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Verbundprojekt SKRIBT Schutz kritischer Brücken und Tunnel im ...

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<strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong> <strong>SKRIBT</strong><br />

<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> <strong>im</strong> Zuge von Straßen<br />

Schlussbericht: <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

Öffentliche Fassung<br />

Gefördert durch:<br />

B<strong>und</strong>eministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung (BMBF), Berlin<br />

Projektträger:<br />

VDI Technologiezentrum GmbH, Düsseldorf


1 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

Bearbeitet von:<br />

B<strong>und</strong>esamt für Bevölkerungsschutz <strong>und</strong> Katastrophenhilfe (BBK)<br />

B<strong>und</strong>esanstalt für Straßenwesen (BASt)<br />

Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut (EMI),<br />

HOCHTIEF PPP Solutions GmbH<br />

Institut für Leichtbau, Entwerfen <strong>und</strong> Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart<br />

Lehrstuhl für Psychologie I der Julius-Max<strong>im</strong>ilians-Universität Würzburg<br />

Lehrstuhl für <strong>Tunnel</strong>bau, Leitungsbau <strong>und</strong> Baubetrieb der Ruhr-Universität Bochum (TLB)<br />

PTV Planung Transport Verkehr AG<br />

Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH Düsseldorf<br />

Siemens AG<br />

Dieser Bericht enthält in der Originalfassung sensible Inhalte, die aus der vorliegenden öffentlichen<br />

Fassung entfernt wurden.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 2<br />

Inhalt<br />

1 Einleitung .............................................. 4<br />

1.1 Allgemeines ............................................ 4<br />

1.2 Zielsetzung ............................................. 4<br />

1.3 Vorgehensweise ..................................... 4<br />

2 Sicherheitstechnische<br />

Untersuchung von Bauwerken ........... 5<br />

2.1 Allgemeines ............................................ 5<br />

2.2 Vorgehensweise ..................................... 5<br />

2.3 Bedrohungsanalyse................................ 6<br />

2.3.1 Allgemeines ............................................ 6<br />

2.3.2 Terrorismus <strong>und</strong> kr<strong>im</strong>inelle<br />

Handlungen ............................................ 6<br />

2.3.3 Extreme Naturereignisse ........................ 6<br />

2.3.4 Menschliches / Technisches<br />

Versagen ................................................ 6<br />

2.4 Objektanalyse ......................................... 7<br />

2.4.1 Allgemeines ............................................ 7<br />

2.4.2 Relevante Ereignisse ............................. 8<br />

2.4.3 Analyse der Resttragfähigkeit ................ 8<br />

2.4.4 Analyse der Nutzerbelange .................. 10<br />

2.4.5 Analyse der verkehrlichen<br />

Gegebenheiten ..................................... 11<br />

2.5 Verfahren zur Identifizierung <strong>kritischer</strong><br />

Bauwerke ............................................. 11<br />

2.5.1 Vorfilterung des Bauwerksbestandes ... 11<br />

2.5.2 Anwendung des Verfahrens ................. 12<br />

2.6 Zusätzliche <strong>Schutz</strong>maßnahmen ........... 12<br />

3 Identifizierung <strong>kritischer</strong> Bauwerke . 14<br />

3.1 Allgemeines .......................................... 14<br />

3.2 Initialereignisse ..................................... 14<br />

3.2.1 Brand .................................................... 14<br />

3.2.2 Explosion .............................................. 15<br />

3.2.3 Kontamination ...................................... 15<br />

3.2.4 Wasser / Temperatur / Wind ................ 15<br />

3.3 Szenarienentwicklung .......................... 16<br />

3.4 Ermittlung der Eingangsgrößen ........... 16<br />

3.4.1 Eingangsgrößen für das Bauwerk ........ 16<br />

3.4.2 Eingangsgrößen für Nutzer .................. 17<br />

3.4.3 Eingangsgrößen für Verkehr ................ 17<br />

3.4.4 Eingangsgrößen für sonstige<br />

Faktoren ............................................... 17<br />

3.5 Synthese der Eingangsgrößen ............. 18<br />

3.5.1 Bewertungshintergr<strong>und</strong> Bauwerk ......... 19<br />

3.5.2 Bewertungshintergr<strong>und</strong> Nutzer ............ 19<br />

3.5.3 Bewertungshintergr<strong>und</strong> Verkehr .......... 20<br />

3.5.4 Synthese der Einzel-<br />

Beurteilungsgrößen .............................. 21<br />

3.6 Bewertung der Kritikalität ..................... 21<br />

4 <strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Brücken</strong><br />

<strong>und</strong> ihre Nutzer ....................................23<br />

4.1 Allgemeines ..........................................23<br />

4.2 Empfehlungen für<br />

Bauwerkseigentümer ............................24<br />

4.2.1 Empfehlungen zur<br />

Maßnahmenanwendung .......................24<br />

4.2.2 Empfehlungen zur Vorgehensweise<br />

bei der Maßnahmenanwendung ...........28<br />

4.2.3 Empfehlungen zur schnellen<br />

Wiederinbetriebnahme ..........................31<br />

4.3 Empfehlungen zur<br />

Maßnahmenanwendung für Betreiber<br />

<strong>und</strong> Einsatzdienste ................................32<br />

4.3.1 Empfehlungen für Betreiber ..................32<br />

4.3.2 Empfehlungen für Einsatzdienste .........33<br />

4.3.3 Empfehlungen für Nutzer ......................34<br />

5 <strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Tunnel</strong> <strong>und</strong><br />

ihre Nutzer ...........................................35<br />

5.1 Allgemeines ..........................................35<br />

5.2 Empfehlungen für<br />

Bauwerkseigentümer ............................37<br />

5.2.1 Empfehlungen zur<br />

Maßnahmenanwendung .......................37<br />

5.2.2 Empfehlungen zur Vorgehensweise<br />

bei der Maßnahmenanwendung ...........42<br />

5.2.3 Empfehlungen zur schnellen<br />

Wiederinbetriebnahme ..........................45<br />

5.3 Empfehlungen zur<br />

Maßnahmenanwendung für Betreiber,<br />

Einsatzdienste <strong>und</strong> Nutzer ....................46<br />

5.3.1 Empfehlungen für Betreiber ..................47<br />

5.3.2 Empfehlungen für Betriebs- <strong>und</strong><br />

Einsatzdienste - Leitfaden<br />

Ereignismanagement ............................53<br />

5.3.3 Empfehlungen für Nutzer ......................55<br />

5.3.4 Szenarienabläufe aus Sicht von<br />

Operatoren, Einsatzdiensten <strong>und</strong><br />

Nutzern..................................................57<br />

6 Maßnahmenkosten .............................61<br />

6.1 Lebenszykluskosten ..............................61<br />

6.2 Wirksamkeits-Kosten-Analyse ..............61<br />

6.2.1 Allgemeines ..........................................61<br />

6.2.2 Berücksichtigte Wirkungen ...................62<br />

6.2.3 Programmtechnische Umsetzung .........65<br />

6.2.4 Beispielanwendung ...............................65<br />

6.2.5 Fazit ......................................................70<br />

7 Zusammenfassung .............................71<br />

8 Fazit <strong>und</strong> Ausblick ..............................72<br />

9 Abbildungsverzeichnis .......................73


3 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

10 Tabellenverzeichnis ........................... 74<br />

11 Literaturverzeichnis ........................... 75<br />

Anhang 1: <strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Brücken</strong><br />

Anhang 2: <strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Tunnel</strong>


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 4<br />

1 Einleitung<br />

1.1 Allgemeines<br />

<strong>Brücken</strong>- <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>bauwerke sind wichtige Elemente<br />

des b<strong>und</strong>esdeutschen Fernstraßennetzes.<br />

Durch ihre Verbindungsfunktion schaffen sie die<br />

Voraussetzung für individuelle Mobilität <strong>und</strong> die<br />

Versorgung von Privathaushalten <strong>und</strong> Wirtschaft.<br />

Zudem stellen sie einen bedeutenden volkswirtschaftlichen<br />

Vermögenswert dar.<br />

Die Beschädigung oder gar der vollständige Verlust<br />

best<strong>im</strong>mter Bauwerke, wie beispielsweise von<br />

<strong>Brücken</strong> über die wichtigen Rheinquerungen oder<br />

von <strong>Tunnel</strong>bauwerken unter Flüssen, durch einen<br />

terroristischen Anschlag, einen Großunfall oder eine<br />

Naturkatastrophe ziehen daher durch hohe<br />

Wiederherstellungskosten <strong>und</strong> lange Ausfallzeiten<br />

einen beträchtlichen volkswirtschaftlichen Schaden<br />

nach sich. Schon der Ausfall eines Bauwerks kann<br />

aufgr<strong>und</strong> der in der Regel geographisch bedingten<br />

Flaschenhalsfunktion von <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>n zu<br />

einer massiven Beeinträchtigung der Netzkapazität<br />

führen. Zudem wird eine große Anzahl von Bauwerksnutzern<br />

während des Ereignisses einer großen<br />

Gefahr ausgesetzt (z.B. befinden sich in einer<br />

Röhre des Elbtunnels bei Stau ca. 500 Fahrzeuge).<br />

Dem nachhaltigen <strong>Schutz</strong> des Bauwerksbestandes<br />

von derzeit r<strong>und</strong> 240 <strong>Tunnel</strong>n <strong>und</strong> 39.000 <strong>Brücken</strong><br />

kommt daher <strong>im</strong> Hinblick auf die Effizienz unserer<br />

Infrastruktur <strong>und</strong> damit den Wohlstand unserer<br />

Gesellschaft eine hohe Bedeutung zu.<br />

1.2 Zielsetzung<br />

Ziel des <strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong>es <strong>SKRIBT</strong> ist es, für <strong>Brücken</strong>-<br />

<strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>bauwerke <strong>im</strong> Zuge von Straßen<br />

die möglichen Gefährdungen <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />

aktuelle <strong>und</strong> künftige Bedrohungslagen festzustellen,<br />

wirksame <strong>Schutz</strong>maßnahmen zu erarbeiten<br />

<strong>und</strong> damit die Verletzbarkeit lebenswichtiger Infrastrukturen<br />

<strong>und</strong> ihrer Nutzer deutlich zu verringern.<br />

Das Projekt konzentriert sich hierbei auf Verkehrsinfrastrukturen<br />

<strong>im</strong> Zuge von Straßen. Die Ergebnisse<br />

können aber in begrenztem Umfang auch<br />

auf empfindliche Infrastrukturen anderer Verkehrsträger<br />

(Schiene, ÖPNV) übertragen werden.<br />

1.3 Vorgehensweise<br />

Zunächst wurden die maßgebenden Bedrohungsszenarien<br />

für <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> anhand einer<br />

umfassenden Bedrohungsanalyse erarbeitet. Verfolgt<br />

wurde ein „All Hazard“ - Ansatz, das heißt, alle<br />

denkbaren natürlichen <strong>und</strong> vom Menschen ausgehenden<br />

Bedrohungen wurden berücksichtigt.<br />

Hierauf aufbauend wurden die für <strong>Brücken</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>Tunnel</strong>bauwerke <strong>im</strong> Zuge von Straßen maßgebenden<br />

Szenarien entwickelt.<br />

Auf Gr<strong>und</strong>lage dieser Bedrohungsszenarien wurde<br />

ein Verfahren zur Identifikation <strong>kritischer</strong> Bauwerke<br />

in Bezug auf deren zivile Sicherheit entwickelt. Es<br />

wurden maßgebende Kriterien erarbeitet, anhand<br />

derer ein Bauwerk als kritisch eingestuft werden<br />

kann. Hierzu wurden die Art <strong>und</strong> Größe möglicher<br />

Einwirkungen aus den relevanten Szenarien sowie<br />

ihre schädigende Wirkung auf Bauwerk, Nutzer<br />

<strong>und</strong> Verkehr ermittelt.<br />

Zum <strong>Schutz</strong> von als kritisch eingestuften Bauwerken<br />

wurden Maßnahmenkataloge, bestehend aus<br />

18 <strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> 27<br />

<strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Tunnel</strong>, erarbeitet. Es wurden<br />

sowohl präventive als auch ausmaßmindernde<br />

Maßnahmen entwickelt <strong>und</strong> alle Aspekte des Bauwerks,<br />

nämlich Bautechnik, Betriebs- <strong>und</strong> Sicherheitstechnik<br />

sowie Organisation der Betriebs- <strong>und</strong><br />

Einsatzdienste betrachtet. Durch die interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit von Ingenieuren <strong>und</strong> Psychologen<br />

wurde auch das menschliche Verhalten<br />

für die Ableitung von <strong>Schutz</strong>maßnahmen berücksichtigt.<br />

Weiter wurden die Investitions- <strong>und</strong> Unterhaltskosten<br />

sowie die Lebensdauer der Maßnahmen abgeschätzt.<br />

Dies erfolgte zum einen, um privaten Investoren<br />

(PPP-Modellen) eine Orientierung zu bieten,<br />

welche Zusatzkosten bei zusätzlich gesicherten<br />

Bauweisen anzusetzen sind, zum anderen<br />

können so Wirkungen <strong>und</strong> Kosten unterschiedlicher<br />

Maßnahmen für dieselbe Bedrohung gegenübergestellt<br />

<strong>und</strong> Rückschlüsse auf ihre Effizienz<br />

gezogen werden. Dieser Intention entsprechend<br />

wurde ein anwenderfre<strong>und</strong>liches Bewertungstool<br />

entwickelt, das den Straßenbauverwaltungen der<br />

Länder sowie privaten Betreibern zur Verfügung<br />

gestellt werden soll. Auch die volkswirtschaftlichen<br />

Auswirkungen, die durch den Verlust oder temporären<br />

Ausfall <strong>kritischer</strong> Infrastrukturen entstehen<br />

können, wurden hier einbezogen.<br />

Die Ergebnisse der Wirksamkeitsuntersuchungen<br />

sind Gr<strong>und</strong>lage für die <strong>im</strong> Weiteren ausgesprochenen<br />

Maßnahmenempfehlungen. Neben innovativen<br />

Sicherheitslösungen für Eigentümer, Betreiber,<br />

Nutzer <strong>und</strong> Einsatzdienste stehen auch Lösungen<br />

zur Min<strong>im</strong>ierung der gesellschaftlichen Auswirkungen<br />

<strong>im</strong> Schadensfall <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong>.


5 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

2 Sicherheitstechnische Untersuchung<br />

von Bauwerken<br />

2.1 Allgemeines<br />

Das folgende Kapitel beschreibt den <strong>im</strong> Rahmen<br />

von <strong>SKRIBT</strong> entwickelten ganzheitlichen methodischen<br />

Ansatz zur sicherheitstechnischen Untersuchung<br />

eines oder mehrerer Verkehrsinfrastrukturbauwerke.<br />

Beabsichtigt z. B. ein Bauwerkseigentümer, seinen<br />

Bauwerksbestand, bestehend aus <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Tunnel</strong>n, einer sicherheitstechnischen Untersuchung<br />

zu unterziehen, so wird empfohlen, dieses<br />

nach der <strong>im</strong> Folgenden näher beschriebenen Methodik<br />

durchzuführen.<br />

Das Ergebnis ist eine Beurteilung der Bauwerke für<br />

best<strong>im</strong>mte Bedrohungen sowie eine Empfehlung<br />

zum Einsatz geeigneter <strong>Schutz</strong>maßnahmen zur<br />

Reduzierung der Verletzbarkeit lebenswichtiger<br />

Straßeninfrastrukturen sowie ihrer Nutzer.<br />

2.2 Vorgehensweise<br />

Eine sicherheitstechnische Untersuchung strukturiert<br />

sich gemäß Abbildung 1 in drei Schritte:<br />

Methodik zur<br />

sicherheitstechnischen<br />

Untersuchung von Bauwerken<br />

Bedrohungsanalyse<br />

Objektanalyse<br />

Maßnahmen<br />

Abbildung 1: Methodik von <strong>SKRIBT</strong><br />

Zu Beginn ist eine Bedrohungsanalyse durchzuführen,<br />

bei der alle relevanten Bedrohungen be-<br />

st<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> beschrieben werden. Im Rahmen der<br />

anschließenden Objektanalyse werden die aus<br />

den Bedrohungen resultierenden Einwirkungen<br />

den Objekteigenschaften gegenüber gestellt. Hierbei<br />

werden bauwerks-, nutzer- <strong>und</strong> verkehrsbezogene<br />

Parameter betrachtet. In einem letzten Schritt<br />

erfolgt die Auswahl von geeigneten <strong>Schutz</strong>maßnahmen,<br />

die zuvor hinsichtlich ihrer Wirksamkeit<br />

<strong>und</strong> ihres Wirksamkeits-Kosten-Verhältnisses unter<br />

den objektspezifischen Randbedingungen zu untersuchen<br />

sind.<br />

Diese Vorgehensweise wurde in <strong>SKRIBT</strong> entwickelt<br />

<strong>und</strong> setzt sich aus sämtlichen in <strong>SKRIBT</strong> behandelten<br />

Themen zusammen. Die zugehörige<br />

Dokumentation erfolgt in insgesamt 14 Einzelberichten<br />

zuzüglich dieses Schlussberichts. Die Zuweisung<br />

der Teilberichte zu den einzelnen Schritten<br />

der Methodik ist Abbildung 2 zu entnehmen<br />

<strong>und</strong> dient als Hinweis, in welchen Berichten vertiefte<br />

Informationen vorgehalten werden. Auf einzelne<br />

Verweise wird wegen der Vielzahl der Einzelberichte<br />

<strong>im</strong> Folgenden verzichtet.<br />

Abbildung 2: Zuweisung der Teilberichte


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 6<br />

2.3 Bedrohungsanalyse<br />

2.3.1 Allgemeines<br />

Zu Beginn einer sicherheitstechnischen Untersuchung<br />

von <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>n sind alle relevanten<br />

Bedrohungen zu berücksichtigen. Dazu werden<br />

entsprechend dem Vorgehen in der Bedrohungsanalyse,<br />

einem ganzheitlichen Ansatz folgend,<br />

die möglichen Gefahren ausführlich beschrieben<br />

<strong>und</strong> die daraus resultierenden Gefährdungen<br />

für <strong>Brücken</strong>- <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>bauwerke, ihre<br />

Nutzer sowie die Betriebs- <strong>und</strong> Einsatzdienste<br />

identifiziert.<br />

Betrachtet werden Bedrohungen durch terroristische<br />

oder kr<strong>im</strong>inelle Aktivitäten, Gefahren durch<br />

extreme Naturereignisse wie Sturm, Hochwasser<br />

oder Massenbewegungen sowie durch menschliches<br />

oder technisches Versagen ausgelöste<br />

Großunfälle.<br />

In Abhängigkeit der Prioritäten der untersuchenden<br />

Stelle ist die Beschränkung auf best<strong>im</strong>mte Bedrohungen<br />

möglich. Im Rahmen des Projekts wurde<br />

jedoch der zuvor beschriebene ganzheitliche Ansatz<br />

verfolgt <strong>und</strong> wird auch zur Anwendung empfohlen.<br />

2.3.2 Terrorismus <strong>und</strong> kr<strong>im</strong>inelle<br />

Handlungen<br />

Bezeichnend für die Vorgehensweise des politisch<br />

oder ideologisch motivierten Terrorismus sind<br />

spektakuläre <strong>und</strong> opferreiche Anschläge zur Erregung<br />

der öffentlichen Aufmerksamkeit. Ziel ist die<br />

Erzeugung von Angst <strong>und</strong> gesellschaftlicher Verunsicherung.<br />

Die Mittel bei terroristischen Anschlägen<br />

reichen vom Einsatz konventioneller<br />

Sprengstoffe bis hin zum Einsatz chemischer oder<br />

biologischer Agenzien. Theoretisch denkbar ist<br />

auch der Einsatz so genannter „dirty bombs“ (konventioneller<br />

Sprengkörper mit radioaktiv strahlendem<br />

Material). Ein weites Betätigungsfeld für kr<strong>im</strong>inelle<br />

Aktivitäten stellt insbesondere die virtuelle<br />

Welt dar, d.h. die Möglichkeit des Eingriffs in Informations-<br />

<strong>und</strong> Kommunikationssysteme durch Virenangriffe<br />

sowie spezielle Schadprogramme<br />

(„Cyber-Terror“).<br />

Inwieweit bislang <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> als mögliche<br />

Anschlagsziele für Terroristen in Frage kommen<br />

können, wurde durch die Auswertung der Datenbank<br />

Terror Event Database (TED) [1], in welcher<br />

terroristische Anschläge weltweit dokumentiert<br />

sind, näher untersucht. Es zeigte sich, dass sich<br />

weltweit nur wenige terroristische Ereignisse an<br />

<strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>n ereignet haben, so dass eine<br />

statistische Aussage zur Risikoabschätzung nicht<br />

möglich ist.<br />

2.3.3 Extreme Naturereignisse<br />

Laut Angaben der Versicherungswirtschaft resultie-<br />

ren Elementarschäden in Deutschland zum größten<br />

Teil aus meteorologischen Extremereignissen.<br />

Hierzu zählen Ereignisse wie Starkregen mit der<br />

Folge von Überschwemmungen, Sturmfluten,<br />

Schnee, Eis, Dürre sowie Sturm. Kl<strong>im</strong>aforscher<br />

sagen voraus, dass <strong>im</strong> Zuge der fortschreitenden<br />

globalen Kl<strong>im</strong>aerwärmung die Häufigkeiten an auftretenden<br />

Wetterextremen zukünftig zunehmen<br />

werden. Nach bisherigen Erkenntnissen wird sich<br />

der Kl<strong>im</strong>awandel in Deutschland durch Meeresspiegelanstieg,<br />

Gletscherschmelze <strong>und</strong> andere<br />

Phänomene wie Hitzewellen, Stürme, Starkniederschläge<br />

<strong>und</strong> Hochwasser an den Flüssen äußern<br />

[2]. In Anbetracht der Kl<strong>im</strong>aänderung gewinnen<br />

Maßnahmen zur Anpassung an die erhöhte<br />

Auftretenswahrscheinlichkeit von Extremereignissen<br />

aus den Folgen des Kl<strong>im</strong>awandels daher zunehmend<br />

an Bedeutung. Im Rahmen des Projekts<br />

wurden Extreme folgender Naturereignisse betrachtet:<br />

� Sturm<br />

� Hochwasser<br />

� Schneefall, Frost<br />

� Hitze<br />

� Flächenbrände<br />

� Lawinen, Hangrutschung<br />

� Erdbeben<br />

� Epidemie / Pandemie<br />

Die Auswirkungen dieser Naturereignisse wurden<br />

jeweils getrennt untersucht. Für die Bemessung<br />

von <strong>Brücken</strong> wurden zusätzlich Kombinationen<br />

verschiedener gleichzeitig auftretender Ereignisse<br />

betrachtet.<br />

2.3.4 Menschliches / Technisches<br />

Versagen<br />

Die relevanten unfallauslösenden Ereignisse durch<br />

menschliches <strong>und</strong> / oder technisches Versagen <strong>im</strong><br />

Zusammenhang mit Ingenieurbauwerken <strong>im</strong> deutschen<br />

Straßennetz sind:<br />

� Fahrzeugkollisionen entweder mit anderen<br />

Fahrzeugen oder mit dem Bauwerk ohne Freisetzung<br />

von Gefahrstoffen<br />

� Brände aufgr<strong>und</strong> von Kollisionen von Fahrzeugen<br />

oder technischen Defekten an Fahrzeugen<br />

bzw. ortsfesten Anlagen ohne Freisetzung von<br />

Gefahrstoffen<br />

� Unfälle von gefahrguttransportierendem<br />

Schwerlastverkehr unter Freisetzung von festen,<br />

flüssigen bzw. gasförmigen Gefahrstoffen<br />

oder Brände.<br />

Die Kollisionshäufigkeit wird in <strong>Tunnel</strong>n maßgeblich<br />

durch den <strong>Tunnel</strong>typ (Richtungs- bzw. Gegenverkehrstunnel)<br />

<strong>und</strong> die <strong>Tunnel</strong>länge sowie durch<br />

die Verkehrsstärke <strong>und</strong> das Vorhandensein von


7 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

Zu- <strong>und</strong> Abfahrten beeinflusst. Zwischen Unfällen<br />

auf freier Strecke <strong>und</strong> Unfällen auf <strong>Brücken</strong> wird in<br />

der Unfallaufnahme zurzeit noch nicht in einer<br />

standardisierten Vorgehensweise unterschieden.<br />

Eine statistische Auswertung gestaltet sich demnach<br />

schwierig <strong>und</strong> Erkenntnisse über Unfallhäufigkeiten<br />

auf <strong>Brücken</strong> sind dementsprechend gering.<br />

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich<br />

parallel (kollisionsauslösende) bzw. unmittelbar<br />

nach der Kollision (kollisionsresultierende) auftretende<br />

Brandereignisse oder Explosionen drastisch<br />

verstärkend auf die Effekte einer Kollision auswirken<br />

können (siehe z. B. Unfall auf der<br />

Wiehltalbrücke [D] am 26.08.2004). Die Erfahrung<br />

mit Häufigkeiten von Bränden in Straßentunneln<br />

hat gezeigt, dass es sich insgesamt um recht seltene<br />

Ereignisse handelt, die in erster Linie als Folge<br />

eines technischen Defekts (z. B. Motorbrand)<br />

auftreten.<br />

Neben den möglichen Auswirkungen eines Fahrzeugunfalls<br />

mit Gefahrgut auf Bauwerk <strong>und</strong> Nutzer<br />

durch Kollision <strong>und</strong> Brand sind ggfls. zusätzlich die<br />

Auswirkungen einer Kontamination durch freiwerdende<br />

feste, flüssige oder gasförmige Stoffe sowohl<br />

mit kurzzeitigen Effekten in Bezug auf Rettungsmaßnahmen<br />

als auch mit langzeitigen Effekten<br />

in Bezug auf die weitere Nutzbarkeit des Bauwerks<br />

zu beachten.<br />

2.4 Objektanalyse<br />

2.4.1 Allgemeines<br />

Nach Analyse der Bedrohungen sind die resultierenden<br />

Einwirkungen den Widerständen der Bauwerke<br />

gegenüberzustellen. Dabei sind alle objektspezifischen<br />

Eigenschaften zu berücksichtigen.<br />

<strong>Tunnel</strong>bauwerke weisen in ihrer Gestaltung eine<br />

Vielfalt auf, die bei <strong>Brücken</strong> noch sehr viel stärker<br />

ausgeprägt ist. Deshalb kann die Beurteilung von<br />

<strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>n nur abhängig von verschiedenen<br />

Merkmalen, wie z. B. dem statischen System<br />

oder den verwendeten Werkstoffen erfolgen.<br />

Ebenso kann ein Bauwerk auf best<strong>im</strong>mte Einwirkungen<br />

empfindlich, auf andere dagegen weniger<br />

empfindlich reagieren. Also muss auch zwischen<br />

den verschiedenen Bedrohungsarten unterschieden<br />

<strong>und</strong> die relevanten für ein best<strong>im</strong>mtes Bauwerk<br />

ermittelt werden.<br />

Um eine belastbare Aussage über die Kritikalität<br />

von Bauwerken treffen zu können, sind in den<br />

meisten Fällen aufwendige numerische Berechnungen<br />

notwendig. Allerdings sind diese aufgr<strong>und</strong><br />

der zahlreichen Kombinationen von <strong>Brücken</strong>typen<br />

<strong>und</strong> Bedrohungsszenarien nur begrenzt möglich.<br />

Die Auswahl der zu untersuchenden Szenarien<br />

<strong>und</strong> Bauwerkstypen wurde <strong>im</strong> Rahmen des Projekts<br />

so getroffen, dass zum einen der entstehen-<br />

de Rechenaufwand noch vertretbar ist, zum anderen<br />

aber die relevanten Einwirkungs- <strong>und</strong> Bedrohungsszenarien<br />

erfasst <strong>und</strong> der Großteil der Bauwerke<br />

des deutschen Straßennetzes abgebildet<br />

wird. Soll ein bestehender Bauwerksbestand untersucht<br />

werden, wird es jedoch erforderlich, jedes<br />

Einzelbauwerk genau zu betrachten. Die verschiedenen<br />

bautechnischen Einflüsse sollten exakt erfasst<br />

werden, um eine verlässliche Individualbetrachtung<br />

zu ermöglichen. Hierbei werden folgende<br />

Schritte systematisch durchlaufen:<br />

� Analyse der verschiedenen Bedrohungsszenarien<br />

hinsichtlich ihrer Relevanz für die spezifischen<br />

Bauwerkstypen<br />

� Analyse der Bauwerkstypen hinsichtlich der kritischen<br />

Bauteile mit Versagensrelevanz für das<br />

Gesamtbauwerk<br />

� Ermittlung der szenariospezifischen Schädigung<br />

auf Bauteilebene <strong>und</strong> Extrapolation dieser<br />

Bauteilschädigung <strong>im</strong> Hinblick auf das Gesamtbauwerk.<br />

Weiter sind bei der Objektanalyse die Auswirkungen<br />

der Bedrohungen auf die <strong>Brücken</strong>- <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>nutzer<br />

zu betrachten. Dies erfordert Verfahren<br />

<strong>und</strong> Methoden, die es erlauben, unter dem Einfluss<br />

verschiedener Bedrohungsszenarien Sicherheitsniveaus<br />

für <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>n unter Berücksichtigung<br />

der Belange von Bauwerksnutzern sowie<br />

der Betriebs- <strong>und</strong> Einsatzdienste zu ermitteln.<br />

Im Rahmen des Projekts wurden solche Verfahren<br />

<strong>und</strong> Methoden entwickelt, die in transparenter<br />

Weise sowohl Systemantworten als auch menschliches<br />

Verhalten abbilden können <strong>und</strong> als Basis für<br />

eine spätere Identifizierung <strong>kritischer</strong> <strong>Tunnel</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>Brücken</strong>bauwerke dienen.<br />

Zur Objektanalyse gehören auch die Betrachtung<br />

der Verknüpfung des Bauwerks <strong>im</strong> Straßennetz<br />

<strong>und</strong> die Auswirkungen eines möglichen Bauwerksausfalls.<br />

Hier stellen die Mehrreisezeiten, die aus<br />

einem reduzierten Straßennutzungsangebot sowie<br />

den verfügbaren Alternativrouten mit ihren Kapazitäten<br />

<strong>und</strong> der aktuell gegebenen Nachfrage resultieren,<br />

die adäquate Größe dar, um die Kritikalität<br />

in verkehrlicher Hinsicht zu beschreiben. Im Projekt<br />

<strong>SKRIBT</strong> wurde dazu eine detaillierte Herleitung<br />

des Berechnungsverfahrens durchgeführt. Es<br />

wurden Ergebnisse für eine Gesamtheit von ca.<br />

150 Bauwerken ermittelt. Durch die Vielzahl der<br />

Berechnungen können für entsprechende Häufigkeitsverteilungen<br />

das Kritikalitätsmaß gesetzt <strong>und</strong><br />

damit kritische Bauwerke in verkehrlicher Hinsicht<br />

best<strong>im</strong>mt werden.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 8<br />

2.4.2 Relevante Ereignisse<br />

Die <strong>im</strong> Rahmen der Bedrohungsanalyse identifizierten<br />

Initialereignisse gem. Kapitel 2.3 wurden<br />

hinsichtlich ihrer Relevanz untersucht <strong>und</strong> ausgewählt.<br />

In <strong>SKRIBT</strong> sind für <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> die<br />

in Tabelle 1 aufgeführten Initialereignisse als relevant<br />

identifiziert worden.<br />

Ereigniskategorie<br />

Initialereignis<br />

Brand Kontinuierlicher Lachenbrand<br />

Spontaner Lachenbrand<br />

Freistrahlbrand<br />

Explosion Boiling Liquid Expanding Vapour<br />

Explosion (BLEVE)<br />

Detonation Lkw-Ladung<br />

Detonation Pkw-Ladung<br />

Detonation Koffer-Ladung<br />

Kontamination Kontinuierliche Kontamination<br />

Wasser /<br />

Temperatur /<br />

Wind<br />

Mechanische<br />

Ereignisse<br />

Spontane Kontamination<br />

Überflutung<br />

Windeinfluss<br />

Lkw-Anprall<br />

Tabelle 1: Relevante Initialereignisse für <strong>Brücken</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

Generell haben für <strong>Tunnel</strong> Brandereignisse eine<br />

höhere Relevanz als für <strong>Brücken</strong>, da durch den<br />

umschlossenen Raum die Temperaturen höher<br />

sind als bei <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> der Rauch nicht direkt<br />

entweichen kann, weshalb er sich <strong>im</strong> Brandumfeld<br />

ausbreitet.<br />

Die Initialereignisse bilden die Gr<strong>und</strong>lage für die<br />

daraus ausgehenden, möglichen Bedrohungsszenarien<br />

für <strong>Tunnel</strong> <strong>und</strong> <strong>Brücken</strong>, die direkt betroffenen<br />

Bauwerksnutzer <strong>und</strong> das verkehrliche Umfeld.<br />

Die Betrachtung dieser Gruppen dient der ganzheitlichen<br />

Beurteilung der Kritikalität eines Verkehrsbauwerks.<br />

2.4.3 Analyse der Resttragfähigkeit<br />

2.4.3.1 Allgemeines<br />

Zur Best<strong>im</strong>mung der Resttragfähigkeit ist zunächst<br />

das lokale Schadensausmaß an den von der Einwirkung<br />

unmittelbar betroffenen Bauteile zu best<strong>im</strong>men.<br />

Für die Untersuchung der relevanten<br />

Bauteile wurden in einem ersten Schritt für die spätere<br />

Beurteilung der Schadensauswirkung die erforderlichen<br />

Schadensklassen entsprechend Tabelle<br />

2 definiert. In Anlehnung an existierende Definitionen<br />

erfolgt eine Unterteilung in fünf Stufen<br />

vom praktisch ungeschädigten bis zum völlig zerstörten<br />

Bauwerk. Speziell für Explosionsszenarien<br />

besteht noch eine weitere Schadensklassifizierung.<br />

Basierend auf den Schädigungsparametern<br />

bei Detonationen <strong>im</strong> Nahbereich werden 5 Klassen<br />

vorgeschlagen, die verbal die jeweilige Strukturschädigungen<br />

auf Bauteilebene beschreiben.<br />

Nachdem die lokalen Schäden best<strong>im</strong>mt sind, ist<br />

zu ermitteln, welche Auswirkungen diese Schäden<br />

auf das Gesamttragverhalten eines Bauwerks haben.<br />

Dieses bedarf einer individuellen Betrachtung<br />

<strong>und</strong> wurde <strong>im</strong> Projekt <strong>SKRIBT</strong> sowohl für <strong>Brücken</strong><br />

als auch für <strong>Tunnel</strong> durchgeführt.<br />

2.4.3.2 <strong>Brücken</strong><br />

Für die Analyse der Resttragfähigkeit von <strong>Brücken</strong><br />

sind in einem ersten Schritt die Schwachstellen zu<br />

identifizieren, um auf dieser Basis eine Einstufung<br />

der Bauteile <strong>und</strong> Bauwerke in die Schadensstufen<br />

entsprechend Tabelle 2 vornehmen zu können.<br />

Die Ergebnisse des Einstufungsverfahrens wurden<br />

bei den <strong>Brücken</strong> mittels Zuverlässigkeitsanalyse an<br />

ausgewählten Beispielen verifiziert. Unter Anwendung<br />

der Monte Carlo Methode wurden aufwändige<br />

S<strong>im</strong>ulationen durchgeführt um für verschiedene<br />

Bedrohungsszenarien die operative<br />

Versagenswahrscheinlichkeit des Bauwerks zu<br />

ermitteln. Diese Rechengröße zur Quantifizierung<br />

der Zuverlässigkeit baulicher Anlagen ermöglicht<br />

eine risikoanalytische Betrachtung der Bauwerke.<br />

Für eine f<strong>und</strong>ierte Bauwerksbeurteilung ist eine individuelle<br />

Untersuchung jedes Bauwerks erforderlich.<br />

Beabsichtigt man, einen größeren Bauwerksbestand<br />

zu beurteilen, empfiehlt sich auf Gr<strong>und</strong><br />

der Vielzahl an unterschiedlichen Bauwerkstypen,<br />

Querschnitten <strong>und</strong> Materialien eine Kategorisierung<br />

entsprechend Tabelle 3 vorzunehmen, um<br />

den Berechnungsaufwand ggfls. reduzieren zu<br />

können.


9 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

Schadensst<br />

ufen<br />

<strong>SKRIBT</strong><br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

Definition Bescheibung Bescheibung Bescheibung Schadensfolge Wahrscheinlichkeit<br />

Bauteil nahezu unbeschädigt Bauwerk unbeschädigt<br />

kein Einfluß auf Standsicherheit kein Einfluss auf Standsicherheit<br />

Geringer Schaden Feine Rissbildung<br />

kein Einfluß auf Verkehrssicherheit<br />

kein Einfluß auf Dauerhaftigkeit;<br />

Schadensbeseitigung <strong>im</strong> Rahmen<br />

regulärer Bauwerksunterhaltung<br />

kein Einfluß auf Verkehrssicherheit<br />

kein Einfluß auf Dauerhaftigkeit<br />

Sehr niedrig > 0,1<br />

Bauteil leicht beschädigt<br />

Standsicherheit des Bauteils <strong>im</strong><br />

Bauwerk nahezu unbeschädigt<br />

Rahmen zulässiger Toleranzen<br />

beeinträchtigt<br />

kein Einfluß auf Standsicherheit<br />

Leichter Schaden<br />

Kraterbildung Vorderseite<br />

geringer Einfluß auf Verkehrssicherheit<br />

lokale Baustelle ohne nennenswerte<br />

Verkehrsbehinderung<br />

geringer Einfluß auf Verkehrssicherheit<br />

Niedrig<br />

0,01<br />

Mittlerer Schaden<br />

Schwerer Schaden<br />

Tabelle 2: Schadensstufen<br />

Bauteilebene<br />

EMI (explosionsbezogen) RI-EBW-Prüf<br />

Abplatzung bis Bewehrung Rückseite<br />

Sprengkrater Vorderseite<br />

Teilzertrümmerung bis gewisse<br />

Bauteiltiefe, starke Abplatzung<br />

Rückseite<br />

Kein Durchbruch<br />

örtich durchgehende<br />

Bauteilzertrümmerung, Beton wird durch<br />

Bewehrung gehalten<br />

Dauerhaftigkeit Bauteil beeinträchtigt,<br />

Folgeschaden anderer Bauteile nicht zu<br />

erwarten<br />

Tabelle 3: Kategorisierung von <strong>Brücken</strong>bauwerken in <strong>SKRIBT</strong><br />

langfristig nur geringer Einfluß auf<br />

Dauerhaftigkeit<br />

Schadensausbreitung nicht zu erwarten<br />

Schadensbeseitigung <strong>im</strong> Rahmen<br />

regulärer Bauwerksunterhaltung<br />

Bauteil beschädigt Bauwerk leicht beschädigt<br />

Standsicherheit des Bauteils noch <strong>im</strong><br />

Rahmen zulässiger Toleranzen geringer Einfluß auf Standsicherheit<br />

beeinträchtigt, <strong>im</strong> Einzelfall darüber<br />

geringfügige Beeinträchtigung der<br />

Verkehrssicherheit<br />

Baustelle mit geringer<br />

Verkehrsbehinderung<br />

Dauerhaftigkeit Bauteil beeinträchtigt<br />

Folgeschaden anderer Bauteile nicht<br />

auszuschließen<br />

Schadensbeseitigung mittelfristig<br />

erforderlich<br />

geringfügige Beeinträchtigung der<br />

Verkehrssicherheit/ Verkehrssicherheit<br />

noch gegeben<br />

langfristig Beeinträchtigung der<br />

Dauerhaftigkeit<br />

Schadensausbreitung nicht<br />

auszuschließen<br />

Bauteil stark beschädigt Bauwerk beschädigt<br />

Standsicherheit des Bauteils oberhalb<br />

zulässiger Toleranzen beeinträchtigt<br />

Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit,<br />

Baustelle mit Verkehrsbehinderung<br />

Dauerhaftigkeit Bauteil beeinträchtigt,<br />

Folgeschaden anderer Bauteile zu<br />

erwarten<br />

kurzfristige Schadensbeseitigung<br />

erforderlich<br />

Beeinträchtigung der Standsicherheit<br />

Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit<br />

mittelfristig Beeinträchtigung der<br />

Dauerhaftigkeit<br />

Schadensausbreitung ist zu erwarten<br />

Umgehende Nutzungseinschränkung<br />

Bauteil zerstört Bauwerk stark beschädigt / zerstört<br />

Standsicherheit des Bauteils nicht mehr<br />

gegeben<br />

Standsicherheit nicht mehr gegeben<br />

Durchbruch<br />

Durchgehendes Sprengloch mit<br />

verbogener/ gerissener Bewehrung<br />

Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben,<br />

Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben,<br />

Baustelle mit starker<br />

Warnhinweise sofort erforderlich<br />

Verkehrsbehinderung<br />

Dauerhaftigkeit Bauteil nicht mehr<br />

Schwer<br />

gegeben<br />

Dauerhaftigkeit nicht mehr gegeben,<br />

Folgeschaden an anderen Bauteilen tritt<br />

ein<br />

Schadensausbreitung tritt ein<br />

sofortige Schadensbeseitigung Umgehende Nutzungseinschränkung,<br />

erforderlich<br />

Erneuerung/ Instandsetzung einleiten<br />

Bauwerksebene<br />

Mittel<br />

Hoch<br />

0,001<br />

0,0001<br />

0,00001<br />

(DIN EN 1991-1-7)


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 10<br />

In <strong>SKRIBT</strong> wurden aus bautechnischer Sicht<br />

Brand, Explosion, extreme Naturereignisse <strong>und</strong><br />

Anprall als maßgeblich erkannt <strong>und</strong> untersucht.<br />

Bei Explosionsereignissen sind Ladungsmenge<br />

<strong>und</strong> Ladungsabstand zum Bauteil für das Schadensausmaß<br />

entscheidend. Für die Untersuchung<br />

von Brandeinwirkung bei Stahlbetonbrücken stehen<br />

derzeit keine verifizierten Berechnungsmodelle<br />

zur Verfügung, so dass hier noch Forschungsbedarf<br />

besteht.<br />

2.4.3.3 <strong>Tunnel</strong><br />

Bei der Analyse der Resttragfähigkeit von <strong>Tunnel</strong>n<br />

ist methodisch in gleicher Weise vorzugehen wie<br />

bei <strong>Brücken</strong>. Schwachstellen sind die Bauteile, die<br />

bei einem Extremereignis einen möglichst großen<br />

Schaden erleiden <strong>und</strong> die Tragstruktur des <strong>Tunnel</strong>s<br />

am meisten beeinträchtigen. Diese Untersuchungen<br />

sind für jedes Initialereignis <strong>und</strong> jeden<br />

<strong>Tunnel</strong> getrennt durchzuführen. Dabei differieren<br />

die maßgebenden Schwachstellen in Abhängigkeit<br />

von Beanspruchung <strong>und</strong> Bauweise. So sind beispielsweise<br />

bei Brandereignissen für <strong>Tunnel</strong> in offener<br />

Bauweise dem Anschlussbereich von <strong>Tunnel</strong>decke<br />

an die -wand besondere Aufmerksamkeit<br />

zu schenken, während bei Detonationsereignissen<br />

in <strong>Tunnel</strong>n gr<strong>und</strong>sätzlich die Unstetigkeitsstellen<br />

in der Tragstruktur wie z. B. Raum- oder<br />

Tübbingfugen zu untersuchen sind.<br />

Für <strong>Tunnel</strong> wurden aus bautechnischer Sicht <strong>im</strong><br />

Wesentlichen die Initialereignisse Brand <strong>und</strong> Explosion<br />

als maßgeblich erkannt <strong>und</strong> untersucht.<br />

Auch hier sind bei Explosionseinwirkung gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

die Ladungsmenge <strong>und</strong> der Abstand der<br />

Ladung zum Bauteil von entscheidendem Einfluss<br />

auf das Schadensausmaß. Zur Bemessung des<br />

Bauwerks gegen Explosionslasten wurde die Methode<br />

der Traglastermittlung mit statischen Ersatzlasten<br />

genutzt. Sie liefert für die Zustandsbewertung<br />

eines komplexen gebetteten <strong>Tunnel</strong>querschnitts<br />

<strong>im</strong> Vergleich mit genaueren strukturdynamischen<br />

Berechnungen qualitativ akzeptable Ergebnisse<br />

bei deutlich verringertem Aufwand, was<br />

die Untersuchung von Bauwerken vereinfacht <strong>und</strong><br />

beschleunigt.<br />

Bei Brandereignissen ist darauf zu achten, dass<br />

die Temperatur der tragenden Bewehrung den<br />

Wert von 300°C nicht überschreitet, da bei einer<br />

Erwärmung über diesen Wert hinaus die Bewehrung<br />

hohe Dehnungen erfährt , wodurch die Konstruktion<br />

nach dem Erkalten unvertretbar hohe<br />

plastische Verformungen auf-weist.<br />

2.4.4 Analyse der Nutzerbelange<br />

Im Zuge der Analyse der Nutzerbelange wird die<br />

Zahl der Getöteten als Indikator für den Nutzerschaden<br />

betrachtet. Hierzu wurden <strong>im</strong> Projekt<br />

<strong>SKRIBT</strong> spezielle Modelle <strong>und</strong> Verfahren entwickelt<br />

<strong>und</strong> angewandt. Dabei erfolgt die Best<strong>im</strong>mung<br />

des jeweiligen Sicherheitsniveaus mittels der<br />

Methode der quantitativen Risikoanalyse, in der<br />

sowohl mögliche Schadensausmaße als auch deren<br />

Eintrittswahrscheinlichkeiten Berücksichtigung<br />

finden. Mit Hilfe von Ereignisabläufen werden ausgehend<br />

von einem auslösenden Ereignis über<br />

Verzweigungen mögliche Systemantworten bis<br />

zum Erreichen der Endzustände abgebildet <strong>und</strong><br />

deren Eintrittswahrscheinlichkeiten ermittelt. Die<br />

zugehörigen Verzweigungswahrscheinlichkeiten <strong>im</strong><br />

Ereignisablauf werden dann mittels Fehlerbaumanalysen<br />

oder Expertenschätzungen quantifiziert.<br />

Zur Ermittlung der mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten<br />

der Endzustände korrespondierenden<br />

Schadensausmaße werden sowohl<br />

szenarioabhängige Einwirkgrößen wie Druck,<br />

Temperatur <strong>und</strong> Konzentrationen als auch deren<br />

Wirkung auf den Menschen mittels Modellrechnungen<br />

ermittelt.<br />

Wichtig für die Ermittlung des Schadensausmaßes<br />

ist die Berücksichtigung des menschlichen Verhaltens<br />

bei der Flucht vor einem Ereignis wie z. B.<br />

Brand in einem <strong>Tunnel</strong>. Dazu wurde <strong>im</strong> Projekt<br />

<strong>SKRIBT</strong> eine wahrnehmungs- <strong>und</strong> verhaltensbasierende<br />

Flucht- <strong>und</strong> Evakuierungss<strong>im</strong>ulation entwickelt,<br />

wie sie exemplarisch in Abbildung 3 dargestellt<br />

ist.<br />

Die Untersuchungen zeigen, dass die gewählten<br />

Randbedingungen einen großen Einfluss auf die<br />

zu erwartenden Schadensausmaße haben können.<br />

Prinzipiell kann jedoch festgehalten werden,<br />

dass die Ereignisse mit Brand- <strong>und</strong> Explosionswirkung<br />

in <strong>Tunnel</strong>n einen signifikant höheren Schadenserwartungswert<br />

aufweisen als <strong>im</strong> Freien auf<br />

einer Brücke. Lediglich Szenarien mit Chlorfreisetzung<br />

können vergleichbare Wirkungen in <strong>Tunnel</strong>n<br />

<strong>und</strong> <strong>im</strong> Freien aufweisen. Einflüsse durch Sturm<br />

weisen <strong>im</strong> Vergleich zu den Freisetzungen mit<br />

Benzin, Propan, Chlor <strong>und</strong> TNT deutlich geringere<br />

Schadensausmaße auf.<br />

Abbildung 3: Visualisierung der Fluchts<strong>im</strong>ulation am<br />

Beispiel eines Szenarios mit Chlorfrei-


11 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

setzung<br />

2.4.5 Analyse der verkehrlichen<br />

Gegebenheiten<br />

Die verkehrlichen Auswirkungen be<strong>im</strong> Eintritt eines<br />

Extremereignisses sind ein weiterer Baustein zur<br />

Beurteilung der Kritikalität von Bauwerken. Dazu<br />

wurde <strong>im</strong> Projekt <strong>SKRIBT</strong> ein Verfahren entwickelt,<br />

das sich für eine größere Gr<strong>und</strong>gesamtheit an<br />

Bauwerken eines regionalen Bereiches durchrechnen<br />

lässt <strong>und</strong> zu Verteilungen der Mehrreisezeiten<br />

führt.<br />

Die Untersuchungen wurden mittels eines Verkehrsmodells<br />

am Beispiel von Nordrhein-Westfalen<br />

durchgeführt. Als Maß der Kritikalität von Bauwerken<br />

werden die Mehrreisezeiten angesetzt, die<br />

durch die Voll- oder Teilsperrung von Netzelementen<br />

verursacht werden. Bei der Untersuchung sollten<br />

best<strong>im</strong>mte Rahmenbedingungen Anwendung<br />

finden:<br />

� Es werden nur absolute Veränderungen der<br />

Reisezeiten betrachtet. Dies ermöglicht die<br />

Vergleichbarkeit der Maßnahmen untereinander<br />

<strong>und</strong> die Übertragbarkeit in andere Regionen.<br />

� Bei der Ermittlung der Mehrreisezeiten wird generell<br />

ein Korrekturfaktor mit einbezogen. Die<br />

Ausprägung der tageszeitlichen Belastungsschwankungen<br />

auf den einzelnen Bauwerken<br />

ist sehr unterschiedlich, dies wird durch den<br />

Korrekturfaktor berücksichtigt.<br />

� Eine Differenzierung der Bauwerke nach Lage<br />

innerorts/außerorts ist sinnvoll, da sich die<br />

Höhe der Mehrreisezeiten deutlich unterscheidet.<br />

Die Netzdichte innerhalb von Ortschaften<br />

ist generell höher als außerhalb, weshalb bei<br />

Ausfall eines Bauwerks vermehrt kleinräumige<br />

Alternativrouten gesucht <strong>und</strong> gef<strong>und</strong>en werden.<br />

Bei betroffenen Netzelementen in Außerortslage<br />

sind oft größere Umwegfahrten in Kauf zu<br />

nehmen, die entsprechende Mehrreisezeiten<br />

mit sich bringen.<br />

Die Untersuchungen an 150 Bauwerken zeigen,<br />

dass sich diese hinsichtlich der Mehrreisezeiten<br />

<strong>und</strong> der daraus abgeleiteten Kritikalität deutlich<br />

voneinander unterscheiden.<br />

2.5 Verfahren zur Identifizierung <strong>kritischer</strong><br />

Bauwerke<br />

2.5.1 Vorfilterung des Bauwerksbestandes<br />

Um feststellen zu können, welche Bauwerke eine<br />

besondere Kritikalität aufweisen, wurde in <strong>SKRIBT</strong><br />

ein Verfahren entwickelt, das erstmalig eine ganzheitliche<br />

Untersuchung nach verschiedenen Schadenskriterien<br />

ermöglicht, genaueres hierzu siehe<br />

Kap.3. Vor der detaillierten Einzelbewertung der<br />

Bauwerke sollte, insbesondere bei einem größeren<br />

Bauwerksbestand, zunächst eine Vorfilterung des<br />

Bauwerksbestandes erfolgen. Der erste Schritt ist<br />

die Klärung der Frage: Welche Bedeutung hat das<br />

Bauwerk <strong>und</strong> gegen welches Szenario soll es geschützt<br />

werden?<br />

Der zweite Schritt ist das Filtern des Bauwerksbestandes<br />

nach gefährdeten Bauwerken. In der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland gibt es z. B. ca. 39.000<br />

<strong>Brücken</strong>bauwerke <strong>im</strong> Zuge von B<strong>und</strong>esfernstraßen.<br />

Um den Aufwand für das Filtern dieser großen<br />

Bauwerksanzahl auf ein sinnvolles Maß zu<br />

begrenzen, wird empfohlen, die neuralgischen<br />

Stellen <strong>im</strong> Straßennetz zu klären.<br />

Die verkehrsbezogene Objektanalyse <strong>im</strong> Rahmen<br />

von <strong>SKRIBT</strong> hat gezeigt, dass die volkswirtschaftlichen<br />

Folgekosten einer zerstörten Brücke infolge<br />

Energie-, Umwelt- <strong>und</strong> Verlustzeitkosten um ein<br />

vielfaches höher sind als die der eigentlichen<br />

Schadensbehebung am Objekt. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

sollte der Schwerpunkt auf hoch bis sehr<br />

hoch beanspruchte Netzabschnitte gelegt werden.<br />

Ein weiteres Kriterium ist die Erreichbarkeit wichtiger<br />

Infrastrukturen. So kann z. B. eine Brücke als<br />

einziger Zubringer zu einer Insel oder zu einem<br />

Flughafen hoher Bedeutung ein exponiertes Objekt<br />

darstellen. Auch die Symbolkraft eines Bauwerks<br />

ist zu berücksichtigen.<br />

Die genannten vorrangigen Suchkriterien werden<br />

ergänzt um das Fehlen von Red<strong>und</strong>anzen. Eine<br />

Brücke mit zwei getrennten Überbauten besitzt eine<br />

globale Red<strong>und</strong>anz. Im Schadensfall können<br />

sehr schnell Verkehrsumleitungen über den noch<br />

intakten Überbau eingerichtet werden. Dies führt<br />

zu geringeren Behinderungen <strong>im</strong> Netz, so dass<br />

diese Bauwerke eher nachrangig betrachtet werden<br />

sollten. Das gleiche trifft bei Bauwerken zu, für<br />

die leistungsfähige Umleitungsmöglichkeiten bei<br />

einer Vollsperrung zur Verfügung stehen.<br />

Nach der oben beschriebenen Vorfilterung des<br />

<strong>Brücken</strong>bestandes sind die kritischen Bauwerke<br />

herauszufinden. Zu beachten ist hierbei, dass diese<br />

Filterung nur szenarienbezogen durchgeführt<br />

werden kann. Jedes Szenario führt zu spezifischen<br />

Verw<strong>und</strong>barkeiten des Bauwerkes, die von der jeweiligen<br />

Konstruktion abhängig sind.<br />

Da alle Bauwerksdaten, z. B. der <strong>Brücken</strong> <strong>im</strong> Zuge<br />

von B<strong>und</strong>esfernstraßen, <strong>im</strong> gleichnamigen Teilsystem<br />

der Straßeninformationsbank elektronisch zur<br />

Verfügung stehen <strong>und</strong> mit Netz- sowie Verkehrsdaten<br />

vernetzt werden können, liegt es nahe, diese<br />

existierenden Datenbanken elektronisch auszuwerten.<br />

Im Rahmen der bauwerksbezogenen Objektanalyse<br />

wurden in Anlehnung an die Ereignisbäume<br />

der Risikoanalyse so genannte Findungsbäume<br />

zur Suche nach kritischen Bauteilen dargestellt.<br />

Diese Suche kann <strong>im</strong> Rahmen des Projektes


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 12<br />

jedoch nicht automatisiert zur Verfügung gestellt<br />

werden <strong>und</strong> bleibt weiteren Forschungsvorhaben<br />

vorbehalten. Das Ziel muss sein, in Zukunft<br />

szenarienbezogen elektronische Suchroutinen für<br />

die Bauwerksdaten zur Verfügung zu haben, die<br />

die verw<strong>und</strong>baren Bauwerke herausfiltern.<br />

2.5.2 Anwendung des Verfahrens<br />

Wird ein Bauwerk nach der Vorfilterung zur sicherheitstechnischen<br />

Untersuchung ausgewählt, so<br />

sind die Einzelschritte des Identifizierungsverfahrens<br />

zu vollziehen. In den zuvor beschriebenen<br />

Kapiteln wurden die Bedrohungen <strong>und</strong> die daraus<br />

resultierenden Einwirkungen dargestellt. Diese<br />

wiederum erzeugen Schäden, die es zu beschreiben<br />

<strong>und</strong> zu bewerten gilt. Bauwerksschäden werden<br />

durch Schadensklassen <strong>und</strong> Wiederherstellungskosten<br />

beschrieben, für Nutzer wird der<br />

Schaden durch einen gewichteten Risikoerwartungswert<br />

angegeben. Für den Verkehr wird ein<br />

volkswirtschaftlicher Schaden erzeugt <strong>und</strong> durch<br />

Mehrreisezeiten angegeben. Alle diese Größen<br />

haben Einfluss auf die Beurteilung der Kritikalität<br />

von Bauwerken. Es bedarf nun einer Synthese, in<br />

der die drei Größen zusammengeführt <strong>und</strong> bewertet<br />

werden. Abbildung 4 zeigt die zugehörige<br />

Struktur dieses Verfahrens.<br />

Abbildung 4: Struktur des Identifizierungsverfahrens<br />

Im Rahmen der Synthese werden die differierenden<br />

Größen in ein Bewertungsschema überführt,<br />

dessen skalare Größen für alle Eingangswerte<br />

adaptierbar sind. Aus den Schadensgrößen werden<br />

somit Bewertungsgrößen, die einen direkten<br />

Vergleich erlauben.<br />

Danach ist es möglich, für ein Bauwerk getrennt<br />

zu jedem Initialereignis einen Kritikalitätswert der<br />

einzelnen Bewertungsgruppen Bauwerk, Nutzer<br />

<strong>und</strong> Verkehr vorzunehmen. Diese Einzelbeurteilungen<br />

können <strong>im</strong> Rahmen des Verfahrens über<br />

Zwischenschritte zu einer so genannten gemittelten<br />

Gesamtkritikalität zusammengeführt werden.<br />

Die gemittelte Gesamtkritikalität spiegelt somit einen<br />

Mittelwert der Einzelbeurteilungen aller betrachteten<br />

Initialereignisse wieder.<br />

Eine absolute Bewertung der gemittelten Gesamt-<br />

kritikalität ist derzeit noch nicht möglich, da <strong>im</strong><br />

Rahmen der Projektbearbeitung die Festlegung<br />

von Grenzwerten nicht möglich war. Hierzu bedarf<br />

es politischer oder gar gesellschaftspolitischer Abst<strong>im</strong>mungen<br />

<strong>und</strong> Vorgaben. Möglich ist aber eine<br />

Relativbewertung der Bauwerke untereinander.<br />

2.6 Zusätzliche <strong>Schutz</strong>maßnahmen<br />

Das zuvor beschriebene Identifizierungsverfahren<br />

weist die Kritikalität der Bauwerke aus. Es stellt<br />

sich nun die Frage, wie dieser Kritikalität zu begegnen<br />

ist. Dies kann gr<strong>und</strong>sätzlich durch den<br />

Einsatz von geeigneten <strong>Schutz</strong>maßnahmen erfolgen.<br />

Zunächst sollte geklärt werden, gegen welches<br />

Schadensereignis Zusatzmaßnahmen ergriffen<br />

<strong>und</strong>/oder ob ein Gr<strong>und</strong>schutz umgesetzt werden<br />

soll. Letzterer ist ein <strong>Schutz</strong> gegen mehrere<br />

Ereignisse, deren Intensität aber nicht mit der ungünstigsten<br />

Größe berücksichtigt wird. Für die Beantwortung<br />

der Frage, wer oder was <strong>und</strong> ggfls. wie<br />

stark durch Maßnahmen geschützt werden soll,<br />

bedarf es einer Aussage von Politik oder gar Gesellschaft,<br />

die entscheiden muss, welche finanziellen<br />

Mittel sie zur Erhöhung der zivilen Sicherheit<br />

von Verkehrsbauwerken aufbringen will <strong>und</strong> kann.<br />

Bei privat betriebenen Bauwerken stehen bei der<br />

Beantwortung dieser Frage neben den volkswirtschaftlichen<br />

Aspekten vor allem auch betriebswirtschaftliche<br />

Gesichtspunkte (Absicherung der Einnahmen,<br />

Betrachtung der Lebenszykluskosten,<br />

langfristige Gewinnmax<strong>im</strong>ierung, etc.) <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Wenn feststeht, wogegen das Bauwerk geschützt<br />

werden soll, ist zu klären, ob es sich um ein Neubauprojekt<br />

oder ein bereits bestehendes Bauwerk<br />

handelt. Bei neuen Bauwerken ist das Angebot<br />

möglicher <strong>Schutz</strong>maßnahmen größer als bei der<br />

Nachrüstung, da best<strong>im</strong>mte Maßnahmen nachträglich<br />

nicht mehr oder nur mit unvertretbar großem<br />

Aufwand umgesetzt werden können. Die möglichen<br />

<strong>Schutz</strong>maßnahmen können<br />

� bautechnischer,<br />

� betriebstechnischer oder<br />

� organisatorischer Art sein.<br />

Die Maßnahmen sollen dabei zum einen das Bauwerk<br />

<strong>und</strong> zum anderen die Nutzer vor extremen<br />

Ereignissen schützen. Darüber hinaus ist wichtig,<br />

in welcher Weise die Maßnahmen wirken. Dies<br />

kann durch die Reduzierung der Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

des Ereignisses geschehen oder<br />

durch die Minderung des Schadensausmaßes. Für<br />

die Entscheidung, welches geeignete Maßnahmen<br />

sind, sind unter Berücksichtigung der objektspezifischen<br />

Gegebenheiten deren Wirksamkeit <strong>und</strong><br />

auch Wirtschaftlichkeit nachzuweisen. Ferner bedarf<br />

es einer gesellschaftlichen Akzeptanz, die eine<br />

ethische <strong>und</strong> rechtliche Absicherung bedingt.


13 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

Im Rahmen des Projekts <strong>SKRIBT</strong> wurden in der<br />

Maßnahmenanalyse insgesamt 139 mögliche<br />

<strong>Schutz</strong>maßnahmen identifiziert. Später wurden 45<br />

davon ausgewählt <strong>und</strong> in der Wirksamkeitsanalyse<br />

von Maßnahmen vertieft betrachtet. Diese weiteren<br />

Betrachtungen umfassten die Untersuchungen der<br />

Maßnahmenwirksamkeit sowie des volkswirtschaftlichen<br />

Nutzens. Letzteres erfolgte <strong>im</strong> Rahmen einer<br />

Wirksamkeits-Kosten-Analyse. In den Kapiteln<br />

4 <strong>und</strong> 5 wird abschließend eine jeweilige Empfehlung<br />

zum Einsatz der 45 <strong>Schutz</strong>maßnahmen gegeben.<br />

Diese Empfehlungen erlauben einen guten<br />

Überblick, dennoch ist die Auswahl <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Einzelfall<br />

<strong>und</strong> objektbezogen zu treffen.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 14<br />

3 Identifizierung <strong>kritischer</strong> Bauwerke<br />

3.1 Allgemeines<br />

Das in Kapitel 2.5 bereits angesprochene Verfahren<br />

zur Identifizierung <strong>kritischer</strong> Bauwerke dient<br />

der Best<strong>im</strong>mung der Kritikalität eines Bauwerks in<br />

Bezug auf dessen zivile Sicherheit, d.h. es soll unter<br />

Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

Bauwerke identifizieren, bei denen infolge von Extremereignissen<br />

hohe Schadensausmaße möglich<br />

sind. Es richtet sich an Personen, die eine sicherheitstechnische<br />

Überprüfung von Bauwerken vornehmem<br />

wollen, wie z. B. die Bauwerkseigentümer.<br />

Das Identifizierungsverfahren kann sowohl <strong>im</strong> Vorfeld<br />

eines Bauwerksneubaus als auch auf bestehende<br />

Bauwerke angewendet werden. Es erlaubt<br />

die individuelle Betrachtung eines einzelnen Verkehrsbauwerks<br />

in seinem jeweiligen Umfeld unter<br />

Berücksichtigung der jeweiligen objekt- <strong>und</strong> netzspezifischen<br />

Randbedingungen.<br />

Eine absolute Bewertung der gemittelten Gesamtkritikalität<br />

ist derzeit nicht möglich, da <strong>im</strong> Rahmen<br />

der Projektbearbeitung die Festlegung von Grenzwerten<br />

nicht möglich war. Hierzu bedarf es eines<br />

gesellschaftspolitischen Konsens. Möglich ist allerdings<br />

eine Relativbewertung der Bauwerke untereinander.<br />

Die Notwendigkeit, kritische Bauwerke zu identifizieren,<br />

besteht in vielen Zuständigkeitsbereichen.<br />

Bauwerkseigentümer, Bauwerksbetreiber, Bauwerksplaner,<br />

Einsatzdienste u.v.m. sollen Informationen<br />

über den Status der zivilen Sicherheit des<br />

jeweiligen Bauwerks nutzen können. Die unterschiedlichen<br />

Blickwinkel dieser Institutionen verb<strong>und</strong>en<br />

mit unterschiedlichen Schwerpunkten in<br />

der Definition der Kritikalität finden sich <strong>im</strong> Identifizierungsverfahren<br />

wieder.<br />

Basis für die Anwendung des Verfahrens sind die<br />

in Deutschland aktuell gültigen technischen Regelwerke<br />

(Stand 05/2010).<br />

Im Folgenden werden das Identifizierungsverfahren<br />

<strong>und</strong> seine Anwendung bei <strong>Tunnel</strong>n zusammenfassend<br />

erläutert. Zu den theoretischen Gr<strong>und</strong>lagen<br />

<strong>und</strong> der Anwendung bei <strong>Brücken</strong> wird auf den<br />

entsprechenden Bericht „Objektanalyse - Identifizierung<br />

<strong>kritischer</strong> Bauwerke“ [3] verwiesen.<br />

3.2 Initialereignisse<br />

Zur Beurteilung der Kritikalität ist Wissen über die<br />

Wirkungen möglicher Ereignisse auf die Zielgrößen<br />

Bauwerk, Nutzer <strong>und</strong> Verkehr in der zivilen Sicherheit<br />

von Bauwerken <strong>im</strong> Zuge von Straßen eine<br />

gr<strong>und</strong>legende Voraussetzung. Daher wurden zunächst<br />

verschiedene Initialereignisse definiert, die<br />

auf den Erkenntnissen der Bedrohungsanalyse (s.<br />

Kap. 2.3 beruhen. Im Rahmen dieser Bedrohungsanalyse<br />

wurden die Ereigniskategorien Brand, Explosion,<br />

Kontamination sowie Naturereignisse als<br />

relevant identifiziert. Mechanische Einwirkungen<br />

besitzen unter Beachtung des Risikoansatzes (Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

• Ausmaß) eine vergleichsweise<br />

geringere Relevanz <strong>und</strong> werden dementsprechend<br />

<strong>im</strong> Rahmen dieses Verfahrens nicht<br />

weiter betrachtet.<br />

Die folgenden Initialereignisse bilden die Ausgangspunkte<br />

für die Entwicklung der maßgebenden<br />

Szenarien <strong>und</strong> damit für die Ermittlung der<br />

Eingangswerte in das Identifizierungsverfahren.<br />

3.2.1 Brand<br />

Generell besteht bei Bränden ein großes Ausbreitungspotential<br />

<strong>und</strong> damit eine große Gefahr, dass<br />

es zu einem Brandüberschlag auf weitere Fahrzeuge<br />

<strong>und</strong> Anlagenteile des Verkehrsbauwerks<br />

kommen kann. Im <strong>Tunnel</strong> würde ein Brandüberschlag<br />

den Verlauf der folgenden Ereignisse sowie<br />

den anzunehmenden Temperatur-Zeit-Verlauf <strong>und</strong><br />

damit die Auswirkungen auf das <strong>Tunnel</strong>bauwerk<br />

verändern. Deshalb ist für <strong>Tunnel</strong>bauwerke eine<br />

Unterscheidung in Initialbrände „ohne Brandüberschlag“<br />

<strong>und</strong> „mit Brandüberschlag“ vorzunehmen.<br />

Die Initialereignisse in der Ereigniskategorie Brand<br />

sind:<br />

� Kontinuierlicher Lachenbrand<br />

(ohne / mit Brandüberschlag)<br />

Ein Lachenbrand kann durch menschliches / technisches<br />

Versagen oder durch Terrorismus bzw.<br />

andere kr<strong>im</strong>inelle Handlungen ausgelöst werden.<br />

Aus einem Tankwagen tritt kontinuierlich Benzin<br />

aus <strong>und</strong> entzündet sich sofort. Auf bzw. in einem<br />

Bauwerk verteilt sich die sich bildende Benzinlache<br />

in Abhängigkeit der örtlichen Gegebenheiten (z. B.<br />

Gefälle) <strong>und</strong> brennt unter Rauch- <strong>und</strong> Hitzebildung<br />

ab. Der Leitstoff Benzin steht hierbei stellvertretend<br />

für alle in Deutschland transportierten brennbaren<br />

Flüssigkeiten.<br />

� Spontaner Lachenbrand<br />

(ohne / mit Brandüberschlag)<br />

Im Vergleich zum kontinuierlichen Lachenbrand<br />

tritt der Leitstoff Benzin be<strong>im</strong> spontanen Lachenbrand<br />

mit einer wesentlich höheren Freisetzungsrate<br />

aus dem Tankwagen aus. Die auslösenden<br />

Ereignisse sind denen des Initialereignisses „Kontinuierlicher<br />

Lachenbrand“ ähnlich, erzeugen aber<br />

einen wesentlich größeren Schaden am Tankfahrzeug<br />

<strong>und</strong> somit eine r<strong>und</strong> 15-mal größere Freisetzungsrate.<br />

Das Benzin brennt direkt unter großer<br />

Hitze- <strong>und</strong> Rauchentwicklung ab.


15 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

� Freistrahlbrand<br />

(ohne / mit Brandüberschlag)<br />

Der Freistrahlbrand wird <strong>im</strong> Gegensatz zu den<br />

Lachenbränden nicht durch einen flüssigen, sondern<br />

durch einen gasförmigen Brennstoff verursacht.<br />

Der Leitstoff Propan steht dabei stellvertretend<br />

für alle in Deutschland auf der Straße transportierten<br />

hochentzündlichen Gase. Das druckverflüssigt<br />

in Tanks/Flaschen transportierte Gas wird<br />

infolge vorsätzlicher kr<strong>im</strong>ineller Handlungen (z. B.<br />

infolge eines terroristischen Anschlags) oder aufgr<strong>und</strong><br />

von menschlichem / technischem Versagen<br />

(z. B. Unfall) freigesetzt, sofort entzündet <strong>und</strong><br />

brennt unter großer lokaler Hitzeentwicklung in<br />

Form einer Stichflamme ab.<br />

3.2.2 Explosion<br />

Die Initialereignisse in der Ereigniskategorie Explosion<br />

sind:<br />

� Boiling Liquid Expanding Vapour Explosion<br />

(BLEVE)<br />

Der BLEVE ist aufgr<strong>und</strong> seiner Charaktereigenschaften<br />

<strong>und</strong> seiner Wirkungsweise als Initialereignis<br />

<strong>im</strong> Grenzbereich zwischen den Ereigniskategorien<br />

Brand <strong>und</strong> Explosion einzuordnen.<br />

In seinem Verlauf kommt es zunächst aufgr<strong>und</strong><br />

von menschlichem / technischem Versagen oder<br />

durch Terrorismus bzw. andere kr<strong>im</strong>inelle Handlungen<br />

zur Beschädigung eines Tankwagens, der<br />

den hochentzündlichen Leitstoff Propan transportiert.<br />

Durch das so entstandene Leck tritt spontan<br />

gasförmiges Propan aus, entzündet sich <strong>und</strong><br />

brennt zunächst ruhig ab. In dieser Phase ähnelt<br />

der BLEVE den zuvor beschriebenen Bränden.<br />

Durch die Erhitzung des Tanks beginnt allerdings<br />

in der Folge das <strong>im</strong> Tank enthaltene Propan zu<br />

verdampfen <strong>und</strong> erhöht kontinuierlich den Tankinnendruck.<br />

Der Druck steigt an bis die von der Hitze<br />

geschwächten Tankwände spontan bersten. Es tritt<br />

daraufhin eine große Menge Gas aus, die sich<br />

entzündet <strong>und</strong> eine gewaltige Explosion verursacht.<br />

Der so entstehende Feuerball enthält brennende<br />

Bestandteile in gasförmiger sowie in flüssiger<br />

Form.<br />

� Detonation Lkw-Ladung<br />

� Detonation Pkw-Ladung<br />

� Detonation Koffer-Ladung<br />

Die Detonations-Initialereignisse sind Ausgangspunkt<br />

für die Entwicklung klassischer Explosionsszenarien,<br />

deren Wirkungsweise in erster Linie<br />

durch eine stark exotherme Reaktion des Explosivstoffes<br />

<strong>und</strong> den resultierenden Druck der Detonation<br />

geprägt ist. Der Leitstoff in diesen Initialereignissen<br />

ist Trinitrotoluol (TNT), der durch eine<br />

vorsätzlich begangene, kr<strong>im</strong>inelle Handlung, z. B.<br />

<strong>im</strong> Rahmen eines terroristischen Akts, aktiviert<br />

wird. Dazu wird <strong>im</strong> Fall des Initialereignisses „Detonation<br />

Lkw-Ladung“ eine große Menge, <strong>im</strong> Fall<br />

des Initialereignisses „Detonation Pkw-Ladung“ eine<br />

mittlere Menge TNT durch ein geeignetes<br />

Transportfahrzeug an den Ereignisort gebracht,<br />

platziert <strong>und</strong> gezündet. Im Fall des Initialereignisses<br />

„Detonation Koffer-Ladung“ wird davon ausgegangen,<br />

dass eine kleine Menge TNT durch ein<br />

Fahrzeug oder auf anderem Wege an bzw. in das<br />

Verkehrsbauwerk gebracht wird. Die kleinere Menge<br />

TNT ermöglicht <strong>im</strong> Vergleich zu den größeren<br />

Mengen einen geringeren Abstand zum anvisierten<br />

Schadensort. Durch diese Unterscheidung in den<br />

Detonations-Initialereignissen können die Einflüsse<br />

der entscheidenden Einflussparameter „Abstand<br />

zum Schadensort“ <strong>und</strong> „Ladungsmenge“ auf die<br />

Wirkung einer Explosion entsprechend berücksichtigt<br />

werden.<br />

Der Leitstoff TNT steht hier stellvertretend für alle<br />

möglichen Explosivstoffe.<br />

3.2.3 Kontamination<br />

Die Initialereignisse in der Ereigniskategorie Kontamination<br />

sind:<br />

� Kontinuierliche Kontamination<br />

� Spontane Kontamination<br />

Die Kontamination der Zielgrößen Bauwerk, Nutzer<br />

<strong>und</strong> Verkehr kann durch die Einwirkung von chemischen,<br />

biologischen, radiologischen oder nuklearen<br />

(CBRN-) Gefahrstoffen geschehen. Der ausgewählte<br />

Leitstoff in diesen Initialereignissen ist<br />

Chlor. Chlor steht dabei stellvertretend für alle in<br />

Deutschland auf Straßen transportierten Schwergase<br />

mit Schadwirkung auf Bauwerke <strong>und</strong> Nutzer.<br />

Er wird infolge einer terroristischen bzw. anderen<br />

kr<strong>im</strong>inellen Handlung oder durch menschliches /<br />

technisches Versagen (hier: schwerer Unfall) in<br />

großer Menge freigesetzt <strong>und</strong> breitet sich in Abhängigkeit<br />

von den Umgebungsrandbedingungen<br />

aus. Der entscheidende Unterschied zwischen den<br />

oben genannten beiden maßgebenden Kontaminations-Initialereignissen<br />

liegt in der Freisetzungsrate:<br />

Im Initialereignis „Spontane Kontamination“ wird<br />

<strong>im</strong> Vergleich zur kontinuierlichen Kontamination eine<br />

r<strong>und</strong> neunmal größere Menge Chlorgas in der<br />

gleichen Zeitspanne freigesetzt.<br />

3.2.4 Wasser / Temperatur / Wind<br />

Die Initialereignisse in der Ereigniskategorie Wasser<br />

/ Temperatur / Wind sind:<br />

� (Spontane) Überflutung<br />

Bei Unterwassertunneln mit Wannenausr<strong>und</strong>ung<br />

besteht die Gefahr einer spontanen Überflutung infolge<br />

einer kr<strong>im</strong>inellen Tat (z. B. terroristischer Anschlag)<br />

oder eines schweren Unfalls aufgr<strong>und</strong><br />

menschlichen / technischen Versagens.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 16<br />

Eine ausreichend starke Detonation kann zu einem<br />

örtlichen Versagen der <strong>Tunnel</strong>konstruktion führen,<br />

sodass Wasser in den <strong>Tunnel</strong> einströmen kann.<br />

Ausgehend von dieser Öffnung in der Decke in<br />

<strong>Tunnel</strong>mitte verteilt sich das eintretende Wasser zu<br />

beiden Portalen hin gleichmäßig, bis der <strong>Tunnel</strong> in<br />

Abhängigkeit von den vorherrschenden Randbedingungen<br />

(z. B. Gefälle, Leistungsfähigkeit des<br />

Entwässerungssystems, etc.) vollständig mit Wasser<br />

gefüllt ist.<br />

Da <strong>im</strong> Rahmen von <strong>SKRIBT</strong> keine Ereigniskombinationen<br />

betrachtet wurden, wird bei der Berechnung<br />

des Schadensausmaßes das höhere Schadensausmaß<br />

der beiden Ereignisse maßgebend.<br />

<strong>Tunnel</strong> mit konstanter Längsneigung sind nicht gefährdet,<br />

da sie nicht direkt unterhalb von Gewässern<br />

verlaufen <strong>und</strong> <strong>im</strong> Falle eines Hochwassers ihre<br />

Längsneigung ein Aufstauen von Wasser innerhalb<br />

des <strong>Tunnel</strong>s verhindert.<br />

� Wind<br />

Ein weiteres Initialereignis aus der Ereigniskategorie<br />

Wasser / Temperatur / Wind ist der Windeinfluss,<br />

der <strong>im</strong> Rahmen eines natürlichen Ereignisses<br />

auf einer Brücke auftreten kann. Die Situation<br />

entwickelt sich so schnell, dass sich zum Zeitpunkt<br />

der Windeinwirkung Verkehr auf der Brücke befindet,<br />

da die Brücke nicht mehr rechtzeitig <strong>im</strong> Vorfeld<br />

gesperrt werden konnte.<br />

Im Rahmen der Untersuchung seltener Starkwindereignisse<br />

auf <strong>Brücken</strong> wird die Windgeschwindigkeit<br />

so hoch gewählt, dass für PKW-Insassen keine<br />

Gefahr durch Umkippen des eigenen Fahrzeugs<br />

besteht. Es ist jedoch schwieriger, die Kontrolle<br />

über ein fahrendes Fahrzeug zu behalten<br />

<strong>und</strong> die Unfallgefahr steigt. LKW können umgeworfen<br />

oder verschoben werden <strong>und</strong> stellen damit eine<br />

weitere potentielle Gefahr dar.<br />

3.3 Szenarienentwicklung<br />

Aus den zuvor beschriebenen Initialereignissen<br />

werden die maßgebenden Szenarien für das betrachtete<br />

Bauwerk anhand relevanter Einflussparameter<br />

entwickelt. Bauliche, betriebliche <strong>und</strong> organisatorische<br />

Größen, die den Verlauf der einzelnen<br />

Ereignisse entscheidend beeinflussen können,<br />

werden dabei berücksichtigt <strong>und</strong> führen zu Verzweigungen<br />

<strong>im</strong> möglichen Verlauf der Ereignisse.<br />

So entsteht aus den Initialereignissen jeweils eine<br />

Vielzahl möglicher Szenarien.<br />

Die Szenarienentwicklung wird in Abhängigkeit<br />

vom betrachteten Bauwerkstyp <strong>und</strong> den entsprechend<br />

vorliegenden individuellen Randbedingungen<br />

für das Bauwerk selbst <strong>und</strong> den Nutzer durchgeführt.<br />

Relevante Einflussparameter für die Entwicklung<br />

der Szenarien sind <strong>im</strong> Folgenden aufgeführt:<br />

Für das Bauwerk:<br />

� Bauweise<br />

� Länge <strong>und</strong> Neigung<br />

� Ausstattung<br />

Für den Nutzer:<br />

� Zeitpunkt des Szenarieneintritts<br />

� Verkehrszustand<br />

� Faktoren für ein erhöhtes Ausmaß, z. B. viele<br />

Busse<br />

� Erfolgreiche Detektion <strong>und</strong> Alarmierung der<br />

Nutzer<br />

� Aktivierte Sperranlage<br />

� Aktiviertes Lüftungssystem<br />

� Weitere vorhandene <strong>und</strong> aktivierte Sicherungsmaßnahmen<br />

� Zeitpunkt der Fremdrettung<br />

Die Umsetzung der Szenarienentwicklung erfolgt in<br />

strukturierter Form, z. B. unter Anwendung eines<br />

Ereignisablaufbaums. Für die sich ergebenden<br />

Szenarien werden die Wirkungen in Form von<br />

Ausmaßen <strong>und</strong> ggfls. Eintrittswahrscheinlichkeiten<br />

best<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> auf das Initialereignis bezogen zusammengefasst.<br />

3.4 Ermittlung der Eingangsgrößen<br />

3.4.1 Eingangsgrößen für das Bauwerk<br />

Die Eingangsgrößen für das Bauwerk sind die initialereignisbezogenen<br />

Wirkungen bzw. Ausmaße<br />

der Szenarien in Form von Schadensklassen <strong>und</strong><br />

Wiederherstellungskosten.<br />

Für <strong>Tunnel</strong>bauwerke werden zur Ermittlung der<br />

Schadensklasse zunächst die Bauteile ermittelt,<br />

die in Bezug auf das Versagen des Gesamtsystems<br />

eine Relevanz besitzen. Bei der Ermittlung<br />

der relevanten Bauteile wird differenziert zwischen<br />

den statisch-konstruktiv relevanten Bauteilen <strong>und</strong><br />

Bauteilen, die der <strong>Tunnel</strong>ausstattung zuzuordnen<br />

sind. Letztere entfallen für eine Analyse zur Best<strong>im</strong>mung<br />

der Schadensklasse, die den Schädigungsgrad<br />

vom praktisch nicht geschädigten bis<br />

zum völlig zerstörten Gesamtbauwerk in mehreren<br />

Klassen wiedergibt. Der Schädigungsgrad wird anhand<br />

der konstruktiven Schädigung <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en<br />

anhand des Einflusses auf die Gebrauchstauglichkeit,<br />

die Standsicherheit <strong>und</strong> die Verkehrssicherheit<br />

ermittelt.<br />

Mit Hilfe geeigneter numerischer Methoden, ggfls.<br />

unter Ansatz von statischen Ersatzlasten, werden<br />

die szenariospezifischen Schädigungen auf Bauteilebene<br />

ermittelt <strong>und</strong> <strong>im</strong> Hinblick auf die Auswirkungen<br />

auf das Gesamtbauwerk extrapoliert. Die<br />

Ergebnisse werden anhand einer 5-klassigen<br />

Schadensausmaßeinteilung beurteilt. Die Scha-


17 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

densklasse 1 bedeutet dabei einen geringen<br />

Schaden, während die Schadensklasse 5 eine<br />

vollkommene Schädigung des Bauwerks ausweist.<br />

Die Wiederherstellungskosten bilden das zweite<br />

Element in der Beurteilung der Wirkung der Szenarien<br />

auf <strong>Tunnel</strong>bauwerke. Sie werden auf Basis der<br />

jeweiligen Neubaukosten für das Bezugsjahr 2010<br />

ermittelt, die mittels eines geeigneten Gr<strong>und</strong>-, eines<br />

Zerstörungs- <strong>und</strong> eines Abbruch- bzw. Erschwernisfaktors<br />

den Zusatzaufwand der Sanierungsarbeiten<br />

gegenüber den Neubaukosten für<br />

eine angesetzte Zerstörungslänge abbilden.<br />

3.4.2 Eingangsgrößen für Nutzer<br />

Die Wirkungen der Initialereignisse auf die direkt<br />

betroffenen Nutzer von <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>n gehen<br />

als Eingangsgrößen in das Identifizierungsverfahren<br />

ein <strong>und</strong> werden in Form von gewichteten<br />

Risikoerwartungswerten für die Anzahl potentiell<br />

getöteter Personen pro Ereignis abgebildet.<br />

Für die Schadensausmaßermittlung wird das<br />

Fluchtverhalten unter den jeweiligen geometrischen<br />

Randbedingungen abgebildet. Das komplexe<br />

Zusammenspiel aus individuellen Eigenschaften<br />

der beteiligten Nutzer <strong>und</strong> den Einwirkungen der<br />

Schadgrößen, die sich in Art, Ausprägung <strong>und</strong><br />

Zeitpunkt des Auftretens aus den Ereignisverläufen<br />

ergeben, lässt sich durch räumlich <strong>und</strong> zeitlich<br />

hochauflösende numerische Verfahren in Form<br />

von computergestützten S<strong>im</strong>ulationen abbilden.<br />

Die Einwirkungen der Schadgrößen werden dabei<br />

durch die wesentlichen Einwirkungsgrößen wie<br />

z. B. Druck <strong>und</strong> Temperatur abgebildet. Es gilt zudem,<br />

die Wirkungen vorhandener technischer Einrichtungen<br />

zu berücksichtigen.<br />

Die finale Schadensausmaßermittlung erfolgt<br />

durch eine Verknüpfung des räumlichen wie zeitlichen<br />

Wirkungsverlaufs der Schadgrößen mit dem<br />

(dadurch beeinflussten) Fluchtverhalten der direkt<br />

betroffenen Nutzer: Die Flucht der Nutzer wird<br />

durch die Wahrnehmung <strong>und</strong> das Verhalten best<strong>im</strong>mt.<br />

Die Beschreibung des Nutzerverhaltens<br />

basiert folglich auf einem Wahrnehmungs- <strong>und</strong> einem<br />

psychologischen Verhaltensmodell. Diese geben<br />

wieder, inwiefern Nutzer eine geordnete Flucht<br />

vornehmen oder sich angesichts der vorhandenen<br />

Gefahr <strong>im</strong>pulsiv verhalten werden.<br />

Szenarien mit einem zu erwartenden großen<br />

Schadensausmaß werden allgemein stärker beachtet<br />

<strong>und</strong> damit stärker gewichtet werden, als es<br />

aufgr<strong>und</strong> des tatsächlichen Schadenerwartungswerts<br />

angezeigt wird, d.h. ein Ereignis, das 100<br />

Opfer verursacht, wird meist als schl<strong>im</strong>mer empf<strong>und</strong>en<br />

als 100 Ereignisse mit je einem Opfer. Diese<br />

Extremereignisse - wie auch die Aussicht auf<br />

Extremereignisse - führen deshalb <strong>im</strong> Vergleich zu<br />

weiteren Ereignissen zu stärkeren oder rascheren<br />

Reaktionen, wie z. B. Anpassungen von Gesetzen<br />

<strong>und</strong> Vorschriften. In dieser Betrachtungsweise<br />

n<strong>im</strong>mt die Bedeutung von Risiken mit dem Schadensausmaß<br />

überproportional zu. Das wird berücksichtigt,<br />

indem das Schadenausmaß mit einer<br />

Aversionsfunktion gewichtet wird [4]. Hierdurch erhält<br />

man den gewichteten Risikoerwartungswert,<br />

der <strong>im</strong> Weiteren benutzt wird.<br />

3.4.3 Eingangsgrößen für Verkehr<br />

Die Eingangsgrößen für den Verkehr sind Mehrreisezeiten<br />

in [Kfz-h], die aus dem sich einstellenden<br />

Zerstörungsgrad bzw. aus der sich ergebenden<br />

Restkapazität sowie der Ausfallzeit des Bauwerks<br />

resultieren.<br />

Die Ausfallzeit des Bauwerks bildet einen entscheidenden<br />

Einflussfaktor in der Beurteilung der<br />

volkswirtschaftlichen Folgekosten: Eine aufgr<strong>und</strong><br />

des vorliegenden Schadens notwendige Teil- oder<br />

Vollsperrung des Bauwerks bedeutet einen erheblichen<br />

Eingriff in den Verkehrsablauf mit der Folge<br />

von Verkehrsbehinderungen bis zur Wiederinbetriebnahme.<br />

Ebenso wie die Ausfallzeit bilden Angaben zur<br />

Restkapazität des Bauwerks nach dem Ereignis<br />

eine entscheidende Eingangsgröße für die weiteren<br />

Verkehrsbetrachtungen <strong>und</strong> für die Best<strong>im</strong>mung<br />

der Mehrreisezeiten. Sie resultiert <strong>im</strong> realen<br />

Ereignisfall aus den Betrachtungen zum Zerstörungsgrad<br />

<strong>im</strong> Rahmen der Schadensanalyse. Für<br />

die Analyse des Verkehrsablaufs <strong>im</strong> Rahmen des<br />

Identifizierungsverfahrens bedeutet sie eine Angabe<br />

zur noch durch den geschädigten <strong>Tunnel</strong> leitbaren<br />

Verkehrsmenge, angegeben als prozentualer<br />

Anteil des Leistungsvermögens vor der Beeinträchtigung<br />

durch das jeweilige Ereignis.<br />

Die Ermittlung der Mehrreisezeiten geschieht<br />

durch einen Vergleich des Basisfalls ohne Beeinträchtigung<br />

des Verkehrsablaufs mit dem Ereignisfall<br />

unter Beeinträchtigung des Verkehrsablaufs für<br />

das betrachtete Teilnetz. Für die Ereignisfälle gilt<br />

es, verschiedene Beeinträchtigungsszenarien in<br />

Form von Restkapazitäten zu formulieren. Diese<br />

ergeben sich aus den Ergebnissen der Bauwerksbetrachtungen<br />

bzw. können diesen später zugeordnet<br />

werden.<br />

3.4.4 Eingangsgrößen für sonstige<br />

Faktoren<br />

Die Bewertung der sonstigen Faktoren kann gerade<br />

<strong>im</strong> Rahmen einer bauwerksübergreifenden Vergleichsbetrachtung<br />

eine entscheidende Rolle spielen.<br />

Eine erhöhte Bereitschaft, Bauwerke mit hoher<br />

gesellschaftlicher Symbolkraft zu schützen, ist für<br />

Einzelfälle zu vermuten. Um dem Anwender des<br />

Identifizierungsverfahrens eine Möglichkeit zu geben,<br />

für Einzelfälle den Einfluss sonstiger Faktoren<br />

durch eine Bewertungsgröße berücksichtigen zu


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 18<br />

können, werden keine initialereignis- bzw. zielgrößenbezogenen<br />

Eingangsgrößen ermittelt, sondern<br />

übergreifend der Kritikalitätswert durch eine Bewertungsgröße<br />

(BGSF) beeinflusst.<br />

GGKAV = GGK • BGSF<br />

mit: GGKAV: Gemittelte Gesamt-Kritikalität (inklusive<br />

Sonstiger Faktoren)<br />

GGK: Gemittelte Gesamt-Kritikalität<br />

BGSF: Bewertungsgröße für Sonstige Faktoren<br />

Abbildung 5 zeigt die sich dadurch ergebende<br />

Vorgehensweise in der Zusammenfassung der<br />

gewichteten Kritikalitätsbewertungsgrößen zu<br />

einem Wert für die Gemittelte Gesamt-Kritikalität<br />

GGK. Für die Bewertungsgröße zur Berücksichtigung<br />

des Einflusses aus Sonstigen Faktoren werden<br />

Werte zwischen min<strong>im</strong>al 1,0 <strong>und</strong> max<strong>im</strong>al 1,5<br />

als sinnvoll erachtet.<br />

3.5 Synthese der Eingangsgrößen<br />

Um die verschiedenartigen Eingangsgrößen zu einem<br />

Gesamtwert zusammenfassen zu können,<br />

werden sie mittels einer Übertragungsfunktion in<br />

d<strong>im</strong>ensionslose Größen eines je 5-stufigen Bewertungssystems<br />

überführt.<br />

Für die Größen „Schadensklasse“, „Wiederherstellungskosten“,<br />

„Gewichteter Risikoerwartungswert“<br />

<strong>und</strong> „Mehrreisezeiten“ wird eine ausreichend große<br />

Anzahl an möglichen Ergebnissen aus den angesetzten<br />

Initialereignissen unter Variation der möglichen,<br />

entscheidenden Einflussparametern ermittelt,<br />

um mit dieser Stichprobe die Verteilung der<br />

Gr<strong>und</strong>gesamtheit abbilden zu können. Eine geordnete<br />

Aufstellung der Ergebnisse erlaubt eine Einteilung<br />

der Klassen nach der prozentualen Verteilung<br />

der Verkehrsbauwerke. Die <strong>im</strong> Weiteren erläuterte<br />

Klasseneinteilung wurde <strong>im</strong> Rahmen von<br />

<strong>SKRIBT</strong> für die Anwendung des Verfahrens pragmatisch<br />

gewählt, es handelt sich hierbei nicht um<br />

eine verbindliche Vorgabe.<br />

Die Besonderheiten für die einzelnen Eingangsgrößen<br />

in der Umsetzung der zuvor dargestellten<br />

prinzipiellen Vorgehensweise werden <strong>im</strong> Folgenden<br />

aufgeführt.<br />

Abbildung 5: Ermittlung der Gemittelten Gesamt-Kritikalität (GGK) <strong>im</strong> Rahmen des Identifizierungsverfahrens


19 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

3.5.1 Bewertungshintergr<strong>und</strong> Bauwerk<br />

Die Auswahl von 5 Beurteilungsklassen orientiert<br />

sich an der Einteilung der Schadensklassen zur<br />

Bewertung der Auswirkungen von Extremereignissen.<br />

Die anzusetzende Übertragungsfunktion lässt<br />

folglich eine direkte Übertragung der Schadensklassen<br />

in die Beurteilungsklassen zu.<br />

Für die Eingangsgröße „Wiederherstellungskosten“<br />

wurden die Wiederherstellungskosten für 241 <strong>Tunnel</strong>bauwerke<br />

<strong>und</strong> 7.827 <strong>Brücken</strong>bauwerke anhand<br />

der <strong>im</strong> Rahmen von <strong>SKRIBT</strong> aufgestellten Kostentabellen<br />

für <strong>Tunnel</strong> <strong>und</strong> <strong>Brücken</strong> [5][6] berechnet.<br />

Sie bilden die Basis für die Bewertungshintergründe<br />

zu den Wiederherstellungskosten für <strong>Tunnel</strong><br />

bzw. <strong>Brücken</strong>.<br />

Gr<strong>und</strong>lage für die Eingangsdaten in die Berechnungen<br />

bilden Daten zu den <strong>im</strong> deutschen Fernstraßennetz<br />

vorhandenen Bestandsbauwerken, die<br />

aus verschiedenen B<strong>und</strong>esdatenbanken über den<br />

Bauwerksbestand (u.a. SIB-Bauwerke [7]) entnommen<br />

<strong>und</strong> aufbereitet werden konnten.<br />

Die für die Bestandsbauwerke <strong>im</strong> deutschen Fernstraßennetz<br />

ermittelten Wiederherstellungskosten<br />

ergeben Werte, die der Größe nach aufgestellt in<br />

Abbildung 6 wiedergegeben werden. Die Einteilung<br />

der Beurteilungsklassen erfolgt für 25%, 50%,<br />

75% <strong>und</strong> 95% der Summe der betrachteten Bauwerke.<br />

3.5.2 Bewertungshintergr<strong>und</strong> Nutzer<br />

Die Basis für einen Bewertungshintergr<strong>und</strong> für die<br />

Abbildung 6: Größenaufstellung der Wiederherstellungskosten für <strong>Tunnel</strong><br />

Eingangsgröße „Gewichteter Risikoerwartungswert“<br />

bilden Ergebnisse von <strong>im</strong> Rahmen des <strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong>s<br />

<strong>SKRIBT</strong> durchgeführten S<strong>im</strong>ulationen,<br />

in denen die mögliche Anzahl Getöteter bei<br />

verschiedenen Ereignissen <strong>und</strong> in verschiedenen<br />

<strong>Tunnel</strong>typen ermittelt wurde.<br />

Enthalten sind in dem vorliegenden Bewertungshintergr<strong>und</strong><br />

die Ergebnisse aus ca. 200 S<strong>im</strong>ulationsberechnungen<br />

für <strong>Tunnel</strong> mit konstanter<br />

Längsneigung <strong>und</strong> Wannenausbildung <strong>im</strong> Längsverlauf<br />

für alle denkbaren Szenarien, die von den<br />

Initialereignissen ausgehen können.<br />

Die Ergebnisse der S<strong>im</strong>ulationsberechnungen ergeben<br />

für jedes Initialereignis (<strong>und</strong> jede geometrische<br />

Ausprägung der <strong>Tunnel</strong>gestaltung) einen Risikoerwartungswert.<br />

Die so ermittelten Risikoerwartungswerte<br />

werden in Klassen zusammengefasst<br />

<strong>und</strong> in einer Häufigkeitsverteilung abgebildet.<br />

Weitere Anhaltspunkte für eine Einteilung der Risikoerwartungswerte-Verteilung<br />

in Beurteilungsklassen<br />

liefern Werteaufstellungen, in denen die S<strong>im</strong>ulationsergebnisse<br />

der Größe nach sortiert aufgeführt<br />

werden.<br />

Abbildung 7 zeigt die Größenaufstellungen für die<br />

vorliegenden Risikoerwartungswerte für <strong>Tunnel</strong>.<br />

Wie bei den Eingangsgrößen „Wiederherstellungskosten“<br />

<strong>und</strong> „Mehrreisezeiten“ wird die Grenze zur<br />

Beurteilungsklasse 5 ("<strong>kritischer</strong> Bereich") bei 95%<br />

der nach Größe sortierten, betrachteten Extremereignisse<br />

angenommen.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 20<br />

3.5.3 Bewertungshintergr<strong>und</strong> Verkehr<br />

Der Bewertungshintergr<strong>und</strong> für die Eingangsgrößen<br />

„Mehrreisezeiten“ der Zielgröße „Verkehr“<br />

wurde anhand von Umlegungsberechnungen unter<br />

Ansatz eines Verkehrsmodells ermittelt. Basis für<br />

diese Berechnungen bildet das Straßennetz in<br />

Nordrhein-Westfalen mit den darin verorteten Verkehrsbauwerken.<br />

Die Betrachtungen der Auswirkungen<br />

einer Vollsperrung (Restkapazität 0%) sowie<br />

einer Teilsperrung (Restkapazität 50%) erfolgten<br />

für 150 nach Relevanz ausgewählte Verkehrsbauwerke.<br />

Aus der Bauwerksdatenbank SIB-<br />

Abbildung 7: Größenaufstellung der gewichteten Risikoerwartungswerte<br />

Abbildung 8: Größenaufstellung für Mehrreisezeiten bei Vollsperrung<br />

Bauwerke [6] wurden Daten zu 6.100 Bauwerken<br />

herausgefiltert. Diese Bauwerke wurden in das<br />

NRW-Netz <strong>im</strong>plementiert <strong>und</strong> die Mehrreisezeiten<br />

berechnet.<br />

Die der Größe nach aufgestellten Mehrreisezeiten<br />

bei Vollsperrung sind in Abbildung 8 wiedergegeben.<br />

Die Einteilung der Beurteilungsklassen erfolgt<br />

analog zur Vorgehensweise bei den anderen Zielgrößen<br />

für 25%, 50%, 75% <strong>und</strong> 95% der Summe<br />

der betrachteten Bauwerke.


21 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

3.5.4 Synthese der Einzel-<br />

Beurteilungsgrößen<br />

Die einzelnen Beurteilungsgrößen können nun<br />

zielgrößenübergreifend bzw. initialereignisübergreifend<br />

zusammengefasst werden <strong>und</strong> liefern so<br />

Aussagen über die Kritikalität des betrachteten<br />

Verkehrsbauwerks <strong>im</strong> Hinblick auf die einzelnen<br />

Zielgrößen bzw. Initialereignisse.<br />

(A) Vorgehensweise für eine zielgrößenübergreifende<br />

Zusammenfassung:<br />

BGIE i = ( BS • EBGBS + BW • EBGBW) + N • EBGN +<br />

V • EBGV<br />

wobei: ( BS + BW) + N + V = 1,0<br />

mit BGIE i : Kritikalitätsbewertungsgröße für ein<br />

Initialereignis i<br />

EBGBS : Einzel-Beurteilungsgröße<br />

Bauwerk/Schadensklasse<br />

BS : Gewichtungsfaktor<br />

Bauwerk/Schadensklasse<br />

EBGBW : Einzel-Beurteilungsgröße<br />

Bauwerk/Wiederherstellungskosten<br />

BW : Gewichtungsfaktor<br />

Bauwerk/Wiederherstellungskosten<br />

EBGN : Einzel-Beurteilungsgröße Nutzer<br />

N : Gewichtungsfaktor Nutzer<br />

EBGV : Einzel-Beurteilungsgröße Verkehr<br />

V : Gewichtungsfaktor Verkehr<br />

Zu beachten ist bei der Zusammenfassung der<br />

Einzel-Beurteilungsgrößen zu Bewertungsgrößen,<br />

dass eine Bewertung der Zielgröße Bauwerk über<br />

die beiden Komponenten „Schadensklasse“ <strong>und</strong><br />

„Wiederherstellungskosten“ <strong>und</strong> damit über eine<br />

Kombination der zugehörigen Einzel-<br />

Beurteilungsgrößen erfolgt. Erst zusammen betrachtet<br />

ist eine bewertende Aussage zur Wirkung<br />

eines Initialereignisses auf das Bauwerk an sich<br />

möglich.<br />

(B) Vorgehensweise für eine initialereignisübergreifende<br />

Zusammenfassung:<br />

wobei:<br />

mit BGZG i: Kritikalitätsbewertungsgröße für eine<br />

Zielgröße i<br />

EBG IE j : Einzel-Beurteilungsgröße<br />

Initialereignis j<br />

j : Gewichtungsfaktor Initialereignis j<br />

n : Gesamtanzahl der betrachteten Initialereignisse<br />

Der Anwender des Identifizierungsverfahrens steht<br />

bei der Auswahl der Gewichtungsfaktoren in einer<br />

besonderen Verantwortung, auf die an dieser Stelle<br />

hingewiesen werden muss: Vertreter der Bauwerkseigentümer,<br />

der Bauwerksbetreiber, der<br />

Bauwerksplaner, der Einsatzdienste oder anderer<br />

Institutionen aus dem Bereich der zivilen Sicherheit<br />

betrachten die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln<br />

<strong>und</strong> bewerten die Relevanz der einzelnen<br />

Initialereignisse <strong>und</strong> Zielgrößen unterschiedlich.<br />

Die einzelnen Schwerpunkte können <strong>im</strong> Rahmen<br />

der Synthese durch den Anwender gesetzt werden.<br />

Dabei sollte das Maß der Betonung so ausfallen,<br />

dass sich die anwendergruppenbezogenen<br />

Schwerpunkte für die Initialereignisse sowie für die<br />

Zielgrößen in den entstehenden Bewertungsgrößen<br />

wieder finden, die relevanten Einflüsse aus<br />

den weiteren Initialereignissen bzw. den anderen<br />

Zielgrößen aber nicht vernachlässigt werden.<br />

In der Synthese der Einzel-Beurteilungsgrößen<br />

werden Werte zu Bewertungsgrößen zusammengefasst.<br />

In diesem Prozess wiegen sich gute <strong>und</strong><br />

schlechte Beurteilungen gegeneinander auf <strong>und</strong><br />

führen zu einer Gesamtbewertung. Kritische Beurteilungsgrößen<br />

werden <strong>im</strong> Rahmen der Gesamtbetrachtung<br />

(korrekterweise) relativiert. Eine höhere<br />

Gewichtung einzelner Größen kann diesen Effekt<br />

in der Zusammenfassung weitergehend verstärken.<br />

Um erste Hinweise auf mögliche Verbesserungsstellen<br />

des betrachteten Verkehrsbauwerks<br />

in Bezug auf dessen zivile Sicherheit, die durch<br />

Einzel-Beurteilungsgrößen mit kritischen Werten ≥<br />

4,5 gegeben werden, <strong>im</strong> Rahmen des Identifizierungsverfahrens<br />

in die Bewertung mit einbeziehen<br />

zu können, ist eine separate Ausweisung der kritischen<br />

Einzel-Beurteilungsgrößen unter Angabe<br />

der zugehörigen Zielgröße <strong>und</strong> des zugehörigen<br />

Initialereignisses notwendig.<br />

3.6 Bewertung der Kritikalität<br />

Für die Bewertung der Kritikalität des betrachteten<br />

Verkehrsbauwerkes werden die einzelnen Bewertungsgrößen<br />

zu den Initialereignissen bzw. den<br />

Zielgrößen weitergehend zusammengefasst zu einem<br />

Gemittelten Gesamt-Kritikalitätswert GGK. In<br />

dieser Vorgehensweise können ebenfalls Schwerpunkte<br />

in der Betrachtung gesetzt werden. Für die<br />

Auswahl der Gewichtungsfaktoren gelten die Ausführungen<br />

<strong>im</strong> Kapitel 0 entsprechend.<br />

(A) Vorgehensweise für eine zielgrößenübergreifende<br />

Zusammenfassung:<br />

GGK = B * BGB + N * BGN + V * BGV<br />

wobei: B + N + V = 1,0<br />

mit GGK: Gemittelte Gesamt-Kritikalität<br />

BGB : Kritikalitätsbewertungsgröße Bauwerk


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 22<br />

B : Gewichtungsfaktor Bauwerk<br />

BGN : Kritikalitätsbewertungsgröße Nutzer<br />

N : Gewichtungsfaktor Nutzer<br />

BGV : Kritikalitätsbewertungsgröße Verkehr<br />

V : Gewichtungsfaktor Verkehr<br />

(B) Vorgehensweise für eine initialereignisübergreifende<br />

Zusammenfassung:<br />

wobei:<br />

mit GGK: Gemittelte Gesamt-Kritikalität<br />

BGIE i : Kritikalitätsbewertungsgröße<br />

Initialereignis i<br />

i : Gewichtungsfaktor Initialereignis i<br />

n : Gesamtanzahl der betrachteten Initialereignisse<br />

Die so best<strong>im</strong>mte Gemittelte Gesamt-Kritikalität<br />

GGK kann zur Berücksichtigung Sonstiger Faktoren<br />

gemäß den Ausführungen in Kapitel 3.4.4<br />

durch eine zugehörige Bewertungsgröße BGSF in<br />

die endgültige Bewertungsgröße GGKAV („Aversion“)<br />

für die Kritikalität des betrachteten Verkehrsbauwerkes<br />

überführt werden:<br />

GGKAV = GGK * BGSF<br />

mit: GGKAV: Gemittelte Gesamt-Kritikalität (inklusive<br />

Sonstiger Faktoren)<br />

GGK: Gemittelte Gesamt-Kritikalität<br />

BGSF: Bewertungsgröße für Sonstige Faktoren<br />

Zudem sind die kritischen Einzel- Beurteilungsgrößen<br />

(Wert ≥ 4,5) mit der Angabe der zugehörigen<br />

Zielgröße <strong>und</strong> des zugehörigen Initialereignisses<br />

entsprechend auszuweisen.<br />

Weist die Gemittelte Gesamt-Kritikalität einen Wert<br />

≥ 4,5 auf, so werden <strong>im</strong> Sinne der Zivilen Sicherheit<br />

genauere objektspezifische Untersuchungen<br />

empfohlen.


23 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

4 <strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Brücken</strong><br />

<strong>und</strong> ihre Nutzer<br />

4.1 Allgemeines<br />

Im Folgenden werden Empfehlungen für 18 nach<br />

derzeitigem Erkenntnisstand realisierungsfähige<br />

<strong>und</strong> realisierungswürdige Maßnahmen zum <strong>Schutz</strong><br />

von <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> ihren Nutzern ausgesprochen.<br />

Sie sind Ergebnis der „Wirksamkeitsanalyse von<br />

Maßnahmen“, [8][9][10] in der sie auf ihre Wirkung<br />

bei den in der „Bedrohungsanalyse“ [11] erarbeiteten<br />

Initialereignissen Brand, Explosion, Kontamination,<br />

Überflutung, Wind <strong>und</strong> Anprall untersucht<br />

wurden. Hierbei sind einige Maßnahmen auf eine<br />

Eigentümer<br />

Betreiber<br />

B & E<br />

Nr. Maßnahme<br />

Tabelle 4: <strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Brücken</strong><br />

best<strong>im</strong>mte Ereigniskategorie zugeschnitten, andere<br />

decken verschiedene ab. Berücksichtigt wurden<br />

zudem die gesellschaftlichen Akzeptanz sowie betriebs-<br />

<strong>und</strong> volkswirtschaftliche Aspekte.<br />

Es handelt sich um bautechnische, betriebliche<br />

<strong>und</strong> organisatorische Maßnahmen, für deren Umsetzung<br />

Bauwerkseigentümer, Bauwerksbetreiber<br />

oder die Einsatzdienste verantwortlich sind.<br />

Die Maßnahmen wirken zum überwiegenden Teil<br />

ausmaßmindernd <strong>im</strong> Ereignisfall, einige verhindern<br />

den Eintritt eines Ereignisses oder min<strong>im</strong>ieren seine<br />

Wahrscheinlichkeit. Letztere werden <strong>im</strong> Folgenden<br />

kurz als „präventiv“ bezeichnet. Diese Maßnahmen<br />

dienen gleichermaßen dem Bauwerks-<br />

wie dem Nutzerschutz.<br />

B 01 Zugangsverhinderung X<br />

B 02 Parkverhinderung unter <strong>Brücken</strong> X X X X X X<br />

BB 01 - Kontinuierlicher Lachenbrand<br />

B 03 Verschließen der Bestandsunterlagen 1 1 1 1 X X X 1<br />

B 04 Hochleistungsbeton als Konstruktionsbeton 2 2 X<br />

B 05<br />

Verstärkung/ Aufbetonschicht / Vorsatzschale aus<br />

mikrobewehrtem Hochleistungsbeton<br />

BB 02 - Spontaner Lachenbrand<br />

BB 03 - Freistrahlbrand<br />

BE 01 - BLEVE<br />

BE 02 - Detonation LKW-Ladung<br />

BE 03 - Detonation PKW-Ladung<br />

X X X X X X X X<br />

B 06 Verbesserter Entwurf: Statisch unbest<strong>im</strong>mtes System X X X X X X X X X X<br />

B 07 Pfeilerscheibe statt Stütze X X X X X<br />

B 08 Freibordvergrößerung X<br />

B 09 Bemessung auf höhere Anpralllasten X<br />

B 10 Anprallschutz X X<br />

B 11 Lagerschutz X<br />

B 12 Globale Red<strong>und</strong>anz X X X X X X X X<br />

B 13 Windschutzwände X<br />

B 14 Windgeschwindigkeitswarnanlage X<br />

B 15 Pegelmessung X<br />

B 16 Sperreinrichtungen X X X X (X) (X) (X) X X X X<br />

B 17 Spezieller <strong>Brücken</strong>notruf X X X X (X) (X) (X) X X X X<br />

B 18 Notfallübungen auf <strong>Brücken</strong> X X X X (X) (X) (X) X X X X<br />

1 bei terrorstischem Hintergr<strong>und</strong><br />

2 aus wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll<br />

BE 04 - Detonation Koffer-Ladung<br />

BK 01 - Kontinuierliche Kontamination<br />

BK 02 - Spontane Kontamination<br />

BN 01 - Überflutung<br />

BN 02 - Wind<br />

BM 01 - LKW-Anprall


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 24<br />

Die ausmaßmindernden Maßnahmen werden unterteilt<br />

in Maßnahmen zum Bauwerksschutz <strong>und</strong><br />

Maßnahmen zum Nutzerschutz. Hierbei zielen<br />

bautechnische Maßnahmen in der Regel pr<strong>im</strong>är<br />

auf den Bauwerksschutz ab, dienen aber durch eine<br />

erhöhte Robustheit des Bauwerks oft auch dem<br />

Nutzerschutz. Betriebliche <strong>und</strong> organisatorische<br />

Maßnahmen hingegen dienen hauptsächlich der<br />

Verbesserung des Nutzerschutzes <strong>und</strong> nur nachgeordnet<br />

dem Bauwerksschutz, indem sie beispielsweise<br />

Löscharbeiten begünstigen <strong>und</strong> daher<br />

eine geringere Schädigung des Bauwerks bewirken.<br />

Eine Übersicht über alle untersuchten <strong>Schutz</strong>maßnahmen<br />

<strong>und</strong> ihre initialereignisbezogene Wirkung<br />

bietet Tabelle 4. Präventive Maßnahmen sind violett,<br />

Maßnahmen zum Bauwerksschutz rot <strong>und</strong><br />

Maßnahmen zum Nutzerschutz blau dargestellt.<br />

Ein (X) bedeutet hier, dass die Maßnahme die<br />

Nutzer nicht vor dem Ereignis selbst schützt, aber<br />

die Rettung überlebender Personen nach dem Ereignis<br />

begünstigt.<br />

Maßnahmen, die sich auch für eine Nachrüstung<br />

eignen, sind grau hinterlegt. Zudem sei an dieser<br />

Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass bei Detonationen<br />

vorausgesetzt wird, dass es sich um<br />

bewusst herbeigeführte Ereignisse mit kr<strong>im</strong>inellem/terroristischem<br />

Hintergr<strong>und</strong> handelt, s. Kap.<br />

3.2.2.<br />

Zur einfachen <strong>und</strong> übersichtlichen Handhabung<br />

wurde für jede Maßnahme ein Maßnahmenblatt<br />

erstellt, in dem die Untersuchungsergebnisse in<br />

einheitlicher Struktur zusammengefasst sind. Diese<br />

Maßnahmenblätter sind dem vorliegenden Bericht<br />

als Anhang beigefügt. Die ausführlichen<br />

Untersuchungsergebnisse sind den Berichten zur<br />

„Wirksamkeitsanalyse von Maßnahmen“ zu entnehmen.<br />

4.2 Empfehlungen für Bauwerkseigentümer<br />

4.2.1 Empfehlungen zur<br />

Maßnahmenanwendung<br />

Nachfolgend werden Empfehlungen für dreizehn<br />

bautechnische Maßnahmen ausgesprochen, die<br />

be<strong>im</strong> Entwurf, bei der Bemessung <strong>und</strong>/oder bei der<br />

Konstruktion von <strong>Brücken</strong> umgesetzt werden können.<br />

Der Entwurf weist die größten Möglichkeiten auf,<br />

ein Tragwerk robuster zu gestalten. Im Allgemeinen<br />

ist es sinnvoll, den Entwurf so zu gestalten,<br />

dass best<strong>im</strong>mte Bedrohungsszenarien gar nicht<br />

erst auftreten können. Diese Möglichkeit ergibt sich<br />

beispielsweise für Anprall an einen <strong>Brücken</strong>pfeiler.<br />

Eine über eine Autobahn stützenfrei geführte Brücke<br />

erfährt keine Gefährdung durch dieses Szena-<br />

rio. Wegen der größeren Stützweite, der eventuellen<br />

Veränderung der statischen Unbest<strong>im</strong>mtheit<br />

oder sogar der Änderung des <strong>Brücken</strong>typs können<br />

sich jedoch neue mögliche Schwachstellen <strong>im</strong> Bezug<br />

auf andere Bedrohungsszenarien ergeben.<br />

Aus dem Entwurf folgt unter Ansatz best<strong>im</strong>mter<br />

festgelegter Einwirkungen die entsprechende Bemessung.<br />

Aus der Bemessung folgen wiederum<br />

die benötigten Abmessungen, um die auftretenden<br />

Einwirkungen aufnehmen zu können. Es ergibt<br />

sich also die Möglichkeit, für eintretende Bedrohungsszenarien<br />

zu bemessen. Dies bedeutet <strong>im</strong><br />

Allgemeinen, dass das Bauwerk auf erhöhte Lasten<br />

bzw. erhöhte innere Kräfte aufgr<strong>und</strong> von möglichen<br />

Umlagerungen bemessen wird, was üblicherweise<br />

zu größeren Abmessungen, robusteren<br />

Materialien bzw. größeren Bewehrungsmengen<br />

führt.<br />

Zur Konstruktion zählen Maßnahmen, die ergänzend<br />

zu Entwurf <strong>und</strong> Bemessung die Robustheit<br />

eines Bauwerks erhöhen oder die Schädigung reduzieren.<br />

Im Rahmen eines Neubaus sind generell alle untersuchten<br />

Maßnahmen möglich. Nachrüstungen<br />

<strong>und</strong> Verstärkungen sind aufgr<strong>und</strong> der Konstruktion<br />

der verschiedenen Bauwerke <strong>und</strong> örtlicher Randbedingungen<br />

häufig nur bedingt möglich. Maßnahmen,<br />

die sich für eine Nachrüstung eignen,<br />

sind Tabelle 4 (grau hinterlegt) zu entnehmen, zudem<br />

wird hierauf am Ende der jeweiligen Empfehlung<br />

gesondert eingegangen.<br />

4.2.1.1 B 01 – Zugangsverhinderung<br />

Die Maßnahme wirkt gegen die Detonation einer<br />

Koffer-Ladung. Durch den Einsatz einbruchhemmender<br />

Bauteile wird der Zugang zum <strong>Brücken</strong>innenraum,<br />

also zum Hohlkasten oder Hohlpfeiler,<br />

verhindert. Somit kann dort keine Sprengladung<br />

platziert werden <strong>und</strong> keine Innenraumdetonation<br />

eintreten.<br />

Be<strong>im</strong> Entwurf neuer <strong>Brücken</strong> sollten Zugänge der<br />

Widerstandsklasse WK 4 (einbruchhemmende<br />

Bauteile für hohe Sicherheit) nach DIN V ENV<br />

1627 [12] vorgesehen werden. Über WK 4 sind in<br />

der Norm noch zwei höhere Widerstandsklassen<br />

definiert, die für Hochsicherheitsbereiche vorgesehen<br />

sind. Diese können <strong>im</strong> Einzelfall für exponierte<br />

oder besonders symbolträchtige Bauwerke vorgesehen<br />

werden, bei denen ein Tätertyp erwartet<br />

wird, der unter Zuhilfenahme leistungsfähiger<br />

Elektrowerkzeuge agiert. Hier kann evtl. auch zusätzliche<br />

akustische oder optische Überwachung<br />

mit Aufschaltung zu einer Überwachungszentrale<br />

eingerichtet werden.<br />

Bei der Bemessung ist zu berücksichtigen, dass<br />

das <strong>Schutz</strong>niveau der an den Zugang grenzenden<br />

Bauteile nicht unter dem von Tür <strong>und</strong> Schloss liegt.


25 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

Bei der Nachrüstung bestehender Bauwerke ist<br />

zu prüfen, ob die Zugänge mit Einstiegstüren entsprechend<br />

der Widerstandsklasse WK 4 nachgerüstet<br />

werden können, wovon i.d.R. ausgegangen<br />

wird. Besonderer Wert ist auf die konstruktive Ausbildung<br />

der Anschlussbereiche der Tür zum Bauwerk<br />

zu legen. Es ist zu gewährleisten, dass sie<br />

die gleiche Widerstandsfähigkeit haben oder erlangen,<br />

wie die Tür selbst. Ggfls. sind in diesem<br />

Bereich entsprechend der örtlichen Gegebenheiten<br />

zusätzliche Verstärkungsmaßnahmen erforderlich.<br />

4.2.1.2 B 02 – Verschließen der Bestandsunterlagen<br />

Die Maßnahme wirkt gegen Ereignisse mit terroristischem<br />

/ kr<strong>im</strong>inellem Hintergr<strong>und</strong>. Für die Umsetzung<br />

wird empfohlen, die Bauwerksunterlagen<br />

dauerhaft unter Verschluss zu halten. Es sollte<br />

stets sichergestellt werden, dass die Herausgabe<br />

der Unterlagen nur an vertrauenswürdige Personen<br />

oder Institutionen erfolgt, die diese für dienstliche<br />

Zwecke benötigen.<br />

Sollten die Bestandsunterlagen in die Hände potentieller<br />

Attentäter gelangen, können diese bei<br />

entsprechendem Sachverstand die Schwachstellen<br />

der Bauwerke leicht identifizieren, bei Attentaten<br />

gezielt vorgehen <strong>und</strong> so den Schaden am<br />

Bauwerk sowie bei den Nutzern max<strong>im</strong>ieren. Dies<br />

betrifft insbesondere Sprengstoffanschläge, weil<br />

mit geringer Ladungsmenge, z. B. einer Kofferbombe,<br />

ein max<strong>im</strong>ales Schadensausmaß erreicht<br />

werden kann. Durch Verschließen der Bestandsunterlagen<br />

werden Informationen zurückgehalten, so<br />

dass ein Attentat schwieriger planbar ist <strong>und</strong> Attentäter<br />

mangels Erfolgsaussichten möglicherweise<br />

ganz von einem Anschlag absehen.<br />

4.2.1.3 B 03 – Parkverhinderung unter <strong>Brücken</strong><br />

Die Maßnahme ist für Brand- <strong>und</strong> Explosionsereignisse<br />

geeignet. Die Möglichkeit zum Abstellen von<br />

Fahrzeugen wird eingeschränkt bzw. baulich verhindert<br />

<strong>und</strong> dadurch die Gefährdung eines Bauwerkes<br />

reduziert, <strong>im</strong> günstigsten Fall ganz ausgeschlossen.<br />

Sie wirkt nicht bei einer Kofferladung,<br />

da diese auch durch einen Fußgänger angebracht<br />

werden kann.<br />

Es wird empfohlen, unter der Brücke ein Halteverbot<br />

einzuplanen. Dieses muss <strong>im</strong> Betrieb konsequent<br />

überwacht werden. Alternativ sind bauliche<br />

Maßnahmen in Form von Zäunen oder Pollern einsetzbar,<br />

die bei höheren Investitionskosten wesentlich<br />

geringere Betriebskosten <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

kein Ausfallrisiko aufweisen.<br />

Die Maßnahme eignet sich auch zur Nachrüstung<br />

bei Bestandsbauwerken.<br />

4.2.1.4 B 04 - Hochleistungsbetone als<br />

Konstruktionsbeton<br />

Die Maßnahme ist für Anprallszenarien geeignet<br />

<strong>und</strong> kann sich auch bei Einwirkungen aus Überflutung<br />

<strong>und</strong> Wind positiv auswirken. Für diese Initialereignisse<br />

erscheint sie jedoch aus wirtschaftlichen<br />

Gründen nicht sinnvoll.<br />

Be<strong>im</strong> Entwurf können anprallgefährdete Bereiche<br />

von Stahlbeton-Unterbauten mit Hochleistungsbetonen<br />

anstelle von Normalbetonen konstruiert werden.<br />

Der anprallgefährdete Bereich kann analog zu<br />

DIN-FB-102, Anhang 108 [13] festgelegt werden.<br />

Eigenschaften <strong>und</strong> Zusammensetzung des Hochleistungsbetons<br />

sind abhängig von den Anforderungen<br />

des Bauherrn so zu spezifizieren, dass<br />

Duktilität <strong>und</strong> Zähigkeit des Verb<strong>und</strong>werkstoffes<br />

max<strong>im</strong>iert werden.<br />

Bei der Bemessung sind die Konstruktionselemente<br />

aus Hochleistungsbeton so zu d<strong>im</strong>ensionieren,<br />

dass die Schäden an Bauteil <strong>und</strong> Bauwerk<br />

durch Anprallereignisse reparabel sind <strong>und</strong> die<br />

Tragfähigkeit des Bauwerks während <strong>und</strong> nach<br />

dem Ereignis gewährleistet bleibt. Es ist insbesondere<br />

darauf zu achten, dass die dynamischen Zusatzkräfte,<br />

die die statischen Kräfte bis zu dreifach<br />

übersteigen können, berücksichtigt werden.<br />

In DIN 1045-1 [14] sind die Betone der Festigkeitsklassen<br />

C12/15 bis C100/115 normativ geregelt,<br />

Betone oberhalb C50/60 gelten als hochfeste Betone.<br />

Für Betonfestigkeitsklassen größer als<br />

C100/115 fehlen normative Gr<strong>und</strong>lagen. Hier müssen<br />

die jeweils gültigen Spannungs-Dehnungs-<br />

Linien zu Gr<strong>und</strong>e gelegt werden, woraus unter anderem<br />

spezielle Interaktionsdiagramme resultieren.<br />

Eine detaillierte nichtlineare Bemessung der Struktur<br />

unter Anpralllasten ist aufwändig. Daher wird<br />

vereinfachend vorgeschlagen, die Elemente „normal“<br />

zu bemessen <strong>und</strong> den Normalbeton in den<br />

gefährdeten Bereichen durch Hochleistungsbeton<br />

zu ersetzen. Dies führt zu einer Vergrößerung des<br />

Widerstands gegen Anprallszenarien <strong>im</strong> Vergleich<br />

zum unverstärkten System.<br />

Bei der Konstruktion bieten r<strong>und</strong>e Strukturen<br />

sicherheitstechnische Vorteile gegenüber rechteckigen<br />

Querschnitten.<br />

4.2.1.5 B 05 - Verstärkung / Aufbetonschicht /<br />

Vorsatzschale aus mikrobewehrtem<br />

Hochleistungsbeton<br />

Diese Maßnahme ist sowohl gegen Explosions-<br />

<strong>und</strong> Anprallszenarien als auch gegen Brandereignisse.<br />

Be<strong>im</strong> Entwurf können die zugänglichen <strong>und</strong><br />

anprallgefährdeten Bereiche von Stahlbeton-<br />

Unterbauten mit einer Vorsatzschale oder<br />

Aufbetonschicht aus mikrobewehrtem Hochleistungsbeton<br />

(z. B. DUCON) versehen werden. Als


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 26<br />

zugängliche Bereiche werden die Bereiche definiert,<br />

die ohne Hilfsmittel (Leiter, Hubsteiger, etc.)<br />

von einer Person erreichbar sind. Der anprallgefährdete<br />

Bereich kann analog zu DIN-FB-102, Anhang<br />

108 [13] festgelegt werden.<br />

Die Ausbildung der Aufbetonschicht bzw. Vorsatzschale<br />

erfolgt in Abhängigkeit von Art <strong>und</strong> Größe<br />

des vom Bauherrn geforderten Detonations- <strong>und</strong><br />

Anprallschutzes.<br />

Bei der Bemessung ist eine Vorsatzschale oder<br />

Aufbetonschicht so zu d<strong>im</strong>ensionieren, dass die<br />

darunter liegende tragende Struktur durch die<br />

Szenarien Explosion bzw. Anprall nicht oder nur<br />

geringfügig geschädigt wird.<br />

Da nur ungenügend normative Regelungen zur<br />

Bemessung der erforderlichen Material- <strong>und</strong> Betriebseigenschaften<br />

von Vorsatzschalen gegenüber<br />

Explosionen <strong>und</strong> Anpralllasten existieren,<br />

werden entsprechende Detailuntersuchungen vorgeschlagen,<br />

die zur Vorbereitung einer<br />

Normgebung führen. Erste Anhaltswerte für die<br />

Vorsatzschale wurden aus Versuchen des Fraunhofer-Instituts<br />

für Kurzzeitdynamik gewonnen.<br />

Demnach ist die Vorsatzschale mit einer Mindestdicke<br />

von 20 cm auszuführen <strong>und</strong> Hochleistungsbetone<br />

mit hohen Druckfestigkeiten (z. B. 100<br />

MPa) zu verwenden.<br />

Bei der Konstruktion bieten r<strong>und</strong>e Strukturen<br />

sicherheitstechnische Vorteile gegenüber rechteckigen<br />

Querschnitten. Vorsatzschalen sollten bis<br />

2 m über die möglichen Schädigungszonen hinaus<br />

vorgesehen werden.<br />

Die Nachrüstung bei Bestandsbauwerken ist<br />

möglich, sofern die geforderten Mindestabstände<br />

bzw. lichten Weiten durch die Verstärkung nicht<br />

unterschritten werden.<br />

4.2.1.6 B 06 – Verbesserter Entwurf: Statisch<br />

unbest<strong>im</strong>mtes System<br />

Die Maßnahme ist für Brandereignisse, Explosionsszenarien,<br />

Überflutung, Wind sowie Anprall geeignet.<br />

Be<strong>im</strong> Entwurf sollten Tragwerke mit hoher statischer<br />

Unbest<strong>im</strong>mtheit bevorzugt werden, da hier<br />

bei einem Querschnittsausfall eine Umlagerung<br />

der Lasten erfolgen kann. So können z. B. Durchlaufträger<br />

oder Rahmentragwerke anstelle von<br />

Einfeldträgern zum Einsatz kommen. Andere<br />

hochgradig statisch unbest<strong>im</strong>mte Konstruktionen<br />

sind stählerne Schrägseilbrücken oder Bogenbrücken<br />

mit abgehängter Fahrbahn.<br />

Bei langen Bauwerken ist alternativ eine Segmentierung<br />

zur Begrenzung von Schadensbereichen<br />

möglich.<br />

Im Rahmen der Bemessung sollte zum <strong>Schutz</strong><br />

gegen Explosionsszenarien eine Ausfallbemessung<br />

in Analogie zu DIN EN 1991-1-7 [15] zur Sicherstellung<br />

der Robustheit des Tragwerks erfolgen.<br />

Statisch unbest<strong>im</strong>mte Systeme bieten bei einer lokalen<br />

Querschnittsschwächung oder bei Ausfall<br />

von Tragwerksteilen die Möglichkeit einer Lastumlagerung,<br />

auf die das restliche Tragwerk ausgelegt<br />

werden muss. Die einzelnen Ausfallszenarien für<br />

Haupt-Tragelemente müssen bauwerksspezifisch<br />

<strong>im</strong> Rahmen der Bauwerksplanung festgelegt werden,<br />

typische Beispiele sind die Untersuchung des<br />

Ausfalles einer Einzelstütze aus einer Stützenreihe<br />

oder die Berücksichtigung von Fehlflächen in der<br />

Fahrbahn.<br />

4.2.1.7 B 07 – Pfeilerscheibe statt Stütze<br />

Die Maßnahme ist für Explosionsszenarien sowie<br />

mechanische Einwirkungen geeignet. Sie verhindert<br />

den Stützenausfall mit möglichem Bauwerkskollaps<br />

infolge einer Explosion, da Wandscheiben<br />

eine robustere Konstruktion darstellen als Einzelstützen<br />

Be<strong>im</strong> Entwurf sollten bis zu einer Entfernung von<br />

8 m zwischen einem möglichen Explosionsort bzw.<br />

dem Fahrbahnrand keine Einzelstützen gewählt<br />

werden. Stattdessen sind Wandscheiben zu verwenden.<br />

Ab einem Abstand von 8 m zum möglichen<br />

Explosionsort sind Einzelstützen für die untersuchten<br />

Szenarien nicht mehr wesentlich gefährdet<br />

<strong>und</strong> können umgesetzt werden.<br />

Die <strong>im</strong> kritischen Abstandsbereich von bis zu 8 m<br />

zum Explosionsort angeordneten Pfeilerscheiben<br />

(als Ersatz von Einzelstützen) erfahren durch Explosionsszenarien<br />

eine Zerstörung. Bei der Bemessung<br />

ist der zerstörte Bereich durch eine r<strong>und</strong>e<br />

Fehlfläche ab Oberkante Fahrbahn bzw. möglicher<br />

Standfläche zu berücksichtigen.<br />

4.2.1.8 B 08 – Freibordvergrößerung<br />

Die Maßnahme ist für Überflutungsereignisse geeignet.<br />

Als Folge des Kl<strong>im</strong>awandels prognostizieren Kl<strong>im</strong>aforscher<br />

für Deutschland u. a. erhöhte Niederschlagsmengen<br />

[2]. Diese Erhöhung des Niederschlages<br />

<strong>im</strong> Einzugsgebiet eines Flusses kann in<br />

Abhängigkeit vom Flussquerschnitt zu einem deutlichen<br />

Anstieg des Wasserpegels führen. Durch die<br />

Vergrößerung des Freibords wird die Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

einer spontanen Überflutung <strong>und</strong> die<br />

einer möglichen Verklausung (Zusetzen des Freibordes<br />

durch Treibgut) verringert.<br />

Die Erhöhung des Freibords auf 1 m (bezogen auf<br />

das 100-jährige Hochwasserereignis) sollte unter<br />

Beachtung der örtlichen Gegebenheiten <strong>und</strong> möglicher<br />

Änderungen des Niederschlags <strong>im</strong> Einzugsgebiet<br />

berücksichtigt werden.


27 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

4.2.1.9 B 09 – Bemessung auf höhere Anpralllasten<br />

Die Maßnahme ist für mechanische Einwirkungen<br />

aus Fahrzeuganprall geeignet.<br />

Die gültigen Normen <strong>und</strong> Regelwerke enthalten<br />

Bemessungsansätze zur Berücksichtigung von<br />

Fahrzeuganprall. Diese sind jedoch zu überprüfen,<br />

da sich <strong>im</strong> Verkehrsfluss bedeutende Änderungen<br />

einstellen können. Eine Bemessung mit neuen,<br />

aus aktuellen Verkehrsdaten ermittelten, höheren<br />

Anpralllasten führt zu einer größeren Tragwerkssicherheit<br />

für Anprallszenarien.<br />

Für die Bemessung wird empfohlen, die horizontale<br />

Ersatzlast in Fahrtrichtung von den gegenwärtigen<br />

1000 kN auf 1500 kN zu erhöhen. Die horizontale<br />

Ersatzlast quer zur Fahrtrichtung sollte um<br />

denselben Faktor auf 750 kN angehoben werden.<br />

Passive <strong>Schutz</strong>einrichtungen <strong>und</strong> Rückhaltesysteme<br />

sollten (bei Einhaltung der Mindestabstände)<br />

über Reduktionsfaktoren berücksichtigt werden.<br />

4.2.1.10 B 10 – Anprallschutz<br />

Die Maßnahme wirkt gegen mechanische Einwirkungen<br />

aus Fahrzeuganprall.<br />

Be<strong>im</strong> Entwurf von <strong>Brücken</strong>pfeilern sollte die Gestaltung<br />

von Anprallschutzmaßnahmen wie Betonsockel<br />

<strong>und</strong> Fahrzeugrückhaltesysteme an die<br />

Empfehlung der Maßnahme „BB 06 Höhere Anpralllasten“<br />

angepasst werden. Die hieraus resultierenden<br />

höheren Lasten sollten analog auch für<br />

den Anprallschutz berücksichtigt werden. Dazu<br />

sind ggfls. größere Baubreiten der Anprallschutzmaßnahmen<br />

gegenüber den aktuellen Ausführungen<br />

erforderlich.<br />

Die aktuell eingesetzten Anprallschutzmaßnahmen<br />

(Betonsockel oder Fahrzeugrückhaltesysteme)<br />

sind für einen best<strong>im</strong>mten Verkehr hinsichtlich seiner<br />

Dichte <strong>und</strong> Zusammensetzung ausgelegt. Sofern<br />

aber der Empfehlung zur Maßnahme B 09 –<br />

Bemessung auf höhere Anpralllasten gefolgt wird,<br />

sind bei der Bemessung die Einwirkungen aus<br />

Anprall um das 1,5-fache zu erhöhen. Bei dieser<br />

Erhöhung sollten auch die Anprallschutzmaßnahmen<br />

entsprechend angepasst werden. Das beinhaltet<br />

eine Anpassung der Bemessung des Anprallsockels<br />

für höhere Einwirkungen sowie eine<br />

Anpassung der DIN EN 1317 „Rückhaltesysteme<br />

an Straßen“ für die Anprallprüfung von Fahrzeugrückhaltesystemen.<br />

Der Anprallschutz kann auch als Nachrüstung realisiert<br />

werden. Sowohl Betonsockel als auch<br />

Fahrzeugrückhaltesysteme können nachträglich<br />

zum <strong>Schutz</strong> von Pfeilern angebracht werden, wenn<br />

ausreichend Platz für einen Sockel oder ein Rückhaltesystem<br />

zur Verfügung steht.<br />

Beide Varianten von <strong>Schutz</strong>maßnahmen verhin-<br />

dern zusätzlich eine Nahdetonation, da beispielsweise<br />

Fahrzeuge auf Abstand gehalten werden.<br />

4.2.1.11 B 11 – Lagerschutz<br />

Der Lagerschutz ist eine realisierbare Nachrüstungsmaßnahme,<br />

mit der ein unmittelbares Platzieren<br />

von Explosionsstoffen (Kofferbombe) <strong>im</strong> Lagerbereich<br />

verhindert wird. Mit dem nachträglichen<br />

Verschluss des Lagerspaltes wird der Abstand<br />

zwischen Explosionsquelle <strong>und</strong> Lager vergrößert<br />

<strong>und</strong> somit die Schädigungswirkung signifikant gemindert.<br />

Der Lagerspaltverschluss dient gleichzeitig<br />

auch der Vogelabwehr.<br />

Für den Entwurf wird empfohlen, sofern ein Lagerspaltverschluss<br />

mit platten- oder gitterförmigen<br />

Elementen nicht bereits zum <strong>Schutz</strong> vor Verschmutzung<br />

vorgesehen ist, diesen zum <strong>Schutz</strong><br />

vor Detonationen vorzusehen.<br />

Im Rahmen der Konstruktion kann der Verschluss<br />

des Lagerspaltes zur Verhinderung des<br />

Ablegens von Explosionsstoffen <strong>und</strong> des Nistens<br />

von Vögeln z. B. entsprechend der Richtzeichnung<br />

VES 1 [16] oder durch Maschendrahtblenden mit<br />

Winkelprofilrahmen realisiert werden. Im Hinblick<br />

auf die Lagerinspektion <strong>im</strong> Zuge von <strong>Brücken</strong>prüfungen<br />

ist der Lagerschutz demontierbar auszubilden.<br />

Mit speziellen gelochten Elementen anstelle der<br />

Maschendrahtblenden lassen sich Explosionseinwirkungen<br />

noch weiter reduzieren. Derartige Konstruktionen<br />

sind <strong>im</strong> Einzelfall hinsichtlich der Ausgestaltung<br />

zu planen <strong>und</strong> zu d<strong>im</strong>ensionieren.<br />

Ein Lagerschutz ist auch bei der Nachrüstung bestehender<br />

Bauwerke realisierbar.<br />

4.2.1.12 B 12 – Globale Red<strong>und</strong>anz<br />

Die Maßnahme ist geeignet für Brand- <strong>und</strong> Explosionsereignisse<br />

<strong>und</strong> kann auch einen <strong>Schutz</strong> für<br />

Anprall bieten. Sie dient zur Aufrechterhaltung des<br />

Verkehrs über den ungeschädigten <strong>Brücken</strong>querschnitt<br />

nach einem eingetretenen Ereignis, insbesondere<br />

bei Ereignissen auf der Brücke. Bei<br />

Brandereignissen unter der Brücke können beide<br />

Überbauten betroffen sein. In diesem Fall ist die<br />

Maßnahme nicht wirksam.<br />

Für den Entwurf wird empfohlen, eine Längsteilung<br />

der Brücke (Über- <strong>und</strong> ggfls. Unterbau) vorzusehen,<br />

soweit es ohne nennenswerte Mehrkosten<br />

möglich ist. Bei vielen Bauwerken wird die<br />

Maßnahme herstellungsbedingt be<strong>im</strong> Entwurf berücksichtigt,<br />

so dass keine Mehrkosten entstehen.<br />

Bei der Konstruktion ist die Umsetzung der globalen<br />

Red<strong>und</strong>anz mit Längsfugen in <strong>Brücken</strong>konstruktionen<br />

eine gebräuchliche Bauart. Hierzu liegen<br />

Richtzeichnungen der B<strong>und</strong>esanstalt für Straßenwesen<br />

vor, z. B. [14], Kap. 3, 4, 9, 10. Die kon-


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 28<br />

sequente Trennung der <strong>Brücken</strong>hälften ist auch<br />

bei den Unterbauten bzw. der Gründung umzusetzen.<br />

4.2.1.13 B 13 – Windschutzwände<br />

Die Maßnahme ist für das Szenario Windeinfluss<br />

geeignet <strong>und</strong> dient dem Nutzerschutz. Bei starkem<br />

Wind bzw. Sturm ist die Sicherheit der Nutzer auf<br />

einer Brücke gefährdet. Fahrzeuge, vor allem<br />

LKWs mit geringem Gewicht, können bei starken<br />

Seitenwinden von der Fahrbahn abkommen. Darüber<br />

hinaus können Windschutzwände in Abhängigkeit<br />

der Konstruktion eine zusätzliche Rückhaltewirkung<br />

für abkommende Fahrzeuge bieten.<br />

Bei <strong>Brücken</strong> in exponierter Lage mit der Gefahr<br />

von starken Seitenwinden wird die Anordnung von<br />

Windschutzwänden zum <strong>Schutz</strong> der Bauwerksnutzer<br />

empfohlen. Diese dienen bei entsprechender<br />

Ausbildung auch dem Lärmschutz.<br />

Die konstruktive Ausbildung der Windschutzwände<br />

sollte anhand der für Lärmschutzwände geltenden<br />

Vorschriften der RIZ-ING [16] erfolgen. Es muss<br />

darauf geachtet werden, dass die Weiterleitung der<br />

Kräfte über die Kappen in den Überbau gewährleistet<br />

ist. Dies sollte anhand der ebenfalls in der<br />

RIZ-ING festgelegten Ausbildung der Kappen erfolgen.<br />

Die Nachrüstung einer Brücke mit einer Windschutzwand<br />

ist gr<strong>und</strong>sätzlich möglich. Es muss allerdings<br />

geprüft werden, ob das Bauwerk die zusätzlichen<br />

Windlasten, insbesondere in Querrichtung,<br />

aufnehmen kann. Gegebenenfalls muss eine<br />

Verstärkung erfolgen.<br />

4.2.2 Empfehlungen zur Vorgehensweise<br />

bei der Maßnahmenanwendung<br />

4.2.2.1 Bei Neubauten<br />

Im Rahmen eines Neubaus sind für einen Bauwerkseigentümer,<br />

der <strong>Schutz</strong>maßnahmen an <strong>Brücken</strong>bauwerken<br />

vorsehen möchte, generell alle erarbeiteten<br />

Maßnahmen möglich. Besonders die<br />

Bereiche Entwurf <strong>und</strong> Bemessung bieten die große<br />

Möglichkeit, zusätzliche Sicherheiten bezüglich eines<br />

Bedrohungsszenarios mit vergleichsweise geringem<br />

Aufwand <strong>und</strong> Eingriff in das Bauwerk einzuarbeiten.<br />

Die Anhebung des Sicherheitsniveaus führt dennoch<br />

zu einer Kostensteigerung. Damit ergibt sich<br />

eine neue Fragestellung für die frühe Phase eines<br />

Planungsprozesses: Welche Bedeutsamkeit hat<br />

das neue Bauwerk in der Zukunft <strong>und</strong> welches<br />

<strong>Schutz</strong>niveau für welches Szenario (oder welche<br />

Szenarien) soll oder muss eingehalten bzw. eingeplant<br />

werden.<br />

Im Ergebnis muss der Bauwerkseigentümer mit<br />

Unterstützung seiner Fachberater diese Entschei-<br />

dung treffen. Von ihm ist am Ende für das konkrete<br />

Projekt zu definieren, wogegen <strong>und</strong> in welcher<br />

Höhe <strong>Schutz</strong>maßnahmen ergriffen werden sollen.<br />

<strong>SKRIBT</strong> kann bei dieser Entscheidung keine direkte<br />

Antwort beisteuern, aber Möglichkeiten aufzeigen.<br />

Der Ablauf zur Entscheidungsfindung wird in<br />

den Kapiteln 1 <strong>und</strong> 3 beschrieben. Die Gr<strong>und</strong>lage<br />

für die Entscheidung der Bauwerkseigentümer wird<br />

dazu von der Politik <strong>und</strong> nicht zuletzt von der Gesellschaft<br />

zu treffen sein, die festlegen muss, wie<br />

viel ihr die zivile Sicherheit von Verkehrsinfrastrukturbauwerken<br />

wert ist <strong>und</strong> was sie bereit ist, dafür<br />

auszugeben. Private Betreiber treffen ihre diesbezüglichen<br />

Entscheidungen in der Regel vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> ihrer Betrachtungen zur langfristigen<br />

Absicherung ihrer Einnahmen <strong>und</strong> der Lebenszykluskosten<br />

des Bauwerks, siehe auch Kapitel 6.<br />

Vom Bauwerkseigentümer ist daher stets für ein<br />

konkretes Projekt anhand der spezifischen Gegebenheiten<br />

das gewünschte <strong>Schutz</strong>ziel zu best<strong>im</strong>men.<br />

Weiter ist die Umsetzung der resultierenden<br />

<strong>Schutz</strong>maßnahmen vom Bauwerkseigentümer<br />

festzulegen <strong>und</strong> gegenüber dem Planer <strong>im</strong> Einzelnen<br />

abzufordern. Damit wird dem Umstand Rechnung<br />

getragen, dass die Maßnahmen, die mit mehr<br />

oder weniger hohen Zusatzaufwendungen verb<strong>und</strong>en<br />

sind, zielgerichtet <strong>und</strong> anforderungsgemäß<br />

umgesetzt werden <strong>und</strong> dem Gebot der Wirtschaftlichkeit<br />

entsprechen.<br />

4.2.2.2 Bei Nachrüstung<br />

Für die öffentliche Hand als Bauwerkseigentümer<br />

stellt sich das Thema Nachrüstung bzw. Verstärkung<br />

von <strong>Brücken</strong>bauwerken neben dem Identifizieren<br />

der für das jeweils betrachtete Einzelbauwerk<br />

angemessenen Maßnahme bzw. Maßnahmenkombination<br />

infolge des großen Bauwerksbestandes<br />

als Mengenproblem <strong>und</strong> in der Folge davon<br />

als Finanzierungsproblem dar. Wo setzt man<br />

in dieser Situation die knappen Finanzmittel ein<br />

<strong>und</strong> welches Sicherheitsniveau ist jeweils mindestens<br />

zu gewährleisten? Für private Betreiber stehen<br />

bei den Überlegungen zur nachträglichen<br />

Nachrüstung bzw. Verstärkung ihrer Bauwerke vor<br />

allem die Fragen der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit<br />

sowie des wirtschaftlichen Nutzens <strong>im</strong><br />

Vergleich zum finanziellen Aufwand <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Die Nachrüstung bzw. Verstärkung von Bauwerken<br />

<strong>im</strong> Hinblick auf mögliche Bedrohungsszenarien erfordert<br />

daher eine hierarchisch strukturierte Vorgehensweise,<br />

mit mehreren Prüfstufen, bevor für das<br />

konkrete Bauwerk bauliche oder sonstige bauwerksschützende<br />

Maßnahmen ergriffen werden<br />

können.<br />

Wurde ein Bauwerk anhand des Identifizierungsverfahrens<br />

als gefährdet herausgefiltert, muss die<br />

Frage geklärt werden: Gegen welches Szenario


29 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

sind nachträgliche <strong>Schutz</strong>maßnahmen zu ergreifen,<br />

gibt es überhaupt solche dafür <strong>und</strong> sind sie<br />

bezogen auf das individuelle Bauwerk wirksam <strong>und</strong><br />

angemessen? Dann können die am Objekt möglichen<br />

<strong>und</strong> wirtschaftlichen Maßnahmen ausgewählt<br />

werden. Wie aus Tabelle 4 ersichtlich, sind bautechnische<br />

Maßnahmen in relativ überschaubarem<br />

Rahmen möglich.<br />

Es folgen Planung <strong>und</strong> Ausschreibung der Nachrüstung<br />

/ Verstärkung durch spezialisierte Fachplaner.<br />

Nach der Vergabe der baulichen oder<br />

sonstigen Leistungen durch den Bauwerkseigentümer<br />

bildet die Realisierung den letzten Punkt der<br />

Vorgehenskette.<br />

4.2.2.3 Bei Instandsetzung<br />

Ist ein <strong>Brücken</strong>bauwerk durch ein Initialereignis,<br />

sei es Brand, Explosion, Kontamination, Naturgewalten<br />

oder mechanische Einwirkungen, beschädigt<br />

worden, geht dies in der Regel mit einer Verkehrsbeeinträchtigung,<br />

<strong>im</strong> schl<strong>im</strong>msten Fall mit einer<br />

Vollsperrung, einher. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der<br />

Verfügbarkeit der Verkehrsinfrastruktur in volkswirtschaftlicher<br />

Hinsicht <strong>und</strong> der Min<strong>im</strong>ierung des<br />

Ausfalls von Mauteinnahmen bei privat betriebenen<br />

<strong>Brücken</strong> ist eine möglichst schnelle Instandsetzung<br />

des zerstörten Bauwerkes herbeizuführen.<br />

Je nach verkehrlicher Bedeutung ist das Anforderungsniveau<br />

an die Wiederherstellungszeit sehr<br />

hoch. Dies bedeutet, dass konventionelle Vorgehensweisen<br />

- wie bei einem Neubau - aufgegeben<br />

werden müssen, um Zeit zu sparen.<br />

Die Bauwerksinstandsetzung gliedert sich in 4<br />

Phasen. Diese sind<br />

� Vorlaufende Arbeiten<br />

� Planung<br />

� Ausschreibung <strong>und</strong> Vergabe<br />

� Baudurchführung.<br />

Bei allen Phasen ist <strong>im</strong> Regelfall in kürzester Zeit<br />

das jeweilige Ergebnis zu realisieren, worunter<br />

Sorgfalt <strong>und</strong> Qualität der Arbeit nicht leiden dürfen.<br />

� Vorlaufende Arbeiten<br />

Als vorlaufende Arbeiten sind unmittelbar nach<br />

dem Ereignis Sofortmaßnahmen, wie z. B. das<br />

Sperren des Bauwerks <strong>und</strong> die Einrichtung von<br />

Verkehrsumleitungen, zu ergreifen. Weiter können<br />

Sicherungsmaßnahmen am Bauwerk selbst oder<br />

an angrenzenden Gebäuden <strong>und</strong> Anlagen notwendig<br />

werden.<br />

Nachdem die notwendigen Sicherungsmaßnahmen<br />

durchgeführt wurden, folgen Schadensbesichtigungen<br />

<strong>und</strong> Schadensbegutachtungen. Bei<br />

schweren Schäden ist davon auszugehen, dass<br />

die Staatsanwaltschaft tätig wird <strong>und</strong> Ermittlungen<br />

aufn<strong>im</strong>mt. Hierzu werden vielfach Experten einge-<br />

b<strong>und</strong>en, die die Ursachen des Ereignisses klären<br />

sollen. Häufig werden auch Versicherungs-<br />

Sachverständige tätig, die das Ausmaß des Schadens<br />

<strong>und</strong> die Ursache aus Sicht der Assekuranz<br />

klären.<br />

Wenn bis dahin noch nicht geschehen, sind nach<br />

der Bauwerksfreigabe durch die Staatsanwaltschaft<br />

erste Aufräumarbeiten mit anschließenden<br />

weitergehenden gutachterlichen Untersuchungen<br />

zur Tragwerksschädigung auszuführen. Es wird<br />

geklärt, was von der Tragkonstruktion verbleiben<br />

kann <strong>und</strong> was abgebrochen werden muss.<br />

Am Ende der vorlaufenden Arbeiten sollten die<br />

Schadensursache <strong>und</strong> ihr Ausmaß klar <strong>und</strong> entsprechend<br />

dokumentiert sein. Vorgaben für die<br />

Reparaturmaßnahmen <strong>und</strong> somit die Randbedingungen<br />

für die Wiederherstellungsplanung liegen<br />

nun vor.<br />

� Planung<br />

Bei größeren Schäden ist <strong>im</strong> Regelfall zur Instandsetzung<br />

des Bauwerkes eine Planung zu erstellen.<br />

Bei kleineren Schäden wird diese Leistung wahrscheinlich<br />

nicht notwendig, so dass hier eine<br />

schnellere Vorgehensweise möglich ist. Für die<br />

Planung sind erfahrene <strong>und</strong> kompetente Planungspartner<br />

für den Bauwerkseigentümer unerlässlich.<br />

Sofern nicht bereits parallel zur Schadensfeststellung<br />

die Planerauswahl erfolgt ist, muss<br />

diese mit den vorliegenden Schadensausmaßerkenntnissen<br />

schnellstmöglich vollzogen werden.<br />

Für öffentliche Auftraggeber gelten einzuhaltende<br />

Vergaberegularien. Nach der Verdingungsordnung<br />

für freiberufliche Leistungen (VOF) [17] können<br />

Planerleistungen bis zu einem Schwellenwert von<br />

ca. 200.000 €, dies entspricht einer Wiederherstellkostengröße<br />

von etwa 3,2 Mio. €, sofort freihändig<br />

an einen geeigneten Planer vergeben werden.<br />

Planerleistungen ab diesem Schwellenwert<br />

sind öffentlich auszuschreiben.<br />

Ein normal ablaufendes VOF-Verfahren dauert bei<br />

günstigem Ablauf mindestens 10 Wochen, daher<br />

muss ein schnellerer Weg beschritten werden. Für<br />

derartige Probleme ist nach VOF § 3 (4) d zu verfahren<br />

<strong>und</strong> das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb<br />

durchzuführen. Der Auftraggeber<br />

wird hierbei Gespräche mit geeigneten Planern<br />

führen, die mindestens 5 Tage bis zur Angebotsabgabe<br />

in Anspruch nehmen. Die Auswertung mit<br />

anschließender Einspruchsfrist dauert 15 Tage, so<br />

dass nach etwa 3 Wochen der Planungspartner<br />

feststehen kann.<br />

Bei privaten Betreibern werden die Planungsarbeiten<br />

in der Regel <strong>im</strong> Rahmen einer beschränkten<br />

Ausschreibung oder einer freien Vergabe an die<br />

dem Betreiber zugehörigen Bauunternehmen übertragen.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 30<br />

Sehr früh muss geklärt werden, ob be<strong>im</strong> vorliegenden<br />

Alter des Bauwerkes eine Reparatur sinnvoll<br />

ist oder ein Neubau unter Würdigung künftiger<br />

Entwicklungen (z. B. höhere Verkehrslasten oder<br />

stärkere Robustheit gegenüber Naturkatastrophen<br />

oder Terroranschlägen) eine geeignetere Alternative<br />

darstellt. Ebenso sind die vorliegenden Prüfbef<strong>und</strong>e<br />

zum Bauwerkszustand vor dem Schadensereignis<br />

einzubeziehen. Nach Klärung des Vorgehens<br />

kann mit der eigentlichen Planung zur Sanierung<br />

oder zum Neubau begonnen werden.<br />

Wird die Entscheidung für eine Wiederherstellung<br />

gefällt, ist entsprechend dem Schadensausmaß<br />

ein Sanierungskonzept zu entwickeln <strong>und</strong> ausschreibungsreif<br />

durchzuplanen. Ergänzende statische<br />

Entwurfsberechnungen sind parallel durchzuführen.<br />

Für die Planung der Sanierungsmaßnahme<br />

ist <strong>im</strong> Normalfall kein zeitaufwändiges Zust<strong>im</strong>mungsverfahren<br />

(z. B. BMVBS-Entwurfszust<strong>im</strong>mung)<br />

durchzuführen, statt dessen sollten <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf die Zeitschiene schnellstmöglich Zust<strong>im</strong>mungen<br />

<strong>und</strong> Entscheidungen zu den Planungsinhalten<br />

erfolgen. Selbstredend ist die Forderung an<br />

den Planer, einen max<strong>im</strong>alen Ressourceneinsatz<br />

zu gewährleisten, um die Ausschreibung kurzfristig<br />

fertig zu stellen.<br />

Bei der Entscheidung für einen Neubau anstelle<br />

einer Wiederherstellung muss das Ziel verfolgt<br />

werden, die Planung <strong>im</strong> Zeitrahmen einer Wiederherstellung<br />

zu erbringen. Dies ist ein hoher Anspruch,<br />

der aber mit partnerschaftlicher Zusammenarbeit<br />

zwischen Planer <strong>und</strong> Bauherr umgesetzt<br />

werden kann.<br />

� Ausschreibung <strong>und</strong> Vergabe<br />

Das Vorgehen für Ausschreibung <strong>und</strong> Vergabe von<br />

Wiederherstellungsarbeiten richtet sich nach der<br />

VOB/A [18], für öffentliche Auftraggeber nach dem<br />

Abschnitt 2 VOB/A. Wie bei der Planung bereits<br />

dargestellt, sind die Wiederherstellungsmaßnahmen<br />

nach einem Schadensereignis als sehr vordringlich<br />

einzustufen, so dass das reguläre offene<br />

Verfahren bzw. die öffentliche Ausschreibung nicht<br />

zur Anwendung gelangen kann.<br />

Mit der gleichen Dringlichkeit wie bei der Planung<br />

kann der öffentliche Auftraggeber bis 10.000,00 €<br />

Wiederherstellkosten freihändig (VOB/A § 3 (5))<br />

<strong>und</strong> bis 150.000,00 € beschränkt ohne vorgeschalteten<br />

Teilnahmewettbewerb vergeben (nicht offenes<br />

Verfahren nach VOB/A § 3 a (3)). Darüber<br />

hinaus kann nur ein Verhandlungsverfahren, das<br />

an die Stelle der freihändigen Vergabe tritt (VOB/A<br />

§ 3 a (1) 4.), weiterverfolgt werden. Im Hinblick auf<br />

die Dringlichkeit kann aber auf den öffentlichen<br />

Teilnahmewettbewerb verzichtet werden (VOB/A §<br />

3 a (6) Nr. 4).<br />

Der Zeitbedarf für Ausschreibung <strong>und</strong> Vergabe,<br />

d.h. für Angebotskalkulation, Submission, Ange-<br />

botswertung <strong>und</strong> Vergabe der Leistung, wird bei<br />

umfänglichen Wiederherstellungsleistungen eine<br />

größere Zeitspanne erfordern. Aus der VOB/A § 10<br />

a (2) Nr. 4b ergeben sich die Mindestzeiten für die<br />

Abgabe der Angebote be<strong>im</strong> nicht offenen Verfahren.<br />

Es folgen Verhandlungen mit den Bietern <strong>und</strong> die<br />

Auswahl des künftigen Baupartners. Anschließend<br />

ist der Auftrag zu formulieren, die nicht gewählten<br />

Bieter erhalten eine Benachrichtigung, an die sich<br />

eine 14-tägige Einspruchsfrist anschließt. Dann ist<br />

der obsiegende Bieter nach max<strong>im</strong>al 3 Monaten<br />

beauftragt.<br />

Bei privaten Betreibern werden die Sanierungsarbeiten<br />

analog den Planungsarbeiten in der Regel<br />

ebenfalls <strong>im</strong> Rahmen einer beschränkten Ausschreibung<br />

oder einer freien Vergabe an die dem<br />

Betreiber zugehörigen Bauunternehmen übertragen.<br />

� Baudurchführung<br />

Sofort nach der Vergabe muss mit der Baudurchführung,<br />

der Wiederherstellung oder dem Neubau,<br />

begonnen werden. Wie bei den vorhergehenden<br />

Ablaufschritten ist auch be<strong>im</strong> Bau die Zeit <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf die Wiederverfügbarkeit der entscheidende<br />

Faktor. Aus diesem Gr<strong>und</strong> sind Mehrschichtbetrieb<br />

sowie Arbeiten am Wochenende trotz erhöhter<br />

Kosten notwendige Maßnahmen. Die Mehrkosten<br />

relativieren sich sehr schnell über die volkswirtschaftlichen<br />

oder privatwirtschaftlichen Verluste,<br />

die ein Vielfaches der Mehraufwendungen darstellen.<br />

Bei der Baudurchführung muss ein bis auf die letzte<br />

Aktivität opt<strong>im</strong>ierter Bauablauf umgesetzt werden.<br />

Die erforderliche Logistikleistung muss von<br />

den Baufirmen abgefordert <strong>und</strong> gesondert vergütet<br />

werden. Hierdurch werden aber die Abläufe so gestrafft,<br />

dass Bauzeit gespart <strong>und</strong> damit die Gesamtkosten<br />

min<strong>im</strong>iert werden.<br />

� Angemessene Lösungen<br />

Die angemessene Lösung für die Instandsetzung<br />

einer Brücke nach einer Beschädigung hat sich <strong>im</strong><br />

Wesentlichen nach der Art <strong>und</strong> dem Ausmaß des<br />

Schadens, der Bauart <strong>und</strong> dem Alter der Brücke<br />

sowie den relevanten Standortfaktoren (z. B. regionale<br />

Lage, verkehrliche Anforderungen, zukünftige<br />

Entwicklungen, etc.) zu richten.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der vielfältigen Ausprägungsmöglichkeiten<br />

von Schäden, Bauwerkseigenschaften <strong>und</strong><br />

Standortfaktoren kann es keinen allgemein gültigen<br />

Lösungsansatz für eine angemessene Bauwerksinstandsetzung<br />

geben. Vielmehr muss für jeden<br />

Fall eine individuelle Lösung unter Berücksichtigung<br />

einer möglichst schnellen Realisierung der<br />

Sanierung sowie der Angemessenheit der resultierenden<br />

Kosten erarbeitet werden. Hierzu ist eine


31 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

vertrauensvolle sowie zeit- <strong>und</strong> kostenorientierte<br />

Zusammenarbeit zwischen Bauwerkseigentümer<br />

<strong>und</strong> einem kompetenten <strong>Brücken</strong>planer unabdingbar.<br />

Zusätzlich zur Wiederherstellung ihrer verkehrlichen<br />

Funktion sollte die Brücke <strong>im</strong> Zuge ihrer Instandsetzung<br />

natürlich mit entsprechenden<br />

<strong>Schutz</strong>maßnahmen ausgerüstet werden, die den<br />

durch das gegebene Ereignis eingetretenen Schaden<br />

oder weitere, aufgr<strong>und</strong> des Schadenseintritts<br />

neu bewertete Schadensrisiken in Zukunft verhindern<br />

oder zumindest auf ein akzeptables Maß mit<br />

ausreichender Sicherheit reduzieren. Prinzipiell<br />

gelten hierfür alle für den Fall der Nachrüstung /<br />

Verstärkung beschriebenen Lösungen sinngemäß.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich hat die Erfahrung mit der Instandsetzung<br />

von lokal geschädigten <strong>Brücken</strong> gezeigt,<br />

dass die Best<strong>im</strong>mung, welche Bauwerksteile noch<br />

ausreichend funktionstüchtig sind <strong>und</strong> welche Bereiche<br />

saniert werden müssen, in der Regel sehr<br />

komplex ist. Zudem sind die Detailplanung <strong>und</strong><br />

Ausführung des Anschlusses der wiederherzustellenden<br />

Bauteile an den unbeschädigten Bauwerksbestand<br />

schwierig <strong>und</strong> aufwändig. Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> ist unter Berücksichtigung des<br />

Schadensausmaßes, des Bauwerksalters <strong>und</strong> der<br />

zukünftigen Beanspruchung für jeden Einzelfall<br />

genau abzuwägen, ob eine Instandsetzung mittels<br />

Reparatur oder ein kompletter Neubau der Brücke<br />

die zeitlich <strong>und</strong> wirtschaftlich bessere Lösung darstellt.<br />

4.2.3 Empfehlungen zur schnellen<br />

Wiederinbetriebnahme<br />

Die Abläufe von den ersten Rettungs- <strong>und</strong> Sicherungsmaßnahmen<br />

nach dem Eintritt eines Ereignisses<br />

bis zur Wiederinbetriebnahme nach erfolgter<br />

Bauwerkssanierung sind, wie die Instandsetzungslösungen<br />

selbst, je nach Schadensausmaß,<br />

Bauwerksart <strong>und</strong> –alter sowie lokalen Standortfaktoren<br />

völlig unterschiedlich. Die Erarbeitung eines<br />

allgemein gültigen Leitfadens für die Wiederinbetriebnahme<br />

einer Brücke ist daher praktisch unmöglich.<br />

Lediglich das Ziel, jede Wiederinbetriebnahme<br />

so schnell wie möglich unter Einhaltung eines<br />

angemessenen Kostenrahmens zu realisieren,<br />

ist für jedes individuell zu erarbeitende Konzept als<br />

übergeordnet <strong>und</strong> allgemein gültig zu betrachten.<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, ist es sinnvoll, <strong>im</strong><br />

Rahmen der Sicherheitsdokumentation für jedes<br />

<strong>Brücken</strong>bauwerk bereits <strong>im</strong> Vorfeld der Eröffnung<br />

gr<strong>und</strong>sätzliche Konzeptstrategien zu entwickeln,<br />

die alle für die Brücke relevanten, vom Schadensereignis<br />

<strong>und</strong> Schadensausmaß unabhängigen Einflussgrößen<br />

(z. B. lokale Standortfaktoren, betreiberspezifische<br />

Rahmenbedingungen) bereits berücksichtigen.<br />

Auf Basis dieser allgemeinen Strategien<br />

müssen dann <strong>im</strong> Schadensfall detaillierte<br />

Ablaufkonzepte unter Berücksichtigung aller ereignis-<br />

<strong>und</strong> schadensrelevanten Parameter erarbeitet<br />

<strong>und</strong> umgesetzt werden.<br />

Eine Lösungsmöglichkeit für diesen Ansatz ist es,<br />

die Betriebs- <strong>und</strong> Sicherheitsdokumentation, in der<br />

Vorgehensweisen für vorhersehbare Schadensszenarien<br />

(z. B. Betriebsstörungen durch Unfall,<br />

oder begrenzter Brand) definiert werden, um Vorgaben<br />

für das Management einer Krise zu erweitern.<br />

Als Krise können hierbei z. B. alle Vorgänge<br />

definiert werden, die die Sicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

von Bauwerksnutzer <strong>und</strong> Betriebspersonal,<br />

des Bauwerks <strong>und</strong> / oder der Umwelt auf unvorhergesehene<br />

Weise <strong>und</strong> in hohem Maße gefährden.<br />

Die Reaktion auf solche Vorgänge liegt jenseits<br />

der unmittelbaren Kontrolle des Betreibers.<br />

Die Definition folgender gr<strong>und</strong>sätzlicher Konzepte<br />

<strong>im</strong> Vorfeld des ereignisbezogenen Krisenmanagements<br />

kann die Vorgänge <strong>und</strong> Lösungen zur Instandsetzung<br />

<strong>und</strong> Wiederinbetriebnahme eines<br />

beschädigten Bauwerks deutlich beschleunigen:<br />

� Definition der Zusammensetzung eines interdisziplinären<br />

Krisenmanagement-Teams aus<br />

betreiberinternen <strong>und</strong> externen Spezialisten<br />

sowie eines entsprechenden Koordinators <strong>und</strong><br />

Ablage der entsprechenden Kontaktdaten aller<br />

Teammitglieder in einer zentralen <strong>und</strong> für alle<br />

Mitarbeiter zugänglichen Datenbank<br />

� Vorbereitung eines Einsatzzentrums für das<br />

Krisenmanagement-Team<br />

� Definition von 24 Std./Tag Bereitschafts-, Entscheidungs-,<br />

Planungs- <strong>und</strong> Handlungsverantwortlichkeiten.<br />

Die Erfahrung aus konkreten<br />

Einzelfällen zeigt, dass es sinnvoll sein kann,<br />

erfahrenen Vor-Ort-Mitarbeitern für den Zeitraum<br />

der Krisenbewältigung weit reichende<br />

Möglichkeiten zur Eigeninitiative mit entsprechenden,<br />

auch finanziellen Handlungsermächtigungen<br />

zu übertragen.<br />

� Einrichtung von krisensicheren, red<strong>und</strong>anten<br />

Kommunikationsnetzen, die auch in Worst-<br />

Case-Szenarien (z. B. kompletter Stromausfall<br />

<strong>und</strong> kein Handy-Betrieb möglich) funktionieren<br />

� Festlegung kontinuierlicher Informationsweitergabe<br />

innerhalb des Krisenmanagement-Teams<br />

<strong>und</strong> aller Beteiligten (z. B. <strong>im</strong> Rahmen von regelmäßigen<br />

Koordinationstreffen oder durch regelmäßige<br />

Übermittlung eines Fortschrittberichts<br />

der verschiedenen Einsatzgruppen an alle<br />

Mitarbeiter)<br />

� Festlegung schneller Kooperationswege zwischen<br />

allen notwendigen Beteiligten (z. B. Betreiber,<br />

Versicherungsvertreter, Genehmigungsbehörden,<br />

Planer, Bau- <strong>und</strong> Betriebsdienstleister)


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 32<br />

� Klare <strong>und</strong> entsprechend verbreitete Dokumentation<br />

des Versicherungsschutzes für alle denkbaren<br />

Schadensszenarien (Versicherungsbedingungen,<br />

entsprechende Deckungssummen,<br />

welche Einbehalte)<br />

� Erstellung von Finanzierungsplänen für die<br />

schnelle Instandsetzung großer Schäden <strong>und</strong><br />

den ggfls. notwendigen kompletten Abriss <strong>und</strong><br />

Neuaufbau.<br />

Zudem sollten ebenfalls frühzeitig folgende gr<strong>und</strong>legende<br />

Konzepte zur Min<strong>im</strong>ierung der Verkehrsbeeinträchtigung<br />

<strong>im</strong> Krisenfall erarbeitet werden:<br />

� Einrichtung von krisensicheren, red<strong>und</strong>anten<br />

Verkehrskontrollsystemen<br />

� Verkehrsführungskonzepte für den Fall einer<br />

Teilsperrung der Brücke<br />

� Umleitungskonzept zur Aufrechterhaltung der<br />

regionalen Verkehrsverbindungen für den Fall<br />

einer notwendigen Vollsperrung der Brücke<br />

� Bauwerksnahe Bevorratung von Absperr- <strong>und</strong><br />

Umleitungsmaterial <strong>und</strong> entsprechender Verkehrszeichen<br />

� Konzept für die schnelle Errichtung einer Behelfsbrücke,<br />

sofern die regionalen Bedingungen<br />

eine solche Konstruktion zulassen<br />

Die Praxiserfahrung zeigt, dass die Ausgabe klarer<br />

<strong>und</strong> zielgerichteter Rahmenvorgaben zur Bewältigung<br />

derartiger Krisen durch die verantwortliche<br />

Leitung des Betreibers eminent wichtig ist. Hierbei<br />

sind neben den Entscheidungs- <strong>und</strong> Handlungsverantwortlichkeiten<br />

auch die Priorisierung bzgl.<br />

Min<strong>im</strong>ierung der Verkehrsbeeinträchtigung gegenüber<br />

einer möglichst schnellen Bauwerksinstandsetzung<br />

festzulegen. Z. B. kann die Aufrechterhaltung<br />

einer Teilpassierbarkeit der Brücke priorisiert<br />

werden, auch wenn daraus eine deutlich längere<br />

Instandsetzungszeit resultiert.<br />

Alle <strong>im</strong> Rahmen einer Instandsetzung <strong>und</strong> Wiederinbetriebnahme<br />

gemachten Erfahrungen sind zur<br />

besseren Bewältigung künftiger Krisen <strong>und</strong> Beschleunigung<br />

der Wiederinbetriebnahme zu analysieren<br />

<strong>und</strong> zu dokumentieren, die Sicherheitsdokumentation<br />

für den Krisenfall ist entsprechend<br />

fortzuschreiben.<br />

4.3 Empfehlungen zur Maßnahmenanwendung<br />

für Betreiber <strong>und</strong> Einsatzdienste<br />

Im folgenden Kapitel werden drei betriebliche, eine<br />

bautechnische <strong>und</strong> eine organisatorische Maßnahme<br />

für <strong>Brücken</strong> erläutert, die dem Nutzerschutz<br />

dienen. Da für ihre Umsetzung nicht die Nutzer<br />

selbst, sondern entweder der Eigentümer / Betreiber<br />

der Brücke oder die Einsatzdienste verantwortlich<br />

sind, werden die Empfehlungen für die einzel-<br />

nen Maßnahmen an diese Zielgruppen gerichtet<br />

formuliert.<br />

Eine Unterscheidung zwischen Neubau, Nachrüstung<br />

<strong>und</strong> Instandsetzung wie bei den Maßnahmen<br />

zum Bauwerksschutz erfolgt hier nicht, da Unterschiede,<br />

wenn überhaupt, nur bei den Investitionskosten<br />

bestehen. Eine detaillierte Beschreibung<br />

der Maßnahmen ist den angehängten Maßnahmenblättern<br />

zu entnehmen.<br />

4.3.1 Empfehlungen für Betreiber<br />

4.3.1.1 B 14 – Windgeschwindigkeitswarnanlage<br />

Hohe Windgeschwindigkeiten können die Verkehrslage<br />

gefährden <strong>und</strong> damit direkt Unfälle verursachen,<br />

die in schweren Fällen auch das Bauwerk<br />

schädigen können. Bislang werden in erster<br />

Linie Windsäcke verwendet, um Fahrzeuglenker<br />

visuell auf die Windstärke <strong>und</strong> -richtung hinzuweisen.<br />

Windgeschwindigkeitswarnanlagen messen<br />

hingegen die herrschenden Windgeschwindigkeiten<br />

<strong>und</strong> die Richtung sehr genau <strong>und</strong> können die<br />

Nutzer zeitnah warnen <strong>und</strong> auf besonders vorsichtige<br />

Fahrweise hinweisen. Mittels einer nachgeschalteten<br />

Verkehrsbeeinflussungsanlage (VBA)<br />

kann eine Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit<br />

ausgelöst werden, um so Unfällen<br />

vorzubeugen. Im Extremfall ist mittels solcher Anlagen<br />

eine automatische Sperrung des Bauwerks<br />

für den Verkehr möglich.<br />

Eine Windgeschwindigkeitswarnanlage besteht<br />

aus einem Anemometer (welches auch die Windrichtung<br />

ermittelt), einer zentralen Steuer- <strong>und</strong><br />

Auswerteinheit sowie einem oder mehreren Wechselverkehrszeichen,<br />

gegebenenfalls mit der Möglichkeit,<br />

auch kurze Texte zur Information der Benutzer<br />

auszugeben.<br />

Die Kosten für die oben beschriebene Anlage sind<br />

sehr moderat. Abhängig von der verwendeten<br />

Sensorik (Windrad oder Ultraschallmessanlage)<br />

fallen geringe oder sehr geringe Unterhalts- <strong>und</strong><br />

Wartungskosten an. Wenn eine solche Anlage als<br />

Zusatz zu einer eventuell auszuführenden oder<br />

bestehenden Glatteiswarnanlage installiert wird,<br />

verringern sich die Investitionskosten weiter.<br />

Es wird empfohlen, besonders exponierte Bauwerke<br />

(sehr lange bzw. hohe <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Brücken</strong>,<br />

die in sturmgefährdeten Gebieten liegen) mit<br />

Windgeschwindigkeitswarnanlagen auszurüsten,<br />

um Unfällen vorzubeugen. Dies gilt besonders, da<br />

Extremwetterlagen in den letzen Jahren <strong>im</strong>mer<br />

häufiger geworden sind <strong>und</strong> Kl<strong>im</strong>aforscher eine<br />

weitere Zunahme <strong>im</strong> Zuge der fortschreitenden<br />

globalen Kl<strong>im</strong>aerwärmung voraussagen [2].<br />

4.3.1.2 B 15 – Pegelmessungen<br />

Pegelmessungen wirken ausmaßmindernd bei


33 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

Überflutungsszenarien. Sie ermöglichen ein frühzeitiges<br />

Erkennen von bedrohlich hohen Wasserständen<br />

<strong>im</strong> <strong>Brücken</strong>bereich. Dadurch können<br />

Maßnahmen wie z. B. eine Alarmierung oder die<br />

Sperrung des Bauwerks früher eingeleitet werden.<br />

Die gängigsten Verfahren zur Pegelmessung sind<br />

Pegellatte, Pegeluhr <strong>und</strong> die registrierende Messung.<br />

Heutzutage findet hauptsächlich die registrierende<br />

Messung Verwendung. Hierbei wird der<br />

Pegel mit Schw<strong>im</strong>mern, Drucksonden, Druckluftwaagen,<br />

Radar- <strong>und</strong> Ultraschallgeräten gemessen.<br />

Die ermittelten Werte können digital ausgewertet<br />

<strong>und</strong> weiterverarbeitet werden.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Verbesserung der Nutzer- <strong>und</strong> der<br />

Bauwerkssicherheit bei Hochwasser wird die<br />

Durchführung von Pegelmessungen für hochwassergefährdete<br />

<strong>Brücken</strong>bauwerke empfohlen.<br />

4.3.1.3 B 16 – Sperreinrichtungen<br />

Die Maßnahme ist für alle Bedrohungsszenarien<br />

geeignet. Sie ermöglicht die Sperrung des Bauwerks<br />

<strong>im</strong> Ereignisfall. Je nach Zeitpunkt der Detektion<br />

eines Bedrohungsereignisses kann dadurch<br />

die Anzahl gefährdeter Nutzer signifikant reduziert<br />

werden.<br />

Die Sperreinrichtung besteht aus elektrisch angetriebenen<br />

Schranken, die ferngesteuert geschlossen<br />

werden, <strong>und</strong> Lichtsignalanlagen sowie Wechselverkehrszeichen,<br />

die <strong>im</strong> Sperrfall die zulässige<br />

Höchstgeschwindigkeit schrittweise verringern. Die<br />

Auswahl der einzelnen Elemente der Sperreinrichtung<br />

für <strong>Brücken</strong> ist in Anlehnung an die Gr<strong>und</strong>ausstattung<br />

für Sperreinrichtungen für <strong>Tunnel</strong> nach<br />

RABT 2006 vorzunehmen.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Verbesserung der Nutzersicherheit<br />

<strong>im</strong> Ereignisfall können Sperreinrichtungen für <strong>Brücken</strong>bauwerke<br />

in Analogie zu <strong>Tunnel</strong>bauwerken ab<br />

einer Länge von 400 m <strong>und</strong> einer Verkehrsstärke ≥<br />

15.000 Kfz/d/Fahrstreifen empfohlen werden.<br />

4.3.2 Empfehlungen für Einsatzdienste<br />

4.3.2.1 Allgemeines<br />

Eine Brücke wird von Nutzern <strong>und</strong> Einsatzdiensten<br />

nicht <strong>im</strong>mer direkt als solche wahrgenommen. Entsprechend<br />

ist die Angst der Nutzer, es könnte ihnen<br />

auf einer Brücke etwas passieren, wenig ausgeprägt.<br />

Auch bei den Einsatzdiensten gibt es keine<br />

besondere Vorbereitung auf Ereignisse, die<br />

sich auf <strong>Brücken</strong> ereignen können. Bei Schadensereignissen<br />

auf <strong>Brücken</strong> entspricht der Einsatzablauf<br />

dem auf freier Strecke. Auch für größere <strong>Brücken</strong>bauwerke<br />

gibt es keine Alarmpläne oder spezielle<br />

Notfallkonzepte.<br />

Allerdings weisen Einsätze auf <strong>Brücken</strong> einige Besonderheiten<br />

auf, die einsatztaktisch zu berücksichtigen<br />

sind.<br />

Bei Explosionen können beispielsweise die Angriffswege<br />

durch einen Zusammenbruch von <strong>Brücken</strong>teilen<br />

erschwert oder unterbrochen werden.<br />

Die Rettung / Bergung von Personen, die sich<br />

dann auf einem verbleibenden Teil der Brücke befinden,<br />

kann dadurch den Einsatz der Höhenrettung<br />

erforderlich machen.<br />

Be<strong>im</strong> Umgang mit Kontaminations-Ereignissen<br />

bzw. CBRN-Unfällen ist für die Feuerwehren zum<br />

Eigenschutz die Feuerwehrdienstvorschrift 500<br />

(FwDV 500) [19] einzuhalten. Hiernach muss bei<br />

einem Kontaminationsereignis „zur Menschenrettung<br />

[…] unter Umständen eine erhöhte Eigengefährdung<br />

der Einsatzkräfte in Kauf genommen<br />

werden. Nach Entscheidung des Einsatzleiters<br />

können Einsatzkräfte zunächst ohne vollständige<br />

Sonderausrüstung vorgehen. Sie sind jedoch mindestens<br />

mit Isoliergeräten als Atemschutz auszurüsten.“<br />

Darüber hinaus muss „ein wesentliches<br />

Ziel der Einsatzmaßnahmen nach der Menschenrettung<br />

[…] sein, Freisetzung <strong>und</strong> Ausbreitung mit<br />

geeigneten Mitteln zu verhindern.“<br />

Bei allen Ereignissen gilt, dass es seitlich keine<br />

Bereiche gibt, in denen sich die Einsatzkräfte entfalten<br />

können, es besteht zudem Absturzgefahr,<br />

was zusätzliche Sicherungsmaßnahmen erfordert.<br />

Um den Ablauf in der Rettungskette auf <strong>Brücken</strong>bauwerken<br />

zu opt<strong>im</strong>ieren, werden die <strong>im</strong> Folgenden<br />

beschriebenen Maßnahmen vorgeschlagen.<br />

4.3.2.2 B 17 - Notruf auf <strong>Brücken</strong><br />

Viele Notrufe erfolgen heute über das Mobiltelefon.<br />

Ein Problem hierbei ist, dass die Verkehrsteilnehmer<br />

aufgr<strong>und</strong> fehlender Ortskenntnis häufig nicht<br />

in der Lage sind, den Leitstellen der Polizei oder<br />

der Feuerwehr den Unfallort präzise anzugeben.<br />

Dies führt dazu, dass die Einsatzkräfte den Unfallort<br />

erst suchen müssen, wodurch wertvolle Zeit für<br />

Rettungsmaßnahmen verloren geht.<br />

Um <strong>im</strong> Ereignisfall eine schnellere Alarmierung der<br />

Rettungskräfte durchführen zu können <strong>und</strong> eine<br />

bessere Verortung des Ereignisorts zu ermöglichen,<br />

sind auf längeren <strong>Brücken</strong>bauwerken Notrufsäulen<br />

oder Schildertafeln mit Standortangaben<br />

vorzusehen.<br />

Notrufsäulen werden auf <strong>Brücken</strong> derzeit in Abständen<br />

wie auf freier Strecke (Abstand 2 km) angeordnet.<br />

Dies kann <strong>im</strong> Ereignisfall unter Umständen<br />

zu sehr langen Alarmierungszeiten durch den<br />

Verkehrsteilnehmer führen.<br />

Das Aufstellen von Notrufsäulen <strong>im</strong> dichteren Abstand<br />

trägt dazu bei, dass <strong>im</strong> Ereignisfall eine<br />

schnellere Alarmierung der Rettungskräfte durch<br />

den Verkehrsteilnehmer erfolgen kann. Be<strong>im</strong> Melden<br />

des Ereignisses über die Notrufsäule ist vor allem<br />

eine genaue Lokalisierung des Ereignisorts


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 34<br />

gegeben. Daher sind insbesondere auf langen<br />

<strong>Brücken</strong>bauwerken Notrufsäulen <strong>im</strong> Abstand von<br />

300 m bis 500 m vorzusehen.<br />

Um die Best<strong>im</strong>mung der genauen Position des Ereignisorts<br />

be<strong>im</strong> Absetzen eines Notrufs per Mobiltelefon<br />

zu erleichtern, sollten Schildertafeln aufgestellt<br />

werden, die folgende Standortangaben enthalten:<br />

„Ihr Standort: A1 Richtung Bremen, Name der Brücke,<br />

16,5 km“.<br />

Solche Schildertafeln mit Angabe der Fahrtrichtung<br />

<strong>und</strong> der Kilometrierung finden sich bereits <strong>im</strong> Zuge<br />

von Baustellenstreckenabschnitten. Die Kennzeichnung<br />

der Standorte mit Schildertafeln, die in<br />

einem Abstand von max. 100 m aufgestellt sein<br />

sollten, würde bei telefonischer Meldung ganz wesentlich<br />

zur Verkürzung der Alarmierungszeiten<br />

beitragen.<br />

Die Aufstellung von Tafeln mit Standortangaben<br />

stellt eine einfache <strong>und</strong> kostengünstige Maßnahme<br />

dar, die bei längeren <strong>Brücken</strong>bauwerken zum Tragen<br />

kommen sollte. Gr<strong>und</strong>sätzlich ist zu empfehlen,<br />

am <strong>Brücken</strong>beginn (z. B. unterhalb der Tafel<br />

mit dem <strong>Brücken</strong>namen) <strong>und</strong> am <strong>Brücken</strong>ende die<br />

Standortangaben anzubringen.<br />

4.3.2.3 B 18 - Notfallübungen auf <strong>Brücken</strong><br />

Bisher werden Notfallübungen der Einsatzkräfte an<br />

Verkehrsbauwerken nur in <strong>Tunnel</strong>n durchgeführt.<br />

<strong>Brücken</strong> stellen für die Einsatzkräfte kein besonderes<br />

Objekt dar, die Einsatzleiter vor Ort haben ein<br />

unmittelbares Lagebild <strong>und</strong> können die notwendigen<br />

Rettungsmaßnahmen einleiten. Spezielle<br />

Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrpläne nur für <strong>Brücken</strong>bauwerke<br />

– wie z. B. für <strong>Tunnel</strong> – gibt es<br />

nicht.<br />

Im Ereignisfall sind aber sowohl die Selbstrettung<br />

als auch die Fremdrettung auf <strong>Brücken</strong> erschwert,<br />

da diese u.a. keine Ausweichmöglichkeiten zu den<br />

Seiten bieten. Es besteht zudem Absturzgefahr,<br />

was zusätzliche Sicherungsmaßnahmen erfordert.<br />

Je nach Lage des Bauwerks (Tal-, Fluss-, Straßenbrücke)<br />

muss es daher unterschiedliche Einsatzoptionen<br />

<strong>und</strong> Rettungsmittel (Luftrettung, Rettung<br />

von Booten aus etc.) geben, die praxisnah<br />

geprobt werden sollten.<br />

Eine Notfallübung auf großen <strong>Brücken</strong> bietet den<br />

Einsatzkräften die Möglichkeit, das Bauwerk, seine<br />

Schwachstellen aus der Sicht der Einsatzkräfte,<br />

sowie mögliche Angriffswege kennen zu lernen<br />

<strong>und</strong> damit den Einsatz <strong>im</strong> Ereignisfall zu erleichtern.<br />

Mit Blick auf die <strong>im</strong> Projekt <strong>SKRIBT</strong> betrachteten<br />

Schadensszenarien, wie z. B. Großbrand, Explosion<br />

oder Kontamination, deren unmittelbaren Folgen<br />

für die Nutzer <strong>und</strong> das Bauwerk gravierend<br />

sein können, sollten zumindest für exponierte <strong>Brücken</strong>bauwerke<br />

Übungskonzepte erstellt <strong>und</strong> die<br />

Bauwerke in regelmäßige Übungen einbezogen<br />

werden.<br />

4.3.3 Empfehlungen für Nutzer<br />

Ein Ereignis auf eine Brücke erfordert kaum andere<br />

Reaktionen der Nutzer als ein Ereignis auf offener<br />

Straße. Beispielsweise ist die Gefahr, die von<br />

einem Brand auf einer Brücke für die Nutzer ausgeht,<br />

deutlich geringer als bei einem <strong>Tunnel</strong>brand.<br />

Die Faktoren Dunkelheit, Enge <strong>und</strong> Monotonie,<br />

welche ein Risiko für <strong>Tunnel</strong>nutzer darstellen,<br />

kommen außerdem auf <strong>Brücken</strong> nicht zum Tragen.<br />

Dagegen müssen brückenspezifische Risikofaktoren,<br />

wie etwa Seitenwind <strong>und</strong> das Fehlen von<br />

Ausweichmöglichkeiten, besonders beachtet werden.<br />

Im Rahmen von <strong>SKRIBT</strong> wurden allerdings<br />

bisher keine Maßnahmen entwickelt, die speziell<br />

das Nutzverhalten auf <strong>Brücken</strong> opt<strong>im</strong>ieren. Dennoch<br />

sollten in weiteren Untersuchungen speziell<br />

nutzerbezogene Aspekte berücksichtigt werden.


35 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

5 <strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Tunnel</strong><br />

<strong>und</strong> ihre Nutzer<br />

5.1 Allgemeines<br />

Im Folgenden werden Empfehlungen für 27 nach<br />

derzeitigem Erkenntnisstand realisierungsfähige<br />

<strong>und</strong> realisierungswürdige Maßnahmen zum <strong>Schutz</strong><br />

von <strong>Tunnel</strong>n <strong>und</strong> ihren Nutzern ausgesprochen.<br />

Sie sind Ergebnis der „Wirksamkeitsanalyse von<br />

Maßnahmen“ [8][9][10], in der sie auf ihre Wirkung<br />

bei den in der „Bedrohungsanalyse“ [11] erarbeiteten<br />

Initialereignissen Brand, Explosion, Kontamination,<br />

Überflutung <strong>und</strong> Anprall, untersucht wurden.<br />

Hierbei sind einige Maßnahmen auf eine best<strong>im</strong>mte<br />

Ereigniskategorie zugeschnitten, andere decken<br />

verschiedene ab. Berücksichtigt wurden zudem die<br />

gesellschaftlichen Akzeptanz sowie betriebs- <strong>und</strong><br />

volkswirtschaftliche Aspekte.<br />

Es handelt sich um bautechnische, betriebliche<br />

<strong>und</strong> organisatorische Maßnahmen, für deren Umsetzung<br />

Bauwerkseigentümer, Bauwerksbetreiber<br />

Einsatzdienste <strong>und</strong> Bauwerksnutzer verantwortlich<br />

sind.<br />

Die Maßnahmen wirken zum überwiegenden Teil<br />

ausmaßmindernd <strong>im</strong> Ereignisfall, einige verhindern<br />

den Eintritt eines Ereignisses oder min<strong>im</strong>ieren seine<br />

Wahrscheinlichkeit. Letztere werden <strong>im</strong> Folgenden<br />

kurz als „präventiv“ bezeichnet. Diese Maßnahmen<br />

dienen gleichermaßen dem Bauwerks-<br />

wie dem Nutzerschutz.<br />

Die ausmaßmindernden Maßnahmen werden unterteilt<br />

in Maßnahmen zum Bauwerksschutz <strong>und</strong><br />

Maßnahmen zum Nutzerschutz. Hierbei zielen<br />

bautechnische Maßnahmen in der Regel pr<strong>im</strong>är<br />

auf den Bauwerksschutz ab, dienen aber durch eine<br />

erhöhte Robustheit des Bauwerks oft auch dem<br />

Nutzerschutz. Betriebliche <strong>und</strong> organisatorische<br />

Maßnahmen hingegen dienen hauptsächlich der<br />

Verbesserung des Nutzerschutzes <strong>und</strong> nur nachgeordnet<br />

dem Bauwerksschutz, indem sie beispielsweise<br />

Löscharbeiten begünstigen <strong>und</strong> daher<br />

eine geringere Schädigung des Bauwerks bewirken.<br />

Eine Übersicht über alle untersuchten <strong>Schutz</strong>maßnahmen<br />

<strong>und</strong> ihre initialereignisbezogene Wirkung<br />

bietet Tabelle 5. Präventive Maßnahmen sind violett,<br />

Maßnahmen zum Bauwerksschutz rot <strong>und</strong><br />

Maßnahmen zum Nutzerschutz blau dargestellt.<br />

Ein (X) bedeutet hier, dass die Maßnahme die<br />

Nutzer nicht vor dem Ereignis selbst schützt, aber<br />

die Rettung überlebender Personen nach dem Ereignis<br />

begünstigt.<br />

Maßnahmen, die sich auch für eine Nachrüstung<br />

eignen, sind grau hinterlegt. Zudem sei an dieser<br />

Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass bei Detonationen<br />

vorausgesetzt wird, dass es sich um<br />

bewusst herbeigeführte Ereignisse mit kr<strong>im</strong>inellem/terroristischem<br />

Hintergr<strong>und</strong> handelt, s. Kap.<br />

3.2.2.<br />

Zur einfachen <strong>und</strong> übersichtlichen Handhabung<br />

wurde für jede Maßnahme ein Maßnahmenblatt<br />

erstellt, in dem die Untersuchungsergebnisse in<br />

einheitlicher Struktur zusammengefasst sind. Diese<br />

Maßnahmenblätter sind dem vorliegenden Bericht<br />

als Anhang beigefügt. Die ausführlichen<br />

Untersuchungsergebnisse sind den Berichten zur<br />

„Wirksamkeitsanalyse von Maßnahmen“ [8][9][10]<br />

zu entnehmen.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 36<br />

Eigentümer<br />

Betreiber<br />

B & E<br />

Nutzer<br />

Nr. Maßnahme<br />

Tabelle 5: <strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Tunnel</strong><br />

TB 01 - Kontinuierlicher Lachenbrand<br />

T 01 Hochleistungsbeton als Konstruktionsbeton 1<br />

T 02<br />

Vorsatzschale aus mikrobewehrtem<br />

Hochleistungsbeton<br />

T 03 Brandschutzbeton X X X X<br />

T 04 Brandschutzbekleidungen X X X X<br />

TB 02 - Spontaner Lachenbrand<br />

TB 03 - Freistrahlbrand<br />

TE 01 - BLEVE<br />

TE 02 - Detonation LKW-Ladung<br />

TE 03 - Detonation PKW-Ladung<br />

X X X X X X 1<br />

T 05 D<strong>im</strong>ensionierung für Explosionslasten X X<br />

T 06 Dämpferbeton X X X<br />

T 07<br />

Designvorgabe <strong>Tunnel</strong>brand: Verlängerte<br />

Vollbrandphase<br />

X X X X<br />

T 08 Zweischalige Bauweise X X X X X X<br />

T 09 Globale Red<strong>und</strong>anz X X X X X X X X X X<br />

T 10 Verkürzte Notausgangsabstände X X X X (X) (X) (X) X X X<br />

T 11 Detektion überhitzter Fahrzeuge X X X X<br />

T 12 Gefahrgutbeschränkung / -kategorisierung X X X X X X<br />

T 13 Gefahrguterkennung Video X X X X X X<br />

T 14 Gefahrguterkennung RFID X X X X X X<br />

T 15 ITCC Integration X X X X (X) (X) (X) X X X<br />

T 16 Gasdetektion X X<br />

T 17 Schnellere Ereignisdetektion X X X X X X X<br />

T 18 Dynamische Fluchtwegkennzeichnung 2 2 2 2 2 2<br />

T 19 Rauchabsaugung X X X X X X<br />

T 20 Softstop Barriere X X X X (X) (X) (X) X X X<br />

T 21 <strong>Tunnel</strong>kommunikation X X X X (X) (X) (X) X X X<br />

T 22 Automatische Brandbekämpfungsanlage X X<br />

T 23 TLZ-Operatoren Training X X X X (X) (X) (X) X X X<br />

T 24 Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrpläne X X X X (X) (X) (X) X X X<br />

T 25 Übungen der Betriebs- <strong>und</strong> Einsatzdienste X X X X (X) (X) (X) X X X<br />

T 26 Vorinformation <strong>Tunnel</strong>nutzer X X X X (X) (X) (X) X X X<br />

T 27 Situationstraining <strong>Tunnel</strong>nutzer X X X X (X) (X) (X) X X X<br />

TE 04 - Detonation Koffer-Ladung<br />

TK 01 - Kontinuierliche Kontamination<br />

TK 02 - Spontane Kontamination<br />

TN 01 - Überflutung<br />

TM 01 - LKW-Anprall


37 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

5.2 Empfehlungen für Bauwerkseigentümer<br />

5.2.1 Empfehlungen zur<br />

Maßnahmenanwendung<br />

5.2.1.1 Allgemeines<br />

Nachfolgend werden Empfehlungen für neun bautechnische<br />

Maßnahmen zum Bauwerksschutz <strong>und</strong><br />

ein Maßnahme zum Nutzerschutz ausgesprochen,<br />

die be<strong>im</strong> Entwurf, bei der Bemessung <strong>und</strong>/oder bei<br />

der Konstruktion von <strong>Tunnel</strong>n umgesetzt werden<br />

können.<br />

Bei einem <strong>Tunnel</strong>neubau lassen sich <strong>Schutz</strong>maßnahmen<br />

bereits be<strong>im</strong> Entwurf umsetzen <strong>und</strong> das<br />

Tragwerk robuster gestalten.<br />

Aus dem Entwurf folgt unter Ansatz best<strong>im</strong>mter<br />

festgelegter Einwirkungen die entsprechende Bemessung.<br />

Aus der Bemessung erfolgen wiederum<br />

die benötigten Abmessungen, um die auftretenden<br />

Einwirkungen aufnehmen zu können. Es ergibt<br />

sich also die Möglichkeit, für eintretende Bedrohungsszenarien<br />

zu bemessen. Dies bedeutet <strong>im</strong><br />

Allgemeinen, dass das Bauwerk auf erhöhte Lasten<br />

bzw. erhöhte innere Kräfte aufgr<strong>und</strong> von möglichen<br />

Umlagerungen bemessen wird, was üblicherweise<br />

zu größeren Abmessungen, robusteren<br />

Materialien bzw. größeren Bewehrungsmengen<br />

führt.<br />

Zur Konstruktion zählen Maßnahmen, die ergänzend<br />

zu Entwurf <strong>und</strong> Bemessung die Robustheit<br />

eines Bauwerks erhöhen oder die Schädigung reduzieren.<br />

Im Rahmen eines Neubaus sind generell alle untersuchten<br />

Maßnahmen möglich. Nachrüstungen<br />

<strong>und</strong> Verstärkungen sind aufgr<strong>und</strong> der Konstruktion<br />

der verschiedenen Bauwerke <strong>und</strong> örtlicher Randbedingungen<br />

häufig nur bedingt möglich. Maßnahmen,<br />

die sich für eine Nachrüstung eignen,<br />

sind Tabelle 5 zu entnehmen, zudem wird hierauf<br />

am Ende der jeweiligen Empfehlung gesondert<br />

eingegangen.<br />

5.2.1.2 T 01 – Hochleistungsbeton als<br />

Konstruktionsbeton<br />

Diese Maßnahme wirkt bei Anprallszenarien <strong>und</strong><br />

<strong>im</strong> begrenzten Umfang gegen lokale Schädigungen<br />

aus Explosionsszenarien (Krater- bis Durchbruchbildung).<br />

Die Verwirklichung dieser <strong>Schutz</strong>maßnahme ist direkt<br />

<strong>im</strong> Entwurf zu berücksichtigen. Nach Definition<br />

von <strong>Schutz</strong>zielen hinsichtlich der Anprallbeanspruchung<br />

sind die Bauteil- bzw. Schalenstärke<br />

sowie die Materialeigenschaft daraus abzuleiten.<br />

Im Regelfall sollte die Bauteilstärke, die durch die<br />

statische Vord<strong>im</strong>ensionierung vorgegeben ist, nicht<br />

vergrößert werden. Die Materialeigenschaften, insbesondere<br />

Festigkeit <strong>und</strong> Zähigkeit, können durch<br />

die maßgebenden Parameter Zementgehalt,<br />

Microsilica-Zugabe sowie Fasergehalt <strong>und</strong><br />

Faserart gesteuert werden. Als Anhaltswerte können<br />

gelten: Betonfestigkeitsklasse C90, Stahlfasergehalt<br />

80 kg/m 3 .<br />

Bei der Bemessung können die verbesserten Materialeigenschaften<br />

berücksichtigt werden. Die höhere<br />

Druckfestigkeit <strong>und</strong> die höhere Biegezugfestigkeit<br />

führen bei der Regelfall-Bemessung zu Einsparungen<br />

<strong>im</strong> Bereich der Biegebewehrung, der<br />

Schubbewehrung <strong>und</strong>, bei hoch beanspruchten<br />

Druckgliedern, bei der Druckbewehrung.<br />

Dem entgegen steht allerdings die Notwendigkeit,<br />

die verbesserten Materialeigenschaften <strong>und</strong> die<br />

daraus resultierenden Materialkennwerte versuchstechnisch<br />

zu ermitteln (Eignungsprüfung)<br />

<strong>und</strong> in der Ausführung zu garantieren (Güteüberwachung).<br />

Gegebenenfalls <strong>und</strong> insbesondere bei<br />

Ausnutzung der Stahlfaserbetoneigenschaften ist<br />

auch eine Zulassung <strong>im</strong> Einzelfall erforderlich.<br />

Kosten <strong>und</strong> Nutzen der Maßnahme sind dementsprechend<br />

von Projekt zu Projekt abzuwägen.<br />

Bei der Konstruktion ist die Abst<strong>im</strong>mung der Betonrezeptur<br />

hinsichtlich der Verarbeitbarkeit zu berücksichtigen.<br />

Hochfeste <strong>und</strong> insbesondere ultrahochfeste<br />

Betone neigen zu Klebrigkeit in der<br />

Frischbetonphase. Dieser Nachteil wird noch verstärkt<br />

durch die Faserzugabe. Bei hohen Stahlfaseranteilen<br />

<strong>und</strong> in Verbindung mit PP-Faser-<br />

Zugabe ist das Erzielen einer guten Pump- <strong>und</strong><br />

Verarbeitbarkeit ein nicht zu unterschätzendes<br />

Problem. Zurzeit liegen diesbezüglich nur Erfahrungen<br />

für die Tübbingherstellung vor. Im Rahmen<br />

des Forschungsprojektes „TUNCONSTRUCT“ [20]<br />

wurden ultrahochfeste Tübbings mit einer Festigkeit<br />

von 135 MPa, einem Stahlfasergehalt von 90<br />

kg/m³ <strong>und</strong> einem PP-Fasergehalt von 6 kg/m³ erfolgreich<br />

hergestellt. Der Einsatz solcher Betone<br />

für Ortbetonschalen oder –stützen ist bisher noch<br />

nicht untersucht worden.<br />

Die Bewehrungsführung ist an die Belange des<br />

Stahlfaserbetons anzupassen.<br />

5.2.1.3 T 02 – Mikrobewehrter Hochleistungsbeton<br />

als Vorsatzschale<br />

Diese Maßnahme ist sowohl gegen Explosions-<br />

<strong>und</strong> Anprallszenarien als auch gegen Brandereignisse<br />

geeignet. Die Wirkungsweise hinsichtlich<br />

Brandbeanspruchung, die ohnehin vorhanden<br />

ist, da die Vorsatzschale als Hitzeschutzschild für<br />

die tragende Schale wirkt, kann durch Hinzufügen<br />

bzw. Umsetzen der Kriterien für einen Brandschutzbeton<br />

weiter verbessert werden.<br />

Die Verwirklichung dieser <strong>Schutz</strong>maßnahme ist direkt<br />

<strong>im</strong> Entwurf zu berücksichtigen, da der für die


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 38<br />

zusätzliche Schale erforderliche Raum geschaffen<br />

werden muss. Im Regelfall bedeutet dies einen<br />

entsprechend vergrößerten Ausbruchsquerschnitt.<br />

Die Gesamtschalenstärke setzt sich dabei aus Außenschale<br />

(falls vorhanden), Innenschale <strong>und</strong> Vorsatzschale<br />

zusammen.<br />

Im Regelfall werden Außen- <strong>und</strong> Innenschale entsprechend<br />

der statischen Vord<strong>im</strong>ensionierung<br />

ausgeführt <strong>und</strong> eine Schale aus mikrobewehrtem<br />

Hochleistungsbeton davor gesetzt. Für diese gelten<br />

folgende Anhaltswerte: Betonfestigkeitsklasse<br />

C90, Stahlgehalt 200 kg/m 3 . Das Bau- <strong>und</strong> Herstellverfahren<br />

– vorgesetzte Platten, verlorene<br />

Schalung, oder örtlich hergestellte Schale – sowie<br />

die Befestigung an bzw. der Verb<strong>und</strong> mit der <strong>Tunnel</strong>schale<br />

sind während der Entwurfsplanung in<br />

Abhängigkeit voneinander festzulegen.<br />

Die Wirkungsweise der Maßnahme besteht in der<br />

Reduzierung der Bauteilschädigung durch die direkte<br />

Spreng- oder Anprallwirkung. Dies ist insbesondere<br />

für dünne <strong>Tunnel</strong>schalen von Bedeutung.<br />

Aber auch bei dickeren <strong>Tunnel</strong>schalen besteht bei<br />

ungünstigen geologischen Verhältnissen (fließfähiger<br />

Boden, Gr<strong>und</strong>wasser), insbesondere bei Absenktunneln,<br />

die Gefahr eines Boden-<br />

/Wassereinbruchs. Dem kann durch eine Vorsatzschale<br />

aus mikrobewehrtem Hochleistungsbeton<br />

begegnet werden. Dementsprechend kann diese<br />

Maßnahme für alle <strong>Tunnel</strong>typen empfohlen werden.<br />

Zu beachten ist jedoch, dass die Maßnahme hinsichtlich<br />

der Auswirkungen auf die der Detonation<br />

folgenden Druckwelle keine signifikanten Verbesserungen<br />

bringt. Um den aus der Druckwelle resultierenden<br />

Innendruck aufzunehmen bzw. Schäden<br />

daraus zu reduzieren, ist eine Kombination mit weiteren<br />

Maßnahmen erforderlich. Dies ist insbesondere<br />

„T 05 - D<strong>im</strong>ensionierung für Explosionslasten“,<br />

also eine Bemessung der eigentlichen <strong>Tunnel</strong>schale<br />

für Explosionsinnendruck mit entsprechend<br />

erhöhtem Stahlanteil.<br />

Für Tübbingtunnel ist zur Aufnahme des Innendrucks<br />

zusätzlich die Maßnahme „T 08 - Zweischalige<br />

Bauweise“ erforderlich, da das Vielfugensystem<br />

Tübbingschale nicht in der Lage ist, Ringzugkräfte<br />

aufzunehmen.<br />

Außerdem ist die Verbindung der Vorsatzschale<br />

mit der tragenden <strong>Tunnel</strong>schale sowohl für den<br />

Explosionslastfall, aber auch für den Regelfall des<br />

laufenden Betriebs (Sog-/Druckwirkung) rechnerisch<br />

nachzuweisen. Wird diese Verbindung als<br />

schub- <strong>und</strong> zugfester Verb<strong>und</strong> hergestellt (bei Anordnung<br />

der Vorsatzschale als verlorene Schalung<br />

mit Verb<strong>und</strong>bewehrung ähnlich einer Filigranplatte),<br />

ist eine Bemessung der <strong>Tunnel</strong>schale als<br />

Verb<strong>und</strong>schale möglich. Dies kann zu einer Reduzierung<br />

der Schalenstärke <strong>und</strong> zu Bewehrungsein-<br />

sparungen führen.<br />

Die Herstellung der mikrobewehrten Hochleistungsbetonteile<br />

ist Stand der Technik. Es gibt entsprechend<br />

markteingeführte Produkte, die bereits<br />

eingesetzt werden (z. B. DUCON).<br />

Bei der Konstruktion existieren für die Befestigung<br />

der Vorsatzschale an der tragenden <strong>Tunnel</strong>schale<br />

bzw. zur Erzielung einer Verb<strong>und</strong>wirkung<br />

mehrere Möglichkeiten. Die gängigsten sind eine<br />

nachträgliche Befestigung mittels Dübeln, der Einsatz<br />

als verlorene Schalung mit entsprechender<br />

Anschlussbewehrung in den Vorsatzschalelementen,<br />

oder eine nachträglich aufbetonierte Vorsatzschale<br />

mit Anschlusselementen in der <strong>Tunnel</strong>schale.<br />

Falls der Lichtraum des vorhandenen <strong>Tunnel</strong>s ausreichend<br />

Reserven gegenüber dem erforderlichen<br />

Lichtraumprofil bietet, kann eine Vorsatzschale <strong>im</strong><br />

Rahmen einer Nachrüstung angeordnet werden.<br />

Bei erforderlichen Schalenstärken von mindestens<br />

20 cm ist dies allerdings wohl nur in Ausnahmefällen<br />

gegeben. Die Vorgehensweise entspricht dann<br />

der bei einem Neubau mit nachträglich installierter<br />

Vorsatzschale (einzeln aufgedübelte Platten).<br />

5.2.1.4 T 03 – Brandschutzbeton<br />

Diese Maßnahme wirkt bei Brandereignissen <strong>und</strong><br />

BLEVE. Die Wirkungsweise eines PPfaserverstärkten<br />

Betons hinsichtlich Reduzierung<br />

von Abplatzungen <strong>und</strong> daraus resultierenden weiteren<br />

Schäden ist hinlänglich bekannt <strong>und</strong> Stand<br />

der Technik. Nach Festlegung des <strong>Schutz</strong>zieles,<br />

maßgeblich geprägt durch die Wahl der anzusetzenden<br />

Brandkurve, ist die Betonzusammensetzung<br />

in Abhängigkeit von der angestrebten Festigkeitsklasse<br />

zu best<strong>im</strong>men. Dabei sind neben dem<br />

PP- Fasergehalt (2-4 kg/m 3 ) die Zuschlagsart <strong>und</strong><br />

die Sieblinie die maßgebenden Parameter. Die<br />

Wirkungsweise der ausgewählten Betonzusammensetzung<br />

ist anschließend unter Berücksichtigung<br />

der Bauteileigenschaften (insbesondere Bauteildicke<br />

<strong>und</strong> Betondeckung) – durch Brandversuche<br />

zu belegen.<br />

Abgesehen von der geänderten Betonzusammensetzung<br />

bleibt der Entwurf unbeeinflusst. Die<br />

Maßnahme ist für alle <strong>Tunnel</strong>typen uneingeschränkt<br />

zu empfehlen. Im Vergleich mit der nachfolgend<br />

beschriebenen zweiten Brandschutzmaßnahme<br />

(T 04 - Brandschutzbekleidungen) ergeben<br />

sich für beide Maßnahmen spezifische Vor- <strong>und</strong><br />

Nachteile, die <strong>im</strong> Einzelfall abgewogen werden<br />

müssen <strong>und</strong> zur Wahl der einen oder anderen<br />

Maßnahme führen.<br />

Vorteile von Brandschutzbeton gegenüber einer<br />

Brandschutzbekleidung sind:


39 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

� längere Lebensdauer (Lebensdauer entspricht<br />

der Lebensdauer der <strong>Tunnel</strong>schale während<br />

Brandschutzbekleidungen nach 25 bis 30 Jahren<br />

erneuert werden müssen),<br />

� einfachere Inspektion der <strong>Tunnel</strong>schale, da diese<br />

nicht verkleidet ist,<br />

� der Brandschutz ist bereits <strong>im</strong> Bauzustand gewährleistet,<br />

� kürzere Bauzeit, da Montage Brandschutzplatten<br />

bzw. Aufbringung Brandschutzputz entfällt,<br />

� geringerer Ausbruchsquerschnitt, da der Raum<br />

für die Bekleidung (einschl. Unterkonstruktion<br />

bis zu 10 cm) entfällt.<br />

Wird ein Brandschutzbeton verwendet, so ist <strong>im</strong><br />

Regelfall eine „heiße Bemessung“ durchzuführen.<br />

D.h., der Temperaturgradient zwischen Oberflächentemperatur<br />

der <strong>Tunnel</strong>schale innen (Brandseite)<br />

<strong>und</strong> außen (Erdseite) ist gemeinsam mit einer<br />

mittleren Erwärmung der Schale auf das Gesamtsystem<br />

<strong>Tunnel</strong>/Boden anzusetzen. Dies führt, in<br />

Abhängigkeit von den Bettungsverhältnissen, zu<br />

Zwangsbeanspruchungen in der Schale, die sich<br />

mit den Beanspruchungen infolge Erd- <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

Wasserdruck überlagern <strong>und</strong> mit entsprechenden<br />

Sicherheiten nachgewiesen werden<br />

müssen.<br />

Bei der Konstruktion sind keine wesentlichen Besonderheiten<br />

gegenüber einer herkömmlichen<br />

<strong>Tunnel</strong>schale zu beachten. Lediglich die Betondeckung<br />

muss so gewählt werden, dass die Bewehrung<br />

ausreichend vor unzulässiger Erwärmung geschützt<br />

ist.<br />

5.2.1.5 T 04 – Brandschutzbekleidungen<br />

Brandschutzbekleidungen sind die zweite wirksame<br />

Maßnahme gegen Brandereignisse <strong>und</strong><br />

BLEVE. Dabei ist in Brandschutzplatten <strong>und</strong><br />

Brandschutzputze zu unterscheiden. Beide sind<br />

Stand der Technik <strong>und</strong> wirken ausmaßreduzierend<br />

bzgl. der Schädigung des Bauwerkes.<br />

Durch die Anordnung von Brandschutzbekleidungen<br />

wird die Schadensstufe nach Tabelle 2: Schadensstufen,<br />

s. Kap. 2.4.3, bei allen <strong>Tunnel</strong>typen<br />

auf 1 reduziert. Abplatzungen der Betonschale,<br />

unzulässige Erwärmung der Bewehrung <strong>und</strong> Überbeanspruchungen<br />

infolge von Zwangsschnittgrößen<br />

werden durch die als Hitzeschutzschild wirkende<br />

Bekleidung vollständig verhindert. Demnach<br />

liefert diese Maßnahme die beste <strong>Schutz</strong>wirkung<br />

bei Brandbeanspruchungen. Nach Festlegung des<br />

<strong>Schutz</strong>zieles, maßgeblich durch die Wahl der anzusetzenden<br />

Brandkurve, ist die Schichtdicke der<br />

Bekleidung anhand der Herstellerangaben zu best<strong>im</strong>men.<br />

Brandversuche sind <strong>im</strong> Regelfall nicht erforderlich,<br />

da die einzelnen Systeme typgeprüft<br />

sind.<br />

Der Vergleich zum Brandschutzbeton zeigt, dass<br />

beide Maßnahmen ihre spezifischen Vor- <strong>und</strong><br />

Nachteile haben. Vorteile von Brandschutzbekleidung<br />

gegenüber Brandschutzbeton sind:<br />

� opt<strong>im</strong>ale Wirksamkeit,<br />

� schnellere <strong>und</strong> einfachere Instandsetzung nach<br />

einem Schadensfall,<br />

� besser anpassbar an bzw. auch schützend für<br />

Einbauteile <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>ausrüstung.<br />

Bei einem Neubau ist die Umsetzung dieser Maßnahme<br />

direkt <strong>im</strong> Entwurf zu berücksichtigen.<br />

Schalenstärke <strong>und</strong> D<strong>im</strong>ensionierung der tragenden<br />

<strong>Tunnel</strong>schale bleiben zwar unverändert, aber der<br />

für den Aufbau der Bekleidung erforderliche Raum<br />

muss geschaffen werden. Im Regelfall bedeutet<br />

dies einen geringfügig vergrößerten Ausbruchsquerschnitt,<br />

bei Putzen um ca. 3-5 cm, bei Plattenbekleidungen<br />

um bis zu 10 cm einschließlich Unterkonstruktion.<br />

Die Maßnahme ist für alle <strong>Tunnel</strong>typen uneingeschränkt<br />

zu empfehlen. Im Vergleich mit der zuvor<br />

beschriebenen Maßnahme T 03 - Brandschutzbeton<br />

ist <strong>im</strong> Einzelfall zu klären, welche die geeignetere<br />

ist.<br />

Bei Brandschutzbekleidungen ist die vorab beschriebene<br />

„heiße Bemessung“ in der Regel nicht<br />

erforderlich, da sich die tragende <strong>Tunnel</strong>schale<br />

nicht so stark erwärmt, dass Überbeanspruchungen<br />

aus Zwangsschnittgrößen entstehen.<br />

Es ist jedoch eine D<strong>im</strong>ensionierung für die Festhaltekonstruktion<br />

der Brandschutzbekleidung erforderlich.<br />

Diese ist sowohl für den Betriebsfall<br />

(Sog/Druck) als auch für den Sonderfall Brand<br />

durchzuführen.<br />

Die Konstruktion von Brandschutzbekleidungen<br />

ist durch die Herstellervorgaben geregelt. Insbesondere<br />

die Befestigung an der eigentlichen <strong>Tunnel</strong>schale<br />

ist sorgfältig zu planen. Dies gilt sowohl<br />

für Putze, die eine spezielle Untergr<strong>und</strong>vorbereitung<br />

<strong>und</strong> ggfls. Verankerungselemente benötigen,<br />

als auch für Plattenbekleidungen. Für letztere sind<br />

entsprechende Unterkonstruktionen Bestandteil<br />

der Komplett-Lösungen, die von den Herstellern<br />

angeboten werden.<br />

Falls der Lichtraum des vorhandenen <strong>Tunnel</strong>s ausreichend<br />

Reserven gegenüber dem erforderlichen<br />

Lichtraumprofil bietet, kann eine Brandschutzbekleidung<br />

auch <strong>im</strong> Rahmen einer Nachrüstung angeordnet<br />

werden. In diesem Fall ist die Vorgehensweise<br />

die gleiche wie bei einem Neubau, da<br />

auch bei diesem die Bekleidung in einem separaten<br />

Arbeitsgang auf die fertige <strong>Tunnel</strong>schale aufgebracht<br />

wird.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 40<br />

5.2.1.6 T 05– D<strong>im</strong>ensionierung für Explosionslasten<br />

In einem <strong>Tunnel</strong> ergeben sich infolge einer Explosion<br />

zwei Schadensmechanismen. Sofort nach der<br />

Detonation folgt die so genannte Schockphase mit<br />

sehr kurzer Dauer, die die Konstruktion lokal schädigt.<br />

Daran schließt sich die so genannte Gasdruckphase<br />

an, die den Querschnitt über einen<br />

längeren Zeitraum mit teils sehr hohen Innendrücken<br />

beansprucht, so dass <strong>Tunnel</strong> mit hoher Außenbelastung<br />

weniger anfällig sind als Bauwerke<br />

mit geringer Überdeckung (Belastung).<br />

Eine D<strong>im</strong>ensionierung gegen Koffer-Ladungen ist<br />

nicht erforderlich ist, da sie keine kritischen Gasdrücke<br />

verursachen. Eine Bemessung gegen Lkw-<br />

Ladungen hingegen wird als nicht realistisch angesehen,<br />

Insofern ist die Maßnahme nur für die Initialereignisse<br />

BLEVE <strong>und</strong> Detonation Pkw-Ladung<br />

mit vertretbarem Aufwand geeignet.<br />

Die Standsicherheit wird bei offen hergestellten<br />

<strong>Tunnel</strong>n durch die Ausbildung einer symmetrischen<br />

Bewehrung in Feld- <strong>und</strong> Stützenbereichen<br />

sowie einer Ausbildung von Rahmenecken für negative<br />

<strong>und</strong> positive Eckmomente verbessert. Eine<br />

signifikante Vergrößerung der Konstruktionsdicke<br />

wird insbesondere für freitragende Decken wegen<br />

des erheblichen zusätzlichen Gewichtes nicht<br />

empfohlen. Für Zwischenwände bei mehrzelligen<br />

<strong>Tunnel</strong>n ist eine Konstruktionsdickenerhöhung,<br />

verb<strong>und</strong>en mit einer Erhöhung der Bewehrung,<br />

sinnvoll <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich möglich. Für geschlossen<br />

hergestellte <strong>Tunnel</strong> liegen noch keine Ergebnisse<br />

für die D<strong>im</strong>ensionierung vor, da hierbei die<br />

äußeren Bettungsverhältnisse eine erwartet große<br />

Rolle spielen. Diese Einflüsse wurden in <strong>SKRIBT</strong><br />

nicht untersucht.<br />

Bei der Bemessung sind objektspezifisch die lokalen<br />

Schädigungen <strong>und</strong> die globalen dynamischen<br />

Innendruckbelastungen zu klären. Anschließend<br />

kann der dynamische Lastfaktor zur Berechnung<br />

statischer Ersatzlasten anhand einer Eigenfrequenzanalyse<br />

der <strong>Tunnel</strong>substrukturen (Sohle,<br />

Wand, Decke) best<strong>im</strong>mt werden. Mit den gewonnenen<br />

statischen Ersatzlasten kann die abschließende<br />

Bemessung für die Innen- <strong>und</strong> Außenbelastungen<br />

erfolgen.<br />

Alternativ kann die Bemessung anhand von strukturdynamischen<br />

Verfahren durchgeführt werden.<br />

Mit diesen Verfahren steigt der Berechnungsaufwand,<br />

gleichzeitig aber auch die Rechengenauigkeit<br />

<strong>und</strong> damit die Wirtschaftlichkeit der Ergebnisse.<br />

Ebenso kann auch bei mehrzelligen Anlagen<br />

der einzellige Restquerschnitt des <strong>Tunnel</strong>s für alle<br />

auf ihn wirkenden äußeren Lasten bemessen werden.<br />

Für die Konstruktion ist folgendes zu beachten:<br />

Bei D<strong>im</strong>ensionierung eines (offen hergestellten)<br />

<strong>Tunnel</strong>bauwerkes für Explosionsbelastungen ist<br />

eine symmetrische Bewehrungsanordnung auf der<br />

Bauteilinnen- <strong>und</strong> -außenseite eine wirkungsvolle<br />

konstruktive Maßnahme. Opt<strong>im</strong>al ist eine innen<br />

<strong>und</strong> außen gleich hohe Bewehrung.<br />

Die symmetrische Bewehrung ist aber nicht nur in<br />

den Feldbereichen vorzusehen. Auch die Rahmenecken<br />

sind duktil für negative <strong>und</strong> positive Beanspruchungen<br />

auszubilden. Je nach Beanspruchung<br />

ergibt sich hierbei die Schwierigkeit, dass<br />

die Bewehrung platzmäßig untergebracht werden<br />

muss. Dazu sind u. U. Querschnittsverstärkungen<br />

erforderlich.<br />

5.2.1.7 T 06 – Dämpferbeton<br />

Eine Vorsatzschale aus Dämpferbeton dient dem<br />

Bauwerksschutz bei Explosionsereignissen.<br />

Die Energie absorbierende Wirkung des Dämpferbetons<br />

bewirkt eine deutliche Reduzierung der<br />

durch die direkte Sprengwirkung verursachten Beschädigung<br />

der <strong>Tunnel</strong>schale. Bei entsprechender<br />

D<strong>im</strong>ensionierung kann ein Durchbruch verhindert<br />

<strong>und</strong> die Kraterbildung min<strong>im</strong>iert werden, so dass<br />

der Restquerschnitt in der Lage ist, den örtlichen<br />

Beanspruchungen aus Erd- <strong>und</strong> Wasserdruck<br />

standzuhalten.<br />

Für die Gasdruckphase mit dem resultierenden Innendruck<br />

<strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> ergibt sich keine signifikante<br />

Verbesserung. Hierzu sind Kombinationen mit anderen<br />

Maßnahmen (insbesondere „T 05 - D<strong>im</strong>ensionierung<br />

für Explosionslasten“) erforderlich.<br />

Hinsichtlich des erforderlichen Platzbedarfes gilt<br />

das Gleiche wie bei der Maßnahme „T 02 – Vorsatzschale<br />

aus mikrobewehrtem Hochleistungs-<br />

Beton. Der Ausbruchsquerschnitt muss ggfls. erweitert<br />

werden, um die zusätzliche Dämpferbetonschale<br />

aufzunehmen.<br />

Wegen seiner hohen Kosten ist der Dämpferbeton<br />

nur an für das Gesamtbauwerk essentiell kritischen<br />

Stellen einzusetzen.<br />

Vor Entwurf <strong>und</strong> Umsetzung der Maßnahme bedarf<br />

es allerdings noch eines Konformitätsnachweises<br />

zu den ZTV-ING sowie eines brandtechnischen<br />

Tauglichkeitsnachweises. Der <strong>im</strong> Rahmen von<br />

<strong>SKRIBT</strong> untersuchte Dämpferbeton mit zerkleinerten<br />

Maisspindeln <strong>und</strong> Flachsfasern als Füllstoff<br />

zeigte <strong>im</strong> Brandversuch brandschutztechnische<br />

Mängel, weshalb weitere Entwicklungsarbeiten<br />

bzgl. der Betonzusammensetzung erforderlich<br />

sind. Diese werden derzeit in einem dementsprechenden<br />

Forschungsvorhaben [21] vorgenommen.<br />

Bei der Bemessung ist die Dicke der Vorsatzschale<br />

aus Dämpferbeton in Abhängigkeit von der Stärke<br />

der Bemessungsexplosion, der<br />

Absorbtionsfähigkeit von Detonationsenergie, der


41 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

Stärke des Konstruktionsbetons sowie der Interaktion<br />

zwischen <strong>Schutz</strong>schicht, <strong>Tunnel</strong>schale <strong>und</strong><br />

Bettung zu ermitteln. Die Absorbtionsfähigkeit des<br />

Dämpferbetons ist gegeben durch seine plastische<br />

Verformbarkeit <strong>und</strong> damit abhängig von seinem<br />

Porenvolumen (z. B. 45 %).<br />

Bei der Konstruktion werden die Fertigteile aus<br />

Dämpferbeton an die <strong>Tunnel</strong>schale je nach Materialhärte<br />

des Dämpferbetonelements entweder<br />

mechanisch verankert oder geklebt. Die Fugen der<br />

<strong>Tunnel</strong>schale werden dabei mit überdeckt <strong>und</strong> dadurch<br />

geschützt. Zur Vermeidung von Schäden bei<br />

Kontakt- <strong>und</strong> Nahbereichsladungen wird zur Lastverteilung<br />

das zusätzliche Aufkleben eines Stahlblechs<br />

erforderlich, damit bei der Nahbereichswirkung<br />

der Detonation die Dämpferschicht nicht verdrängt<br />

wird.<br />

Falls der Lichtraum des vorhandenen <strong>Tunnel</strong>s ausreichend<br />

Reserven gegenüber dem erforderlichen<br />

Lichtraumprofil bietet, kann eine Vorsatzschale<br />

auch <strong>im</strong> Rahmen einer Nachrüstung angeordnet<br />

werden. Bei den erforderlichen Schalenstärken ist<br />

dies allerdings wohl, wie bei der Vorsatzschale aus<br />

mikrobewehrtem Hochleistungsbeton, nur in Ausnahmefällen<br />

gegeben. Die Vorgehensweise entspricht<br />

der bei einem Neubau mit nachträglich installierter<br />

Vorsatzschale (einzeln verankerte bzw.<br />

geklebte Platten).<br />

5.2.1.8 T 07 – Designvorgabe <strong>Tunnel</strong>brand:<br />

Verlängerte Vollbrandphase<br />

Die Maßnahme wirkt bei Brandszenarien sowie<br />

BLEVE <strong>und</strong> beinhaltet eine Verlängerung der Vollbrandphase<br />

der ZTV-ING-Kurve um 30 min., so<br />

dass die Gesamtbranddauer 170 min. anstatt 140<br />

min. beträgt. So wird ein höheres Niveau für den<br />

<strong>Schutz</strong> des <strong>Tunnel</strong>bauwerkes erreicht.<br />

In den Regelwerken für Straßenverkehrsbauwerke,<br />

z. B. in den ZTV-ING [22], sollte die verlängerte<br />

Brandkurve als Designvorgabe für <strong>Tunnel</strong>bauwerke<br />

<strong>im</strong>plementiert werden <strong>und</strong> für <strong>Tunnel</strong>, bei denen<br />

ein lokales Versagen des <strong>Tunnel</strong>s infolge Brandbeanspruchung<br />

zu einem Verlust des gesamten<br />

<strong>Tunnel</strong>s <strong>und</strong>/oder zu einem Verlust der Standsicherheit<br />

von angrenzenden sensiblen Bauwerken<br />

führt (z. B. <strong>Tunnel</strong> mit geringer Überdeckung, unter<br />

Gewässern oder Absenktunnel) gelten.<br />

Für weitere relevante <strong>Tunnel</strong>bauwerke sollen objektspezifische<br />

Regelungen unter Berücksichtigung<br />

der vorliegenden Randbedingungen getroffen werden.<br />

Der Designvorgabe kann durch konstruktive Maßnahmen<br />

be<strong>im</strong> Entwurf von <strong>Tunnel</strong>n oder durch<br />

materialtechnische Veränderungen begegnet werden.<br />

Darüber hinaus kann das höhere <strong>Schutz</strong>niveau<br />

auch durch zusätzliche Brandschutzbekleidung<br />

erreicht werden.<br />

Bei der Bemessung von <strong>Tunnel</strong>n, die mit der Designvorgabe<br />

einer Verlängerung der Vollbrandphase<br />

der ZTV-ING-Kurve um 30 min. entworfen werden,<br />

müssen diese erhöhten Brandeinwirkungen<br />

berücksichtigt werden. Dazu sollten zunächst der<br />

Schädigungsvorgang <strong>und</strong> der Schädigungsgrad<br />

bei einer Brandbeanspruchung in Abhängigkeit<br />

vom <strong>Tunnel</strong>typ <strong>und</strong> den äußeren Gegebenheiten<br />

wie Geologie, Belastung <strong>und</strong> Betoneigenschaften<br />

ermittelt werden. Anschließend sollte eine Auswahl<br />

der Brandschutzmaßnahmen erfolgen.<br />

5.2.1.9 T 08 – Zweischalige Bauweise<br />

Als weitere <strong>Schutz</strong>maßnahme bei Brand- <strong>und</strong> kleineren<br />

Explosionsereignissen kann eine zusätzliche<br />

Innenschale zur Erhöhung des Bauteilwiderstandes<br />

vorgesehen werden. In einem solchen Fall ist<br />

diese zusätzliche Innenschale als statisch nicht<br />

zwingend relevant bzw. notwendig anzusehen <strong>und</strong><br />

demgemäß ohne äußere Lasten zu d<strong>im</strong>ensionieren.<br />

Sie bietet zusätzlichen <strong>Schutz</strong> gerade <strong>im</strong> Bereich<br />

von Gewässerunterquerungen, wo bereits<br />

geringfügige Schädigungen der Schale zu erheblichen<br />

Schäden, vor allem durch Wassereinbruch in<br />

das Bauwerk, führen können.<br />

Zweischalige Bauweisen empfehlen sich vor allem<br />

bei Bauwerken hoher Kritikalität, welche bereits bei<br />

geringen Schädigungen durch eintretendes Wasser<br />

gefährdet sind. Im Falle druckhaften Gebirges<br />

<strong>und</strong> hoher Ausnutzung des Querschnitts kann die<br />

zweite Schale u. U. zusätzliche statische Red<strong>und</strong>anzen<br />

nach Prüfung <strong>im</strong> Einzelfall liefern.<br />

Da es sich bei der zweiten Schale <strong>im</strong> Sinne der<br />

hier definierten Maßnahme um eine bauliche Aufwertung<br />

eines ansonsten funktionalen Bauwerks<br />

handelt, entstehen für die Bemessung keine speziellen<br />

Vorgaben aus der Maßnahme selbst. Eine<br />

zweite Schale kann vielmehr den speziellen bauwerksspezifischen<br />

Anforderungen (beispielsweise<br />

<strong>Schutz</strong> vor Großbrandereignissen) angepasst werden.<br />

Vor Beginn der Bemessung ist daher in Abhängigkeit<br />

von relevanten Szenarien ein exaktes<br />

Anforderungsprofil für den benötigten Bauteilwiderstand<br />

zu definieren <strong>und</strong> die Bemessung dahingehend<br />

anzupassen.<br />

Bei der Konstruktion sind <strong>im</strong> Vergleich zu üblichen<br />

Schalenkonstruktionen keine zusätzlichen<br />

Eigenheiten zu berücksichtigen. Ausnahmen bilden<br />

oben erwähnte besondere Anforderungen an<br />

die zweite Schale.<br />

5.2.1.10 T 09 – Globale Red<strong>und</strong>anz<br />

Die Maßnahme ist geeignet für Brand-, Explosions-<br />

<strong>und</strong> Kontaminationsereignisse sowie Überflutung<br />

<strong>und</strong> dient der Teilverfügbarkeit / Restverfügbarkeit<br />

nach dem Ereignis.<br />

Für den Entwurf wird empfohlen, bei Gegenver-


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 42<br />

kehrstunneln in bergmännischer Bauweise den üblicherweise<br />

in Seitenlage angeordneten separaten<br />

Rettungsstollen in einen Fahrquerschnitt umzuwandeln.<br />

Auf diese Art wird eine Richtungs-<br />

Verkehrs-Anlage mit getrennten Fahrröhren geschaffen.<br />

Im Hinblick auf die Kosten wird ein Sonderquerschnitt,<br />

bestehend aus einem Fahrstreifen<br />

mit Seitenstreifen mit einer Breite von 6 m, zwischen<br />

den Borden vorgeschlagen. Mit dieser<br />

Querschnittsgestaltung kann <strong>im</strong> Schadensfall der<br />

gesamte Verkehr über die Nachbarröhre <strong>im</strong> Gegenverkehr<br />

abgewickelt werden.<br />

Bei offen hergestellten Gegenverkehrstunneln<br />

greift die Maßnahme nicht, da die teuren Rettungsstollen<br />

meistens nicht ausgeführt <strong>und</strong> stattdessen<br />

Treppenhäuser zur Oberfläche realisiert<br />

werden.<br />

Bei einer Richtungsverkehrs-<strong>Tunnel</strong>anlage in offener<br />

Bauweise mit gemeinsamer Mittelwand oder<br />

auch bei einer bergmännisch hergestellten Anlage<br />

mit gemeinsamem Mittelpfeiler sollte <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf Explosionsbeanspruchungen die Mittelwand<br />

verdickt <strong>und</strong> explosionssicher ausgebildet werden.<br />

Dazu ist eine besondere Bemessung für die Explosionsbeanspruchung<br />

wie in Maßnahme „T 05 –<br />

D<strong>im</strong>ensionierung für Explosionslasten“ beschrieben<br />

durchzuführen. Ebenso sind die dort beschriebenen<br />

Konstruktionsmaßnahmen umzusetzen.<br />

Eine Alternative stellt die Sicherstellung der Verfügbarkeit<br />

/ Standsicherheit der dem Szenario abgewandten<br />

<strong>Tunnel</strong>zelle dar. Bei diesem Ansatz<br />

muss der verbleibende Restquerschnitt des <strong>Tunnel</strong>s<br />

nach dem Ereignis noch alle dann wirkenden<br />

äußeren Lasten abtragen können, es werden u. U.<br />

Zusatzmaßnahmen für die Horizontallasten erforderlich.<br />

Empfohlen werden die bei Sp<strong>und</strong>wänden<br />

übliche Erdsporne.<br />

Die globale Red<strong>und</strong>anz eines Bauwerkes kann <strong>im</strong><br />

Rahmen einer Nachrüstung <strong>im</strong> Regelfall nicht<br />

hergestellt werden. Mit dem Bau wird die Konstruktion,<br />

z. B. mit getrennten Richtungsfahrbahnen,<br />

abschließend festgelegt. Bei einem einröhrigen<br />

bergmännisch hergestellten Gegenverkehrstunnel<br />

mit seitlichen Rettungsstollen aber kann (theoretisch<br />

bei hohem Anforderungsgrad) eine zweite<br />

Fahrröhre, mit einer Spur plus Standstreifen, entweder<br />

an die Stelle des Rettungsstollens oder auf<br />

der anderen Hauptröhrenseite nachträglich gebaut<br />

werden. Das Prinzip entspricht dann dem Vorgehen<br />

bei großen <strong>Tunnel</strong>projekten, wo häufig aus<br />

Kosten- <strong>und</strong> Kapazitätsgründen zunächst nur eine<br />

von zwei <strong>im</strong> Endausbau geplanten Röhren realisiert<br />

wird.<br />

5.2.1.11 T 10 - Verkürzte Notausgangsabstände<br />

Eine Verkürzung der Notausgangsabstände dient<br />

dem Nutzerschutz <strong>und</strong> wirkt ausmaßmindernd bei<br />

Brand, BLEVE, Kontamination <strong>und</strong> Überflutung.<br />

Sie führt zu einer schnelleren Erreichbarkeit von<br />

Notausgängen, wirkt hierdurch direkt auf den Nutzer<br />

<strong>und</strong> verbessert so die Möglichkeit zur Selbstrettung.<br />

Somit ist diese Maßnahme auch für Szenarien<br />

der Verkehrssicherheit relevant. Dies setzt<br />

allerdings voraus, dass die Nutzer richtig reagieren<br />

<strong>und</strong> ihr Fahrzeug verlassen.<br />

Ihre Wirksamkeit wurde durch computergestützte<br />

S<strong>im</strong>ulationen nachgewiesen. Die errechneten<br />

Schadenserwartungswerte ließen sich durch eine<br />

Verkürzung der Abstände von 300 m auf 60 m insbesondere<br />

bei Brandereignissen drastisch reduzieren.<br />

Bei den s<strong>im</strong>ulierten Benzinbränden sank der<br />

Schadenserwartungswert auf weniger als ein<br />

Zehntel des Wertes für den Fall ohne Maßnahme.<br />

Die Kosten für eine Verkürzung der Abstände variieren<br />

je nach <strong>Tunnel</strong>typ stark. Bei zweiröhrigen<br />

Absenktunneln bzw. offener Bauweise können zusätzliche<br />

Notausgänge relativ kostengünstig realisiert<br />

werden, wohingegen der Einbau bei bergmännischer<br />

Bauweise hohe Kosten verursacht.<br />

Wird ein <strong>Tunnel</strong> neu gebaut, kann dieser finanzielle<br />

Unterschied Kriterium für die Planung als Absenk-<br />

oder Schildtunnel sein. Bei einer möglichen<br />

Nachrüstung ist die Beeinträchtigung des fließenden<br />

Verkehrs während der Baumaßnahmen zu berücksichtigen.<br />

Bei der Planung eines Neubaus oder <strong>im</strong> Zuge von<br />

Ertüchtigungs-/Instandsetzungsmaßnahmen sollte<br />

für den Einzelfall geprüft werden, ob unter Berücksichtigung<br />

der objektspezifischen bau- <strong>und</strong> betriebstechnischen<br />

Gegebenheiten eine Reduzierung<br />

der Notausgangsabstände zur Erhöhung der<br />

Sicherheit beitragen kann. In diesem Fall wird ein<br />

Abstand von 50 bis 100 m als zweckmäßig erachtet.<br />

5.2.2 Empfehlungen zur Vorgehensweise<br />

bei der Maßnahmenanwendung<br />

5.2.2.1 Bei Neubauten<br />

Im Rahmen eines Neubaus sind für einen Bauwerkseigentümer,<br />

der <strong>Schutz</strong>maßnahmen an <strong>Tunnel</strong>n<br />

vorsehen möchte, generell alle erarbeiteten<br />

Maßnahmen möglich. Besonders die Bereiche<br />

Entwurf <strong>und</strong> Bemessung bieten die große Möglichkeit,<br />

zusätzliche Sicherheiten bezüglich eines Bedrohungsszenarios<br />

mit vergleichsweise geringem<br />

Aufwand <strong>und</strong> Eingriff in das Bauwerk einzuarbeiten.<br />

Die Anhebung des Sicherheitsniveaus führt dennoch<br />

zu einer Kostensteigerung. Damit ergibt sich


43 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

eine neue Fragestellung für die frühe Phase eines<br />

Planungsprozesses: Welche Bedeutsamkeit hat<br />

das neue Bauwerk in der Zukunft <strong>und</strong> welches<br />

<strong>Schutz</strong>niveau für welches Szenario (oder welche<br />

Szenarien) soll oder muss eingehalten bzw. eingeplant<br />

werden.<br />

Im Ergebnis muss der Bauwerkseigentümer mit<br />

Unterstützung seiner Fachberater diese Entscheidung<br />

treffen. Von ihm ist am Ende für das konkrete<br />

Projekt zu definieren, wogegen <strong>und</strong> in welcher<br />

Höhe <strong>Schutz</strong>maßnahmen ergriffen werden sollen.<br />

<strong>SKRIBT</strong> kann bei dieser Entscheidung keine direkte<br />

Antwort beisteuern, aber Möglichkeiten aufzeigen.<br />

Der Ablauf zur Entscheidungsfindung wird in<br />

den Kapiteln 1 <strong>und</strong> 3 beschrieben. Die Gr<strong>und</strong>lage<br />

für die Entscheidung der Bauwerkseigentümer wird<br />

dazu von der Politik <strong>und</strong> nicht zuletzt von der Gesellschaft<br />

zu treffen sein, die festlegen muss, wie<br />

viel ihr die zivile Sicherheit von Verkehrsinfrastrukturbauwerken<br />

wert ist <strong>und</strong> was sie bereit ist, dafür<br />

auszugeben. Private Betreiber treffen ihre diesbezüglichen<br />

Entscheidungen in der Regel vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> ihrer Betrachtungen zur langfristigen<br />

Absicherung ihrer Einnahmen <strong>und</strong> der Lebenszykluskosten<br />

des Bauwerks, siehe auch Kapitel 6.<br />

Vom Bauwerkseigentümer ist daher stets für ein<br />

konkretes Projekt anhand der spezifischen Gegebenheiten<br />

das gewünschte <strong>Schutz</strong>ziel zu best<strong>im</strong>men.<br />

Weiter ist die Umsetzung der resultierenden<br />

<strong>Schutz</strong>maßnahmen vom Bauwerkseigentümer<br />

festzulegen <strong>und</strong> gegenüber dem Planer <strong>im</strong> Einzelnen<br />

abzufordern. Damit wird dem Umstand Rechnung<br />

getragen, dass die Maßnahmen, die mit mehr<br />

oder weniger hohen Zusatzaufwendungen verb<strong>und</strong>en<br />

sind, zielgerichtet <strong>und</strong> anforderungsgemäß<br />

umgesetzt werden <strong>und</strong> dem Gebot der Wirtschaftlichkeit<br />

entsprechen.<br />

5.2.2.2 Bei Nachrüstung<br />

Für die öffentliche Hand als Bauwerkseigentümer<br />

stellt sich das Thema Nachrüstung bzw. Verstärkung<br />

von <strong>Tunnel</strong>bauwerken neben dem Identifizieren<br />

der für das jeweils betrachtete Einzelbauwerk<br />

angemessenen Maßnahme bzw. Maßnahmenkombination<br />

infolge des großen Bauwerksbestandes<br />

als Mengenproblem <strong>und</strong> in der Folge davon<br />

als Finanzierungsproblem dar. Wo setzt man in<br />

dieser Situation die knappen Finanzmittel ein <strong>und</strong><br />

welches Sicherheitsniveau ist jeweils mindestens<br />

zu gewährleisten? Für private Betreiber stehen bei<br />

den Überlegungen zur nachträglichen Nachrüstung<br />

bzw. Verstärkung ihrer Bauwerke vor allem die<br />

Fragen der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit<br />

sowie des wirtschaftlichen Nutzens <strong>im</strong> Vergleich<br />

zum finanziellen Aufwand <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Die Nachrüstung bzw. Verstärkung von Bauwerken<br />

<strong>im</strong> Hinblick auf mögliche Bedrohungsszenarien erfordert<br />

daher eine hierarchisch strukturierte Vorge-<br />

hensweise, mit mehreren Prüfstufen, bevor für das<br />

konkrete Bauwerk bauliche oder sonstige bauwerksschützende<br />

Maßnahmen ergriffen werden<br />

können.<br />

Wurde ein Bauwerk anhand des Identifizierungsverfahrens<br />

als gefährdet herausgefiltert, muss die<br />

Frage geklärt werden: Gegen welches Szenario<br />

sind nachträgliche <strong>Schutz</strong>maßnahmen zu ergreifen,<br />

gibt es überhaupt solche dafür <strong>und</strong> sind sie<br />

bezogen auf das individuelle Bauwerk wirksam <strong>und</strong><br />

angemessen? Dann können die am Objekt möglichen<br />

<strong>und</strong> wirtschaftlichen Maßnahmen ausgewählt<br />

werden. Wie aus Tabelle 4 ersichtlich, sind bautechnische<br />

Maßnahmen in relativ überschaubarem<br />

Rahmen möglich. Es folgen Planung <strong>und</strong> Ausschreibung<br />

der Nachrüstung / Verstärkung durch<br />

spezialisierte Fachplaner. Nach der Vergabe der<br />

baulichen oder sonstigen Leistungen durch den<br />

Bauwerkseigentümer bildet die Realisierung den<br />

letzten Punkt der Vorgehenskette.<br />

5.2.2.3 Bei Instandsetzung<br />

Ist ein <strong>Tunnel</strong>bauwerk durch ein Initialereignis, sei<br />

es Brand, Explosion, Kontamination, Naturgewalten<br />

oder mechanische Einwirkungen, beschädigt<br />

worden, geht dies in der Regel mit einer Verkehrsbeeinträchtigung,<br />

<strong>im</strong> schl<strong>im</strong>msten Fall mit einer<br />

Vollsperrung, einher. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Verfügbarkeit<br />

der Verkehrsinfrastruktur in volkswirtschaftlicher<br />

Hinsicht <strong>und</strong> der Min<strong>im</strong>ierung des Ausfalls<br />

von Mauteinnahmen bei privat betriebenen<br />

<strong>Tunnel</strong>n ist eine möglichst schnelle Instandsetzung<br />

des zerstörten Bauwerkes herbeizuführen. Je nach<br />

verkehrlicher Bedeutung ist das Anforderungsniveau<br />

an die Wiederherstellungszeit sehr hoch.<br />

Dies bedeutet, dass konventionelle Vorgehensweisen<br />

- wie bei einem Neubau - aufgegeben werden<br />

müssen, um Zeit zu sparen.<br />

Die Bauwerksinstandsetzung gliedert sich in 4<br />

Phasen. Diese sind<br />

� Vorlaufende Arbeiten<br />

� Planung<br />

� Ausschreibung <strong>und</strong> Vergabe<br />

� Baudurchführung.<br />

Bei allen Phasen ist <strong>im</strong> Regelfall in kürzester Zeit<br />

das jeweilige Ergebnis zu realisieren, worunter<br />

Sorgfalt <strong>und</strong> Qualität der Arbeit nicht leiden dürfen.<br />

� Vorlaufende Arbeiten<br />

Als vorlaufende Arbeiten sind unmittelbar nach<br />

dem Ereignis Sofortmaßnahmen, wie z. B. das<br />

Sperren des Bauwerks <strong>und</strong> die Einrichtung von<br />

Verkehrsumleitungen, zu ergreifen. Weiter können<br />

Sicherungsmaßnahmen am Bauwerk selbst oder<br />

an angrenzenden Gebäuden <strong>und</strong> Anlagen notwendig<br />

werden.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 44<br />

Nachdem die notwendigen Sicherungsmaßnahmen<br />

durchgeführt wurden, folgen Schadensbesichtigungen<br />

<strong>und</strong> Schadensbegutachtungen. Bei<br />

schweren Schäden ist davon auszugehen, dass<br />

die Staatsanwaltschaft tätig wird <strong>und</strong> Ermittlungen<br />

aufn<strong>im</strong>mt. Hierzu werden vielfach Experten eingeb<strong>und</strong>en,<br />

die die Ursachen des Ereignisses klären<br />

sollen. Häufig werden auch Versicherungs-<br />

Sachverständige tätig, die das Ausmaß des Schadens<br />

<strong>und</strong> die Ursache aus Sicht der Assekuranz<br />

klären.<br />

Wenn bis dahin noch nicht geschehen, sind nach<br />

der Bauwerksfreigabe durch die Staatsanwaltschaft<br />

erste Aufräumarbeiten mit anschließenden<br />

weitergehenden gutachterlichen Untersuchungen<br />

zur Tragwerksschädigung auszuführen. Es wird<br />

geklärt, was von der Tragkonstruktion verbleiben<br />

kann <strong>und</strong> was abgebrochen werden muss.<br />

Am Ende der vorlaufenden Arbeiten sollten die<br />

Schadensursache <strong>und</strong> ihr Ausmaß klar <strong>und</strong> entsprechend<br />

dokumentiert sein. Vorgaben für die<br />

Reparaturmaßnahmen <strong>und</strong> somit die Randbedingungen<br />

für die Wiederherstellungsplanung liegen<br />

nun vor.<br />

� Planung<br />

Bei größeren Schäden ist <strong>im</strong> Regelfall zur Instandsetzung<br />

des Bauwerkes eine Planung zu erstellen.<br />

Bei kleineren Schäden wird diese Leistung wahrscheinlich<br />

nicht notwendig, so dass hier eine<br />

schnellere Vorgehensweise möglich ist. Für die<br />

Planung sind erfahrene <strong>und</strong> kompetente Planungspartner<br />

für den Bauwerkseigentümer unerlässlich.<br />

Sofern nicht bereits parallel zur Schadensfeststellung<br />

die Planerauswahl erfolgt ist, muss<br />

diese mit den vorliegenden Schadensausmaßerkenntnissen<br />

schnellstmöglich vollzogen werden.<br />

Für öffentliche Auftraggeber gelten einzuhaltende<br />

Vergaberegularien. Nach der Verdingungsordnung<br />

für freiberufliche Leistungen (VOF) [17] können<br />

Planerleistungen bis zu einem Schwellenwert von<br />

ca. 200.000 €, dies entspricht einer Wiederherstellkostengröße<br />

von etwa 3,2 Mio. €, sofort freihändig<br />

an einen geeigneten Planer vergeben werden.<br />

Planerleistungen ab diesem Schwellenwert<br />

sind öffentlich auszuschreiben.<br />

Ein normal ablaufendes VOF-Verfahren dauert bei<br />

günstigem Ablauf mindestens 10 Wochen, daher<br />

muss ein schnellerer Weg beschritten werden. Für<br />

derartige Probleme ist nach VOF § 3 (4) d zu verfahren<br />

<strong>und</strong> das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb<br />

durchzuführen. Der Auftraggeber<br />

wird hierbei Gespräche mit geeigneten Planern<br />

führen, die mindestens 5 Tage bis zur Angebotsabgabe<br />

in Anspruch nehmen. Die Auswertung mit<br />

anschließender Einspruchsfrist dauert 15 Tage, so<br />

dass nach etwa 3 Wochen der Planungspartner<br />

feststehen kann.<br />

Bei privaten Betreibern werden die Planungsarbeiten<br />

in der Regel <strong>im</strong> Rahmen einer beschränkten<br />

Ausschreibung oder einer freien Vergabe an die<br />

dem Betreiber zugehörigen Bauunternehmen übertragen.<br />

Sehr früh muss geklärt werden, ob be<strong>im</strong> vorliegenden<br />

Alter des Bauwerkes eine Reparatur sinnvoll<br />

ist oder ein Neubau unter Würdigung künftiger<br />

Entwicklungen (z. B. höhere Verkehrslasten oder<br />

stärkere Robustheit gegenüber Naturkatastrophen<br />

oder Terroranschlägen) eine geeignetere Alternative<br />

darstellt. Ebenso sind die vorliegenden Prüfbef<strong>und</strong>e<br />

zum Bauwerkszustand vor dem Schadensereignis<br />

einzubeziehen. Nach Klärung des Vorgehens<br />

kann mit der eigentlichen Planung zur Sanierung<br />

oder zum Neubau begonnen werden.<br />

Wird die Entscheidung für eine Wiederherstellung<br />

gefällt, ist entsprechend dem Schadensausmaß<br />

ein Sanierungskonzept zu entwickeln <strong>und</strong> ausschreibungsreif<br />

durchzuplanen. Ergänzende statische<br />

Entwurfsberechnungen sind parallel durchzuführen.<br />

Für die Planung der Sanierungsmaßnahme<br />

ist <strong>im</strong> Normalfall kein zeitaufwändiges Zust<strong>im</strong>mungsverfahren<br />

(z. B. BMVBS-Entwurfszust<strong>im</strong>mung)<br />

durchzuführen, statt dessen sollte <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf die Zeitschiene schnellstmöglich Zust<strong>im</strong>mungen<br />

<strong>und</strong> Entscheidungen zu den Planungsinhalten<br />

erfolgen. Selbstredend ist die Forderung an<br />

den Planer, einen max<strong>im</strong>alen Ressourceneinsatz<br />

zu gewährleisten, um die Ausschreibung kurzfristig<br />

fertig zu stellen.<br />

Bei der Entscheidung für einen Neubau anstelle<br />

einer Wiederherstellung muss das Ziel verfolgt<br />

werden, die Planung <strong>im</strong> Zeitrahmen einer Wiederherstellung<br />

zu erbringen. Dies ist ein hoher Anspruch,<br />

der aber mit partnerschaftlicher Zusammenarbeit<br />

zwischen Planer <strong>und</strong> Bauherr umgesetzt<br />

werden kann.<br />

� Ausschreibung <strong>und</strong> Vergabe<br />

Das Vorgehen für Ausschreibung <strong>und</strong> Vergabe von<br />

Wiederherstellungsarbeiten richtet sich nach der<br />

VOB/A, [18] für öffentliche Auftraggeber nach dem<br />

Abschnitt 2 VOB/A. Wie bei der Planung bereits<br />

dargestellt, sind die Wiederherstellungsmaßnahmen<br />

nach einem Schadensereignis als sehr vordringlich<br />

einzustufen, so dass das reguläre offene<br />

Verfahren bzw. die öffentliche Ausschreibung nicht<br />

zur Anwendung gelangen kann.<br />

Mit der gleichen Dringlichkeit wie bei der Planung<br />

kann der öffentliche Auftraggeber bis 10.000,00 €<br />

Wiederherstellkosten freihändig (VOB/A § 3 (5))<br />

<strong>und</strong> bis 150.000,00 € beschränkt ohne vorgeschalteten<br />

Teilnahmewettbewerb vergeben (nicht offenes<br />

Verfahren nach VOB/A § 3 a (3)). Darüber<br />

hinaus kann nur ein Verhandlungsverfahren, das<br />

an die Stelle der freihändigen Vergabe tritt (VOB/A<br />

§ 3 a (1) 4.), weiterverfolgt werden. Im Hinblick auf


45 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

die Dringlichkeit kann aber auf den öffentlichen<br />

Teilnahmewettbewerb verzichtet werden (VOB/A §<br />

3 a (6) Nr. 4).<br />

Der Zeitbedarf für Ausschreibung <strong>und</strong> Vergabe,<br />

d.h. für Angebotskalkulation, Submission, Angebotswertung<br />

<strong>und</strong> Vergabe der Leistung, wird bei<br />

umfänglichen Wiederherstellungsleistungen eine<br />

größere Zeitspanne erfordern. Aus der VOB/A § 10<br />

a (2) Nr. 4b ergeben sich die Mindestzeiten für die<br />

Abgabe der Angebote be<strong>im</strong> nicht offenen Verfahren.<br />

Es folgen Verhandlungen mit den Bietern <strong>und</strong> die<br />

Auswahl des künftigen Baupartners. Anschließend<br />

ist der Auftrag zu formulieren, die nicht gewählten<br />

Bieter erhalten eine Benachrichtigung, an die sich<br />

eine 14-tägige Einspruchsfrist anschließt. Dann ist<br />

der obsiegende Bieter nach max<strong>im</strong>al 3 Monaten<br />

beauftragt.<br />

Bei privaten Betreibern werden die Sanierungsarbeiten<br />

analog den Planungsarbeiten in der Regel<br />

ebenfalls <strong>im</strong> Rahmen einer beschränkten Ausschreibung<br />

oder einer freien Vergabe an die dem<br />

Betreiber zugehörigen Bauunternehmen übertragen.<br />

� Baudurchführung<br />

Sofort nach der Vergabe muss mit der Baudurchführung,<br />

der Wiederherstellung oder dem Neubau,<br />

begonnen werden. Wie bei den vorhergehenden<br />

Ablaufschritten ist auch be<strong>im</strong> Bau die Zeit <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf die Wiederverfügbarkeit der entscheidende<br />

Faktor. Aus diesem Gr<strong>und</strong> sind Mehrschichtbetrieb<br />

sowie Arbeiten am Wochenende trotz erhöhter<br />

Kosten notwendige Maßnahmen. Die Mehrkosten<br />

relativieren sich sehr schnell über die volkswirtschaftlichen<br />

oder privatwirtschaftlichen Verluste,<br />

die ein Vielfaches der Mehraufwendungen darstellen.<br />

Bei der Baudurchführung muss ein bis auf die letzte<br />

Aktivität opt<strong>im</strong>ierter Bauablauf umgesetzt werden.<br />

Die erforderliche Logistikleistung muss von<br />

den Baufirmen abgefordert <strong>und</strong> gesondert vergütet<br />

werden. Hierdurch werden aber die Abläufe so gestrafft,<br />

dass Bauzeit gespart <strong>und</strong> damit die Gesamtkosten<br />

min<strong>im</strong>iert werden.<br />

� Angemessene Lösungen<br />

Die angemessene Lösung für die Instandsetzung<br />

eines <strong>Tunnel</strong>s nach einer Beschädigung hat sich<br />

<strong>im</strong> Wesentlichen nach der Art <strong>und</strong> dem Ausmaß<br />

des Schadens, der Bauart <strong>und</strong> dem Alter des <strong>Tunnel</strong>s<br />

sowie den relevanten Standortfaktoren (z. B.<br />

regionale Lage, verkehrliche Anforderungen, zukünftige<br />

Entwicklungen, etc.) zu richten.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der vielfältigen Ausprägungsmöglichkeiten<br />

von Schäden, Bauwerkseigenschaften <strong>und</strong><br />

Standortfaktoren kann es keinen allgemein gülti-<br />

gen Lösungsansatz für eine angemessene Bauwerksinstandsetzung<br />

geben. Vielmehr muss für jeden<br />

Fall eine individuelle Lösung unter Berücksichtigung<br />

einer möglichst schnellen Realisierung der<br />

Sanierung sowie der Angemessenheit der resultierenden<br />

Kosten erarbeitet werden. Hierzu ist eine<br />

vertrauensvolle sowie zeit- <strong>und</strong> kostenorientierte<br />

Zusammenarbeit zwischen Bauwerkseigentümer<br />

<strong>und</strong> einem kompetenten <strong>Tunnel</strong>planer unabdingbar.<br />

Zusätzlich zur Wiederherstellung ihrer verkehrlichen<br />

Funktion sollte der <strong>Tunnel</strong> <strong>im</strong> Zuge ihrer Instandsetzung<br />

natürlich mit entsprechenden<br />

<strong>Schutz</strong>maßnahmen ausgerüstet werden, die den<br />

durch das gegebene Ereignis eingetretenen Schaden<br />

oder weitere, aufgr<strong>und</strong> des Schadenseintritts<br />

neu bewertete Schadensrisiken in Zukunft verhindern<br />

oder zumindest auf ein akzeptables Maß mit<br />

ausreichender Sicherheit reduzieren. Prinzipiell<br />

gelten hierfür alle für den Fall der Nachrüstung /<br />

Verstärkung beschriebenen Lösungen sinngemäß.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich hat die Erfahrung mit der Instandsetzung<br />

von lokal geschädigten <strong>Tunnel</strong>n gezeigt,<br />

dass die Best<strong>im</strong>mung, welche Bauwerksteile noch<br />

ausreichend funktionstüchtig sind <strong>und</strong> welche Bereiche<br />

saniert werden müssen, in der Regel sehr<br />

komplex ist. Zudem sind die Detailplanung <strong>und</strong><br />

Ausführung des Anschlusses der wiederherzustellenden<br />

Bauteile an den unbeschädigten Bauwerksbestand<br />

schwierig <strong>und</strong> aufwändig. Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> ist unter Berücksichtigung des<br />

Schadensausmaßes, des Bauwerksalters <strong>und</strong> der<br />

zukünftigen Beanspruchung für jeden Einzelfall<br />

genau abzuwägen, ob eine Instandsetzung mittels<br />

Reparatur oder ein kompletter Neubau des <strong>Tunnel</strong>s<br />

die zeitlich <strong>und</strong> wirtschaftlich bessere Lösung<br />

darstellt.<br />

5.2.3 Empfehlungen zur schnellen<br />

Wiederinbetriebnahme<br />

Die Abläufe von den ersten Rettungs- <strong>und</strong> Sicherungsmaßnahmen<br />

nach dem Eintritt eines Ereignisses<br />

bis zur Wiederinbetriebnahme nach erfolgter<br />

Bauwerkssanierung sind, wie die Instandsetzungslösungen<br />

selbst, je nach Schadensausmaß,<br />

Bauwerksart <strong>und</strong> –alter sowie lokalen Standortfaktoren<br />

völlig unterschiedlich. Die Erarbeitung eines<br />

allgemein gültigen Leitfadens für die Wiederinbetriebnahme<br />

eines <strong>Tunnel</strong>s ist daher praktisch unmöglich.<br />

Lediglich das Ziel, jede Wiederinbetriebnahme<br />

so schnell wie möglich unter Einhaltung eines<br />

angemessenen Kostenrahmens zu realisieren,<br />

ist für jedes individuell zu erarbeitende Konzept als<br />

übergeordnet <strong>und</strong> allgemein gültig zu betrachten.<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, ist es sinnvoll, <strong>im</strong><br />

Rahmen der Sicherheitsdokumentation für jedes<br />

<strong>Tunnel</strong>bauwerk bereits <strong>im</strong> Vorfeld der Eröffnung<br />

gr<strong>und</strong>sätzliche Konzeptstrategien zu entwickeln,


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 46<br />

die alle für den <strong>Tunnel</strong> relevanten, vom Schadensereignis<br />

<strong>und</strong> Schadensausmaß unabhängigen Einflussgrößen<br />

(z. B. lokale Standortfaktoren, betreiberspezifische<br />

Rahmenbedingungen) bereits berücksichtigen.<br />

Auf Basis dieser allgemeinen Strategien<br />

müssen dann <strong>im</strong> Schadensfall detaillierte<br />

Ablaufkonzepte unter Berücksichtigung aller ereignis-<br />

<strong>und</strong> schadensrelevanten Parameter erarbeitet<br />

<strong>und</strong> umgesetzt werden.<br />

Eine Lösungsmöglichkeit für diesen Ansatz ist es,<br />

die Betriebs- <strong>und</strong> Sicherheitsdokumentation, in der<br />

Vorgehensweisen für vorhersehbare Schadensszenarien<br />

(z. B. Betriebsstörungen durch Unfall,<br />

oder begrenzter Brand) definiert werden, um Vorgaben<br />

für das Management einer Krise zu erweitern.<br />

Als Krise können hierbei z. B. alle Vorgänge<br />

definiert werden, die die Sicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

von Bauwerksnutzer <strong>und</strong> Betriebspersonal,<br />

des Bauwerks <strong>und</strong> / oder der Umwelt auf unvorhergesehene<br />

Weise <strong>und</strong> in hohem Maße gefährden.<br />

Die Reaktion auf solche Vorgänge liegt jenseits<br />

der unmittelbaren Kontrolle des Betreibers.<br />

Die Definition folgender gr<strong>und</strong>sätzlicher Konzepte<br />

<strong>im</strong> Vorfeld des ereignisbezogenen Krisenmanagements<br />

kann die Vorgänge <strong>und</strong> Lösungen zur Instandsetzung<br />

<strong>und</strong> Wiederinbetriebnahme eines<br />

beschädigten Bauwerks deutlich beschleunigen:<br />

� Definition der Zusammensetzung eines interdisziplinären<br />

Krisenmanagement-Teams aus<br />

betreiberinternen <strong>und</strong> externen Spezialisten<br />

sowie eines entsprechenden Koordinators <strong>und</strong><br />

Ablage der entsprechenden Kontaktdaten aller<br />

Teammitglieder in einer zentralen <strong>und</strong> für alle<br />

Mitarbeiter zugänglichen Datenbank<br />

� Vorbereitung eines Einsatzzentrums für das<br />

Krisenmanagement-Team<br />

� Definition von 24 Std./Tag Bereitschafts-, Entscheidungs-,<br />

Planungs- <strong>und</strong> Handlungsverantwortlichkeiten.<br />

Die Erfahrung aus konkreten<br />

Einzelfällen zeigt, dass es sinnvoll sein kann,<br />

erfahrenen Vor-Ort-Mitarbeitern für den Zeitraum<br />

der Krisenbewältigung weit reichende<br />

Möglichkeiten zur Eigeninitiative mit entsprechenden,<br />

auch finanziellen Handlungsermächtigungen<br />

zu übertragen.<br />

� Einrichtung von krisensicheren, red<strong>und</strong>anten<br />

Kommunikationsnetzen, die auch in Worst-<br />

Case-Szenarien (z. B. kompletter Stromausfall<br />

<strong>und</strong> kein Handy-Betrieb möglich) funktionieren<br />

� Festlegung kontinuierlicher Informationsweitergabe<br />

innerhalb des Krisenmanagement-Teams<br />

<strong>und</strong> aller Beteiligten (z. B. <strong>im</strong> Rahmen von regelmäßigen<br />

Koordinationstreffen oder durch regelmäßige<br />

Übermittlung eines Fortschrittberichts<br />

der verschiedenen Einsatzgruppen an alle<br />

Mitarbeiter)<br />

� Festlegung schneller Kooperationswege zwischen<br />

allen notwendigen Beteiligten (z. B. Betreiber,<br />

Versicherungsvertreter, Genehmigungsbehörden,<br />

Planer, Bau- <strong>und</strong> Betriebsdienstleister)<br />

� Klare <strong>und</strong> entsprechend verbreitete Dokumentation<br />

des Versicherungsschutzes für alle denkbaren<br />

Schadensszenarien (Versicherungsbedingungen,<br />

entsprechende Deckungssummen,<br />

welche Einbehalte)<br />

� Erstellung von Finanzierungsplänen für die<br />

schnelle Instandsetzung großer Schäden <strong>und</strong><br />

den ggfls. notwendigen kompletten Abriss <strong>und</strong><br />

Neuaufbau.<br />

Zudem sollten ebenfalls frühzeitig folgende gr<strong>und</strong>legende<br />

Konzepte zur Min<strong>im</strong>ierung der Verkehrsbeeinträchtigung<br />

<strong>im</strong> Krisenfall erarbeitet werden:<br />

� Einrichtung von krisensicheren, red<strong>und</strong>anten<br />

Verkehrskontrollsystemen<br />

� Verkehrsführungskonzepte für den Fall einer<br />

Teilsperrung des <strong>Tunnel</strong>s<br />

� Umleitungskonzept zur Aufrechterhaltung der<br />

regionalen Verkehrsverbindungen für den Fall<br />

einer notwendigen Vollsperrung des <strong>Tunnel</strong>s<br />

� Bauwerksnahe Bevorratung von Absperr- <strong>und</strong><br />

Umleitungsmaterial <strong>und</strong> entsprechender Verkehrszeichen<br />

Die Praxiserfahrung zeigt, dass die Ausgabe klarer<br />

<strong>und</strong> zielgerichteter Rahmenvorgaben zur Bewältigung<br />

derartiger Krisen durch die verantwortliche<br />

Leitung des Betreibers eminent wichtig ist. Hierbei<br />

sind neben den Entscheidungs- <strong>und</strong> Handlungsverantwortlichkeiten<br />

auch die Priorisierung bzgl.<br />

Min<strong>im</strong>ierung der Verkehrsbeeinträchtigung gegenüber<br />

einer möglichst schnellen Bauwerksinstandsetzung<br />

festzulegen. Z. B. kann die Aufrechterhaltung<br />

einer Teilpassierbarkeit des <strong>Tunnel</strong>s priorisiert<br />

werden, auch wenn daraus eine deutlich längere<br />

Instandsetzungszeit resultiert.<br />

Alle <strong>im</strong> Rahmen einer Instandsetzung <strong>und</strong> Wiederinbetriebnahme<br />

gemachten Erfahrungen sind zur<br />

besseren Bewältigung künftiger Krisen <strong>und</strong> Beschleunigung<br />

der Wiederinbetriebnahme zu analysieren<br />

<strong>und</strong> zu dokumentieren, die Sicherheitsdokumentation<br />

für den Krisenfall ist entsprechend<br />

fortzuschreiben.<br />

5.3 Empfehlungen zur Maßnahmenanwendung<br />

für Betreiber, Einsatzdienste<br />

<strong>und</strong> Nutzer<br />

Im folgenden Kapitel werden zwölf betriebliche <strong>und</strong><br />

fünf organisatorische <strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Tunnel</strong><br />

sowie ihre Wirkungsweisen erläutert. Zwei der<br />

Maßnahmen wirken präventiv, die übrigen dienen<br />

pr<strong>im</strong>är dem Nutzerschutz, die meisten nachgeord-


47 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

net auch dem Bauwerksschutz. Sie sind zur Prävention<br />

<strong>und</strong>/oder Ausmaßminderung bei verschiedenen<br />

Ereignissen geeignet.<br />

Da für ihre Umsetzung in den meisten Fällen nicht<br />

die Nutzer selbst, sondern entweder der Betreiber<br />

des <strong>Tunnel</strong>s oder die Einsatzdienste verantwortlich<br />

sind, werden die Empfehlungen für die einzelnen<br />

Maßnahmen an diese Zielgruppen gerichtet formuliert.<br />

Eine Unterscheidung zwischen Neubau, Nachrüstung<br />

<strong>und</strong> Instandsetzung wie bei den Maßnahmen<br />

zum Bauwerksschutz erfolgt hier nicht, da Unterschiede,<br />

wenn überhaupt, nur bei den Investitionskosten<br />

bestehen. Eine detaillierte Beschreibung<br />

der Maßnahmen ist den angehängten Maßnahmenblättern<br />

zu entnehmen.<br />

5.3.1 Empfehlungen für Betreiber<br />

5.3.1.1 T 11 - Detektion überhitzter Fahrzeuge<br />

Die Erkennung überhitzter Fahrzeuge wirkt präventiv<br />

<strong>und</strong> kann helfen, Unfälle, Brände, sowie durch<br />

Überhitzungsbrände ausgelöste Explosionen <strong>und</strong><br />

Kontamination zu verhindern <strong>und</strong> auf diese Weise<br />

sowohl die Sicherheit der Nutzer zu erhöhen, als<br />

auch das Bauwerk vor gravierenden Beschädigungen<br />

zu schützen.<br />

Im Fall einer Detektion überhitzter Fahrzeuge können<br />

diese an einer Einfahrt in den <strong>Tunnel</strong> gehindert<br />

<strong>und</strong> die Gefährdung auf diese Weise frühzeitig<br />

abgewendet werden. Maßnahmen zur Verhinderung<br />

einer unerlaubten Einfahrt können bei weit<br />

vorgelagerter Detektion ein direktes Herausholen<br />

des Fahrzeugs oder Sperreinrichtungen, z. B. Verkehrssignale<br />

oder Schranken, an der <strong>Tunnel</strong>einfahrt<br />

umfassen.<br />

Die Sensorik für die Maßnahme besteht aus Video-<br />

<strong>und</strong> Wärmebildkameras, die seitlich oberhalb der<br />

Fahrbahn installiert werden (z. B. an Schilderbrücken<br />

oder Masten), daher wird der fließende Verkehr<br />

– außer <strong>im</strong> Alarmfall - weder durch den Einbau<br />

noch durch die Maßnahme selbst beeinträchtigt.<br />

Die Maßnahme zielt in ihrer aktuellen Ausprägung<br />

zuvorderst auf die automatisierte Unterstützung bei<br />

der Detektion überprüfungswürdiger Fahrzeuge<br />

ab, deren Temperaturprofil <strong>und</strong> Wärmebild dem<br />

sachk<strong>und</strong>igen Operator in der Leitstelle zur weiteren<br />

Begutachtung <strong>und</strong> Veranlassung <strong>im</strong> Alarmfall<br />

zur Verfügung gestellt werden. Nach derzeitigem<br />

Stand der Technik ist eine automatisierte Sperrung<br />

der <strong>Tunnel</strong>einfahrt <strong>im</strong> Falle eines erkannten überhitzen<br />

Fahrzeugs nicht zu empfehlen, da es für die<br />

Festlegung von geeigneten Schwellwerten noch<br />

weiterer Forschung sowie Regulierung bedarf.<br />

Die Kosten der Maßnahme für den Betreiber sind<br />

moderat <strong>und</strong> betreffen <strong>im</strong> Wesentlichen die<br />

Sensorik (Kameras) <strong>und</strong> das Auswertesystem<br />

(Software <strong>und</strong> Server) sowie die entsprechende<br />

Schulung der Operatoren. Bei Umsetzung der<br />

Maßnahme sind datenschutzrechtliche Belange zu<br />

beachten.<br />

Es wird empfohlen, dass insbesondere Betreiber<br />

von <strong>Tunnel</strong>n nach Gefällestrecken oder von längeren<br />

<strong>Tunnel</strong>n, bei denen ein Ausfall bzw. eine Wiederherstellung<br />

sehr hohe Kosten bedeuten würden,<br />

<strong>und</strong> bei denen potenziell mit einer hohen Anzahl<br />

an Personenschäden gerechnet werden<br />

muss, den Einsatz dieser Maßnahme prüfen sollten.<br />

Des Weiteren wird empfohlen, die Maßnahme<br />

<strong>im</strong> Rahmen von umfassenderen Feldtests sowie<br />

Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsprojekten weiter zu<br />

verfeinern <strong>und</strong> ggfls. eine entsprechende Regulierung<br />

anzustoßen.<br />

5.3.1.2 T 12 - Gefahrgutbeschränkung/ kategorisierung<br />

Die Kategorisierung <strong>und</strong> Beschränkung von Gefahrgut<br />

wirkt präventiv <strong>und</strong> kann Brand, Kontamination<br />

sowie durch Unfälle ausgelöste Explosionen<br />

verhindern. Sie ermöglicht, gezielt best<strong>im</strong>mte Gefahrgüter<br />

von der <strong>Tunnel</strong>durchfahrt auszuschließen,<br />

wodurch Unfälle mit den ausgeschlossenen<br />

Gefahrgütern nicht mehr auftreten können. So<br />

werden sowohl die Nutzer als auch das Bauwerk<br />

geschützt.<br />

Durch eine alleinige Beschränkung ohne zusätzliche<br />

Maßnahmen wird ein Großteil der ausgeschlossenen<br />

Gefahrgüter ferngehalten. Soll die Sicherheit<br />

opt<strong>im</strong>iert werden, kann die Gefahrgutbeschränkung<br />

mit einer Gefahrgutdetektion (s. „T 13 /<br />

T 14 – Gefahrgutdetektion“) <strong>und</strong> einer Sperreinrichtung<br />

für den <strong>Tunnel</strong> kombiniert werden. So<br />

kann auch die vorsätzliche, unerlaubte Einfahrt in<br />

den <strong>Tunnel</strong> verhindert werden.<br />

Die Ermittlung der Kategorisierung erfolgt nach<br />

dem mehrstufigen „Verfahren zur Kategorisierung<br />

von Straßentunneln gemäß ADR 2007“ [23]. Hier<br />

werden die Gefahrgutrisiken sowohl für den <strong>Tunnel</strong><br />

als auch für die mögliche Umfahrungsstrecke, für<br />

die die umgeleiteten Gefahrgüter ein zusätzliches<br />

Risiko darstellen, bewertet.<br />

Bisher entscheidet der Betreiber über die Anwendung<br />

dieses Verfahren, wenn ein <strong>Tunnel</strong> nach Expertenmeinung<br />

für Gefahrgut gesperrt werden sollte.<br />

Es wird empfohlen, das Verfahren flächendeckend<br />

bei allen <strong>Tunnel</strong>n anzuwenden.<br />

Es handelt sich um eine Maßnahme mit geringen<br />

Kosten für den Betreiber, da die Anschaffungskosten<br />

sowohl bei Neubau als auch bei Nachrüstung<br />

niedrig sind <strong>und</strong> keine weiteren Unterhaltskosten<br />

entstehen. Dies ist vom Objekt unabhängig. Neben<br />

den reinen Investitionskosten sind bei der Umsetzung<br />

allerdings auch die wirtschaftlichen Kosten-


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 48<br />

folgen zu berücksichtigen. Diese ergeben sich z. B.<br />

für den Gefahrgutspediteur bei einer notwendigen<br />

Umfahrung des <strong>Tunnel</strong>s aufgr<strong>und</strong> einer vorhandenen<br />

Kategorisierung.<br />

5.3.1.3 T 13/T14 Gefahrguterkennung<br />

Die Gefahrguterkennung mittels Video bzw. RFID<br />

ermöglicht es dem Operator sowie den Einsatzdiensten,<br />

zielgerichtet auf die aktuell <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

herrschende Gefahr zu reagieren <strong>und</strong> beispielsweise<br />

bei Benzin kein Wasser sondern entsprechende<br />

Schaumlöschmittel einzusetzen. Darüber<br />

hinaus kann die Einhaltung der <strong>Tunnel</strong>kategorie<br />

gemäß ADR [23] überwacht werden. Insofern wirkt<br />

diese Maßnahme ausmaßmindernd für Nutzer <strong>und</strong><br />

Bauwerk.<br />

Be<strong>im</strong> Transport gefährlicher Güter ist, auch wenn<br />

die vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen<br />

eingehalten werden, das Risiko eines Störfalles<br />

nicht generell auszuschließen. Das Risiko n<strong>im</strong>mt<br />

zu, je mehr LKW sich gleichzeitig in einem <strong>Tunnel</strong><br />

befinden, da es <strong>im</strong> Störfall zu einer Kettenreaktion<br />

kommen kann. Des Weiteren ist <strong>im</strong> Brandfall nicht<br />

jedes Gefahrgut mit Wasser zu löschen. Daher ist<br />

es von Nutzen zu wissen, welche Gefahrgüter sich<br />

jeweils in einem <strong>Tunnel</strong> befinden. Dies kann durch<br />

eine Detektion von Gefahrgut-LKW zum Beispiel<br />

per Videodetektion über die Gefahrguttafel oder<br />

über einen RFID-Tag vor der Einfahrt in den <strong>Tunnel</strong><br />

geschehen. Hierdurch ist <strong>im</strong> Ereignisfall die<br />

Möglichkeit gegeben, gezielte Maßnahmen gegen<br />

die <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> befindlichen Gefahrgüter zu ergreifen.<br />

Die Kosten der Maßnahme für den Betreiber sind<br />

moderat <strong>und</strong> betreffen <strong>im</strong> Wesentlichen die<br />

Sensorik (Kameras / RFID Empfänger) <strong>und</strong> das<br />

Auswertesystem (Software <strong>und</strong> Server) sowie die<br />

entsprechende Schulung der Operatoren.<br />

Es wird empfohlen, dass insbesondere Betreiber<br />

von längeren <strong>Tunnel</strong>n, bei denen ein Ausfall bzw.<br />

eine Wiederherstellung sehr hohe Kosten hervorrufen<br />

würde <strong>und</strong> bei denen potenziell mit einer hohen<br />

Anzahl an Personenschäden gerechnet werden<br />

muss, den Einsatz dieser Maßnahme dringend<br />

prüfen sollten.<br />

Die Ergebnisse des Feldtests <strong>im</strong> Projekt <strong>SKRIBT</strong>,<br />

insbesondere die erreichten Detektions-<br />

Leistungen, lassen in Kürze eine technologisch<br />

stabile Lösung für das automatische Lesen von<br />

Gefahrguttafeln per Videodetektion am Markt erwarten.<br />

Da es sich um eine rein Infrastrukturbasierte<br />

Lösung handelt, sind Änderungen an den<br />

Fahrzeugen nicht notwendig. Es wird allerdings<br />

empfohlen, das manuelle Zusammensetzen der<br />

Gefahrguttafeln zu vermeiden, da dies zu Lesefehlern<br />

führen kann. Zudem gibt es Gefahrguttransporter<br />

mit mehreren unterschiedlich gelade-<br />

nen Gefahrgütern. In diesem Falle gibt es an Front<br />

bzw. Heck des Fahrzeugs eine neutrale Tafel ohne<br />

Aufschrift. Es wird empfohlen, diese zu vermeiden.<br />

Ein RFID gestütztes System ist deutlich genauer,<br />

hierfür sind jedoch noch operative Modelle zu erarbeiten.<br />

Die Anordnung <strong>und</strong> Einbindung eines<br />

RFID Empfangssystems wäre ähnlich wie bei der<br />

Kamera. Für die RFID Sendesysteme (Tags)<br />

müssten innerhalb der nächsten 2-3 Jahre Standards<br />

festgelegt <strong>und</strong> mindestens Europa-weit gesetzliche<br />

Regelungen auf den Weg gebracht werden,<br />

welche in der Vorschrift resultieren, dass jeder<br />

Gefahrguttransporter mit einer entsprechenden<br />

elektronischen Gefahrguttafel ausgerüstet wird.<br />

Bei beiden Varianten sind datenschutzrechtliche<br />

Belange zu beachten.<br />

5.3.1.4 T 15 - ITCC Integration<br />

Die Vielzahl der zu verarbeitenden Informationen,<br />

die in einem <strong>Tunnel</strong> laufend anfällt, ist für eine<br />

"manuelle" Verarbeitung durch den Bediener nicht<br />

geeignet. Eine entsprechende Integration in die<br />

bestehende Betriebsleittechnik ist daher unerlässlich,<br />

da nur durch sie eine abgest<strong>im</strong>mte <strong>und</strong> koordinierte<br />

Reaktion des Systems auf Ereignisse sichergestellt<br />

werden kann.<br />

Im Projekt <strong>SKRIBT</strong> wurden zwei Arten von ITCC<br />

(„International <strong>Tunnel</strong> Control Center“) Integration<br />

betrachtet:<br />

� Integration der neuartigen Detektoren (Erkennung<br />

überhitzter Fahrzeugteile (T 11), Gefahrguterkennung<br />

(T 13 / T 14)<br />

� Integration der Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrpläne<br />

(AGAPs)<br />

Die neuartigen Detektoren wurden in die Bedienoberfläche<br />

integriert <strong>und</strong> stellen das aktuell <strong>im</strong><br />

<strong>Tunnel</strong> befindliche Gefahrgut dar, bzw. alarmieren<br />

den Bediener bei Detektion eines überhitzten<br />

Fahrzeugs. Gegebenenfalls kann der <strong>Tunnel</strong> in<br />

solchen Fällen auch voll- oder halbautomatisch<br />

gesperrt werden, um das Einfahren des Fahrzeuges<br />

zu verhindern bzw. den Zufluss weiterer Fahrzeuge<br />

zu unterbinden.<br />

Die herkömmlichen, papiergeb<strong>und</strong>enen Alarm- <strong>und</strong><br />

Gefahrenabwehrpläne werden durch eine computergestützte<br />

Abarbeitung ersetzt, wobei eine Dokumentation<br />

auf Papier oder anderen Datenträgern<br />

unterstützt wird. Die computerbasierte Version bietet<br />

etliche Vorteile:<br />

� Die Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrpläne werden<br />

nur an einem Ort verwaltet <strong>und</strong> können automatisch<br />

aktualisiert werden.<br />

� Die Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrpläne sind jederzeit<br />

aktuell.


49 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

� Der Bediener hat die Möglichkeit, die Abarbeitung<br />

<strong>und</strong> Quittierung mit Kommentaren <strong>und</strong> Erläuterungen<br />

zu versehen.<br />

� Zur späteren Auswertung von Ereignissen wird<br />

<strong>im</strong> System alles lückenlos dokumentiert <strong>und</strong> mit<br />

Zeitstempeln versehen.<br />

Die volle Integration von neuartigen Detektoren<br />

<strong>und</strong> von Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrplänen wird<br />

als ein probates Mittel zur Unterstützung der Operatoren<br />

<strong>und</strong> Opt<strong>im</strong>ierung der Handlungsabläufe<br />

gesehen. Dies ist insbesondere in Anbetracht des<br />

Trends, mehr <strong>und</strong> mehr <strong>Tunnel</strong> von einer einzigen<br />

Zentrale aus zu steuern <strong>und</strong> zu überwachen, von<br />

herausragender Bedeutung, da verschiedene <strong>Tunnel</strong><br />

unterschiedliche AGAPs benötigen können <strong>und</strong><br />

so die benötigte Dokumentation sehr umfangreich<br />

werden kann.<br />

Die Investitionskosten sind insbesondere be<strong>im</strong> Ersatz<br />

von Anlagen oder deren Neuerrichtung gering.<br />

Die laufenden Unterhaltskosten sind geringer<br />

als eine papiergestützte Verwaltung <strong>und</strong> Vorhaltung<br />

von Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrplänen. Daher<br />

wird der Einsatz der ITCC Integration empfohlen.<br />

Bei der genauen Ausgestaltung des Systems<br />

sind Anforderungen des Daten- <strong>und</strong> des Arbeitnehmerschutzes<br />

zu berücksichtigen.<br />

5.3.1.5 T 16 – Gasdetektion<br />

Gasdetektionsanlagen gehören zur Standardausrüstung<br />

von chemischen Anlagen <strong>und</strong> sind dort<br />

seit vielen Jahren <strong>im</strong> produktiven <strong>und</strong> zuverlässigen<br />

Einsatz. Sie detektieren mit hoher Genauigkeit<br />

auch geringe Mengen an brennbaren, giftigen oder<br />

ätzenden Gasen. Bislang sind solche Anlagen unüblich<br />

in Verkehrstunneln, wo sie wie in der chemischen<br />

Industrie brennbare, giftige oder ätzende<br />

Gase, gegebenenfalls auch zu geringe Sauerstoffkonzentrationen,<br />

detektieren können.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des ständig steigenden Verkehrsaufkommens,<br />

das auch zu mehr Gefahrguttransporten<br />

von verflüssigten oder verdichteten Gasen führt<br />

(zum Teil auch wegen der Vorteile von Gasen gegenüber<br />

Flüssigkeiten in der chemischen Industrie),<br />

steigt auch die Gefahr eines ungewollten Austritts<br />

dieser Gase mit negativen Auswirkungen auf<br />

die Nutzer <strong>und</strong> die Einsatzdienste.<br />

Eine Gasdetektion kann hier präventiv wirken, indem<br />

ein ausgetretenes Gas detektiert wird, bevor<br />

es sich entzündet oder explodiert. In diesem Fall<br />

hat die Maßnahme sowohl für Nutzer als auch für<br />

das Bauwerk eine schützende Wirkung. Zudem<br />

wird durch eine derartige Anlage die Möglichkeit<br />

geschaffen, die Lüftungsszenarien bei Gasaustritt<br />

speziell für die jeweilige Situation zu regeln. Außerdem<br />

können die Einsatzkräfte bereits vor Eintreffen<br />

am Unfallort genauer über die Art des Ereignisses<br />

informiert werden.<br />

Eine Gasdetektionsanlage besteht aus den Detektoren<br />

(ca. alle 100 m <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> zu verbauen), der<br />

passenden Auswerteinheit bzw. einer Verbindung<br />

zum Leitrechner sowie der geeigneten Logik <strong>und</strong><br />

den Gefahrenabwehrplänen. Die Investitionskosten<br />

sind gering, ebenso wie die laufenden Unterhalts-<br />

<strong>und</strong> Wartungskosten. Die Wartungskosten<br />

bestehen lediglich aus den 1-5 jährigen Wechselzyklen<br />

der elektrochemischen Messaufnehmer.<br />

Hinsichtlich der Genauigkeit der Detektoren werden<br />

keine besonderen Anforderungen gestellt, allerdings<br />

müssen sich auch relativ geringe Konzentrationen<br />

rasch <strong>und</strong> zuverlässig detektieren lassen.<br />

Es wird empfohlen, den Einsatz solcher Anlagen<br />

<strong>im</strong> Einzelfall <strong>und</strong> abgest<strong>im</strong>mt auf das für den <strong>Tunnel</strong><br />

zugelassene Gefahrgut zu planen. Künftige<br />

Entwicklungen, vor allem auf dem Gebiet der Antriebstechnik<br />

von Fahrzeugen (wie zum Beispiel<br />

erdgasbetriebene Fahrzeuge oder Fahrzeuge mit<br />

Wasserstoffantrieb) sind zu berücksichtigen.<br />

5.3.1.6 T 17 - Schnellere Ereignisdetektion<br />

Eine schnellere Ereignisdetektion wirkt ausmaßmindernd<br />

bei Brand, BLEVE, Kontamination <strong>und</strong><br />

Überflutung. Sie ermöglicht eine frühere Aufforderung<br />

der Nutzer zur Flucht in sichere Bereiche <strong>und</strong><br />

verbessert so die Möglichkeit zur Selbstrettung.<br />

Daher ist diese Maßnahme auch für Szenarien der<br />

Verkehrssicherheit relevant. Darüber hinaus wird<br />

durch eine frühere Initialisierung des situationsgerechten<br />

Betriebs der Brandlüftung erreicht, dass<br />

diese ihre schadensausmaßmindernde Wirkung für<br />

<strong>Tunnel</strong>nutzer <strong>und</strong> Bauwerk bei Brand-, BLEVE-<br />

<strong>und</strong> Kontaminationsereignissen früher entfalten<br />

kann. Des Weiteren bewirkt ein früheres Sperren<br />

der <strong>Tunnel</strong>zufahrten eine Reduktion der potenziell<br />

gefährdeten <strong>Tunnel</strong>nutzer.<br />

Eine Verkürzung in der Ereignisdetektion kann<br />

durch die Installation zusätzlicher Detektionssysteme<br />

erzielt werden. Eine schnellere Detektion von<br />

verkehrlichen Störfällen <strong>und</strong> Bränden ist beispielsweise<br />

durch die Installation eines Videodetektionssystems<br />

realisierbar, wie <strong>im</strong> Rahmen des <strong>im</strong> Auftrag<br />

des BMVBS durchgeführten Forschungsprojektes<br />

„Brand- <strong>und</strong> Störfalldetektion in Straßentunneln“<br />

[24] gezeigt werden konnte. Danach lassen<br />

sich Brandereignisse <strong>und</strong> verkehrliche Störfälle innerhalb<br />

weniger Sek<strong>und</strong>en detektieren. Zur lückenlosen<br />

Überwachung werden <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong>innenraum<br />

Videokameras <strong>im</strong> Abstand von 75 m – 100 m<br />

installiert. Zur Raucherkennung <strong>im</strong> Brandfall werden<br />

die Kamerabilder auf ihre Bildkontraste ausgewertet<br />

<strong>und</strong> bei Unterschreitung best<strong>im</strong>mter Kontrastwerte<br />

wird ein Alarm ausgelöst. Verkehrliche<br />

Störfälle, wie beispielsweise haltende Fahrzeuge,<br />

Falschfahrer etc., die ein Ereignis auslösen können,<br />

werden über Bewegungsanalysen <strong>im</strong> Videobild<br />

online erfasst <strong>und</strong> generieren bei Ereignisein-


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 50<br />

tritt einen entsprechenden Alarm.<br />

Aufgr<strong>und</strong> möglicher Sichtbehinderungen durch<br />

Lkw sind die Kameras möglichst hoch über der<br />

Fahrbahn zu installieren. Um Objekte über möglichst<br />

weite Bereiche zu erkennen, sollten die Kameras<br />

eine ausreichend hohe Auflösung (bspw.<br />

752 x 582 Pixel) aufweisen <strong>und</strong> zur Vermeidung<br />

von Smearing-Effekten über eine möglichst große<br />

Dynamik verfügen. Bei der Bildauswertung ist darauf<br />

zu achten, dass diese nicht durch Reflektionen,<br />

nasse Fahrbahnen <strong>und</strong> Fahrzeugbeleuchtungen<br />

beeinflusst wird. Zudem sind bei der Verwendung<br />

von Videodetektion datenschutzrechtliche<br />

Belange zu beachten.<br />

Zur Detektion von Kontamination durch Chlor <strong>und</strong><br />

andere Gase sind spezielle Gasmessgeräte erforderlich,<br />

die in ausreichend kleinen Abständen zu<br />

positionieren sind. Die Detektion einer Überflutung<br />

kann durch Detektoren zur Messung von Wasserfilmdicken<br />

oder auch mittels Videodetektionssystemen<br />

(s.o.) erfolgen.<br />

Die Auswertung von Meldungen erfolgt personell in<br />

der <strong>Tunnel</strong>zentrale. Hierzu ist eine grafische Bedienoberfläche<br />

zu verwenden.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Verbesserung der Nutzer- <strong>und</strong> der<br />

Bauwerkssicherheit <strong>im</strong> Ereignisfall kann die Maßnahme<br />

Schnellere Ereignisdetektion für <strong>Tunnel</strong>bauwerke<br />

mit hoher Verkehrsdichte empfohlen<br />

werden.<br />

5.3.1.7 T 18 - Dynamische Fluchtwegkennzeichnung<br />

Eine dynamische Fluchtwegkennzeichnung wirkt<br />

ausmaßmindernd bei Brand, BLEVE <strong>und</strong> Kontamination.<br />

Sie verbessert die Orientierung <strong>im</strong> Ereignisfall,<br />

indem sie nach Lokalisation der Gefahrquelle(n)<br />

<strong>Tunnel</strong>nutzern standortabhängig die besten<br />

Fluchtmöglichkeiten aus gefährdeten Bereichen<br />

anzeigt. Sie wirkt hierdurch direkt auf den Nutzer<br />

<strong>und</strong> verbessert so die Möglichkeit zur Selbstrettung.<br />

Somit ist diese Maßnahme auch für Szenarien<br />

der Verkehrssicherheit relevant. Die positive<br />

Wirkung sinkt allerdings mit späterer Detektion <strong>und</strong><br />

Alarmierung deutlich.<br />

Sobald die Freisetzung eines Gefahrenstoffes in<br />

einem Abschnitt des <strong>Tunnel</strong>s detektiert wird, zeigen<br />

die Rettungszeichen ausschließlich Fluchtwege<br />

an, die nicht in den <strong>Tunnel</strong>abschnitt mit detektierter<br />

Gefahrstofffreisetzung hinein führen. Die dynamische<br />

Schaltung der Fluchtwegkennzeichnung<br />

erfordert <strong>im</strong> Ereignisfall eine Ereignisdetektion sowie<br />

die Best<strong>im</strong>mung des Ereignisortes.<br />

Als Anzeige dienen Lichtzeichen (inzwischen auch<br />

LED bestückt) in Form beleuchteter Pfeile oder<br />

Kreuze, die in der <strong>Tunnel</strong>wand oder in die Fahrbahn<br />

verbaut sind. Unterstützung erfahren dyna-<br />

mische Warnsysteme durch die Umsetzung der <strong>im</strong><br />

<strong>SKRIBT</strong>-Bericht „Menschliches Verhalten“ [25]<br />

empfohlenen Maßnahmen, wie der Farbgebung<br />

der Fluchtweganzeige (grün) <strong>und</strong> einer bewegten<br />

Signalisierung (z. B. Lauflicht in Richtung der<br />

Fluchttür).<br />

Die dynamische Fluchtwegkennzeichnung stellt<br />

hohe Anforderungen an eine örtlich genaue Best<strong>im</strong>mung<br />

des Ereignisortes, da bei einer Falschanzeige<br />

flüchtende <strong>Tunnel</strong>nutzer in die Richtung<br />

des Ereignisortes geleitet werden <strong>und</strong> in einem<br />

solchen Fall wesentlich mehr Nutzer zu Schaden<br />

kommen können als mit einer statischen Fluchtwegkennzeichnung.<br />

Daher ist bei der Systementwicklung<br />

insbesondere auf sinnvolle Red<strong>und</strong>anz-<br />

<strong>und</strong> Rückfall-Lösungen zu achten, damit be<strong>im</strong> Ausfall<br />

der Steuerung die Sicherheit gewährleistet ist.<br />

Fehlanzeigen können unter Umständen zu Schadensersatzansprüchen<br />

führen, wenn sie durch eine<br />

Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht<br />

verursacht wurden.<br />

Die Ablösung der statischen Piktogramme zur<br />

Fluchtwegkennzeichnung durch bewegliche Richtungsanzeigen<br />

wurde erstmals <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Sanierungsarbeiten des Düsseldorfer Flughafens<br />

nach dem Brand am 11.4.1996 gefordert. Im Zuge<br />

dieser Ausschreibung beschäftigten sich verschiedene<br />

Firmen mit diesem Thema <strong>und</strong> entwarfen<br />

entsprechende Systeme, die später teilweise weiterentwickelt<br />

<strong>und</strong> in verschiedenen Hochbauprojekten<br />

erfolgreich eingesetzt wurden. Im Jahr 2003<br />

wurde eine dynamische Fluchtwegkennzeichnung<br />

erstmals in einem <strong>Tunnel</strong>, dem 1580 m langen<br />

Markusbergtunnel in Luxemburg, realisiert, wegen<br />

der o.g. möglichen Schadensersatzansprüchen allerdings<br />

nicht in Betrieb genommen.<br />

Da die Wirkung der Maßnahme eine sehr frühe Erkennung<br />

des Schadensereignisses voraussetzt,<br />

kann sie nur in Kombination mit einer schnellen<br />

<strong>und</strong> zuverlässigen Detektion empfohlen werden.<br />

5.3.1.8 T 19 - Rauchabsaugung<br />

Eine Rauchabsaugung dient dem Nutzerschutz<br />

sowie nachgeordnet auch dem Bauwerksschutz.<br />

Sie wirkt ausmaßmindernd bei Brand, BLEVE <strong>und</strong><br />

Kontamination.<br />

Wesentliche Bestandteile einer Rauchabsaugung<br />

sind einzeln ansteuerbare Rauchabzugsvorrichtungen,<br />

über die Rauch <strong>und</strong> Schadgase sowie<br />

Wärme aus dem <strong>Tunnel</strong>innenraum extrahiert werden.<br />

Die Abführung der mit Verbrennungsprodukten<br />

oder Schadgasen belasteten <strong>Tunnel</strong>luft erfolgt<br />

entweder über Ventilatoren direkt ins Freie oder<br />

über einen parallel zur <strong>Tunnel</strong>röhre verlaufenden<br />

Abluftkanal, an dessen Austrittsende Axialventilatoren<br />

angeordnet sind. Der Abluftkanal wird üblicherweise<br />

durch den Einbau einer Zwischendecke


51 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> realisiert. Im Abstand von 50 m bis<br />

100 m sind in diese dann einzeln ansteuerbare<br />

Rauchklappen integriert.<br />

Wichtige Voraussetzung einer Rauchabsaugungsanlage<br />

sind eine vorhergehende Ereignisdetektion<br />

sowie die Best<strong>im</strong>mung des Ereignisortes. Im Ereignisfall<br />

erfolgt nach Ereignisdetektion <strong>und</strong> Ortsbest<strong>im</strong>mung<br />

die Aktivierung der Rauchabzugsvorrichtung<br />

<strong>im</strong> Ereignisbereich. Aufgr<strong>und</strong> der sich einstellenden<br />

Druckdifferenzen wird dann Luft aus<br />

dem Fahrraum gesogen. Im Fall einer direkten Absaugung<br />

ins Freie sind hierzu lediglich die betreffenden<br />

Abluftventilatoren anzusteuern. Bei einer<br />

Absaugung über einen Rauchabsaugkanal sind<br />

das Öffnen der Rauchabzugsklappen <strong>im</strong> Ereignisbereich<br />

sowie das Einschalten der Axialluftventilatoren<br />

erforderlich. Zur Unterstützung der Druckwirkung<br />

können auch Strahlventilatoren in das Lüftungskonzept<br />

mit einbezogen werden.<br />

Die Wirksamkeit einer Rauchabsaugung ist direkt<br />

abhängig von der Genauigkeit der Ereignisortsbest<strong>im</strong>mungssysteme<br />

sowie von den Abständen einzeln<br />

ansteuerbarer Rauchabzugsvorrichtungen.<br />

Voraussetzung bei der Bauwerksertüchtigung ist<br />

entweder eine geringe Überdeckung oder ein ausreichend<br />

großer Querschnitt, der bei Anbringung<br />

eines Abluftkanals die Einhaltung des Lichtraumprofils<br />

<strong>im</strong> Fahrraum sicherstellt. Alternativ können<br />

Abluftkanäle auch seitlich angeordnet werden.<br />

Eine Entrauchung über eine Rauchabsaugung ist<br />

dann besonders sinnvoll, wenn erhöhte Gefahr besteht,<br />

dass die Nutzer <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong>raum dichtem<br />

Rauch ausgesetzt werden. Dies ist insbesondere<br />

bei <strong>im</strong> Gegenverkehr betriebenen sowie auch bei<br />

<strong>im</strong> Richtungsverkehr mit Staugefahr betriebenen<br />

<strong>Tunnel</strong>n der Fall. Die Entscheidung darüber, unter<br />

welchen Randbedingungen eine Absaugung zu installieren<br />

ist, hat gemäß den Vorgaben der RABT<br />

zu erfolgen.<br />

5.3.1.9 T 20 - Softstop Barriere<br />

Bei einer Softstop-Barriere wird die Aufforderung<br />

„STOP“ mit Hilfe eines Lasers auf einen Wasservorhang<br />

in Portalnähe projiziert. Ihre sofortige Aktivierung<br />

nach Feststellung eines Ereignisses <strong>im</strong><br />

<strong>Tunnel</strong> verhindert das weitere Zuströmen von<br />

Fahrzeugen. Durch diese Maßnahme wird die Anzahl<br />

der in das Ereignis involvierten Personen reduziert<br />

<strong>und</strong> die Brandlast <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> nicht unnötig<br />

weiter erhöht. Die Maßnahme wirkt daher ausmaßreduzierend.<br />

Wie Untersuchungen gezeigt haben, reagieren<br />

Verkehrsteilnehmer mit Verzögerung auf eine <strong>Tunnel</strong>sperrung,<br />

wenn diese Sperrung über eine Signalanlage<br />

(„rot“) induziert wird. Voraussetzung für<br />

die zusätzliche Aktivierung einer Schrankenanlage<br />

am Portal ist daher, dass die Leitstelle zunächst<br />

eine optische Kontrolle durchführt; dabei wird geprüft,<br />

ob der Verkehr tatsächlich zum Stillstand gekommen<br />

ist. Im Gegensatz zu dem zuvor beschriebenen,<br />

möglicherweise zeitraubenden Prozedere<br />

kann die Softstop Barriere unverzüglich<br />

ausgelöst werden.<br />

Im Gegensatz zur Schrankenanlage, die nach den<br />

Richtlinien für die Ausstattung <strong>und</strong> den Betrieb von<br />

Straßentunneln (RABT) gefordert ist, ist die<br />

Softstop Barriere <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong>m<strong>und</strong> zu installieren.<br />

Gemäß RABT befinden sich die Schrankenanlagen<br />

in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten<br />

(Mittelstreifenüberfahrt, Topographie, Platzverhältnisse)<br />

etwa 20 bis 200 Meter vor der <strong>Tunnel</strong>einfahrt.<br />

Da die Softstop Barriere vornehmlich dazu<br />

dient, den Verkehrszufluss in den <strong>Tunnel</strong> unmittelbar<br />

nach Detektion eines Ereignisses zu stoppen,<br />

sollten die Schranken zusätzlich aktiviert werden.<br />

Vor dem Schließen der Schranken ist zu prüfen, ob<br />

der Vorportalbereich zwischen Schrankenanlage<br />

<strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>m<strong>und</strong> eine Gasse aufweist, um den<br />

Einsatzdiensten die Zufahrt zu gewährleisten. Zudem<br />

ist zu kontrollieren, ob der Schwenkbereich<br />

der Schranken frei von Fahrzeugen ist. Die<br />

Softstop Barriere ist zu deaktivieren, nachdem die<br />

verkehrliche Situation am Portal geklärt <strong>und</strong> sichergestellt<br />

ist, dass nur Befugte den <strong>Tunnel</strong> betreten<br />

können. Neben der effektiven Aufforderung an<br />

den Verkehrsteilnehmer, sein Fahrzeug zu stoppen,<br />

ist ein weiterer Vorteil der Softstop Barriere,<br />

dass die sichere Durchfahrt Einsatzdienste jederzeit<br />

möglich ist. Zusätzlich zu der zuvor beschriebenen<br />

Einbausituation am <strong>Tunnel</strong>portal ist eine<br />

Umsetzung der Softstop Barriere ebenfalls innerhalb<br />

der <strong>Tunnel</strong>strecke in Erwägung zu ziehen.<br />

Dadurch können die <strong>Tunnel</strong>nutzer unmittelbar<br />

nach Detektion eines Ereignisses möglichst weit<br />

vor dem Ereignisort gewarnt <strong>und</strong> zum Stillstand<br />

gebracht werden.<br />

Der Einsatz einer Softstop Barriere kann gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

als eine sehr wirksame Maßnahme bezeichnet<br />

<strong>und</strong> daher empfohlen werden. Dennoch<br />

sind vor der Umsetzung einer derartigen <strong>Tunnel</strong>sperrung<br />

die folgenden Aspekte zu hinterfragen:<br />

� Ist aufgr<strong>und</strong> der Lichtverhältnisse am <strong>Tunnel</strong>portal<br />

zu jeder Zeit gewährleistet, dass die Aufforderung<br />

zu stoppen lesbar <strong>und</strong> durch den<br />

Fahrzeugführer begreifbar ist?<br />

� Erlauben es die Platzverhältnisse, dass trotz<br />

sich stauenden Verkehrs am <strong>Tunnel</strong>portal der<br />

Zugang für Fremdrettungskräfte gewährleistet<br />

ist?<br />

� Welche kl<strong>im</strong>atischen Bedingungen stehen ggfls.<br />

<strong>im</strong> Widerspruch zur Realisierung einer Softstop-<br />

Barriere (Frost- / Glättegefahr etc.)?<br />

Die Anlage ist nach der Installation in die <strong>Tunnel</strong>betriebstechnik<br />

einzubinden.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 52<br />

5.3.1.10 T 21 – <strong>Tunnel</strong>kommunikation<br />

Diese Maßnahme ermöglicht es dem Betreiber, die<br />

Nutzer unmittelbar über Ereignisse <strong>und</strong> Maßnahmen<br />

zu informieren, damit Fahrzeugführer bei Notfällen<br />

in <strong>Tunnel</strong>n adäquat reagieren können. Bei<br />

einer „Car2X“ Kommunikation können auch umgekehrt<br />

Informationen (Fahrzeugzustand, Ladungsinformationen)<br />

vom Nutzer an die <strong>Tunnel</strong>leitzentrale<br />

gesendet werden. Die Maßnahme wirkt somit<br />

ausmaßmindernd. Bei einem Unfall <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

können direkte Anweisungen an verschiedene<br />

<strong>Tunnel</strong>abschnitte gesendet werden, damit sich der<br />

Stau möglichst schnell auflöst. Im Falle einer <strong>Tunnel</strong>evakuierung<br />

können ebenfalls die notwendigen<br />

Anweisungen direkt an jedes Fahrzeug einzeln erteilt<br />

werden. So lassen sich chaotische Zustände<br />

oder eine Massenpanik vermeiden.<br />

Die <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> notwendigen technischen Lösungen<br />

<strong>und</strong> Standardisierungen insbesondere der Kommunikationsschnittstelle<br />

erfordern noch weitere<br />

Entwicklungsarbeit. Insbesondere sind Kommunikationsmöglichkeiten<br />

durch die Weiterentwicklung<br />

der heute weit verbreiteten Navigationsgeräte in<br />

den Fahrzeugen zu untersuchen. Eine konkrete<br />

Umsetzungsempfehlung kann daher erst zu einem<br />

späteren Zeitpunkt erfolgen.<br />

5.3.1.11 T 22 - Automatische Brandbekämpfungsanlage<br />

(ABBA)<br />

Bei der Maßnahme „Automatische Brandbekämpfungsanlage“<br />

handelt es sich um eine betriebliche<br />

Maßnahme, die dazu dienen soll, einen Brand <strong>im</strong><br />

<strong>Tunnel</strong> möglichst frühzeitig einzudämmen, typische<br />

Effekte eines <strong>Tunnel</strong>brandes, wie Hitzestrahlung<br />

oder Rauchgasbildung, zu reduzieren <strong>und</strong> den<br />

Brand selbst unter Umständen zu löschen. Ziel der<br />

Maßnahme ist es, auf diese Weise die Auswirkungen<br />

eines Großbrandes zu verringern. Die Maßnahme<br />

dient somit vornehmlich der Unterstützung<br />

der Einsatzdienste sowie als zusätzliche aktive<br />

Brandschutzmaßnahme für das Bauwerk. Eine<br />

Verbesserung der Selbstrettung ist in Abhängigkeit<br />

vom Typ der Anlage ebenfalls möglich, jedoch derzeit<br />

nicht ausreichend wissenschaftlich validiert.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist bei ABBAs zwischen Sprinkler-,<br />

Wasserniederdruck-, Wasserhochdruck- <strong>und</strong><br />

Schaumanlagen zu unterscheiden. Eine automatische<br />

Brandbekämpfungsanlage wirkt bei Lachenbränden<br />

nach Detektion des Ereignisses ausmaßreduzierend<br />

durch die Freisetzung von Wasser,<br />

Wassernebel oder Schaum. Durch Düsen, die in<br />

einem best<strong>im</strong>mten Raster in der <strong>Tunnel</strong>decke installiert<br />

sind, wird das Löschmedium großflächig <strong>im</strong><br />

Fahrraum verteilt. Inwieweit eine Ausmaßreduktion<br />

bei einer Kontamination eintritt, lässt sich pauschal<br />

nicht best<strong>im</strong>men. Aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen<br />

Charakteristika, die Schadstoffe be<strong>im</strong> Kontakt<br />

mit Wasser bzw. Schaum entfalten, ist hier weite-<br />

rer Forschungsbedarf angezeigt. Bei Explosionen<br />

ist die Maßnahme nicht wirksam. Im Weiteren wird<br />

daher ausschließlich auf Benzinbrände eingegangen.<br />

Wesentlicher Vorteil einer ABBA ist, dass die Zugänglichkeit<br />

zum Ereignisort für die Fremdrettungskräfte<br />

erleichtert werden kann. Insbesondere<br />

aufgr<strong>und</strong> der Eindämmung der Hitzefreisetzung<br />

wird das Vorrücken bis zum Ereignisort für die Einsatzdienste<br />

ermöglicht. Dies setzt allerdings eine<br />

genaue Lokalisierung des Ereignisses voraus, wodurch<br />

auch weitere Zusatzmaßnahmen (z. B. Videodetektion)<br />

notwendig werden können.<br />

Neben der positiven Beeinflussung der Fremdrettungsphase<br />

ist davon auszugehen, dass bei einer<br />

rechtzeitigen Aktivierung der Anlage größere<br />

Schäden am Bauwerk verhindert werden können,<br />

da die Brandentwicklung aktiv gehemmt wird <strong>und</strong><br />

dadurch die bauwerkskritischen Temperaturbereiche<br />

nicht erreicht werden. Eine verringerte strukturelle<br />

Schädigung des <strong>Tunnel</strong>s hat zur Folge, dass<br />

Instandsetzungsarbeiten – <strong>und</strong> somit die gegebenenfalls<br />

erforderliche Sperrung eines <strong>Tunnel</strong>s –<br />

verkürzt, unter Umständen <strong>und</strong> in Abhängigkeit<br />

vom Szenario sogar ganz vermieden werden können.<br />

Neben den direkten durch den Betreiber zu<br />

leistenden Wiederherstellungskosten wirkt sich eine<br />

Bauwerkssperrung negativ auf die indirekten<br />

bzw. volkswirtschaftlichen Kosten (Mehrreisezeiten,<br />

eventuell höhere Unfallwahrscheinlichkeit auf<br />

Umleitungsstrecken etc.) aus.<br />

Ist ein bestehender Straßentunnel mit einer<br />

Brandbekämpfungsanlage auszurüsten, so sind<br />

die Anlagen- <strong>und</strong> Einbaukosten vergleichsweise<br />

sehr hoch. Zusätzlich fallen hierbei Verkehrsbeeinträchtigungen<br />

oder Sperrzeiten an. Im Gegensatz<br />

zur Neuplanung eines <strong>Tunnel</strong>s mit einer Brandbekämpfungsanlage<br />

können bei der Realisierung in<br />

einem Bestandsbauwerk in der Regel keine baulichen<br />

oder betrieblichen Einsparungen erzielt werden.<br />

Ein negativer Einfluss einer Aktivierung der Brandbekämpfungsanlage<br />

<strong>im</strong> frühen Stadium der Selbstrettungsphase<br />

auf die Sicherheit der <strong>Tunnel</strong>nutzer<br />

kann trotz zahlreicher Untersuchungen bislang<br />

nicht ausgeschlossen werden. Hierzu liegen derzeit<br />

keine belastbaren Ergebnisse aus Untersuchungen<br />

zur psychologischen Wirkung durch die z.<br />

B. veränderten Sichtverhältnisse oder die einsetzende<br />

Nässe auf die <strong>Tunnel</strong>nutzer vor. Ebenso<br />

sind Fragen der Sichtverhältnisse sowie einer<br />

möglichen Erstickungsgefahr (bei Schaum) bei<br />

verunfallten Personen bislang nicht geklärt. Eine<br />

etwaige Aktivierung der Anlage sollte daher erst<br />

nach Abschluss der Selbstrettungsphase erfolgen.<br />

Zudem muss ausgeschlossen werden können,<br />

dass sich noch Personen <strong>im</strong> unmittelbaren Bereich


53 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

der Aktivierungszone der Anlage befinden. Auf der<br />

anderen Seite bewirkt allerdings eine schnelle Aktivierung<br />

der Anlage, dass ein Entstehungsbrand<br />

frühzeitig eingedämmt bzw. gelöscht werden kann<br />

<strong>und</strong> somit die Risiken durch Hitze <strong>und</strong> Rauch für<br />

die <strong>Tunnel</strong>nutzer <strong>und</strong> das Bauwerk gering bleiben.<br />

Hierdurch kommt den Operatoren in der <strong>Tunnel</strong>leitzentrale<br />

die Verantwortung zu, dass sie erkennen<br />

<strong>und</strong> unter Abwägung der damit einhergehenden<br />

Risiken entscheiden müssen, zu welchem<br />

Zeitpunkt eine effektive Aktivierung am sinnvollsten<br />

ist.<br />

Im Rahmen der Kostenbetrachtung wird davon<br />

ausgegangen, dass eine Brandbekämpfungsanlage<br />

über eine Lebensdauer eines <strong>Tunnel</strong>bauwerks<br />

von 100 Jahren betrachtet werden soll. Je nach<br />

Charakteristik eines <strong>Tunnel</strong>s ist die Anzahl der erforderlichen<br />

Löschwasserspeicherbecken zu ermitteln.<br />

Ein Speicherbecken ist mit einmalig 100.000,-<br />

€ inkl. der erforderlichen Pumpentechnik anzusetzen.<br />

Für die Erstausstattung einer <strong>Tunnel</strong>röhre mit<br />

den erforderlichen Betriebskomponenten sind zwischen<br />

3.000 € bis 4.000,- € pro Röhrenmeter zu<br />

veranschlagen. Im Zuge einer 100-Jährigen Nutzungsdauer<br />

ist davon auszugehen, dass die gesamte<br />

Betriebstechnik weitere vier Male auszutauschen<br />

ist. Pauschal sind für Wartung, Instandhaltung<br />

<strong>und</strong> Betrieb der Brandbekämpfungsanlage<br />

jährlich 5% der Investitionskosten anzunehmen.<br />

5.3.2 Empfehlungen für Betriebs- <strong>und</strong><br />

Einsatzdienste - Leitfaden<br />

Ereignismanagement<br />

Die Vorbereitung der Betriebs- <strong>und</strong> Einsatzdienste<br />

auf Schadensereignisse in Straßentunneln <strong>und</strong> deren<br />

Bewältigung war ein wesentlicher Bestandteil<br />

der Untersuchungen <strong>im</strong> Rahmen von <strong>SKRIBT</strong>.<br />

Bisher hat es hierzulande in Straßentunneln keine<br />

Brandkatastrophen gegeben. Die umfangreiche<br />

sicherheitstechnische Ausstattung der <strong>Tunnel</strong> bzw.<br />

die Branddetektionssyteme <strong>und</strong> die <strong>Tunnel</strong>überwachung<br />

tragen dazu bei, dass (Fahrzeug-) Brände,<br />

die zwar selten sind aber dennoch vorkommen,<br />

rechtzeitig registriert <strong>und</strong> umgehend die notwendigen<br />

Brandbekämpfungsmaßnahmen eingeleitet<br />

werden.<br />

Großschadensereignisse in Straßentunneln, wie<br />

etwa Brände, stellen eine besondere Herausforderung<br />

für die Einsatzdienste sowie das <strong>Tunnel</strong>betriebspersonal<br />

dar. Die Richtlinien für die Ausstattung<br />

<strong>und</strong> den Betrieb von Straßentunneln (RABT<br />

2006) [26] beinhalten Vorgaben, welche vorbereitenden<br />

Maßnahmen für die Organisation eines<br />

Notfalls zu treffen sind. So sind die <strong>Tunnel</strong>betreiber<br />

verpflichtet, Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrpläne aufzustellen<br />

<strong>und</strong> Notfallübungen für die in Alarm- <strong>und</strong><br />

Gefahrenabwehrplänen festgelegten Handlungsabläufe<br />

für die unterschiedlichen Notfälle durchzu-<br />

führen. Ebenso muss sichergestellt sein, dass das<br />

<strong>Tunnel</strong>betriebspersonal <strong>und</strong> die beteiligten Einsatzdienste<br />

entsprechend geschult werden.<br />

Ziel der Untersuchungen in <strong>SKRIBT</strong> war es, die<br />

Folgen von (Groß-) Schadensereignissen in <strong>Tunnel</strong>n<br />

für die Betriebs- <strong>und</strong> die Einsatzdienste in Bezug<br />

auf vorhandene Bewältigungsstrategien, Einsatzkonzepte<br />

<strong>und</strong> insbesondere mit Blick auf organisatorische,<br />

zeitliche <strong>und</strong> ressourcenbezogene<br />

Komponenten darzustellen <strong>und</strong> Opt<strong>im</strong>ierungsbedarf<br />

<strong>im</strong> Ablauf der Rettungskette abzuleiten.<br />

Die Untersuchung basierte auf Interviews mit Vertretern<br />

der Feuerwehren/Rettungsdienste <strong>und</strong> der<br />

<strong>Tunnel</strong>leitzentralen sowie auf einem gemeinsamen<br />

Workshop mit den Gesprächspartnern, in dem<br />

ausgewählte Fragestellungen vertieft diskutiert<br />

wurden. Die Ergebnisse der Interviews <strong>und</strong> des<br />

Workshops sind in dem Bericht „Analyse Betriebs-<br />

<strong>und</strong> Einsatzdienste“ [27] dokumentiert.<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage der Gespräche <strong>und</strong> der Diskussionen<br />

<strong>im</strong> Workshop wurden Maßnahmenempfehlungen<br />

für die Betriebs- <strong>und</strong> Einsatzdienste abgeleitet,<br />

die <strong>im</strong> Folgenden beschrieben werden.<br />

Zudem werden diese Maßnahmen sowie weitere<br />

Ergebnisse der Gespräche in einem Leitfaden Ereignismanagement<br />

in Form von Empfehlungen<br />

<strong>und</strong> Good Practises integriert. Dieser Leitfaden<br />

bietet darüber hinaus eine Übersicht von weiteren<br />

organisatorischen <strong>und</strong> betrieblichen Maßnahmen<br />

zur Unterstützung der Selbst- <strong>und</strong> Fremdrettung,<br />

die <strong>im</strong> Rahmen des Projekts untersucht <strong>und</strong>/oder<br />

entwickelt worden sind. Er enthält:<br />

� Empfehlungen<br />

� Informationen über technische Neuentwicklungen<br />

zur Ereignisdetektion <strong>und</strong> der Sicherheitstechnik<br />

� Beispiele aus der Praxis<br />

� Hinweise auf weitere Informationsquellen.<br />

Der Leitfaden richtet sich an die <strong>im</strong> Ereignisfall zuständigen<br />

Institutionen <strong>und</strong> Einsatzdienste, insbesondere<br />

an die <strong>Tunnel</strong>betreiber, das <strong>Tunnel</strong>betriebspersonal<br />

sowie die Einsatzkräfte der Feuerwehr,<br />

der Polizei <strong>und</strong> der Rettungsdienste. Der<br />

Leitfaden soll den beteiligten Akteuren in erster Linie<br />

Anregungen für die Praxis bieten.<br />

Entsprechend der Entfaltung der Wirksamkeit der<br />

Maßnahmen, also vor, während oder nach dem<br />

Ereignis, orientiert sich der Aufbau des Leitfadens<br />

an den folgenden Phasen des Ereignismanagements:<br />

� Vorbereitung<br />

� Ereigniserkennung /-meldung<br />

� Ereignisbewältigung<br />

� Ereignisnachbereitung.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 54<br />

Der „Leitfaden Ereignismanagement“ wird als eigenständige<br />

Publikation herausgegeben.<br />

5.3.2.1 T 23 - TLZ-Operatoren Training<br />

Durch Schulungs- bzw. Trainingsmaßnahmen sollen<br />

die Operatoren auf Schadensereignisse in<br />

<strong>Tunnel</strong>n vorbereitet werden. Die Maßnahme ist<br />

den organisatorischen Maßnahmen zuzuordnen<br />

<strong>und</strong> dient dazu, das Schadensausmaß <strong>im</strong> Ereignisfall<br />

zu reduzieren.<br />

Die Anforderungen <strong>und</strong> Erwartungen an Kenntnisse<br />

<strong>und</strong> Fähigkeiten der Operatoren sind sehr hoch:<br />

Neben technischen Kenntnissen als einer wesentlichen<br />

Voraussetzung für die Tätigkeit als Operator<br />

sind auch anderweitige Fähigkeiten wie Belastbarkeit,<br />

Entscheidungsvermögen sowie Kommunikationsfähigkeit<br />

gefragt.<br />

Für die Tätigkeit als Operator gibt es derzeit kein<br />

festgelegtes Berufsbild <strong>und</strong> auch keine offizielle<br />

Ausbildung. Die Mitarbeiter der <strong>Tunnel</strong>leitzentralen<br />

(TLZ) kommen aus unterschiedlichen Bereichen,<br />

zum einen aus technischen Berufen (z. B. Elektrotechnik,<br />

Nachrichtentechnik), zum anderen aber<br />

auch aus den Straßenmeistereien. Die Einarbeitung<br />

der Mitarbeiter in die jeweiligen Aufgaben erfolgt<br />

in aller Regel durch Learning-by-doing mit Unterstützung<br />

der Kollegen. Bei einigen TLZ gibt es<br />

umfassende interne Schulungskonzepte, andere<br />

TLZ sind <strong>im</strong> Begriff, Schulungsprogramme für die<br />

Operatoren zu entwickeln.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Vorqualifikationen<br />

des <strong>Tunnel</strong>betriebspersonals <strong>und</strong> den sich ändernden<br />

(technischen) Anforderungen ist eine intensive<br />

Gr<strong>und</strong>schulung sowie kontinuierliche Weiterbildung<br />

<strong>und</strong> Training der Operatoren von großer<br />

Bedeutung.<br />

Es sollten allgemeine Standards für die Qualifikation<br />

<strong>und</strong> die Weiterbildung der Operatoren definiert<br />

werden, auf denen die Schulungskonzepte der<br />

TLZ aufbauen können. Einzelne allgemeine Module<br />

der Schulungen, wie z. B. Verhalten <strong>im</strong> Ereignisfall<br />

oder Kommunikation mit den <strong>Tunnel</strong>nutzern,<br />

könnten von einer zentralen Stelle angeboten <strong>und</strong><br />

jeweils abwechselnd in einer <strong>Tunnel</strong>leitzentrale<br />

durchgeführt werden, um den internen Aufwand für<br />

Schulungen zu reduzieren oder auch das Schulungspersonal<br />

besser auszulasten. So bietet beispielsweise<br />

in Österreich die Forschungsgesellschaft<br />

Straße, Schiene, Verkehr (FSV) Schulungen<br />

für das Betriebspersonal von Straßentunneln an.<br />

Für die Umsetzung der Maßnahme ist die Gründung<br />

eines Arbeitskreises, der sich aus Fachleuten<br />

zusammensetzt, zu empfehlen. Aufbauend auf bereits<br />

vorliegenden Erfahrungen mit Schulungen<br />

sollte der Arbeitskreis Ausbildungsinhalte definieren<br />

<strong>und</strong> modulare Schulungskonzepte erarbeiten.<br />

5.3.2.2 T 24 - Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrpläne<br />

Gemäß den „Richtlinien für Ausstattung <strong>und</strong> den<br />

Betrieb von Straßentunneln“ (RABT) [26] sind die<br />

Betreiber von <strong>Tunnel</strong>anlagen verpflichtet, Alarm-<br />

<strong>und</strong> Gefahrenabwehrpläne (AGAP) zu erstellen.<br />

Die RABT enthalten keine Aussagen zum Inhalt<br />

der AGAP, dort heißt es lediglich, dass auch die<br />

Belange behinderter Personen zu berücksichtigen<br />

sowie die Meldewege mit Polizei, Feuerwehr <strong>und</strong><br />

Rettungsdiensten abzust<strong>im</strong>men sind.<br />

In den Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrplänen sind die<br />

bei einem Ereignis zu treffenden technischen <strong>und</strong><br />

organisatorischen Maßnahmen festgelegt. Sie enthalten<br />

Alarm- <strong>und</strong> Einsatzdokumente, Erläuterungen<br />

<strong>und</strong> Pläne zum Bauwerk <strong>und</strong> den sicherheitstechnischen<br />

Einrichtungen sowie externe Dokumente<br />

wie den Feuerwehrplan.<br />

Die Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrpläne dienen der<br />

Vorbereitung auf Ereignisse <strong>und</strong> tragen folglich<br />

dazu bei, das Schadensausmaß <strong>im</strong> Ereignisfall zu<br />

reduzieren. Die Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrplanung<br />

ist den organisatorischen Maßnahmen zuzuordnen<br />

<strong>und</strong> fällt in die Zuständigkeit des Betreibers<br />

unter Beteiligung der Feuerwehr, der Polizei <strong>und</strong><br />

des Rettungsdienstes.<br />

Bei der Erstellung <strong>und</strong> Fortschreibung von Alarm-<br />

<strong>und</strong> Gefahrenabwehrplänen sollten folgende Aspekte<br />

berücksichtigt werden:<br />

� Szenarienkatalog <strong>und</strong> Krisenmanagement<br />

In der Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrplanung sollten<br />

die <strong>im</strong> Projekt <strong>SKRIBT</strong> betrachteten Großschadensszenarien<br />

Berücksichtigung finden. Eine Methode<br />

zur Risikobewertung der Szenarien <strong>und</strong> der<br />

Identifikation <strong>kritischer</strong> Bauwerke wurde <strong>im</strong> Rahmen<br />

des Projekts entwickelt. Dieses Verfahren bietet<br />

eine wesentliche Gr<strong>und</strong>lage für ein bauwerkbezogenes<br />

Risikomanagement.<br />

Entsprechend einer Risikobewertung ist in den<br />

Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrplänen ein Konzept für<br />

ein Krisenmanagement für einen denkbaren Großschadensfall<br />

zu integrieren. Folgende Module sollte<br />

dieses Konzept u. a. beinhalten:<br />

� Je nach Ereignis werden unterschiedliche Gefahrenabwehrmaßnahmen<br />

erforderlich sowie<br />

verschiedene Behörden <strong>und</strong> weitere Dienste –<br />

öffentlich wie privat – einzubeziehen sein. Das<br />

Alarmierungs- <strong>und</strong> Meldeschema sollte auf das<br />

jeweilige Ereignis zugeschnitten sein.<br />

� Ablaufplan zur Bildung eines Krisenstabs<br />

� Szenariobezogene Einsatzpläne<br />

� Festlegungen für besondere Einsatzmittel wie<br />

<strong>Schutz</strong>ausrüstung oder spezielle Einsatzfahrzeuge


55 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

� Konzept der Bereitstellungsräume für die Einsatzkräfte<br />

� Ablaufplan zur Evakuierung des <strong>Tunnel</strong>s<br />

� Information der Bevölkerung<br />

� Umgang mit Opfern, Benachrichtigung von Familienangehörigen<br />

� Ausweisung alternativer (auch großräumiger)<br />

Fahrrouten bei kurz- <strong>und</strong> langfristiger Sperrung<br />

des <strong>Tunnel</strong>s<br />

� Vorschriften zum Umgang mit explosiven Stoffen<br />

<strong>und</strong> auffälligen bzw. nichtidentifizierbaren<br />

Objekten<br />

� Konzept für einen Massenanfall von Verletzten<br />

(MANV).<br />

� Kurzfassung AGAP<br />

Aufgr<strong>und</strong> des Umfangs des Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrplans<br />

<strong>und</strong> der Vielzahl der dort enthaltenen<br />

Informationen ist es sinnvoll, diesen modular <strong>und</strong><br />

adressatenbezogen aufzubauen. Im Einsatzfall<br />

fehlt den Einsatzkräften die Zeit, die erforderlichen<br />

Informationen aus dem AGAP „herauszufiltern“. Erfahrungen<br />

haben gezeigt, dass der AGAP auch<br />

mal in den Schränken der Einsatzdienste „verschwindet“.<br />

Die jeweiligen Einsatzdienste (Feuerwehr,<br />

Rettungsdienst, Polizei, <strong>Tunnel</strong>betriebspersonal,<br />

Verkehrsleitzentrale etc.) sollten daher in einer<br />

übersichtlichen Kurzfassung des AGAPs nur<br />

die Informationen erhalten, die für das Handeln <strong>im</strong><br />

Ereignisfall von Bedeutung sind. Insbesondere<br />

sind dies die Meldewege, die Erreichbarkeitsverzeichnisse,<br />

die jeweiligen Zuständigkeiten, die<br />

Handlungsanweisungen, die wesentlichen Objektdaten<br />

sowie die Anfahrts- <strong>und</strong> Umleitungspläne.<br />

� Mustervorlage AGAP<br />

Inzwischen liegen viele Erfahrungen mit der Erstellung<br />

<strong>und</strong> Anwendung von Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrplänen<br />

vor. Im Sinne von Good Practices<br />

ist zu empfehlen, eine Vorlage für einen AGAP zu<br />

erstellen, die den <strong>Tunnel</strong>betreibern als Handreichung<br />

bei der Erstellung <strong>und</strong> Fortschreibung von<br />

AGAPs dienen soll. Diese Mustervorlage könnte<br />

entsprechende Empfehlungen für eine Kurzfassung<br />

eines AGAPs enthalten <strong>und</strong> darüber hinaus<br />

Aspekte des Krisenmanagements <strong>im</strong> Großschadensfall<br />

– beispielsweise in Form von Checklisten<br />

– beinhalten.<br />

Entsprechende Empfehlungen könnten <strong>im</strong> Rahmen<br />

eines Arbeitskreises, der sich aus Fachleuten<br />

zusammensetzt, erarbeitet werden. Im Ergebnis<br />

würde ein Leitfaden für die Erstellung von Alarm-<br />

<strong>und</strong> Gefahrenabwehrplänen den Betreibern zur<br />

Verfügung stehen.<br />

5.3.2.3 T 25 - Übungen der Betriebs- <strong>und</strong> Einsatzdienste<br />

Gemäß den „Richtlinien für Ausstattung <strong>und</strong> den<br />

Betrieb von Straßentunneln“ (RABT) sind für <strong>Tunnel</strong><br />

ab 400 m Länge zur Überprüfung der in den<br />

Alarm- <strong>und</strong> Gefahrenabwehrplänen festgelegten<br />

Handlungsabläufe regelmäßige Übungen durchzuführen.<br />

Mindestens alle vier Jahre sollen möglichst<br />

realitätsnahe Großübungen stattfinden. In den<br />

Richtlinien finden sich keine näheren Angaben<br />

über die Art bzw. den Umfang der Großübungen.<br />

In der Regel werden bei den <strong>Tunnel</strong>übungen Unfallszenarien<br />

mit <strong>und</strong> ohne Beteiligung von Gefahrgut<br />

sowie Brandereignisse geübt.<br />

Die <strong>im</strong> Projekt <strong>SKRIBT</strong> erarbeiteten Bedrohungsszenarien<br />

<strong>und</strong> Kriterien zur Identifikation <strong>kritischer</strong><br />

Bauwerke sollen den Verantwortlichen vor Ort die<br />

Möglichkeit eröffnen, die Bauwerke hinsichtlich ihres<br />

Gefährdungspotenzials einzustufen <strong>und</strong> daraus<br />

die operativen Maßnahmen abzuleiten. Ein Ergebnis<br />

dieser Gefährdungseinstufung sollte sein, best<strong>im</strong>mte<br />

Szenarien in regelmäßige Übungen der<br />

Einsatzkräfte <strong>und</strong> des <strong>Tunnel</strong>betriebspersonals<br />

einzubeziehen. Diese szenariobasierten Übungen,<br />

die dem Maßnahmenbereich der Organisation zuzuordnen<br />

sind, sollen dazu beitragen, das aus dem<br />

Ereignis resultierende Schadensausmaß für die<br />

Nutzer <strong>und</strong> das Bauwerk zu reduzieren.<br />

Um den Verantwortlichen die Konzeption <strong>und</strong> die<br />

Planung von Übungen zu erleichtern, sollten die<br />

<strong>Tunnel</strong>betreiber Rahmenkonzepte für Übungen<br />

einschließlich eines Szenarienkatalogs erarbeiten.<br />

Dort sollten die Übungsziele, die Wiederholungsintervalle<br />

sowie – je nach Szenario – Empfehlungen<br />

für eine geeignete Übungsart formuliert sein.<br />

Bezüglich der Vorbereitung der Übungen sollten<br />

bewährte Beispiele aus der Praxis aufgegriffen<br />

werden. Beispielhaft ist das Organisationsmodell in<br />

Thüringen, wonach <strong>im</strong> Rotationsprinzip jedes Jahr<br />

abwechselnd die Feuerwehr, der Rettungsdienst<br />

<strong>und</strong> die Polizei für die Ausarbeitung eines Szenarios<br />

sowie die Übungsvorbereitung verantwortlich<br />

sind. Auf diese Weise können die Erfahrungen <strong>und</strong><br />

die speziellen Sichtweisen der jeweiligen Dienste<br />

in das Übungskonzept eingebracht werden.<br />

5.3.3 Empfehlungen für Nutzer<br />

Die Analyse <strong>und</strong> Opt<strong>im</strong>ierung des Nutzerverhaltens<br />

sind für die Sicherheit in Straßentunneln von<br />

hoher Bedeutung: Trotz der sehr guten Sicherheitsausstattung<br />

in deutschen <strong>Tunnel</strong>n kommt es<br />

durch menschliches Fehlverhalten <strong>im</strong>mer wieder<br />

zu Unfällen <strong>und</strong> <strong>im</strong> Krisenfall werden die vorhandenen<br />

Flucht- oder Rettungsmöglichkeiten (z. B.<br />

Feuerlöscher, Notausgänge) nicht wahrgenommen<br />

oder genutzt.<br />

<strong>Tunnel</strong>bauwerke unterscheiden sich für den Nutzer


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 56<br />

deutlich vom übrigen Straßennetz. Dunkelheit <strong>und</strong><br />

Enge beeinflussen das Erleben <strong>und</strong> Verhalten der<br />

<strong>Tunnel</strong>nutzer sowohl in der Durchfahrt als auch <strong>im</strong><br />

Ereignisfall. Im Ereignisfall sind zudem die Risikoeinschätzung<br />

<strong>und</strong> die Entscheidungsfindung durch<br />

den emotionalen Zustand einer Person (z. B.<br />

Angst, Panik) <strong>und</strong> durch verringerte kognitive Ressourcen<br />

beschränkt. Es kommt zu psychologischen<br />

Fehlschlüssen <strong>und</strong> -handlungen. Die Situation<br />

wird verharmlost, es wird auf Bekanntes oder<br />

auf Gewohnheiten zurückgegriffen (lieber bekannte<br />

Wege gehen als neue suchen), die Sicherheit <strong>im</strong><br />

eigenen Auto wird überschätzt, <strong>und</strong> sozialer Einfluss<br />

kann das Verhalten ungünstig beeinflussen<br />

(„Warum sollte ich flüchten, wenn der Fahrer <strong>im</strong><br />

Auto vor mir sitzen bleibt?“). All diese Faktoren haben<br />

vor allem in <strong>Tunnel</strong>n verheerende Auswirkungen,<br />

da hier <strong>im</strong> Falle eines Unfalles besondere Gefahr<br />

von Hitze, Rauch <strong>und</strong> Explosionen besteht,<br />

<strong>und</strong> somit jede für die Selbstrettung genutzte Sek<strong>und</strong>e<br />

lebensrettend sein kann.<br />

Eine verbesserte Selbstrettung der Nutzer durch<br />

entsprechende Maßnahmen kann schon direkt<br />

nach dem auslösenden Ereignis deutlich vor dem<br />

Eintreffen der Fremdrettung sehr positive Wirkungen<br />

entfalten. Gr<strong>und</strong>sätzlich ist die Wirksamkeit<br />

von Maßnahmen, die das Verhalten des Nutzers<br />

beeinflussen sollen, davon abhängig, wie nah der<br />

Nutzer sich am Ereignis befindet, ob er das Ereignis<br />

erkennt <strong>und</strong> wie viel Zeit zu reagieren verbleibt.<br />

Nutzerbezogene Maßnahmen können die Wahrscheinlichkeit<br />

erhöhen, dass sich Personen <strong>im</strong> Ereignisfall<br />

schneller für ein adäquates Verhalten<br />

entscheiden. Im Rahmen von <strong>SKRIBT</strong> wurden umfangreiche<br />

Studien zu Maßnahmen, die das Nutzerverhalten<br />

opt<strong>im</strong>ieren sollen, durchgeführt. Dabei<br />

wurden zum einen Maßnahmen der Informationsvermittlung<br />

<strong>und</strong> zum anderen Situationstrainings in<br />

S<strong>im</strong>ulationsübungen untersucht.<br />

5.3.3.1 T 26 - Vorinformation <strong>Tunnel</strong>nutzer<br />

Die Maßnahme Vorinformation <strong>Tunnel</strong>nutzer vermittelt<br />

theoretisches Wissen über Sicherheitseinrichtungen<br />

<strong>und</strong> adäquates Verhalten <strong>im</strong> Ereignisfall<br />

<strong>und</strong> wirkt ausmaßmindernd bei Brand, Kontamination<br />

<strong>und</strong> Überflutung. Sie führt zu einer verbesserten<br />

Selbstrettung der Nutzer <strong>und</strong> ist somit auch für<br />

Szenarien der Verkehrssicherheit relevant. Inhalte<br />

sind die Sicherheitseinrichtungen (Fluchtwegkennzeichen,<br />

Notrufsäulen, Nothaltebuchten, Feuerlöscher,<br />

etc.) <strong>und</strong> Verhaltensanweisungen (Fahrverhalten,<br />

ggfls. Erste Hilfe, Verlassen des Fahrzeugs<br />

<strong>und</strong> des <strong>Tunnel</strong>s, ggfls. Brandbekämpfung). Es<br />

werden Informationen darüber vermittelt, welches<br />

Verhalten in welchen Situationen angemessen ist.<br />

Die Wirksamkeit der Maßnahme wurde durch empirische<br />

Untersuchungen in virtueller Realität <strong>und</strong><br />

einer Feldstudie nachgewiesen. Die Maßnahme ist<br />

unabhängig von Neubau <strong>und</strong> Bauwerksertüchtigung<br />

<strong>und</strong> lässt sich kostengünstig umsetzen.<br />

Informationen lassen sich auf vielfältige Weise<br />

verbreiten. Eine flächendeckende Information, die<br />

sich an <strong>Tunnel</strong>nutzer richtet, ist am effektivsten<br />

über Schulungen <strong>im</strong> Rahmen der Fahrschulausbildung<br />

oder von Nachschulungen durchzuführen.<br />

Auf diesem Wege lässt sich ein großer Teil der potentiellen<br />

<strong>Tunnel</strong>nutzer erreichen. 2008 wurden bereits<br />

Fragen zum Thema Verhalten in <strong>Tunnel</strong>bauwerken<br />

in den Fragekatalog für die theoretische<br />

Fahrerlaubnisprüfung aufgenommen.<br />

Zusätzlich wird empfohlen, alternative Verbreitungswege<br />

zu nutzen, um Nutzer zu erreichen, die<br />

bereits einen Führerschein besitzen. So werden<br />

Verhaltensregeln, die be<strong>im</strong> Durchfahren von Straßentunneln<br />

zu beachten sind, derzeit schon über<br />

das Internet oder über Zeitungen publiziert. Der<br />

Fahrzeugführer kann sich vor Antritt der Reise in<br />

Ruhe mit der Thematik auseinandersetzen <strong>und</strong><br />

mögliche Szenarien studieren. Die <strong>im</strong> Internet abrufbaren<br />

Flyer beschäftigen sich mit den tunnelspezifischen<br />

Themen „Normalfall“, „Stau“, „Panne“,<br />

„Unfall“, „Feuer <strong>im</strong> eigenen Fahrzeug“ <strong>und</strong> „Feuer<br />

<strong>im</strong> fremden Fahrzeug“ (siehe z. B. www.bast.de).<br />

Als weiterer Weg, Informationen zu verbreiten, wird<br />

empfohlen, Flyer <strong>und</strong> Informationstafeln an Raststätten,<br />

Parkplätzen oder Mautstationen vor <strong>Tunnel</strong>n<br />

anzubringen. Beispielsweise entwickelt <strong>und</strong><br />

vertreibt die B<strong>und</strong>esanstalt für Straßenwesen<br />

hochwertiges Informationsmaterial. Denkbar ist<br />

auch eine Verbreitung durch den ADAC über Flyer<br />

oder Kampagnen in der ADAC Motorwelt. Zudem<br />

wird empfohlen, Informationen als Anwendungen<br />

für Smartphone oder Navigationssysteme zur Verfügung<br />

zu stellen.<br />

5.3.3.2 T 27 - Situationstraining <strong>Tunnel</strong>nutzer<br />

Neben der Vermittlung von theoretischem Wissen<br />

kann in einem Situationstraining adäquates Verhalten<br />

<strong>im</strong> Ereignisfall geübt werden. Die Maßnahme<br />

wirkt ausmaßmindernd bei Brand, Kontamination<br />

<strong>und</strong> Überflutung. Sie führt zu einer verbesserten<br />

Selbstrettung der Nutzer <strong>und</strong> ist somit auch für<br />

Szenarien der Verkehrssicherheit relevant.<br />

Inhalte des Trainings sind der Umgang mit Sicherheitseinrichtungen<br />

(Fluchtwegkennzeichen, Notrufsäulen,<br />

Nothaltebuchten, Feuerlöscher, etc.) <strong>und</strong><br />

das Üben von Verhaltensreaktionen (Fahrverhalten,<br />

ggfls. Erste Hilfe, Verlassen des Fahrzeugs<br />

<strong>und</strong> des <strong>Tunnel</strong>s, ggfls. Brandbekämpfung). Geübtes<br />

Verhalten wird besser erinnert <strong>und</strong> mit höherer<br />

Wahrscheinlichkeit in Handlungen umgesetzt als<br />

rein theoretisch erworbenes Wissen. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> kann ein Verhaltenstraining das Nutzerverhalten<br />

noch stärker beeinflussen als eine rein theoretische<br />

Wissensvermittlung.


57 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

Die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Opt<strong>im</strong>ierung<br />

des Nutzerverhaltens wurde in Studien in virtueller<br />

Realität <strong>und</strong> einer Feldstudie in einem realen <strong>Tunnel</strong><br />

nachgewiesen. Die Maßnahme ist unabhängig<br />

von Neubau <strong>und</strong> Bauwerksertüchtigung <strong>und</strong> lässt<br />

sich relativ kostengünstig umsetzen. Die <strong>im</strong> Vergleich<br />

zur Maßnahme Vorinformation <strong>Tunnel</strong>nutzer<br />

(T 26) höheren Kosten gehen mit einer höheren<br />

Wirksamkeit einher.<br />

Da Selbstrettung <strong>im</strong> Ereignisfall kaum in der Realität<br />

geübt werden kann, ist eine Umsetzung in virtueller<br />

Realität (VR) sinnvoll. Es wird empfohlen,<br />

Situationstrainings mittels hoch <strong>im</strong>mersiver S<strong>im</strong>ulationen<br />

in virtueller Realität umzusetzen (d.h. mit<br />

Hilfe hochwertiger VR Technologien werden möglichst<br />

viele Sinneskanäle angesprochen), um möglichst<br />

realitätsnahe Situationstrainings zu realisieren.<br />

Wir empfehlen ein intensives Kompakttraining,<br />

welches innerhalb eines Tages abgeschlossen<br />

werden kann. Alternativ können Trainingsszenarien<br />

in virtueller Realität in Form von PC-Desktop<br />

Anwendungen oder als Internetapplikation<br />

(„Serious Games“) verbreitet werden.<br />

5.3.4 Szenarienabläufe aus Sicht von<br />

Operatoren, Einsatzdiensten <strong>und</strong><br />

Nutzern<br />

Um die Wirkung der zuvor beschriebenen Maßnahmen<br />

weiter zu verdeutlichen, werden <strong>im</strong> Folgenden<br />

die Szenarien Brand, Explosion, Kontamination<br />

<strong>und</strong> Überflutung aus der Sicht der Beteiligten<br />

dargestellt. Hierbei wird die genaue Aufschlüsselung<br />

in die Initialereignisse nicht vorgenommen,<br />

da diese Unterscheidung für Operatoren, Nutzer<br />

<strong>und</strong> Einsatzdienste nicht sinnvoll ist. Wie auf ein<br />

Ereignis reagiert wird hängt davon ab, ob es sich<br />

um den Operator, den Nutzer oder die Einsatzdienste<br />

handelt, <strong>und</strong> nicht in erster Linie davon,<br />

wie groß das Ereignis ist.<br />

Es werden die Maßnahmen dargestellt, die einen<br />

positiven Einfluss für Operatoren, die Feuerwehr<br />

oder den Nutzer auf den Ablauf eines Szenarios<br />

haben. Betrachtet werden hier nur Maßnahmen,<br />

die ausmaßmindernd sind, da davon ausgegangen<br />

wird, dass präventive Maßnahmen den Eintritt eines<br />

Ereignisses verhindern.<br />

In den folgenden Abbildungen bedeuten:<br />

� E – Ereignis:<br />

Zu diesem Zeitpunkt tritt das Ereignis, also<br />

Brand, Explosion, Kontamination oder Überflutung,<br />

ein.<br />

� AD - Automatische Detektion:<br />

Die automatische Detektion <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Alarmierung, sowie ggfls. die Aktivierung<br />

der Brandventilation, erfolgen in der Regel<br />

durch Videoüberwachung, Sichttrübungsmessung,<br />

Brandmeldekabel, o.ä.<br />

� MD – Manuelle Detektion:<br />

Die manuelle Detektion erfolgt durch einen<br />

<strong>Tunnel</strong>nutzer oder den Operator in der <strong>Tunnel</strong>leitzentrale<br />

(TLZ), der ein Ereignis vor einer automatischen<br />

Detektion wahrn<strong>im</strong>mt, entsprechend<br />

reagiert <strong>und</strong> so die Alarmierung auslöst.<br />

� D – Detektion:<br />

Eine Kontamination ist anfänglich nur schwer<br />

festzustellen, daher wird hier nicht nach manueller<br />

<strong>und</strong> automatischer Detektion unterschieden,<br />

sondern allgemein nur der Zeitpunkt einer<br />

Detektion angenommen.<br />

� SR –Selbstrettungsphase:<br />

Es ist davon auszugehen, dass die ersten Nutzer<br />

bei einer Alarmierung oder dem Erkennen<br />

eines Ereignisses sofort beginnen, sich selbst<br />

zu retten <strong>und</strong> die übrigen Nutzer folgen. Als<br />

Selbstrettungsphase wird die Zeit von der<br />

Alarmierung bis zum Beginn der Fremdrettung<br />

bezeichnet.<br />

� SRmin – min<strong>im</strong>ales Ende der Selbstrettung:<br />

SRmin bezeichnet den theoretischen Zeitpunkt,<br />

zu dem alle Nutzer einen Notausgang erreicht<br />

haben können. Er beschreibt das Verhältnis<br />

aus dem Abstand, den ein Nutzer <strong>im</strong> ungünstigsten<br />

Fall zum nächsten Notausgang hat, <strong>und</strong><br />

der nach RiLSA (Richtlinien für Lichtsignalanlagen)<br />

1992 [28] zu 1,3m/s angenommenen<br />

Fluchtgeschwindigkeit.<br />

� FR – Fremdrettung:<br />

Die Fremdrettung beginnt mit dem Eintreffen<br />

der Einsatzdienste am Ereignisort.<br />

5.3.4.1 Brand<br />

Durch die speziellen Bedingungen in einem <strong>Tunnel</strong><br />

kann der bei einem Brand entstehende Rauch<br />

nicht entweichen <strong>und</strong> breitet sich <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> aus.<br />

Die dadurch eingeschränkte Sicht, die toxischen<br />

Gase <strong>und</strong> der beengte Raum <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> machen<br />

einen Brand <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> für alle Beteiligten zu einer<br />

besonderen Situation.<br />

� Operatoren<br />

Ein <strong>Tunnel</strong>brand wird der <strong>Tunnel</strong>leitzentrale (TLZ)<br />

durch automatische Brandmeldeeinrichtungen gemeldet<br />

oder von den Operatoren auf den Videobildschirmen<br />

erkannt. In den meisten B<strong>und</strong>esländern<br />

sind zudem die Notruftelefone in den <strong>Tunnel</strong>n<br />

direkt mit der TLZ verb<strong>und</strong>en, daher werden Brände,<br />

die von <strong>Tunnel</strong>nutzern über die Notruftelefone<br />

gemeldet werden, auch direkt in der TLZ entgegengenommen.<br />

Von den Operatoren wird der<br />

Brand an die zuständige Feuerwehr- <strong>und</strong> Polizeileitstelle<br />

weitergeleitet.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 58<br />

Aus der TLZ hat der Operator die Möglichkeit, mittels<br />

Lautsprecherdurchsagen <strong>und</strong> / oder Radiodurchsagen<br />

die <strong>Tunnel</strong>nutzer zu informieren <strong>und</strong><br />

zur Selbstrettung, dem Verlassen der Fahrzeuge<br />

<strong>und</strong> Aufsuchen der Notausgänge aufzufordern.<br />

Zudem kann er die Brandlüftung des <strong>Tunnel</strong>s aktivieren,<br />

um die Fluchtwege der Nutzer <strong>und</strong> die Angriffswege<br />

der Feuerwehr zu entrauchen. Durch<br />

die Möglichkeit der Operatoren, den <strong>Tunnel</strong> mittels<br />

Videoüberwachung zu beobachten, können die<br />

Operatoren darüber hinaus die eintreffenden Einsatzkräfte<br />

bei der Lagefeststellung unterstützen.<br />

Maßnahmen, die u.a. den Operator bei der Arbeit<br />

<strong>im</strong> Ereignisfall unterstützen oder die es ihm ermöglichen,<br />

die Hilfeleistung frühzeitiger einzuleiten,<br />

sind in Abbildung 9 dargestellt.<br />

Abbildung 9: Maßnahmen zur Unterstützung der Operatoren<br />

<strong>im</strong> Brandfall<br />

� Feuerwehr<br />

Vor Eröffnung eines <strong>Tunnel</strong>s <strong>und</strong> von da an in einem<br />

regelmäßigen Turnus von 4 Jahren müssen in<br />

einem <strong>Tunnel</strong> gemäß RABT 2006 [26] Vollübungen<br />

von der Feuerwehr durchgeführt werden.<br />

Durch diese Vollübungen sind die Einsatzkräfte mit<br />

den Einsatzbesonderheiten <strong>und</strong> den Örtlichkeiten<br />

eines <strong>Tunnel</strong>s vertraut. Trotzdem bleibt ein Einsatz<br />

in einem <strong>Tunnel</strong> aufgr<strong>und</strong> der hohen Temperaturen<br />

<strong>und</strong> des dichten Rauches eine besondere Situation,<br />

Lagefeststellung <strong>und</strong> Menschenrettung<br />

werden erschwert.<br />

Maßnahmen, die die Kenntnisse der Gegebenheiten<br />

<strong>und</strong> Abläufe in einem Bauwerk verbessern<br />

oder die Temperatur verringern, unterstützen die<br />

Feuerwehr <strong>im</strong> Brandfall (Abbildung 10).<br />

Abbildung 10: Maßnahmen zur Unterstützung der Feuerwehr<br />

<strong>im</strong> Brandfall<br />

� Nutzer<br />

Für den Nutzer des <strong>Tunnel</strong>s ist das Ausmaß eines<br />

Brandes nur schwer zu erkennen. Erstes Anzeichen<br />

für einen Brand ist der aufsteigende dichte<br />

Rauch, der für den <strong>Tunnel</strong>nutzer durch seine Toxizität<br />

auch die größte Gefahr darstellt. Die Röhre<br />

des <strong>Tunnel</strong>s bedingt, dass sich der Rauch schnell<br />

ausbreitet <strong>und</strong> eine Orientierung <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> <strong>und</strong><br />

damit die Selbstrettung erschwert.<br />

Viele Nutzer sind mit den vorhandenen Sicherheitseinrichtungen<br />

in den <strong>Tunnel</strong>bauwerken nicht<br />

vertraut, wodurch die Selbstrettung deutlich verzögert<br />

wird <strong>und</strong> wertvolle Zeit verloren gehen kann.<br />

Daher zielen die Maßnahmen zum <strong>Schutz</strong> der Nutzer<br />

<strong>im</strong> Brandfall in erster Linie darauf ab, den Nutzern<br />

die Selbstrettung <strong>im</strong> Ereignisfall zu erleichtern<br />

oder ihr Wissen um die vorhandenen Sicherheitseinrichtungen<br />

<strong>und</strong> deren Gebrauch zu schulen, um<br />

die Reaktionszeiten zu verkürzen (Abbildung 11).<br />

Abbildung 11: Maßnahmen zur Unterstützung der Nutzer<br />

<strong>im</strong> Brandfall<br />

5.3.4.2 Explosion<br />

Eine Explosion hat <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> größere Auswirkungen<br />

als auf freier Strecke, da die entstehenden<br />

Druckwellen sich nicht ungehindert ausbreiten<br />

können, sondern durch die <strong>Tunnel</strong>wände reflektiert<br />

werden. Es wird davon ausgegangen, dass sie<br />

nicht automatisch, sondern in jedem Fall durch einen<br />

Nutzer oder Operator detektiert wird. Voraussetzung<br />

für die Wirkung betriebstechnischer Maß-


59 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

nahmen ist, dass diese durch die Explosion nicht<br />

zerstört worden sind.<br />

� Operatoren<br />

Die Operatoren in der <strong>Tunnel</strong>leitzentrale haben<br />

wegen der hohen Geschwindigkeit einer Explosion<br />

keine Möglichkeit, in das Ereignis einzugreifen. Es<br />

ist ihnen allerdings möglich, die Selbst-/ bzw.<br />

Fremdrettung der Nutzer zu unterstützen. Dabei<br />

hilft den Operatoren u.a. ein guter Vorbereitungsgrad<br />

(Abbildung 12).<br />

Abbildung 12: Maßnahmen zur Unterstützung der Operatoren<br />

<strong>im</strong> Explosionsfall<br />

� Feuerwehr<br />

Für die eintreffenden Einsatzdienste ist eine Bergung<br />

überlebender <strong>Tunnel</strong>nutzer schwierig. Die<br />

<strong>Tunnel</strong>nutzer, die ein Explosionsereignis <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

überstehen, weisen schwere Verletzungen auf <strong>und</strong><br />

stehen gegebenenfalls unter Schock. Zudem ist es<br />

eine wesentliche Aufgabe der Feuerwehr, nach einer<br />

Explosion Sicherungsarbeiten <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> vorzunehmen.<br />

Ein hoher Vorbereitungsgrad auf ein<br />

solches Ereignis ist für die Bewältigung des Ereignisses<br />

sinnvoll (Abbildung 13).<br />

Abbildung 13: Maßnahmen zur Unterstützung der Feuerwehr<br />

<strong>im</strong> Explosionsfall<br />

� Nutzer<br />

Für <strong>Tunnel</strong>nutzer ist die Selbstrettung nach Explosionsereignissen<br />

nur möglich, wenn die Explosion<br />

nicht in ihrer unmittelbaren Nähe stattgef<strong>und</strong>en<br />

hat. Dann sind für Nutzer alle Maßnahmen nützlich,<br />

die die Selbstrettung unterstützen (Abbildung<br />

14).<br />

Abbildung 14: Maßnahmen zur Unterstützung der Nutzer<br />

<strong>im</strong> Explosionsfall<br />

5.3.4.3 Kontamination<br />

Kontaminationen <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> sind nur schwer wahrzunehmen.<br />

Hier wird davon ausgegangen, dass es<br />

durch einen Unfall oder einen absichtlich herbeigeführten<br />

Anschlag zu einem Austritt von Schadgasen<br />

kommt.<br />

� Operatoren<br />

Für einen Operator ist es derzeit schwer festzustellen,<br />

ob sich in einem <strong>Tunnel</strong> ausgetretene Schadgase<br />

befinden. Er hat die Möglichkeit, über die Videoüberwachung<br />

beispielsweise nach einem Unfall<br />

ein Leck an einem Gefahrguttransport festzustellen,<br />

was aber sehr schwierig ist, wenn es sich<br />

nicht um eine sehr große Beschädigung handelt.<br />

Bei einem entsprechenden Ereignis kann er auf<br />

seine Erfahrung <strong>und</strong> regelmäßige Übung zurückgreifen.<br />

Zusätzlich würde es dem Operator helfen<br />

zu wissen, welche <strong>und</strong> wie viele Gefahrgüter sich<br />

überhaupt <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> befinden <strong>und</strong> ob ein Gas austritt<br />

(Abbildung 15).<br />

Abbildung 15: Maßnahmen zur Unterstützung der Operatoren<br />

<strong>im</strong> Kontaminationsfall<br />

� Feuerwehr<br />

Trifft die Feuerwehr an einem Unfallort in einem<br />

<strong>Tunnel</strong> ein, dann schickt sie zur Lagefeststellung<br />

einen Erk<strong>und</strong>ungstrupp, ggfls. unter Atemschutz,<br />

bis zum Ereignisort vor. Wenn durch den Erk<strong>und</strong>ungstrupp<br />

eine Kontamination festgestellt wird,<br />

wird auch die weitere Rettung / Bergung in entsprechender<br />

<strong>Schutz</strong>kleidung vorgenommen. Eine<br />

Information, ob <strong>und</strong> welche Schadstoffe oder Gase<br />

sich in dem <strong>Tunnel</strong> befinden, ist eine sinnvolle zu-


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 60<br />

sätzliche Information, um betroffenen <strong>Tunnel</strong>nutzern<br />

besser helfen zu können <strong>und</strong> die eigenen<br />

Einsatzkräfte besser zu schützen (Abbildung 16).<br />

Abbildung 16: Maßnahmen zur Unterstützung der Feuerwehr<br />

<strong>im</strong> Kontaminationsfall<br />

� Nutzer<br />

Für den Nutzer ist die Situation schwierig einzuschätzen.<br />

Daher ist er auf eine schnelle Lagefeststellung<br />

der Operatoren in der <strong>Tunnel</strong>leitzentrale<br />

angewiesen, um möglichst frühzeitig die Information<br />

der Fluchtnotwendigkeit zu bekommen. Wenn<br />

der <strong>Tunnel</strong>nutzer den Geruch eines Schadgases<br />

(überhaupt) wahrn<strong>im</strong>mt, bleibt für die Selbstrettung<br />

nur noch sehr wenig Zeit.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> helfen dem Nutzer <strong>im</strong> Kontaminationsfall<br />

Maßnahmen, die eine Selbstrettung unterstützen,<br />

oder ihn davon abhalten, in eine Gefahrensituation<br />

zu gelangen (Abbildung 17).<br />

Abbildung 17: Maßnahmen zur Unterstützung der Nutzer<br />

<strong>im</strong> Kontaminationsfall<br />

5.3.4.4 Überflutung<br />

Im Fall des Szenarios Überflutung wird davon ausgegangen,<br />

dass es <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong> schlagartig einem<br />

plötzlichen starken Wassereinbruch kommt. Die Situation<br />

entwickelt sich so schnell, dass zum Zeitpunkt<br />

der Überflutung der <strong>Tunnel</strong> nicht gesperrt<br />

werden kann <strong>und</strong> sich daher noch Verkehr <strong>im</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

befindet<br />

Die Feuerwehr muss in dem Fall als erstes das<br />

Wasser aus dem <strong>Tunnel</strong> pumpen, um eine Bergung<br />

der <strong>Tunnel</strong>nutzer möglich zu machen, die<br />

sich nicht selber retten konnten. In diesem besonderen<br />

Fall ist davon auszugehen, dass die Operatoren<br />

in das Geschehen nicht oder nicht wesentlich<br />

eingreifen können, da die Betriebstechnik auf eine<br />

solche Wassereinwirkung nicht ausgelegt ist.


61 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

6 Maßnahmenkosten<br />

6.1 Lebenszykluskosten<br />

Bei <strong>Brücken</strong>- <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>bauwerken handelt es<br />

sich nicht um Serienprodukte, sondern um Einzelfertigungen,<br />

die an die Spezifikationen des Bauherrn<br />

<strong>und</strong> an die umfeldbezogenen, beispielsweise<br />

geologischen oder infrastrukturellen Gegebenheiten<br />

angepasst sind. Sie bestehen neben den<br />

Hauptbaustoffen aus unzähligen Einzelmaterialien<br />

oder Produktkomponenten, wie beispielsweise Beleuchtungs-<br />

<strong>und</strong> Belüftungssystemen, Türanlagen,<br />

Bauteilbeschichtungen oder elektronischer Mess-<br />

<strong>und</strong> Regeltechnik. Jede dieser Komponenten unterliegt<br />

einem separaten Lebenszyklus, der möglicherweise<br />

deutlich von der sehr langen Nutzungsdauer<br />

des konstruktiven Rohbaus (Beton, Stahl,<br />

Mauerwerk) abweicht.<br />

Neben turnusmäßigen Wartungs- <strong>und</strong> Instandsetzungsarbeiten<br />

werden daher in Zeitintervallen von<br />

der Größenordnung mehrerer Jahrzehnte Bauwerkssanierungen<br />

notwendig. Hierbei stellt sich<br />

heraus, ob Einzelkomponenten weiter betrieben<br />

werden können oder ob ganze Komponentengruppen<br />

durch neue Produkte ersetzt werden müssen.<br />

So beinhaltet der Lebenszyklus eines Einzelproduktes<br />

<strong>im</strong>plizit auch <strong>im</strong>mer die Gefahr, dass benötigte<br />

Bauteile nicht mehr am Markt verfügbar sind<br />

oder der garantierte Zeitraum zum Bezug von Ersatzteilen<br />

bereits abgelaufen ist. Infolge der computergestützten<br />

Betriebstechnik muss in Betracht<br />

gezogen werden, dass die Kompatibilität zwischen<br />

den <strong>im</strong> Bauwerk installierten Komponenten <strong>und</strong><br />

Technologien neuester Generation nicht mehr gegeben<br />

ist <strong>und</strong> zwangsläufig der Austausch ganzer<br />

Systeme notwendig wird.<br />

Die zentrale Problematik besteht darin, einerseits<br />

die angemessene Kostenansätze für den Betrieb,<br />

die Instandhaltung <strong>und</strong> die Sanierung des Bauwerks<br />

vorzugeben <strong>und</strong> andererseits eine möglichst<br />

verlässliche Fortschreibung dieser Kosten zu bewerkstelligen.<br />

Etwa für den Kostenverursacher „Beleuchtung“ fallen<br />

mehrmalig Kosten zur Erneuerung der Beleuchtungsanlage,<br />

zur Beschaffung von Austauschleuchtmitteln<br />

sowie kontinuierlich für die<br />

Energie zum Betrieb der Beleuchtung an. Diese<br />

Kosten sind sinnvoll über den geplanten Bewirtschaftungszeitraum<br />

des Bauwerks zu verteilen.<br />

Bestenfalls kann dabei auf vorliegende Erfahrungswerte<br />

zurückgegriffen werden, wahrscheinlicher<br />

ist jedoch, dass beispielsweise Nutzungsdauern<br />

technischer Einbauteile <strong>und</strong> Energiekosten abgeschätzt<br />

werden müssen. Letztendlich ist also die<br />

gesamte wirtschaftliche Entwicklung eines Bauwerks<br />

<strong>im</strong> Vorfeld zu beschreiben, indem jeder Kos-<br />

tenverursacher für jede Phase mit Kosten verknüpft<br />

wird. Die Summe aller Kosten, nämlich die<br />

Summe aus Investitions- <strong>und</strong> Unterhaltskosten<br />

über den Existenzzeitraum des Bauwerks, wird als<br />

die Lebenszykluskosten bezeichnet.<br />

Auch die Auswahl von <strong>Schutz</strong>maßnahmen für<br />

<strong>Tunnel</strong> <strong>und</strong> <strong>Brücken</strong> ist daher vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

eines ganzheitlichen Lebenszykluskostenansatzes,<br />

d.h. <strong>im</strong> Gesamtkontext der baulichen Bauwerkskonfiguration<br />

<strong>und</strong> –bewirtschaftung, zu betrachten.<br />

Die Vorteilhaftigkeit einer Maßnahme drückt sich<br />

schließlich durch das Verhältnis von Wirksamkeit<br />

zu Kosten aus.<br />

In den Maßnahmenbeschreibungen, die sich <strong>im</strong><br />

Anhang zu diesem Bericht befinden, sind die folgenden<br />

Kenndaten enthalten:<br />

� Theoretische Nutzungsdauer<br />

� Investitionskosten<br />

� Jährliche Unterhaltskosten<br />

Um ein möglichst breit angelegtes Spektrum für die<br />

Umsetzbarkeit einer Maßnahme zu erzielen, wird<br />

unterschieden, ob es sich um den Neubau eines<br />

<strong>Tunnel</strong>- oder <strong>Brücken</strong>bauwerks handelt, oder ob<br />

die Maßnahme <strong>im</strong> Zuge einer späteren Bauwerksertüchtigung<br />

umgesetzt werden soll.<br />

Bei der Abschätzung des ökonomischen Gesamtaufwandes<br />

für ein spezifisches Vorhaben werden<br />

neben den direkten Kosten – also den Lebenszykluskosten<br />

– in der Regel noch weitere wirtschaftliche<br />

Aspekte untersucht: Für ein Straßentunnelprojekt<br />

könnten dies beispielsweise volkswirtschaftliche<br />

Kosten sein, die sich aus Fahrzeitverkürzungen<br />

oder aus der Opt<strong>im</strong>ierung von Warenströmen<br />

ergeben. Aber auch Auswirkungen auf das unmittelbare<br />

Umfeld, wie Gefahren für Umwelt, Anwohner<br />

<strong>und</strong> Bauwerksnutzer sind dabei zu berücksichtigen.<br />

Es handelt sich hierbei um die sog. indirekten<br />

Kosten. Direkte <strong>und</strong> indirekte Kosten sind auch<br />

Bestandteil der Kosten-Wirksamkeits-Analyse, die<br />

in <strong>SKRIBT</strong> erarbeitet wurde <strong>und</strong> <strong>im</strong> folgenden Kapitel<br />

erläutert wird.<br />

6.2 Wirksamkeits-Kosten-Analyse<br />

6.2.1 Allgemeines<br />

Im Rahmen der „Wirksamkeits-Kosten-Analyse von<br />

Maßnahmen“ [29] wurde ein Bewertungsverfahren<br />

entwickelt, das die Abschätzung der Kosten-<br />

Wirksamkeit von Maßnahmen unter Berücksichtigung<br />

volkswirtschaftlicher Aspekte erlaubt. Dieses<br />

als Wirksamkeits-Kosten-Analyse bezeichnete Verfahren<br />

basiert auf der vergleichenden Betrachtung<br />

eines sich <strong>im</strong> Zuge eines best<strong>im</strong>mten Szenarios an<br />

einem Bauwerk ereignenden Initialereignisses <strong>und</strong><br />

dessen Auswirkungen. Dabei wird der Fall, dass<br />

keine Maßnahme umgesetzt wurde (Ohne-Fall) mit


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 62<br />

dem Fall, dass die untersuchte Maßnahme <strong>im</strong>plementiert<br />

wurde (Mit-Fall), verglichen. Um eine umfassende<br />

Wirkungsermittlung der Maßnahme zu<br />

garantieren, werden Auswirkungen auf das Bauwerk,<br />

den Nutzer <strong>und</strong> Verkehrsabläufe <strong>und</strong> daraus<br />

resultierende Folgewirkungen sowie weitere regionalwirtschaftliche<br />

Wirkungen für die Zeitdauer betrachtet,<br />

in der sich Unterschiede zwischen Mit-<br />

<strong>und</strong> Ohne-Fall einstellen. Dabei werden ausschließlich<br />

endliche Wirkungen betrachtet, die<br />

durch eine <strong>Schutz</strong>maßnahme verhindert werden<br />

können. Sehr langfristige Wirkungen wie z. B. dauerhafte<br />

Kontaminationen <strong>und</strong> Auswirkungen großräumiger<br />

Ereignisse wie einer überregionalen Naturkatastrophe<br />

entziehen sich daher einer Untersuchung<br />

mittels der Wirksamkeits-Kosten-Analyse.<br />

Das Verfahren soll Bauwerkseigentümer (Straßenbauverwaltungen)<br />

<strong>und</strong> andere Entscheidungsträger<br />

(z. B. private Betreiber) hinsichtlich ihres Entschlusses<br />

zur Umsetzung einer als geeignet erachteten<br />

<strong>Schutz</strong>maßnahme an einem konkreten <strong>Brücken</strong>-<br />

oder <strong>Tunnel</strong>bauwerk unterstützen. Dazu wird<br />

ein zweid<strong>im</strong>ensionaler Ergebnisvektor erzeugt,<br />

dessen erste Komponente aus dem Nutzen-<br />

Kosten-Quotienten der Maßnahme besteht. Der<br />

Nutzen-Kosten-Quotient gibt dabei an, ob <strong>und</strong> um<br />

welchen Faktor die mit der Maßnahme verb<strong>und</strong>enen<br />

Nutzen deren Kosten übersteigen. Als Kosten<br />

werden die Maßnahmenkosten, die sich aus deren<br />

jährlichen Investitions- <strong>und</strong> Unterhaltungskosten<br />

zusammensetzen, berücksichtigt, während sich die<br />

Nutzen aus den <strong>im</strong> Vergleich zum Ohne-Fall eingesparten<br />

jährlichen volkswirtschaftlichen Kosten<br />

ergeben. Diese Nutzen entstehen durch Reduzierungen<br />

der betrachteten negativen Wirkungen, die<br />

sich <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Szenario bzw.<br />

dem damit verb<strong>und</strong>enen Initialereignis einstellen<br />

können.<br />

Um die in ihren originären Einheiten vorliegenden<br />

Wirkungen miteinander vergleichen <strong>und</strong> in einem<br />

gemeinsamen Ergebnisindikator zusammenführen<br />

zu können, werden sie <strong>im</strong> Rahmen der Wirksamkeits-Kosten-Analyse<br />

mittels aktueller Kostensätze,<br />

die standardisierten Bewertungsverfahren zu Investitionsentscheidungen<br />

<strong>im</strong> Verkehrswesen entnommen<br />

wurden, monetarisiert.<br />

Auf die Monetarisierung der durch die Maßnahme<br />

geretteten Menschenleben wurde aus ethischen<br />

Gründen verzichtet. Diese elementare Kenngröße<br />

stellt die zweite Ergebniskomponente der Wirksamkeits-Kosten-Analyse<br />

dar.<br />

6.2.2 Berücksichtigte Wirkungen<br />

Die berücksichtigten Wirkungen werden aus einem<br />

Zielsystem abgeleitet, das speziell für <strong>SKRIBT</strong><br />

aufgestellt wurde. Es enthält als Ziele die Forde-<br />

rungen, die an geeignete <strong>Schutz</strong>maßnahmen gestellt<br />

werden, <strong>und</strong> deren Einhaltung den Sollzustand<br />

darstellt.<br />

Zur Beschreibung der Zielerreichung durch die untersuchte<br />

Maßnahme dienen teilzielspezifische Indikatoren,<br />

deren Ausprägungen bzw. Werte (Mengengerüst)<br />

für den Mit- <strong>und</strong> Ohne-Fall für den vorliegenden<br />

Untersuchungsgegenstand berechnet<br />

werden können. Über Differenzbildung der<br />

Indikatorenwerte <strong>und</strong> – soweit sie nicht bereits als<br />

monetäre Werte vorliegen – ihrer anschließenden<br />

Monetarisierung mittels der verwendeten Kostensätze<br />

(Wertegerüst) werden die Nutzen- bzw. Kostenbeiträge<br />

des jeweiligen Ziels bzw. Teilziels ermittelt.<br />

Im Rahmen der Wirksamkeits-Kosten-Analyse von<br />

<strong>SKRIBT</strong> werden 12 Ziele mit 25 Teilzielen <strong>und</strong><br />

ebenso vielen Indikatoren berücksichtigt. Sie können<br />

den Wirkungsbereichen<br />

� <strong>Schutz</strong> von menschlichem Leben<br />

� Umwelt<br />

� Regionalwirtschaft<br />

� Wiederherstellung des Bauwerks <strong>und</strong><br />

� Kosten der Maßnahmen<br />

zugeordnet werden.<br />

Sie beziehen sich auf das Bauwerk (inklusive der<br />

Maßnahme), die Nutzer <strong>und</strong> den Verkehrsablauf<br />

oder beschreiben verkehrsbedingte <strong>und</strong> regionalwirtschaftliche<br />

Folgewirkungen. Während das<br />

bauwerks- <strong>und</strong> nutzerspezifische Mengengerüst<br />

als Ergebnis der bauwerks- <strong>und</strong> nutzerbezogenen<br />

Objekt- bzw. Maßnahmenanalyse vorliegt, sind die<br />

verkehrsbezogenen Indikatoren des motorisierten<br />

Individualverkehrs (MIV) <strong>und</strong> des Straßengüterverkehrs<br />

(SGV) <strong>im</strong> Rahmen der Anwendung der Wirksamkeits-Kosten-Analyse<br />

mit Hilfe von Verkehrsmodellen<br />

<strong>und</strong> einem Analysetool, dem so genannten<br />

Bewerter, entsprechend der Methodik des<br />

B<strong>und</strong>esverkehrswegeplans 2003, separat seitens<br />

der verkehrsbezogenen Objektanalyse berechnet<br />

worden, wie Abbildung 18 zu entnehmen ist.<br />

Insgesamt ist anzumerken, dass <strong>im</strong> Rahmen des<br />

entwickelten Bewertungsverfahrens nur Wirkungen<br />

<strong>und</strong> deren Indikatoren berücksichtigt werden konnten,<br />

die quantifizierbar sind. Eine Berücksichtigung<br />

der während des Ereignisses verletzten Personen<br />

war beispielsweise nicht möglich, da die derzeitigen<br />

Verfahren eine Quantifizierung dieser Wirkung<br />

nicht erlauben. Dieser Umstand resultiert aus der<br />

Komplexität der zu bewertenden Situationen <strong>und</strong><br />

der damit einhergehenden Vielzahl unterschiedlicher<br />

<strong>und</strong> häufig indirekter Wirkungen.


63 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

WKA - Ablaufdiagramm<br />

Risikoanalyse<br />

inkl. Fußgängers<strong>im</strong>ulation<br />

Risikoanalyse<br />

Indikatoren<br />

Regionalwirtschaft<br />

Indikatoren<br />

Außerörtliches<br />

Verkehrsmodell<br />

Maßnahmen<br />

Dossier<br />

Abbildung 18: Ablaufdiagramm der Wirksamkeits-Kosten-Analyse<br />

Die betrachteten Wirkungen <strong>und</strong> Indikatoren müssen<br />

daher derart ausgewählt werden, dass sie repräsentativ<br />

für die Beschreibung best<strong>im</strong>mter Zustände<br />

oder Wirkungsweisen sind. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

ist hervorzuheben, dass die entwickelte<br />

Wirksamkeits-Kosten-Analyse keinesfalls die Abwägung<br />

<strong>und</strong> den Beschluss der zuständigen Entscheidungsträger<br />

hinsichtlich der Umsetzung einer<br />

Maßnahme ersetzen, diesen aber unterstützend<br />

begleiten kann.<br />

Zum Nachweis der Praktikabilität des Bewertungsverfahrens<br />

<strong>und</strong> zur Veranschaulichung der Verfahrensweise<br />

wurden jeweils ein außerörtliches <strong>und</strong><br />

ein innerstädtisches Verkehrsmodell als Teilnetze<br />

dem von der PTV AG entwickelten Verkehrsmodell<br />

PTV Validate entnommen. Die beiden Teilnetze<br />

sind in Abbildung 19 <strong>und</strong> Abbildung 20 dargestellt.<br />

Falls Verkehrswege des ÖPNV, des Bahnverkehrs<br />

Maßnahmen<br />

(Konsortium)<br />

„Bewerter“<br />

Indikatoren<br />

Wirksamkeits-<br />

Kosten -Tool:<br />

Brücke + <strong>Tunnel</strong><br />

Städtisches<br />

Verkehrsmodell<br />

Leitfaden<br />

Kostensätze<br />

(BMVBS)<br />

Kostenstruktur<br />

Bauwerke<br />

(Konsortium)<br />

oder der Schifffahrt durch Initialereignisse am betrachteten<br />

Bauwerk ebenfalls in Mitleidenschaft<br />

gezogen werden können, erfolgt die Ermittlung des<br />

diesbezüglichen Mengengerüsts anhand detaillierter<br />

Analysen der jeweiligen Verkehrswege <strong>und</strong> den<br />

alternativ zur Verfügung stehenden Routen <strong>und</strong><br />

Verkehrssystemen.<br />

Des Weiteren ist es mittels der Wirksamkeits-<br />

Kosten-Analyse möglich, regionalwirtschaftliche<br />

Auswirkungen, die sich aus einer (teilweisen)<br />

Schädigung des betrachteten Bauwerks ergeben,<br />

bei der Bewertung von Maßnahmen zu berücksichtigen.<br />

Da diese Wirkungen von einer Vielzahl regionaler<br />

Eigenschaften abhängen <strong>und</strong> bislang keine<br />

Modelle zur Ermittlung des entsprechenden Mengengerüsts<br />

vorliegen, sind zu dessen Abschätzung<br />

Ortskenntnis <strong>und</strong> Wissen hinsichtlich der Bedeutung<br />

des betrachteten Bauwerks für die Regionalwirtschaft<br />

erforderlich.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 64<br />

Abbildung 19: Netzmodell MIV <strong>und</strong> SGV „Außerörtliches Verkehrsmodell“<br />

Abbildung 20: Netzmodell MIV <strong>und</strong> SGV „Städtisches Verkehrsmodell“


65 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

6.2.3 Programmtechnische Umsetzung<br />

Die entwickelte Methodik zur Wirksamkeits-<br />

Kosten-Analyse soll insbesondere Bauwerkseigentümer<br />

(Straßenbaulastträger) bei Investitionsentscheidungen<br />

zu <strong>Schutz</strong>maßnahmen unterstützen.<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, ist das Analyseverfahren<br />

in einem Berechnungstool auf der Basis<br />

des Tabellenkalkulationsprogramms „Excel“ von<br />

Microsoft umgesetzt worden. Trotz seiner Komplexität,<br />

die sich in den insgesamt bis 25 Tabellenblättern<br />

des Tools widerspiegelt, ist es gelungen, die<br />

Anzahl der vom Nutzer zu tätigenden Eingaben auf<br />

ein komfortables Maß zu reduzieren <strong>und</strong> die Berechnungsergebnisse<br />

übersichtlich darzustellen.<br />

Das <strong>im</strong> nachfolgenden Kapitel erläuterte Beispiel<br />

verdeutlicht die notwendigen Arbeitsschritte bei<br />

Anwendung des Tools.<br />

6.2.4 Beispielanwendung<br />

Im Rahmen des Forschungsprojektes <strong>SKRIBT</strong><br />

wurden insgesamt vier Beispielbauwerke mit jeweils<br />

einem zugehörigen Initialereignis <strong>und</strong> einer<br />

probaten <strong>Schutz</strong>maßnahme für eine Wirksamkeits-<br />

Kosten-Analyse ausgewählt. Für jedes dieser Szenarien<br />

wurden die Wirkungen jeweils für den Ohne-<br />

<strong>und</strong> Mit-Fall ermittelt.<br />

6.2.4.1 Erläuterung des Beispielszenarios<br />

Das fiktive Beispielbauwerk ist eine Stahlbetonbogenbrücke<br />

mit Hohlkastenquerschnitt. Sie ist Teil<br />

einer B<strong>und</strong>esautobahn <strong>im</strong> deutschen Mittelgebirge<br />

<strong>und</strong> weist eine Länge von 552 m auf. Dabei überspannt<br />

sie einen nicht schiffbaren Wasserlauf sowie<br />

eine Bahnstrecke, auf der ausschließlich Nahverkehr<br />

abgewickelt wird. Die fiktive Brücke wurde<br />

<strong>im</strong> Jahr 2000 fertig gestellt <strong>und</strong> besitzt einen zweibahnigen,<br />

vierstreifigen Fahrbahnquerschnitt.<br />

Als <strong>Schutz</strong>maßnahme wird eine präventive Maßnahme<br />

untersucht. Dabei wird vereinfachend angenommen,<br />

dass dadurch das Eintreten des Initialereignisses<br />

verhindert wird. Diese Annahme ist –<br />

wie bei allen präventiven Maßnahmen – mit gewissen<br />

Unsicherheiten verb<strong>und</strong>en. Da zur Abschätzung<br />

des Ausmaßes dieser Unsicherheit keine<br />

empirischen Daten vorliegen, wird vereinfachend<br />

an ihr festgehalten.<br />

6.2.4.2 Ermittlung des Mengengerüsts <strong>und</strong><br />

weiterer Eingabeparameter<br />

Zunächst wurde das bauwerks- <strong>und</strong> nutzerbezogene<br />

Mengengerüst jeweils für den Ohne- <strong>und</strong> Mit-<br />

Fall ermittelt. Hinsichtlich des Bauwerksschadens<br />

<strong>im</strong> Ohne-Fall sind zwei mögliche Verläufe denkbar:<br />

Fall A beinhaltet die Schädigung lediglich eines<br />

Revisionsabschnitts des Bauwerks (Feld-<br />

Teilbereich, siehe Tabelle 6, während <strong>im</strong> Fall B<br />

zwei dieser Abschnitte betroffen sind.<br />

Aus den berechneten Bauwerksschäden wurden<br />

weiterhin der Grad der verkehrlichen Beeinträchtigung<br />

während der Wiederherstellung des Bauwerks<br />

<strong>und</strong> die Wiederherstellungsdauer wiederum<br />

für die beiden Ohne-Fälle (Fall A <strong>und</strong> B) <strong>und</strong> den<br />

Mit-Fall best<strong>im</strong>mt. Diese Kenngrößen haben maßgebenden<br />

Einfluss auf das verkehrliche Mengengerüst,<br />

da sie den Umfang notwendiger<br />

Umwegfahrten <strong>und</strong> deren zeitliche Dauer best<strong>im</strong>men.<br />

Tabelle 6, Tabelle 7 <strong>und</strong> Tabelle 8 geben einen<br />

Überblick über die berechneten Kennwerten.<br />

Die Angaben zu Art <strong>und</strong> Dauer der Verkehrsbeeinträchtigungen<br />

wurden zur Ermittlung des verkehrlichen<br />

Mengengerüsts genutzt. Dazu wurde das fiktive<br />

Bauwerk in das Autobahnnetz des Verkehrsmodells<br />

der Abbildung 19 eingesetzt <strong>und</strong> seine<br />

Kapazität entsprechend den ermittelten Werten zur<br />

Art der Verkehrsbeeinträchtigung angepasst. Die<br />

mittels einer Umlegungsrechnung best<strong>im</strong>mten verkehrlichen<br />

Kenngrößen wurden letztlich dem<br />

„Bewerter“ zugeführt, der die Berechnung des relevanten<br />

verkehrlichen Mengengerüsts für den MIV<br />

<strong>und</strong> SGV erlaubt.<br />

Sowohl das verkehrliche (MIV <strong>und</strong> SGV) als auch<br />

das bauwerks- <strong>und</strong> nutzerbezogene Mengengerüst<br />

fanden <strong>im</strong> Anschluss Eingang in das Bewertungstool.<br />

Für beide Ohne-Fälle wurde weiterhin angenommen,<br />

dass der Schienenverkehr auf den unter<br />

dem Bauwerk verkehrenden Bahnlinien für einen<br />

Monat gesperrt ist <strong>und</strong> für diese Dauer ein Schienenersatzverkehr<br />

eingerichtet wird. Die entsprechenden<br />

Wirkungen wurden mit Hilfe des Bewertungstools<br />

ermittelt <strong>und</strong> bei der Kosten-<br />

Wirksamkeits-Analyse berücksichtigt.<br />

Weitere regionalwirtschaftliche Wirkungen wie<br />

bspw. eine Beeinflussung des Tourismus werden<br />

für das betrachtete Szenario ausgeschlossen


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 66<br />

Merkmal Ausprägung<br />

Initialereignis<br />

Maßnahme keine<br />

Nutzerschaden (ohne Aversion) Risikoerwartungswert = 0,61<br />

Bauwerksschaden Schadensstufe 3 - 4<br />

Wiederherstellungsdauer 12 Monate<br />

� Halbseitige Schädigung des Überbaus auf 12 m Länge mit drastischer<br />

Abminderung der Tragwirkung<br />

� Fall A: Schaden liegt innerhalb nur eines Revisionsabschnitts<br />

Beeinträchtigung Verkehrsablauf Richtungssperrung mit 0 % bzw. 100 % der ursprünglichen Kapazität für die<br />

Fahrtrichtungen<br />

Wiederherstellungskosten KW = KN x WF x F + V<br />

� KN = Neubaukosten = 800 €/m 2 (Tragwerk)<br />

+ 400 €/m 2 (Fahrbahn)<br />

� WF = Wiederherstellungsfaktor = 2,3<br />

� F = Zerstörungsfläche = 225 m 2 (Tragwerk <strong>und</strong> Fahrbahn)<br />

� V = Lokale Verkehrssicherungsmaßnahmen<br />

Einrichten = 104.000 €<br />

Unterhalten = 5.500 €/Mon. X 5 Monate<br />

KW = 752.500 €<br />

Beeinträchtigung Schienenverkehr Vollsperrung der Bahnlinie unterhalb des Bauwerks für einen Monat<br />

Tabelle 6: Beschreibung des Szenarios am Bauwerk ohne Maßnahme, Fall A<br />

Merkmal Ausprägung<br />

Initialereignis<br />

Maßnahme keine<br />

Nutzerschaden (ohne Aversion) Risikoerwartungswert = 0,61<br />

Bauwerksschaden Schadensstufe 3 - 4<br />

� Halbseitige Schädigung des Überbaus auf 12 m Länge mit drastischer<br />

Abminderung der Tragwirkung<br />

� Fall B: Schaden reicht in zwei Revisionsabschnitte<br />

Wiederherstellungsdauer 13 Monate<br />

Beeinträchtigung Verkehrsablauf Richtungssperrung mit 0 % bzw. 100 % der ursprünglichen Kapazität für die<br />

Fahrtrichtungen<br />

Wiederherstellungskosten KW = KN x WF x F + V<br />

� KN = Neubaukosten = 800 €/m 2 (Tragwerk) sowie<br />

400 €/m 2 (Fahrbahn)<br />

� WF = Wiederherstellungsfaktor = 2,3<br />

� F = Zerstörungsfläche = 225 m 2 (Tragwerk)<br />

+ 450 m 2 (Fahrbahn)<br />

� V = Lokale Verkehrssicherungsmaßnahmen<br />

Einrichten = 104.000 €<br />

Unterhalten = 5.500 €/Mon. X 6 Monate<br />

KW = 965.000 €<br />

Beeinträchtigung Schienenverkehr Vollsperrung der Bahnlinie unterhalb des Bauwerks für einen Monat<br />

Tabelle 7: Beschreibung des Szenarios am Bauwerk ohne Maßnahme, Fall B


67 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

Merkmal Ausprägung<br />

Initialereignis<br />

Maßnahme präventiv<br />

Maßnahmenkosten 10.000 € (pauschal) zzgl. 2.000 € laufende Kosten<br />

Nutzerschaden (ohne Aversion) Risikoerwartungswert = 0<br />

Bauwerksschaden Schadensstufe 1<br />

� Bauwerk unbeschädigt<br />

� Eintritt des Initialereignisses wird verhindert<br />

Wiederherstellungsdauer 0 Monate<br />

Beeinträchtigung Verkehrsablauf keine<br />

Wiederherstellungskosten 0 Euro<br />

Beeinträchtigung Schienenverkehr keine<br />

Tabelle 8: Beschreibung des Szenarios am Bauwerk mit Maßnahme, Fall B<br />

Tabelle 9 gibt auszugsweise einen Einblick in das<br />

Berechnungstool. Dargestellt ist ein Teil des Deckblatts,<br />

in dem wesentliche Angaben zum Bauwerk<br />

<strong>und</strong> zum Szenario zu machen sind. Die Eingabefelder<br />

sind dabei blau gekennzeichnet.<br />

Die zentralen Ergebnisse werden innerhalb des<br />

Bewertungstools in einem separaten Tabellenblatt<br />

zusammengefasst <strong>und</strong> sind in Tabelle 10 <strong>und</strong> Tabelle<br />

11 dargestellt. In beiden Fällen wird durch die<br />

Umsetzung der Maßnahme ein Menschenleben<br />

gerettet. Des Weiteren übersteigen die Nutzen der<br />

untersuchten Maßnahme deren Kosten deutlich.<br />

Dieses Ergebnis resultiert einerseits aus den vergleichsweise<br />

niedrigen Kosten, die mit der Implementierung<br />

der untersuchten Maßnahme verb<strong>und</strong>en<br />

sind, andererseits trägt insbesondere die erhebliche<br />

Reduzierung der Reisezeiten <strong>im</strong> Mit-Fall<br />

gegenüber beiden Ohne-Fällen zu den insgesamt<br />

hohen Gesamtnutzen bei.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 68<br />

Bauwerk<br />

3 0<br />

Grad der Schädigung Teilzerstörung keine Schäden<br />

Betriebstechnische<br />

Ausstattung des Bauwerks<br />

3 0<br />

Grad der Schädigung: Teilzerstörung keine Schäden<br />

Schadenslänge<br />

Länge des beschädigten Bauwerkabschnitts [m] 15<br />

Verkehr<br />

2 0<br />

Art der Verkehrseinschränkungen: Richtungssperrung keine Sperrung<br />

Prüfung der Kombination aus Schadenskategorie <strong>und</strong><br />

Verkehrseinschränkung<br />

Dauer der Verkehrseinschränkungen<br />

in Monaten<br />

-- --<br />

12 0<br />

Hinweise zur Dauer der Verkehrseinschränkung -- --<br />

1 0<br />

Art der Wiederherstellung: kapazitätsgleiche Wiederherstellung keine Wiederherstellung<br />

Prüfung der Kombination aus Schadenskategorie <strong>und</strong><br />

Wiederherstellungsart<br />

o. k. o. k.<br />

Tabelle 9: Auszug aus dem Deckblatt des Berechnungstools zur Wirksamkeits-Kosten-Analyse


69 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

Nr.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Wirkungsbereich<br />

<strong>Schutz</strong> von menschlichem Leben<br />

Umwelt<br />

Getötete - während des Ereignisses [Anzahl] -1<br />

Getötete - <strong>im</strong> Wiederherstellungszeitraum [Anzahl] 0<br />

Getötete - nach Wiederherstellung [Anzahl] 0<br />

Unfälle mit Schwerverletzten - <strong>im</strong> Wiederherstellungszeitraum [1.000 EUR] -745<br />

Unfälle mit Schwerverletzten - nach Wiederherstellung [1.000 EUR] 0<br />

<strong>im</strong> Wiederherstellungszeitraum [1.000 EUR] 354<br />

Zeitpunkt: nach Wiederherstellung Wiederherstellungszeitraum<br />

[1.000 EUR] 0<br />

Regionalwirtschaftliche Indikatoren<br />

<strong>im</strong> Wiederherstellungszeitraum [1.000 EUR] -4,690<br />

nach Wiederherstellung [1.000 EUR] 0<br />

Wiederherstellung des Bauwerks (unter Berücksichtigung der Restwerte)<br />

Gesamtnutzen<br />

<strong>im</strong> Wiederherstellungszeitraum [1.000 EUR] -709<br />

nach Wiederherstellung [1.000 EUR] 0<br />

Anzahl "gerettete" Menschenleben<br />

Kosteneinsparungen gesamt ("Nutzen")<br />

Maßnahmenkosten<br />

Nutzen-Kosten-Differenz<br />

Nutzen-Kosten-Quotient<br />

Tabelle 10: Ergebnisse der Wirksamkeits-Kosten-Analyse für Bauwerk, Fall A<br />

[Anzahl] 1<br />

[1.000 EUR] 5,789<br />

[1.000 EUR] 12<br />

[1.000 EUR] 5,777<br />

470.1


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 70<br />

Nr.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Tabelle 11: Ergebnisse der Wirksamkeits-Kosten-Analyse für Bauwerk, Fall B<br />

6.2.5 Fazit<br />

Wirkungsbereich<br />

<strong>Schutz</strong> von menschlichem Leben<br />

Umwelt<br />

Getötete - während des Ereignisses [Anzahl] -1<br />

Getötete - <strong>im</strong> Wiederherstellungszeitraum [Anzahl] -1<br />

Getötete - nach Wiederherstellung [Anzahl] 0<br />

Unfälle mit Schwerverletzten - <strong>im</strong> Wiederherstellungszeitraum [1.000 EUR] -805<br />

Unfälle mit Schwerverletzten - nach Wiederherstellung [1.000 EUR] 0<br />

<strong>im</strong> Wiederherstellungszeitraum [1.000 EUR] 383<br />

Zeitpunkt: nach Wiederherstellung Wiederherstellungszeitraum<br />

[1.000 EUR] 0<br />

Regionalwirtschaftliche Indikatoren<br />

<strong>im</strong> Wiederherstellungszeitraum [1.000 EUR] -5,069<br />

nach Wiederherstellung [1.000 EUR] 0<br />

Wiederherstellung des Bauwerks (unter Berücksichtigung der Restwerte)<br />

Gesamtnutzen<br />

<strong>im</strong> Wiederherstellungszeitraum [1.000 EUR] -890<br />

nach Wiederherstellung [1.000 EUR] 0<br />

Anzahl "gerettete" Menschenleben<br />

Kosteneinsparungen gesamt ("Nutzen")<br />

Maßnahmenkosten<br />

Nutzen-Kosten-Differenz<br />

Nutzen-Kosten-Quotient<br />

Im Rahmen des Projektes ist es u. a. gelungen, eine<br />

Methodik zu entwickeln, mit deren Hilfe die Implementierung<br />

definierter <strong>Schutz</strong>maßnahmen an<br />

konkreten Bauwerken hinsichtlich ihrer Kosten-<br />

Wirksamkeit untersucht werden kann. Dabei werden<br />

ausgewählte, die Zustände <strong>und</strong> Wirkungsweisen<br />

repräsentativ abbildende <strong>und</strong> quantifizierbare<br />

Indikatoren zur Ermittlung der Nutzen <strong>und</strong> Kosten<br />

der Maßnahmen berücksichtigt. Eine Bewertung,<br />

die sämtliche Wirkungen erfasst, ist – wie auch mit<br />

Bewertungsverfahren in anderen Bereichen – nicht<br />

möglich. Das Verfahren erlaubt jedoch, den Abwägungs-<br />

<strong>und</strong> Entscheidungsprozess zur Umsetzung<br />

von Maßnahmen zu objektivieren <strong>und</strong> gibt Entscheidungsträgern<br />

damit eine Hilfestellung. Zur<br />

Anwendung der Methodik wurde weiterhin ein Bewertungstool<br />

erstellt, das die Durchführung konkreter<br />

Analysen erlaubt. Über Beispielanwendungen<br />

konnte die Funktionsweise der Tools dargestellt<br />

werden. Insgesamt steht damit ein Verfahren zur<br />

Verfügung, das trotz der hohen Komplexität hinsichtlich<br />

der berücksichtigten Wirkungen von Maßnahmen<br />

eine hohe Praktikabilität aufweist.<br />

[Anzahl] 2<br />

[1.000 EUR] 6,381<br />

[1.000 EUR] 12<br />

[1.000 EUR] 6,368<br />

518.1


71 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

7 Zusammenfassung<br />

Ziel des <strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong>es <strong>SKRIBT</strong> war es, für<br />

<strong>Brücken</strong>- <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>bauwerke <strong>im</strong> Zuge von Straßen<br />

die möglichen Gefährdungen durch aktuelle<br />

<strong>und</strong> künftige Bedrohungslagen festzustellen, wirksame<br />

<strong>Schutz</strong>maßnahmen zu erarbeiten <strong>und</strong> so die<br />

Verletzbarkeit lebenswichtiger Infrastrukturen <strong>und</strong><br />

ihrer Nutzer zu verringern.<br />

Hierfür wurde zunächst eine umfassende Bedrohungsanalyse<br />

erstellt. Es wurden zukunftsorientierte<br />

Szenarien berücksichtigt, wobei sich der Fokus<br />

auf Ereignisse, die zu einer Beschädigung oder<br />

Zerstörung des Bauwerks, zu einer Gefährdung<br />

der Nutzer <strong>und</strong>/oder einer Beeinträchtigung des<br />

Verkehrs führen können, richtete. Sowohl Bedrohungen<br />

durch terroristische oder kr<strong>im</strong>inelle Aktivitäten<br />

als auch Gefahren durch extreme Naturereignisse<br />

oder durch menschliches oder technisches<br />

Versagen ausgelöste Großunfälle wurden<br />

hierbei berücksichtigt. Als relevante Ereignisse<br />

wurden so Brand, Explosion, Kontamination sowie<br />

Überflutung (für <strong>Tunnel</strong>) oder Wind (für <strong>Brücken</strong>)<br />

identifiziert.<br />

Die Best<strong>im</strong>mung der aus diesen Extremereignissen<br />

resultierenden Schadensausmaße in Bezug<br />

auf das Bauwerk, die Nutzer <strong>und</strong> den Verkehr erfolgte<br />

in einer detaillierten Objektanalyse. Zur Ermittlung<br />

des Bauwerksschadens erfolgten zunächst<br />

eine Schwachstellenanalyse der verschiedenen<br />

Bauwerkstypen <strong>und</strong> anschließend die Betrachtung<br />

der Bauteilschädigung sowie des Gesamttragverhaltens<br />

des Bauwerks. Um das nutzerbezogene<br />

Schadensausmaß zu ermitteln wurde<br />

eine neuartige Flucht- <strong>und</strong> Evakuierungss<strong>im</strong>ulation<br />

entwickelt, die sowohl Systemantworten als auch<br />

menschliches Verhalten abbilden kann. Auch für<br />

Betriebs- <strong>und</strong> Einsatzdienste wurden die Folgen<br />

von Großschadensereignissen in <strong>Tunnel</strong>n <strong>und</strong> auf<br />

<strong>Brücken</strong> in Bezug auf vorhandene Bewältigungsstrategien,<br />

Einsatzkonzepte <strong>und</strong> insbesondere mit<br />

Blick auf organisatorische, zeitliche <strong>und</strong> ressourcenbezogene<br />

Komponenten untersucht. Zudem<br />

wurden die verkehrlichen Aspekte des Teil- oder<br />

Komplettausfalls von Bauwerken untersucht. Es<br />

wurde ein Verfahren entwickelt, die entstehenden<br />

Mehrreisezeiten als Resultat aus einem reduzierten<br />

Angebot, verfügbaren Alternativrouten mit ihren<br />

Kapazitäten <strong>und</strong> der gegebenen Nachfrage zu<br />

berechnen.<br />

Auf Basis dieser Daten wurde ein Verfahren zur<br />

Identifizierung <strong>kritischer</strong> Bauwerke <strong>im</strong> Zuge von<br />

Straßen entwickelt. Hierbei wurde ein risikobasierter<br />

Ansatz angewendet, d.h. es wurden sowohl die<br />

berechneten Schadensausmaße als auch Wahrscheinlichkeiten<br />

berücksichtigt. Als Indikator für die<br />

Schadensausmaße wurden für das Bauwerk der<br />

mögliche Schaden in Form einer Schadensklasse<br />

sowie die notwendigen Wiederherstellungskosten,<br />

für die direkt betroffenen Nutzer die mögliche Anzahl<br />

der Getöteten, <strong>und</strong> für den Verkehr die entstehenden<br />

Mehrreisezeiten best<strong>im</strong>mt. Zudem wurde<br />

eine Möglichkeit zur Berücksichtigung sonstiger<br />

Einflussfaktoren, wie z.B. der symbolischen Bedeutung,<br />

auf die Kritikalität geschaffen.<br />

Abschließend wurden für die kritischen Bauwerkstypen<br />

bautechnische, betriebstechnische <strong>und</strong> organisatorische<br />

<strong>Schutz</strong>maßnahmen zur Prävention<br />

<strong>und</strong>/oder Ausmaßminderung <strong>im</strong> Schadensfall entwickelt<br />

<strong>und</strong> umfassend untersucht. Für die Beurteilung<br />

ihrer Wirksamkeit wurde mit der „Wirksamkeits-Kosten-Analyse“<br />

eine neuartige Methode unter<br />

Berücksichtigung der gesellschaftlichen Akzeptanz<br />

sowie von betriebs- <strong>und</strong> volkswirtschaftlichen<br />

Aspekten entwickelt. In die Berechnung mit einbezogen<br />

wurden die Wirkungsbereiche „<strong>Schutz</strong> von<br />

menschlichem Leben“, „Umwelt“, „Regionalwirtschaft“<br />

<strong>und</strong> „Wiederherstellung des Bauwerks“. So<br />

können Wirkungen <strong>und</strong> Kosten unterschiedlicher<br />

Maßnahmen gegenübergestellt <strong>und</strong> Rückschlüsse<br />

auf deren Effizienz gezogen werden.<br />

Im vorliegenden Bericht wurden die verschiedenen<br />

Maßnahmen zielgruppenspezifisch für Bauwerkseigentümer,<br />

Betreiber, Einsatzdienste <strong>und</strong> Nutzer<br />

aufbereitet <strong>und</strong> Empfehlungen für ihre Anwendung<br />

formuliert. Zudem wurden die für eine schnelle<br />

Wiederinbetriebnahme beschädigter Bauwerke erforderlichen<br />

Maßnahmen als Leitfaden für die<br />

Bauwerkseigentümer <strong>und</strong> Betreiber sowie beteiligte<br />

Organisationen zusammengefasst.


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 72<br />

8 Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Bisher lag der Schwerpunkt der Sicherheitsforschung<br />

für Verkehrsinfrastrukturen auf den Schäden,<br />

die aus natürlichen Ereignissen, wie z.B. Erdbeben<br />

oder Überflutung resultieren <strong>und</strong> auf Ereignissen,<br />

die sich aus dem Normalbetrieb ergeben,<br />

wie z.B. Unfälle <strong>und</strong> Brände. In der Vergangenheit<br />

mussten Eigentümer von Verkehrsinfrastrukturen<br />

die Risiken <strong>im</strong> Zusammenhang mit solchen Ereignissen<br />

bewältigen, d.h. die Bereitstellung von<br />

Maßnahmen zur Ausmaßminderung oder alternativ<br />

eine Versicherung der Bauwerke gegen solche<br />

Gefahren. Aber seit einigen Jahren haben Infrastruktur<br />

Eigentümer <strong>und</strong> Betreiber eine neue <strong>und</strong><br />

weitgehend unerwartete Herausforderung zu bewältigen:<br />

die Gewährleistung von ziviler Sicherheit<br />

für ihre Infrastrukturen gegen terroristische Angriffe.<br />

Mit diesem Projekt konnte <strong>im</strong> Rahmen der Sicherheitsforschung<br />

eine Basis geschaffen werden, die<br />

es ermöglicht, den <strong>Schutz</strong> von Infrastrukturen <strong>und</strong><br />

ihren Nutzern in Deutschland vor verschiedenen<br />

natürlichen <strong>und</strong> von Menschen ausgehenden Bedrohungen<br />

zu verbessern. Die Ergebnisse von<br />

<strong>SKRIBT</strong> erlauben es, für <strong>Brücken</strong>- <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong>bauwerke<br />

<strong>im</strong> Zuge von Straßen interdisziplinär die<br />

möglichen Gefährdungen <strong>im</strong> Hinblick auf die aktuelle<br />

<strong>und</strong> künftige Bedrohungslage festzustellen, die<br />

wirksamsten <strong>Schutz</strong>maßnahmen auszuwählen <strong>und</strong><br />

damit die Verletzbarkeit lebenswichtiger Infrastrukturen<br />

<strong>und</strong> ihrer Nutzer deutlich zu verringern. Es<br />

steht ein Verfahren zur Identifizierung <strong>kritischer</strong><br />

Bauwerke zur Verfügung, das es ermöglicht, ein<br />

oder mehrere Bauwerke hinsichtlich Ihrer Gefährdung<br />

in bautechnischer, nutzerspezifischer <strong>und</strong><br />

verkehrstechnischer Hinsicht zu untersuchen <strong>und</strong><br />

ihre Kritikalität zu best<strong>im</strong>men. Um die kritischen<br />

Bauwerke sicherer <strong>und</strong> weniger verw<strong>und</strong>bar zu<br />

machen <strong>und</strong> die Nutzersicherheit zu erhöhen, liegen<br />

Empfehlungen zum Einsatz geeigneter<br />

<strong>Schutz</strong>maßnahmen vor, getrennt für die Zielgruppen<br />

Eigentümer, Nutzer, Betreiber <strong>und</strong> Operatoren<br />

sowie für die Rettungs- <strong>und</strong> Einsatzdienste.<br />

Für eine Verbesserung der Anwendbarkeit der in<br />

<strong>SKRIBT</strong> erarbeiteten Ergebnisse, sollten zukünftig<br />

noch praxisfre<strong>und</strong>lichere Anwendungshilfen für<br />

Bauwerkseigentümer, -betreiber, Nutzer sowie<br />

Einsatzdienste entwickelt werden. Aufbauend auf<br />

der umfassenden Bedrohungsanalyse („all hazard<br />

approach“) dieses Projekts unter erweiterter Berücksichtigung<br />

verschiedener Bedrohungskombinationen,<br />

der Beteiligung aller relevanten Zielgruppen<br />

(Nutzer, Betreiber, Eigentümer, Rettungsdienste)<br />

<strong>und</strong> der Berücksichtigung kombinierter<br />

präventiver als auch reaktiver <strong>und</strong> Red<strong>und</strong>anz erhöhender<br />

<strong>Schutz</strong>maßnahmen wird empfohlen<br />

auch bei vertiefenden Untersuchungen, weiterhin<br />

einen ganzheitlichen <strong>und</strong> interdisziplinären Ansatz<br />

zu verfolgen. Dabei sollten ebenfalls die unterschiedlichen<br />

Bereiche Ingenieurwissenschaften,<br />

Naturwissenschaft <strong>und</strong> Sozialwissenschaften effektiv<br />

zusammenarbeiten, um der Komplexität der<br />

Aufgabenstellung gerecht zu werden.


73 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

9 Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Methodik von <strong>SKRIBT</strong>.................. 5<br />

Abbildung 2: Zuweisung der Teilberichte .......... 5<br />

Abbildung 3: Visualisierung der<br />

Fluchts<strong>im</strong>ulation am Beispiel<br />

eines Szenarios mit<br />

Chlorfreisetzung ......................... 10<br />

Abbildung 4: Struktur des<br />

Identifizierungsverfahrens .......... 12<br />

Abbildung 5: Ermittlung der Gemittelten<br />

Gesamt-Kritikalität (GGK) <strong>im</strong><br />

Rahmen des<br />

Identifizierungsverfahrens .......... 18<br />

Abbildung 6: Größenaufstellung der<br />

Wiederherstellungskosten für<br />

<strong>Tunnel</strong> ........................................ 19<br />

Abbildung 7: Größenaufstellung der<br />

gewichteten<br />

Risikoerwartungswerte............... 20<br />

Abbildung 8: Größenaufstellung für<br />

Mehrreisezeiten bei<br />

Vollsperrung ............................... 20<br />

Abbildung 9: Maßnahmen zur Unterstützung<br />

der Operatoren <strong>im</strong> Brandfall ...... 58<br />

Abbildung 10: Maßnahmen zur Unterstützung<br />

der Feuerwehr <strong>im</strong> Brandfall ....... 58<br />

Abbildung 11: Maßnahmen zur Unterstützung<br />

der Nutzer <strong>im</strong> Brandfall .............. 58<br />

Abbildung 12: Maßnahmen zur Unterstützung<br />

der Operatoren <strong>im</strong><br />

Explosionsfall ............................. 59<br />

Abbildung 13: Maßnahmen zur Unterstützung<br />

der Feuerwehr <strong>im</strong><br />

Explosionsfall ............................. 59<br />

Abbildung 14: Maßnahmen zur Unterstützung<br />

der Nutzer <strong>im</strong> Explosionsfall ...... 59<br />

Abbildung 15: Maßnahmen zur Unterstützung<br />

der Operatoren <strong>im</strong><br />

Kontaminationsfall ...................... 59<br />

Abbildung 16: Maßnahmen zur Unterstützung<br />

der Feuerwehr <strong>im</strong><br />

Kontaminationsfall ...................... 60<br />

Abbildung 17: Maßnahmen zur Unterstützung<br />

der Nutzer <strong>im</strong><br />

Kontaminationsfall ...................... 60<br />

Abbildung 18: Ablaufdiagramm der<br />

Wirksamkeits-Kosten-Analyse .... 63<br />

Abbildung 19: Netzmodell MIV <strong>und</strong> SGV<br />

„Außerörtliches<br />

Verkehrsmodell“ ......................... 64<br />

Abbildung 20: Netzmodell MIV <strong>und</strong> SGV<br />

„Städtisches Verkehrsmodell“..... 64


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 74<br />

10 Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 1: Relevante Initialereignisse für<br />

<strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> ..................... 8<br />

Tabelle 2: Schadensstufen ........................... 9<br />

Tabelle 3: Kategorisierung von<br />

<strong>Brücken</strong>bauwerken in <strong>SKRIBT</strong> .... 9<br />

Tabelle 4: <strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Brücken</strong> 23<br />

Tabelle 5: <strong>Schutz</strong>maßnahmen für <strong>Tunnel</strong> ... 36<br />

Tabelle 6: Beschreibung des Szenarios<br />

am Bauwerk ohne Maßnahme,<br />

Fall A .......................................... 66<br />

Tabelle 7: Beschreibung des Szenarios<br />

am Bauwerk ohne Maßnahme,<br />

Fall B .......................................... 66<br />

Tabelle 8: Beschreibung des Szenarios<br />

am Bauwerk mit Maßnahme,<br />

Fall B .......................................... 67<br />

Tabelle 9: Auszug aus dem Deckblatt des<br />

Berechnungstools zur<br />

Wirksamkeits-Kosten-Analyse ... 68<br />

Tabelle 10: Ergebnisse der Wirksamkeits-<br />

Kosten-Analyse für Bauwerk,<br />

Fall A .......................................... 69<br />

Tabelle 11: Ergebnisse der Wirksamkeits-<br />

Kosten-Analyse für Bauwerk,<br />

Fall B .......................................... 70


75 <strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

11 Literaturverzeichnis<br />

[1] Terror Event Database (TED), Fraunhofer<br />

Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-<br />

Institut, Efringen-Kirchen<br />

[2] Stellungnahme der Deutschen Meteorologischen<br />

Gesellschaft zur Kl<strong>im</strong>aproblematik<br />

vom 9.10.2007. In: Mitteilungen DMG, Heft<br />

04, 2007. http://www.dmg-ev.de<br />

[3] Projektbericht „Identifizierung <strong>kritischer</strong><br />

Bauwerke“ zum <strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong> „<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong><br />

<strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> <strong>im</strong> Zuge von<br />

Straßen (<strong>SKRIBT</strong>)“ für das B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung (BMBF),<br />

2012<br />

[4] Bohnenblust, H.; Holthausen, N.: Risikoaversion<br />

– Entwicklung systematischer Instrumente<br />

zur Risiko- bzw. Sicherheitsbeurteilung;<br />

Studie <strong>im</strong> Auftrag des schweizerischen<br />

B<strong>und</strong>esamtes für Bevölkerungsschutz;<br />

Bern 2008<br />

[5] Projektbericht „Bauwerksbezogene Objektanalyse:<br />

<strong>Brücken</strong>“, zum <strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong><br />

„<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> <strong>im</strong><br />

Zuge von Straßen (<strong>SKRIBT</strong>)“ für das B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung<br />

(BMBF), 2012<br />

[6] Projektbericht „Bauwerksbezogene Objektanalyse:<br />

<strong>Tunnel</strong>“, zum <strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong><br />

„<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> <strong>im</strong><br />

Zuge von Straßen (<strong>SKRIBT</strong>)“ für das B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung<br />

(BMBF), 2012<br />

[7] B<strong>und</strong>esministerium für Verkehr, Bau- <strong>und</strong><br />

Wohnungswesen, Abteilung Straßenbau,<br />

Straßenverkehr, Anweisung Straßeninformationsbank<br />

Teilsystem Bauwerksdaten, ASB-<br />

ING, Ausgabe März 2004<br />

[8] Projektbericht „Wirksamkeitsanalyse von<br />

Maßnahmen zum Bauwerksschutz: <strong>Brücken</strong>“<br />

zum <strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong> „<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong><br />

<strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> <strong>im</strong> Zuge von Straßen<br />

(<strong>SKRIBT</strong>)“ für das B<strong>und</strong>esministerium für<br />

Bildung <strong>und</strong> Forschung (BMBF), 2012<br />

[9] Projektbericht „Wirksamkeitsanalyse von<br />

Maßnahmen zum Bauwerksschutz: <strong>Tunnel</strong>“<br />

zum <strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong> „<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> <strong>im</strong> Zuge von Straßen<br />

(<strong>SKRIBT</strong>)“ für das B<strong>und</strong>esministerium für<br />

Bildung <strong>und</strong> Forschung (BMBF), 2012<br />

[10] Projektbericht „Wirksamkeitsanalyse von<br />

Maßnahmen zum Nutzerschutz“ zum <strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong><br />

„<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Tunnel</strong> <strong>im</strong> Zuge von Straßen (<strong>SKRIBT</strong>)“ für<br />

das B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung<br />

(BMBF), 2012<br />

[11] Projektbericht „Bedrohungsanalyse“ zum<br />

<strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong> „<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> <strong>im</strong> Zuge von Straßen (<strong>SKRIBT</strong>)“<br />

für das B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong><br />

Forschung (BMBF), 2012<br />

[12] DIN V ENV 1627<br />

Türen, Fenster, Vorhangfassaden, Gitterelemente<br />

<strong>und</strong> Abschlüsse - Einbruchhemmung<br />

- Anforderungen <strong>und</strong> Klassifizierung,<br />

Ausgabe 2011-09<br />

[13] DIN-Fachbericht 102: Betonbrücken, Ausgabe<br />

März 2009<br />

[14] DIN 1045-1<br />

Tragwerke aus Beton, Stahlbeton <strong>und</strong><br />

Spannbeton - Teil 1: Bemessung <strong>und</strong> Konstruktion,<br />

Ausgabe 2008-08<br />

[15] DIN EN 1991-1-7<br />

Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke -<br />

Teil 1-7: Allgemeine Einwirkungen - Außergewöhnliche<br />

Einwirkungen, Ausgabe 2010-<br />

12<br />

[16] B<strong>und</strong>esministerium für Verkehr, Bau- <strong>und</strong><br />

Stadtentwicklung, Abteilung Straßenbau<br />

Straßenverkehr, Referat <strong>Brücken</strong>- <strong>und</strong> Ingenieurbau:<br />

Richtzeichnungen für Ingenieurbauten<br />

– RIZ-ING, Stand August 2010<br />

[17] (VOF)<br />

Vergabeordnung für freiberufliche Dienstleistungen,<br />

Ausgabe 2009-11-18<br />

[18] VOB/A<br />

Vergabe- <strong>und</strong> Vertragsordnung für Bauleistungen<br />

- Teil A: Allgemeine Best<strong>im</strong>mungen<br />

für die Vergabe von Bauleistungen, Ausgabe<br />

2012-09<br />

[19] FwDV 500: Feuerwehr-Dienstvorschrift 500,<br />

Stand 2003<br />

[20] „TUNCONSTRUCT“, Technology Innovation<br />

in Undergro<strong>und</strong> Construction, CRC Press,<br />

Taylor & Francis, 2009, ISBN: 978-0-415-<br />

55105-2


<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> 76<br />

[21] Entwicklung eines Verfahrens zum Herstellen<br />

von Polymerbeton aus nachwachsenden<br />

Rohstoffen, ZIM, AiF, KF 2213502HF0<br />

[22] B<strong>und</strong>esanstalt für Straßenwesen, Zusätzliche<br />

Technische Vertragsbedingungen <strong>und</strong><br />

Richtlinien für Ingenieurbauten – ZTV-ING,<br />

2010<br />

[23] Verfahren zur Kategorisierung von Straßentunneln<br />

gemäß ADR 2007, B<strong>und</strong>esanstalt<br />

für Straßenwesen (2009)<br />

[24] M. Brake, M. Grünewald, G. Mayer, A.<br />

Haack, J. Schreyer, B. Steinauer (2005)<br />

Brand- <strong>und</strong> Störfalldetektion in Straßentunneln<br />

– Vergleichende Untersuchungen,<br />

B<strong>und</strong>esminister für Verkehr, Bau- <strong>und</strong> Wohnungswesen<br />

(BMVBW), Bonn, Forschung<br />

Straßenbau <strong>und</strong> Straßenverkehrstechnik,<br />

Heft 925, ISBN 978-3-86509-357-8<br />

[25] Projektbericht „Menschliches Verhalten“ zum<br />

<strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong> „<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> <strong>im</strong> Zuge von Straßen (<strong>SKRIBT</strong>)“<br />

für das B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong><br />

Forschung (BMBF), 2012<br />

[26] RABT - Richtlinien für die Ausstattung <strong>und</strong><br />

den Betrieb von Straßentunneln. Forschungsgesellschaft<br />

für das Straßen- <strong>und</strong><br />

Verkehrswesen e.V. (FGSV 339), FGSV-<br />

Verlag, Ausgabe 2006<br />

[27] Projektbericht „Analyse Betriebs- <strong>und</strong> Einsatzdienste“<br />

zum <strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong> „<strong>Schutz</strong><br />

<strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong> <strong>im</strong> Zuge von<br />

Straßen (<strong>SKRIBT</strong>)“ für das B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung (BMBF),<br />

2012<br />

[28] Rilsa - Richtlinien für Lichtsignalanlagen,<br />

Forschungsgesellschaft für das Straßen-<br />

<strong>und</strong> Verkehrswesen e.V. (FGSV 339),<br />

FGSV-Verlag, Ausgabe 1992<br />

[29] Projektbericht „Wirksamkeits-Kosten-<br />

Analyse von Maßnahmen“ zum <strong>Verb<strong>und</strong>projekt</strong><br />

„<strong>Schutz</strong> <strong>kritischer</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>und</strong> <strong>Tunnel</strong><br />

<strong>im</strong> Zuge von Straßen (<strong>SKRIBT</strong>)“ für das<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung<br />

(BMBF), 2012

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