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Halbfeste Dermatika

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6<br />

GALENISCHE PHARMAZIE II VORLESUNGEN<br />

<strong>Halbfeste</strong> <strong>Dermatika</strong>: Salbengrundlagen und<br />

Salben<br />

Lehrbücher<br />

Bauer/Frömming Führer, Kapitel 12 <strong>Halbfeste</strong> Arzneiformen<br />

Herzfeldt/Kreuter, Kapitel 2, Unterkapitel 2.2 Flüssigkristalle<br />

Ziele<br />

� Kenntnisse über den strukturellen, zellulären und<br />

biochemischen Aufbau der Haut<br />

� Uebersicht über die Zusammenhänge zwischen Hauttyp,<br />

Stadium der Erkrankung, Verträglichkeit und Art des<br />

Dermatikums<br />

� Ueberblick über die instrumentelle Analytik zur Prüfung der<br />

dermatologischen Qualität von <strong>Dermatika</strong><br />

� Uebersicht über über die wichtigsten Grundstoffe und die<br />

Zusammensetzung von charakteristischen halbfesten<br />

<strong>Dermatika</strong>.<br />

� Uebersicht über die Systematik von halbfesten <strong>Dermatika</strong>,<br />

insbesondere hydrophobe Salben, wasseraufnehmende<br />

Salben, Absorptionsbasen, lipophile, hydrophile und<br />

ambiphile Cremes<br />

� Verständnis der kolloidchemischen Strukturen in halbfesten<br />

<strong>Dermatika</strong><br />

� Kenntnisse über die Methoden der Herstellung und der<br />

Qualitätsprüfung von halbfesten <strong>Dermatika</strong><br />

6.1 Grundlagen<br />

Die Haut - Aufbau und Struktur<br />

Der strukturelle, zelluläre und biochemische Aufbau der Haut bestimmt die<br />

Möglichkeiten der therapeutischen und kosmetischen Behandlung mit<br />

<strong>Dermatika</strong>. Wichtig sind vor allem folgende Stichwörter:<br />

Epidermis. Stratum corneum (ca. 20 μm); Stratum granulosum, Stratum<br />

spinosum, Stratum basale, Basalmembran (insgesamt ca. 50 – 100 μm).


B<strong>Halbfeste</strong> <strong>Dermatika</strong>: Salbengrundlagen und SalbenB S. 2<br />

Dermis (Corium), Subkutis. Haarfollikel, Schweissdrüsen, Talgdrüsen,<br />

Druckrezeptoren, Temperatursensoren; Kapillaren zur Blutversorgung,<br />

Lymphgefässe; Fettgewebe<br />

Zellulärer Aufbau der Haut. Keratinozyten, Melanocyten, Langerhans-Zellen<br />

in Epidermis. Fibroblasten in Dermis<br />

Biochemischer Aufbau. Stratum corneum: Keratin, Lipide (Ceramide,<br />

Phospholipide, Sterole, Fettsäuren). Dermis: Kollagen-Fasern.<br />

AUFGABE: Ueberprüfen Sie anhand der aufgeführten Stichworte<br />

Ihre Kenntnisse über den zellulären und biochemischen Aufbau<br />

der Haut. Was ist die physiologische Aufgabe des Stratum<br />

corneum? - Wie wird Sie erreicht? - Wie läuft der Reifungsprozess<br />

der Keratinocyten ab, morphologisch und biochemisch? - Was ist<br />

die Aufgabe der Langerhans-Zellen in der Haut? - Was ist SALT?<br />

Die Wahl der richtigen Grundlage<br />

Im Gegensatz zu anderen Arzneiformen besitzen die Grundlagen von<br />

<strong>Dermatika</strong> eine ausgeprägte Eigenwirkung auf die Haut. Somit beeinflusst<br />

die Grundlage nicht nur die Freigabe des Wirkstoffs, sondern auch die<br />

Permeation und Penetration eines Arzneistoffs in und durch die Haut und den<br />

für die Wirkung des Arzneistoffs wichtigen Zustand der Haut. Die<br />

Zusammenhänge zwischen der chemischen und physikalischen Struktur des<br />

Wirkstoffs, der chemischen und physikalischen Beschaffenheit der<br />

Grundlage und der Disposition der Haut sind komplex und nur in Einzelfällen<br />

abgeklärt.<br />

Auswahlkriterien<br />

AUFGABE: Ueberprüfen Sie bei Bedarf Ihre Kenntnisse über die<br />

Zusammensetzung von typischen Salbengrundlagen, z.B. an Hand<br />

der Pharmakopöe. Konzentrieren Sie sich auf charakteristische<br />

Vertreter. Beachten Sie, dass sich die meisten Zubereitung auf<br />

bestimmte bewährte Grundrezepturen zurückführen lassen.<br />

Eigenschaften. Die Dermatologie unterscheidet zwischen eine Reihe von<br />

Eigenwirkungen einer Zubereitung:<br />

antiexudativ – austrocknend – kühlend – quellend - mazerierend<br />

Antiexudativ sind z.B. kühlende Umschläge. Kühlende Eigenschaften<br />

besitzen z.B. Puder und Systeme mit wässrigen Phasen (Lösungen,<br />

Umschläge, Schüttelpinselungen, wässrige Suspensionen, O/W-Emulsionen).<br />

Allerdings wirken solche Grundlagen auf die Dauer austrocknend, was durch<br />

Zusatz von Feuchthaltemitteln (Glycerol, PEG, Propylenglykol) teilweise<br />

begrenzt werden kann. Nur wenig austrocknend sind W/O-Emulsionen, W/O-<br />

Cremes und lipophile Pasten. Quellend und im Extremfall auch mazerierend<br />

sind lipophile Gele (KW-Gele, Lipogele), welche die Haut abschirmen.<br />

AUFGABE: Machen Sie sich klar, dass die angegebenen<br />

dermatologischen Begriffe weniger auf exakter Kenntnis als<br />

vielmehr auf Erfahrung beruhen. Im Einzelfall können für die<br />

Wahl einer Grundlage andere Argumente massgebend sein.<br />

Hauttypen: Es wird zwischen folgenden Hauttypen und den dazu passenden<br />

<strong>Dermatika</strong>-Grundlagen unterschieden:<br />

� Seborrhoisch (fette Haut). Wässrig-alkoholische Flüssigkeiten;<br />

hydrophile Gele; O/W-Emulsionen; fettfreie Puder.<br />

_____________________________________________________________________________________


B<strong>Halbfeste</strong> <strong>Dermatika</strong>: Salbengrundlagen und SalbenB S. 3<br />

� Intermediär (normale Haut, Mischhaut). Wässrige Lösungen; O/W-<br />

Emulsionen, O/W-Cremes; W/O-Emulsionen, W/O-Cremes; schwach<br />

gefettete Puder.<br />

� Sebostatisch (trockene Haut). Lipophile Flüssigkeiten (Oele); W/O-<br />

Emulsionen, W/O-Cremes; lipophile Gele; überfettete Puder.<br />

Stadium der Erkrankung: Im Fall einer Erkrankung wird zwischen<br />

folgenden Kategorien und dazu passenden Grundlagen unterschieden:<br />

� Akutes Stadium. z.B. feuchte Umschläge und ZnO-Schüttelpinselungen<br />

bei akut nässendem Stadium bzw. Hydrogele, Pasten, Puder bei akut,<br />

trockenem Stadium.<br />

� Subakutes Stadium/subchronisches Stadium. z.B. Hydrogele, Schüttelpinselungen<br />

(seborrhoischer Typ); O/W-Emulsionen, O/W-Cremes;<br />

Pasten (sebostatischer Typ).<br />

� Chronisches Stadium. W/O-Emulsionen, W/O-Cremes, lipophile Gele,<br />

Okklusiv-Verbände.<br />

AUFGABE: Vergegenwärtigen Sie sich die dieser Einteilung<br />

zugrundeliegende Systematik. Worin besteht ihr Prinzip?<br />

Verträglichkeit. Nach Definition müssen Hilfsstoffe verträglich sein. Bei<br />

<strong>Dermatika</strong> zeigen sich jedoch vielfältige Nebenwirkungen, die sich häufig<br />

auf allergische Reaktionen (Sensibilisierung, syn.: Kontaktallergie,<br />

Kontaktdermatitis) zurückführen lassen. Diese treten selbst bei bewährten<br />

Salbengrundlagen, Emulgatoren und anderen Zusätzen auf bei einem Teil der<br />

Bevölkerung auf. Obwohl die Beteiligung von sog. Umweltgiften nicht<br />

generell auszuschliessen ist, sind oft "normale" Bestandteile von <strong>Dermatika</strong><br />

für diese Erscheinungen verantwortlich. Bei schweren Kontaktallergien muss<br />

die Zubereitung gewechselt werden.<br />

Grundlage für Kontaktallergien der Haut ist die Erkennung einer Verbindung<br />

als Antigen oder Hapten und der darauffolgende immunologische Prozess,<br />

der mit der Erkennung des Antigens durch antigen-präsentierende Zellen<br />

(z.B. Langerhans-Zellen) ausgelöst wird und dem Immunapparat angeboten<br />

wird (SALT, skin associated lymphoid tissue). Typisch für diesen Vorgang<br />

ist, dass auch solche Stoffe als Antigene erkannt werden, welche z.B. über<br />

den Gastrointestinaltrakt ohne immunologische Reaktion aufgenommen<br />

werden. Probleme bestehen bei z.B. Wollfett, Wollwachsalkoholen, PEG-<br />

Sorbitan-Fettsäureestern, Natriumlaurylsulfat, Glycerinmonostearat, vielen<br />

Konservierungsmitteln, Antioxidantien u.a. Auch auf das bei der Entfettung<br />

von Schafwolle anfallende Wollfett (Adeps lanae), ein biologisches Produkt<br />

und Rohstoff für eine grosse Zahl an W/O-Emulsionssalben, löst<br />

Kontaktallergien aus.<br />

AUFGABE: Ueberprüfen Sie Ihre immunologischen Grundkenntnisse<br />

und ihr Verständnis über den physiologischen Ablauf des<br />

Immunprozesses am Beispiel einer Sensibilisierung der Haut.<br />

Prüfung auf Verträglichkeit. Neuartige Bestandteile und Zusätze von<br />

<strong>Dermatika</strong> erfordern zur Zulassung durch die Gesundheitsbehörden eine toxikologische<br />

Prüfung am Tier. Ueblich sind folgende Tests:<br />

� Schleimhautverträglichkeit (Auge, Kaninchen)<br />

� Epidermale Verträglichkeit (Kaninchen)<br />

_____________________________________________________________________________________


B<strong>Halbfeste</strong> <strong>Dermatika</strong>: Salbengrundlagen und SalbenB S. 4<br />

� Test auf Kontaktallergene (Meerschweinchen)<br />

� Phototoxizität (Albino-Meerschweinchen, Albino-Maus, haarlose Maus)<br />

� Test auf Photoallergene (Albino-Meerschweinchen)<br />

� LD 50<br />

� Prüfung auf Penetration und/oder Permeation in bzw. durch die Haut<br />

Toxizitätsprüfungen für <strong>Dermatika</strong> erfordern einen beträchtlichen<br />

organisatorischen und finanziellen Aufwand. Sie verlangen eine kritische<br />

Abwägung zwischen Nutzen und Tierschutz.<br />

Gebrauchseigenschaften. Folgende Gebrauchseigenschaften spielen eine<br />

wesentliche Rolle für Akzeptanz und Compliance von <strong>Dermatika</strong> durch<br />

Patienten:<br />

� Abwaschbarkeit. Hydrogele und O/W-Emulsionen und O/W-Cremes<br />

sind mit Wasser abwaschbar; nicht jedoch lipophile Systeme (W/O-<br />

Emulsionen, W/O-Cremes, Kohlenwasserstoff-Gele.<br />

� Haftung. Lipophile Systeme haften nicht auf hydrophilen Unterlagen<br />

(Schleimhaut, nässende Bereiche).<br />

� Rheologisches Verhalten, Streichbarkeit. Bei Salben Plastizität mit nicht<br />

zu hoher Fliessgrenze erwünscht, keine hohe Viskosität, keine<br />

ausgeprägte Temperaturabhängigkeit der Viskosität und der Thixotropie.<br />

Diese Eigenschaften besitzen eine Bedeutung für die praktische<br />

Handhabung und Applikation.<br />

� Verhalten auf der Haut. z.B. bei Salben: Streichbarkeit, Spreitung,<br />

Mattglanz, "Aufnahme von der Haut", Geruch etc. Einige dieser Eigenschaften<br />

sind nicht oder schlecht objektiv erfassbar.<br />

6.2 Instrumentelle Analytik zur Optimierung der<br />

dermatologischen Qualität von <strong>Dermatika</strong><br />

Die Objektivierung der Entwicklung und Optimierung von <strong>Dermatika</strong><br />

erfordert neben der galenischen Qualität (z.B. rheologisches Verhalten,<br />

Korngrössenverteilung, Stabilität etc.) auch Kenngrössen zur Charakterisierung<br />

der Wirkungen von Grundlage und Formulierung auf die Haut. Dafür<br />

kommen folgende Parameter in Frage:<br />

� Färbung der Haut. Die Veränderung der Färbung der Haut ist eine<br />

relative Kenngrösse zur Charakterisierung von Durchblutung, Reizung,<br />

Entzündungshemmung etc. Die Farbmessung kann nach dem sog.<br />

L * a * b * -System erfolgen, wozu Photodioden mit Filtern für Blau, Grün,<br />

und Rot verwendet werden.<br />

� Kapillare Durchblutung der Haut. Relative Messung mit Hilfe der<br />

Laser-Doppler-Anemometrie; Messprinzip: durch Interpretation des<br />

Doppler-Effekts nach Reflektion von Laser-Licht an den beweglichen<br />

Erythrocyten in Kapillaren.<br />

� Transepidermaler Wasserverlust. Absolute Messung der Abgabe von<br />

Wasserdampf durch Messfühler für Temperatur und relative Feuchtigkeit.<br />

Die Anordnung von zwei Messstellen in unterschiedlicher Ent-<br />

_____________________________________________________________________________________


B<strong>Halbfeste</strong> <strong>Dermatika</strong>: Salbengrundlagen und SalbenB S. 5<br />

fernung von der Hautoberfläche gestattet die Berechnung des Wasserverlusts<br />

in g m -2 h -1 . Der transepidermale Wasserverlust ist ein Parameter<br />

für die Durchlässigkeit des Stratum corneum für Wasserdampf in<br />

Abhängigkeit von einer Behandlung mit einem Dermatikum (z.B. nach<br />

Okklusion).<br />

� Hautfeuchtigkeit. Relative Messung der Hautfeuchtigkeit durch Messung<br />

des elektrischen Widerstands und der Kapazität der Haut mit Hilfe eines<br />

Messkondensators. Prinzip: Die Dielektrizitätskonstante der Haut ist von<br />

ihrem Wassergehalt abhängig.<br />

� Desquamation. Zwischen trockener und fetter Haut bestehen grosse<br />

Unterschiede in der Abschuppung (Desquamation) der Haut. Bestimmung<br />

durch mechanische Belastung oder mittels Klebstreifen-<br />

Behandlung.<br />

� Topographie der Haut. Einflüsse von <strong>Dermatika</strong> auf die Topographie der<br />

Haut, Bestimmung des Hautreliefs. Messung der mikroskopischen Oberfläche<br />

durch Abtasten, Rasterelektronenmikroskopie, Bildauswertesysteme.<br />

� Mechanisches Verhalten der Haut. Verhalten unter mechanischer<br />

Belastung, wie Spannung, Torsion, Druck, Dehnung, Saugen, Vibration<br />

etc. Ergebnisse ermöglichen Aussagen über das viskoelastische<br />

Verhalten der Haut ("Rheologie" der Haut).<br />

Die auf kosmetische Aspekte ausgerichteten dermatologischen<br />

Analysenverfahren finden sich unter:<br />

� http://www.loreal.com/us/research/index.asp?technologies/technologies.<br />

asp<br />

6.3 <strong>Halbfeste</strong> <strong>Dermatika</strong><br />

Salben sind halbfeste, topische Arzneiformen zur Anwendung auf der Haut<br />

oder der Schleimhaut. In vielen Fällen enthalten sie Arzneistoffe, die eine<br />

lokale Wirkung auslösen. Dies erfordert eine Penetration des Arzneistoffs in<br />

eine der Schichten der Haut. In einigen (wenigen) Fällen ist eine systemische<br />

Wirkung beabsichtigt, wozu eine Permeation des Arzneistoffs durch die Haut<br />

notwendig ist. In vielen Fällen ist die systemische Wirkung zwar nicht<br />

beabsichtigt, tritt aber als Nebenwirkung dennoch auf.<br />

Viele Zubereitungen enthalten keine Arzneistoffe, sodass sie auf den<br />

Applikationsort nur eine physikalische oder physikalisch-chemische Wirkung<br />

auf die Haut ausüben. Dies ist ein prinzipieller Unterschied zu anderen<br />

Arzneiformen. Es ist nach der Pharmakopöe üblich zwischen folgenden<br />

Gruppen zu unterscheiden:<br />

� Salben: auf das Basis von hydrophoben, wasseraufnehmenden oder<br />

hydrophilen Grundlagen.<br />

� Cremes: wasserhaltige Zubereitungen auf der Basis von hydrophoben<br />

oder hydrophilen Grundlagen.<br />

� Gele: mit hydrophoben und hydrophilen Grundlagen.<br />

� Pasten: mit hohen Pulveranteilen in hydrophoben oder hydrophilen<br />

Grundlagen.<br />

_____________________________________________________________________________________


B<strong>Halbfeste</strong> <strong>Dermatika</strong>: Salbengrundlagen und SalbenB S. 6<br />

Andererseits ist zu beachten, dass auf dem Gebiet der <strong>Dermatika</strong> eine Vielfalt<br />

verschiedener Nomenklaturen besteht. Teilweise ergänzen sich diese, teilweise<br />

werden aber auch widersprüchliche Begriffe eingesetzt:<br />

� Physikalische Nomenklatur. Verwendet werden physikalisch eindeutige<br />

Systeme, z.B. Emulsion, Phasen, Gele, monophasisch, biphasisch,<br />

Vesikel, Liposomen, Niosomen etc.<br />

� Galenische Definition. Verwendung der Begriffe der Pharmakopöen,<br />

z.B. Salbe, Gel, Creme, Paste etc. Andererseits sind aus historischen<br />

Gründen noch teilweise altertümlich Begriffe in Gebrauch wie Liniment,<br />

Balsam, Schüttelpinselung, Schüttelmixtur etc.<br />

� Marketing. Mit der Verwendung von Begriffen wie Milch, Lotio, Shake,<br />

Schaum, Waschlotio, Lipogel etc. wird eine verkaufsfördende<br />

Profilierung beabsichtigt.<br />

AUFGABE: Versuchen Sie bei der Anwendung dieser Begriffe,<br />

über die unterschiedlichen Nomenklaturen hinweg, inhaltliche<br />

Begriffe in den Vordergrund zu stellen und sich nicht auf allzu<br />

spezialisierte Definitionen einzulassen.<br />

6.3.1 Systematik der halbfesten <strong>Dermatika</strong><br />

Die Summe der zur Verfügung stehenden Salbengrundlagen, Zusätze und<br />

Hilfstoffe bildet ein variables System, das Zubereitungen mit unterschiedlichsten<br />

Eigenschaften ermöglicht. Man unterscheidet folgende<br />

Hauptgruppen.<br />

Tabelle. Systematik der halbfesten Darmatika<br />

Hydrophobe Salben Wasseraufnehmende Salben<br />

- Silikongele Hydrophile Salben<br />

- Oleogele Absorptionsbasen - PEG-Gele<br />

- Lipogele � plus W/O-Emulgator<br />

�<br />

- Kohlenwasser- �<br />

stoffgele<br />

plus W/O-Emulgator<br />

�<br />

W/O-Emulsionssalben<br />

Lipophile Cremes<br />

plus W/O-Emulgator<br />

�<br />

plus Wasser<br />

�<br />

Ambiphile Cremes<br />

Hydrophobe Salben. Dies sind Systeme, die nur sehr wenig Wasser<br />

aufzunehmen imstande sind, z.B.:<br />

plus O/W-Emulgator<br />

�<br />

plus O/W-Emulgator<br />

�<br />

plus Wasser<br />

�<br />

� Kohlenwasserstoffgele. Aus Vaselin, Paraffin und flüssigem Paraffinöl<br />

- Hydrogele<br />

plus O/W-Emulgator<br />

�<br />

plus Lipid<br />

�<br />

O/W-Emulsionssalben<br />

Hydrophile Cremes<br />

_____________________________________________________________________________________


B<strong>Halbfeste</strong> <strong>Dermatika</strong>: Salbengrundlagen und SalbenB S. 7<br />

� Lipogele. Aus flüssigen und halbfesten pflanzlichen fetten Oelen (kaum<br />

noch gebraucht werden tierische Fette); synthetische Glyceride (z.B.<br />

Neutralöle); als Zusätze werden Wachse eingesetzt (gebleichtes Wachs,<br />

weisses Wachs, Oleyloleat, Cetylpalmitat);<br />

� Silikongele. <strong>Halbfeste</strong> und flüssige Polyalkylsiloxane (z.B. Poly-<br />

[dimethylsiloxan])<br />

� Oleogele. Oele, welche durch Zusatz von hochdispersem SiO2, Al-stearat<br />

oder Zn-stearat in die Gelform überführt lassen.<br />

Wasseraufnehmende Salben. Dazu werden sowohl Absorptionsbasen wie<br />

auch hydrophile Salben gerechnet. Ihre Bereiche überlappen sich teilweise<br />

(vergl. Schema):<br />

� Absorptionsbasen sind in der Lage, grössere Mengen an Wasser unter<br />

Emulsionsbildung aufzunehmen (Absorptionsbasen). Es handelt sich im<br />

wesentlichen um Kohlenwasserstoffgele und Lipogele unter Zusatz von<br />

W/O-Emulgatoren (z.B. Wollwachs, Wollwachsalkohole, Glycerolmonostearat,<br />

Cetylstearylalkohol) oder unter Zusatz von O/W-<br />

Emulgatoren (Fettalkohol-Schwefelsäureester, Alkali- oder Aminseifen,<br />

PEG-Sorbitanfettsäureester.<br />

� Hydrophile Salben sind Zubereitungen, deren Grundlagen in Wasser<br />

mischbar sind. Dazu gehören einmal die oben erwähnten<br />

Absorptionsbasen auf der Basis von O/W –Emulgatoren. Ausserdem die<br />

PEG-Gele, d.h. Mischungen von halbfestem und flüssigem PEG, und die<br />

Hydrogele auf der Basis von Hydrokolloidbildnern (z.B.<br />

Methylzellulosegel, Polyacrylatgel).<br />

Die Kombination der beiden Hauptgruppen (hydrophobe bzw. wasseraufnehmende<br />

Salben) mit Emulgatoren vom Typ W/O bzw. O/W und Wasser ist<br />

die Basis für die Herstellung von Emulsionen. Damit wird ein breites Feld<br />

von Zubereitungen verschiedenster Eigenschaften abgedeckt.<br />

Cremes. Diese Zubereitungen bilden sich sowohl in Form von sog.<br />

hydrophoben als auch von hydrophilen Cremes:<br />

� Hydrophobe Cremes bilden sich bei Kombination von Lipogelen und<br />

Kohlenwasserstoffgelen mit W/O-Emulgatoren und Wasser oder durch<br />

Zugabe von Wasser zu einer entsprechenden wasseraufnehmenden<br />

Salbe.<br />

� Hydrophile Cremes bilden sich dagegen bei Kombination von Lipogelen<br />

und Kohlenwasserstoffen mit O/W-Emulgatoren und Wasser; durch<br />

Zugabe von Wasser zu einem entsprechenden wasseraufnehmenden<br />

System.<br />

� Ambiphile Cremes sind Mischsysteme, die durch einen hohen Anteil<br />

eines Komplexemulgators gleichzeitig O/W- als auch W/O-Charakter<br />

besitzen.<br />

Gele. Der Begriff Gel wird mehrdeutig und daher missverständlich verwendet.<br />

Der kolloidchemische Begriff betont den Aspekt des Aufbaus der<br />

kolloidalen, bikohärenten Struktur. Im Gegensatz dazu steht der in den<br />

Pharmakopöen gebrauchte Begriff, wonach Gele gelierte Flüssigkeiten darstellen,<br />

die mit Hilfe von Quellmitteln hergestellt werden. Es sind zwei<br />

Typen möglich:<br />

_____________________________________________________________________________________


B<strong>Halbfeste</strong> <strong>Dermatika</strong>: Salbengrundlagen und SalbenB S. 8<br />

� Hydrophobe Gele (Oleogele). Ueblicherweise auf der Grundlage von<br />

flüssigem Paraffin, mit einem Zusatz von Polyethylen; oder aus fetten<br />

Oelen unter Zusatz von SiO 2 oder Al- bzw. Zn-Salzen von höheren<br />

Fettsäuren (Al- und Zn-Seifen).<br />

� Hydrophile Gele (Hydrogele). Aus wässrigen Zubereitungen, die durch<br />

Zusatz von Quellstoffen (z.B. Traganth, Stärke, MC, Poly(acrylsäure),<br />

Mg-Al-Schichtsilikate) geliert werden.<br />

Pasten: Salbengrundlagen mit hohen Anteilen an fein dispergierten<br />

Feststoffen.<br />

AUFGABE: Erarbeiten Sie sich aus den Pharmakopöen,<br />

Formularien, Rezeptbüchern oder Firmenvorschriften für<br />

<strong>Dermatika</strong> repräsentative Rezepturen für die beschriebenen<br />

Gruppen. Machen Sie sich Gedanken zur Funktion der<br />

Grundstoffe, zu den Hilfsstoffen und zur fachgerechten<br />

Herstellung. Bilanzieren Sie auch Ihre einschlägigen Kenntnisse<br />

aus dem Apothekenpraktikum.<br />

Tabelle: Grundstoffe, Hilfsstoffe zur Herstellung von Salben<br />

Kohlenwasserstoffe Wasser<br />

(Silikone) Feuchthaltemittel<br />

PEG Hydrokolloidbildner<br />

Triglyceride Pigmente<br />

Wachse Stabilisatoren (Antioxidantien)-<br />

Emulgatoren Konservierungsmittel<br />

Strukturgeber Elektrolyte<br />

Aromen, Parfümöle<br />

6.3.2 Kolloidchemische Struktur von Salben<br />

Die Eigenschaften Konsistenz, Streichbarkeit und rheologisches Verhalten<br />

von Salben beruhen auf den kolloidchemischen Strukturen, die sich durch das<br />

Zusammenspiel ihrer Bestandteile ergeben und die zur Ausbildung von Gelen<br />

führen. Diese sind durch eine komplexe Struktur von flüssigen und halbfesten/festen<br />

Komponenten gekennzeichnet, die in einer oder in mehreren<br />

Phasen auftreten können. Die Kinetik der Strukturbildung, z.B. bei der<br />

Herstellung, ist von der Temperatur und der Scherung der Systeme abhängig.<br />

Ueber den kolloidchemischen Aufbau vieler Zubereitungen liegen teilweise<br />

Modelle vor (vergl. unten), vieles ist im einzelnen aber noch unklar.<br />

Die Strukturen lassen sich z.B. durch folgende Techniken aufklären:<br />

� Polarisationsmikroskopie<br />

� Röntgendiffraktometrie<br />

� Elektronenmikroskopie (z.B. Gefrierbruchätztechnik)<br />

_____________________________________________________________________________________


B<strong>Halbfeste</strong> <strong>Dermatika</strong>: Salbengrundlagen und SalbenB S. 9<br />

� Differentialthermoanalyse (DTA/DSC).<br />

Typische Strukturen<br />

Abhängig von der Zusammensetzung der Gele ergeben sich folgende<br />

charakteristischen Strukturen:<br />

� Hydrogele. Linearkolloidgerüst (z.B. durch Molekülkolloide);<br />

Laminarkolloidgerüst (Mg-Al-Schichtsilikat-Gerüst); Sphärokolloidgerüst<br />

(SiO 2 /Wasser). Fixierung von Wasser durch Wasserstoffbrückenbindung<br />

und durch mechanischen Einschluss.<br />

� PEG-Gele, z.B. PEG 300/PEG 1500: Lamellarstruktur durch PEG 1500,<br />

darin eingelagert PEG 300. Gestreckte und gefaltete Strukturen<br />

� Kohlenwasserstoffgele. Bikohärente Strukturen aus flüssigen i- und n-<br />

Paraffinen und festen Kohlenwasserstoffen (Isogel). Typische Ausbildung<br />

von sog. Fransenmizellen; Parakristallinität.<br />

AUFGABE: Machen Sie sich mit den grundlegenden Prinzipien<br />

dieser Techniken vertraut.<br />

Tabelle: Methoden der Qualitätsprüfung von Salben<br />

Fliessverhalten: Rotationsviskosimeter: Emulsionstyp/Phaseninversionstemperatur:<br />

Bestimmung des charakteristischen Fliess- Phasenlage bei Normaltemperatur und in<br />

verhaltens; Viskoelastisches Verhalten Abhängigkeit zur Termperatur; Phasenin-<br />

(vergl. Galenische Pharmazie I) version<br />

Fliesspunkt, Spreitungsverhalten Physikalische Stabilität: Prüfung auf Verände-<br />

derung der Korngrössenverteilung (Koleszenz,<br />

Korngrössen und -Verteilung: Kristallwachstum), Fliessverhalten nach<br />

Mikroskopische Analyse zur Bestim- Lagerung. Stressversuche: Kältestabilität<br />

mung von suspendierten und emulgierten 10 °C, 4 Wochen; Wechseltemperatur 4 °C - 41<br />

Teilchen °C - 4 °C, im 24 h-Rhythmus. Langzeitversuche:<br />

Klimazonen I bis IV<br />

Mikrobiologische Stabilität: Keim- Chemische Stabilität: Langzeitversuche,<br />

zahlen, Konservierungsbelastungsversuche, Klimazonen I bis IV<br />

besonders bei wasserhaltigen Salben<br />

� Triglyceridgele. Aufgrund unterschiedlicher Kettenlänge und Anteil an<br />

Doppelbindungen ergeben sich gleichzeitig flüssige als auch halbfeste<br />

und feste (kristalline) Bereiche in Form eines Schichtgitters (Isogel).<br />

Lagerung kann zur Erhöhung der Korngrösse der Kristallisate führen.<br />

� Absorptionsbasen. z.B. Cholesterol/Cetylstea-rylalkohol/Vaseline, Aufbau<br />

getrennter Kristallisate von Cholesterol- und Cetylstearylalkohol-<br />

Gerüsten in Fransenmizellstruktur der Vaseline. Mehrphasensystem.<br />

� W/O-Emulsionsgele: z.B. Cholesterol/Fettalkohol/Vaseline/Wasser:<br />

Ausbildung eines lamellaren Gerüsts von Cholesterol/Fettalkohol-<br />

_____________________________________________________________________________________


B<strong>Halbfeste</strong> <strong>Dermatika</strong>: Salbengrundlagen und SalbenB S. 10<br />

Kristallisat nach Abkühlen der Schmelze; Vaseline/Paraffinöl-Gel<br />

(Fransenmizellen und flüssige Phase); lamellarer Aufbau des<br />

Emulgator/Fettalkohol-Films um Emulsionströpfchen; Mehrphasensystem<br />

unter Beteiligung von LC-Phasen.<br />

� Hydrophile Salbengrundlagen: z.B. Hydrophile Salbe, Na-<br />

Cetylstearylsulfat/Cetylstearylalkohol/Vaseline/Paraffinöl: lamellare<br />

Mischkristallisate Fettalkoholsulfat/Fettalkohole; überschüssiges<br />

Kristallisat Fettalkohole; Vaselin/Paraffinoel-Gel. Mehrphasensystem.<br />

� O/W-Emulsionsgele: z.B. Wasserhaltige Hydrophile Salbe DAB 9:<br />

lamellare Mischkristallisate Fettalkoholsulfat/Fettalkohol mit Hydratwasser<br />

(hydrophile Gelphase); lamellare Fettalkoholkristallisate<br />

(lipophile Gelphase); kapillar einschlossenes Wasser in Mischkristallisat;<br />

kapillar eingeschlossenes Paraffinöl in Fettalkohol-Kristallisat;<br />

Mehrphasensystem unter Beteiligung von LC-Phasen.<br />

� Stearat-Cremes: z.B. Triethanolaminstearat-palmitat/-Stearinsäure-<br />

Palmitinsäure/Wasser: lamellare Mischkristallisate Triethanolaminstearat-palmitat<br />

und Stearinsäure-Palmitinsäure mit Hydratwasser<br />

(hydrophile Gelphase); lamellare Kristallisate Stearinsäure-Palmitinsäure<br />

(lipophile Gelphase) mit kapillar eingelagertem ungebundenem Wasser;<br />

feine Kristalle Stearinsäure-Palmitinsäure (Perlmuttglanz).<br />

AUFGABE: Machen Sie sich die Verwendung von unterschiedlichen<br />

Gel-Begriffen klar. Die Pharmakopöen betonen<br />

offenbar den visuellen Aspekt. Danach ist ein sog. Lipogel, z.B.<br />

hydriertes Erdnussöl, kein Gel im Sinne der Pharmakopöe. Der<br />

Begriff aus der Kolloidchemie ist sehr viel weiter gefasst und<br />

schliesst alle Systeme ein, die die Struktur eines bikohärenten<br />

Systems aus einer flüssigen (niedermolekularen) und einer halbfesten/festen<br />

(hochmolekular bzw. hochassoziiert) Komponente<br />

besitzen.<br />

AUFGABE: Wiederholen Sie in diesem Zusammenhang den<br />

kolloidchemischen Aufbau von Mizellen, hexagonal und lamellar<br />

aufgebauten flüssigkristallinen Strukturen (LC), kubischen<br />

Stukturen etc<br />

6.3.3 Herstellung von halbfesten <strong>Dermatika</strong><br />

Die Herstellung von Salben folgt den für viele halbfeste Arzneiformen<br />

üblichen Methoden: Mischen und Dispergieren in temperierbaren und<br />

evakuierbaren Prozessanlagen mit Hilfe von Rührwerken und Homogenisatoren.<br />

Wichtig für den Herstellungsverlauf sind die Intensität der<br />

Scherung und das Temperaturprogramm. Die Optimierung des Prozesses<br />

richtet sich nach der notwendigen Streichbarkeit, der Partikelgrössenverteilung<br />

und der Stabilität der Zubereitungen. Weitere Informationen über<br />

Herstellung vergl. Vorlesungen Suspensionen und Emulsionen.<br />

AUFGABE: Wie kann eine GMP-gerechte Rezeptur und Defektur<br />

von <strong>Dermatika</strong> in der Apotheke verwirklicht werden?<br />

AUFGABE: Das Verhalten von Emulgatoren an Wasser/Oel-<br />

Grenzflächen, die entsprechenden Emulsionstheorien und die<br />

Stabilität einschliesslich Stabilisierung von Emulsionen werden in<br />

der Vorlesung Emulsionen abgehandelt. Uebertragen Sie diese<br />

Punkte auf die vorliegende Vorlesung<br />

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B<strong>Halbfeste</strong> <strong>Dermatika</strong>: Salbengrundlagen und SalbenB S. 11<br />

6.4 Literatur<br />

Niedner R., Ziegenmayer J., <strong>Dermatika</strong>. Therapeutischer Einsatz,<br />

Pharmakologie und Pharmazie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft,<br />

Stuttgart 1992<br />

Junginger H. Kristalline Gelstrukturen in Cremes. Dt. Apoth. Ztg. 131:1933-<br />

1941 (1991)<br />

Junginger H., Heering W. Gelstrukturen in Cremes. Dt. Apoth. Ztg. 130:684-<br />

685 (1990)<br />

Nürnberg E., Paspaleeva-Kühn V. Gel- und Cremesysteme. Dt. Apoth. Ztg.<br />

131:2494-2497 (1991)<br />

Revision: HPM/10.10.2005/<strong>Halbfeste</strong>_<strong>Dermatika</strong>.doc<br />

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