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Visuelle Kommunikation im Internet. Perspektiven für den ...

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<strong>Visuelle</strong> <strong>Kommunikation</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong><br />

<strong>Perspektiven</strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> Kunstunterricht<br />

Wir leben in einer expandieren<strong>den</strong> visuellen Kultur. Das ist keine Neuigkeit, umgeben uns<br />

doch seit mindestens einem halben Jahrhundert Massenmedien des Bildes. Die Fotografie<br />

hat an gesellschaftlicher Bedeutung gewonnen, Printmedien haben ihren Bildanteil erhöht<br />

und vor allem der Fernseher ist in <strong>den</strong> privaten Lebensraum eingezogen. Bilder sind nicht<br />

nur Informationsquelle, Dokumentation und Abbild eines Geschehens, sondern <strong>im</strong> verstärk-<br />

tem Maße Vorbilder und Modelle <strong>für</strong> Lebensstile. Das Bild gewinnt an gesellschaftlicher<br />

Relevanz, indem es in <strong>den</strong> sozialen Raum eindringt und diesen mitgestaltet. Vor eine neue<br />

Situation wer<strong>den</strong> wir seit <strong>den</strong> 90er Jahren gestellt: Das Bild verbündet sich mit der neuesten<br />

<strong>Kommunikation</strong>stechnologie, dem <strong>Internet</strong>.<br />

Eine neue <strong>Kommunikation</strong>stechnologie ist entstan<strong>den</strong>. Sie ist auf dem Weg unsere visuelle<br />

Wirklichkeit mitzuprägen. Netzkommunikation, und <strong>im</strong> speziellen Sinne das <strong>Internet</strong>, gewinnt<br />

durch eine explosionsartige Verbreitung an gesellschaftlicher Bedeutung und verändert<br />

zugleich die vorherrschende Medienlandschaft. 1 Der Fernseher als das gesellschaftsprä-<br />

gende Massenmedium des Bildes wird hierdurch nicht nur einen Wandel erfahren, sondern –<br />

Prognosen zufolge – weitgehend eine Symbiose mit <strong>den</strong> neuen <strong>Kommunikation</strong>stechnolo-<br />

gien eingehen. Web-TV ist bereits angedacht und benötigt lediglich einige technologische<br />

Fortschritte und völlig neuartige Finanzierungs- und Distributionsmodelle, um <strong>den</strong> Fernseher<br />

in seiner bisherigen programmorientierten Form abzulösen. 2 Ähnlich ergeht es <strong>den</strong> Print-<br />

medien und der Fotografie, die sich – von der digitalen Revolution bereits eingeholt – in ihren<br />

internen Produktionsabläufen schon weitgehend in Richtung einer Netzkommunikation ver-<br />

ändert haben. Allgemein nähern sich ehemals getrennte (Bild-)Bereiche wie Telekommuni-<br />

kation, Massenmedien und Informationstechnologien mit hoher Geschwindigkeit an. Die<br />

visuelle Welt erfährt mit dem Wandel der Medientechnologien einen Umbruch, der Verän-<br />

derungsprozesse in der gesellschaftlichen <strong>Kommunikation</strong> und Wahrnehmung in Gang setzt.<br />

Das World Wide Web als Symbiose von Mult<strong>im</strong>edia und <strong>Internet</strong><br />

Als 1990 T<strong>im</strong> Berners-Lee das World Wide Web entwickelte, stand dem Bilderboom <strong>im</strong><br />

<strong>Internet</strong> nichts mehr entgegen. Bis zu diesem Zeitpunkt war die <strong>Kommunikation</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong><br />

wesentlich auf die Vermittlung von Texten beschränkt. Zwar gab es schon zuvor einzelne<br />

1 Zu <strong>den</strong> Entwicklungsprognosen des <strong>Internet</strong>s vgl. Beck/Glotz/Vogelsang, 2000.<br />

2 Hieran arbeitet unter anderem die Hamburger Web-TV-Agentur Bitfilm: http://www.bitfilm.de<br />

1


Versuche, Bilddateien in die Netzpräsentation und -kommunikation einzubin<strong>den</strong>. Doch es<br />

fehlte an Standards, mit <strong>den</strong>en jeder Benutzer die Bilder auf seinem Browser zu sehen<br />

bekam. Und vor allem fehlte eine einfache Benutzeroberfläche <strong>für</strong> die Verwendung von<br />

Bildern <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>. Das alles veränderte sich mit der Entwicklung von HTML, dem<br />

Grundgerüst des WWW.<br />

Das <strong>Internet</strong> ist eine reine Trägerschicht, es bietet noch keine mediale Nutzungsmöglichkeit.<br />

Erst spezifische <strong>Kommunikation</strong>smedien, auch Online-Medien genannt, die auf dieser<br />

Trägerschicht aufsitzen, erlauben eine Nutzung der Netzstruktur. 3 Solche Online-Medien sind<br />

beispielsweise Telnet, FTP, E-Mail, Usenet und IRC. Lange Zeit erlaubten diese Medien nur<br />

die Übertragung des ASCII-Codes, einem weltweit verbreiteten Standard der Codierung von<br />

Zeichen, die insbesondere Buchstaben und Ziffern definiert. Der ASCII-Code wird von <strong>den</strong><br />

meisten Computern intern verwendet und ist universell lesbar. Durch diesen Standard war<br />

die Textkommunikation <strong>im</strong> Verbund mehrerer Computer gesichert. Wollte man Bilder über<br />

das <strong>Internet</strong> vermitteln, so wurde vor 1990 gewöhnlich auf die Zeichen des ASCII-Codes<br />

zurückgegriffen. Die Einbindung von Bilddateien in Texten war zwar bereits in <strong>den</strong> 80er<br />

Jahren am einzelnen Desktop möglich, doch <strong>für</strong> die <strong>Kommunikation</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> fehlte hier<strong>für</strong><br />

ein Standard.<br />

T<strong>im</strong> Berners-Lee arbeitete am europäischen Kernforschungszentrum Cern in der Schweiz<br />

mit seinem Kollegen Robert Cailliau an einem Dokumentationssystem, das <strong>den</strong> Wissen-<br />

schaftlerInnen <strong>den</strong> Zugriff auf Unterlagen von allgemeinem Interesse von jedem beliebigen<br />

Ort erlaubte. Berners-Lee Idee war, das <strong>Internet</strong> zu nutzen, um Hypertexte (Texte mit Ver-<br />

bindungen, so genannten Links) zu veröffentlichen. 4 Auf diese Weise kann jeder Benutzer<br />

von Information zu Information springen, die in einer netzartigen Struktur <strong>im</strong> virtuellen Raum<br />

organisiert sind – unabhängig davon, welche Computer oder welche Software zum Erstellen<br />

und Abrufen der Informationen verwendet wer<strong>den</strong>. Zur Umsetzung dieses Vorhabens,<br />

entwickelte Berners-Lee eine neue Seitenbeschreibungssprache: HyperText Markup<br />

Language (HTML). Um das World Wide Web funktionsfähig zu machen, musste zusätzlich<br />

zu HTML ein neues Übertragungsprotokoll HTTP (HyperText Transfer Protocol) und eine<br />

neue Adressierung URL (Universal Ressource Locater) <strong>für</strong> das <strong>Internet</strong> erarbeitet wer<strong>den</strong>.<br />

Der Verbund von HTML, HTTP und URL ist die Grundlage <strong>für</strong> das World Wide Web. Es<br />

ermöglicht Datenobjekte, die mit einer URL hinterlegt sind, per Mausklick anzusteuern und<br />

zu la<strong>den</strong>. Diese Datenobjekte können ebenso aus Texten wie auch aus Grafiken und Bildern<br />

bestehen. HTML erlaubt es erstmals <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>, Bilddateien bequem in Websites zu<br />

integrieren. Das World Wide Web kann somit als eine Symbiose von Mult<strong>im</strong>edia und <strong>Internet</strong><br />

verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.<br />

3 Vgl. Winter, 1998, 274ff.<br />

4 Vgl. Berners-Lee, 1999.<br />

2


Für das Aufrufen von Websites, die auf dem HTML-Standard basieren, wird eine Software<br />

benötigt, die diesen Code interpretieren und auf dem eigenen Computer darstellen kann. Der<br />

WWW-Browser, der 1992 erstmals veröffentlicht wurde 5 , kann nicht nur <strong>den</strong> HTML-Code<br />

interpretieren, sondern vereint darüber hinaus eine Vielfalt an Funktionen: Er integriert<br />

Leistungen, <strong>für</strong> die ursprünglich die Nutzung unterschiedlicher Online-Medien erforderlich<br />

waren. 6 Außerdem bietet er, neben der Einsicht in Texte, <strong>den</strong> Zugriff auf Töne, Bilder und<br />

Videos. Durch einen einfachen Mausklick ist nun der Wechsel auf andere WWW-Dokumente<br />

möglich. Die lineare Struktur von Texten wird durch die Hyperstruktur, eine nicht-lineare<br />

Aufbereitung von Informationen ersetzt. Vor allem die Benutzerfreundlichkeit des WWW-<br />

Browsers, die sich durch eine einfach zu bedienende, grafische Oberfläche auszeichnet, die<br />

keine Kenntnisse von Befehlen erfordert, verhalf diesem Browser schnell zu einer weiten<br />

Verbreitung.<br />

Die Verwendung von Bildern <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> erfuhr hierdurch eine rasante Entwicklung. Spätes-<br />

tens ab Mitte der 90er Jahre wur<strong>den</strong> Websites mit Bildern, An<strong>im</strong>ationen, Grafiken und sogar<br />

kurzen Videos durchsetzt. 7 Die Kommerzialisierung des <strong>Internet</strong>s, die zur gleichen Zeit<br />

einsetzte, leistete dieser Entwicklung Vorschub. Werbeagenturen und Grafikdesigner ent-<br />

deckten <strong>den</strong> Web-Auftritt als neue Werbefläche und übernahmen vorerst die Konzepte aus<br />

dem Printbereich <strong>für</strong> die Verwendung <strong>im</strong> Web. Doch langsam verstan<strong>den</strong> sich Web-Designer<br />

auf die Stärken des World Wide Web, in dem Bild, Text und Ton als gleichwertige Infor-<br />

mationsinhalte in eine vielschichtige Wechselbeziehung und Verknüpfung treten kann.<br />

Darüber hinaus entsteht durch die Symbiose von Mult<strong>im</strong>edia und <strong>Internet</strong> eine Plattform <strong>für</strong><br />

eine Bildkommunikation, die <strong>für</strong> jedermann zugänglich ist. Das <strong>Internet</strong> als ein mehrdirek-<br />

tionales, dezentral organisiertes Medium bietet die Möglichkeit, Informationen <strong>im</strong> interaktiven<br />

Prozess zu kommunizieren – und nicht nur Text und Sprache, sondern auch Bild und Video.<br />

Eine Verlagerung von einer textbasierten auf eine bildbasierte <strong>Kommunikation</strong> <strong>im</strong> WWW ist<br />

jetzt schon zu erkennen.<br />

Eine Herausforderung <strong>für</strong> die Medienpädagogik<br />

Angesichts dieser Entwicklung steht die Medienpädagogik wieder einmal vor einer<br />

Herausforderung. Von ihr wird eine Auseinandersetzung mit <strong>den</strong> neuesten Technologien<br />

verlangt. Ein Dilemma, da es absehbar ist, dass die Medienpädagogik <strong>im</strong>mer <strong>den</strong><br />

5<br />

Gegenwärtig sind der „<strong>Internet</strong> Explorer“ und „Netscape Communicator“ die weitverbreitesten WWW-<br />

Browser.<br />

6<br />

So vereint der Netscape Communicator beispielsweise die Funktionen eines Browsers, eines Mail-<br />

Messengers, eines Website-Composers uvm.<br />

7<br />

Dies wird besonders durch Plug-ins wie Shockwave/Flash-Player, QuickT<strong>im</strong>e-Player, Real-Player<br />

etc. ermöglicht.<br />

3


technischen Innovationen hinterher rennen wird. Hinzu kommt die schwierige Aufgabe, die<br />

Bildung eines kritischen Bewussteins gegenüber <strong>den</strong> Technologien und Entwicklungen zu<br />

fördern. Dennoch sind in der Medienpädagogik brauchbare Lehrkonzepte vorhan<strong>den</strong>, die<br />

jedoch vor dem Hintergrund einer sich stetig verändern<strong>den</strong> Medienlandschaft einer Revision<br />

bedürfen. 8<br />

Als eine pädagogische Reaktion auf die Dominanz der Massenmedien in der Bilderwelt von<br />

Schülerinnen und Schülern etablierte sich in <strong>den</strong> 70er Jahren das Konzept der „<strong>Visuelle</strong>n<br />

<strong>Kommunikation</strong>“. 9 In Abgrenzung gegen <strong>den</strong> damals vorherrschen<strong>den</strong> Kunstunterricht wurde<br />

es als Aufgabe gesehen, ästhetische Erziehung an <strong>den</strong> Alltagserfahrungen der Jugendlichen<br />

zu orientieren. Werbung, Film, Fernsehen und Comic wur<strong>den</strong> zu Lerninhalten innerhalb des<br />

Kunstunterrichts erhoben. Geprägt von dem Begriff der Kultur- bzw. Bewusstseinsindustrie<br />

(Horkhe<strong>im</strong>er/Adorno und Enzensberger) sorgte ein medienkritischer Ansatz <strong>für</strong> die Vermitt-<br />

lung der gesellschaftlichen Bedeutung von Massenmedien. Der Kunstunterricht verwandelte<br />

sich ten<strong>den</strong>ziell in einen Medienunterricht, da Neue Medien und Massenmedien statt Kunst<br />

zum Gegenstand des Unterrichts wur<strong>den</strong>. Spätestens in <strong>den</strong> 90er Jahren wurde diese<br />

Ten<strong>den</strong>z zu einem großen Teil rückgängig gemacht.<br />

Parallel zu <strong>den</strong> innerschulischen Entwicklungen entstand in <strong>den</strong> 70er Jahren eine Medien-<br />

bildung außerhalb der Schulen. Auch in diesem Bereich dominierte anfangs eine ideologie-<br />

kritische Medienpädagogik, die sich jedoch bald in eine „Handlungsorientierte Medien-<br />

pädagogik“ (Dieter Baacke) verwandelte. 10 Frei von der institutionellen Schwerfälligkeit und<br />

curricularen Befangenheit der Schule konnten sich diese außerschulischen Projekte schnell<br />

etablieren. In Jugendarbeit und Erwachsenenbildung wur<strong>den</strong> insbesondere durch Film- und<br />

Medienhäuser eine Medienkompetenz durch das Arbeiten mit <strong>den</strong> neuen Medien vermittelt.<br />

Eigene Produktionen ließen einen Einblick in Produktionsabläufe von Film, Fernsehen und<br />

Radio gewähren und damit <strong>den</strong> Blick auf die Medienpräsenz und Meinungsbildung schärfen.<br />

Der Rezipient sollte durch die produktive Komponente die Fähigkeit zur kritischen Haltung<br />

gegenüber <strong>den</strong> Massenmedien erlangen. Zugleich erwarb er eine Kompetenz in der Hand-<br />

habung der neuen Medien. Als Herausforderung gegenüber der hochkomplex organisierten<br />

Öffentlichkeit der professionellen Massenmedien wur<strong>den</strong> in Offenen Kanälen eine alternative<br />

Öffentlichkeit aufgebaut, die als Forum <strong>für</strong> die Eigenproduktionen der Medienhäuser dienten<br />

und eine basisbezogene, emanzipatorische und kritische Instanz hervorbringen sollte.<br />

Diese Konzepte verfolgen das Erlernen der Bildproduktion und eine kritische Auseinander-<br />

setzung mit der Rezeption und Wirkung der Medien, getreu der Idee von Hans Magnus<br />

Enzensberger, <strong>den</strong> Konsumenten zum Produzenten zu machen. Die Ansätze reagieren<br />

8 Zur Geschichte der Medienpädagogik vgl. Hüther/Podehl, 1997, 116-125.<br />

9 Zum Konzept der <strong>Visuelle</strong>n <strong>Kommunikation</strong> vgl. Ehmer u.a., 1971.<br />

10 Vgl. Baacke, 1994, 330-331.<br />

4


somit auf die Massenmedien ihrer Zeit. Fernsehen und Hörfunk sind Medien, die ausschließ-<br />

lich eine eindirektionale <strong>Kommunikation</strong> verwirklichen. Eindirektional heißt, dass ein zentral<br />

organisiertes Massenmedium als ein Sender fungiert und Informationen an ein disparates<br />

Publikum liefert. Das Publikum kann rezipieren, jedoch nur begrenzt und zeitversetzt<br />

reagieren. Durch das Medium wird eine Trennung zwischen Produktion und Rezeption<br />

vorgegeben.<br />

Das <strong>Internet</strong> dagegen hebt diese Trennung in einem Maße auf, indem es jedem Benutzer<br />

erlaubt, gleichzeitig zu produzieren und konsumieren, zu agieren und reagieren. Der Künstler<br />

David Blair zum Beispiel arbeitet seit 1994 an einem interaktiven Kino-Projekt <strong>im</strong> <strong>Internet</strong><br />

(http://www.waxweb.org), das diese Komponente des Webs berücksichtigt. Grundlage<br />

dieses Projekts ist Blairs Spielfilm „WAX oder die Entdeckung des Fernsehens bei <strong>den</strong><br />

Bienen“. Die <strong>Internet</strong>arbeit Waxweb arbeitet mit Szenen dieses Filmes, die zu einem asso-<br />

ziativen Netz vielfältiger Bezüge verbun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Je nach Interaktion des Betrachters<br />

formen die Elemente <strong>im</strong>mer andere Erzählstränge und erzeugen zugleich permanent neue<br />

Interaktionsmöglichkeiten. Die lineare Filmerzählung wird durch die nicht-sequenzielle<br />

Hyperstruktur des Webs aufgehoben. Gleichzeitig wird die Möglichkeit der Interaktion <strong>im</strong><br />

<strong>Internet</strong> genutzt, um Prozesse in Gang zu setzen. 11<br />

Dieses Beispiel zeigt, wie die Bedingungen des World Wide Web eine neue Funktions- und<br />

Gebrauchsweise des Bildes generiert. Die Hyperstruktur schafft ein Netz mit Informations-<br />

knoten, das es ermöglicht Bilder in einer neuen Weise zu strukturieren. Der Zugriff auf Bilder<br />

hängt wesentlich von dieser Organisationsstruktur ab. Über Verknüpfungen folgen wir<br />

Pfa<strong>den</strong> oder suchen gezielt mit Hilfe von Suchalgorithmen. Zugleich stehen wir in einem<br />

interaktiven Prozess, der ein s<strong>im</strong>ultanes Rezipieren und Generieren von Bildmaterial und<br />

Bildverknüpfungen erlaubt. 12 Das Bild <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> zeigt demzufolge spezifische Merkmale,<br />

die über die Möglichkeiten anderer Medien hinausgehen. So lässt sich ein Bild aus dem<br />

<strong>Internet</strong> beispielsweise auf Papier ausdrucken, aber die Verknüpfung dieses Bildes mit<br />

anderen Bildern nicht. Ist es zudem einmal auf Papier festgehalten, so ist es fixiert und nicht<br />

mehr digital veränderbar. Dies verdeutlich, dass gewisse Merkmale eines Bildes, das <strong>im</strong><br />

<strong>Internet</strong> integriert ist, nicht auf andere Träger übertragen wer<strong>den</strong> können. Wendet man diese<br />

Überlegung positiv, dann lassen sich folgende Kriterien als spezifische Merkmale des Bildes<br />

<strong>im</strong> <strong>Internet</strong> formulieren:<br />

Erstens das Prozesshafte: Das <strong>Internet</strong> entwickelt ten<strong>den</strong>ziell keine Produkte, sondern<br />

Prozesse. Das Bild <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> ist kein einmalig fixiertes Objekt, sondern ist inhaltlich und<br />

materiell einem ständigen Prozess unterworfen. Bilder können jederzeit aus ihrem Kontext<br />

11 Vgl. Blunck/Blome, 1999, 6.<br />

12 Vgl. Tergan, 1997, 123ff.<br />

5


gelöst, verarbeitet und in neue Umgebungen integriert wer<strong>den</strong>. Bilder können zudem beliebig<br />

oft und mit beliebig vielen Adressaten kommuniziert wer<strong>den</strong>.<br />

Zweitens die Verknüpfbarkeit: Im <strong>Internet</strong> dominiert die nicht-sequenzielle Struktur des<br />

Hypertextes. Äquivalent wer<strong>den</strong> <strong>für</strong> das Bild die Begriffe Hypergraphic, Hyperpicture und<br />

Hyper<strong>im</strong>age benutzt. Als Hypergraphic bezeichnet man eine Grafik in einem HTML-Doku-<br />

ment, die zugleich ein Verweis (Link) ist. Klickt man auf die Grafik, verzweigt der Browser<br />

zum angegeben URL. Hyperpicture wurde bereits Anfang der 90er Jahre ein Hypermedia-<br />

Datenverwaltungssystem genannt, das eine Integration von Bildern und Videos in eine<br />

Hyperstruktur ermöglichte. Sogar zeitvariante Linkbereiche in Videos konnten damit gesetzt<br />

wer<strong>den</strong>. Die Einbettung des Bildes in eine Hyperstruktur erlaubt die Schaffung eines beliebig<br />

verknüpfbaren und variablen Bildsystems.<br />

Prozesshaftigkeit und Verknüpfbarkeit sind somit die zwei wesentlichen Merkmale, die das<br />

Bild <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> charakterisieren und dessen Interaktivität zugrunde legen. Dieser Sach-<br />

verhalt wird in nächster Zeit durch eine weitere Entwicklung <strong>im</strong> IT-Sektor an Bedeutung<br />

gewinnen. Wie in <strong>den</strong> 90er Jahren die Bereiche Mult<strong>im</strong>edia und <strong>Internet</strong> eine Symbiose<br />

bildeten, so wird es voraussichtlich eine Verbindung zwischen Virtual Reality und Tele-<br />

kommunikation geben. 13 Das Charakteristikum von Virtuellen Realitäten ist die Begehbarkeit<br />

oder das Eintauchen, die Immersion in Datenräume. 14 Dies geschieht durch Datensichtbrillen<br />

und Navigationshandschuhe oder, in einer sehr aufwendigen Form, <strong>im</strong> so genannten<br />

CAVE. 15 In solchen virtuellen Räumen fällt die Rezeption und Produktion des Bildes in eins.<br />

Erst durch die Bewegung des Benutzers <strong>im</strong> CAVE wird die visuelle Umwelt durch <strong>den</strong><br />

Computer generiert: das Bild entsteht <strong>im</strong> Prozess der Wahrnehmung. Eine Trennung<br />

zwischen Bilderstellung und Bildwahrnehmung ist nur noch bedingt nachzuvollziehen.<br />

Vielmehr wird der Bildraum zum Ort des Geschehens – der Benutzer tritt in eine echte<br />

Interaktion mit dem Bild. Eine Symbiose von Virtual Realtity und <strong>Internet</strong> bedeutet nun die<br />

<strong>Kommunikation</strong>sfähigkeit solcher virtuellen Bildräume. Verbun<strong>den</strong> über Datennetze bil<strong>den</strong><br />

die virtuellen Bildräume eine gemeinsame Orientierungsumgebung, in der Informationen<br />

anschaulich in einer neuartigen virtuellen Architektur strukturiert wer<strong>den</strong> kann.<br />

Um die Möglichkeiten des <strong>Internet</strong>s als ein neuer Bildraum auszuschöpfen, bedarf es einer<br />

Revision der angesprochenen pädagogischen Modelle, da sie das interaktive und kommuni-<br />

kative Potenzial der neuen Medien zu wenig berücksichtigen. Eine scharfe Trennung<br />

zwischen Bildrezeption und Bildproduktion in Bezug auf Mult<strong>im</strong>edia, <strong>Internet</strong> und Virtual<br />

Reality wird nicht aufrecht erhalten wer<strong>den</strong> können. Vielmehr wird man von Bildinteraktion<br />

13 Vgl. Alsdorf/Bannwart, 1997, 437ff.<br />

14 Zur Entwicklungsgeschichte virtuell-<strong>im</strong>mersiver Bildräume vgl. Grau, 2001.<br />

15 CAVE (Cave Automatic Virtual Environment): 3D-Stereoskopischer Projektionsraum <strong>für</strong> interaktive<br />

Echtzeitanwendungen. Mittels Videobeamer und 3D-Brille wird ein physischer Raum in einen<br />

begehbaren virtuellen und dreid<strong>im</strong>ensionalen Raum verwandelt.<br />

6


und Bildkommunikation ausgehen müssen, um ein aktuelles Konzept <strong>für</strong> die Kompetenz-<br />

bildung <strong>im</strong> pädagogischen Raum zu erhalten. Solch ein Konzept wird zudem völlig neuartige<br />

Handlungsspielräume <strong>für</strong> das Lehrumfeld schaffen.<br />

<strong>Perspektiven</strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> Kunstunterricht<br />

Gerade das Unterrichtsfach Kunst kann in der neuartigen visuellen Kultur eine wichtige<br />

Aufgabe in der Bildung übernehmen. 16 Eine Vermittlung visueller Kompetenz als integraler<br />

Bestandteil des Kunstunterrichts kann auf das Konzept der „<strong>Visuelle</strong>n <strong>Kommunikation</strong>“<br />

aufbauen und übern<strong>im</strong>mt von der außerschulischen „Handlungsorientierten Medienpädago-<br />

gik“ das projektorientierte Modell. Die Projektmethode sprengt selbstverständlich <strong>den</strong><br />

Rahmen des Kunstfaches, ist aber – so zeigen die Erfahrungen der Handlungsorientierten<br />

Medienpädagogik – die sinnvollste Antwort auf die Omnipräsenz der Medien in allen Schul-<br />

fächern. Schon seit langem ist jedes Schulfach aufgefordert, an der Vermittlung von Medien-<br />

kompetenz mitzuwirken. Ein großes Handikap dabei ist jedoch das umfangreiche und teure<br />

Equipment, das nicht jedem Fach und jeder Schule gleichermaßen zur Verfügung steht.<br />

Projektunterricht, dem beispielsweise eine Medienwerkstatt zur Verfügung steht (vielleicht<br />

außerhalb der Schule, von mehreren Bildungseinrichtungen genutzt, oder auch mobil 17 ),<br />

kann als ein integratives Element <strong>den</strong> Zusammenhang der herkömmlich getrennten Fach-<br />

bereiche unter dem Motto „<strong>Visuelle</strong> und Kommunikative Kompetenz“ herstellen. Das Projekt<br />

wird dann zum fächer- und schulübergreifen<strong>den</strong> Ereignis. 18<br />

Kompetenzbildung <strong>im</strong> Projekt umfasst mehr als intentionale, <strong>im</strong> Lehrplan formulierte Akte, ist<br />

vielmehr eine offene Plattform <strong>für</strong> Selbst lernen in Prozessen. Diese Plattform stellt mit dem<br />

technischen Equipment und der professionellen Anleitung durch Lehrerinnen und Lehrer<br />

einen Bedingungsrahmen, in dem nicht nur auf einen Lehrplan reagiert, sondern selbst agiert<br />

wer<strong>den</strong> kann. Das Konzept des Projektunterrichts besteht in der freien Wahl des Vorhabens<br />

in der Gruppe, das <strong>im</strong> kommunikativen und reflexiven Prozess entwickelt und durchgeführt<br />

wird. Nur so wird von vornherein verhindert, dass die Kompetenzvermittlung in eine rein<br />

16 Die Lehrplankommission Bil<strong>den</strong>de Kunst in Ba<strong>den</strong>-Württemberg reagierte und integrierte <strong>im</strong> neuen<br />

Lehrplan der Kursstufe des Gymnasiums <strong>für</strong> die Weiterentwicklung des Fachs Bil<strong>den</strong>de Kunst das<br />

Arbeiten in „digitalen Netzen und virtuellen Räumen“ (Bildungsplan <strong>für</strong> die Kursstufe des<br />

Gymnasiums, Amtsblatt des Ministeriums <strong>für</strong> Kultus, Jugend und Sport Ba<strong>den</strong>-Württemberg, Stuttgart,<br />

<strong>den</strong> 23. August 2001).<br />

17 Beispielhaft das Kulturmobil in Hessen (http://www.kulturmobil-hessen.de).<br />

18 Eine Umfrage des Autors über <strong>den</strong> Einsatz des <strong>Internet</strong>s <strong>im</strong> Kunstunterricht zeigte, dass eine<br />

unterrichtliche Anwendung des <strong>Internet</strong>s meistens fächerübergreifend stattfindet, was dem Charakter<br />

eines Vernetzungsmedium auch am ehesten entspricht. Vgl. Scheibel, 2002b.<br />

7


technische Ausbildung oder in ein Berufskarriere-Wissen mündet. Damit wird außerdem eine<br />

kommunikative Mündigkeit aller Beteiligten von Anbeginn gewährleistet.<br />

Wie sich in solchen Projekten oft zeigt, gestaltet sich besonders die Wahl des Vorhabens<br />

bzw. die Formulierung eines Ziels in der Gruppe als schwierig und führt meistens zu Nach-<br />

ahmungen bereits bekannter Projekte. Anstöße zu andersartigen Ideen wer<strong>den</strong> erst dann<br />

geliefert, wenn bereits ein Vorwissen über <strong>den</strong> Gegenstand vorhan<strong>den</strong> ist. Um dieser Pro-<br />

blematik zu entgehen, erweist sich eine einführende theoretische Auseinandersetzung als<br />

sinnvoll. 19 In einer Lektüre- und Diskussionsgruppe, in der auch die Betrachtung und Analyse<br />

von Websites, Netzkunst und dergleichen einen hohen Stellenwert einnehmen soll, können<br />

Aspekte gesammelt wer<strong>den</strong>, die dann als Vorhaben <strong>im</strong> Projekt weitergeführt wer<strong>den</strong>. Eine<br />

thematische Lektüre und Diskussion, die am Anfang steht, hat zudem <strong>den</strong> Vorteil, dass<br />

schon hier eine kritische Auseinandersetzung stattfindet, bevor diese <strong>im</strong> praktischen<br />

Erlernen der ausgefeilten Techniken verloren geht. Die vorangestellte Kritik begleitet das<br />

Projekt und kann am Ende in der Rekapitulation des Vorhabens wieder aufgegriffen wer<strong>den</strong>.<br />

Dies alles zusammengenommen, kann einen Lernkomplex bil<strong>den</strong>, der viele D<strong>im</strong>ensionen der<br />

Kompetenzbildung in der visuellen <strong>Kommunikation</strong> mit neuen Medientechnologien berührt:<br />

Kritik, Kunde, Nutzung und Gestaltung – Analyse, Rezeption, Produktion und Interaktion –<br />

Wirkung, Ethik, Gefahren und Potenzial. 20<br />

Um das Potenzial des <strong>Internet</strong>s auszuschöpfen, kann ein Projekt aus der Vernetzung von<br />

mehreren Schulen erwachsen, die gleichzeitig an einer künstlerischen Produktion <strong>im</strong> und mit<br />

dem <strong>Internet</strong> arbeiten. Dabei muss nicht nur die Verwirklichung des Kunstprojekts auf das<br />

<strong>Internet</strong> fixiert sein, sondern auch die Ziele der Produktion können versuchsweise in der<br />

Netzkommunikation abgest<strong>im</strong>mt wer<strong>den</strong>. Regelmäßige Treffen aller Projektbeteiligten<br />

ermöglichen eine face-to-face-<strong>Kommunikation</strong> und bil<strong>den</strong> damit ein Forum <strong>für</strong> eine kritische<br />

Diskussion außerhalb der elektronischen Vernetzung. Das Erlernen der Techniken erfolgt<br />

dabei problemorientiert. Der Umgang mit der Hard- und Software wird nicht durch einen<br />

fixierten Lehrplan vermittelt. Vielmehr wer<strong>den</strong> innerhalb des Projekts jeweils die Hand-<br />

habungen gelernt, die gerade zur Lösung eines Problems benötigt wer<strong>den</strong>. Diese Methode<br />

ist eine große Herausforderung <strong>für</strong> das Lehrpersonal, fördert aber autodidaktisches Lernen<br />

bei <strong>den</strong> SchülerInnen.<br />

19 Diese Annahme bestätigen Lehrveranstaltungen von Bettina Lockemann und Michael Scheibel mit<br />

angehen<strong>den</strong> KunstlehrerInnen an der Akademie der Bil<strong>den</strong><strong>den</strong> Künste Stuttgart. Vgl. Lockemann,<br />

2002.<br />

20 Dieter Baacke, auf <strong>den</strong> das Konzept der „Handlungsorientierten Medienpädagogik“ zurückgeht,<br />

entwickelte einen Kompetenzbegriff <strong>für</strong> die Erziehungswissenschaft, indem er auf vier D<strong>im</strong>ensionen<br />

einer Medienkompetenz hinwies: die Medienkritik, die Medienkunde, die Mediennutzung und die<br />

Mediengestaltung. Während Medienkritik und Medienkunde eine theoretisch-reflexive<br />

Auseinandersetzung mit dem Gegenstand bedeuten, wer<strong>den</strong> unter Mediennutzung und<br />

Mediengestaltung rezeptive, produktive und kreative Prozesse verstan<strong>den</strong>. Alle vier D<strong>im</strong>ensionen<br />

zusammengenommen sollen in einem wechselseitigen Bezug eine Kompetenzbildung gegenüber <strong>den</strong><br />

Medien vermitteln. (Vgl. Baacke, 1999, 34).<br />

8


<strong>Visuelle</strong> und kommunikative Kompetenzbildung können auf diese Weise bereits <strong>im</strong> didak-<br />

tischen Modell verankert wer<strong>den</strong>. Die Projektarbeit wird zugleich <strong>den</strong> Medien gerecht, um die<br />

sie inhaltlich kreist. Bildmedien und <strong>Kommunikation</strong>stechnologien können in ihrem Charak-<br />

ter, ihren Stärken und Schwächen, ihren Möglichkeiten und Grenzen exper<strong>im</strong>entell innerhalb<br />

der Gruppenarbeit erfahrbar gemacht wer<strong>den</strong>. Der Einzelne wird <strong>im</strong> Idealfall zu einem<br />

selbstbest<strong>im</strong>mten, entscheidungsfähigen und gestaltungsfähigen Subjekt gegenüber <strong>den</strong><br />

Medien. Gleichzeitig wird das Subjekt in eine Praxis eingebun<strong>den</strong>, die ein demokratisches<br />

Lernen <strong>im</strong> Projekt und mit neuen <strong>Kommunikation</strong>smöglichkeiten erlaubt.<br />

Das vorgestellte Lehrkonzept beruht bisher auf der Präsenz des Lernen<strong>den</strong>, setzt also die<br />

räumliche Anwesenheit aller ProjektteilnehmerInnen voraus. Die Lernumgebung wird durch<br />

einen Computerpool vorgegeben, in dem die nötige Hard- und Software <strong>für</strong> die digitale Bild-<br />

verarbeitung und -kommunikation zur Verfügung steht. Bei einer Auseinandersetzung mit<br />

dem <strong>Internet</strong> kann eine Online-Phase die Lehrsituation sinnvoll ergänzen. Die Online-Phase<br />

verzichtet auf die Präsenz des Lernen<strong>den</strong>. Das Ziel der Online-Phase ist es, auf der fach-<br />

lichen Ebene das <strong>Internet</strong> als zusätzliche Ressource <strong>für</strong> die Arbeitsbereiche zu nutzen sowie<br />

das <strong>Internet</strong> als virtuellen Lern- und Arbeitsort zu erfahren. Möglichkeiten der Online-Phase<br />

sind: die <strong>Internet</strong>-Recherche und das Zusammentragen von Links über relevante Themen;<br />

die regelmäßige Betreuung und Aktualisierung einer eigenen Website; der Austausch und<br />

das Sammeln von Informationen und Bildern zu einer vorgegebenen Thematik; die Fort-<br />

führung einer Diskussionsplattform <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>. Diesen Tätigkeiten in der Online-Phase<br />

können alle Teilnehmen<strong>den</strong> unabhängig von einem festen Ort und einem festen Termin<br />

nachgehen – bei einem privaten Netzzugang von zu Hause, ansonsten von <strong>den</strong> Terminals<br />

des Computerpools. Die Online-Phase bietet die Chance, die Nutzung der neuen Kommuni-<br />

kationstechnologien in der eigenen Anwendung zu erproben.<br />

Schnell lässt sich erkennen, dass der skizzierte Lehransatz quer zu <strong>den</strong> gewohnten Unter-<br />

richtsmetho<strong>den</strong> einer Schule liegt. Kunstlehrende nutzen bisher selten <strong>den</strong> Computerraum –<br />

an entsprechen<strong>den</strong> Fortbildungen <strong>für</strong> die LehrerInnen mangelt es. 21 Wenn das <strong>Internet</strong> <strong>im</strong><br />

Kunstunterricht eingesetzt wird, ist dies fast ausschließlich auf die Gebiete der Gewinnung<br />

von Informationen und der Vorbereitung des Unterrichts begrenzt. Ein kritisch-künstlerischer<br />

Umgang mit dem Medium ist dagegen die Ausnahme, da das Medium selbst nur vereinzelt<br />

inhaltlich thematisiert wird. Ten<strong>den</strong>ziell findet das <strong>Internet</strong> <strong>im</strong> Kunstunterricht bisher in einer<br />

passiven Form Verwendung: als informationsgebendes Medium zur Recherche. Aktiv<br />

gestaltend wird es selten eingesetzt. 22 Darüber hinaus ist ein Projektunterricht und eine<br />

Online-Phase, die auf die Präsenz der SchülerInnen teilweise oder ganz verzichtet, derzeit<br />

21 Dies zeigt eindringlich die <strong>im</strong> Rahmen des BLK-Programms „Kulturelle Bildung <strong>im</strong> Medienzeitalter“<br />

und des Modellprojekts „<strong>Visuelle</strong> Kompetenz <strong>im</strong> Medienzeitalter“ entstan<strong>den</strong>e Studie „ <strong>Internet</strong> und<br />

Kunstunterricht. Fortbildungsmöglichkeiten <strong>für</strong> Kunstlehrerinnen und -lehrer“ von Martin Wetz, 2002.<br />

22 Vgl. Scheibel, 2002b, 28f.<br />

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noch kaum vorstellbar, doch nötig. Das Lernen mit Lernmodulen, die verstärkt mult<strong>im</strong>edial<br />

arbeiten und einen Präsenzunterricht zum Teil aufheben, ist eine Praxis, die an Hochschulen<br />

und in Unternehmen zunehmend Verbreitung findet. Es geht hier keineswegs nur um eine<br />

Vorbereitung der SchülerInnen auf bereits bestehende Bedingungen oder Zwänge. Vielmehr<br />

kann <strong>im</strong> Kunstunterricht eine Kompetenzbildung gefördert wer<strong>den</strong>, die sowohl einen<br />

kritischen Umgang mit <strong>den</strong> neuen Entwicklungen erlaubt, als auch junge Menschen zu aktiv<br />

gestalten<strong>den</strong> Subjekten ausbildet. Gerade in <strong>den</strong> Bereichen Mult<strong>im</strong>edia und <strong>Internet</strong><br />

dominierten bisher Informatiker und Techniker. Doch die Entwicklung einfach zu bedienender<br />

Anwendungssoftware macht es seit geraumer Zeit möglich, dass jede Person mit diesen<br />

Medien arbeiten kann und es verstärkt macht. Der Ruf nach Gestaltung der Medienober-<br />

flächen ist unüberhörbar. Der Kunstunterricht kann hier<strong>für</strong> ein kompetentes und vor allem<br />

kritisches Potenzial heranbil<strong>den</strong>.<br />

Das <strong>Internet</strong> als Medium der <strong>Kommunikation</strong>, Präsentation und Wissensvermittlung<br />

Nach dem Medienpädagogen Bernd Schorb können Medien Mittel zur Demonstration, zur<br />

Information, zur Recherche, zur Darstellung und zur Auseinandersetzung mit gesellschaft-<br />

lichen Problemen sein. 23 In einer reflexiv-praktischen Medienaneignung, die der Autor vertritt,<br />

können mit Hilfe der neuen Medien individuelle Erfahrungen vermittelt wer<strong>den</strong>, mediale<br />

Erfahrungen bearbeitet und künstlerischen Absichten Ausdruck gegeben wer<strong>den</strong>. Das<br />

<strong>Internet</strong> bietet ein umfangreiches Potenzial, um diesen Forderungen gerecht zu wer<strong>den</strong>. Ein<br />

Beispiel soll dies verdeutlichen und Anregungen <strong>für</strong> Schulprojekte geben. 24<br />

Die Grundschule Direzione Didattica XIII Circolo in Parma zeichnet sich durch einen<br />

interkulturellen Ansatz aus, mit dem unter anderem auf die Migrationsphänomene von<br />

Kindern aus Immigranten-Familien reagiert wird. Dementsprechend richten sich die<br />

schulischen Aktivitäten auf einen regen interkulturellen Austausch. Die Möglichkeiten des<br />

<strong>Internet</strong>s als grenzüberschreitendem <strong>Kommunikation</strong>smittel wur<strong>den</strong> hier früh erkannt und<br />

beispielhaft eingesetzt. Unter der URL http://www.provincia.parma.it/scuole/separm13/www/<br />

befindet sich eine lebendige Website der Schule, die in Schulprojekten ständig weiter-<br />

entwickelt und verändert wird. Mehrere LehrerInnen, die auf <strong>den</strong> jeweiligen Seiten verant-<br />

wortlich zeichnen, benutzen das <strong>Internet</strong> intensiv innerhalb ihres Unterrichts. Da wer<strong>den</strong> zum<br />

Beispiel Bilder mit der Partnerschule in Nottingham ausgetauscht und auf der Website<br />

nebeneinander gestellt. Wir sehen die Schulräume in Großbritannien und die englischen<br />

23 Vgl. Schorb, 1995.<br />

24 Für <strong>den</strong> Hinweis auf folgendes Beispiel danke ich Karina Siuda. Ganz absichtlich wird als Beispiel<br />

eine Grundschule gewählt, um der oftmals formulierten Behauptung zu entgegnen, dass eine <strong>Internet</strong>-<br />

Anwendung in der Pr<strong>im</strong>ärstufe zu komplex sei.<br />

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SchülerInnen in Uniform neben ihren Freun<strong>den</strong> in Parma wie sie Sport treiben, zu Mittag<br />

essen oder sich Weihnachts- und Neujahrsgrüße austauschen. Der Bilderaustausch ermög-<br />

licht einen Einblick in andere Kulturräume und führt hierdurch solche alltäglichen aber<br />

kulturell bedingten Details vor Augen, dass beispielsweise die Kinder in der englischen<br />

Schule <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>den</strong> italienischen SchülerInnen alle gleich gekleidet sind.<br />

In einem größerem interkulturellen Projekt wur<strong>den</strong> weltweit zwischen verschie<strong>den</strong>en Partner-<br />

schulen landestypische Mythen und Märchen ausgetauscht, die dann jeweils <strong>im</strong> anderen<br />

Land als Theaterstück in der Schule inszeniert wur<strong>den</strong>. Das <strong>Internet</strong> wurde in diesem<br />

Moment nicht nur zum Austausch der Erzählungen verwendet, sondern darüber hinaus zur<br />

Präsentation der aufgeführten Theaterstücke. So können die MitschülerInnen in Venezuela<br />

ihre Geschichte „Il Nome del Frutto“ auf <strong>den</strong> comichaft aufbereiteten Bildern der<br />

parmaischen SchülerInnen verfolgen.<br />

Auf der Website der Grundschule in Parma wird das <strong>Internet</strong> zugleich als Lehrmittel einge-<br />

setzt, wobei auch in diesem Fall die SchülerInnen in die Gestaltung einbezogen wer<strong>den</strong>. Um<br />

insbesondere <strong>den</strong> Immigranten-Kindern das Erlernen der italienischen Sprache zu verein-<br />

fachen, wur<strong>den</strong> von <strong>den</strong> SchülerInnen Zeichnungen zu wichtigen italienischen Begriffen oder<br />

auch zu ganzen Geschichten gemalt. Auf der Website sind diese Zeichnungen mit <strong>den</strong><br />

Begriffen kombiniert dargestellt. Der Begriff dient gleichzeitig als Link <strong>für</strong> eine Tondatei, in<br />

der eine Mitschülerin das Wort ausspricht. So lässt es sich leicht durch eine Bildergeschichte<br />

klicken, dabei die Begriffe lesen und ihre Aussprache kennenlernen – alles selbstverständ-<br />

lich online.<br />

Das Beispiel der Grundschule in Parma demonstriert eine multifunktionale Nutzung des<br />

<strong>Internet</strong>s. <strong>Kommunikation</strong>, Präsentation und Wissensvermittlung sind drei wesentliche<br />

Aspekte des <strong>Internet</strong>s, die <strong>im</strong> schulischen Kontext ausgiebig genutzt wer<strong>den</strong>. Dabei steht der<br />

interkulturelle Austausch <strong>im</strong> Vordergrund, durch die die SchülerInnen fremde Kulturen auf<br />

spielerische Weise kennenlernen. Zudem wer<strong>den</strong> die SchülerInnen in die Produktion der<br />

Web-Inhalte von Anbeginn mit einbezogen. Da die vorgestellten Projekte auf das <strong>Internet</strong> hin<br />

konzipiert sind, wird das <strong>Internet</strong> zu einem selbstverständlichen Medium neben <strong>den</strong> alten<br />

Medien wie der Malerei, dem Theater oder der Fotografie. Alte und neue Medien ergänzen<br />

sich innerhalb einer umfangreicheren Aufgabenstellung.<br />

Michael Scheibel<br />

(Dieser Beitrag erschien in: Hans Dieter Huber, Bettina Lockemann, Michael Scheibel (Hg.), Bild – Medien –<br />

Wissen. <strong>Visuelle</strong> Kompetenz <strong>im</strong> Medienzeitalter, kopead-Verlag, München 2002)<br />

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