<br />

Und beschwichtige rings die See.<br />

Ein zehntes kann ich, wenn Zaunreiterinnen<br />

Durch die Lüfte lenken,<br />

So wirk ich so, daß sie wirre zerstäuben<br />

Und als Gespenster schwinden.<br />

Ein elftes kann ich, wenn ich zum Angriff soll<br />

Die treuen Freunde führen.<br />

In den Schild fing Ichs, so ziehn sie siegreich<br />

Heil in den Kampf, heil aus dem Kampf,<br />

Bleiben heil wohin sie ziehn.<br />

Ein zwölftes kann ich, wo am Zweige hängt<br />

Vom Strang erstickt ein Toter,<br />

Wie ich ritze das Runenzeichen,<br />

So kommt der Mann und spricht mit mir.<br />

Ein dreizehntes kann ich, soll ich ein Degenkind<br />

In die Taufe tauchen,<br />

So mag er nicht fallen im Volksgefecht,<br />

Kein Schwert mag ihn versehren.<br />

Ein vierzehntes kann ich, soll ich dem Volke<br />

Der Götter Namen nennen,<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 23


xv<br />

der runenbrieflehrgang<br />

Asen und Alfen kenn ich allzumal;<br />

Wenige sind so weise.<br />

Ein fünfzehntes kann ich, das Volkrörir der Zwerg<br />

Vor Dellings Schwelle sang:<br />

Den Asen Stärke, den Alfen Gedeihn,<br />

Hohe Weisheit dem Hroptatyr.<br />

Ein sechzehntes kann ich, will ich schöner Maid<br />

In Lieb und Lust mich freuen,<br />

Den Willen wandl ich der Weißarmigen,<br />

Daß ganz ihr Sinn sich mir gesellt.<br />

Ein siebzehntes kann ich, daß schwerlich wieder<br />

Die holde Maid mich meidet.<br />

Dieser Lieder, magst Du, Loddfafnir,<br />

Lange ledig bleiben.<br />

Doch wohl Dir, weißt Du sie,<br />

Heil Dir, behältst Du sie,<br />

Selig, singst Du sie!<br />

Ein achtzehntes weiß ich, das ich aber nicht singe<br />

Vor Maid noch Mannesweibe<br />

Als allein vor ihr, die mich umarmt,<br />

Oder sei es meiner Schwester.<br />

Besser ist was einer nur weiß;<br />

So frommt das Lied mir lange.<br />

Des Hohen Lied ist gesungen<br />

In des Hohen Halle,<br />

Den Erdensöhnen not, unnütz den Riesensöhnen.<br />

Wohl ihm, der es kann, wohl ihm, der es kennt,<br />

Lange lebt, der es erlernt,<br />

Heil allen, die es hören.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 24


der runenbrieflehrgang<br />

DIE EDDA; Die ältere und jüngere Edda und die mythischen Erzählungen der<br />

Skalda; übersetzt und mit Erläuterungen begleitet von Karl Simrock. Phaidon<br />

Verlag, 3. Auflage, ISBN 3888511127 (HAVAMALZYKLUS)<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 25


THURISAZ<br />

der runenbrieflehrgang<br />

Thurisaz ist die dritte Rune des<br />

Futhark.<br />

Lautwert: TH Zahlenwert: 3<br />

Traditionelle Bedeutung: Riese Assoziationskette: Thursen<br />

Riesen Riesenkraft<br />

Elementarkräfte Donar Zorn<br />

Abwehr Schutz Verteidigung -<br />

Willenskraft<br />

Die Riesen sind älter als die Götter und Menschen. Aus ihnen gingen erst später<br />

die Götter (Odin, Vili und Ve, als Kinder des Bör) hervor. Da die Riesen so alt<br />

wie die Welt selbst sind haben sie eine enorme Weisheit inne. Gegen<br />

Beleidigungen sind sie sehr empfindlich und rächen solche; andererseits aber<br />

erweisen sie sich dankbar für empfangene Wohltaten und zeigen sich auch<br />

manchmal ohne diese, den Menschen als hilfreich. Meistens sind sie jedoch sehr<br />

brutal und gewalttätig.<br />

Damals stellte man sich die Naturgewalten als Riesen vor. Aus diesem Grund gibt<br />

es auch eine Vielfalt von Riesenarten: Feuerriesen, Frostriesen, Reifriesen,<br />

Wasserriesen und Sturmriesen, um nur einige zu nennen. Die Riesinnen sind<br />

manchmal von sehr schönem Ansehen und Freyr verguckt sich in eine von ihnen,<br />

die er später dann zur Frau nimmt. Es ist also nicht ratsam, sich mit den Riesen<br />

anzulegen. Meint man es gut mit ihnen, können sie einem auch Hilfe gewähren<br />

und die wird ihrer Macht entsprechend, nicht gerade gering ausfallen<br />

Aus dem Reich der Götter kann es allein Thor/Donar mit ihnen aufnehmen und<br />

mit seinem Hammer Mjöllnir, den ihm die Zwerge geschmiedet haben, geht er<br />

gegen die Riesen an.<br />

Da Thor Gott der Bauern ist, verwundert es nicht, daß gerade er es mit den<br />

Riesen als Elementargewalten aufnehmen kann und muß. Schließlich muß ja<br />

jemand aus dem Götterhimmel die Arbeit des kleinen Mannes beschützen.<br />

Allgemein wird Thurisaz entweder mit Thor oder seinem Hammer in Verbindung<br />

gebracht. Das ist zwar nicht ganz verkehrt, aber ich sehe es folgendermaßen:<br />

Thurisaz verkörpert die Riesen selbst! Als dritte Rune entspricht Thurisaz, dem<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 26


der runenbrieflehrgang<br />

Schöpfungsmythos folgend, der Entstehung des Ymir (Ur-Riese aus dem später die<br />

Welt geschaffen wird.) welcher Vater des Thrudgelmir ist und somit Begründer des<br />

Riesengeschlechtes. Ymir erwächst aus dem anfänglichen Chaos und diese<br />

Kreuzung begeg<strong>net</strong> uns auch in der Kraft der Thurisaz Rune.<br />

Thurisaz ist also die Kraft der Riesen. Es gibt Menschen, die über diese Rune<br />

meditiert haben und als Bild ein berstendes Atomkraftwerk empfingen. Eine<br />

solche große zerstörerische Kraft wohnt dieser Rune tatsächlich inne und aus<br />

diesem Grund ist sie auch äußerst vorsichtig anzuwenden. Man kann sie zwar<br />

ausschicken, um irgend etwas zu zerstören, doch kommt sie, wenn man nicht<br />

aufpaßt auch mit der gleichen Wucht wieder zurück.<br />

In Runenzaubern, in denen Thurisaz Verwendung findet, muß immer ganz klar<br />

definiert sein, gegen wen oder was sie sich richten soll, sonst geht die ganze<br />

Zauberei nach hinten los! Diese Definition erfolgt anhand weiterer Runen. Dazu<br />

später mehr.<br />

In Odins Runenlied wird Thurisaz folgendermaßen beschrieben:<br />

Ein drittes weiß ich, des ich bedarf<br />

Meine Feinde zu fesseln.<br />

Die Spitze stumpf ich dem Widersacher;<br />

mich verwunden nicht Waffen noch Listen.<br />

Mit der ersten Strophe ist eine sogenannte Heerfessel gemeint. Dies ist eine<br />

magische Technik, um den Feind in Fesseln zu legen. Wird diese Art der<br />

Heerfessel angewandt und wirkungsvoll aktiviert, vermag sie Menschen in den<br />

Wahnsinn zu treiben, da die Kraft der Riesen sich in den inneren Bereich kehrt<br />

und sich dort potenziert. Auf diese Art und Weise werden Menschen zunächst mit<br />

all ihren verdrängten Schattenthemen konfrontiert und versuchen anschließend<br />

vor den Gespenstern ihrer Seele davonzulaufen, was sie schließlich zum<br />

Verfolgungswahn und in die Ohnmacht treibt.<br />

Die in Abbildung 1 gezeigte Heerfessel aus Thurisaz Runen kann über den Gegner<br />

projiziert werden, sodaß er sich nicht mehr vom Fleck bewegen kann. Noch besser<br />

ist es allerdings diese Fessel direkt im Umfeld des Gegners materiell anzubringen.<br />

Wendet man die Thurisaz-Vierer-Kombination in einer anderen Form an, siehe<br />

Abbildung 2, dann wird man selbst zum Riesen, der aus der geschützten Form<br />

heraus agiert. Der zweite Spruch des Runengedichtes meint diese Art der<br />

Verteidigung. Dies ähnelt einem magischen Bannkreis, wie man ihn traditionell<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 27


der runenbrieflehrgang<br />

bei verschiedenen Ritualen verwendet, um nicht von den gerufenen Geistern<br />

angegriffen zu werden. Ich halte dies für Unfug, denn warum soll man Geister<br />

rufen, mit denen man nichts zu tun haben will??? Aber auf einer wesentlich<br />

praktischeren Ebene findet die in Abb.2 gezeigte Kombination Verwendung: ...<br />

mich verwunden nicht Waffen noch Listen ... meint die Zaubererkriege. Auch ohne<br />

Zaubererkrieg, im ganz normalen Alltag, wenn wir uns von den Schwingungen<br />

der Außenwelt abschirmen wollen, um unsere Ruhe zu haben, können wir diese<br />

Kombination sinnvoll verwenden.<br />

Diese Form soll auch auf Kampfschilden in früherer Zeit Verwendung gefunden<br />

haben. So wurde es mir jedenfalls ohne Quellenangabe letzthin mitgeteilt.<br />

Abbildung 3 zeigt die aktive Thurisaz Rune, welche uns so als Schild dient. Wir<br />

können sie zum Schutz vor uns hertragen. Es ist auch die Form, welche einem<br />

Fluch den Weg eb<strong>net</strong>, denn für Flüche aller Art liefert diese Rune (ähnlich Fehu<br />

bei friedlichen Angelegenheiten) die treibende Kraft. Da ein Fluch der extremste<br />

Ausdruck eines klaren Willenssatzes ist, haben wir hier die extremste Form der<br />

Umsetzung von Energie durch den menschlichen Willen.<br />

Abbildung 4 zeigt die passive Thurisaz Rune. So wird die Kraft nach innen, oder<br />

hinten, gerichtet. Dies führt zur Implosion und kann in Kombination mit anderen<br />

Runen, so manchen Menschen vor eine Wand stellen, die immer näher auf ihn<br />

zukommt, je mehr er davor wegläuft. Diese Variante sollte man mit noch größerer<br />

Vorsicht, als die aktive Thurisaz anwenden.<br />

Abb. 1 Abb.2 Abb. 3 Abb.4<br />

Wenn der Gegner keine Ahnung vom Zaubern hat, dann kann einem nichts<br />

passieren, doch wenn er gleich stark oder noch besser ist, dann sollte man von<br />

dieser Rune die Finger lassen. Und dabei vor allem die eigene Ethik nicht<br />

vergessen! Im Gegensatz zu den sogenannten schwarzmagischen Angriffen, an die<br />

der Empfänger glauben muß, wirkt Thurisaz immer! xvi<br />

Diese Rune steht in einem engen Zusammenhang mit unseren Ängsten und gerade<br />

die werden wach gerufen, wenn wir sie gegen unsere Feinde einsetzen. Es gibt<br />

nicht umsonst in der Tradition drei Grundsätze, nach denen man sein Leben<br />

richten sollte:<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 28


der runenbrieflehrgang<br />

ERKENNE DICH SELBST<br />

FINDE DAS RECHTE MASS<br />

TUE WAS DU WILLST<br />

Haben wir unser Inneres nicht hinreichend kennengelernt, werden wir bei der<br />

magischen Arbeit, besonders bei Thurisaz in Abb. 4, mit unseren eigenen Ängsten<br />

konfrontiert und halten der psychischen Beanspruchung nicht Stand. xvii Zur<br />

modernen Psychotherapie empfehle ich diese Methode jedoch nicht.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 29


der runenbrieflehrgang<br />

Thor (Donar) und seine Beziehungen zur Rune Thurisaz<br />

Odin zeugte zusammen mit Jörd (Nerthus), unserer Mutter Erde, einen Sohn.<br />

Dieser Sohn ist Thor: Er ist der gutmütige Freund der Arbeiter, der Knechte und<br />

Bauern; er beschützt Midgard vor den Übergriffen aus Utgard (Außenwelt) und<br />

hat schon so manchen Riesen erschlagen. Kein Wunder also, daß er in manchen<br />

Gegenden des alten Germaniens mehr Ansehen als sein Vater genoß, der ja<br />

nunmal auch dem Krieg vorstand und eher für die Intelektuellen, als das einfache<br />

Volk zuständig war.<br />

Wir können uns diesen Kraftgott ungefähr so vorstellen: Er ist ein kräftiger, leicht<br />

bäuchiger Bauarbeiter, der den ganzen Tag lang schwer arbeiten muß und abends<br />

gern mit Freunden ein Bier trinken geht. Am liebsten hätte er seine Ruhe, doch<br />

ständig kommen Nachbarn daher, die sich mit einem anderen Nachbarn im Streit<br />

befinden und er soll ihn schlichten, denn vor ihm hat man Respekt. Naja und da<br />

er eben so gutmütig ist, beschützt er auch seine Nachbarn und kommt nicht zur<br />

Ruhe. Er ist zwar verheiratet, doch hält er nicht sonderlich viel von<br />

Frauengeschichten. Er ist treu und zuverlässig, eben ein wirklich guter Kumpel.<br />

Thor ist der Bauarbeiter, der Kranführer oder Hausmeister in einem spirituellen<br />

Seminarzentrum...<br />

Von den Römern versklavte Steinbruch Arbeiter am Niederrhein verehrten einen<br />

Hercules Saxanus und einen Hercules Maliator. Hercules ist Thor/Donar. Einem<br />

Hercules Magusanus begegnen wir auf vielen Votivsteinen und Armreifen, ja<br />

sogar auf römischen Münzen ist er zu finden. Wir können also davon ausgehen,<br />

daß die Römer vor einem so gutmütigen Gott, zusammen mit den Menschen die<br />

sie unterdrückten, gemeinsam den Hut zogen.<br />

Bonifatius machte dann dem Treiben um die alten Götzen ein Ende, zumindest<br />

versuchte er es und er tat etwas, daß ihm den Zorn der Götter bis in alle Ewigkeit<br />

eingetragen hat: Er fällte die Donareiche bei Geißmar. Die Sage erzählt, daß Holz<br />

wäre für einen Altar benutzt worden und ich denke mir, daß sich in dieser Kirche<br />

ganz besondere Geister treffen werden...<br />

Donareiche und Geißmar passen wunderbar zusammen: Dem Donar ist die Eiche<br />

heilig, sie entspricht auch seiner Mutter, ebenso die Eberesche. Weiters ist Donar<br />

Herr der Ziegen und so nehme ich einmal an, daß der Name Geiß mar nicht<br />

zufällig gewählt wurde. Solchen Analogien begegnen wir übrigens häufig,<br />

vorausgesetzt, wir öffnen uns für dieses große Geheimnis.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 30


der runenbrieflehrgang<br />

Zwei Böcke ziehen den Wagen des Thor. Wenn er auf Ostfahrt gegen die Riesen<br />

ist, nährt er sich und seine Begleiter von diesen. Er beherrscht einen sehr<br />

praktischen Zauber, denn wenn er seinen Hammer Mjöllnir über den abgenagten<br />

Knochen kreisen läßt, stehen die Böcke wieder in Fleisch und Blut vor ihm. Ein<br />

Knecht, den Thor einst zum Essen eingeladen hatte, beging einen schweren<br />

Fehler: Er spaltete einen Knochen der Böcke auf, um an das köstliche Mark zu<br />

gelangen und seit dieser Zeit hinkt einer von Thors Böcken. Es darf den<br />

Opfertieren nämlich kein Knochen gebrochen werden, da sie sonst bei der<br />

Wiedergeburt einen bleibenden Schaden davontragen.<br />

Thors Familienverhältnisse sind schnell erzählt. Er ist mit Sif verheiratet, einer<br />

Erntegöttin mit langen blonden Haaren, mit welcher er drei Kinder auf die Welt<br />

brachte: Magni, Modi und eine Tochter namens Thrud. Die Namen der Kinder<br />

stehen alle für die hervorstechende Eigenschaft des Thor, die Kraft.<br />

Thors Wohnsitz ist Thrudheim (Kraftheim) und sein Saal heißt Bilskirnir. Unter<br />

seinen Attributen hebt sich der Hammer Mjöllnir besonders hervor. Seit alten<br />

Zeiten ist er Symbol für die Widerstandsbewegung der Heiden gegen die Christen<br />

und ein kleiner Thorshammer wurde schon früh dem christlichen Kreuz<br />

entgegengesetzt. Daß das Hammersymbol wesentlich älter als das aufkommende<br />

Christentum ist versteht sich von selbst.<br />

Auf der magischen Ebene kann man diesen Hammer auch bestens gebrauchen,<br />

denn wenn man ihn kreisen läßt schmettert er so ziemlich alles nieder, was ihm in<br />

den Weg kommt. Man kann ihn auch aussenden und er kommt zurück. Darin<br />

liegt ein schönes Gleichnis: Denn der Fluch, welcher mit dem Hammer<br />

ausgeschickt wurde, kommt wenn man nicht aufpaßt, auch gleich wieder zurück.<br />

Neben dem Hammer Mjöllnir, der Thor im Kampf gegen die Riesen und zur<br />

Eheschließung dient, besitzt er noch einen Kraftgürtel, ein paar Eisenhandschuhe<br />

und einen Stab. Diesen Stab, namens Gridavöllr schenkte ihm die Riesin Gridr<br />

und somit ist er mächtig ausgestattet, um Götter und Menschen vor allmöglichen<br />

Feinden zu beschützen.<br />

Vor einem Kampf rief man einst seinen Namen in die Kampfschilde und aus dem<br />

Widerhall versuchte man den Ausgang der Schlacht vorherzusagen.<br />

Thor verleiht nicht nur auf der körperlichen Ebene Kraft. Er wird auch<br />

herbeigerufen, wenn es heißt, Runen zu weihen. "Thor weihe diese Runen" ist ein<br />

beliebter Spruch auf Runensteinen und Amuletten, manchmal reicht auch schon<br />

das Symbol seines Hammers (umgekehrtes T), um die Kraft in den betreffenden<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 31


der runenbrieflehrgang<br />

Spruch zu rufen. Hier begegnen wir einer wichtigen Tatsache: Odin ist zwar schlau<br />

und er hat auch die Runen gefunden, doch es braucht Thor, um ihnen Kraft zu<br />

verleihen.<br />

Wie bei einem solchen Gott auch nicht anders zu erwarten, vermag er Unmengen<br />

zu essen und zu trinken. Sein gewaltiger roter Bart fällt neben seinem jugendlichen<br />

Aussehen und dem stechenden Blick besonders auf.<br />

Der Donnerstag (Donars Tag) ist der ihm geheiligte Wochentag, an dem er öfters<br />

zusammen mit Frigg auf die Erde kommt, um den Menschen einen Besuch<br />

abzustatten und vielleicht auch ab und an mal ein Bierchen mit ihnen zu trinken.<br />

(Esoteriker mag er übrigens nicht!)<br />

Alle Götter bewegen sich auf Pferden zur Ratsversammlung, nur Thor zieht es vor,<br />

auf seinen eigenen Beinen zu stehen.<br />

Mythologisch können wir Thor mit dem keltischen Taranis oder dem indischen<br />

Indra vergleichen.<br />

Orte und Plätze, wie Donnersdorf oder Donnersberg verweisen uns auf den Sohn<br />

der Erde und seine Kraft ist dort besonders gut zu spüren.<br />

Wenn es am Himmel blitzt und donnert, dann heißt es im Volksmund, Thor sei<br />

wieder mit seinem Wagen unterwegs. Beachtlich dabei erscheint mir, daß ein<br />

Gewitter, ebenso wie ein Wutausbruch, reinigende Funktion hat und Thor ja<br />

gegen die Feinde der Welt agiert.<br />

Thor ist der Freund und Beschützer des einfachen Volkes. Menschen, die Heavy<br />

Metal oder Beethovens Fünfte mögen sind ihm lieber, als "Gandhis die noch nicht<br />

aus den Windeln heraus sind".<br />

Wenn Dir Thor aus einer mißlichen Lage geholfen hat, sollte für ihn mindestens<br />

ein gutes Essen und ein großes Bier bereit stehen!<br />

In folgenden Edda Liedern kannst Du mehr über Thor erfahren: Völuspa,<br />

Grimnismal, Harbardsljod, Hymskvida, Ägisdrecka (Lokasenna), Thrymskvida,<br />

Alvissmal, Gylfaginning, Skaldskarparmal.<br />

Thors Beziehung zur Rune Thurisaz kann wie folgt erklärt werden: Er ist der<br />

Kraftgott und kämpft gegen die Riesen. Die Riesen vertreten u.a. die<br />

Elementargewalten und werden im Futhark durch Thurisaz repräsentiert. Thor<br />

kämpft gegen Thurisaz = Er besitzt die gleiche Kraft und kann mit der Riesenkraft<br />

Thurisaz umgehen. Für uns Menschen braucht es dafür schon einige Erfahrung,<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 32


der runenbrieflehrgang<br />

sonst ist sie eine Nummer zu groß. Wer mit dem "Hammer" nicht umgehen kann,<br />

sollte lieber die Finger davon lassen, sonst haut er sich auf die mentalen<br />

Fingerchen und vor diesem Schaden kann man sich mit einer gesunden<br />

Selbsteinschätzung durchaus bewahren.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 33


ANSUZ<br />

der runenbrieflehrgang<br />

Lautwert: A Zahlenwert: 4<br />

Traditionelle Bedeutung:<br />

Ein Gott oder Ase<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

Ansuz ist die vierte Rune des<br />

Futhark.<br />

Assoziationskette:<br />

Ase Atem Götteratem Geist Ond<br />

(isländisch: Atem) Lebensatem<br />

Buris Sohn zeugt zusammen mit der Riesin Bestla die Göttertrias Odin, Vili und<br />

Ve. Somit treten nach den Riesen die Götter auf den Plan der Weltgeschichte.<br />

Ansuz steht für die Asen, deren höchster Odin ist. (Dies ist übrigens nicht überall<br />

in der germanischen Welt so. Manchmal steht Tyr an der Spitze, manchmal Thor<br />

dies ist von Region zu Region verschieden und auch eine Frage der Zeit, denn von<br />

Anfang an, steht Odin nicht an der Spitze der Götter. Ursprünglich stand einmal<br />

Tyr dort und wurde später durch Odin verdrängt. Diese Tatsache läßt darauf<br />

schließen, daß die Quellen ziemlich jung sind. Dies ist in der Tat so, denn die<br />

Edda wurde 1200 niedergeschrieben. Trotzdem passen die Zuordnungen des<br />

Futhark was mich selbst erstaunt.) Und Odin ist es schließlich auch, der im<br />

späteren Verlauf der Geschichte, den ersten Menschen den Atem verleihen wird<br />

und dieser Atem heißt im Isländischen "Ond". In Indien nennt man ihn Prana,<br />

manche deutsche Mystiker nannten es Od und im allgemeinen heißt die<br />

Lebensenergie auch heute noch in Deutschland Atem. xviii<br />

Ansuz steht also in enger Verbindung mit den Asen und somit Odin. Edred<br />

Thorson sieht in der Form der Ansuz Rune den wehenden Umhang des Gottes<br />

Odin. Die Asen spenden uns den Atem, die Luft zum Leben und die Luft des<br />

Lebens.<br />

Was Thurisaz fesselt, kann Ansuz lösen. So heißt es im Runengedicht Odins:<br />

Ein viertes weiß ich, wenn der Feind mir schlägt<br />

In Bande die Bogen der Glieder,<br />

So bald ich es singe, so bin ich ledig,<br />

Von den Füßen fällt mir die Fessel,<br />

Der Haft von den Händen.<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 34


der runenbrieflehrgang<br />

Somit ist es uns mit dieser Rune möglich, uns aus den Fesseln der eigenen Ängste<br />

zu befreien, um dem Erkenne Dich selbst näherzukommen. Selbstverständlich ist die<br />

Ansuz Rune auch das rechte Gegengift gegen einen Thurisaz-Heerfessel-Angriff.<br />

Die beiden Runen halten sozusagen das kosmische Gleichgewicht aufrecht. Ansuz<br />

als Prinzip der Ordnung und Thurisaz als Prinzip des Chaos. So verwundert es<br />

auch nicht das Odin, welcher ja von den Riesen abstammt, oft selbst als Gott des<br />

Chaos auftritt und er sich immer mit einem Fuß am Abgrund der sogenannten<br />

Legalität bewegt. Odin gleicht in vielem dem Merkur, dem Gott der Händler. So<br />

steht Odin auch für die Kommunikation und die Beseelung der Welt durch das<br />

Wort. Wenn man Dinge beim Namen nennen kann, verlieren sie ihre Macht und<br />

Wirkung. Dies ist bei Wesen der Anderswelt genauso wie bei psychosomatischen<br />

Krankheitsbildern.<br />

Ansuz steht für den Geist, für den „spirit“ wie man auf modern new-age-Deutsch<br />

zu sagen pflegt: Nach dem Einzug des Willens folgt nun die Inspiration durch den<br />

Geist.<br />

Ebenso wie Ansuz mit Odin in Verbindung steht, gibt es auch eine Verbindung<br />

zwischen dieser Rune und dem Ur-Gott-Wesen Buri. Die Kuh Audhumla hat Buri<br />

aus dem Eis geschleckt. Es muß also schon vorher dagewesen sein! Buri verkörpert<br />

das All-Seiende und somit Ansuz. Denn der Lebensatem der Götter ist ebenfalls<br />

vor allem anderen bereits da. Buri wäre somit der Ur-Vertreter der Ansuz Kraft<br />

und Odin ihr heutiger Verteiler, wenn man es so nennen will. Buri ist Androgyn -<br />

der Lebensatem ist neutral.<br />

Eine wichtige Funktion von Ansuz ist neben der Befreiung aus verschiedenen<br />

Fesseln, die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit den Göttern. Wenn wir uns in<br />

einer verzwickten Situation befinden fangen wir manchmal an zu beten - dieses<br />

Beten ist eine Kontaktaufnahme und wir bekommen auch in der Regel durch die<br />

Ansuz-Kraft geholfen. Kosmische Inspiration durchflutet uns in diesem<br />

Augenblick und hilft uns aus dem Schlamassel heraus. Über die Ansuz Rune<br />

können wir Kontakt zu den Göttern und zur Geschichte unseres Volkes (Wurzeln<br />

des eigenen Seins) aufnehmen. Ob in Form von Gebet oder Meditation ist hier<br />

nicht von Bedeutung.<br />

Fehu und Ansuz stehen in einer engen Beziehung zueinander. Fehu repräsentiert<br />

das kosmische Feuer, die chaotische Energie des Lebens und Ansuz steht für das<br />

geistige Feuer des Lebensatems.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 35


der runenbrieflehrgang<br />

Bei der magischen Arbeit können wir Ansuz benutzen, um Kontakt mit unseren<br />

Vorfahren (auch unsere Götter sind unsere Vorfahren) aufzunehmen, um zu den<br />

Quellen unseres alten Wissens zurück zu gelangen. Ebenfalls, wenn wir uns bei der<br />

Arbeit, der Hilfe, der weisen Götter bedienen wollen, kommt diese Rune zum<br />

Einsatz. xix Sie kann auch als Lebensretter-Rune dienen. Kommen wir z.B. auf der<br />

Autobahn an einem schweren Verkehrsunfall vorbei, dann ist es Zeit Ansuz zu<br />

projezieren und die Hilfe der Götter zu gewährleisten und zu unterstützen.<br />

Eines der Elemente Odins ist der Wind; so kann Ansuz dazu verwendet werden,<br />

den Wind zu besänftigen oder ihn zu rufen. Dies ist neben der tatsächlichen<br />

Bedeutung auch bildlich zu verstehen: Dann wenn es Zeit für frische Luft ist, kommt<br />

Ansuz zum Zuge.<br />

Im negativen Sinne kann diese Rune auch dazu verwandt werden, einem<br />

Lebewesen den Atem zu nehmen. Dazu finden noch weitere Runen eine<br />

Verwendung, sodaß sich eine wirkungsvolle Binderune ergibt. Den Atem nehmen<br />

bedeutet im Kleinen: Jemanden zum Schweigen bringen und im Großen,<br />

jemandem das Leben, bzw. die geistige Kraft nehmen.<br />

Hier empfiehlt sich wieder eine Runenstellung. Man steht dafür aufrecht, streckt<br />

die Arme nach vorne und läßt sie, ähnlich dem runische Vorbild etwas nach<br />

unten sinken; dabei ist der linke Arm tiefer, als der rechte. Das Gesicht ist dabei<br />

gegen Osten gerichtet.<br />

Die aufgenommene Kraft kann zur Steigerung hellseherischer Fähigkeiten, der<br />

Überzeugungskraft, Suggestion und Hypnose, sowie zur Kommunikation mit den<br />

Göttern eingesetzt werden. xx<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 36


der runenbrieflehrgang<br />

Odin - Wotan und seine Beziehungen zur Rune Ansuz<br />

ODIN - <strong>DER</strong> WÜTENDE WEISE<br />

Versucht man diesen Gott in seiner Bedeutung festzulegen, fährt man sich<br />

unweigerlich fest: Odin/Wotan läßt sich nicht katalogisieren und mit<br />

standardisierter Logik kommt man ihm nicht näher. Er entzieht sich und zeigt uns<br />

einen ganz anderen, neuen Aspekt seiner vielfältigen Persönlichkeit. Seine über<br />

einhundertsechzig Nebennamen vermitteln einen Eindruck, seiner vielschichtigen<br />

Persönlichkeit, denn jeder dieser Namen steht für einen eigenständigen Aspekt<br />

Odins.<br />

Es ist anzunehmen, daß es sich bei dem Namen Odin/Wotan nicht nur um den<br />

Namen eines Gottes gehandelt hat, sondern auch um einen Godentitel. Diesem<br />

Phänomen begegnen wir auch beim britannischen Merlin. Aus dieser Sichtweise<br />

heraus erklären sich die in der Edda beschriebenen Initiationsriten, welche mit<br />

Odin in Verbindung stehen.<br />

DEORUM MAXIME MERCURIUM COLUNT, CUI CERTIS DIEBUS HUMANIS<br />

QUOQUE HOSTIIS LITARE FAS HABENT. (HERCULEM ET) MARTEM<br />

COCESSIS ANIMALIBUS PLACANT. (Von den Göttern verehren sie ((die<br />

Germanen)) am meisten Mercurius. Sie halten es für recht, ihm an bestimmten<br />

Tagen auch Menschenopfer darzubringen. Den (Hercules und) Mars suchen sie<br />

durch Opferung gnädig zu stimmen.) Dies schreibt Tacitus in seiner<br />

Betrachtung Germaniens. Mercurius steht für Odin; Hercules für Thor; Mars für<br />

Tyr.<br />

Würde sich Odin so leicht begreifen lassen wie der römische Merkur, hätten wir es<br />

leicht, doch er entwindet sich noch viel geschickter einer eindeutigen Erscheinung.<br />

Kein Wunder bei einem so luftigen Gott.<br />

Auf dem Greinberg, bei Miltenberg, fand man zwei Weihinschriften für<br />

MERCURIUS CIMBRIANUS, ebenso auf dem Heiligenberg, bei Heidelberg, eine<br />

Inschrift für MERCURIO CIMBRIO. Desweiteren begegnen wir im<br />

südgermanischen Raum noch den Variationen: MERCURIUS GEBRINIUS und<br />

MERCURIUS ARVERNUS. Hier standen sich keltischer, germanischer und<br />

römischer Glaube sehr nah: Es ist die Gegend der "Heiligen Hochzeit" der alten<br />

Religionen, zwischen Nord und Süd. Die Verbreitung des Odinkultes erstreckte<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 37


der runenbrieflehrgang<br />

sich vom hohen Norden bis tief in den Süden, wenn sich auch nicht so viele<br />

augenscheinliche Zeugnisse finden lassen.<br />

Im Wochentag Mittwoch (Mercurii dies, Wuotanestac, Wodnesdaez, Wednesday,<br />

Wodenesdag, auch Godensdag, Gaunsdag, Woensdag und Odinsdagr) begegnen<br />

wir Odin wieder. Im südgermanischen Raum heißt dieser Gott Wotan, Wuotan,<br />

Godan; im nordgermanischen Raum Odin. Wuotan erinnert uns an die Wut, das<br />

Wüten, den ekstatischen Kampf, das Heulen des Herbststurmes, die Ekstase als<br />

Mittel zur Erkenntnis anderer Welten schlechthin. Die Christen erklärten den<br />

Mittwoch zu einem Unglückstag, was vielleicht darauf hinweist, daß dieser Tag<br />

eng mit dem Kult Odins zusammenhing. Ortsnamen wie Wodansberg oder<br />

Godesberg begründen sich in Deutschland auf Odin; im Norden finden wir:<br />

Odenslanda, Odense, Onsala, Odinsland, Odinshargh und so weiter.<br />

Im altenglischen Neunkräutersegen heißt es:<br />

Wyrm com snican<br />

toslat he man,<br />

da zenam Woden<br />

VIIII wuldortanas,<br />

sloh da naeddran<br />

thaet heo on VIIII tofelah.<br />

Übersetzung: Ein Wurm kam geschlichen und zerriß einen Mann, da nahm<br />

Wodan neun Machtstäbe, schlug damit die Natter, so daß sie in neun Stücke<br />

auseinanderflog.<br />

Hier begegnen wir Odin als kraftvollem Zauberer im Kampf mit einem Drachen,<br />

respektive den negativen Kräften der Erdstrahlung.<br />

Ebenso treffen wir im II. Merseburger Zauberspruch auf Wotan:<br />

Phol ende Uuodan<br />

vuorun zu holza;<br />

dû uuart demo balderes volon<br />

sîn vuoz birenkit.<br />

Thû biguolen Sinhtgunt,<br />

Sunna era suister;<br />

thû biguolen Friia,<br />

Volla era suister;<br />

thû biguolen Uuodan,<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 38


der runenbrieflehrgang<br />

sô hê uuola conda:<br />

sôse bluotrenkî<br />

sôse lidirenkî;<br />

bên zu bêna,<br />

bluot zu bluoda,<br />

lid zi geliden,<br />

sôse gelîmida sîn!<br />

Übersetzung: Phol und Wodan ritten zum Wald; da verstauchte des Herren (oder<br />

Balders) Füllen den Fuß. Da besprach Sinhtgunt, und ihre Schwester Sunna; da<br />

besprach Friia und Volla ihre Schwester; da besprach Wodan, wie er das gut<br />

verstand, sowohl Knochenverrenkung, wie Aderverrenkung, wie<br />

Gliederverrenkung; Knochen zu Knochen, Ader zu Ader, Glied zu Gliedern, als<br />

seien sie geleimt.<br />

Hier versteht es Wotan vorzüglich mit einem Pferd umzugehen, was nicht<br />

verwundert, da er gerade zu diesen Tieren eine innige Beziehung hat. Sleipnir, sein<br />

achtfüßiges Roß steht für alle anderen Vertreter dieser Gattung mit nur vier<br />

Läufen. Sleipnir steht mit dem Element des Windes (8 Windrichtungen) in engem<br />

Zusammenhang, ebenso wie sein Herr, der als Anführer der Wilden Jagd mit dem<br />

Sturm übers Land zieht. Bei der wilden Jagd begegnen wir auch dem damals<br />

gepflegten Wolfskult. Man kleidete sich in Tierhäute (meistens Wolfsfelle) und zog<br />

rituell unter der Anführung des Gottes Odin im Spätherbst durch Wälder und<br />

Felder. In den Sagen über die Wilde Jagd wird meistens von angsteinflößenden<br />

Lauten berichtet, was wohl auf die ekstatischen Schreie und Lieder der Wolfsleute<br />

zurückzuführen ist.<br />

Betrachtet man diesen Gott oberflächlich, erkennt man nur seine Bedeutung als<br />

Kriegsgott. Er herrscht über Walhall, der Wohnstatt der Gefallenen die im Heer<br />

der Einherjer tagsüber kämpfen und am Abend berauschende, von Met triefende<br />

Stunden verbringen. Für ihre Unterhaltung und ihr Auskommen hat der<br />

Heervater trefflich gesorgt, denn schließlich werden es die Einherjer sein, die an<br />

seiner Seite in den Kampf zum Ragnarok ziehen. Die Einherjer sollten die<br />

Schutzmacht gegen die Ausbreitung des Christentums sein, doch damals ist es<br />

ihnen nicht gelungen siegreich aus dem Kampf hervorzugehen. Vielleicht bringen<br />

neue Zeiten einen ruhmreicheren Ausgang mit sich...<br />

Die Krieger unserer Ahnen weihten sich durch eine symbolische Speermerkung<br />

Odin und blieben ihm auch nach dem Tode treu. Dieses Kriegerparadies ist für die<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 39


der runenbrieflehrgang<br />

Zeit der Vikings besonders wichtig und es galt als ehrlos, nicht im Kampf gefallen<br />

zu sein, denn nur die im Kampf gefallenen Krieger hatten eine Chance in Walhall<br />

aufgenommen zu werden; viele brachten sich auch noch kurz vor dem Tod<br />

Kampfverletzungen bei, um in diesen wundersamen Himmel zu gelangen.<br />

Neben der Bedeutung als Kriegsgott, treffen wir bei gründlicher Suche, auf weitere<br />

Aspekte dieses Gottes. Zunächst ist er der höchste Gott der Germanen (wenn man<br />

ihn heute auch zusammen mit Tyr und Thor an die Spitze stellt) und somit<br />

Speergott. Er besitzt den Speer Gungnir, auf dessen Spitze Runen eingeritzt sind<br />

und den er zuweilen einem auserkorenen Helden ausleiht. Der Speer wurde als<br />

Rechtssymbol in der Mitte des Thingplatzes aufgerichtet und blieb bis in spätere<br />

Zeit Sinnbild königlicher Macht.<br />

Weiters ist Odin Gott der Dichter. Er soll sich sogar selbst nur in poetischer Form<br />

ausdrücken. Er hat den Skaldenmet (Dichtermet) erworben und ihn den<br />

Menschen gespendet. Vom Met ist es nicht weit bis zur Ekstase und so heißt es bei<br />

Adam von Bremen: "Wodan, id est furor." Er meint damit die Kriegswut, den<br />

Blutrausch der Berserker und mancher Wolfshäuter. Doch als ekstatischer Gott<br />

herrscht er nicht nur über die Ekstase des Kampfes, sondern auch über die Ekstase<br />

zur Erlangung mystischer Geheimnisse. Hierbei wird die erwünschte Erregung des<br />

Nervensystems oft durch den Genuß gewisser Gifte (z.B. Fliegenpilz) gefördert. Es<br />

geht selbstverständlich auch um die Ekstase beim Liebesspiel und im Tanz, welche<br />

uns in höhere Ebenen des Bewußtseins katapultieren kann, vorausgesetzt wir<br />

lassen uns darauf ein.<br />

Unter den Göttern ist Odin der große Zauberer. Er hat die Runen gefunden,<br />

Werkzeuge der Magie und der Schrift und in der Edda werden uns mehrere<br />

Einweihungsrituale überliefert.<br />

Odin ist der wissende, listige Gott, er beherrscht Liebeszauber, die<br />

Totenbeschwörung und die Fähigkeit, seine Gestalt und Erscheinung zu<br />

verwandeln. Er ist der Schamane unter den Göttern. Er hat den Menschen die<br />

"hugruna" gebracht, sie mit einem klugen Verstand ausgestattet.<br />

Sein umfassendes Wissen bezieht er von Mimirs Haupt oder durch das Trinken<br />

aus Mimirs Quelle. Um dieses Wissen zu erlangen, (aus der Quelle trinken zu<br />

dürfen) mußte er sein linkes Auge opfern. Er richtet somit seinen Blick für das<br />

ganzheitliche Denken nach innen und erlangte Weisheit. Den größten Teil seines<br />

Wissens hat er jedoch von den Göttinnen Frigg und Freyja beigebracht<br />

bekommen, sowie ihm auch die Völvas öfters aus der Patsche halfen.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 40


der runenbrieflehrgang<br />

Neben seinen vielen Namen erstaunt einen auch die Vielzahl seiner Tiere. Diese<br />

Totemtiere sind astrale Sig<strong>net</strong>s eines Gottes, welche wir Menschen uns als<br />

Krafttiere aneignen können, um unter anderem mit bestimmten Aspekten des<br />

Gottes in Kontakt zu kommen. An vorderster Stelle stehen bei Odin Wolf und<br />

Rabe, beides "Leichentiere" die die Gefallenen "nach Hause bringen". Der Wolf<br />

steht auch für das Rudel, den familiären Zusammenhalt und den Grauen Weg<br />

unserer Tradition, dem Weg fern jeglicher Polarität. Der Rabe ist ein Vogel der<br />

Weisheit und Bote der Anderswelt. Weitere Tiere mit denen Odin in engem<br />

Zusammenhang steht, sind: Pferd, Adler, Habicht, Schlange, Bär, Ochse, Eber<br />

und Bock. Auf die spezielle Bedeutung dieser Totemtiere gehe ich an anderer<br />

Stelle ein.<br />

In der alten Astrologie hieß der Große Wagen "Woenswagen", also<br />

Wodanswagen. Seine hervorstechende Eigenschaft als Pferdegott brachte eine<br />

Verbindung zum Wagengott mit sich.<br />

Schauen wir uns nun seine Familienverhältnisse an: Sein Vater war Burr, seine<br />

Mutter Bestla. Geschwister hat er auch und zwar Vili und Ve. Seine Frau ist<br />

Frigg. Doch nicht all seine Kinder erhielt er von ihr: Balder zeugte er mit Frigg;<br />

Thor mit Njörd; Vali mit Rindr. Snorri nennt auch Heimdall, Tyr, Bragi, Vidar<br />

und Hödr Kinder Odins, doch dürfte dies eine moderne mythologische Anpassung<br />

sein.<br />

Seine Wohnstatt in Asgard ist Hlidskjalf, von wo aus er die ganze Welt<br />

überblicken kann.<br />

Seine Erscheinung kann folgendermaßen beschrieben werden: Leichtgewichtig,<br />

listiges Gesicht, langer, grauer Bart. Er trägt einen großen breitkrempigen<br />

schwarzen Hut, welchen er über sein linkes, geopfertes Auge zu ziehen pflegt,<br />

einen langen blauen Mantel und wenn er unterwegs ist trägt er seinen Stab bei<br />

sich, manchmal auch seinen Speer. Auf Wanderschaft ist er mit seinen Wölfen<br />

und den beiden Raben Hugin und Munin, welche ihm jeden Morgen von den<br />

Geschehnissen auf der Erde berichten. (Diese beiden Raben können dem<br />

Kundigen hervorragende Hilfe bei Geistreisen bieten!)<br />

Wenn Odin nicht gerade auf Wanderschaft ist, dann reitet er auf Sleipnir. Neben<br />

dem Speer gehört auch der Ring Draupnir zu seinen Attributen, welchen er vom<br />

Zwerg Brock bekommen hat und von dem, in jeder neunten Nacht, acht neue<br />

Ringe abtropfen. Eine Erinnerung an den alten Kalender nach Mondzyklen.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 41


der runenbrieflehrgang<br />

Odin ist der listige Landstreicher, der sich durch das Leben schlägt und so manche<br />

Weisheit hinter der Hutkrempe versteckt hält. Er ist der Zeitungsverkäufer, ebenso<br />

wie der Redakteur. Er ist der Alchemist und Hexer, der Philosoph und<br />

Straßenfeger. Er ist der Schamane und Meister im Umgang mit Tieren und noch<br />

vieles mehr - er begeg<strong>net</strong> uns Menschen immer in einer Erscheinung, hinter der<br />

wir ihn nicht vermuten.<br />

Bei der magischen Arbeit vermag er in den Spezialgebieten Runenkunde,<br />

Mythologie, Dichtkunst, Kommunikation, Gestaltwandel, schamanistischen<br />

Reisen, Kampf, Strategie und Verteidigung, sowie bei Heilung und Verführung<br />

helfen. man könnte ihn als Allroundgod betiteln: Dichtergott, Totengott,<br />

Kriegsgott, Gott der Magie, der Runen, der Ekstase, der Diebe, Händler, Ärzte<br />

und vielen Anderen mehr.<br />

Die Rune Ansuz steht für seinen Aspekt als Lehrer uns sein Lieblingselement den<br />

Wind. Die Rune Ehwaz steht für sein Pferd Sleipnir und Othala steht für ihn als<br />

Sig<strong>net</strong> der, unter seiner geistigen Führung stehenden, Stammesgemeinschaft und<br />

deren magische Bindung an ihn (Zauberknoten).<br />

Odins Bedeutung für die heutige Zeit sehe ich in seinem großartigen Mysterium<br />

des Gestaltwandels. Wer sich und seinen Lebensweg diesem Gott weiht, dem wird<br />

es mit Sicherheit aus keiner Ebene des Seins langweilig. xxi<br />

Es gäbe noch unendlich viel über diesen großartigen Gott zu berichten. Um sein<br />

Mysterium wirklich zu verstehen, muß sich jedoch jeder selbst auf den odinischen<br />

Weg begeben und als Einstieg empfehle ich folgende Lieder der Edda: Völuspa,<br />

Grimnismal, Hrafnagaldr Odins, Harbardsljod, Vafthrudnismal, Gylfaginning und<br />

Skaldskarparmal.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 42


RAIDHO<br />

der runenbrieflehrgang<br />

Raidho ist die fünfte Rune des<br />

Futhark.<br />

Lautwert : R Zahlenwert : 5<br />

Traditionelle Bedeutung: Reiten Assoziationskette: Reiten - Reisen -<br />

Raten - Richten - Ritter - Raunen -<br />

Rhythmus - Ritual - Religion<br />

Raidho ist die Rune des Rhythmus. In der Völuspa, Vers 5. + 6. heißt es hierzu:<br />

Die Sonne von Süden, des Mondes Gesellin,<br />

Hielt mit der rechten Hand die Himmelsrosse.<br />

Sonne wußte nicht wo sie Sitz hätte,<br />

Mond wußte nicht was er Macht hätte,<br />

Die Sterne wußten nicht wo sie Stätte hätten.<br />

Da gingen die Berater zu den Richterstühlen,<br />

Hochheilge Götter hielten Rat.<br />

Der Nacht und dem Neumond gaben sie Namen,<br />

Hießen Morgen und Mitte des Tages,<br />

Under und Abend, die Zeiten zu ordnen.<br />

Bisher war durch Ansuz zwar schon etwas Ordnung in das Schöpfungschaos<br />

gekommen, doch es fehlte noch die Qualität der Zeit. Erst dadurch konnte sich<br />

alles "seinem Plan gemäß" entwickeln. Inzwischen war ja durch die Götter die<br />

Welt aus Ymirs Leib erschaffen und es war an der Zeit sie zu gestalten und zu<br />

beleben. In diesem Zusammenhang sei an dieser Stelle noch auf die Bedeutung der<br />

Zwerge hingewiesen, die einen größeren Stellenwert haben, als ihnen allgemein<br />

zugemessen wird. Schließlich schmieden sie Schmuckstücke und schaffen<br />

Kunstwerke wie das Boot des Vanen-Gottes Freyr. Sie entstanden als Maden in<br />

des toten Ymir Leib, d.h. sie lebten später in der Erde und ihr Geist war bereits<br />

seit Urzeiten vorhanden. xxii<br />

Die Götter setzten also Sonne, Mond und Sterne an ihren Platz und bestimmten<br />

ihren Lauf, damit man Jahr und Tag messen könne. Raidho, manchmal auch als<br />

Rad interpretiert, steht für das Jahresrad mit seinen 8 Jahresfesten. Vergleiche<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 43


der runenbrieflehrgang<br />

hierzu auch: die 8 Himmelsrichtungen, die 8 Runen eines Aett, die 8 Beine des<br />

Odinpferdes Sleipnir und das sonstige Auftauchen der Zahl 8 in Mythos und<br />

Alltag.<br />

(Diese 8 Feste sind zwar heutzutage in heidnischen Kreisen durchaus bekannt,<br />

doch besteht Zweifel, ob dies im Norden ebenfalls so war, da ja die geographische<br />

Lage völlig andere Verhältnisse an den Tag legt.)<br />

Das Rad des Jahres wie es in unseren Breiten heute Verwendung findet:<br />

1. SAMHAIN, FRAU HOLLE ca. 31.l0.(Jahresanfang)<br />

2. JULFEST ca. 20.-23.12.<br />

3. LICHTMESS ca. 2.2.<br />

4. OSTARA ca. 20.-23.3.<br />

5. MAIFEST, WALPURGIS 30.4.<br />

6. LITHA, SOMMERSONNENWEND ca. 20.-23.6.<br />

7. SCHNITTERFEST 1.8.<br />

8. MABON ca. 20.-23.9.<br />

(2) + (6) sind die Sonnenwenden; (4) + (8) die Äquinoktien<br />

Dieses durch Raidho symbolisierte Rad können wir auch als Rad des<br />

Sonnenwagens deuten. Vom Rad kommen wir auf den Rat, den Rat der Götter<br />

und der Menschen mit ihrem dafür eingesetzten Richter. Durch diesen Rat der<br />

Götter wird die Ordnung der Welt aufrechterhalten.<br />

Der richtende Aspekt der Raidho-Rune entsteht durch die Verbindung zwischen<br />

Rhythmus/Ordnung und ausgewogener Gerechtigkeit. In der Divination mit<br />

Runen begeg<strong>net</strong> uns zum Beispiel eine aufrechte Raidho-Rune für "richtig", Du<br />

bist auf dem "richtigen Weg" und eine umgekehrte Raidho-Rune für "falsch", Du<br />

solltest Deinen Weg nochmals überdenken. Unter den Menschen findet der Rat<br />

der Götter im Thing Anwendung, auf das wir an anderer Stelle noch zu sprechen<br />

kommen.<br />

Ein Pferd hört man schon von weitem kommen, man erkennt dessen<br />

Geschwindigkeit am Rhythmus des Hufschlags. Somit wären wir bei der<br />

Bedeutung der Raidho-Rune in Bezug auf das Reiten, eine der wichtigsten<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 44


der runenbrieflehrgang<br />

Fortbewegungsmethoden früherer Zeiten. Das Pferd ist ja seit seiner<br />

Domestizierung ein Freund des Menschen und es gibt wohl wenig Tiere mit denen<br />

man eine so innige "menschliche" Beziehung aufbauen kann, wie mit Pferden.<br />

Wichtig beim Reiten ist der Einsatz des eigenen Willens, denn wenn das Pferd<br />

bemerkt, daß man diesen verliert, wird es einem mit seinem eigenen Willen<br />

durchgehen. Raidho hat also auch etwas mit der Kontrolle des Weges durch den<br />

eigenen Willen zu tun!<br />

Hier hällt sozusagen die Struktur in das menschliche Leben einzug. Nach dem<br />

Willen und dem Geist formt sich nun der Rhythmus einer Struktur heraus und<br />

kann Anwendung finden.<br />

Es geht bei dieser Rune jedoch nur um die Symbolik oder die Tätigkeit des Reitens<br />

und nicht um das Pferd. Dieses kommt erst im letzten Aett zum Zuge. Raidho<br />

steht mit dem Prinzip der Fortbewegung in Verbindung und dank des Laufes der<br />

Zeit können wir uns bewegen, ohne den Ort zu verlassen. Die Zeit wird zum<br />

Transportmittel der Entwicklung.<br />

Mit dem Raunen der Runen können wir verändernd in den Rhythmus des Lebens<br />

einwirken. Das Raunen der Runen gehört auch zum Ritual, welches hier als eine<br />

rhythmische Abfolge von magischen Handlungen steht, mit der wir die<br />

Persönlichkeit und somit die Umwelt verändern können (Wie Innen - so Außen).<br />

Mit dem Rhythmus der Rituale wären wir wieder bei den Jahresfesten. xxiii<br />

Um den Sinn von Ritualen zu verstehen, ist es gut sich mit den unterschiedlichen<br />

Energien des Jahres und der Himmelsrichtungen vertraut zu machen. Diese<br />

können sinnvoll auf die Veränderung unseres Bewußtseins angewandt werden.<br />

Rhythmus und Ritual führen uns zur Religion: Zur Verbindung des Alltags mit<br />

dem Rhythmus des kosmischen (Er)-Lebens - auch damit steht Raidho in<br />

Verbindung.<br />

Kommen wir nun zu der magischen Anwendbarkeit von Raidho:<br />

Ein fünftes kann ich: fliegt ein Pfeil gefährdend<br />

Übers Heer daher,<br />

Wie hurtig er auch fliege, ich mag ihn hemmen,<br />

Erschau ich ihn nur mit der Sehe.<br />

... heißt es in Odins Runengedicht. Odin meint in diesem Lied, die Veränderung<br />

des Rhythmus (des kosmischen Taktes, könnte man vielleicht treffender sagen.)<br />

durch anwenden einer umgekehrten Raidho-Rune mit "der Sehe", dem Blick.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 45


der runenbrieflehrgang<br />

Somit verliert der Pfeil, durch die längere Zeit welche er braucht an Schwung und<br />

fällt schließlich zu Boden, ohne sein Ziel erreicht zu haben. Dieses Bild, in den<br />

magischen Bereich übertragen, zeigt uns den Pfeil als Zauber. Mit Raidho können<br />

wir die Zeit verändern und uns "an einen anderen Ort in der Zeit" versetzen.<br />

(Raidho = Reiten) Da wir uns denn an einem anderen Ort aufhalten, schlägt der<br />

magische Pfeil zwar ein, vermag aber nichts auszurichten.<br />

Raidho in Verbindung mit der 19. Rune Ehwaz gebracht, versetzt uns in die Lage,<br />

Reisen in Raum und Zeit zu unternehmen. Ob es dabei in die Ober- oder<br />

Unterwelt gehen soll, bestimmen wir durch eine weitere Rune. Wir setzen uns mit<br />

dieser Kombination sozusagen auf ein Geisterpferd, welches übrigens acht Beine<br />

hat...<br />

Da Raidho ganz wesentlich mit dem Rhythmus des Lebens zusammenhängt<br />

können wir diese Rune natürlich dazu verwenden, wieder in diesen Rhythmus zu<br />

kommen und dann zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, was wiederum die<br />

Wunder des Lebens ermöglicht. Durch Raidho können wir uns den Lebensweg<br />

ebnen, da wir die Stolpersteine nicht mehr treffen. Durch die Raidho-Kraft<br />

werden wir zum Ritter unseres Lebensweges, wir reiten selbst und werden nicht<br />

geritten. Raidho beschützt das Reisen. Alles, was wir mit dem Reisen in<br />

Verbindung bringen können, trifft meist auch auf Raidho zu. Die negativen<br />

Aspekte von Raidho sind: Stagnation, Unbeweglichkeit, Verlieren des Rhythmus,<br />

bzw. die Kontrolle über das "Pferd". Somit kann man die dunkle Seite der Rune<br />

auch benutzen, um jemandem "vom Hohen Roß" zu werfen.<br />

Auf eine Runenstellung können wir verzichten. Eine geeig<strong>net</strong>e Meditation zu<br />

Raidho wäre das bewußte Gehen im eigenen Rhythmus; vielleicht mit dem Bild<br />

der Rune im Kopf. xxiv<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 46


KENAZ<br />

der runenbrieflehrgang<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

Kenaz ist die sechste Rune des<br />

Futhark.<br />

Lautwert: K Zahlenwert: 6<br />

Traditionelle Bedeutung: Fackel Assoziationskette: Fackel -<br />

Fackelträger - Licht im Dunkel -<br />

Mondschein - der Mond - Mani,<br />

Bruder der Sol - Widerschein -<br />

Spiegelung - Reflektieren - Wissen<br />

Die Rune Kenaz wird meistens mit Feuer in Verbindung gebracht, was sich wohl<br />

größtenteils auf die Übersetzung des Wortes begründet. Die Übersetzungen des<br />

Wortes Kenaz sind vielfältig und auch etwas irreführend: So heißt es bei den<br />

Einen Fackel, bei den anderen Kienspan und manchmal sogar Geschwür. Welche<br />

Ableitungen man daraus hervorzaubern mag, bleibe jedem selbst überlassen.<br />

Ich sehe diese Rune als ein Symbol für den Mond an. Wenn wir diese Rune<br />

"hinlegen" haben wir die traditionelle, schwimmende Mondbarke wie sie in vielen<br />

Kulturen vorkommt.<br />

Um das Mysterium der Rune Kenaz zu verstehen, müssen wir uns erst die<br />

symbolische Bedeutung des Mondes etwas genauer anschauen. Der Mond ist in<br />

unseren Breitengraden und einigen anderen Kulturen, männlichen Geschlechts.<br />

Das sollte uns zu denken geben, da ja die südländischen Mythen meistens auf eine<br />

weibliche Mondin verweisen. Dies ist bei uns anders und ich möchte auch gleich<br />

ausführen warum. Wir haben es hierbei wahrscheinlich mit einem Überbleibsel<br />

aus einer matrilinearen Kultur zu tun, die zwar den Zusammenhang Mond und<br />

Frau im Zusammenhang mit den weiblichen Zyklen gesehen hat, aber die Göttin<br />

in Form der Sonne verehrte. Denn die Frau war und ist die treibende Kraft. Sie<br />

bringt das Leben in die Welt und sie ist es auch, die ihm Form verleiht.<br />

Symbolisch übertragen heißt das auf Sonne und Mond bezogen: Die Sonne (Frau)<br />

liefert die Energie und das Wissen und der Mond (Mann) verwandelt es und setzt<br />

es um. Er reflektiert das Wissen und die Macht der Frau, um sie in dieser Welt<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 47


der runenbrieflehrgang<br />

materiell in Erscheinung treten zu lassen. Das Sprichwort, daß hinter jedem<br />

großen Mann eine große Frau steht, findet hier seine wahrhaftige Begründung. Da<br />

wir nunmal in einem dualistischen System beheimatet sind ist es sinnvoll diese<br />

Dualitäten auch anzuwenden. Von einer höheren Warte aus betrachtet ist es<br />

natürlich Quatsch, denn Sonne ist männlich und weiblich und ebenso Mond.<br />

Beide Himmelskörper sind sächlich und so kommt es eben auch, daß es in<br />

verschiedenen Kulturen verschiedene Geschlechter für beide gibt. Die Essenz des<br />

Mondes und der Sonne für unser "nördliches" Denken wäre: Die Frau gibt, der<br />

Mann nimmt! Er ist es, der umwandelt, was sie ihm gegeben hat. Das geht<br />

natürlich schwer in unseren, durch das heutige Denken geprägten Intellekt hinein,<br />

da ja angeblich die Frau das schwächere Element sein soll - auch die Wiccas<br />

richten sich nach diesem männlich/weiblich-Muster, obwohl sie die Große Göttin<br />

oben an stellen. Die Frau ist also im Norden nicht das schwächere Element,<br />

sondern das stärkere! Der Mond reflektiert das Licht der Sonne - er spiegelt es<br />

sozusagen wider und um diesen spiegelnden Effekt dreht sich auch das Mysterium<br />

der Kenaz Rune. Reflektieren bedeutet ja auch über etwas nachdenken und es so<br />

mit dem Intellekt zu durchleuchten, sich eine eigene Meinung zu etwas bilden.<br />

Man schafft sich also ein eigenes Bild, welches sich aus der bekommenen<br />

Information und den eigenen Erfahrungen zusammensetzt.<br />

Die Reflektion des Intellekts erleuchtet also unser Bewußtsein, bringt Licht in das<br />

Dunkel des Un(ter)bewußtseins. Ebenso spiegeln sich unsere (unbewußten)<br />

Probleme in unseren Partnern und Mitmenschen wider. Das, was sich in die<br />

Kerker unseres inneren Schlosses zurückgezogen hat, damit wir es nicht mehr als<br />

Teil unserer Persönlichkeit betrachten müssen, taucht immer wieder als Abscheu<br />

erregender Anteil in unserem Gegenüber auf, damit wir uns eines Tages diesen<br />

verdrängten Persönlichkeitsanteil wieder zuwenden können und ihn ans Licht der<br />

Welt bringen. Unsere eigene Unterwelt spiegelt sich in der Oberwelt (hier:<br />

Außenwelt).<br />

Mit einer solchen Spiegelung haben wir es auch in den Schöpfungsmythen zu tun.<br />

Die Götterwelt spiegelt sich in der Menschenwelt: Die Menschen werden nach<br />

dem Vorbild des Göttlichen erschaffen und erscheinen somit als Spiegelbild<br />

dessen. Im Norden fällt ja besonders der nicht vorhandene Trennungsaspekt<br />

zwischen Göttern und Menschen auf - die Stammbäume beginnen meistens mit<br />

einem der Götter, sprich, hier stammen die Menschen direkt von der Gottheit ab<br />

und pflegen somit natürlich auch einen ganz anderen Kontakt untereinander, als<br />

in anderen Religionen. Kenaz steht also für Mani, den Mond und für dessen Art<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 48


der runenbrieflehrgang<br />

der Spiegelung. Die Bedeutung des Feuers bei Kenaz kann man folgendermaßen<br />

ableiten: Wenn man einen Hohlspiegel in die Sonne hält, entsteht im Brennpunkt<br />

sehr große Hitze - da haben wir dann das Feuer. Auf einer alchemistischpsychologischen<br />

Ebene hätten wir dann die Läuterung des Unbewußten durch das<br />

Feuer des bewußten Reflektierens.<br />

Im Runenlied Odins heißt es hierzu:<br />

Ein sechstes kann ich, so wer mich versehrt<br />

Mit harter Wurzel des Holzes:<br />

Den andern allein, der mir es antut,<br />

Verzehrt der Zauber, ich bleibe frei.<br />

Hier erkennen wir nochmals deutlich die Symbolik des Spiegels, denn Odin<br />

schickt mit der Rune Kenaz den Runenzauber wieder zurück zum Absender und<br />

bleibt unversehrt. Dies ist eine weitere Verwendung der Rune Kenaz.<br />

Kommen wir noch einmal zu der Bedeutung der Rune Kenaz als Fackel zurück:<br />

Eine Fackel symbolisiert die kontrollierte und auf einen Punkt konzentrierte<br />

Energie des Feuers. Mit ihr können wir den Weg unseres Lebens erhellen und<br />

somit Wissen erlangen. Wir können mit dieser Fackel uns und anderen Menschen<br />

leuchtend den Weg weisen. Kenaz steht also weiters für die Symbolik und<br />

Anwendbarkeit des Spiegels und die Symbolik, die wir mit einer Fackel in<br />

Verbindung bringen können.<br />

Im magischen Bereich können wir Kenaz zur Abwehr von Runenzaubern<br />

anwenden - dies ist für mich die wichtigste Aufgabe dieser Rune. Es müssen ja<br />

nicht gleich Runenzauber sein, die uns treffen. Manchmal treten auch Energien in<br />

unser Leben, bzw. an uns heran, mit denen wir einfach nichts zu tun haben<br />

wollen: Dann setzen wir Kenaz als Spiegel ein. Mit geringerer Wucht läßt sich<br />

Kenaz auch als Spiegel des Bewußtseins bei anderen Menschen einsetzen. Indem<br />

wir ihre Schattenseiten bewußt spiegeln, zwingen wir sie zur Ehrlichkeit gegenüber<br />

uns und sich selbst. Kenaz ist ein mächtiger Energiespender. Wenn wir<br />

ein Pendel über diese Rune halten, zeich<strong>net</strong> sich folgendes<br />

Energiemuster ab:<br />

Somit spiegelt und verstärkt diese Rune.<br />

Die zwölfte Rune des Futhark setzt sich aus zwei Kenaz-Runen zusammen. Hier<br />

treffen wir auch auf die Zahlensymbolik der Runenreihe. Kenaz = 6 mal 2 = 12<br />

= Jera<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 49


der runenbrieflehrgang<br />

Aus zwei oder vier Kenaz-Runen setzt sich auch die 7.Rune Gebo zusammen,<br />

welche im nächsten Kapitel behandelt wird und die Erschaffung des Menschen,<br />

Midgards und Asgards symbolisiert.<br />

Einer der negativen Aspekte dieser Rune wäre ihre Anwendung als<br />

unerwünschtes, bewußtseinserweiterndes Instrument bei Menschen, die uns nicht<br />

darum gebeten haben. Wir legen ihnen dann sprichwörtlich "Feuer unter dem<br />

Arsch" und sie werden gezwungen mit der freigesetzten Energie etwas in Bewegung<br />

zu setzen. Entweder, sie rennen vor sich selbst und ihren Problemen davon, oder<br />

sie setzen sich tatsächlich mit sich selbst auseinander und Kenaz bekommt die<br />

Bedeutung von "Wer ist die Schönste im ganzen Land...?"<br />

Auch ein noch so gutgemeinter Versuch, einen Menschen auf seinem Weg<br />

weiterzubringen, kann mehr Schaden als Nutzen anrichten, wenn er uns nicht<br />

selbst darum gebeten hat.<br />

Kenaz können wir auch als Runenstellung einsetzen. Dabei stehen wir aufrecht<br />

und strecken den rechten Arm 45° nach oben und den linken Arm um 45° nach<br />

unten. Damit läßt sich die Energie von Kenaz erfühlen und wenn wir Energie in<br />

diese Stellung hineingeben wird es uns möglich, unerwünschte Einflüsse an den<br />

Absender zurückzuschicken.<br />

Kenaz kann auch dafür eingesetzt werden, um Wissen zu erlangen. Dabei spiegelt<br />

es das wieder, was sich im (kollektiven) Unterbewußtsein befindet. Wir bringen<br />

also mit der Fackel Kenaz das innere, verschüttete Wissen ans Tageslicht. Sei es<br />

nun das des kollektiven Unebwußten, wie man es seid Jung zu nennen pflegt, oder<br />

eben das, was schon von Anbeginn unseres Lebens in uns schlummert. xxv<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 50


WAS IST ENERGIE ?<br />

der runenbrieflehrgang<br />

Energie kommt aus der Steckdose: An diesem Beispiel will ich versuchen, die<br />

Irrtümer, welche über positive und negative Energie im Umlauf sind, aufzuklären<br />

und den tatsächlichen Zusammenhängen ans Licht verhelfen.<br />

Der elektrische Strom kommt aus der Steckdose. Wenn wir eine Lampe daran<br />

anschließen, können wir uns in der Dunkelheit das Licht anmachen. Wir können<br />

einen Heizlüfter daran anschließen und die Behausung heizen. Ohne den Strom<br />

aus der Steckdose könnten wir nicht telefonieren, nicht fernsehen und auch kein<br />

Radio hören. Es sieht also so aus, als hätte dieser Strom aus der Steckdose<br />

durchaus positive Eigenschaften.<br />

Mit dem elektrischen Strom kann jedoch genauso die Zündung einer Rakete<br />

gesteuert werden, welche einen atomaren Sprengkopf transportiert und tausende<br />

von Menschenleben in wenigen Sekunden vernichtet. Diese Funktion hat auch<br />

der elektrische Strom. Wenn wir mit bloßen Fingern in die Steckdose greifen,<br />

bekommen wir einen elektrischen Schlag und es tut verdammt weh. Der<br />

elektrische Strom hat also auch negative Eigenschaften. Doch kann der Strom<br />

etwas dafür? Nein! Der Strom ist Strom und es ist ihm egal, was man mit ihm<br />

anstellt. Erst durch die Anwendung durch den Menschen kommt es zur Einteilung<br />

in Gut und Böse!<br />

Bei den Runen-Kräften haben wir es nun auch mit dieser Energie "aus der<br />

Steckdose" zu tun. Hier ist die Steckdose das uns umgebende Universum. Aus<br />

diesem kommt die Energie, dort sitzt sozusagen das Elektrizitätswerk, die<br />

Kosmische Stromversorgungs AG. Diese kosmische Energie ist überall und ohne<br />

sie könnten wir und alle anderen Lebewesen in allen denkbaren Reichen nicht<br />

existieren. Bei den Runen ist es nun so, daß sie unterschiedliche "Verbraucher"<br />

bezeichnen. Sie teilen sich ein in Radiogeräte, mit denen wir Empfangen können;<br />

in Funkgeräte, mit denen wir senden und empfangen können; in atomare<br />

Sprengladungen mit denen wir etwas zerstören können; und so weiter. Wir<br />

können also, dank der Runen, die eine kosmische Energie, für unsere Zwecke<br />

umformen. Sie sind die Transformatoren der Kosmischen Stromversorgungs AG<br />

(KSVAG). Jetzt sind wir aber immer noch nicht in dem Wertungsbereich des<br />

Gut/Böse angelangt. Eine Herdplatte ist eine Herdplatte, und wenn man sich die<br />

Finger daran verbrennt ist man selber schuld. Die Runen beinhalten also genauso<br />

viel positives wie negatives Potential in sich. (Ebenso wie die ursprüngliche<br />

germanische Mythologie, wo Götter, Riesen, Zwerge und Menschen beide Kräfte<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 51


der runenbrieflehrgang<br />

in sich vereinten: Sie waren gut und böse, freundlich und listig - Götter, wie<br />

Menschen!) Durch die Ausgewogenheit des Positiven und Negativen in den<br />

Runen, sind sie Neutral! Dies sind sie jedoch nur solange, wie sie sich in ihrem<br />

Ruhezustand befinden. Sie transformieren zwar die kosmische Energie in<br />

verschiedene Bereiche, doch sie vermögen weder Schaden noch Nutzen zu<br />

erzielen. Erst in dem Moment, in dem der Mensch diese Runen aktiviert, die in<br />

eine bestimmte Richtung lenkt, werden sie Gut oder Böse, denn der Mensch<br />

unterscheidet nach seinen Maßstäben ob etwas Gut oder Böse ist.<br />

Das Paradoxon des dualen Systems ist nun folgendes: Wir können mit einem<br />

Wunsch für einen befreundeten Menschen (positiv) mehr Schaden anrichten, als<br />

mit einem Fluch (negativ).<br />

Was in der runischen Tradition verstanden werden muß ist, daß sich in allen<br />

Dingen und Handlungen die zwei Seiten der Polarität vereinen und zum Ausdruck<br />

kommen können. Ein wohlgemeinter Wunsch enthält positive und negative<br />

Energie. Ein Fluch enthält positive und negative Energie. xxvi Ohne die<br />

Anwesenheit beider Polaritäten kann nichts existieren! Somit gibt es kein reines<br />

Gutes und kein reines Böses - durch unsere Prägung, entstanden durch<br />

verschiedenste Beeinflussungen, haben wir bisher gelernt alles einzuteilen und jetzt<br />

müssen wir umlernen. Wer sich ein wenig mit den Gedanken des Zen-Buddhismus<br />

beschäftigt hat, dem wird es leichter fallen, den Sinn und Zweck meiner Aussage<br />

zu verstehen.<br />

Die folgenden Zitate aus dem TAO-TE-KING mögen das vorher Gesagte<br />

untermalen:<br />

2/5.<br />

ERST SEIT AUF ERDEN<br />

EIN JE<strong>DER</strong> WEISS VON <strong>DER</strong> SCHÖNHEIT DES SCHÖNEN<br />

GIBT ES DIE HÄSSLICHKEIT;<br />

ERST SEIT EIN JE<strong>DER</strong> WEISS VON <strong>DER</strong> GÜTE DES GUTEN,<br />

GIBT ES DAS UNGUTE.<br />

10/118.<br />

ERZEUGEN, DOCH NICHT BESITZEN;<br />

TUN, DOCH NICHT DRAUF BAUN;<br />

LEITEN, DOCH NICHT BEHERRSCHEN<br />

DIES NENNT MAN MYSTISCHE TUGEND.<br />

78/189.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 52


der runenbrieflehrgang<br />

WAHRE WORTE KLINGEN<br />

OFT WIE GEGENSINN.<br />

In diesem Sinne betrachtet gibt es auch keine schwarze und keine weiße Magie! Es<br />

gibt Magie, aber sie ist wie sie ist. Sogenannte weiße Magie kann genauso viel<br />

Schaden anrichten, wie die sogenannte Schwarze. Die wertende Persönlichkeit<br />

eines Menschen oder eines Volkes beurteilt, ob etwas hilfreich oder schädlich für<br />

die Gemeinschaft oder den Einzelnen ist. Das Universum wertet nicht, es ist!<br />

Somit gibt es zwar sanfte und unsanfte Runen-Kräfte, doch keine Bösen und<br />

Guten.<br />

Unser eigenes Ermessen und unsere eigene Ethik sollen das Gute vom Bösen<br />

trennen. Keine gesellschaftliche Moral oder Anschauung, sofern sie nicht unserer<br />

Gemeinschaft entspricht.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 53


GEBO<br />

der runenbrieflehrgang<br />

Lautwert: G Zahlenwert: 7<br />

Traditionelle Bedeutung:<br />

Gabe, Geschenk<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

Gebo ist die siebente Rune des<br />

Futhark.<br />

6; 40<br />

Freunde sollen mit Waffen und Gewändern sich erfreun,<br />

Den schönsten, die sie besitzen:<br />

Gab und Gegengabe begründet Freundschaft,<br />

Wenn sonst nichts entgegen steht.<br />

6; 41<br />

Der Freund soll dem Freunde Freundschaft bewähren<br />

Und Gabe gelten mit Gabe.<br />

Hohn mit Hohn soll der Held erwidern,<br />

Und Losheit mit Lüge.<br />

6; 45<br />

Weißt Du Dir wen, dem du wenig vertraust,<br />

Weil Dich sein Sinn verdächtig dünkt,<br />

Den magst Du anlachen und an dich halten:<br />

Die Vergeltung gleiche der Gabe.<br />

6;146<br />

Besser nicht gebeten, als zu viel geboten:<br />

Die Gabe will stets Vergeltung...<br />

Assoziationskette: Gabe -<br />

Geschenk - Geben + Nehmen -<br />

Austausch - Harmonie - fließende<br />

Energie - Stabilität - Sicherheit<br />

Diese Beispiele aus dem Havamal sollen die ethische Anschauung unserer Ahnen<br />

in Bezug auf Gaben und Geschenke verdeutlichen. "Und Gabe gelten mit Gabe."<br />

hört sich doch schon etwas anders an, als das demütige christliche: "Wenn Dir<br />

einer auf die Backe haut, dann halte ihm die andere hin." Dadurch verliert man<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 54


der runenbrieflehrgang<br />

sein Selbstwertgefühl und seine Achtung - aber die war ja auch bei den Christen<br />

nicht gefragt, schließlich wollte man die Anbetenden ausbeuten und das geht<br />

nunmal nicht mit einer heidnischen Einstellung (Das dieses Bestreben in allen<br />

Weltreligionen der Fall ist und war sei hier zur Vollständigkeit erwähnt...). Gebo<br />

meint den Ausgleich von Kräften. Es geht um die Thematik des Geben und<br />

Nehmens, wobei das Geben immer etwas höher bemessen wird, als das in<br />

Empfang genommene Geschenk. So läßt sich das Märchen von Hans im Glück<br />

deuten und verstehen.<br />

Mythologisch steht Gebo mit der Belebung der ersten Menschen, Ask und Embla<br />

in Verbindung. Die Göttertrias belebte die hölzernen Menschen und seit dieser<br />

Zeit vergelten die Menschen den Göttern diese Gabe durch Treue und Opfer, was<br />

wiederum eine Gabe der Götter in Bewegung setzt und sich somit ein<br />

kontinuierlicher Kreislauf zwischen Menschen und Göttern entfaltet. Nachdem<br />

die Göttertrias die ersten Menschen belebt hatte, bauten sie sich Asgard, die<br />

Heimat der Götter, welche mit der Welt der Menschen, Midgard, in Verbindung<br />

und Austausch steht. Dieser Austausch findet über den Regenbogen Bifröst statt,<br />

welcher die Brücke zwischen Asgard und Midgard darstellt. Auf diesem Wege<br />

kommt die Energie und die Gaben der Götter zu uns auf die Erde.<br />

Durch diesen gerechten Austausch entsteht Stabilität; somit wird erst die<br />

Erschaffung der Erde und deren "Burg" Midgard möglich.<br />

Um zu einem ausgeglichenen Leben zu gelangen, ist es wichtig, die Konflikte unter<br />

Menschen sofort beizulegen und zu klären. Ein ungeklärter Konflikt wirkt sonst<br />

wie ein schleichendes Gift und macht die Kraft von Gebo zunichte.<br />

Gebo steht auch für die vier Himmelsrichtungen und die sich aus deren Kräften<br />

ergebenden, energetischen Stabilität auf unserem Pla<strong>net</strong>en. In Odins Runenlied<br />

heißt es hierzu:<br />

Ein siebentes weiß ich, wenn hoch der Saal steht<br />

Über den Leuten in Lohe,<br />

Wie breit sie schon brenne, ich berge sie noch:<br />

Den Zauber weiß ich zu zaubern.<br />

Die Zuordnung dieses Runengedichtes zur Rune Gebo ist unsicher. Es könnte<br />

gemeint sein, daß der Zauberer durch Gebo in die Gerechtigkeit eingreift und<br />

somit noch alle "Gerechten" zu retten vermag. Eine andere Möglichkeit wäre das<br />

aufspalten von Gebo in zweimal Kenaz = Die Spiegelung des Feuers oben und<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 55


der runenbrieflehrgang<br />

unten wird getrennt - doch mag dies nur für eine kurze Zeit gelingen - vielleicht<br />

reicht es ja, um die Menschen zu retten. Da die Runenmagier Meister des<br />

Verschlüsselns waren und heute auch noch sind, kann es sein, daß die<br />

Reihenfolge des Runengedichtes sich anders gestaltet, doch dieses Rätsel muß erst<br />

noch gelöst werden. Auf einer symbolischen Ebene wäre allerdings oben Gesagtes<br />

durchaus durchführbar. In anderen Welten kann man den Spruch also anwenden<br />

- z.B. auf Geistreisen.<br />

Für was kann man Gebo im magischen Alltag verwenden? Wir können diese Rune<br />

benutzen, um disharmonische Zustände wieder ins Gleichgewicht, in Harmonie zu<br />

bringen. Als Binderune findet sie Verwendung, um entgegengesetzte, runische<br />

Energien ins Gleichgewicht zu bringen. Selbstverständlich kann man Gebo auch<br />

für einen Fluch gebrauchen, indem man Gleiches mit Gleichem bekämpft, wobei<br />

dann jedoch das Risiko sehr groß ist, daß unser "Geschenk" wieder zurückkommt<br />

- dann jedoch etwas mehr, als gegeben, entsprechend der Ethik... Um nun aber<br />

zwei Menschen, Frau und Mann, also zwei entgegengesetzte Polaritäten<br />

zusammen zu bringen, kann man Gebo verwenden - sie harmonisiert und<br />

entspricht in gewisser Art und Weise den Liebenden im Tarot. Männliche und<br />

weibliche Seelenseite sind in einem Menschen ins Gleichgewicht gebracht worden<br />

und somit wird er zu einer Liebesbeziehung befähigt, die sein Seelengleichgewicht<br />

oder auch Ungleichgewicht widerspiegeln wird.<br />

Gebo erinnert wie keine andere Rune des Futhark an den homöopathischen<br />

Grundsatz Hahnemanns, Gleiches mit Gleichem zu kurieren.<br />

Wenn wir das Symbol Gebos mit einem Kreis umschließen, entsteht das Rad. Ein<br />

Rad mit vier Speichen und jede der Speichen trägt einen Teil des Ganzen - so<br />

erinnert Gebo auch an eine Familie, eine gute Ehe oder Gemeinschaft.<br />

Gebo steht weiters in Bezug zur Ekstase. Sei es nun die Ekstase welche beim<br />

Zusammensein eines Paares entsteht, oder die göttliche Ekstase einer Kundalini-<br />

Erweckung. Die Ekstase selbst harmonisiert (wie Gebo) unausgeglichene Kräfte.<br />

Aus der Vereinigung zweier Kräfte geht ein drittes hervor und das ist Wunjo, die<br />

achte Rune des Futhark.<br />

Setzen wir Gebo zur Harmonisierung und Zusammenführung zweier in uns<br />

befindlicher, entgegengesetzter Kräfte ein, so wird ein Drittes daraus hervorgehen.<br />

Wir können diese Rune als Seelenmedizin verwenden, um Spannungen aufzulösen<br />

und in kreative Energie umzuwandeln. xxvii<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 56


der runenbrieflehrgang<br />

Gebo ist eine der vier im Futhark vorkommenden Runen, die weder wend-, noch<br />

umkehrbar sind.<br />

Der negative Aspekt einer Gebo-Rune wäre ein wohlgemeinter Wunsch für einen<br />

Mitmenschen, der jedoch noch gar nicht reif dafür ist. So wird der wohlgemeinte<br />

Wunsch zu einem Fluch.<br />

Gleiches wird mit Gleichem vergolten - das wäre die Schattenseite der Rune und<br />

ist auch die Warnung für Runenzauberer, denn da nunmal ein Austausch<br />

stattfindet, bekommen wir unsere Flüche auch eines Tages wieder zurück. Wir<br />

sollten uns in unserer Tradition immer um einen Ausgleich bemühen, was nicht in<br />

ein Nichtstun, sondern in ein reges Handeln ausarten könnte, welches für sich<br />

und die Mitmenschen etwas tut. xxviii<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 57


Wenn es Zeit ist...<br />

der runenbrieflehrgang<br />

WENN ES ZEIT IST ZU FLUCHEN<br />

FLUCHE<br />

WENN ES ZEIT IST ZU BETEN<br />

BETE<br />

WENN ES ZEIT IST GUTES ZU TUN<br />

TU GUTES<br />

WENN ES ZEIT IST ZU GEHEN<br />

GEHE<br />

WENN ES ZEIT IST ZU REDEN<br />

REDE<br />

WENN ES ZEIT IST ZU SCHWEIGEN<br />

SCHWEIGE<br />

DANN WIRD DAS TUN ZUM TUN<br />

DANN IST ES WIE ES IST<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 58


der runenbrieflehrgang<br />

BEDEUTUNG DES ELEMENTES ERDE UND DIE<br />

RUNISCHEN ENTSPRECHUNGEN<br />

Das Element Erde steht für die Materie, die Realität, Geld und Finanzen, die<br />

Ausprägungen des Ich, die Persönlichkeitsentfaltung, die Existenz und umfaßt in<br />

sich selbst alle anderen Elemente. Fruchtbarkeit und Reichtum sind die<br />

Schlüsselwörter zu diesem Element.<br />

Die Bezeichnung Element bezieht sich nicht auf die chemische Zusammensetzung,<br />

sondern ist ein geistiger Terminus. Um die Bedeutung der Elementenlehre zu<br />

verstehen, bedarf es des analogen Denkens und der Intuition - mit rationellem<br />

Denken und dem Verstand verfährt man sich nur.<br />

Auf der materiellen Ebene entspricht die Rune Uruz diesem Element. Auf der<br />

energetischen Ebene die Rune Gebo. Auf der emotionalen Ebene die Rune<br />

Berkana. Die Gottheiten, welche mit dem Element Erde verbunden sind, sind die<br />

Vanen. Zu ihnen zählen: Freyr, Freyja, Njörd und Nerthus. Sie werden<br />

vornehmlich um Fruchtbarkeit, Frieden und Reichtum angerufen. Die Göttin Hel,<br />

oder Frau Holle stehen ebenfalls mit der Erde in Verbindung, sowie die Göttin<br />

Frigg, wobei letztere eher ein luftig erdiges Temperament hat. Die dem Element<br />

Erde entsprechende Farbe ist Schwarz oder Braun. xxix<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 59


der runenbrieflehrgang<br />

HEIMDALL UND SEINE BEZIEHUNGEN ZUR RUNE GEBO<br />

Wie ist Heimdall zu bezeichnen? Als der Neun Mütter Sohn und der Götter<br />

Wächter, oder der weise Ase, Lokis Gegner, der Wiedererkämpfer<br />

Brisingamens. Heimdalls Haupt heißt das Schwert, denn es wird gesagt, er sei<br />

mit eines Mannes Haupt durchbohrt worden. Von ihm handelt das [verlorene]<br />

Heimdallslied, und das Schwert heißt seitdem manns Miötud [Messer,<br />

Schöpfer], denn das Schwert ist des Mannes Miötud [Durchbohrer]. Heimdall ist<br />

Gulltopps [des Rosses] Besitzer, Wagaskers und Singasteins [[Singasteinn =<br />

Zauberstein oder "singender Stein"]] Heimsucher, weil er dort mit Loki um<br />

Brisingamen stritt; desgleichen heißt er Windhler. - Skaldskaparmal 6.[C.8]<br />

Gylfaginning, 27: Heimdall heißt einer, der auch der weise Ase genannt wird. Er<br />

ist groß und hehr und von neun Mädchen, die Schwestern waren, geboren. Er<br />

heißt auch Hallinskidi und Gullintanni, weil seine Zähne von Gold sind. Sein<br />

Pferd heißt Gulltopp. Er wohnt auf Himinbjorg bei Bifröst. Er ist der Wächter der<br />

Götter und wohnt dort an des Himmels Ende, um die Brücke vor den Bergriesen<br />

zu bewahren. Er bedarf weniger Schlaf als ein Vogel und sieht sowohl bei<br />

Nacht als bei Tag hundert Tagreisen weit; er hört auch das Gras in der Erde<br />

und die Wolle auf den Schafen wachsen, mithin auch alles, was einen stärkeren<br />

Laut gibt. Er hat eine Trompete, die Giallarhorn heißt, und bläst er hinein, so<br />

wird es in allen Welten gehört. Heimdalls Schwert heißt Haupt.<br />

Heimdall [altnordisch Heimdallr, auch Heimdalr und Heimdali] bedeutet "Der,<br />

der die Welt beleuchtet."<br />

Dieser Gott nimmt eine Wächterposition ein und steht in engem Zusammenhang<br />

mit dem Morgengrauen. Dann, wenn die Welt noch frisch ist, sich die ersten<br />

Sonnenstrahlen in den durch Tau be<strong>net</strong>zten Spinnenweben brechen, ist Heimdall-<br />

Zeit. Er wird in den Quellen meistens als Schöpfer der Menschen dargestellt und<br />

als Rig geht er auf die Erde und begründet, indem er mit den Frauen dreier<br />

Männer schläft, die drei Stände. Wenn die Welt und ihr Bestand bedroht sind,<br />

bläst Heimdall warnend in sein Horn - dies könnte jedoch eine Übernahme aus<br />

dem Christentum sein, welche uns an das Jüngste Gericht erinnert.<br />

Seine ungewöhnliche Geburt durch die 9 Mädchen, welche Schwestern waren,<br />

stellt für jeden Menschen ein individuelles Rätsel dar, was jedoch gar nicht so<br />

schwer zu lösen ist. (Viel Spaß und fröhliche Erkenntnis!)<br />

Sein Tier ist der Widder, (Analog selbstverständlich auch das Tierkreiszeichen<br />

Widder, welches das Frühjahr einleitet.) der ihm geopfert wurde. Diese<br />

Verbindung wirft Licht auf die Macht, welche Heimdall innewohnt. Man stelle<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 60


der runenbrieflehrgang<br />

sich nur einen Widder als Wächter vor. Wer einmal mit einem solchen Tier<br />

Bekanntschaft gemacht hat, wird wissen was ich meine.<br />

Leider ist das Lied, in welchem wir sicherlich mehr über Heimdall erfahren<br />

könnten, verloren gegangen und es sind nur noch zwei Zeilen übrig geblieben, in<br />

denen von seiner Geburt durch die neun Schwestern die Rede ist. Diese beiden<br />

Zeilen des Heimdallargaldr lauten:<br />

nío em ek moethra mogr,<br />

nío em ek systra sonr.<br />

Heimdall können wir heutzutage begegnen, wenn wir die Regenbogenbrücke in<br />

die Anderswelt passieren. Möglicherweise wird er uns dann prüfen und uns nach<br />

seinem Ermessen Zugang gewähren oder nicht. Er erinnert mich immer an einen<br />

freundlichen Oberförster, der mit der Natur eng verbunden lebt und meistens<br />

auch zur Morgendämmerung, zur Heimdall-Zeit, im Wald anzutreffen ist. Die<br />

heutige Bedeutung von Heimdall sehe ich als Bindungsglied zwischen Erde und<br />

Himmel und Wächter der hiesigen Traditionen. Metaphorisch könnte man ihn als<br />

religiösen Filter des nordischen Himmels betrachten, der die Traditionen bewahrt<br />

und mit dem Wissen bereichert, welches im Einklang mit dem Alten Wissen steht<br />

und sich verträgt.<br />

Odin wird Vater Heimdalls genannt, wobei ich dies für eine neuere<br />

Betrachtungsart halte, da der alte Himmelswächter sicherlich schon vor Odin eine<br />

große Bedeutung hatte und erst durch den Machtgewinn Odins zu seinem Sohn<br />

wurde. Über die Familienverhältnisse Heimdalls ist sonst leider nichts bekannt.<br />

Wer einen poetischeren Zugang zu Heimdall sucht, der lese in der Edda in<br />

folgenden Liedern nach: Rigsthúla; Gylfaginning; Grimnismal; Voluspa.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 61


WUNJO<br />

der runenbrieflehrgang<br />

Wunjo die achte Rune des<br />

Futharks.<br />

Lautwert: W Zahlenwert: 8<br />

Traditionelle Bedeutung:<br />

Fröhlichkeit, Vollkommenheit<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

Assoziationskette: Fröhlichkeit -<br />

Vollkommenheit - bewußtes Sein<br />

im Unendlichen - Stammesfahne -<br />

Freude durch Freundschaften -<br />

Harmonie - Wonne -Wohlbefinden<br />

Das Symbol Wunjos erinnert uns an eine Stammesfahne oder wenn wir sie liegend<br />

zeichnen, an einen Pflug oder einen Hammer. All diese Attribute stehen für das<br />

Ziel des Bauern-Aett, da ein Pflug es möglich macht den Boden zu bewirtschaften<br />

und somit das Leben zu sichern, ein Hammer für die gestalterischen Fähigkeiten<br />

eines Schmiedes und der Anblick der Stammesfahne bei unseren Vorfahren<br />

Freude auslöste. Heutzutage fällt es schwer sich diesen nationalen Stolz, diesen<br />

Zusammenhalt, und die damit verbundene Sicherheit und Freude eines Clans,<br />

eines Stammes oder eines Volkes, zu vergegenwärtigen. Schließlich haben wir<br />

genügend Geschichtsunterricht genossen, um zu wissen, welche Schattenseiten ein<br />

Fahnen-Treue-Eid beinhalten kann. Trotzdem ist der Fahneneid auch heute noch<br />

ein wichtiger Bestandteil für die Zugehörigkeit zu einem Verband, z.B. der<br />

Fahneneid beim Militär. Die Fahne symbolisiert den Stamm und somit die<br />

Vollkommenheit, den Frieden und die Freude unserer Ahnen xxx . Der Name<br />

Wunjo hängt mit dem deutschen Wort Wonne zusammen, das mit Freude<br />

gleichzusetzen ist.<br />

Wunjo erinnert auch an Wünschen, und Odin ist Erfüller der Wünsche. St.<br />

Nikolaus ist der verchristlichte Überrest dieses Brauchtums.<br />

Die Kraft von Wunjo ist harmonisierend und schafft Frieden. Darauf bezieht sich<br />

Odins Runenlied:<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 62


der runenbrieflehrgang<br />

Ein achtes weiß ich, das allen wäre<br />

Nützlich und nötig:<br />

Wo unter Helden Hader entbrennt,<br />

Da mag ich schnell ihn zu schlichten.<br />

Der in Hader entbrannte Held wird durch die Besinnung auf seine<br />

Stammeszugehörigkeit und die damit verbundene Verantwortung gegenüber der<br />

Gemeinschaft wieder zum Frieden aufgerufen. Im mythologischen Bereich steht<br />

Wunjo für das Goldene Zeitalter. Das war eine Zeit, in der Gold noch kein<br />

Streitthema war und die Götter damit wie kleine Kinder spielten. (Diesem<br />

Goldenen Zeitalter begegnen wir in etlichen Kulturen.)<br />

Wenn wir einmal unseren Seelenweg gefunden haben, treffen wir automatisch auf<br />

Menschen, die sich für die gleichen Dinge interessieren, die eine ähnliche<br />

Lebensphilosophie ihr eigen nennen und mit denen wir ziemlich schnell auf einen<br />

Nenner kommen. Vieles mag unterschiedlich erscheinen, doch im Wesenskern<br />

ähneln sich diese Menschen ungemein. Wollten wir aus dieser Gemeinschaft nun<br />

eine Gruppe bilden, die zusammen einen Stamm repräsentiert, oder einen Clan,<br />

also eine lebendige Gruppe, dann könnten wir Wunjo als harmonisierende und<br />

verbindende Rune einsetzen. Sie vermag unterschiedliche Energien zu<br />

harmonisieren. Dies wird im Falle eines Stammes, oder Clans, besonders wichtig,<br />

wenn es kein "Führer befiehl wir folgen" geben soll, sondern eine lebendige und<br />

für jeden einzelnen Menschen individuelle Art des Seins und Tuns. Eine religiöse<br />

Gemeinschaft, die Menschen mit verschiedenen Ansichten zusammenbringen will,<br />

ohne daß der eine dem anderen den Kopf abhackt, seiner Ansichten wegen,<br />

braucht die Wunjo-Rune in ihrem magischen Konzept. Wenn wir das Zeichen für<br />

Pax Christi anschauen, finden wir ...?... ganz genau, die Wunjo-Rune in<br />

Zusammenspiel mit Hagalaz (oder Gebo). Die Christen haben viel heidnisches<br />

Wissen mit in ihre Religion eingebaut! Wenn wir an den prophetischen Satz:<br />

"Nur Stämme werden überleben" denken, wird uns die Wichtigkeit der Wunjo-<br />

Rune klar.<br />

Kommen wir nun zur magischen Arbeit: Wunjo kann dazu verwendet werden, um<br />

entgegengesetzte runische Kräfte "auf einen Stamm", bzw. unter einen Hut zu<br />

bringen, damit sie gemeinsam auf ein bestimmtes Ziel hinarbeiten können. Gebo<br />

wird als Hilfsmittel benutzt, um Polaritäten auszugleichen und Wunjo, um "innere<br />

Gegensätzlichkeiten" zu harmonisieren. Wie das im Detail auszusehen hat, sehen<br />

wir dann später im Kapitel über die Binderunen.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 63


der runenbrieflehrgang<br />

In Verbindung mit weiteren Runen kann diese Rune auch dazu verwendet<br />

werden, einen Stamm zu unterminieren, ihn zu stürzen.<br />

Wunjo kann benutzt werden, um die Wünsche in Zusammenhang mit dem Weg<br />

des Willens zu verwirklichen. "Jeder ist seines Glückes Schmied" erinnert uns in<br />

diesem Zusammenhang wieder an die oben genannte Interpretation der Rune als<br />

Schmiedehammer. Wunjo verleiht unseren Wünschen Form und die nötige<br />

Harmonie, um sie zu verwirklichen. Nur, wenn ein Wunsch mit etlichen anderen<br />

Ebenen des Seins im Einklang steht, kann er erfüllt werden - diese<br />

Harmonisierung der Ebenen bewirkt Wunjo. xxxi<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 64


der runenbrieflehrgang<br />

RUNENANALOGIEDENKEN<br />

Die Reihenfolge der einzelnen Aettir ist nicht willkürlich, sondern ausgesprochen<br />

sinnvoll, wie wir am Beispiel des ersten Aett und den Bezügen zur Mythologie<br />

sehen konnten. Für die magische Arbeit mit Runen und deren alltäglichen<br />

Gebrauch, ist es nun wichtig, auf allen Ebenen des täglichen Erlebens, das<br />

Runenwissen anzuwenden und die Synonyme der einzelnen Runen, möglichst in<br />

vielen Bereichen, durch analoges Denken herauszufinden. Zum besseren<br />

Verständnis des hier Gesagten, nun einige Beispiele:<br />

DIE BAUERN ANALOGIE<br />

Der Viehbestand (Fehu) begründet den Reichtum des Bauern. Verkauft er eines<br />

seiner Tiere, kann er sich Getreide für die kommende Saat kaufen. Diese Saat<br />

muß in die Erde (Uruz) und den Pflug zieht eine Kuh (Uruz). Nun hofft der Bauer,<br />

daß die Elementarkräfte nicht seine ganze Arbeit zunichte machen werden und<br />

bringt den Riesen (Thurisaz) Opfer dar. Da es unter den Asen einen Gott<br />

(Donar/Thor) gibt, der es mit den Riesen aufnehmen kann, wenn sie trotz des<br />

Opfers nicht friedlich bleiben sollten, wird der Bauer auch den Asen (Ansuz)<br />

Opfer bringen. Seine Erfahrung sagt ihm, daß es bestimmte Zeiten gibt, in denen<br />

er zu säen hat und andere wiederum, welche auch schon seit Generationen<br />

bekannt sind, zu denen er ernten kann, er lebt also im Einklang mit den<br />

Rhythmen der Natur (Raidho). Es gibt da aber auch ein Gestirn am Himmel,<br />

welches besonders stark auf die Ernte einzuwirken vermag, nämlich den Mond<br />

(Kenaz) und nach dem Rhythmus (Raidho) und den Zyklen des Mondes richtet<br />

sich des Bauern Tun. Dieses Tun gründet auf dem Bewußtsein (Kenaz) des Bauern,<br />

um die kosmischen Zusammenhänge. Eines Tages werden ihm die Götter die<br />

Opfer wieder zurückgeben und zwar in Form einer gut eingebrachten Ernte (Gebo)<br />

woraufhin für dieses Jahr die Arbeit des Bauern getan ist und er sich auf einen<br />

gesicherten und zufriedenen Winter freuen (Wunjo) kann in dem er vielleicht mit<br />

seiner Frau ein Kind zeugen wird.<br />

DIE GEBURTS ANALOGIE<br />

Der Bauer legt sich also in einer schönen Winternacht mit seiner Frau in die Nähe<br />

des wärmenden Feuers und sie schlafen miteinander. Der Samen des Mannes<br />

(Fehu) wird, zusammen mit dem der Frau zu einer Form (Uruz) dem zukünftigen<br />

Kind. Die Frau ist plötzlich anders als sonst, kann nicht mehr so gut arbeiten und<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 65


der runenbrieflehrgang<br />

wirkt etwas kränklich; worauf sich der Bauer denkt, das die Elementargewalten<br />

vielleicht daran Schuld sind (Thurisaz). Er wird ihnen wieder Opfer bringen und<br />

genauso versuchen die Asen (Ansuz) für sich zu gewinnen. Der Rhythmus<br />

(Raidho) des Mondes (Kenaz) bringt schließlich nach neun Schwarzmonden das<br />

Kind (Gebo) ans Tageslicht, wobei nochmals Thurisaz auftritt und schließlich das<br />

Erbe und der Erhalt der Familie gesichert ist (Wunjo).<br />

DIE HAUSBAU ANALOGIE<br />

Zunächst müssen wir genügend Geld (Fehu) haben, um der reinen Idee Form<br />

(Uruz) zu verleihen. Wir müssen bei der Planung einen kühlen Kopf bewahren und<br />

dürfen nicht drauflos stürmen (Thurisaz). Von einem Architekten lassen wir einen<br />

Plan erstellen (Ansuz) und können sodann alles weitere organisieren (Raidho),<br />

womit viel Rennerei verbunden ist. Während des Bauens erkennen wir<br />

Schwachstellen und überlegen (Kenaz) uns Lösungen, bis dann eines Tages die<br />

Idee vor uns steht (Gebo) und wir mit unserer Familie (Wunjo) fröhlich darin<br />

wohnen können.<br />

Um in einem Clan, einer Familie oder Gemeinschaft Frieden zu bewahren, trotz<br />

der unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Mitglieder, kommt Wunjo zum<br />

Einsatz. Der innere Frieden einer Gruppe und das Wissen um die Gemeinschaft<br />

sind ein wichtiger Bestandteil für den Erhalt derselben.<br />

Versuche so viele Analogien wie möglich zu finden. Runen sind universell und je<br />

mehr Analogien du findest, um so besser wirst Du später mit den Runen<br />

praktisch arbeiten können. xxxii<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 66


der runenbrieflehrgang<br />

Fragen und Aufgaben<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 67


der runenbrieflehrgang<br />

i<br />

Sind Dir auch schon einmal Erdgeister begeg<strong>net</strong>? Wie nimmst Du sie wahr? Welche Erlebnisse<br />

hattest Du mit ihnen? Welche Voraussetzungen erleichtern die Wahrnehmung?<br />

ii<br />

Was machst Du, wenn Du krank bist? Suchst Du Dir auch Deine Kräuter in der Natur, oder gehst<br />

Du lieber in die Apotheke oder zum Arzt? Wie steht es um Dein Wissen um Kräuter? Hast Du<br />

Interesse daran mehr darüber zu erfahren und zu lernen oder hältst Du es für weniger wichtig?<br />

iii<br />

Wie ist Dein Verhältnis zum Christentum?<br />

iv<br />

Kennst Du noch Menschen, die etwas von der ursprünglichen Religion Deiner Heimat wissen, oder<br />

sind Dir schriftliche Überliefrungen bekannt? Könntest Du Dir vorstellen auf die Suche in Deinem<br />

Volk nach der alten Religion zu gehen?<br />

v<br />

Was meint er mit dem Auspruch: „... die Luft sauber machen“?<br />

vi Wie verstehst Du Hexen?<br />

vii Was meint er damit?<br />

viii<br />

Hast Du auch Angst davor, sowetwas zuzugeben, oder ist Dir die Meinung der anderen Menschen<br />

egal?<br />

ix<br />

Wenn Dich das Thema „Kraftlinien“ verstärkt interessiert, besorge Dir Literatur zum Thema<br />

Geomantie. Ein kurzer, aber brauchbarer Einstieg stellt das KULTPLATZBUCH von Gisela Graichen<br />

dar.<br />

x<br />

Warum tun Menschen das? Wie ist es bei Dir damit bestellt?<br />

xi<br />

Vergleiche diese Runenstellung mit der Erdungsübung aus dem ersten Lehrbrief. Welche<br />

Unterschiede nimmst Du wahr? Welche Übung ist Dir lieber?<br />

xii<br />

Was hat sich durch die Begegnung mit Uruz in Deinem Leben verändert? Wie fühlt sie sich an?<br />

Beschreibe Deine Erfahrungen.<br />

xiii<br />

Beantworte diese Fragen ehrlich und ohne die Literatur dazu zu wälzen. Die Auswertung folgt<br />

dann.<br />

xiv<br />

Auswertung:<br />

0-3: Dir steckt der Kopf im Arsch!<br />

4-7:Es ist schwer, auf zwei Plätzen zugleich zu sein, wenn Du in Wirklichkeit nirgends zu Hause bist.<br />

8-12: Ein ganz schön handfester Eindruck der Tatsachen.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 68


der runenbrieflehrgang<br />

13-16: Du bist achtsam.<br />

17-19: Du weißt, wo Du (zu Hause) bist.<br />

23:Du weißt nicht nur wo Du bist, Du weißt auch wo es langgeht.<br />

Wie leicht sind Dir diese Fragen gefallen? Wenn besonders schwer, dann bemühe Dich darum, sie zu<br />

durchschauen, ihren Sinn zu erkennen und in Zukunft beantworten zu können. Sie sind ausgesprochen<br />

wichtig für den weiteren Weg dieser Initiation!<br />

xv<br />

Dieses Runenlied werden wir später genauer durchleuchten. Mache Dir zunächst Deine eigenen<br />

Gedanken dazu und schreibe sie nieder.<br />

xvi<br />

Welche Empfindungen hast Du bei der Beschäftigung mit Thurisaz?<br />

xvii<br />

Wie ist es um Deine Selbsterkenntnis bestellkt? Kennst Du Deine Ängste, Deine Wünsche, Deine<br />

Hoffnungen? Welche Therapieformen hast Du schon kennengelernt?<br />

xviii<br />

Welche Bedeutung kommt in Deinem Leben dem Atem zu? Wozu kann man das atmen<br />

einsetzen?<br />

xix<br />

Versuche es einmal, mit Hilfe von Ansuz Kontakt zur Anderswelt aufzunehmen? Was passiert?<br />

Konntest Du mit den Gottheiten kommunizieren oder mit anderen Wesenheiten?<br />

xx<br />

Beschreibe auch diesmal wieder Deine Erfahrungen durch die Begegnung mit dieser Rune.<br />

xxi<br />

Welche Beziehung hast Du zu Wotan? Kannst Du Dich mit ihm anfreunden, oder gefällt Dir<br />

Thor/Donar besser?<br />

xxii<br />

Was ist nach Deinem Wissen die Aufgabe der Zwerge? Woher kommen die Gartenzwerge, die<br />

sich so zahlreich in deutschen Vorgärten finden? Hast Du schon einmal welche gesehen oder mit<br />

anderen Sinnen wahrgenommen? (Zwerge, nicht Gartenzwerge...)<br />

xxiii<br />

Welche Rituale führst Du täglich durch? Du wirst dabei nicht auf große Feste stoßen, sondern auf<br />

alltägliches! Was bewirken diese Rituale und welchen Nutzen kann man aus ihnen ziehen?<br />

xxiv<br />

Was geschieht, wenn Du einen ganzen Tag intensiv mit dieser Rune im Geist verbringst? Wie<br />

verändert sich dadurch dein Alltag?<br />

xxv<br />

Versuche mit Hilfe von Kenaz Licht in das Dunkel Deiner Tiefen zu bringen. Durchleuchte und<br />

erkenne Dich selbst mit Hilfe dieser Rune und berichte von Deinen Erkenntnissen und Findungen. Du<br />

solltest diese Arbeit während des Urlaubs machen, oder wenn Du für längere Zeit für Dich selbst<br />

leben kannst, ohne mit anderen (fremden) Menschen in Kontakt treten zu müssen. Es wird eine<br />

intensive Zeit und diese verbringt man doch besser in der Stille des Zurückgezogenseins.<br />

xxvi<br />

Was bedeutet das in Bezug auf Dein „Gutes Wünschen“ für Dir nahestehende Menschen?<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 69


der runenbrieflehrgang<br />

xxvii Versuche dies, und berichte über die Effekte.<br />

xxviii Mache Dir darüber Gedanken und schreibe sie nieder.<br />

xxix<br />

Versuche ein Ritual zu improvisieren in dem Du die Kräfte des Elementes Erde anziehst.<br />

Beschreibe anschließend die Wirkung. Was hast Du dabei empfunden, wie ist es Dir später ergangen,<br />

etc.<br />

xxx<br />

Schildere Deine Beziehungen zu „Fahnen“ und ihre Bedeutung. Welche Assozisationen kommen<br />

Dir zu dem Wort „Fahne“ und welche Folgerungen ziehst Du daraus für Dein Leben?<br />

xxxi<br />

Wie empfindest Du die Energie von Wunjo? Wie kannst Du mit ihr arbeiten und verändernd<br />

damit in Dein alltägliches Leben eingreifen?<br />

xxxii<br />

Bilde selbst eine Analogie zu einem von Dir selbst gewählten Thema. Bilde die Analogie so<br />

genau und so deutlich wie es Dir möglich ist. Wende sie später einmal auf Dein eigenes Leben an.<br />

2. BRIEF DES RUNENLEHRGANGS<br />

© by Igor Warneck, 1996 Seite: 70

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