FOR S TLICHE S CHRIFTE N R EIHE UNIVERSITÄT FÜR ...
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<strong>FOR</strong> S <strong>TLICHE</strong> S<strong>CHRIFTE</strong> NR<strong>EIHE</strong><br />
<strong>UNIVERSITÄT</strong> <strong>FÜR</strong> BODENKULTUR, WIEN<br />
Band7<br />
E. FÜHRER UND F. NEUHUBER<br />
(HRSG.)<br />
ZUSTANDSDIAGNOSE UND SANIERUNGSKONZ EPTE<br />
<strong>FÜR</strong> BELA STETE WALDSTANDORTE<br />
IN DER BÖH MISCH EN MA SSE<br />
Ergebnisse einer FIW - Fallstudie<br />
STATUS DIAGNOSIS AND REHABILITATION CONCEPTS <strong>FOR</strong><br />
IMPACTED <strong>FOR</strong>ESTS SITES IN THE BOHEMIAN MASSIF<br />
Results from FIW = Case - Study<br />
ÖSTERR. GES . F. WALD ÖKOSYSTEM<strong>FOR</strong>SCHUNG<br />
UND EXP E RIMENTEL E BAUMF ORSCHUNG<br />
UNIVE RS ITÄT <strong>FÜR</strong> BO DENKULTU R<br />
JUNI 1994
VORWORT<br />
Die Woge des öffentlichen, lautstarken Besorgtseins um den Wald ist weitgehend abgeebbt. Bestehen<br />
bleibt die dringende Notwendigkeit, ernsthaft und ausdauernd an der Beseitigung jener beklagten<br />
Mißstände zu arbeiten, die unsere Wälder bedrohen.<br />
Obwohl die Umweltpolitik zur Entlastung der Wälder von Luftschadstoffen manches erreicht hat,<br />
bleibt diesbezüglich noch viel zu tun. ln vielen Teilen krankt der Wald jedoch auch an ökologischen<br />
Schwächezuständen, die vorwiegend historisch bedingt sind und nur im Wege spezifischer Waldsanierungsmaßnahmen<br />
repariert werden können. Diese auszuführen, liegt in der Zuständigkeit der<br />
Forstbetriebe, sie wirtschaftlich zu ermöglichen, muß brennendes Interesse der Öffentlichkeit sein,<br />
denn der Bürger ist Nutznießer reinen Wassers, reiner Luft und der Sicherheit vor Naturkatastrophen,<br />
wie sie von gesunden Wäldern gewährleistet werden.<br />
Damit aber Waldsanierung der bestehenden Situationsvielfalt gerecht und nachhaltig wirksam werden<br />
kann, muß sie den einschlägigen Kenntnis- und Erfahrungsschatz von Wissenschaft und Praxis<br />
voll ausschöpfen. Die Waldschadensforschung hat in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse<br />
gewonnen. Sie für die praktische Umsetzung aufzubereiten, ist der letztendlich notwendige Schritt<br />
von der Theorie zur Praxis, ohne den die bisher geleisteten Forschungsaufwendungen kaum zu<br />
rechtfertigen wären.<br />
Die Forschungsinitiative gegen das Waldsterben (FIW), eine österreichweite Forschergruppe, hat<br />
sich in ihrer zweiten Programmphase dieser Aufgabe angenommen und präsentiert mit dem nun<br />
vorliegenden 7. Band der Forstlichen Schriftenreihe der Universität für Bodenkultur Wien ihre ersten<br />
Ergebnisse und Schlußfolgerungen aus der interdisziplinären Forschungsarbeit, die im Rahmen der<br />
1. FIW-Fallstudie gewonnen wurden. Unter dem Titel "Waldbewirtschaftungskonzepte in stark<br />
belasteten Gebieten des Mühlviertels " betrifft die Studie Waldschadensproblemgebiete nahe der<br />
tschechischen Grenze. Sie führt über eine Analyse der vielfältigen örtlichen Zustandsmängel sowie<br />
Belastungen und über eine Gewichtung der Gefährdungsmomente zu forstwirtschaftliehen Praxisempfehlungen,<br />
deren Ausführung eine nachhaltige Stabilisierung besonders gefährdeter Bestände<br />
und Standorte verspricht. Differenzierte Sanierungskonzepte wie das hier empfohlene erfordern<br />
eine anschließende Überwachung des Erfolges.<br />
ln der Tagung "Abschluß-Symposium FIW II - Fichte, Fallstudie 1" vom 2. bis 4. November 1993<br />
wurden die wesentlichen Ergebnisse der einzelnen mitwirkenden Forschergruppen sowie die daraus<br />
abgeleiteten Maßnahmeempfehlungen der Öffentlichkeit vorgestellt. Jener entsprechend, gliedert<br />
sich der Inhalt dieses Bandes.<br />
Zwei weitere in Arbeit befindliche Fallstudien, die der Analyse jeweils anders gelagerter Waldschadensproblemfälle<br />
dienen, und eine abschließende Generalsynopse lassen hoffen, daß das große<br />
Engagement der mitwirkenden Forschergruppen mehr als nur wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn<br />
zeitigen wird. Mit der Schaffung einer wissenschaftlich fundierten Basis zur praktischen Entscheidungstindung<br />
und Ausführungsmethodik in Waldschadens-Sanierungsfragen sollen verstärkte<br />
Impulse bei Öffentlichkeit und Forstwirtschaft gesetzt werden, im notwendigen Ausmaß in die<br />
Restaurierung der ansonst dem Niedergang anheimfallenden Wälder zu investieren. Und davon gibt<br />
es nicht wenige.<br />
Wir danken dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung sowie dem Bundesministerium<br />
für Land- und Forstwirtschaft für die finanzielle Sicherung der durchgeführten Studien. Den<br />
Forstbetrieben sind wir für die stete Unterstützung unserer Arbeiten zu Dank verpflichtet. Den<br />
Autoren danken wir für die Überlassung ihrer Manuskripte, die die Herausgabe dieses Bandes<br />
ermöglicht. Schließlich gebührt der Österreichischen Lotterien G.m.b.H. unser Dank für die finanzielle<br />
Unterstützung der Drucklegung.<br />
Die Herausgeber dieses Bandes<br />
Erwin Führer und Friederike Neuhuber
FÜHRER E.<br />
INHALT<br />
Forschungsinitiative gegen das Waldsterben Programm FIW II: von der Waldschadensforschung<br />
zur Waldökosystem-Sanierungsforschung<br />
Forschungsinitia tive gegen das Waldsterben - Programme FIW II: from Forest<br />
Declin e Research to Research on Forest Ecosystem Rehabt1itation ................................... 1<br />
ARNDT U. und H. TREMP<br />
Ein Vorschlag für ein bioindikatives Konzept zur Überwachung von Waldökosystemen<br />
A Proposal of a Bioindication Concept for Forest Ecosystems Monitaring ....................... 11<br />
KATZENSTEINER K. und G. GLATZEL<br />
Das FIW Fallstudiengebiet Böhmerwald<br />
Th e FIW Research Area Bohemian Forest ... .......... .. .. ...................... ... ...... ................... 29<br />
SCHOLL Th. und K. KATZENSTEINER<br />
Historische Landnutzung im Böhmerwald<br />
Historical Landuse in the Bohemian Forest ................................................................. 45<br />
KATZENSTEINER K.<br />
Mineralstoffernährung und Bodenzustand in Fichtenwaldökosystemen des Böhmerwaldes<br />
(Oberösterreich)<br />
Mineral Nutrition and Soil Status in Norway Spruce (Picea abies Karst.) Ecosystems<br />
in the Bohemian Forest (Upp er Austria) ............. ............................................ 57<br />
KATZENSTEINER K, 0. ECKMÜLLNER. R. JANDL, G. GLATZEL, H. STERBA,<br />
A. WESSEL V und R.F. HUETTL<br />
Revitalisierungsdüngung von Fichtenbeständen: Einfluß auf Bodenwasser und<br />
Baumernährung<br />
Revitalization Experiments in Norway Spruce Stands: Effects on Soil Solution and<br />
Trees .................................................................................................................... 67<br />
INSAM H., K. HASELWANDTER, M. BERRECK, B. GIRSCHICK und S. ZECHMEISTER<br />
BOLTENSTERN<br />
Revitalisierungsdüngung von Fichtenbeständen: Eintfuß auf mikrobielle Umsetzungsprozesse<br />
und Biomasse<br />
Revitalization Experiments in Norway Spruce Stands: the ln fluence on Microbial<br />
Biomass and Turnever Processes ....... .. .............. ........ ............................................. 83<br />
KOPESZKI H.<br />
MEIER H.<br />
Revitalisierungsdüngung von Fichtenbeständen: Einfluß auf Bodentiere<br />
Revitalization Experiments in Norway Spruce Stands: Effects on Soil Fauna .................... 99<br />
Verjüngungsökologische Untersuchungen in Fichtenwaldökosystemen des Böhmerwaldes<br />
Ecological Regeneration Studies in Spruce Stands in the Bohemian Forest .................... 1 09<br />
SEITE
GRill D., M. TAUSZ, E. BERMADINGER-STABENTHEINER, M. EDL, M. GAILHOFER,<br />
G. HALBWACHS, W. HAVRANEK, H. KROMP-KOLB, M. MÜLLER, C. NEMETZ,<br />
l. PUCHINGER, W. RUPPERT, U. SCARDElll, A. STOHL, K. WAGNER, G. WIESER,<br />
R. WIMMER und G. ZELLNIG<br />
Die physiologische und biochemische Bioindikation und ihre Anwendung am Beispiel<br />
der Fallstudie Schöneben<br />
Physiological and Biochemical Bioindication and its Application to the FIW II Project<br />
"Schöneben " ................................................................................................. 123<br />
HAGER H. und M. WllliNGER<br />
Schneebruch und Windwurf im Böhmerwald<br />
Snow and Windthrow Darnage to Forest Stands in the Böhmerwald ............................ 147<br />
NEUMÜLLER A.<br />
Beteiligung von Pilzen am Zweig- und Aststerben der Fichte im Revier Sonnenwald<br />
(Böhmerwald)<br />
Gontribution of Fungi to Twig and Branch-Dieback on Sp ruce in the Territory of<br />
Sonnenwald (Bohemian Fo restJ ......................... ...... ............... ................................ 1 71<br />
BAIER P., S. KIKUTA und H. llCK<br />
Heranziehung von Baummerkmalen zur Abschätzung der Befallsdisposition der<br />
Fichte für rindenbrütende Borkenkäfer<br />
App!ication of Tree Gharacteristics fo r lndication of the Susceptibility of Norway<br />
Spruce to Attack of Phloem Feeding Bark Beetfes . ......................... ........................... 191<br />
FÜHRER E. und P. FISCHER<br />
Die Gemeine Fichtengespinstblattwespe, Gephalcia abietis L. (Hym., Pamphiliidae),<br />
im Böhmerwald: zur Kenntnis der Verursachung und Vermeidung von<br />
Gradationen<br />
Th e Fa/se Spruce Webworm, Gephalcia abietis L. (Hym., Pamphiliidae}, in the<br />
Bohemian Forest: towards Gauses and A voidance of Epidemics .................................. 209<br />
REIMOSER F.<br />
Expertensystem "Wildökologie - Waldverjüngung"<br />
Expert System "Game Ecology - Forest Regeneration " ................ ............................... 237<br />
ECKMÜLLNER 0. und M. MOSER<br />
Sensibilitätsanalysen eines Expertensystems zur Bestandesbehandlung<br />
Sensibility Ana!yses of an Expertsystem to Derermin e Stand Treatments ..................... 257<br />
STERBA H.<br />
Waldbewirtschaftungskonzepte für stark belastete Waldgebiete des Mühtviertels -<br />
Synopse<br />
A Forestry Management Goncept fo r Heavily Loaded Forests of the Mühlviertel -<br />
Synopsis ............. ...................... .... .......... ......... .......... ................... .. .................... 271<br />
WOHLMACHER J.<br />
Folgerungen aus der FIW-Fallstudie 1 aus der Sicht der örtlichen Wirtschaftsführung<br />
Gonefusions from the FIW - Gase - Study 1 in the Point of View of the Management<br />
......................................................... .......... .............................. ................. 299<br />
SEITE
1<br />
<strong>FOR</strong>SCHUNGSINITIATIVE GEGEN DAS WALDSTERBEN<br />
PROGRA MM FIW II: VON DER WALDSCHADENS<strong>FOR</strong>SCHUNG ZUR<br />
WALDÖKOSYSTEM-SANIERUNGS<strong>FOR</strong>SCHUNG<br />
<strong>FOR</strong>SCHUNGSIN/TIA TI VE GEGEN DA S WA LDSTERBEN - PROGRA MME FI W II:<br />
FROM <strong>FOR</strong>ES T DECLINE RESEA RCH TO RESEA RCH ON <strong>FOR</strong>EST EGOSYS TEM<br />
REHA BILITA TION<br />
Erwin F Ü HRER<br />
FIW-Gesamtkoordination, Universität für Bodenkultur Wien<br />
Hasenauerstraße 38, A - 1190 Wien<br />
SUMMARY<br />
"Forschungsinitiative gegen das Waldsterben (FIW)" ("Research Initiative against Forest Decline"l<br />
in Austria is looking back on a decade of research work directed to the forest decline problem.<br />
When monocausal hypotheses, contradicting each other, were violently discussed to explain the<br />
origin of the forest decline Syndrome, Austrian scientists tried to approach the problern from a<br />
more holistic view. Fundamental assumption was that the expression of acute weakness and<br />
disease of trees or forests usually has multicausal origin. Either synergical effects are produced by<br />
air pollution when coinciding with episodes of severe climatic stress, or prevailing ecological instability<br />
makes forests vulnerable to detrimental effects of stress episodes. All kinds of Stressors,<br />
abiotic and biotic, can be involved in the progress of decline. Thus forest ecosystems in central<br />
Europe, which have been exposed continuously to severe human impact during centuries, are<br />
expected to be highly susceptible to progressive loading by air pollution and climatic changes.<br />
These assumptions and the principle of predisposing and triggering nature of stresses Iead to an<br />
"integral stress hypothesis" on the origin of forest decline (Fig. 1; Führer, 1990). Consequently,<br />
activities on ecological repair were urgently demanded on two Ievels:<br />
(1) reduction of air pollution and<br />
(2) ecological rehabilitation of forest ecosystems.<br />
The running research programme FIW II, which is following up a first phase of causal analytical<br />
investigations, is strongly directed to the field of ecological rehabilitation of forest ecosystems,<br />
dominated by Norway spruce. lt aims to a methodology for deducing concrete recommendations to<br />
foresters, how to restore and manage forest ecosystems, thus providing its sustainability (Führer<br />
u. Neuhuber, 1991 ). These scientific efforts are made, in order to develop weil founded procedures,<br />
which allow the establishment of concepts for forest rehabilitation, adapted to the local<br />
situation. lnvestigations are performed by the way of four interdisciplinary case studies, the first of<br />
which is already finished and is the subject of the present symposium (Fig. 2). More general guidelines<br />
for integral stress diagnosis, risk evaluation and conception of programmes for forest rehabilitation<br />
shall be defined in the course of a final synopsis, which also should offer an oparational<br />
system on the basis of artificial intelligence.<br />
Full congruence of the goals of the FIW II research programme with the conventions of the<br />
"Ministerial Conference on the Protection of Forests in Europe", held 1993 in Helsinki, is evident.<br />
KEYWORDS: Forest ecosystem, decline, rehabilitation, scientific approach, Austria.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Anläßtich des zehnjährigen Bestehens der "Forschungsinitiative gegen das Waldsterben" (FIWl wird<br />
versucht, in einem Rückblick auf die Entwicklung der Waldforschung während der letzten Jahrzehnte<br />
die Arbeit der FIW in diesen Prozeß einzuordnen. Aufgrund ihrer ganzheitlichen Problemsicht<br />
und der Praxisbezogenheit ihrer Arbeiten verlagerte die FIW ihre anfängliche Orientierung auf<br />
Kausalitätsfragen in der Waldschadensforschung frühzeitig in Richtung einer Waldökosystem<br />
Sanierungsforschung. Dies hatte seine Ursache in der Erkenntnis, daß die Stabilisierung der Wald-<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
ÖGWEB (Österr. Ges. f. Wa ldökosystem forschung und experimentelle Baumforschung) ISBN 3-900865-06-X.
ökosysteme Anstrengungen auf zwei Ebenen erfordert: der Umweltpolitik (lmmissionsminderungl<br />
und der Forstbetriebe (ökologische Waldsanierung). Den Grundsätzen und Verfahrensweisen einer<br />
ökologischen Waldsanierung in fichtenreichen Ökosystemen ist das Forschungsprogramm FIW II<br />
( 1991-1 996) gewidmet. Es gliedert sich in eine Serie von Fallstudien und eine sich anschließende<br />
Generalsynopse. Jede dieser Einheiten soll in einer fallspezifischen bzw. generellen Methodologie<br />
resultieren, die zur Entwicklung situationsangepaßter und flächenbezogener Waldsanierungskonzepte<br />
geeignet ist. Die Ergebnisse der ersten Fallstudie sind Gegenstand dieses Symposiums. Die<br />
Grundsätze und Ziele von FIW II decken sich voll mit den Intentionen und Beschlüssen der Ministerkonferenz<br />
zum Schutz der Wälder in Europa vom Juni 1993 in Helsinki.<br />
STICHWÖRTER: Waldökosysteme, Waldsterben, Waldsanierung, Forschung, Österreich.<br />
1 EINLEITUNG<br />
Das heutige Datum (2. November 1993) gibt mehrfach Anlaß zu einem kurzen<br />
Rückblick auf ein Jahrzehnt <strong>FOR</strong>SCHUNGSINITIATIVE GEGEN DAS WALDSTER<br />
BEN, auf zehn Jahre FIW-Forschung. Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren<br />
wurde die FIW erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Bei unveränderter Zielsetzung<br />
hat sich inzwischen die Forschungsthematik weiterentwickelt: die Waldschadensforschung<br />
wandelte sich zur Waldsanierungsforschung.<br />
Im Jahre 1983 wurde die FIW an der Universität für Bod�kultur Wien als multidisziplinäres<br />
Forschungsteam ins Leben gerufen. Es entwickelte ein Forschungsprogramm<br />
und schlug dieses dem damaligen Wissenschaftsminister zur Realisierung<br />
vor. Dieser griff den Gedanken auf und proklamierte in einem Symposium<br />
zum Österreichischen Nationalfeiertag 1983 im Festsaal der Universität für Bodenkultur<br />
ein Forschungsprogramm mit der Bezeichnung "Forschungsinitiative gegen<br />
das Waldsterben". Dieser offiziellen Geburtsstunde der FIW wohnte niemand<br />
geringerer als Bernhard ULRICH bei, der diesen Akt mit einem Fachvortrag über<br />
das Waldsterben wesentlich mitgestaltete.<br />
Die in der FIW um das Thema "Walderkrankungen" versammelten Wissenschafter<br />
verschiedener Fachrichtungen und verschiedener Universitäten versprachen<br />
zumindest die Möglichkeit einer umfassenden, multifaktoriellen Analyse der<br />
rätselhaften Schadphänomene. Mit dieser guten Absicht und mit bescheidenen<br />
Mitteln konnte das Team nach und nach seine wissenschaftliche Arbeit aufnehmen<br />
- zugegebenermaßen stets etwas neidisch die, wie es schien, aus dem Vollen<br />
schöpfenden Kollegen in den westlichen Nachbarländern im Auge behaltend. Das<br />
war für die FIW natürlich auch nützlich, da ihr aus den nachbarlichen Forschungsergebnissen<br />
viele wichtige Erkenntnisse zuflossen. So ist es auch zu verstehen,<br />
daß die FIW für ihr Forschungsprogramm einen etwas anderen Ansatz wählen<br />
konnte, der - wie man rückblickend konstatieren kann - der Sache sehr dienlich<br />
war. Dienlich nicht nur in bezug auf die thematische Richtung, sondern auch<br />
bezüglich der Gewöhnung an interdisziplinäres Forschen.<br />
2
2 SCHWERPUNKTVERSCHIEBUNGEN DER WAlD<strong>FOR</strong>SCHUNG<br />
3<br />
Das verbreitete Auftreten rätselhafter und bedrohlicher Walderkrankungen sowie<br />
das wachsende Ö kologieverständnis in der Öffentlichkeit verliehen der Waldforschung<br />
in den letzten 15 Jahren einen nie dagewesenen Aufschwung. Mit diesem<br />
gingen auch Verschiebungen der thematischen Schwerpunkte in der Waldforschung<br />
vor sich; neue Themengebiete entwickelten sich.<br />
War die Waldforschung bis in die 60er Jahre vorwiegend ertragsorientierte Forstforschung,<br />
geprägt von deskriptiven und empirischen methodischen Ansätzen, so<br />
bedeutete das Einsetzen der "echten" Waldökosystemforschung gegen Ende der<br />
60er Jahre einen Quantensprung der Waldforschung. Diese Waldökosystemforschung<br />
war zunächst rein akademisch, grundlegend und theoretisch, in erster<br />
Linie auf funktionelle, produktionsbiologische und prozeßbezogene Fragen ausgerichtet.<br />
Mit dieser Forschung sind die Namen H. ELLENBERG und B. UlRICH<br />
untrennbar verbunden, deren SOLLINGPROJEKT diesbezüglich neue Maßstäbe<br />
setzte (EIIenberg et al., 1966-1986; Ulrich et al., 1979). Ohne diese Waidökosystemforschung<br />
wäre das rasche Anspringen einer sehr zielgerichteten Waldschadensforschung<br />
zum Ende der 70er Jahre nicht denkbar gewesen.<br />
Nachdem das flächenhafte Absterben von Wäldern im Erzgebirge und angrenzenden<br />
Mittelgebirgen sowie die verbreiteten Devitalisierungserscheinungen in den<br />
mitteleuropäischen Wäldern die Öffentlichkeit aufgescheucht hatte, erfuhr die<br />
Waldforschung jenen gewaltigen Schub, an dem auch die Forstwissenschaften in<br />
Österreich partizipieren konnten. ln den Vordergrund trat nun "kausaianalytisc:he<br />
Waldschadensforschung". Naturwissenschaftliche Forschungspotentiale wurden<br />
in großem Umfang freigesetzt, Potentiale, die bis dahin nicht waldorientiert eingesetzt<br />
gewesen waren.<br />
Mit der bereits stattgefundenen theoretischen Durchdringung der waldbodenchemischen<br />
Prozesse und Waldökosystemaren Nährstoffkreisläufe war der Boden für<br />
eine zielgerichtete Ursachenforschung bereitet. Die ULRICH'sche Bodenversauerungshypothese<br />
bedeutete eine Weichenstellung für die Waldschadensforschung<br />
{Uirich u. Pankrath, 1983). Eine andere wichtige Ausgangsbasis für Interpretationsversuche<br />
bezüglich der Krankheitserscheinungen an den Baumkronen<br />
bildete die "Rauchschadensforschung" (z.B. Wentzel, 1982).<br />
Die wissenschaftliche Diskussion war zunächst gekennzeichnet durch sehr kontroversielle,<br />
monokausale Ursachenhypothesen:<br />
- Bodenversauerung - Klima- und Witterungsextreme<br />
- S02 - Pathogeninfektionen<br />
- NOx - Waldbewirtschaftungsfehler<br />
-Ozon<br />
um nur die wichtigeren zu nennen. Die Widersprüchlichkeit der Hypothesen entsprach<br />
zumeist der Widersprüchlichkelt der Befunde. So ist es nicht erstaunlich,
daß zwischen verschiedenen Krankheitstypen unterschieden wurde {Rehfuess,<br />
1983) und schließlich die Einsicht platzgriff, daß die Erscheinungen des Waldniederganges<br />
multikausalen Ursprungs sind. Die regionale Variabilität der Belastungsmuster<br />
in qualitativer, quantitativer und dynamischer Hinsicht sei geeignet,<br />
ein differenziertes Intensitäts- und Ausprägungsmuster der Waldschadensphänomene<br />
zu verursachen. Dabei sind Synergieeffekte und Prädispositions-/Auslöser<br />
Mechanismen zu vermuten (Führer, 1985; 1987).<br />
Der von Ulrich et al. (1983) entwickelte Ökosystemare Erklärungsansatz war ein<br />
wesentlicher Schritt zur ganzheitlichen Problembetrachtung; er stellte den sogenannten<br />
Bodenpfad der Immissionswirkung in den Vordergrund. Die Streßhypothese<br />
nach Schütt (1984) betonte dagegen die Effekte von Gemischen trocken<br />
deponierter Schadgase an den oberirdischen Baumteilen.<br />
3 DER THEORETISCHE ANSATZ DER FIW<br />
Die FIW stieg in diese Entwicklung mit einer Arbeitshypothese ein, die von einem<br />
ganzheitlichen Problemansatz gekennzeichnet war und in möglichst ausgewogener<br />
Weise alle realistischen monokausalen Ursachenhypothesen in sich einschließt.<br />
Die sogenannte "integrale Streßhypothese" betont die Bedeutung der<br />
den meisten mitteleuropäischen Wäldern bereits innewohnenden Instabilitätsmomente<br />
als prädisponierenden Faktorenkomplex (Führer, 1985; 1988; 1991 ).<br />
Durch historische und rezente Landnutzungsformen anthropogen verursacht,<br />
haben sie Einfluß auf alle Ökosystemaren Prozesse, von den Nährstoffkreisläufen<br />
bis zu den Regulationsmechanismen in den Nahrungsnetzen, auf die Resilienz der<br />
Systeme überhaupt. Exogene Belastungsepisoden natürlichen oder anthropogenen<br />
Ursprungs überschreiten so häufiger die Streßtoleranzgrenze, so daß akute<br />
Erkrankungen oder Verfallsprozesse sichtbar werden (Abb. 1 ).<br />
Zwei wichtige Konsequenzen kann man daraus ableiten:<br />
1. Die Phänomene des Waldniederganges lassen sich nicht verstehen, wenn sie<br />
auf physikalische und chemische Vorgänge in Luft und Boden reduziert werden<br />
(wie das vielfach den Anschein hatte), sondern nur bei fokussierter<br />
Betrachtung der Organismen in der Vielfalt ihrer Eigenschaften, ökologischen<br />
Funktionen, populationsökologischen Interaktionen sowie Reaktionen auf jene<br />
erwähnten Abiota.<br />
2. Unter dieser Voraussetzung gewinnen alle traditionellerweise als "pathogen"<br />
oder "waldschädlich" bekannten Faktorenkomplexe als primäre, sekundäre,<br />
intera ktive, prädisponierende oder krankheitsauslösende Streßkomponenten<br />
soviel Bedeutung, daß sie aus dem Geschehen des Waldniederganges nicht<br />
ausgeklammert werden können.<br />
Damit ist die naturwissenschaftliche Wa ldschadensforschung wieder zurückgeführt<br />
in ein weiterentwickeltes Konzept einer Waldökosystemforschung, allerdings<br />
4
5<br />
bereichert um die Dimension "Mensch" als stets dominierender Prozeßgenerator<br />
in den mitteleuropäischen Waldökosystemen.<br />
Abbildung 1: Die "Integrale Streß-Hypothese" zum Waldniedergang (Führer,<br />
1990)<br />
betont die Bedeutung der bereits vorliegenden, ökologischen Destabilisierung<br />
(schwarze Flächen) als prädisponierender Faktorenkomplex für die Manifestation akuter<br />
Streßwirkungen natürlicher (NI und anthropogener (A) exogener Belastungsepisoden<br />
(links wenig, rechts stark schaddisponiert) .<br />
Figure 1: "In tegral Stress Hypothesis " on forest decline (Führer, 1990)<br />
emphasizes the significance of prevai'ling destab1'lization of forest ecosvstems (black<br />
areasJ, as a complex of predisposing fa ctors, to manifestation of acute stress effects<br />
of natural (NJ and anthropogenic (A) exogenic stress episodes fleft slightly, right<br />
severelv predisposed to acute damage).<br />
Geht man davon aus, daß viele Wälder Mitteleuropas ihrer Resilienz mehr oder<br />
weniger verlustig sind und daher auf exogene Belastungen in steigendem Maße<br />
mit Ausfallserscheinungen reagieren, so erscheint eine Sicherung der Wälder nur<br />
durch eine Doppelstrategie der Reparaturmaßnahmen aussichtsreich: Reparatur<br />
durch Maßnahmen der Luftreinhaltung einerseits und durch Generalsanierung der<br />
Wälder andererseits (Führer, 1988). Dieses Postulat wurde von der forstlichen<br />
Öffentlichkeit nicht mit ungeteilter Zustimmung aufgenommen, wies es doch<br />
auch auf Vollzugsbedarf im forstlichen Zuständigkeitsbereich hin. Wie realistisch<br />
es war, zeigt hingegen die Tatsache, daß trotz merklicher Fortschritte der Emissionsminderung<br />
in den westlichen Industrieländern sich die Belastung der Wälder<br />
durch Schadstoffe zwar qualitativ etwas verlagert, aber insgesamt bisher nur lokal<br />
deutlich verringert hat.<br />
4 FIW II - FICHTE: PRAXISBEZOGENE WALDSANIERUNGS<strong>FOR</strong>SCHUNG<br />
Während die Materie der Luftreinhaltung aus wissenschaftlicher Sicht mehr oder<br />
weniger vertrauensvoll der Umwelttechnik und Umweltpolitik überlassen werden<br />
konnte, verbleibt die Materie der Waldsanierung gänzlich im Zuständigkeitsbereich
der Forstwissenschaften (und Forstbetriebe). Hatten die Bodenversauerungs- und<br />
Nährstoffmangel-Hypothesen in der forstlichen Praxis häufig unreflektiert zu großangelegten<br />
Kalkungs- und Düngungsaktionen geführt, so zwang dieses Mißverständnis<br />
zu detaillierten Überlegungen über Prinzip, Methoden und Ziele einer<br />
Waldsanierung. Der Anspruch der forstlichen Praxis auf konstruktive Empfehlungen<br />
seitens der Wissenschaft wie auch die immer dringlicher werdenden Erwartungen<br />
der Forstwirtschaft stimulierten die Wissenschafter zur Auseinandersetzung<br />
mit der Sanierungsproblematik (Führer, 1988a).<br />
ln Österreich griff die FIW diese Problematik in der· Weise auf, daß sie sich<br />
anschickte, Verfahren zu entwickeln, mit deren Hilfe die zwar immer noch lückenhaften,<br />
aber doch schon weit fortgeschrittenen Einsichten in die Ursachen des<br />
Waldniederganges aus der Theorie in die Praxis umgesetzt werden können. Das<br />
Forschungsprogramm FIW II-FlCHTE ist dieser Aufgabe gewidmet. Es ist eindeutig<br />
der Kategorie der Waldsanierungsforschung zuzuordnen.<br />
Zentrale Aufgabe ist die Entwicklung der operationeilen Basis für die Erstellung<br />
situationsgerechter Sanierungskonzepte. Die prinzipielle Grundlage jedf.!S Sanierungskonzeptes<br />
soll die integrale Streßdiagnose und Risikobewertung · sein, für<br />
welche es geeignete Hilfsmittel und Vorgangsweisen zu entwickeln gilt. Ein spezielles<br />
Problem bildet der notwendige Flächenbezug der angestrebten Aussagen,<br />
die zwangsläufig vorwiegend aus punktuellen Erhebungsmustern hergeleitet werden<br />
können. Oparationalität der zu entwickelnden Verfahren setzt eine sorgfältige<br />
Prüfung verschiedenster Bedingungen und Erfordernisse voraus:<br />
* Katalog unverzichtbarer Informationen,<br />
* Verfügbarkeit und Validität der betrieblichen Daten,<br />
* Aufwand zur Erhebung der nicht verfügbaren Daten,<br />
* Methoden der lnformationsverknüpfung und -aggregation unter Wahrung des<br />
Flächenbezuges,<br />
* objektivierte Verfahren zur Entscheidungstindung (Expertensysteme),<br />
* Katalog der in Betracht kommenden Sanierungsverfahren und deren Optimierung<br />
im Hinblick auf die erhaltenen Befunde.<br />
Endergebnis des auf vier Fallstudien und eine aoschließende Generai'Sysnopse<br />
angelegten Forschungsprogrammes FIW II, Teil FICHTE, (Führer u. Neuhuber,<br />
1991 ) soll ein methodisches Instrumentarium sein, das dazu dient, auf möglichst<br />
rationellem Weg die Verteilungsmuster der spezifischen Problemsituationen in<br />
belasteten bzw. sanierungsbedürftigen Waldgebieten auszumachen und entsprechend<br />
angepaßte Sanierungsvorschläge zu formulieren (Abb. 2).<br />
Diese Zielvorstellungen haben einen Sanierungsbegriff zur Grundlage, der<br />
* primär die ökologische Stabilisierung (Resilienz-Steigerung) der Waldbestände<br />
und erst sekundär die Anhebung der Ertragsleistung im Auge hat,<br />
* mit allem Nachdruck die Erhaltung der Waldtypenvielfalt anstrebt,<br />
* alle sinnvollen Eingriffsmöglichkeiten in die Ökosystemaren Prozesse grundsätzlich<br />
in Betracht zieht.<br />
6
Fallstudie 4<br />
Fallstudie 3<br />
Fallstudie 2<br />
Fallstudie 1<br />
Fallstudienspezifische Grunddaten<br />
erhebung und Stressoreninventur<br />
+ Waldboden und Baumernährung<br />
+ Luftchemische Stresse, physiologische,<br />
biochemische Indikation<br />
+ Witterungsbedingte Schäden<br />
und Schaddisposition<br />
+ Wildschäden und andere<br />
Verjüngungshemmnisse<br />
+ Biotische Schäden und Schadrisiken<br />
7<br />
Generalsynopse<br />
+ Schlüssel fur Bodenmängeldiagnose<br />
und -therapie<br />
+ Schlüssel fur pathophysiologische<br />
Differentialdiagnose und Bioindikation<br />
+ Bewertungsschlüssel fur witterungs<br />
bedingte Schadrisiken<br />
+ Bewertungsschlüssel Wildschäden<br />
in Multistreßsituationen<br />
+ Indikationsmethoden Befallsdisposition<br />
fur biotische Stressoren<br />
Das Fallstudienkonzept<br />
von FIW -FICHTE<br />
Abbildung 2: Das Fallstudien-Konzept des Forschungsprogrammes FIW II-FlCHTE<br />
(Führer u. Neuhuber, 1991 ).<br />
Fig ure 2: Th e case study concept of the research programme FIW //-FICHTE (Füh<br />
rer u. Neuhuber, 199 1).<br />
Each column represents a case study, which comprises the following steps: acquisition<br />
and assessment of data, in tegral stress diagnosis, risk evaluation, and Ieads to a speci·<br />
fic conception of a forest rehabilitation programme. Th e final synopsis (right) sha/1 provide<br />
general keys for the different steps, applicab/e to any forest ecosystem rich of<br />
spruce.
Im Klartext bedeutet dies ein weites Repertoire: waldbauliche Eingriffe und<br />
Bestandesumwandlungen, ggf. unter Einbau biotechnischer oder biologischer<br />
Waldschutzverfahren, Bodenmeliorationen, wildökologisch wirksame Maßnahmen,<br />
forsttechnische Adaptierung, Rückbau von hydrologisch ungünstigen Eingriffen -<br />
bis hin zu Forderungen an die Luftreinhaltung.<br />
Wenn sich das FIW II-Programm diese ambitionierten Ziele steckt, so geschieht<br />
dies im vollen Bewußtsein der Lückenhaftigkeit unseres Wissensstandes. Wir<br />
meinen, daß wir diesen Mut zur Lücke unseren Wäldern und ihrer Sicherung aus<br />
Gründen der Dringlichkeit schulden. Zugleich konkretisieren sich unter der hiefür<br />
notwendigen Bilanzierung unseres Wissens die bestehenden Wissensdefizite auf<br />
dem Gebiet des quantifizierenden Waldökosystem-Verständnisses, denn gerade<br />
dieses wird bei Risikobewertungen und Sanierungsüberlegungen besonders beansprucht.<br />
So ergibt sich logischerweise weiterer dringender Forschungsbedarf auf grundlegender<br />
und theoretischer Ebene der Waldökosystem-Problematik, insbesondere<br />
bezüglich der sanierungsrelevanten Aspekte (Führer, 1988a).<br />
5 <strong>FOR</strong>STWISSENSCHAFTliCHER UND <strong>FOR</strong>STPOliTISCHER AUSBliCK<br />
Als sich die FIW anläßlich ihrer Gründung der Öffentlichkeit vorstellte (Führer,<br />
1984; 1985), betonte sie den Wert ihrer Forschungsvorhaben besonders für die<br />
Aufgaben der forstlichen und ökologischen Legistik, aber auch für die forstbetriebliehen<br />
Möglichkeiten bzw. Notwendigkeiten der Waldsanierung. Dabei hatte<br />
sie Kurzzeit- und Langzeitwirkungen von Luftschadstoff-Einträgen im Auge,<br />
zugleich aber auch die destabilisierenden Wirkungen natürlicher und forstwirtschaftlicher,<br />
historischer und rezenter Stressoren auf den Wald. Diese umfassende<br />
Problemsicht rief in der Öffentlichkeit nicht nur Zustimmung hervor. Trotzdem<br />
sah sich die FIW auch am Ende der ersten, von Kausalitätsfr-agen dominierten<br />
Forschungsetappe nicht veranlaßt, diese Betrachtungsweise aufzugeben<br />
(Führer, 1988a; 1988b). Im Gegenteil, sie bildete die Grundlage für das der Waldökosystem-Sanierungsforschung<br />
gewidmete Forschungsprogramm FIW II (Führer<br />
u. Neuhuber, 1991), das nun im Begriffe ist, aus seiner verfahrensorientierten<br />
inhaltlichen Struktur in ein neues, grundlegend-theoretisches Forschungsprogramm<br />
überzuleiten. Die inzwischen vollzogene Entwicklung der FIW-Forschung<br />
bestätigt die Richtigkeit des ursprünglichen Ansatzes, der später auch anderen<br />
Gruppen als Vorbild diente.<br />
Volle Bestätigung findet die ganzheitliche Betrachtung des Problems<br />
"Waldniedergang" nun auch durch den spektakulären Schritt, den die<br />
"Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa" am 1 6. und 17. Juni 1993<br />
in Helsinki setzte (MIN.CONF. 1993). Die Minister aus 36 europäischen Ländern<br />
8
9<br />
einigten sich u.a. auf "General Guidelines for the Sustainable Management of<br />
Forests in Europe", in deren Resolution H1 der Absatz 7 folgendes aussagt:<br />
"Forest management practices should aim at maintaining and, if possible, improving<br />
the stability, vitality, regenerative capacity, resistance and adaptive capacity<br />
of forest ecosystems towards stresses, including their protection against fire,<br />
pests, diseases, game and other agents of darnage such as overgrazing and unregulated<br />
browsing. The prevention and control of large-scale biotic and abiotic<br />
darnage should be supported. Special attention should be paid to maintaining and,<br />
if needed, to improving the quality of forest soils. Silvicultural practices emulating<br />
nature should be encouraged. Practices contrary to sustainable management<br />
should be actively discouraged."<br />
Diese Aufgaben decken sich mit unseren Vorstellungen von Waldökosystemsanierung.<br />
Wir fühlen uns daher bestärkt, auf dem richtigen Weg zu sein. Wir hoffen, daß die<br />
von der Helsinki-Konferenz ausgehenden Impulse bis in unsere forstliche Wirklichkeit<br />
durchschlagen und daß wir mit den Ergebnissen der FIW-Forschungsprogramme<br />
der sachgerechten Realisierung dieser forstpolitischen Vorgaben dienlich sein<br />
können.<br />
Die erste der im bereits erwähnten Forschungsprogrammteil FIW II -FICHTE vorgesehenen<br />
Fallstudien ist abgeschlossen. Ihr Thema lautet: "Waldbewirtschaftungskonzepte<br />
in belasteten Gebieten des Mühlviertels". Sie soll in diesem Symposium/Band<br />
in ihren einzelnen Forschungsschritten und -ergebnissen dargestellt<br />
werden, um die Herleitung des zusammenfassenden Endresultates transparent zu<br />
machen.<br />
Das untersuchte Waldgebiet befindet sich hauptsächlich im Eigentum des Stiftes<br />
Schlägl, z.T. in jenem des Forstbetriebes Cernin-Kinsky und liegt nicht weit von<br />
der tschechischen Grenze (Neuhuber, 1990). Den beiden Forstbetrieben, die die<br />
Forschungsar.beiten stets unterstützt haben, sei für diese Förderung aufrichtig<br />
gedankt. Der seitens der Betriebe und der Wissenschaft investierte Aufwand wird<br />
dem Wald jedoch erst zum Nutzen gereichen, wenn die Ergebnisse unserer Untersuchungen<br />
in praktische Maßnahmen der Waldsanierung umgesetzt sein werden.<br />
Dies liegt nicht nur im forstbetrieblichen, sondern und vor allem im öffentlichen<br />
Interesse.<br />
6 LITERATUR<br />
ELLENBERG H., R. MAYER u. J. SCHAUER MANN, 1986: Ökosystemforschung - Ergebnisse des<br />
Sollingprojekts: 1966-1986. Ulmer, Stuttgart.<br />
FÜHRER E., 1 984: Das Waldsterben als universitäre Forschungsaufgabe. AFZ Wien 95: 133-1 34.<br />
FÜHRER E., 1985a: Das "Forstschutzproblem Waldsterben". Österr. Hochschulztg. 37: 15-20.
FÜHRER E., 1985b: Integrierte Waldschadensforschung - integrierte Waldschadensvorsorge. in:<br />
FÜHRER E. (Hsg.J, Forschungsinitiative gegen das Waldsterben, Bericht 1985. Bundesminist.<br />
Wiss. Forsch., Wien, 178-222.<br />
FÜHRER E., 1987: Komplexkrankheit "Waldsterben". ln: ROSSMANITH H.P. (Hsg.), Waldschäden<br />
Holzwirtschaft. Österr. Agrarvlg., Wien, 73-82.<br />
FÜHRER E., 1988a: Waldschadensforschung. in: Forstforschungsenquete 1988. Österr. Forstverein,<br />
Wien, 59-65.<br />
FÜHRER E., 1988b: Fünf Jahre Forschungsinitiative gegen das Waldsterben: Arbeitshypothesen,<br />
Forschungsleistungen, Zukunftsperspektiven. ln: FÜHRER E. u. F. NEUHUBER (Hsg.), FIW<br />
Symposium 1988, Waldsterben in Österreich, Theorien, Tendenzen, Therapien, 27. u. 28. Okt.<br />
1988, Univ. Bodenkultur Wien, Bundesminist. Wiss. Forsch., Wien, 1-1 7.<br />
FÜHRER E., 1989: Integral stress hypothesis determining the research programme of the Austrian<br />
"Forschungsinitiative gegen das Waldsterben•. ln: KLIMO E. u. J. MATERNA (eds.), Verification<br />
of hypotheses on the mechanisms of darnage and possibility of recovery of forest ecosystems.<br />
lnt.Workshop Sept. 4-8, 1989, Univ. Agric. Brno, CSSFR, 107-1 17.<br />
FÜHRER E., 1990: Forest decline in central Europe: Additional aspects of its cause. For. Ecol.<br />
Manage. 37: 249-257.<br />
FÜHRER E. u. F. NEUHUBER, 1991 : Forschungsinitiative gegen das Waldsterben II, Forschungsprogramm<br />
1 991-1 994. Konzepte., Bundesminist. Wiss. Forsch., Wien, 29.<br />
MIN. AGRIC. <strong>FOR</strong>EST., HELSINKI (ed.), 1993: Ministerial conference on the protection of forests<br />
in Europe. 16-1 7 June 1993, Resolution H 1, Helsinki.<br />
NEUHUBER F. u. E. FÜHRER, 1990: Schöneben, Untersuchungsgebiet der FIW., Gebietsbeschreibung<br />
und Überblick über die Forschungstätigkeit 1984-1988. FIW-Forschungsber. 1990/1 ,<br />
ÖGWEB, Univ. Bodenkultur Wien, 117.<br />
REHFUESS K.E., 1983: Walderkrankungen und Immissionen - eine Zwischenbilanz. AFZ 38: 601-<br />
610.<br />
SCHÜTT P., 1984: Der Wald stirbt an Streß. Bertelsmann, München.<br />
ULRICH B. u. E. MATZNER, 1983: Abiotische Folgewirkungen der weiträumigen Ausbreitung von<br />
Luftverunreinigungen. Luftreinhaltung, Forsch. Ber. 1040261 5, Univ. Göttingen.<br />
ULRICH 8., R. MAYER, P.K. KHANNA, 1979: Deposition von Luftverunreinigungen und ihre Auswirkungen<br />
in Waldökosystemen im Solling. Schriften Forst!. Fak., Univ. Göttingen 58: 1-291.<br />
ULRICH 8. u. J. PANKRATH (Hrsg.), 1983: Effects of accumulation of air pollutants in forest<br />
ecosystems. D. Reidel, Dordrecht, Boston, London, 389.<br />
WENTZEL K.F., 1982: Ursachen des Waldsterbens in Mitteleuropa. AFZ 37: 1365-1 368.<br />
10
11<br />
EIN VORSCHlAG <strong>FÜR</strong> EIN BIOI NDIKATIVES KONZEPT ZUR ÜBERWACHUNG VON<br />
WALDÖKOSYSTEMEN<br />
A PROPOSAL OF A BIO/ND/CA TION CONCEPT <strong>FOR</strong> <strong>FOR</strong>EST EGOSYS TEMS<br />
MONITORING<br />
Uwe ARNDT und Horst TREMP<br />
Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie, Universität Hohenheim,<br />
Schloß 1, D - 70593 Stuttgard<br />
SUMMARY<br />
For more then 20 years bioindication has been making a substantial contribution to information<br />
about our environment. Besides the emission-cadastra and systems for ambient air control<br />
effectsmonitoring around emittents and regionwide is an important tool in practical environmental<br />
protection. Nevertheless bioindicators in use are so far mainly autecological in character and they<br />
are hardly able to teil us anything about the surrounding ecosystem. Taking into account this Situation<br />
and the need to monitor our forest ecosystems, a concept of a synecological observation is<br />
presented. After a one year period in the frame work of a three year research project funded by the<br />
Umweltbundesamt Berlin, this is a kind of interim report which is certainly incomplete but should<br />
Iead to discussion on the topic.<br />
ln order to achieve the necessary routine monitaring from the wealth of Iiterature available on<br />
actual forest desease problems, findings which can be used as bioindicative key reactions have to<br />
be selected. Though they may occur at every biological Ievei of the ecosystem a biochemical reaction,<br />
for example, should only be used if it has a relevant effect on the whole system. The presented<br />
concept shows some possibilities which parameters and functions of the ecosystem are able to<br />
provide as key reactions. From the Iiterature evaluated so far some examples are given for an indicatorfan<br />
of synecological character. For the time being this only serves more as an explanation of<br />
the idea than as fully usable bioindicators. Some indications are given for subsequent standardization<br />
in routine work and the need for practical testing is expressed. lt is shown that it is worthwhile<br />
and possible to develop and test a bioindicative system which is able to monitor the ecological<br />
behaviour of our forests.<br />
KEYWORDS: Bioindication, ecological indicators, ecosystem behaviour, effects monitoring, forest<br />
ecosystem.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Die Bioindikation leistet seit mehr als 20 Jahren einen wesentlichen Beitrag zur Umweltinformation.<br />
Neben dem Emissions- und dem Immissionskataster sind emittentenbezogene und landesweite<br />
Wirkungsmeßnetze wichtige Instrumente des praktischen Umweltschutzes. Allerdings haben sie<br />
bisher fast ausschließlich autökologischen Charakter, d.h. ihre Aussagen lassen kaum Schlüsse auf<br />
das Verhalten des umgebenden Ökosystems zu. Ausgehend von dieser Sachlage und von der Notwendigkeit,<br />
das Verhalten unserer Waldökosysteme zu überwachen, wird hier ein Konzept für eine<br />
Dauerbeobachtung mit synökologischem Aspekt vorgestellt. Dabei handelt es sich um einen Zwischenbericht<br />
im Rahmen eines vom Umweltbundesamt in Berlin geförderten dreijährigen Forschungsvorhabens,<br />
der naturgemäß noch unvollständig ist und zur Diskussion anregen soll.<br />
Um zu der notwendigen Routineüberwachung zu gelangen, sind aus der Fülle der Waldschadensliteratur<br />
diejenigen Erkenntnisse auszuwählen, die als bioindikative Schlüsselreaktionen verwendbar<br />
sind. Sie können zwar auf allen biologischen Ebenen des Ökosystems auftreten, doch sollte :z. B.<br />
eine biochemische Reaktion nur dann in den Fächer der Kriterien einbezogen werden, wenn sie für<br />
das Gesamtsystem relevant ist. Das dargestellte Konzept zeigt Möglichkeiten, welche Systemparameter<br />
und Funktionen die geforderten Schlüsselreaktionen liefern können. Aus der bisher ausgewerteten<br />
Literatur werden Beispiele für einen Indikatorfächer mit synökologischem Aspekt gege-<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
ÖGWEB (Österr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung! ISBN 3-900865-06-X.
en. Sie dienen jedoch zur Zeit noch eher der Erläuterung des Gedankenganges, als daß sie bereits<br />
voll taugliche Bioindikatoren wären. Für eine spätere Routineverwendung werden erste Hinweise<br />
für die notwendige Standardisierung und eine Erprobungsphase gegeben. Es wird dargelegt, daß es<br />
heute aus verschiedenen Gründen notwendig und möglich ist, einen Bioindikatorfächer mit synökologischem<br />
Aspekt zu entwickeln und zu erproben.<br />
STICHWÖRTER: Bioindaktion, Ökologische Indikatoren, Ökosystemverhalten, Wirkungskataster,<br />
Waldökosystem.<br />
1 EINFÜHRUNG<br />
Nachdem nun mehr als 10 Jahre intensiver Waldschadensforschung vergangen<br />
sind, ist eine Fülle wertvoller wissenschaftlicher Erkenntnisse vorhanden, die nach<br />
Sichtung und Zusammenfassung verlangt. Dieser Aufgabe wurde bereits in den<br />
vergangenen Jahren umfassend nachgekommen, wobei hier in erster Linie die<br />
Gutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (RSU, 1983) und<br />
die Berichte des <strong>FOR</strong>SCHUNGSBEIRATES Waldschäden/luftverunreinigungen<br />
( 1 989) zu nennen sind. Hinzu kommen die verschiedenen Statuskolloquien wie<br />
z.B. die des PEF (Projekt Europäisches Forschungszentrum) in Baden-Württemberg.<br />
Hierbei wurden Ziele und Ergebnisse der einzelnen Projekte zusammenfassend<br />
dargestellt (Hanisch, 1989; Reinhard, 1989 und 1991 ) . Darüber hinaus muß<br />
aber gefragt werden, inwieweit die gewonnenen Erkenntnisse in Zukunft für den<br />
Umweltschutz allgemein und für unsere Waldökosysteme speziell genutzt werden<br />
können, d.h. welche praktischen Auswirkungen haben die finanziell aufwendigen<br />
Forschungen (BML, 1988; Harsch, 1989 und 1991).<br />
Denkbar sind hier z.B. forstwirtschaftliche, ökologische oder Iandschaftspianerische<br />
Konsequenzen, sicher ist aber, daß eine langfristige Beobachtung unserer<br />
Waldökosysteme notwendig bleibt, auch wenn die Waldschadensforschung nicht<br />
in gleichem Umfang wie bisher weitergeführt werden kann. Diese darf sich nicht<br />
in der ökochemischen Kontrolle der Immissionskonzentrationen oder der forstwirtschaftlichen<br />
Nutzungsbeurteilung erschöpfen, sondern sie hat das langfristige<br />
Verhalten des Ökosystems Wald zu überwachen. So stellt sich die Frage, ob für<br />
diese ökologisch-ökotoxikologische Aufgabe heute ausreichende Kenntnisse vorhanden<br />
sind.<br />
2 DIE AUFGABE<br />
Nachfolgend soll ein bioindikatives Konzept zur Überwachung von Waldökosystemen<br />
vorgestellt werden, dessen erste Ansätze bereits auf dem 8. Internationalen<br />
Clean Air Congress in Den Haag zur Diskussion gestellt (Arndt, 1989) und<br />
danach weiter entwickelt worden sind (Arndt, 1992). Seit dem 1 .1 . 1993 kann an<br />
dieser Frage systematisch gearbeitet werden, da ein entsprechender Forschungsauftrag<br />
vom Umweltbundesamt in Berlin vorliegt.<br />
12
13<br />
Bioindikationsverfahren liefern heute wertvolle Informationen bei Genehmigungsverfahren,<br />
bei nachträglichen Anordnungen, bei der Umweltverträglichkeitsprüfung,<br />
beim Einsatz in den Wirkungskatastern der Bundesländer und bei der<br />
Umweltchemikalienprüfung (zusammengefaßt bei Dreyhaupt et al., 1979;<br />
Schubert, 1985; Arndt et al., 1987). Sie sind jedoch aufgrund ihres autökologischen<br />
Charakters nicht oder nur sehr beschränkt in der Lage, Aussagen über Veränderungen<br />
in ganzen Ökosystemen zu machen. Gerade die Waldschadensforschung<br />
hat nun aber gezeigt, daß zur Aufklärung der ökotoxikologischen Probleme<br />
in unseren Wäldern das Denken in vernetzten Systemen notwendig ist. Eine<br />
Bioindikation zur Überwachung unserer Waldökosysteme muß daher synökologischen<br />
Charakter haben.<br />
Die damit gestellte Aufgabe ist schwierig, was von Schneider (1992) in detaillierter<br />
Weise dargestellt wurde, und in ihrer prinzipiellen Lösbarkeit nicht unumstritten<br />
(Landres, 1992). Andererseits sind jedoch verschiedene Vorschläge vorhanden,<br />
die in realistischer Form Möglichkeiten zur synökologischen Bioindikation<br />
eröffnen (Riecken, 1990; Mathes et al.,. 1991}, ja z.T. bereits praktiziert werden<br />
(Messer, 1992; Rapport, 1992). Alle Vorschläge gehen grundsätzlich von einer<br />
möglichst weitgehenden Kenntnis der Struktur und Funktionsweise des betrachteten<br />
Systems aus, da nur dann z.B. zwischen dem Vorkommen oder der Häufigkeit<br />
einzelner Arten und dem Störfaktor Zusammenhänge erkannt werden können<br />
(Bick, 1982; Schubert, 1985). Gerade diese Voraussetzung wird aber heute bei<br />
einigen unserer Waldökosysteme erfüllt, denn sie wurden in den vergangenen<br />
Jahren ja intensiv und in einem für den Bereich der ökotoxikologischen Forschung<br />
beispiellosen Umfang untersucht (Ellenberg sen. et al., 1986).<br />
Dennoch bleiben gewisse Unklarheiten, da mitteleuropäische Wälder stark forstlich<br />
genutzt und damit weit von einem Klimaxzustand entfernt sind. Sie zeigen ein<br />
dynamisches und produktives Verhalten und sind damit, geht man von den Vorstellungen<br />
Gigons ( 1 981; 1984) aus, nicht stabil (Abb. 1 und 2). Es ist also zu<br />
fragen, welcher Maßstab für ihre Beurteilung herangezogen werden soll.<br />
Hinzu kommt, daß die neuartigen Waldschäden ein multifaktorielles Problem darstellen<br />
(Manion, 1981; Rehfuess, 1981; Schütt u. Cowling, 1985), wodurch das<br />
Erscheinungsbild des Ökosystems Wald unübersichtlich und über längere Zeit hinweg<br />
wechselhaft erscheint. So zeigten sich bisher auf Jahre verstärkter Erkrankung<br />
auch wieder Phasen einer gewissen Erholung (Wachter, 1978; BML, 1988) -<br />
ein für den Einsatz bioindikativer Verfahren wesentlicher Aspekt.<br />
Bei diesem Problem kann auch der 1972 in die Gesetze der USA eingebrachte Begriff<br />
der "ecosystem integrity" nur eine gewisse Hilfestellung geben, obschon<br />
oder gerade weil er seither intensiv diskutiert und damit deutlich schärfer geworden<br />
ist (Regier, 1992). Er wird zum Teil mit "system health" und mit "sustainabi<br />
!ity " gleichgesetzt. ln aller kürzester Form kann man nach Smitkroes (1989, zit.
14<br />
Verhalten Fremdfaktor Fremdfaktor<br />
nicht v�rhanden vorhanden<br />
Veränderungen Konstanz Resistenz<br />
1 oder<br />
1 Schwankungen<br />
klein oder �<br />
nicht vorhanden<br />
Schwankungen<br />
groß aber<br />
regelmäßig<br />
Ökosvstem verändert<br />
sich �icht<br />
Zyldizität<br />
Ökosystem zeigt<br />
regelmäßig<br />
Schwankungen<br />
Ökosvstem läßt<br />
sich 1iicht verändern<br />
Elastizität<br />
Ökosystem schwankt<br />
aus kehrt aber in<br />
die Ausgangslage zurück<br />
Abbildung 1 : Formen der Ökosystemaren Stabilität (nach Gigon, 1981; 1984).<br />
Figure 1: Forms of ecosystem stabilitiy (a fter Gigon, 1981; 1984).<br />
I<br />
I<br />
Verhalten<br />
I<br />
i Irreversible<br />
Veränderung<br />
/ Fluktuationen<br />
I<br />
nicht vorhanden<br />
I<br />
, i<br />
I ±Entwicklung 1<br />
I<br />
'<br />
I< I<br />
unregelmäßige I<br />
Schwankung<br />
Fremdfaktor<br />
Beeinflußte<br />
vorhanden<br />
± Entwicklung<br />
cr"ry-D j<br />
I Beeinflußte I<br />
ovJ\;D I cr6__r---o I<br />
!<br />
I !<br />
Resistente<br />
Instabilität ,<br />
o-: --o I<br />
6 I<br />
' Elastische<br />
Schwankung Instabilität<br />
Vs-"'""': :: :J<br />
Abbildung 2: Formen der Ökosystemaren Instabilität (Gigon, 1981; 1984) .<br />
Für mitteleuropäische Forste gilt ohne Störfaktor eine mehr oder weniger kontinuierliche<br />
Veränderung von der Schonung bis hin :zum schlagreifen Hochwald. Bei dieser<br />
Betrachtungsweise wird als Kriterium in erster Linie die Produktivität der Dominanten<br />
:zugrundegelegt, aber auch andere Parameter des Ökosystems befin-den sich in Entwicklung.<br />
Figure 2: Forms of ecosystem instability (Gigon, 1981; 1984}.<br />
ln the case of Gentraf European managed forests, without distvrbances, a more or less<br />
continuous transition from sapling stage to harvestable timber can be assumed. With<br />
this kind of approach the first line criterion is the productivity of the dominant trees,<br />
while other ecosystem parameters follo w suit within th e development.<br />
I
15<br />
- .<br />
bei Regier, 1992) Okosystem-lntegrität mit den folgenden Eigenschaften umschreiben:<br />
• Erhalt der ökologischen Produktivität<br />
• Erhalt der Diversität von Flora und Fa una<br />
• Erhalt der Selbstregulation ·<br />
Diese Eigenschaften werden aber von mitteleuropäischen Waldökosystemen nur<br />
zum Teil und nur zeitweilig erfüllt, so daß eine bioindikative Beobachtung<br />
zunächst nur mit dem Ziel durchgeführt werden kann, Aussagen über ihr Verhalten<br />
zu gewinnen. Bei dieser Ü berwachung sollten in erster Linie ökologische Maßstäbe<br />
angelegt werden, die zu erwartenden Erkenntnisse sollten sich aber im<br />
forstwirtschaftliehen Bereich wie z. B. dem Waldbau, niederschlagen (vergl. hierzu<br />
Bursehel u. Binder, 1993).<br />
3 DAS KONZEPT<br />
ln weitgehend naturbelassenen Waldökosystemen sind es danach also die ökologische<br />
Produktivität, die Diversität und die Selbstregulation, auf die eine synökologische<br />
Bioindikation vornehmlich abzielen sollte und die auch im US-amerikanischen<br />
EMAP-Programm (Environmental Monitaring and Assessment Program) eine<br />
wesentliche Rolle spielen {Schneider, 1992). Dabei bleibt allerdings die oben<br />
angesprochene Integrität nur in einem relativ stationären Zustand von Ökosystemen<br />
nachweisbar, der in den weitaus meisten Wäldern Mitteleuropas nicht gegeben<br />
ist. Gigon nennt derartige produktive Systeme instabil (Abb. 2), und sie<br />
zeigen ja auch durch die Bewirtschaftung mehr oder weniger unregelmäßige<br />
ZustandswechseL ln einer derartigen Situation ist es leichter, an Stelle der Integrität<br />
gewisse Entwicklungen und erhebliche Störungen von ausgewählten Einzelparametern<br />
nachzuweisen (Odum, 1985). Eine Übersicht über mögliche Indikatoren<br />
zum Nachweis eines Stresses in Ökosystemen bringen Slocombe u.<br />
Woodley (1990, zitiert b.ei Schneider, 1992), die in Tabelle 1 wiedergegeben ist.<br />
Störungen, auch solche in der Entwicklung eines produktiven Ökosystems, manifestieren<br />
sich bei einer entsprechenden Belastung auf allen biologischen Ebenen,<br />
also vereinfacht in der Zelle, dem Organismus und im ganzen Ökosystem. Dabei<br />
ist davon auszugehen, daß die Bedeutung einer Indikatorreaktion mit der Höhe der<br />
biologischen Ebene, auf der sie manifest wird, steigt, was bei der Entwicklung<br />
des Gesamtkonzeptes zu berücksichtigen ist.<br />
Nach dem Gesagten läßt sich mit einer zusätzlichen Zeitachse eine einfache<br />
Matrix darstellen, in deren Feldern Wirkungskriterien eingetragen werden können,<br />
" Es erscheint zweckmäßig, diesen Begriff wörtlich aus dem Englischen zu übernehmen.
die zur Bioindikaktion verwendet werden (Abb. 3). Dies sind, bezogen auf die Fragestellung,<br />
nämlich die Überwachung von Waldökosystemen, vornehmlich solche,<br />
deren Störung auf das Gesamtsystem durchschlagen. ln diesem Sinne ist also<br />
eine biochemische Veränderung in der Zelle nur dann aussagekräftig, wenn sie<br />
das Verhalten des Ökosystems zu beeinflussen vermag. Damit wird eine gewisse<br />
Kenntnis von Reaktionsketten vorausgesetzt, die sich durch verschiedene biologische<br />
Ebenen hindurchziehen. So läßt sich z.B. ein Zusammenhang zwischen dem<br />
Verlust an Magnesium, dem Rückgang der Chlorophyllgehalte, einer ungünstigen<br />
apparenten Photosynthese und schließlich einem Produktionsverlust im System<br />
vermuten, auch wenn dies aufgrund von Ü berlagerungen nicht leicht zu erkennen<br />
ist.<br />
Ta belle 1: Kriterien zum Nachweis von Stress in schadstoffbelasteten Ökosystemen<br />
(zusammengestellt von Scheehan, 1984, zit. bei Schneider, 1992,<br />
mit der Übersetzung ins Deutsche etwas verändert).<br />
Table 1: Stress-proving criteria in loaded ecosystems (made up by Scheehan,<br />
1984, cit. by Schneider, 1992, slightly varied by german translation).<br />
16<br />
Individuen und Populationen<br />
1. Direkte Mortalität oder chronische Akkumulation, die zum Tod führt<br />
2. Verhaltensbeeinträchtigung, physiologische Schädigung oder Funktionsveränderung<br />
3. Veränderungen von Wachstum und Reproduktion<br />
Struktur und Dynamik des Ökosystems<br />
4. Verringerung der Populationsgröße und Aussterben von Arten<br />
5. Verlust von Spezies mit einzigartigen Funktionen<br />
6. Rückgang der Artendiversität (Reichhaltigkeit)<br />
7. Veränderungen der Organismengemeinschaft und des Dominanzmusters<br />
8. Rückgang der Artenzahl<br />
9. Taxonomische Unterschiede zwischen beeinträchtigten und unbeeinflußten<br />
Systemen ..<br />
10. Veränderungen der räumlichen Strukturen im Okosystem<br />
11. Veränderungen von Stabilitätseigenschaften<br />
12. Umkehr von Sukzessionen<br />
Veränderungen ökosystemarer Funktionen<br />
13. Veränderung der Zersetzungsleistung, des Mineralstoffumsatzes und der Produktivität<br />
14. Erhöhter Energieaufwand für Reparaturmechanismen<br />
15. Veränderungen bei wichtigen Nährstoffkreisläufen, im Nahrungsnetz und bei<br />
der funktionalen Regelung ökosystemarer Prozesse
17<br />
Reaktionen Frühe und we- Arten- und Abun-<br />
Oko -<br />
sys tem<br />
nicht auf Stressorzurückführbar<br />
oder nicht<br />
nlg ausgeprägte<br />
Reaktionen, erhöhtesAuftreten<br />
vo n Mangan<br />
d anzverschl ebung,<br />
Ve ränderung von<br />
Mineralkreis I äufen<br />
und Produktion,<br />
nachweisbar<br />
Akkumulation<br />
Chlorosen, Chlorosen, Blattverlus te,<br />
Organismus<br />
Nekrosen,<br />
Reaktionen des<br />
Gaswe chsels<br />
Nekrosen,<br />
morphologische<br />
Veränderungen,<br />
Akkumulation,<br />
Ertragsein bu ßen,<br />
Ausfall vo n<br />
Ak kumulation,<br />
erster Blattfall<br />
Individuen<br />
Zelle<br />
Enzym- und Enzymveränder- We chsel von<br />
Membranverän- ung, Akkumu- ana- zu katabo-<br />
derung, Änder- lation von Zell- lischem Stoff-<br />
ung des Energ ie- inhaltsstoffen we chsel, Senes-<br />
und Redox-<br />
potentials<br />
;<br />
ze nzers chei nungen<br />
Stunden- Tage- Monate-<br />
Tage Wo chen Jahre<br />
Abbildung 3: Stark vereinfachende Matrix zwischen den biologischen Reaktionsebenen<br />
und dem zeitlichen Auftreten einer Wirkung.<br />
Figure 3: A very simplified matrix of biological reaction Ievels versus temporal<br />
activation of reactions.<br />
Daneben sind aber auch Wirkungskriterien indikativ nutzbar, die unabhängig voneinander<br />
sind bzw. deren ökologischer Zusammenhang noch unbekannt ist. Hierzu<br />
könnte man den Ausfall der Tanne, das verstärkte Auftreten der azidophilen<br />
Flechte Lecanora conizaeoides und die Zunahme von Calamagrostis- und<br />
Deschampsia-Beständen auf Waldlichtungen nennen. Brauchbar sind solche Einzelaussagen<br />
allerdings nur, wenn sie gleichsinnig sind bzw. eine Indikation gegen<br />
seitig stützen. Schließlich lassen sich auch dem Autökologischen nahestehende<br />
Bioindikatoren verwenden (Kutchenberg, 1985; Hutehinsen u. Scott, 1988). Letz<br />
teres erlaubt es durchaus auch Einzelphänomene zur Bioindikation heranzuziehen,<br />
selbst wenn sie aus angrenzenden Ökosystemen stammen, solange sie nur ent<br />
sprechende Rückschlüsse auf das eigentliche Untersuchungsobjekt ermöglichen.
Ein wesentlicher Aspekt der bioindikativen Ü berwachung ist der Zeitpunkt bzw.<br />
der Zeitraum, an bzw. in dem das Wirkungskriterium anspricht. Die Expositionsdauer<br />
eines Indikators ist daher auch bei den autökologischen Verfahren des aktiven<br />
Monitarings exakt festgelegt. Für eine synökologische Bioindikation der Waldökosysteme<br />
Mitteleuropas ergeben sich hier aber gewisse Schwierigkeiten. Bei<br />
einer chronischen Belastung, wie es der Eintrag von sauren Niederschlägen oder<br />
von Stickstoff darstellt, ist ein zeitlicher Nullpunkt nicht vorhanden, sondern man<br />
hat von einem gewissen Störungsniveau zum Zeitpunkt der bioindikativen Abfrage<br />
auszugehen.<br />
Erst bei weiteren indikativen Abfragen ist feststellbar, ob sich dieser Zustand<br />
geändert hat. Immerhin lassen sich den biologischen Ebenen gewisse Reaktionszeiten<br />
zuordnen, die bei biochemischen Veränderungen im allgemeinen im Bereich<br />
von Stunden bis Tagen, für das gesamte Ökosystem aber zwischen Monaten und<br />
Jahren liegen. Daß die Reaktionszeiten in einigen Fälle noch weit länger sein können,<br />
macht sie im Rahmen dieses Konzeptes praktisch undetektierbar, und sie<br />
können daher hier nicht Gegenstand der Erörterung sein.<br />
Diese Zeitachse gibt zugleich Hinweise für die notwendige Häufigkeit der bioindikativen<br />
Beobachtungen. Zu betonen ist allerdings, daß die Darstellung (Abb. 2)<br />
stark verkürzt ist und nur dem besseren Verständnis des hier vorgestellten Konzeptes<br />
dient. Sie soll aber darüber hinaus die Vielschichtigkeit der Aufgabe und<br />
die Notwendigkeit einer ganzen Anzahl von Bioindikatoren, Rapport (1992) spricht<br />
von einem lndikatorspektrum, deutlich machen. Dabei darf nicht vergessen<br />
werden, daß es hier zunächst "nur" um eine Überwachung, nicht aber um eine<br />
Diagnose oder um die Aufklärung der Funktion einzelner Vorgänge geht. Diese<br />
differenziertere Betrachtungsweise muß auf später verschoben werden.<br />
Der wesentliche Schritt zu einer bioindikativen, langfristigen Überwachung unserer<br />
Wälder ist die Auswahl geeigneter Wirkungskriterien, die bei guter Handhabbarkeit<br />
ausreichende Aussagen über den Zustand von Kompartimenten machen<br />
oder über den des Gesamtsystems zulassen. Dabei scheitert die prinzipiell<br />
erwünschte große Zahl von Schlüsselreaktionen oder - wie Rapport (1992) sie<br />
nennt - Schlüssel-Indikatoren vornehmlich an einer zu geringen Kenntnis geeigneter<br />
Wirkungskriterien. Andererseits muß die Zahl aufgrund allgemein limitierter<br />
Personal- und Finanzkapazitäten relativ klein gehalten werden. Damit können<br />
nicht irgendwelche mehr oder weniger zufällig erkannte Störungen im Ökosystem<br />
herangezogen werden, sondern es müssen solche Schlüsselreaktionen gefunden<br />
werden, die möglichst mit den prägenden, den dominanten Organismen zusammenhängen<br />
oder sonst weitreichende Einflüsse im Ökosystem haben (Treshow,<br />
1968; Treshow u. Stewart, 1973; Nilssen, 1980; Reichholf, 1982). Darüber<br />
hinaus sollten die Stellung und Bedeutung für das System bekannt sein.<br />
18
4 DAS BEISPIEL<br />
19<br />
Da der Entwicklungsprozeß des hier vorgestellten Konzeptes bei weitem noch<br />
nicht abgeschlossen ist, muß auch die Abbildung 3 als ein Denkanstoß und nicht<br />
als Vorschlag für die Praxis verstanden werden. Orientiert an den biologischen<br />
Reaktionsebenen, werden nachfo lgend einige Vorschläge gemacht, die zwar einzeln<br />
als solche praktikabel sind aber hier erstmals in das dargestellte Konzept eingeordnet<br />
werden.<br />
Betrachtet man zunächst die Bäume als die dominanten Organismen in den Wäldern,<br />
so sind zwar unsere physiologischen Kenntnisse noch immer geringer als<br />
bei krautigen Pflanzen (Böger u. Mohr, 1987), doch lassen sich heute eine Reihe<br />
von Stoffwechselreaktionen zusammenstellen, die für die Vitalität von Waldbäumen<br />
große Bedeutung haben. Die Verwendung derartiger Veränderungen als<br />
diagnostische Parameter liegt nahe und wurde bereits von der Arbeitsgruppe<br />
Wellburn vorgeschlagen und praktiziert (Wolfenden et al., 1988; Mehlhorn et al.,<br />
1988). Zahlreiche weitere biochemisch-physiologische Untersuchungen zeigen,<br />
daß es verschiedene Veränderungen auf der Zellebene gibt, die sich für eine<br />
routinemäßige Bioindikation eignen könnten. ln diesem Zusammenhang sei insbesondere<br />
auf den von der Arbeitsgruppe Wild vorgeschlagenen Kriterienfächer hingewiesen<br />
(Wild u. Tietz, 1991 ; Wild u. Schmitt, 1992; Schmieden et al., 1993).<br />
Hier konnte nachgewiesen werden, daß die Phosphoenolpyruvatcarboxylase<br />
(PEPCL die in der Fichte als C3-Pflanze eine Auffüllfunktion (anaplerotische Funktion)<br />
hat, indem sie C02 irreversibel an Phosphoenolpyruvat zu Oxalacetat bindet,<br />
bei niedriger chronischer Belastung ihre Aktivität erhöht. Dabei hat die<br />
Arbeitsgruppe mit diesem akkumulativen Prozess einen engen Zusammenhang mit<br />
dem Nadelschadfaktor festgestellt, so daß hier zugleich ein Beispiel für den trittsteinartigen<br />
Zusammenhang von Reaktionen auf verschiedenen biologischen Ebenen<br />
gegeben ist (Abb. 4) . Ein solcher läßt sich auch für den Magnesiumgehalt, die<br />
Chlorophyllkonzentrationen und schließlich den Nadelfall vermuten.<br />
Als positive Ergänzung zu biochemisch/physiologischen Kriterien hat sich auf Zellund<br />
Gewebeebene der anatomische Befund erwiesen. Hierzu sind in Mitteleuropa<br />
u.a. die Arbeiten von Fink (1983; 1992) sowie von Schmitt u. Rütze (1990) in<br />
Betracht zu ziehen. Allerdings sind die bisher erzielten Ergebnisse noch nicht<br />
unter dem Gesichtspunkt der Bioindikation geprüft worden, so daß bis zu einer<br />
routinemäßigen Verwendung derartiger Wirkungskriterien noch erhebliche Arbeit<br />
aufgewendet werden muß.<br />
Geht man zum Geamtorganismus, also zu ganzen Bäumen wie Tanne, Fichte oder<br />
Buche über, so werden diese bereits seit Jahren in der gesamten Bundesrepublik<br />
Deutschland bioindikativ beurteilt. Dies dürfte zur Zeit die bisher umfangreichste<br />
Anwendung eines Bioindikationsverfahrens überhaupt sein. Das heute angewandte<br />
Verfa hren stützt sich unter anderem auf die Abschätzung des Grades der<br />
Benadelung oder Belaubung, ein Kriterium, das mit der Vitalität der Bäume in Ver-
indung gebracht wird. Allerdings ist auch dieses Verfahren nicht unumstritten<br />
und bedarf sicherlich verschiedener Ergänzungen, wie z.B. der Habitusbeurteilung<br />
(Roloff, 1986). Obschon die Waldschäden heute bundesweit in gleicher Weise<br />
erhoben und die Ergebnisse jährlich veröffentlicht werden (BML, 1985; 1988;<br />
1993), reicht dieses weitgehend anerkannte Verfahren allein nicht dazu aus, den<br />
Zustand des Ökosystems Wald zu beurteilen.<br />
20<br />
Wa l dquellbäche<br />
Flora/Fauna<br />
Bestandeszuwachs<br />
Bestandesstruktur<br />
fauna<br />
5 -<br />
10<br />
Wa ldbodenflora<br />
Abbildung 4: Kombinierte Erhebung indikativer Kriterien an Bäumen (dunkel hinterlegt)<br />
und im Ökosystem.<br />
Die Zahlen geben den Abfragezeitraum in Jahren wieder.<br />
Figure 4: Tim e frame for the combined sampling of in dica tive criteria in single<br />
trees (shaded in figure) and in a forest ecosystem.<br />
Th e respective numbers specify approximate sampling in tervals in years.<br />
Auf der Ebene der Phytocoenose und des gesamten Ökosystems lassen sich z.B.<br />
Veränderungen der Struktur oder des Stoffhaushaltes als Kriterien zur Bioindikation<br />
heranziehen. Über die Veränderungen der Pflanzengesellschaft in mitteleuropäischen<br />
Waldgebieten liegen verschiedene Informationen vor, die eine deutliche<br />
Standortsabhängigkeit zeigen. So konnten verschiedene Arbeitsgruppen an der<br />
Boden- und epiphytischen Vegetation Veränderungen feststellen, die auf Säureeintrag<br />
zurückzuführen waren (Wittig u. Neite, 1983; Ballach et al., 1985; Wittig<br />
et al., 1985; Steubing u. Fangmeier, 1986; Steubing u. Macher, 1985;<br />
Bartholmeß et al., 1987; Fischer, 1993). Auf verschiedenen Flächen im Schwarz-
21<br />
wald werden die auch dort zu beobachtenden Veränderungen mit der schadensbedingten<br />
Auflichtung der Bestände und mit einem überhöhten Stickstoffeintrag in<br />
Verbindung gebracht (Bürger, 1990). Dabei wird ein Anstieg der mittleren Artenzahlen<br />
in allen Gesellschaftstypen festgestellt. Heute sind auch die ökologischen<br />
Ansprüche der Waldboden- sowie epiphytischen Moose hinreichend beka nnt, um<br />
diese stärker als bisher für die Bioindikation zu berücksichtigen lEHenberg jr. et<br />
al., 1991; Biernath u. Roloff, 1993). Allerdings gilt die Artenkenntnis der heimischen<br />
Moosflora noch als ausgesprochenes Spezialwissen (Stetzka, 1993). Im<br />
übrigen sind diese Beispiele für eine Indikationsmöglichkeit zum Teil zu den sich<br />
gegenseitig stützenden Einzelaussagen zu rechnen.<br />
Offensichtlich besitzen Vegetationsveränderungen einen beachtlichen bioindikativen<br />
Wert, was auch an der Reaktion auf einen Stickstoffeintrag bei den Zeigerwerten<br />
bestimmter Pflanzen deutlich wird (EIIenberg jr., 1985). Sie laufen jedoch<br />
relativ langsam ab, und die kausale Interpretation entsprechender Ergebnisse ist<br />
häufig schwierig. Erstaunlich rasch und eindeutig reagiert dagegen die Bewegung<br />
und der Status bestimmter anorganischer Nährstoffe im Ökosystem, wie in<br />
verschiedenen OTC-Experimenten festgestellt werden konnte (Seufert u. Arndt,<br />
1988; Evers, 1987). Hier haben bereits Freilanduntersuchungen in den siebziger<br />
Jahren Hinweise auf eine bioindikative Verwendung geliefert (Uirich, 1975). Diese<br />
Ü berlegungen wurden kontinuierlich ausgebaut (Uirich, 1983) und sind heute bis<br />
zu einem praktikablen Vorschlag entwickelt, der sich als Baustein in das hier vorgestellte<br />
Konzept einbauen läßt (Uirich u. Bredemeier, 1992). Die Möglichkeit,<br />
Ionenbilanzen im Ö kosystem aus Daten verschiedener Kompartimente zusammenzustellen,<br />
wird von zahlreichen anderen Autoren gestützt.<br />
Einen wichtigen Beitrag für eine Bioindikation mit synökologischem Aspekt können<br />
auch die unterirdischen Systemteile liefern {Vogt et al., 1993). So liegen<br />
verschiedene Hinweise auf Veränderungen im Feinwurzel- und Mykorrhizabereich<br />
vor, die prinzipiell indikativ nutzbar wären, hinsichtlich ihrer Handhabbarkelt im<br />
Routinebetrieb aber sicherlich Grenzfälle darstellen (Wöllmer u. Kottke, 1990;<br />
Blaschke, 1990). Als übergeordneter Parameter ist dagegen die Ansprache der<br />
Humusform, die durch Bestimmungen der C/N- und der C/P Verhältnisse ergänzt<br />
werden sollte, ein geeigneter Indikator zur Beobachtung des Ökosystems Wald<br />
(v. Zezschwitz, 1985; 1987).<br />
Von großer Bedeutung für unsere Wälder und deshalb bei einer Bioindikation mit<br />
synökologischem Aspekt zu berücksichtigen ist das Kompartiment der Destruenten<br />
und Mineralisierer. Hier sind es insbesondere die Bodentiere, die im Hinblick<br />
auf eine bioindikative Verwendung Interesse gefunden haben (u.a. Funke, 1986).<br />
Roth u. Funke (1993) untersuchten die Wirkung von Mineraldüngergaben, sauren<br />
Niederschlägen, Pestiziden und Halogenkohlenwasserstoffen und konnten dabei<br />
Auswirkungen u.a. auf das Artenspektrum, die Populationsdichte, die Dominanzstruktur<br />
und die Biomasse feststellen. Ohne einen vollständigen Überblick<br />
erreichen zu wollen, sei neben der Arbeitsgruppe Funke hier noch auf die Arbei-
ten von Kolbe (1981; Kolbe et al., 1987) und Kopeszki (1991; 1992; 1993) hingewiesen,<br />
die ebenfalls Bodentiere als Bioindikatoren für Hinweise zum Ökosystemaren<br />
Zustand verwenden. Inwieweit die Avifauna ( Ellenberg jr., 1981; Hahn et<br />
al., 1992) und die herbivoren (Groß)tiere (Hecht, 1991) mit in das Konzept einzubeziehen<br />
sind, ist zur Zeit noch nicht klar.<br />
Je nach Art und Größe des zu beobachtenden Waldökosystems müssen selbstverständlich<br />
auch die Gewässeranteile bioindikativ genutzt werden, zumal für die<br />
synökologische Bioindikation im aquatischen Bereich aus den USA und Canada<br />
bereits relativ ausgereifte Konzepte vorhanden sind (u.a. bei Regier, 1992;<br />
Hughes et al., 1992). Im kleinräumigen Mitteleuropa spiegeln Waldquellbäche die<br />
stoffliche Zusammensetzung ihrer bewaldeten Einzugsgebiete wider, so daß sie<br />
ebenfalls Aussagen über das Gesamtsystem machen können (Beierkuhnlein,<br />
1991 ). Die entsprechenden Bioindikationsverfahren, z.B. für das Makrozoobenthos<br />
(Braukmann, 1992) und die Wassermoosvegetation (Tremp u. Kohler, 1993)<br />
sind bereits weitgehend standardisiert und zum Teil einfacher zu handhaben als<br />
vergleichbare Methoden im terrestrischen Bereich. Obschon hierzu zahlreiche weitere<br />
Vorschläge vorhanden sind (zusammengestellt bei Böhmer u. Rahmann,<br />
1992), müssen tatsächlich geeignete Schlüsselreaktionen jeweils erst noch ausgewählt<br />
werden.<br />
22<br />
5 STANDARDISIERUNG UND DURCHFÜHRUNG<br />
Ein im praktischen Umweltschutz einzusetzender Bioindikator oder Bioindikatorfächer<br />
hat als wiederholt verwertbares Instrument zu dienen (Ravera, 1975).<br />
Hierunter ist die weitgehende räumliche und zeitliche Vergleichbarkeit von bioindikativen<br />
Aussagen eines Verfahrens zu verstehen, die nur gewährleistet ist,<br />
wenn die Methode standardisiert wird . Aus diesem Grunde werden für autökologische<br />
Bioindkationsverfahren Richtlinien durch die Kommission zur Reinhaltung<br />
der Luft des VDI festgelegt.<br />
Will man ganze Ökosysteme langfristig überwachen und so an verschiedenen<br />
Beobachtungspunkten ihr ökologisches Verhalten feststellen, so ist auch hier eine<br />
weitgehende Festlegung der Methode, also eine Standardisierung notwendig.<br />
Hierzu sind z.B. Dauerbeobachtungsflächen zu verwenden, die in verschiedenen<br />
vom Waldsterben betroffenen Naturräumen ausgewiesen werden und zu festgelegten<br />
Zeiten bioindikativ abgefragt werden. Durch eine sinnvolle geographische<br />
Verteilung und ausreichend lange Beobachtungszeit sollte sich das Ökosystemverhalten<br />
einschließlich etwaiger Trends zu Gesundung oder Erkrankung erkennen<br />
lassen (vergl. auch Pfadenhauer et al., 1986). Erste positive Erfahrungen über die<br />
Bioindikation mit synökologischem Bezug liegen heute von den Dauerbeobachtungsflächen<br />
des immissionsökologischen Wirkungskatasters Baden-Württemberg<br />
vor, der nach Naturräumen orientiert ist. Seit der Einrichtung im Jahre 1984 (LFU,<br />
1985) werden hier zahlreiche coenotische und standortskundliehe Daten erhoben
23<br />
und verrechnet, die für die 60 Waldparzelien erste Wirkungsmodelle ergeben<br />
(LFU, 1988; Kreimes, 1993).<br />
Notwendig ist selbstverständlich auch eine genaue Festlegung der Arbeitsweise<br />
selbst, also jedes einzelnen Arbeitsschrittes innnerhalb der Bioindikation. Die Vergehensweise<br />
ist dabei für die Indikation auf der Zellebene bereits aus der autökologischen<br />
Arbeit bekannt, und auch die Festlegung für das Verfahren zur<br />
Abschätzung des Benadelungsgrades liegt ebenfalls vor und muß nur an die<br />
besondere Problemstellung angepasst werden. Grundsätzlich ist bei einer entprechenden<br />
Standardisierung davon auszugehen, daß je komplizierter das Verfahren<br />
ist, um so größer ist die Gefahr einer versteckten oder gewollten Modifikation,<br />
wodurch sich die Aussagekraft verändern kann und eine zeitliche und räumliche<br />
Vergleichbarkeit der Ü berwachungsergebnisse u.U. unmöglich gemacht wird .<br />
6 SCHLUSSBEMERKUNG<br />
Das hier vorgestellte Konzept kann in einer praktizierten Endstufe dem "Basisprogramm"<br />
Ellenbergs (EIIenberg sen. et al., 1986) entsprechen. Es besteht aber<br />
immer die Gefahr, daß es sich entweder zu einer vollen Ökosystemstudie einerseits<br />
entwickelt oder die Aussagen autökologisch bleiben. Dies muß insbesondere<br />
auch durch eine langfristige Festlegung der Methode vermieden werden.<br />
Ein wichtiges und bisher ungeklärtes Problem ist die räumliche und zeitliche<br />
Repräsentanz der bioindikativen Abfrage, d.h. inwieweit sind die Erhebungsergebnisse<br />
übertragbar. Nicht nur hierzu gehört eine erheblich umfassendere Literaturauswertung<br />
als sie aus zeitlichen Gründen bisher im Rahmen unseres Forschungsvorhabens<br />
möglich war. Insoweit wird hier nur ein Zwischenzustand wiedergegeben,<br />
der die Veröffentlichungen anderer Länder bisher nur sehr unvollständig<br />
berücksichtigt.<br />
Selbstverständlich ist auch nach Verwendung des durch die ausgewählten Bioindikatoren<br />
gelieferten Datenmaterials zu fragen, das im Idealfall zu direkten oder<br />
indirekten Maßnahmen verwendet werden sollte. Hierzu ist es in Datenbanken<br />
bzw. Informationssysteme einzubringen, die von den Länderbehörden betrieben<br />
und ausgewertet werden können (Manderscheid u. Hauhs, 1991; D'Oleire<br />
Ottmanns u. Franz, 1991 ). Hiermit verbunden ist eine weitere denkbare Möglichkeit,<br />
nämlich die Abbildung des Konzeptes in einem Modell, das aus Zustandsdaten<br />
gewisse Prognosen erlaubt (vergleiche hierzu Bosse! et al., 1984; Lenz,<br />
1991; Lenz u. Schall, 1989 u. 1991).<br />
Schließlich bedarf ein aus Literaturergebnissen zusammengestellter Indikatorfächer<br />
mit synökologischem Aspekt einer Erprobungsphase ehe er Landeseinrichtungen<br />
zum Routinebetrieb übergeben werden sollte. Während dieses vielleicht<br />
dreijährigen Pilotbetriebes, an dem mehrere Einrichtungen beteiligt ein sollten,
können durchaus zunächst brauchbar erscheinende indikative Kriterien verworfen<br />
und andere dafür eingefügt werden, wenn dies die Praxis erfordert. Sicherlich<br />
muß es die Aufgabe einer solchen praktischen Kontrolle sein, eine anfangs sicherlich<br />
große Zahl von Wirkungskriterien auf ein handhabbares und zugleich im Sinne<br />
der Zielsetzung aussagekräftiges Maß zurückzuführen.<br />
Auch wenn gerade die Übertragbarkeit von Ergebnissen einer Dauerbeobachtungsfläche<br />
ihre Grenzen hat und gewisse Kenntnislücken im Konzept noch aufzufüllen<br />
sind, so erscheint es doch heute notwendig und möglich, einen Bioindikatorfächer<br />
mit synökologischem Aspekt vorzuschlagen und zu erproben.<br />
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28
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DAS FIW FAlLSTUDIENGEBIET BÖHMERWAlD<br />
THE FIW RESEARCH AREA BOHEMIA N <strong>FOR</strong>ES T<br />
Klaus KATZENSTEINER und Gerhard GLATZEl<br />
Institut für Waldökologie, Universität für Bodenkultur Wien<br />
Peter-Jordan-Straße 82, A - 1190 Wien<br />
SUMMARY<br />
The FIW II research area is located in the Austrian part of the Bohemian Forest (48°39' N/1 4°3' E- 48°46' N/13 °47'E). Bedrock materials are Mg- and Ca-poor granites and gneisses. Soils developed<br />
mainly on pre-pleistocene periglacial deposits. Soil types range from histosols, gleysols and podzols<br />
to cambisols. The natural forest vegetation types are mainly Abieti-Fagetum-, Abietetum- and<br />
Piceetum-associations. Currently the forest plantations are dominated by Norway spruce. The main<br />
factors for the definition of site classes in the standard site mapping were topographical and geomorphological<br />
criteria and the water regime. These classes could be defined by cluster analysis<br />
with the use of site parameters from a permanent inventory network. Average precipitation in the<br />
valleys is 880 to 1100 mm.a-1, average annual air temperature is 6, 7 °C. Ambient ozone concentrations<br />
are rather high (0,071 mg.m- 3 ), S02-impact occurs rarely and episodic. Deposition rates of air<br />
pollutants with throughfall are in the lower range for Central Europe (H+: 0,2-0,3, S: 18-30, N:<br />
14-24 kg.ha-'.a-1).<br />
KEYWORDS: Bohemian Forest, soil, vegetation, climate, air pollutants, site mapping.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Das FIW II Fallstudiengebiet im Österreichischen Teil des Böhmerwaldes (48°39' N/14°3' E -<br />
48 °46' N/13 °4 7'E) ist durch Ca- und Mg-arme Granite und Gneisse geprägt. Auf pariglazial überprägten,<br />
teilweise skelettreichen Deckschichten entwickelten sich saure Böden der Braunerde<br />
Podsolreihe, unter Stauwassereinfluß entstanden Pseudogleye, Stagnogleye und Hangpseudogleye,<br />
bei Grundwassereinfluß Gleye, Anmoore, Moore. Die natürlichen Waldgesellschaften reichen von<br />
Tennen-Buchenwaldeinheiten über Tannenwälder zu subalpinen Fichtenwaldassoziationen und Sondergesellschaften<br />
(Bergkiefernwald, Edellaubholzreiche Einheiten). Die aktuellen Waldgesellschaften<br />
werden von Fichte dominiert. Wichtigster Faktor für die Ausscheidung forstlicher Standortseinheiten<br />
in der klassischen Standortskartierung war neben topographischen und geomorphologischen Kriterien<br />
der Wasserhaushalt der Böden. Anhand der auf den Punkten einer permanenten Stichprobeninventur<br />
aufgenommenen Standortsparameter konnten diese Einheiten mit Clusteranalysen weitgehend<br />
reproduziert werden. Die Niederschläge liegen an den Talstationen im Langzeitmittel zwischen<br />
880 und 1100 mm, die Jahresmitteltemperaturen liegen bei 6, 7 °C. Von den gasförmigen Luftschadstoffen<br />
liegen die Ozongehalte im Jahresmittel mit 0,071 mg.m- 3 relativ hoch, eine nennenswerte<br />
S02 -Belastung tritt nur episodisch auf. Die Schadstoffdepositionsraten liegen im<br />
mitteleuropäischen Vergleich im unteren Durchschnitt (W : 0,2-0,3, S: 18-30, N: 14-24 kg.ha-1.ä1).<br />
STICHWÖRTER: Böhmerwald, Boden, Vegetation, Klima, Luftschadstoffe, Standortskartierung.<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
ÖGWEB (Österr. Ges. f. Wa ldökosystemforschung und experim entelle Baumforschung) ISBN 3-900865-06-X.
1 EINlEITUNG<br />
30<br />
Ziel der im vorliegenden Band dargestellten FIW-Fallstudie war die Entwicklung von<br />
Methoden, welche erlauben anhand diagnostischer Standorts- und Bestandesdaten<br />
in Verbindung mit punktuellen Messungen Bewirtschaftungsempfehlungen für<br />
Waldbestände zu entwickeln. Da die naturräumlichen Grundlagen einen wesentlichen<br />
Schlüssel zum Verständnis ökosystemarer Prozesse darstellen, werden diese<br />
ausführlich beschrieben. Weiters wird eine Methodik für EDV-gestützte Auswertungen<br />
standortskundlicher Daten dargestellt.<br />
2 METHODIK<br />
Die Darstellung beschränkt sich im wesentlichen auf die Aufarbeitung der gebietsbezogenen<br />
Literatur. Zusätzlich wurden EDV-gestützte Auswertemethoden für<br />
Standortsvariablen erarbeitet, die im folgenden detaillierter beschrieben werden.<br />
ln den Jahren 1965 bis -71 wurde in den Wäldern des Stiftes Schlägl eine forstliche<br />
Standortskartierung durchgeführt (Institut für forstliche Standortsforschung,<br />
1971 ) . Diese Kartierung erfolgte nach einem kombinierten Verfahren, in welches<br />
Boden- und Humusmerkmale ebenso wie Vegetationsmerkmale eingingen. Vor allem<br />
der Wasserhaushalt war eines der dominierenden Ausscheidungskriterien. Diese<br />
Standortskarten konnten zwar in die Untersuchungen der FIW einbezogen werden,<br />
eine flächige Zuordnung etwa zu den Probepunkten der permanenten ertragskundlichen<br />
Kontrollstichprobeninventur war jedoch aufgrund von Lageungenauigkeiten<br />
sowohl der Standortskarten als auch des Rasters der Stichprobeninventur<br />
(Moser, 1993) nicht möglich. Aus diesem Grund wurde in einem Musterrevier<br />
(Sonnenwald) auf den Punkten der permanenten Kontrollstichprobeninventur erneut<br />
der Standortstyp entsprechend dem Schlüssel der Erstinventur angesprochen.<br />
Im Rahmen der FIW-Fallstudie wurden zusätzlich zur Zuordnung der Probepunkte zu<br />
den oben beschriebenen Standortstypen eine Anzahl von Zustandsparametern erhoben.<br />
Dies beinhaltete eine detaillierte Beschreibung des Bodenprofilaufbaues, des<br />
Humuszustandes und der Bodenvegetation nach Braun Blanquet innerhalb der Winkelzählprobekreisfläche.<br />
Diese Erhebungen können als Basisdaten für ein längerfristiges<br />
Monitaring dienen. ln weiterer Folge wurde versucht, eine Standortstypenund<br />
Zustandsausscheidung mittels statistischer Verfahren durchzuführen.<br />
Da Geologie, Topographie, Skelettgehalt und Wassereinfluß entscheidende Faktoren<br />
für die Boden- und Vegetationsentwicklung darstellen, wurde mit diesen Daten<br />
eine nichthierarchische Clusteranalyse gerechnet. Dieses Klassifikationsverfahren<br />
wird in der Bodenkunde vielfach angewandt (Webster und Oliver, 1990). Für die<br />
Analyse wurden sowohl kategorische als auch kontinuierliche Variablen verwendet.<br />
Neben topographischen Einheiten nach Katzensteiner (1 992) wurden die Exposition<br />
in 8 Stufen und die Geologie (vier Einheiten) als Dummy-Variablen in die Analyse
31<br />
einbezogen. Die Einflüsse von Stauwasser, Grundwasser oder Hangwasser wurden<br />
ebenfalls als Binärattribute (0, 1) berücksichtigt. Die Seehöhe, die Hangneigung, der<br />
Skelettgehalt und Grobblockanteil sowie die Lagetiefe von Marmorierungen und<br />
Konkretionen konnten als kontinuierliche Variablen aufgenommen werden. Eine<br />
Standardisierung der Daten ermöglichte eine ausgeglichene Gewichtung der<br />
Einzelvariablen.<br />
Nach Ausscheidung dieser großen Standortseinheiten wurden Standortszustandsstuten<br />
in der Art ausgeschieden, daß innerhalb der Standortseinheiten die Aufnahmepunkte<br />
mittels der nicht hierarchischen Clusteranalyse nach Zustandsvariablen<br />
gruppiert wurden. Da gerade Humusmerkmale und Vegetation eng miteinander gekoppelt<br />
sind, wurden beide Merkmalsgruppen in die Analyse einbezogen. Von den<br />
Humusmerkmalen wurde vor allem den Mächtigkeiten der 01-, 01-, Oh- und A<br />
Schicht sowie deren Relationen Bedeutung zugemessen. Weiters wurde die Ausbildung<br />
von Podsolierungsmerkmalen (A/E- bzw. E-Horizontmächtigk.eit) registriert.<br />
Neben dem Gesamtbegrünungsgrad der Bodenvegetation wurden die Deckungswerte<br />
der dominierenden Bodenpflanzen und der Verjüngung der Hauptbaumarten in die<br />
Analyse aufgenommen. Weiters wurden die mittleren Zeigerwerte der Bodenvegetation<br />
nach Ellenberg, 1991 (L-, N-, F-, R-Zahl) sowie Diversitätskennziffern nach<br />
Hili (1973) integriert. Von den Bestandeskenndaten wurden Alter, Bestockungsgrad,<br />
Baumartenanteile und Bonität in die Auswertung einbezogen.<br />
Die Struktur der Standortseinheiten sowie der Standortszustände innerhalb der Cluster<br />
wurde mittels kanonischer Diskriminanzanalysen untersucht.<br />
3 ERGEBNISSE<br />
3. 1 Untersuchungsgebiet<br />
Die Stift Schlägl 'sehe Forstverwaltung liegt im Österreichischen Teil des Böhmerwaldes<br />
zwischen Großer Mühl und Bayeräscher sowie Tschechischer Grenze. Die<br />
höchsten Erhebungen der NW-SE streichenden Mittelgebirgsschwelle sind der Plökk.enstein<br />
(1378 m), Hochficht (1337 m), Zwieselberg (1 162 m), Sulzberg (1 046 m)<br />
und Bärenstein (1 076 m).<br />
3.2 Geologie (nach Fuchs und Thiele, 1968)<br />
Geologisch ist das Gebiet dem Moldanubicum zuzuordnen. Der Gesteinsbestand<br />
reicht von vorvariszischen Paragneisen mit Einlagerungen von Orthogneisen und<br />
Kalksilikaten über variszische Massengesteine {Weinsberger-, Eisgarner- und Sulzberggranit)<br />
und Mischgesteine (Grobkorngneise und Perlgneise) (Abb. 1 ). Besonders<br />
der verbreitete Eisgarner-Granit und Sulzberggranit sind arm an Ca (0,91 bzw.
32<br />
0,61 % CaO) und Mg (0,60 % MgO). Entlang der Pfahlstörung im Mühltal können<br />
mylonitisierte Gesteinsserien beobachtet werden.<br />
l:i:J Elsgarner Granit<br />
Mischzone Schiefergneise/<br />
Elsgorner Granit<br />
- Paragneise<br />
��� Grobkorngneis<br />
CJ \Neinsberger Granit<br />
11!1 Sulzberg Granit<br />
Abbildung 1 : Geologischer Überblick über das Untersuchungsgebiet.<br />
Figure 1: The geological Units of the research area.<br />
3.3 Ausgangsmaterial der Bodenbildung<br />
Da das Arbeitsgebiet während der letzten Eiszeit bis auf kleine Kargletscher an den<br />
Nordabhängen der höchsten Erhebungen nicht vergletschert war, läuft die Bodenbildung<br />
zum großen Teil auf pariglazial umgestalteten, alten Bodenbildungen und auf<br />
nach Erosion des Feinmaterials zurückgebliebenen Blockmeeren ab. Ähnliche präquartäre<br />
Deckfolgen werden für viele Mittelgebirgslagen beschrieben (Schilling und<br />
Wiefel, 1962; Semmel, 1983, 1985; Stahr, 1979). Die von Rehfuess ( 1 981) dargestellte<br />
Schichtfolge für den inneren Bayerischen Wald kann auch im Böhmerwald<br />
angetroffen werden:<br />
+ Deckfolge<br />
+ Hauptfolge<br />
+ Basisfolge<br />
+ Zerfalls- oder Zersatzzone<br />
+ anstehendes Gestein<br />
Über einer Zersatzzone des anstehenden Gesteins sind in der Regel unterschiedlich<br />
mächtige, periglazial überprägte Bodenschichten anzutreffen. Gerade die in den<br />
Hochlagen des Revieres SCHWARZENBERG (Hufberg) anstehende 'Basisfolge' bedarf<br />
einer näheren Beschreibung. Diese Folge weist eine starke Verdichtung trotz
33<br />
sandig-grusiger Textur auf. Größere, eingeregelte Steine zeigen Schluffkappen auf<br />
der Oberseite, während die Untersalte in der Regel nicht überdeckt ist. Bodenphysikalisch<br />
sind die darauf entwickelten Hanggleye und Moorg!eye ungünstig zu bewerten,<br />
da die Basisfolge praktisch nicht durchwurzelbar ist. Hangwasserzug über teilweise<br />
ortssteinartigen Ausfällungen von Eisen- und Manganoxiden bewirkt eine laterale<br />
Abfuhr von Nährstoffen, die diesen Standorten eine Sonderstellung hinsichtlich<br />
Bodenentwicklung gibt. Über ähnliche Pariglazialbildungen berichten zum Beispiel<br />
auch Elling et al. (1987) aus dem inneren Bayerischen Wald, Schilling und<br />
Wiefel (1962) aus dem Harz, Saly (1972) aus den Westkarpaten und Stahr (1979)<br />
aus dem Südschwarzwald.<br />
Die Hauptfolge, in der Kartierung als ältere Fließerde bezeichnet, zeichnet sich in<br />
der Regel durch einen höheren Schluffgehalt des Feinbodens und stärkere Verwitterungsspuren<br />
des eingeregelten Gesteins aus. Darüber liegt teilweise eine Deckfolge<br />
(in der Standortskartierung als jüngere Fließerde bezeichnet), die sich durch einen<br />
niedrigeren Schluffanteil und geringeren Verwitterungsgrad der eingeregelten Gesteine<br />
auszeichnet. Diese stammt aus unverwitterten Granitpartien, die hangaufwärts<br />
als Schutttiefergebiete anstehen. Die gerundeten, anstehenden Granitblöcke<br />
in den Gipfellagen werden als sogenannte 'Wollsäcke' bezeichnet. Ihre Entstehung<br />
wird als selektive Verwitterung, wie sie unter tropischen Bedingungen zu beobachten<br />
ist, gedeutet (Semmel, 1983). ln der Kartierung wurden auch unterschiedliche<br />
Blockhaldestadien (Biockmeere und Blockströme), die durch verschieden starke Erosion<br />
des Feinmaterials entstanden sind, teilweise mit darunter liegendem Hangwasserzug<br />
über wasserstauenden Schichten, ausgeschieden. Unterschiedliche klimatische<br />
Bedingungen und unterschiedlich intensive Erosion führte großflächig zu einer<br />
Umgestaltung dieser schematische Abfolge. Lagerung und Verwitterungsgrad dieser<br />
Substrate bedingen die Bodengenese.<br />
3.4 Die Böden des Untersuchungsgebietes<br />
Eine ausführliche Beschreibung der Böden des Untersuchungsgebietes gibt die<br />
forstliche Standortskartierung {Institut für forstliche Standortsforschung, 1971).<br />
Ebenso stellen Jelem (1976), Dunzendorfer (1974), Blum et al. (1986) und Katzensteiner<br />
(1992) eine Anzahl der im Arbeitsgebiet vorkommenden Böden dar. Da die<br />
systematische Zuordnung zu den von der Österreichischen Bodenkundlichen Gesellschaft<br />
(Fink, 1969) vorgeschlagenen Klassifikation nicht immer eindeutig möglich<br />
ist und die Typenausgrenzung der Standortskartierung teilweise davon abweicht,<br />
soll im folgenden ein kurzer Überblick über die Systematik gegeben werden.<br />
Böden mit periodischer Vernässung bis in die obersten Horizonte<br />
WALDMOORBÖDEN: Böden mit einer Torfschicht > 25 cm
34<br />
ANMOORBÖDEN: Böden mit einer hydromorphen Humusschicht von 10 bis 25 cm.<br />
Unter dieser Gruppe werden echte Anmoore, Moorgleye, Anmoorstagnogleye und<br />
Moorstagnogleye zusammengefaßt.<br />
PSEUDOGLEYE und ST AGNOGLEYE: Als Pseudogleye wurden Böden mit ausgeprägten<br />
Merkmaien von Wechselfeuchte eingestuft, als Stagnogleye wurden in der<br />
Kartierung Böden mit einer hydromorphen Auflagehumusschicht von ca. 10 cm<br />
ausgeschieden. Diese Böden weisen oft ausgeprägte Naßbleichungen im Oberboden<br />
auf. Hangpseudogleye, die sich auf der oben beschriebenen Basisfolge entwickelt<br />
haben, wurden ebenfalls in die Gruppe der Stagnogleye gestellt.<br />
Böden, die eine Versickerung überschüssigen Wassers zulassen, mit höchstens zeit<br />
weiliger Vernässung im Un terboden<br />
Die Bodentypen dieser Gruppe entsprechen der gegenwärtigen Systematik der<br />
Österreichischen Bodenkundlichen Gesellschaft.<br />
BRAUNERDEN<br />
SEMIPODSOLE UND PODSOLE<br />
3.5 Vegetationskundliehe Gliederung<br />
Nach Jelem (1976) sind die Waldhöhenstufen gegenüber dem alpinen Raum deutlich<br />
nach unten versetzt, wobei die untere Buchenstufe von 400-600 m SH, die<br />
mittlere Buchenstufe von 600-800 m SH, die obere Buchenstufe von 800-1 200 m<br />
und die Fichtenstufe über 1200 m SH ausgebildet ist. ln Abbildung 2 wird eine<br />
nach Seehöhe und Wasserhaushalt differenzierte Vegetationsstufengliederung nach<br />
Dunzendorfer (1974) dargestellt. Heute dominiert in einem großen Teil der Altbestände<br />
die Fichte.<br />
3.6 Standortstypen:<br />
3.6.1 Die Standortstypen der forstlichen Standortskartierung<br />
WALDMOOR: Moor- und Anmoorgleye mit einer über 25 cm mächtigen Torfschicht;<br />
muldiges bis ebenes Gelände, in höheren Hanglagen auch etwas stärker<br />
geneigt. Häufig durch Drainagegräben entwässert, unterliegen· ,d ann einer mehr oder<br />
minder starken Vererdung. Bodenvegetation: Moosdecken, Va ccinium myrtillus;<br />
Vergrasung (Calamagrostis villosa, Carex brizoides) bei stärkerer Auflichtung.
1378<br />
trocken<br />
Flechtenreicher<br />
Bergkiefem<br />
Peitschenmoos<br />
Fichtenwald<br />
1 300 - (B=anio-Piceetum<br />
1200 -<br />
1100<br />
cladonietosum)<br />
35<br />
frisch<br />
Hochstauden-Bergmischwald<br />
- (Acero-Fagetum)<br />
Grasreicher submontaner<br />
Plateautannenwald<br />
1000 - (Myrlillo-Abietetum)<br />
900 -<br />
800<br />
700 -<br />
600 -<br />
500<br />
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Orealer Moorfichtenwald<br />
(Piceetum herzynicum<br />
turfosum oreale)<br />
Hochmoorbuitgesellschaft<br />
(Sphagnetum medii)<br />
Schlammseggenschlenke<br />
(Caricetum limosae)<br />
Braunseggensumpf<br />
(Cancetum fuscae)<br />
Subalpiner Hochstauden-<br />
Schluchtwald .._�<br />
(Uimo-Aceretum)<br />
Torfmoos-Bergkiefernmoor<br />
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(Sphagno-Mugetum) <br />
Artenarme Tannenmischwälder mit Waldhainsimse<br />
(Luzulo-Abietetum luzuletosum silvaticae)<br />
6<br />
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E<br />
Hainsimsen-<br />
Ostbayertscher<br />
Tonnen-Buchenwälder<br />
To nnen-Buchenwald<br />
(Luzulo-Abietetum<br />
luzuletosum silvaticae)<br />
(Fagetum sudeticum)<br />
Feuchte Fichtenaue<br />
(Soldanello-Piceetum<br />
equisetosum silvaticae)<br />
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Q ü O<br />
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l Bergkiefernmoor<br />
Flechtenreicher<br />
Mooskiefernwald<br />
(Vaccinio-Mugetum)<br />
Grauerlenwald (lokal)<br />
(Dicrano-Pinetum (Ainetum incanae)<br />
cladonietosum)<br />
Fichten- und Rotföhrenforste<br />
('Piceetum nudum')<br />
Bacheschenwald<br />
(Cartci remotae-Fraxinetum)<br />
Bruchweiden-Schwarzerten-<br />
Uferaue<br />
(Sa!ici fragilis-Ainetum<br />
glutinosae)<br />
Abbildung 2: Vegetationsstufengliederung nach Dunzendorfer (1974).<br />
Figure 2: Vegetation assoziations after Dunzendorfer (1974}.
36<br />
ANMOOR: Anmoorgleye mit einer 10-25 cm mächtigen Torfschicht; in höheren<br />
Lagen auch Rohhumusgleye (Rohhumusstagnog!eye); muldige bis ebene Geländeteile,<br />
muldige Hanglagen. Auch diese Standorte werden häufig durch Drainagegräben<br />
entwässert und unterliegen dann einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Vererdung.<br />
Das einzige Unterscheidungsmerkmal zum WALDMOOR ist die Mächtigkeit<br />
der Torfschicht. Die Bodenvegetation unterscheidet sich kaum vom Typ WALD<br />
MOOR; für hochanstehende Vernässung ist das Auftreten von Equisetum spp.<br />
typisch.<br />
ANMOORIGE BLOCKHALDE: Blockströme in muldigen Lagen; Feinmaterial zwischen<br />
den Blöcken ist erodiert. An den Blöcken bilden sich Rohhumusdecken, die<br />
nicht hydromorph beeinflußt sind; Moor- und Anmoorhumus zwischen den Blöcken.<br />
Bodenvegetation: Zwischen den Spalten findet man Farne, auf den Blöcken Vacci<br />
nium myrtillus, Vaccinium vitis idaea, A venella flexuosa, Hieracium sylvaticum,<br />
Majanthemum bifolium und Melampyrum pratense.<br />
SEHR FRISCHE BLOCKHALDE: grobblockige Blockströme (mittl. Durchmesser der<br />
Blöcke > 50 cm) und Blockhalden in Hanglagen. Blöcke in mehreren Schichten<br />
übereinandergetürmt. A/C-Boden auf und zwischen den Blöcken; meist Rohhumus.<br />
Bodenvegetation: ähnlich dem Typ ANMOORIGE BLOCKHALDE<br />
FRISCHE BLOCKHALDE: mit reichlich Blockmaterial (mittL Durchmesser der Blöcke<br />
> 50 cm) durchsetzte Fließerden im geneigten Gelände. Keine Ausräumung des<br />
Feinmaterials zwischen den Blöcken. Auf den Blöcken A/C-Böden mit Moder oder<br />
Rohhumus; zwischen den Blöcken Semipodsole bis Podsole. Bodenvegetation: Vaccinium<br />
myrtillus, Vaccinium Vitis-idaea und ihre Begleitpflanzen; Farne treten<br />
zurück.<br />
ANMOORIG NASS: ebenes bis mäßig geneigtes Gelände, in höheren Lagen auch<br />
steileres Gelände. Vorwiegend Stagnogleye mit stark hydromorph geprägter Auflageschicht<br />
von ca. 10 cm Mächtigkeit. Im Übergang zum Mineralboden häufig<br />
kehlig-schmierig. Gesamter oberer Horizont des Mineralbodens fahlgrau bis graublau.<br />
Bodenvegetation: artenarm; in schwach aufgelichteten Beständen Oxalis acetosella<br />
und etwas Farne. Bei stärkerer Auflichtung starke Vergrasung mit Calamagrostis<br />
villosa und Carex brizoides . Eine krautreiche Variante ist eher selten ausgebildet<br />
und beschränkt sich auf warme Hanglagen.<br />
FEUCHT: ebenes bis mäßig geneigtes Gelände, selten steilere Lagen. Pseudogleye<br />
mit Gleyfleckigkeit und dem Auftreten von Konkretionen ab ca. 20 cm Bodentiefe;<br />
meist Moder, in höheren Lagen auch Rohhumus. Neben der Pseudogleydynamik<br />
tritt häufig Podsol- oder Semipodsoldynamik auf. Zum Unterschied vom Typ AN<br />
MOORIG NASS findet man in den oberen Bodenhorizonten immer gelbliche bis<br />
bräunliche Farbtöne. Bodenvegetation: artenarm auf nährstoffarmen kühlen Standorten:<br />
Moose, bei Aufhellung zuerst Luzula sylvatica, später Calamagrostis villosa.
37<br />
ln tieferen lagen und mit zunehmender Trophie sind Senecio fuchsii, Prenanthes<br />
purpurea, Galeopsis speciosa, Scrophularia nodosa, lmpatiens noli-tangere, Petasi<br />
tes albus und Circea alpina charakteristisch. Festuca altissima, Calamagrostis arundinacea<br />
und Carex sylvatica treten ebenfalls auf. Als Degradationszeiger kommen<br />
Va ccinium myrtillus, Melampyrum pratense und Luzula pilosa vor.<br />
SEHR FRISCH: in schwach bis mäßig geneigten lagen, weniger häufig auch auf<br />
ebenen Flächen. Stau- oder Grundwassereinfluß erst ab 60 cm Bodentiefe. Auf Böden<br />
mit podsoliger Dynamik meist Moder- bis Rohhumus; auf Braunerden auch<br />
Mullhumus. Die Böden sind grobskelettarm. Bodenvegetation bei geringer Degradation<br />
und Mullhumusbildung: Paris quadrifolia, Pulmonaria officinalis, Lamiastrum ga<br />
leobdolon, Ajuga reptans, Mycelis muralis, Sanicula europaea und Mercurialis perennis.<br />
Mittlere Degradationsverhältnisse charakterisiert den AHD-Typ (Astmoos<br />
Heidelbeere-Drahtschmiele) nach Hufnagl. Bei extremer Degradation kommt es in<br />
kühlen, feuchteren lagen zu sekundären Vernässungen (Vaccinium myrtil/us, Vaccinium<br />
vitis-idaea, Sphagnum ssp. und Flechten). Auflichtung führt in höheren lagen<br />
zu starker Vergrasung (Calamagrostis arundinacea, Agrostis tenuis), in tieferen lagen<br />
entsteht eine üppige Kraut- und Hochstauden Strauchvegetation.<br />
FRISCH: in mäßig bis stärker geneigten Lagen, seltener auch im schwach geneigten<br />
bis ebenen Gelände. Die Böden sind grobskelettreich und zeigen gehäuftes Auftreten<br />
von Steinen und Felsblöcken im Profil, häufig Steine und Felsblöcke an der Bodenoberfläche.<br />
Die Humusform ist meist Moder- bis Rohhumus. Bodenvegetation:<br />
ähnliches Artenspektrum wie bei SEHR FRISCH, jedoch deutlich zu den anspruchsloseren<br />
Arten bezüglich Wasser- und Nährstoffhaushalt hin verschoben.<br />
Zusätzlich zu den Standortstypen wurden in den Revieren noch Kartierungsgebiete<br />
vorwiegend nach topographischen und geomorphologischen Kriterien ausgeschieden.<br />
Für das in Abbildung 2 dargestellte Revier Sonnenwald waren dies Tallage,<br />
Hanglage und Plateaulage.<br />
3.6.2 Die Standortstypenauscheidung nach der Stichprobeninventur<br />
Nach den in der Methodik beschriebenen Verfahren haben sich folgende Großeinheiten<br />
herauskristallisiert:<br />
- S-exponierte Hanglagen, frisch, skelettreich<br />
- skelettreich, staunaß, podsoliert, eben bzw. N-NE-exponiert<br />
- Westabhang, frisch bis sehr frisch<br />
- N-NE-exponierte Hanglagen, skelettreich<br />
- staunasse Standorte in Plateaulage<br />
- grundwasserbeeinflußte Standorte in Tallage (feucht bis anmoorig naß)<br />
- Waldmoore und Anmoore in Plateaulage<br />
- Anmoore und Anmoorgleye der Tallagen<br />
- Waldmoore der Tallagen
38<br />
Abbildung 3 zeigt die Standortseinheiten des Revieres Sonnenwald als Are/Info<br />
Darstellung in Form von Thiessen-Polygonen, Abbildung 4 die Standortseinheiten<br />
der klassischen Kartierung. Insgesamt wurden die Standortseinheiten durch die Clusteranalyse<br />
weitgehend reproduziert, wobei in der EDV-Auswertung der Aspekt der<br />
Exposition zusätzliche Bedeutung bekam. Beim Vergleich mit der Standortskarte der<br />
klassischen Standortskartierung (Abbildung 2) wird ersichtlich, daß der grobe Rasterpunktabstand<br />
von 1 00 m der permanenten Kontrollstichprobeninventur vor allem<br />
lineare Elemente wie bachbegleitende Einheiten nicht wiedergeben kann. Das<br />
bedeutet, daß für eine saubere Umlegung der Daten auf die Fläche weitere Verfahren<br />
entwickelt werden müssen. Eine Möglichkeit einer verbesserten Darstellung unter<br />
Einbeziehung der Interpolations- und Verschneidungsmöglichkeiten im GIS wird<br />
zur Zeit im FIW II - Projekt Gleinalm (Pichler et al., 1994) entwickelt.<br />
lOOJm<br />
lllll!<br />
Waldmoor<br />
11!!1 Anmoor<br />
lllll!<br />
Anmoorig-naß<br />
§Feucht<br />
� Sehr frisch<br />
IIIIl Frisch<br />
� Mäßig frisch<br />
• Blockhalden<br />
Abbildung 3: Standortstypen nach klassischer Standortskartierung (lnst. f. Waldökologie,<br />
1971}.<br />
Figure 3: Site classes according to the soil site map (lnst. f. Waldökologie, 1971 ).
39<br />
REVIER SONNENWALD<br />
STANDORTSEINHEITEN<br />
17,7,1 s-exponiert, frisch, podsoiig<br />
l2L:J skelel!reich<br />
skelellreich, staunaß, poclsolierl, eben<br />
bzw. N·NE exponiert<br />
W-Abhang, frisch bis sehrfrisch<br />
leuchte, N-NE-exponierte Hanglagen,<br />
skaieilreich<br />
staunaß, Plateaulage<br />
grundwasserbeeinflußl, Tallage<br />
(feucht bis anmoorig naß)<br />
Waidmoore und Anmoore ln Plateaulage<br />
Anmoore und Anmoorgleye der Tallagen<br />
Waldmoore der Tallagen<br />
Abbildung 4: Standortseinheiten nach der Clusteranalyse.<br />
Figure 4: Site classes according to the cluster analysis.<br />
Standortszustandsstufen:<br />
Im Folgenden werden die ausgeschiedenen Standortszustandsstufen exemplarisch<br />
für den Standortstyp "S-e:xponiert, frisch, skeielireich " dargestellt.<br />
1. Ältere, buchenreiche, artenreiche Bestände, hohe N, F und R-Zahl, geringmächtige Auflagen, gute<br />
Bonität, nicht podsoliert<br />
2. Ältere fichtenreiche Bestände, niedriger bis mittlerer Bonität, artenarm, vergrast (Calmagrostis),<br />
Rohhumus, podsoliert<br />
3. Jüngere fichtenreiche Bestände, durchschnittliche Auflagemächtigkeit, artenarm<br />
4. Bestände mit besonders niedriger Bonität, aufgelichtet, Rohhumusdynamik, Heidelbeere dominierend,<br />
podsoliert<br />
Diesen Zustandsstufen können nun Bewertungen zugeordnet werden. Im Beispiel<br />
des Typs 'S-exponierte Hanglagen, frisch, skelettreich' entspricht die Zustandsstufe<br />
1 am ehesten einem 'So!lzustand', während die Zustandsstufe 3 besonders weit
40<br />
von einem derartige 'Sollzustand' abweicht. Bei einer zusätzlichen Verschneidung<br />
mit Analysedaten, z.B. den Boden-pH-Werten, die mittels der in Katzensteiner<br />
(1994) beschriebenen Methoden auf die Fläche umgerechnet werden, und einer Abschätzung<br />
der Schadstoffdeposition kann in weiterer Folge der Sanierungsbedarf ermittelt<br />
werden.<br />
3.7 Das Klima im Untersuchungsgebiet<br />
Langzeituntersuchungen liegen im Untersuchungsgebiet nur für Stationen im Mühltal<br />
(Stationen Aigen und Schwarzenberg) vor. Einen Vergleich der Höhenabhängigkeit<br />
der Niederschläge erlaubt der etwas kürzere Beobachtungszeitraum für die Station<br />
Oberhaag. Tabelle 3 zeigt Klimakennwerte nach den Angaben des Hydrographischen<br />
Zentralbüros ( 1 982).<br />
Tabelle 1: Klimakennwerte für das Untersuchungsgebiet.<br />
Table 1: Climate of the research area.<br />
Station Seehöhe Niederschlag Lufttemperatur Schneebedeckung<br />
NZ 71-80 01-80 71-80 Anzahl Tage Winterdecke<br />
Schlägl 555 880 838 6.8°C 6.8°C<br />
Oberhaag 850 909<br />
Schwarzen- 730 1.096 1.111 6.7°C 105 A 76 A<br />
berg 112 B 95 B<br />
A ... 1 970/71 -1979/80 8 ... 1 930/31 -1959/60<br />
(OC) (mm)<br />
60 300<br />
50 100<br />
40 80<br />
30 �<br />
.... ..-.<br />
60<br />
20 40<br />
10 20<br />
0<br />
-10<br />
.... .. ..-<br />
- � 0<br />
j F M A M J j A S 0 N D<br />
Abbildung 5: Die Jahresniederschlags- und Temperaturverteilung (Station Schlägl,<br />
Durchschnitt 1901-1 980).<br />
Figure 5: Precipitation and temperature dis tribution {Schlägl, average 190 1-1980) .
41<br />
Der Böhmerwald liegt im Übergangsbereich zwischen der atlantisch-westeuropäischen<br />
und der kontinental-osteuropaischen Klimaprovinz. Hauptwindrichtung<br />
ist West, vor allem im Winterzeitraum treten aber verstärkt Winde aus NE und N<br />
auf. Abbildung 5 zeigt die Jahresniederschlagsverteilung.<br />
Die standortspezifischen Klimaparameter können aus den Daten der wenigen Stationen<br />
nicht abgeschätzt werden. Messungen im angrenzenden bayerischen Teil<br />
des Böhmerwaldes bestätigen jedoch höhere Niederschläge in SW-Exposition gegenüber<br />
N-, NE- und E-Expositionen (Volk, 1938 zit. nach Dunzendorfer, 1974). Die<br />
Böhmerwaldhochlagen weisen nach Beobachtungen Dunzendorfers eine mittlere<br />
Schneebedeckung von 160 Tagen auf (Mittel 1963 - 1966), während die Station<br />
Schwarzenberg im Langzeitmittel mit 112 Tagen deutlich darunter liegt. Die Untersuchungen<br />
Baumgartners ( 1 958, 1962) über die Temperatur- und Niederschlagsverteilung<br />
am Gr. Falkenstein (Bayer. Wald) können ebenfalls im wesentlichen auf<br />
das Untersuchungsgebiet übertragen werden. Baumgartner beobachtete durch<br />
nächtliche Kaltluftansammlung im Tal deutliche Temperaturinversionen in 200 bis<br />
400 m über dem Talgrund. ln dieser warmen Hangzone war die frostfreie Zeit zwei<br />
Monate länger als am Ta!grund, oberhalb dieser Inversion nahm die Temperatur annähernd<br />
linear ab. Forstlich-phänologische Beobachtungen von Baumgartner et al.<br />
( 1 956) zeigen ebenfalls klar die thermische Begünstigung der WSW-Hänge am Gr.<br />
Falkenstein mit deutlich früherem Austrieb von Fichte und Buche. in Tallagen war<br />
der Austrieb vermutlich durch die erwähnte Bildung von Kaltluftseen verspätet. Einen<br />
wesentlichen Beitrag zum Wasserhaushalt der Hochlagen des Böhmerwaldes<br />
dürfte die Auskämmung von Wolken- und Nebelwasser in den höhergelegenen Teilen<br />
des Untersuchungsgebietes (Kammlagen und Hochlagenverebnungen) ausmachen.<br />
Grunow (1955) und Baumgartner (1958) quantifizierten diese Nebelzuschläge<br />
zum Gesamtniederschlag in ihren Untersuchungen am Hochpeißenberg bzw. am Gr.<br />
Falkenstein bis zu 100 %, wobei Luvlagen und exponierte Bestandesränder die<br />
höchsten Mengen erhalten. An zur Hauptwindrichtung exponierten Maßstellen am<br />
BÄRENSTEIN konnten während der Herbst- und Wintermonate im Bestand höhere<br />
Niederschlagsmengen als auf Freiflächen gemessen werden (Glatze! et al., 1988).<br />
Mit Nebelfängern wurden auf denselben Maßstellen während der Vegetationszeit<br />
1987 in Luvlage 30 % höhere Niederschlagsmengen als in Leelage gemessen<br />
(unpubl. Daten).<br />
3.8 Immissionsklimatologische Untersuchungen<br />
3.8. 1 Luftqualität<br />
Seit 1 984 ist in Schöneben ein Luftmaßcontainer der O Ö Landesregierung in Betrieb.<br />
Es werden meteorologische Parameter, NO, N02, S02 und 03 kontinuierlich<br />
erfaßt. Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse der Luftqualitätsmessungen (Smidt et al.,<br />
1989).
42<br />
Tabelle 2: Luftgütekennwerte für die Luftmaßstation Schöneben (1 985-1 988)<br />
[mg.m- 3 ] (Smidt et al., 1990).<br />
Ta ble 2: Air quality at the Schöneben-station (1985- 1 988) [mg.m- 3 ] (Smidt et al.,<br />
1990).<br />
Jahresmittel- Mittelwert Maximaler Maximaler Perzentil* Maximaler<br />
wert Sommerhalbjahr Monatsmittel- Tagesmittel- Halbstundenwert<br />
wert mittalwert<br />
S02 0,013 0,007 0,072 0,1 91 0,218 0,299<br />
03 0,071 0,081 0,100 0,141 0, 162 0,309<br />
NO 0,003 0,003 0,007 0,031 0,061<br />
N02 0,01 1 0,006 0,067 0,067 0,068 0,1 15<br />
* S02: 97 ,5-Perzentil; 03: 98-Perzentil; N02: 95-Perzentil<br />
Aus dieser Tabelle ersieht man, daß die Jahresmittelwerte für S02 , NO und N02<br />
ausgesprochen niedrig liegen. Die Ozongehalte sind jedoch im Jahresmittel relativ<br />
hoch, nach der VDI-Richtlinie 231 0 werden die Höchstwerte, bei denen Schäden an<br />
sehr empfindlichen Pflanzen auftreten können, zeitweilig überschritten.<br />
S02-Episoden traten im Februar 1986 und im Jänner und März 1987 auf. Solche<br />
Episoden sind an die Fernverfrachtung stark belasteter Luftpakete nach längeren<br />
Kälteperioden gebunden. Nach Rosenberg und Puxbaum (1988) sind jedoch neben<br />
diesen klassischen Luftschadstoffen HN03 und NH3 sowie partikuläres NH4-, N03und<br />
SO/- in diesem emittentenfernen Gebiet nicht zu vernachlässigen.<br />
3.8.2 Deposition langzeitwirksamer Luftschadstoffe<br />
Von 1984 bis 1988 wurden entlang eines topographischen Gradienten Messungen<br />
der Stoffflüsse im Freiland und im Bestand durchgeführt (Glatze! et al, 1988). Einen<br />
zusammenfassenden Ü berblick über die Flüsse von N, S und H+ mit dem Kronandurchlaß<br />
gibt Tabelle 3 (nach Katzensteiner et al., 1992). Man erkennt einen deutlichen<br />
Gradienten der Belastung vom Südwestabhang über die Hochlagenverebnung<br />
zur NE-exponierten Leelage. Neben der bereits oben erwähnten okkulten Deposition<br />
dürfte zusätzlich die trockene Deposition von Luftschadstoffen für dieses Muster<br />
verantwortlich sein. Die N-Deposition wird wahrscheinlich unterschätzt, da während<br />
der Vegetationszeit im Bestandesniederschlag zum Teil geringere N-Fiüsse gemessen<br />
werden als auf den Freiflächen. Im mitteleuropäischen Vergleich liegen diese<br />
Werte im unteren Bereich.
43<br />
Tabelle 3: Elementflüsse [kg.ha- 1 ] in drei Monitaringflächen S1 (Tallage Sonnenwald),<br />
S2 (Kuppe Bärenstein) und S3 (Westabhang Bärenstein).<br />
Table 3: Element f/uxes [kg.ha-1] at the monitaring sites S1 (Valley of Sonnenwald),<br />
S2 (Bärenstein plateau) and S3 (West slope Bärenstein) .<br />
Element Fl. Jahr<br />
Stickstoff S1 1985<br />
1986<br />
1987<br />
1987*<br />
S2<br />
S3<br />
1986**<br />
1987<br />
1987*<br />
1986* *<br />
1987<br />
Schwefel S1 1985<br />
1986<br />
1987<br />
1987*<br />
S2<br />
1986**<br />
1987<br />
1987*<br />
1986**<br />
1987<br />
S1 1985<br />
1986<br />
1987<br />
S2 1987<br />
S3 1987<br />
Bulkdeposition<br />
12<br />
14<br />
14<br />
12<br />
14<br />
12<br />
14<br />
11<br />
10<br />
10<br />
6<br />
11<br />
1. Mai bis 20. Nov. 1987<br />
1. Mai bis 31. Dez. 1986<br />
Bulkdeposition nur von Wados (Luftmeßstation Schöneben)<br />
4 LITERATUR<br />
7<br />
9<br />
0,3<br />
0,2<br />
0,3<br />
Bulk- + okkulte<br />
Deposition<br />
14<br />
30<br />
9<br />
17<br />
Kronendurchlaß<br />
BAUMGARTNER A., 1956: Forstlich phänologische Beobachtungen und Experimente am Gr. Falkenstein<br />
(Bayer. Wald). Forstw. Cbl. 75: 290-303.<br />
BAUMGARTNER A., 1958: Nebel und Nebelniederschlag als Standortsfaktoren am Gr. Falkenstein<br />
(Bayer. Wald). Forstw. Cbl. 77: 257-272.<br />
BAUMGARTNER A., 1962: Lufttemperatur als Standortsfaktor am Gr. Falkenstein (Baer. Wald).<br />
Forstw. Cbl. 81 : 18-47.<br />
BLUM W.E.H., H. GRALL, S. SCHWARZ und W. WENZEL, 1986: Bodenkundliehe Basisuntersuchungen.<br />
Endbericht 1986. Institut für Bodenforschung und Baugeologie, Universität für Bodenkultur,<br />
Wien, 94 S.<br />
16<br />
19<br />
14<br />
12<br />
18<br />
20<br />
24<br />
25<br />
18<br />
19<br />
13<br />
28<br />
16<br />
30<br />
0,7<br />
0,3<br />
0,7<br />
0,7<br />
0,7
44<br />
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45<br />
HISTORISCHE LANDNUTZUNG IM BÖHMERWAlD<br />
HISTORICAL LANDUSE IN THE BOHEMIA N <strong>FOR</strong>EST<br />
Thomas SCHOll und Klaus KATZENSTEINER<br />
Institut für Waldökologie, Universität für Bodenkultur Wien<br />
Peter Jordan-Straße 82, A - 1190 Wien<br />
SUMMARY<br />
The colonization of the Austrian part of the Bohemien Forest started out at the beginning of the<br />
13'" century with large clearings in the valley bottom of the Mühl river. ln high eievatians small<br />
meadows were established. Local demend for wood products was low at this time. Forest utilization<br />
was dominated by litter raking, first in the areas surrounding settlements, then in the 18'h and<br />
19'h century also more remote areas were impacted. This landuse practice led to severe degradations<br />
of forest soils. Hunting, grazing of cattle and charcoal production had additional influences<br />
upon the forests. Enhanced exploitation of the forests started out with the establishment of a local<br />
glass industry in 1640. Only high quality boles of large dimensions were logged at this time. Ferests<br />
cutover for this purpese were still composed of the original tree species. From 1767 on fuelwood<br />
from the Mühl- and Klafterbach valley was floated down the Mühl-river (Passauer Schwemme)<br />
to the Danube and !hen transported to Vienna. Large clearcuts were established after the<br />
Schwarzenberg-channel was finished in 1793. Due to the fact that natural regeneration of the<br />
clearcuts failed, first recultivation measures, mainly sowing of Norway spruce, were set from 1838<br />
on. ln 1875 large afforestations by planting, mostly with Norway spruce of unknown origin were<br />
started. Since 1930 natural regeneration of forests started to dominate, first by a strip cut system,<br />
since 1960 by a selective cutting system for the 'mature diameter'. For the later type of forest utilization<br />
a dense network of skid roads had to be established.<br />
KEYWORDS: Bohemien Forest, historical landuse, litter raking, glass industry, forest exploitation.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Der Österreichische Anteil des Böhmerwaldes wurde ab ca. 1200 n. Christus besiedelt. Die frühen<br />
Nutzungen beschränkten sich auf Rodungen in den Tallagen, relativ bald wurden auch in höheren<br />
Lagen Streuwiesen angelegt. Der lokale Holzbedarf war zu dieser Zeit gering. Eine große Bedeutung<br />
hatten die forstlichen Nebennutzungen, vor allem die Streunutzung, welche Anfangs nur in den<br />
siedlungsnahen Bereichen durchgeführt wurde und ab dem 18 Jahrhundert auch siedlungsferne Lagen<br />
erreichte. Diese Nutzungsart hatte schwere Standortsdegradationen zur Folge. Daneben wurden<br />
Jagd und teilweise Waldweide sowie Köhlerei und Pechbrennerei betrieben. Erste größere Holznutzungen<br />
wurden für die lokale Glasindustrie ab 1640 durchgeführt, wobei die Holznutzung noch<br />
in Form der regellosen Plenterung erfolgte. Bei dieser Nutzungsform entstanden Plünderwälder mit<br />
einer immerhin autochthonen Baumartenmischung. Die Beteiligung an der Passauer Schwemme ab<br />
1767 beeinflußte vor allem die Wälder an der großen Mühl und am Klafferbach. Großflächige Nutzungen<br />
erfolgten entlang des 1793 fertiggestellten Schwarzenberg'schen Schwemmkanals. Aufgrund<br />
der Verjüngungsprobleme setzte man ab 1838 erste Kulturmaßnahmen in Form von Schneesaaten<br />
mit autochthonem Saatgut, ab 1875 setzten gezielte Aufforstungsprogramme, vor allem mit<br />
Fichte ein. Diese Bewirtschaftung forcierte Fichtenmonokulturen mit teilweise standortsuntauglichem<br />
PflanzmateriaL Ab 1930 wurde der Naturverjüngungsbetrieb nach einem Saumschlagverfahren<br />
betrieben. ln den letzten Jahrzehnten wurde nach intensiven Erschließungsmaßnahmen ein Zielstärkenutzungssystem<br />
eingeführt.<br />
STICHWÖRTER: Böhmerwald, historische Landnutzung, Streunutzung, Glasindustrie, Exploitation.<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
6GWEB (6sterr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumtorschung) ISBN 3-900865-06-X.
1 EINlEITUNG<br />
46<br />
Der gegenwärtige Zustand der Wälder im Böhmerwald wird vorwiegend durch den<br />
Einfluß der historischen Bewirtschaftung geprägt. Wald sicherte in der Vergangenheit<br />
neben den Rohstoffen Holz, Holzkohle und Pottasche die landwirtschaftliche<br />
Produktion. Waldweide, Anlage von Streuwiesen im Wald und der Entzug von Bodenstreu<br />
führten ähnlich wie in anderen Gebieten Mitteleuropas z _ u schweren Bodendegradationen.<br />
ln der forstlichen Standortskartierung (Institut für forstliche<br />
Standortsforschung, 1971) wurden auf weiten Flächen, besonders in leicht zugänglichen<br />
Gegenden, schwere Bodendegradationen ausgeschieden. Darüber hinaus<br />
führte die großflächige Kahlschlagwirtschaft zu Baumartenentmischung und im Endeffekt<br />
zu flächigen Fichtenreinbeständen mit allen Folgeproblemen.<br />
ln der vorliegenden Arbeit wird versucht, einen Überblick über diese Bewirtschaftungsformen<br />
von den Anfängen der Besiedlung bis zum Beginn des ersten Weltkrieges<br />
zu geben. ln weiterer Folge wird anhand des Revieres Sonnenwald versucht,<br />
diese Einflüsse zu quantifizieren.<br />
2 MATERIAl UND METHODEN<br />
Die allgemeinen Angaben über Besiedlung und Rodungstätigkeit wurden aus Literaturstudien<br />
gewonnen (Bernau, 1887; Bredl, 1979; Grüil, 1963; Haider, 1963; Koller,<br />
1975; Mayer, 1831, Pfliegerdorffer, 1977; Pichler, 1977; Prügl, 1978; Sonnleitner,<br />
1963). Die flächenbezogenen Untersuchungen beschränkten sich in der ersten<br />
Phase vor allem auf Archivarbeiten. Ein wesentlicher Teil des Datenmaterials<br />
konnte durch Recherchen im Archiv des Stiftes Schlägl erhoben werden. Die Aufzeichnungen<br />
beginnen im Jahr 1634 und sind bis etwa 1750 sehr allgemein gehalten,<br />
da dem Waldbestand keine wirtschaftliche Bedeutung zukam. Von 1750 bis<br />
1875 stammen die verwerteten Daten hauptsächlich aus Lohnlisten und Hoizverkaufsrechnungen.<br />
Ab 1875 finden sich Einrichtungsoperate, die für jede Abteilung<br />
die Altersstruktur, die Baumartenzusammensetzung, den Holzvorrat und vorhandene<br />
Schäden angeben. Diese Unterlagen wurden in ein Datenbanksystem übernommen.<br />
Intensive Untersuchungen zur Thematik wurden bereits von Rachoy ( 1 971)<br />
durchgeführt. Eine weitere Datenquelle stellte das Oberösterreichische Landesarchiv<br />
dar. Mittels der Pläne des Franziszäischen Katasters 1828 konnten die verschiedenen<br />
Nutzungen entsprechenden Flächen zugeordnet werden.<br />
3 ERGEBNISSE<br />
3.1 Besiedlung<br />
Der bis dahin mehr oder weniger unerschlossene Nordwald wurde um 1200 von<br />
den Falk.ensteinern, Wittigonen und Haiehenbachern kolonisiert. Nach mißlungener<br />
Erstbesiedlung durch Zisterzienser (Einer Gründung der Falkensteiner} zwischen
47<br />
1204 und 1209 erfolgte 1218 die Gründung des Stiftes Schlägt durch Prämonstratenser<br />
Chorherren aus Mühlhausen in Böhmen. Der Waldbesitz kam in zwei Abschnitten<br />
zum Kloster. Das Gebiet zwischen Igelbach und Klafferbach 1264 durch<br />
Schenkung von den Rosenbergern (Herrschaft Krumau), das Gebiet nordwestlich<br />
des Klafterbaches bis zur Bayerischen Grenze wurde 1552 vom Grafen Hardek<br />
durch Abt Siegmund Zehrer abgekauft. Die Besiedlung des Talgrundes setzte bereits<br />
im 13. Jahrhundert ein. Die ersten Rodungen erfolgten entlang alter Schafwege<br />
auf dem Rücken zwischen Gr. und Kl. Mühl. Weiters wurden auch in höheren<br />
Lagen Waldwiesen angelegt. Die kolonisatorische Tätigkeit des Stiftes war um<br />
1500 abgeschlossen und der Wald war bis auf die heutige Ausdehnung zurückgedrängt.<br />
Der wirtschaftliche Niedergang zur Zeit der Reformation zwang das Stift<br />
viele kleine Flächen, verstreut auf den ganzen Besitz, zu verkaufen. Dies hatte eine<br />
noch heute spürbare, schlechte Arrondierung zur Folge.<br />
Abbildung 1 zeigt den Forstbetrieb des Stiftes in der heutigen Ausdehnung.<br />
Übersichtskarte Forstverwaltung Stift Schlägl<br />
I<br />
-<br />
l km<br />
6Aigen<br />
Reviereinteilung<br />
II Angerhäuser<br />
II Schwarzenberg<br />
II Holzschlag<br />
II Sonnenwald<br />
111 Oberhaag<br />
Abbildung 1: Ü bersichtskarte über den Forstbetrieb des Stiftes Schlägl.<br />
Figure 1: Th e forest properties of the Schlägl monastery.
3.2 Extensive Nutzung (1500-1767)<br />
48<br />
Holz<br />
ln Siedlungsnähe wurde Bau-und Brennholz in sehr kleinen Mengen entnommen.<br />
Der Stiftsbedarf an Holz, ca. 1.500 fm/J, stammte aus den Besitzungen entlang der<br />
Gr. Mühl (Mühleck und Frauenholz). Dort wurde in bringungsgünstigen Lagen nur<br />
das qualitativ hochwertige, starke Laub- oder Nadelholz entnommen. Schwaches<br />
oder schlechtes Holz wurde stehengelassen und kein zweiter Eingriff vorgenommen.<br />
Diese Nutzungsform der "Regellosen Plenterung" wurde vom Stift bis zur<br />
Fertigstellung des Schwarzenberg ·sehen Schwemmkanals 1789 beibehalten.<br />
Jagd<br />
Pro Jahr wurden offiziell ca. 20 Hirsche, 12 Tiere, 3 Bären, 4 Auerhähne, 4 Wölfe,<br />
1 Luchs und 2 Rehe abgeschossen. Zusätzlich war die Wilderei weit verbreitet. Neben<br />
der Jagd wurde ein intensiver Vogelfang betrieben.<br />
Weide<br />
Vor allem im Revier Schwarzenberg erfolgte der Eintrieb von Rindern, Schafen, Ziegen<br />
und Schweinen in den Wald.<br />
Streu<br />
in siedlungsnahen, gut zugänglichen Lagen wurden große Mengen entnommen. Vor<br />
1875 wurde die Streunutzung in einer Art Pacht an die Bevölkerung vergeben. Der<br />
Pächter zahlte einen Jahreszins für eine ihm vom Förster zugewiesene Fläche, auf<br />
der er dann beliebig viel Streu rechen konnte. Der Pachtzins war ein zusätzliches<br />
Einkommen für den Förster, der damit natürlich bestrebt war, möglichst viele Kunden<br />
in sein Revier zu ziehen. Die Streu wurde meist bis zur Erde abgetragen. Seit in<br />
den böhmischen Besitzungen der Fürsten Schwarzenberg die Streunutzung verboten<br />
war, war der Nutzungsdruck aus den grenznahen böhmischen Dörfern besonders<br />
groß. Im Bericht über den Waldzustand aus dem Jahr 1864 wurde der negative<br />
Einfluß der Streunutzung deutlich erkannt. Vor allem Verjüngungs- und Borkenkäferprobleme<br />
(Wasserstreß?) wurden auf diese Nutzungsform zurückgeführt. Ab<br />
dem Jahr 1864 durften nur mehr Bestände zur Streunutzung freigegeben werden,<br />
die als bald haubar zu betrachten waren. Die Streunutzungsintervalle wurden auf<br />
drei Jahre (haubare Bestände) bzw . 6 Jahre (bald haubare Bestände) hinaufgesetzt.<br />
Weiters wurde die Nutzungsintensität reduziert (Streu durfte nicht mehr bis zur Erde<br />
abgetragen werden, Einsatz von Holzrechen) und eine mengenbezogene Verrechnung<br />
eingeführt.<br />
Zu diesem Zeitpunkt wurden auch die übrigen Nebennutzungen reglementiert, so<br />
wurde z.B. das Pechbrennen verboten.
49<br />
Glashütten<br />
Insgesamt wurden in den Stiftswäldern 5 Glashütten von ständig wechselnden<br />
Pächtern mit unterschiedlichem Erfolg betrieben.<br />
1638 - 1 820: 3 Glashütten im Raum Schwarzenberg.<br />
Nutzungsform: Rodungen im Bereich der Hütten. Die Rodungsflächen<br />
wurden in weiterer Folge landwirtschaftlich genutzt.<br />
1821 - 1865: 'Obere Hütte ' im Waldteil Denkort.<br />
Nutzungsform: 'Regellose Plenterung' in den Waldteilen Greinerberg/<br />
Steingupf, Mühleck und Denkort mit insgesamt 59.200 fm. Als Folge<br />
dieser Nutzungsform entstanden regelrechte Plünderwälder, welche<br />
jedoch hinsichtlich Baumartenzusammensetzung und Struktur<br />
weitgehend naturnah aufgebaut waren.<br />
1750 - 1900: Glashütte Sonnenwald.<br />
Nutzung des Waldes am Rotbach mit insgesamt 44.100 fm.<br />
Ab 1 800 erhielten die Hütten nur mehr nicht schwemmbares Holz und die Schlagrückstände,<br />
die teilweise direkt am Schlag zu Pottasche verarbeitet wurden.<br />
3.3 Großflächige Exploitation (1767-1875)<br />
Passauer Sch wemme<br />
1767 - 1787: Beteiligung an der Passauer Schwemme auf der Gr. Mühl mit insgesamt<br />
48.800 fm Hartholz und 117.600 fm Weichholz. Zwei Drittel davon wurden<br />
aus den Wäldern am Klafferbach, ein Drittel aus denen an der Gr. Mühl gewonnen.<br />
Zu dieser Zeit entstanden die ersten großflächigen Schläge.<br />
Sch warzenberg Schwemmkanal<br />
Das Ansteigen der Brennholzpreise in Wien veranlaßte in der zweiten Hälfte des 18.<br />
Jahrhunderts Fürst Schwarzenberg seine ausgedehnten, nördlich an die Stiftswälder<br />
angrenzenden Besitzungen für die Donauschwemme zu erschließen. Im Jahr<br />
1767 wurd e von lng. Rosenauer mit dem Nivellement und der Trassierung eines<br />
Schwemmkanals begonnen. Dieser zwischen 1789 - 1793 erbaute Kanal, eine<br />
technische Meisterleistung, führte in einer Länge von 34 km vom Plöckensteiner<br />
See über die kontinentale Wasserscheide zum Zwettelbach. Von dort wurde das<br />
Holz über die große Mühl zur Donau getriftet, von wo es, auf Schiffe und Flöße verfrachtet,<br />
nach Wien transportiert wurde.<br />
Das Stift schwemmte jährlich bis zu 12.000 fm, davon ein Drittel Hartholz. Es entstanden<br />
bis zu 20 ha große Schläge, auf denen man nur einige wenige Samenbäume<br />
beließ.
50<br />
Aus vielen solchen Schläger: entstanden sogenannte 'schlechte Wiesen', die man in<br />
der zweiten Hälfte des 19. Jhdts wieder mühevoll in Kultur brachte. Ab 1838 setzte<br />
man erste Kulturmaßnahmen in Form von Waldsaaten, oft untermischt mit Hafer<br />
(50% der Samenmenge des Feldbaues). Jedes Jahr wurden Zapfen gesammelt, die<br />
Schläge geräumt, hart aufgerecht, Fichtensamen und Hafer gesät und mit Reisig<br />
abgedeckt. "So kommt der Samen überall in frische Erde und erfährt eine lichte Bedeckung<br />
und durch den Hafer wird das Erdreich vor starker Austrocknung bewahret.<br />
Beim Reifsein des Hafers ist darauf zu achten, daß der Hafer höher geschnitten<br />
wird. Das alles sollen die Bauern erledigen und so kostet dem Stift die Kultur<br />
nichts!" (Forstbericht 1838).<br />
3.4 Planmäßige Forstwirtschaft (ab 1875)<br />
Exploitative Holznutzung, desolate Nachfolgebestände, fehlende Bestandespflege<br />
und starke Streunutzung reduzierten die Produktionskraft des Waldes bis auf ein<br />
Minimum.<br />
Die Einführung einer nachhaltigen Forstwirtschaft wurde durch Abt Lebschy und<br />
Forstmeister Lego betrieben (Uhl , 1980). Durch Anlage von Saatkämpen, verteilt<br />
über den ganzen Betrieb, wurde die Grundlage für eine gezielte Aufforstung hauptsächlich<br />
mit Fichte gelegt. Die Baumsamen bezog man zum größeren Teil aus Wr.<br />
Neustadt , zum kleineren Teil aus Budweis . in den Kulturen wurden Vogelbeere und<br />
Birke herausgepflegt und Ausfälle nachgebessert. Weiters wurden Regeln für die<br />
Hiebsführung eingeführt, Nebennutzungen beschränkt. Die Bekämpfung von Hallimasch,<br />
Rüsselkäfer und Borkenkäfer waren weitere Maßnahmen im Bemühen um<br />
eine nachhaltige Forstwirtschaft.<br />
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird eine planmäßige, nachhaltige<br />
Forstwirtschaft betrieben, wobei seit ca. 1930 dem Naturverjüngungsbetrieb der<br />
Vorzug gegeben wird . Von Forstmeister Reininger wurde in der zweiten Hälfte unseres<br />
Jahrhunderts die Zielstärkenutzung (Reininger, 1987), eine Form der Plenterung<br />
des Altersklassenwaldes, auf der ganzen Betriebsfläche eingeführt. Diese Nutzungsfarm<br />
benötigt einen hohen Erschließungsgrad. So wurde das Straßennetz im<br />
Betrieb innerhalb der letzten 35 Jahre von 40 km auf 230 km ausgebaut, was einer<br />
Dichte von 41,6 lfm/ha entspricht. Zusätzlich ist ein Rückewegenetz von 138<br />
lfm/ha vorhanden.<br />
3.5 Historische Landnutzung im Revier Sonnenwald<br />
Anhand eines Teils des Revieres Sonnenwald wird versucht, den Einfluß historischer<br />
Landnutzungsmaßnahmen beispielhaft zu quantifizieren. Das hier behandelte<br />
Revier umfaßt nur einen Teil des heutigen Revieres Sonnenwald (Abb. 2). Die Karten<br />
wurden nach dem Einrichtungsoperat des Stiftes aus 1875, den zugehörigen<br />
Forstkarten und dem Kartenmaterial des franziszäischen Katasters re konstruiert.
Altes Revier SONNENWALD (1875)<br />
51<br />
Abteilungen:<br />
7 Zigeunerau<br />
2 HüNenreiter<br />
3Sulzberg<br />
4Jaegerau<br />
5Steinberg<br />
6 Hirschlacken<br />
7 Brenntau<br />
8 Sonnenwald<br />
Abbildung 2: Die Abteilungsgliederung des Revieres Sonnenwald um 1875 (Der umrandete<br />
Teil zeigt die Gesamtfläche des heutigen Revieres).<br />
Figure 2: Sections of the old district Sonnenwald in 1875.<br />
Erschließung<br />
Das Revier Sonnenwald wurde für den Bau der Glashütte Sonnenwald im Jahr<br />
1750 erschlossen. Damit in Verbindung entstand der Weg von Schlägl zur Hütte.<br />
Erst durch den Bau des Schwarzenberg'schen Schwemmkanals mit der parallel laufenden<br />
Kanalstrasse im Jahr 1789 war das Revier zur Gänze für die Holznutzung<br />
zugänglich.<br />
Holznutzung<br />
Den Beginn größerer Holzentnahmen setzte die Glashütte Sonnenwald durch die<br />
Rodung des Waldes am Rotbach ( 1750-1790), der im nördlichen Revierteil die<br />
Grenze zu Böhmen bildet. Die genutzten Flächen wurden in Wiesen und Äcker umgewandelt,<br />
die teilweise heute noch bestehen.
52<br />
Mit der Fertigstellung des Schwemmkanals 1789 wurde bis ca. 1900 jeweils das<br />
ganze Jahr über geschlägert, am Schlag das Scheiterholz aufgeschichtet und der<br />
Holzhauerlohn berechnet. Im Jänner und Februar wurden die Scheiter mit Schlitten<br />
zum Kanal gezogen, zur Schneeschmelze in den Kanal eingeworfen, bis Neuhaus<br />
a.d. Donau getriftet und von dort auf Kehlheimer Plätten nach Wien geflößt.<br />
Tabelle 1 zeigt die Holznutzung in unterschiedlichen topographischen Einheiten des<br />
Untersuchungsrevieres. Die Mengen wurden aus Lohnlisten, Glashüttenverträgen<br />
und Rechnungen rekonstruiert.<br />
Aus den Nutzungsmengen ist der hohe Hartholzanteil am Bestandesaufbau der Naturwälder<br />
erkennbar.<br />
Tabelle 1: Holznutzung 1790-1 900 (W = Weichhoz, H = Hartholz).<br />
Table 1: Woodutilization 1790- 1900 (W= Softwood, H=Hardwood) .<br />
Plateulage fm Hanglage fm<br />
Schwemme 17414 W Schwemme 17709 w<br />
10604 H 3740 H<br />
Glashütte 23496 w Glashütte 9887 w<br />
6185 H 6762 H<br />
Bevölkerung 9466 W Bevölkerung 9304 W<br />
4918 H 6694 H<br />
Gesamt 383 fm/ha Gesamt 338 fm/ha<br />
30% H 32% H<br />
70 %W 68 % w<br />
Baumartenzusammensetzung 1875<br />
Tabelle 2: Baumartenanteile im Urwald 1875.<br />
Table 2: Composition of the virgin forest in 1875.<br />
Abteilung Urwaldfl. [ha] Fi<br />
1 . Zigeunerau 16,7 0,4<br />
2. Hüttenreiter 15,7 0,8<br />
5. Steinberg 29,3 0,6<br />
6. Hirschlacken 5,7 0,2<br />
7. Brenntau 9,9 0,9<br />
8. Sonnenwald 1,4<br />
Tallage<br />
Schwemme<br />
Glashütte<br />
Bevölkerung<br />
Gesamt<br />
Ta Bu<br />
0,2 0,4<br />
0,06 0, 14<br />
0,1 0,3<br />
0,8<br />
0,04 0,06<br />
fm<br />
30440 w<br />
2456 H<br />
10471 w<br />
1720 H<br />
11413 w<br />
3788 H<br />
274 fm/ha<br />
13% H<br />
87 % w
53<br />
Anhand des Einrichtungsoparates von 1875 konnte die Baumartenzusammensetzung<br />
der in Abbildung 2 dargesteilten Urwaldreste des Revieres ermittelt werden<br />
(Tab. 2). Man sieht deutlich den hohen Anteil der Buche in einzelnen Abteilungen,<br />
nur auf den nach der Standortskarte feuchtesten Standortseinheiten waren nahezu<br />
reine Fichtenbestände ausgebildet.<br />
Baumartenzusammensetzung 1885<br />
Aus dem Einrichtungsoparat 1885 ist bereits eine ungünstige Altersklassenstruktur<br />
erkennbar. ln der Plateaulage waren die Altholzreserven genutzt, während in der<br />
Hanglage noch Altbestände mit einem beträchtlichen Mischungsanteil an Tanne<br />
und Buche vorherrschten (Tab. 3). ln den Plateau-und Hanglagen wurde der<br />
Fichten-Tannen-Buchenwald bis in die dritte Altersklasse völlig in Fichtenreinbestände<br />
umgewandelt. ln den anmoorigen Tallagen waren 1885 die Fichten<br />
Tannenwälder schon in sekundäre Fichtenwälder umgewandelt. Die sechste Altersklasse<br />
ist 1885 nur mehr hinsichtlich der Baumartenzusammensetzung ein wirklicher<br />
Urwald. Durch die starke Streunutzung und den hohen Wildstand ist die Naturverjüngung<br />
in diesen Beständen schon Anfang des 19. Jhdts. ausgefallen.<br />
Tabelle 3: Baumartenzusammensetzung 1885.<br />
Table 3: Stand composition 1885.<br />
AKLI AKLII AKLIII AKLIV AKLV AKLVI<br />
Plateau Fi 26 ha 74 ha 3 ha 43 ha<br />
Ta 12 ha<br />
Bu 12 ha<br />
Hanglage Fi 62 ha 10 ha 26 ha 34 ha 41 ha<br />
Ta 5 ha 20 ha<br />
Bu 12 ha 6ha<br />
Tallage Fi 21 ha 49 ha 24 ha 54 ha 48 ha 16 ha<br />
Waldverjüngung<br />
Ta 2 ha 4 ha 2 ha<br />
Bu 3 ha 2 ha<br />
Von 1790 bis 1838 überließ man die bis zu 20 ha großen Schläge der natürlichen<br />
Besamung. Durch den desolaten Zustand der Nachfolgebestände führte man von<br />
1838 bis 1864 Saaten, teilweise mit Hafer versetzt, durch. Das Saatgut wurde zu
54<br />
2/3 selbst gewonnen, zu 1/3 aus Wr. Neustadt und Sudweis angekauft. Erst ab<br />
1870 verzichtete man völlig auf die Waldsaat. Die Kulturen wurden mit hohen<br />
Pflanzenzahlen begründet, und erst durch jahrelanges, massives Nachbessern erreichte<br />
man eine gesicherte Verjüngung .. Tabelle 4 zeigt den zwischen 1870 und<br />
1900 betriebenen Aufwand für die Waldkultur im Revier.<br />
Tabelle 4: Kultur Sonnenwald 1870-1900.<br />
Table 4: Cuftural operations Sonnenwald 1870- 1900.<br />
Streunutzung<br />
Kultur Nachbessern<br />
Abteilung ha Fi/ha ha Fi/ha<br />
1 .Zigeunerau 20 8522 31 4971<br />
2.Hüttenreiter 13 5962 8 5959<br />
3.Sulzberg 14 6325 4 6375<br />
4.Jägerau 11,5 7086 6 6305<br />
5.Steinberg 11 7717 11 4630<br />
7.8renntau 19 6263 8 5809<br />
Mit der Erschließung begann aber auch eine intensive Streunutzung, das Grasschneiden<br />
und das Holzklauben durch die böhmischen Dörfer Glöcklberg, Radschin,<br />
Stögenwald und Geisleiten. Die Förster führten keinerlei schriftliche Aufzeichnungen<br />
über ihre Geschäfte mit der Streunutzung. Für das Revier Sonnenwald weiß<br />
man nur, daß die Nutzungsflächen an der Kanalstraße, an der Straße von Schlägl<br />
zur Glashütte und im nordöstlichen Teil des Revieres lagen. Ab 1875 wurde die<br />
entnommene Streu in Fuhren abgerechnet. Es wurde nur mehr sehr wenig Streu<br />
verkauft und der Erlös ging nicht an die Förster, da man endlich die schädigende<br />
Wirkung dieses Geschäftes erkannte. Aus den Streuverkaufslisten 1875-1900 ist<br />
die geringe Bedeutung der Streunutzung nach 1975 ersichtlich.<br />
Tabelle 5: Entnommene Streumengen 1875 - 1900.<br />
Tab/e 5: Gathered litter 1875- 1900.<br />
Abteilung rm/ha<br />
2. Hüttenreiter 3,9<br />
5.Steinberg 5,1<br />
6.Hirschlacken 5,4<br />
7. Brenntau 2,8
Entwässerungen<br />
55<br />
Um weitere Flächen für die Holzproduktion zu gewinnen oder um Standorte zu verbessern<br />
wurden Wiesen und vernäßte Waldteile entwässert. Die Entwässerungsgrä�<br />
ben waren 60 cm tief und 1 m breit und wurden von Tagelöhnern instand gehalten.<br />
Die Dichte dieses Entwässerungsnetzes ist aus Tabelle 6 ersichtlich.<br />
Tabelle 6: Länge der Entwässerungsgräben.<br />
Table 6: Length of the drainage ditches.<br />
Wiesen<br />
Abteilung Dauer<br />
1 .Zigeunerau 1863-1 905<br />
4.-!ägerau 1865-1914<br />
5.Steinberg 1889-1911<br />
6.Hirschlacken 1905-1914<br />
7.Brenntau 1879-1914<br />
Länge m<br />
3165<br />
1349<br />
2442<br />
725<br />
8394<br />
Die meisten Wiesen, welche im 16.Jhdt. entstanden waren, kaufte das Stift im<br />
Laufe der letzten 150 Jahre von den Bauern zurück und führte diese wieder in den<br />
Waldstand über. Die Waldwiesen wurden im 19. Jhdt. mit dem Attribut ausgemergelt<br />
versehen und deren Aufforstung gestaltete sich äußerst schwierig. Heute gehören<br />
diese Flächen zu den am stärksten degradierten Standorten.<br />
Tabelle 7 zeigt den enormen Aufwand, welcher für eine derartige Wiesenaufforstung<br />
betrieben wurde.<br />
Tabelle 7: Beispiel einer Wiesenaufforstung.<br />
Table 7: Example of the reafforestation of a meadow.<br />
Sulzwiese: 1 ,2 ha<br />
1 867: Ankauf<br />
1869: Aufforstung 13000 Fichten<br />
1870: Nachbesserung 8608 Fichten<br />
1872: Nachbesserung 2800 Fichten<br />
187 4: Nachbesserung 2800 Fichten<br />
4 SCHlUSSFOlGERUNGEN<br />
Das Gebiet des Böhmerwaldes unterlag trotz relativ später Besiedlung einer intensiven<br />
Landnutzung. Die frühe Nutzungsform der regellosen Plenterung für den lokalen<br />
Bau- und Brennholzbedarf veränderte die Baumartenzusammensetzung der Wälder
56<br />
nur in geringem Ausmaß. Zu diesem Zeitpunkt kam es aber durch forstliche Nebennutzungen,<br />
vor allem die verbreitete Streunutzung in siedlungsnahen Bereichen, zu<br />
massiven Nährstoffentzügen, welche zu schweren Degradationserscheinungen an<br />
den Waldböden führten und bis in in die Gegenwart nachwirken. Am höchsten waren<br />
die Entzüge auf den über längere Zeit als Streuwiesen genutzten Flächen. Aufgrund<br />
der fehlenden Datenbasis können diese Entzüge noch nicht quantifiziert werden.<br />
Eine Abschätzung des Streubedarfes aus den Viehbestandszahlen wird hier<br />
eventuell die Größenordnung veranschaulichen. Waldweide wurde nur in wenigen<br />
Revieren durchgeführt. Besonders nachhaltig wurde die Baumartenzusammensetzung<br />
und Struktur der Bestände durch die Großkahlschlagwirtschaft Ende des 18.<br />
und Beginn des 19. Jahrhunderts verändert, wobei starke Holzdimensionen als<br />
Brennholz verwertet und das Restholz der lokale Glasindustrie zugeführt wurden.<br />
Die Bemühungen um eine nachhaltige Forstwirtschaft ab der 2. Hälfte des 19.<br />
Jahrhunderts sicherte zwar die Holzproduktion, führte aber zu Begründung von<br />
Fichtenmonokulturen mit teilweise nicht standortsangepaßtem PflanzmateriaL Der<br />
seit der ersten Hälfte unseres Jahrhundert forcierte Naturverjüngungsbetrieb und<br />
die in den · letzten Jahrzehnten durchgeführte Zielstärkenutzung sind ein Weg, wiederum<br />
naturnähere, strukturierte Bestände zu erzielen.<br />
5 UTERATURVERZEICHNIS:<br />
BERNAU F., 1887: Der Böhmerwald. Prag.<br />
BREDL K., 1979: Porträt einer Kulturlandschaft. Schlägler Schriften, Band 6. OÖLV, Linz.<br />
GRÜLL G., 1963: Bauer, Herr und Landesfürst. Verlag Hermann Böhlaus, Graz, Köln.<br />
HAIDER S., 1963: Geschichte Oberösterreichs. Verlag für Geschichte und Politik, Linz.<br />
INSTITUT FÜ R <strong>FOR</strong>S<strong>TLICHE</strong> STANDORTS<strong>FOR</strong>SCHUNG, 1971: Standortskartierung der Reviere<br />
nördlich der Großen Mühl des Forstbetriebes Schlägl. Revier Sonnenwald. Wien, 115 S.<br />
KOLLER E.J., 1975: Forstgeschichte Oberösterreichs. OÖLV, Linz.<br />
LANDESARCHIV OBERÖSTERREICH, Linz: Franziszäischer Kataster 1 828.<br />
MA YER E., 1831 : Versuch einer Beschreibung der großen Schwemmanstalt aus der Herrschaft Krumau<br />
in Böhmen. Wien.<br />
PFLIGERDORFFER G., 1977: Der 8öhmerwald in Schilderungen der Stifterzeit. ÖLV,Linz.<br />
PICHLER I.H.: Schlägl in alten Ansichten. Schlägler Schriften, Band 2. OÖLV, Linz 1977.<br />
PRÜGL J.S.: Schlägl im Josephinismus. Schlägler Schriften, Band 5. OÖLV, Linz 1978.<br />
RACHOY W., 1971: Die waldbauliche Entwicklung in den Wäldern des Praemonstratenser<br />
Chorherrn-Stiftes Schlägl im oberen Mühlviertel. Centralblatt des ges. Forstwesen 88, 1: 26-51.<br />
REININGER, H., 1987: Zielstärken-Nutzung. Ö . Agrarverlag Wien, 163 S.<br />
SONNLEITNER A., 1963: Der Böhmerwald. OÖLV, Linz, 96 S.<br />
STIFTSARCHIV SCHLÄGL: Schachtel 800 - 870, 1634 - 1900.<br />
UHL E.: Dominik Abt Lebschy. Schlägler Schriften, Band 1. OÖLV, Linz 1980.
57<br />
MINERAlSTOFFERNÄHRUNG UND EmDENZUSTAND<br />
IN FICHTENWAlDÖKOSYSTEMEN DES BÖHMERWAlDES {OBERÖSTERREICH)<br />
MINERA L NUTRITION AND SOlL STA TUS IN NORWA Y SPRUCE (PICEA AB/ES<br />
KA RST.) EGOSYSTEMS IN THE BOHEMIA N <strong>FOR</strong>ES T (UPPER AUSTRIA)<br />
Klaus KATZENSTEINER<br />
Institut für Waldökologie, Universität für Bodenkultur Wien<br />
Peter-Jordan-Straße 82, A - 1190 Wien<br />
SUMMARY<br />
Forest decline symptoms in 50 Norway spruce (Picea abies, Karst.) stands of the Bohemian Forest<br />
(Upper Austrial were linked to general site parameters and · a comprehensive data set on tree nutrition,<br />
soil chemistry and tree vigor by means of univariate and multivariate statistical methods to<br />
elucid . ate the role of geomorphology and topography in forest deterioration. Soil chemical parameters<br />
are closely related to site types and topography. Soils on wind exposed ridges and slopes are<br />
heavily acidified. in these units Iead accumulation in the humus layer and upper mineral soil horizons<br />
is very high. Acidic deposition measurements confirm the link between Ioad of air pollutants<br />
and topography with increased impact on wind exposed sites. Thus Iead accumulation serves as an<br />
indicator of pollutant Ioad. Nutrition and crown transparency of trees also depends on general site<br />
parameters. Magnesium nutrition of trees, which is correlated with vigor parameters like crown<br />
transparency and needle yellowing, depends on pH-values and magnesium content of the exchange<br />
complex of soils. Multiple linear regression models allow the generalization of the findings by a<br />
combination of a topographical model and a site map.<br />
KEYWORDS: Norway spruce, forest decline, soil, mineral nutrition, magnesium deficiency.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Zum Zweck der Erfassung des Einflusses von allgemeinen Standortsparametern auf Bodeneigenschaften,<br />
Vitalität und Mineralstoffernährung von Fichtenbeständen unter dem Einfluß langzeitwirksamer<br />
Luftschadstoffe wurden von fünfzig nach Topographie und Bodenwasserhaushalt stratifizierten<br />
Fichtenbeständen Boden- und Nadelproben sowie Vitalitätsmerkmale der Baumschicht analysiert.<br />
Die multivariate statistische Auswertung der Daten ergab eine deutliche Abhängigkeit bodenchemischer<br />
Parameter von Standortstypen und Topographie, wobei Böden in Kuppenlagen und zur<br />
Hauptwindrichtung exponierten Hängen besonders stark und tiefreichend versauert sind. Die Bleianreicherung<br />
in der Auflage und im Oberboden kann als Immissionsindikator verwendet werden und<br />
zeigt eine deutliche Seehöhenabhängigkeit mit besonderer Belastung exponierter Lagen. Dies läßt<br />
eine Beteiligung von Immissionen an der Bodenversauerung dieser Gebiete vermuten. Die Ernährung<br />
und Vitalität der Bestände korreliert ebenfalls mit allgemeinen Standortsparametern, wobei die für<br />
den Vitalitätszustand der Bäume entscheidende Magnesiumversorgung durch Bodenparameter wie<br />
pH-Wert und Magnesiumbelegung des Austauschers erklärt wird. Mittels multipler Regressionsmodelle<br />
lassen sich bei Kenntnis der allgemeinen Standortsparameter, die aus bestehenden Daten wie<br />
digitalem Höhenmodell und forstlichen Standorts- sowie Bestandeskarten gewonnen werden können,<br />
Aussagen über den Bodenzustand größerer Gebietseinheiten treffen.<br />
STICHWÖRTER: Fichte, neuartige Waldschäden, Boden, Mineralstoffernährung, MagnesiummangeL<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
ÖGWEB (Österr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle BaumtorschungJ ISBN 3-900865-06-X.
1 EINLEITUNG<br />
58<br />
Seit Beginn der achtziger Jahre treten im Österreichischen Teil des Böhmerwaldes<br />
Symptome neuartiger Waldschäden mit Vergilbungen und Verlichtungen der Kronen<br />
von Fichtenbeständen auf. Ähnliche Beobachtungen wurden auch aus anderen mitteleuropäischen<br />
Waldgebieten auf silikatischem Grundgestein berichtet (Zech und<br />
Papp, 1983; Zöttl und Mies, 1983; Bosch et al., 1983; Zöttl und Hüttl, 1986). Unterschiedliche<br />
Hypothesen wurden zur Erklärung formuliert. Einerseits wurden die<br />
Deposition von Luftschadstoffen, andererseits klimatische Faktoren für diese Schadentwicklung<br />
verantwortlich gemacht (zusammenfassende Darstellungen in Rehfuess,<br />
1989; Roberts et al., 1989 und Schulze und Freer Smith, 1991). ln der vorliegenden<br />
Untersuchung wird der Einfluß von allgemeinen Standortsparametern auf<br />
Bodenzustand, Mineralstoffernährung und Baumvitalität in Fichtenökosystemen des<br />
Böhmerwaldes untersucht. Ein Großteil der in dieser Publikation dargestellten Ergebnisse<br />
wurde Katzensteiner (1992) entnommen.<br />
2 MATERIAl UND METHODEN<br />
Mit dem Ziel, eine möglichst große Variationsbreite von allgemeinen Standortsparametern<br />
(Topographie, Wasserhaushalt) abzudecken, wurden anhand von<br />
Standorts- und Bestandeskarten fünfzig Fichtenaltbestände ausgewählt, in denen<br />
auf je fünf Teilflächen allgemeine Standortsmerkmale (Lage, Geologie, Humus, Boden,<br />
Bodenvegetation) sowie Struktur- und Vitalitätsmerkmale der Baumschicht erhoben<br />
wurden. Von jeder Teilfläche wurde je eine Auflagehumusprobe und ein Bodenprofil<br />
(fünf Tiefenstufen, 5, 5,1 0, 1 0,10 cm) geworben, von einem soziologisch<br />
herrschenden Baum wurde zusätzlich ein Ast vom siebenten Quirl geerntet. Abbildung<br />
1 zeigt die Verteilung der Standortseinheiten sowie der topographischen Einheiten<br />
im Untersuchungsgebiet.<br />
Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich über einen Bereich von 600 m bis 1600 m<br />
Sh. und umfaßt den Österreichischen Anteil des Böhmerwaldes. Grundgesteine sind<br />
auf allen Standorten basenarme Granite und Gneise. Bodentypen reichen von sauren<br />
Braunerden, Semipodsolen und Podsolen über zum Teil hangwasserzügige Pseudogleye,<br />
Gleye und Anmoore bis zu Waldmooren. Die Böden haben sich zum Großteil<br />
auf perlglazial überprägten Hangschuttdecken entwickelt. Der natürliche Vegetationstyp<br />
unterhalb von etwa 1200 m wäre ein Abieti-Fagetum, oberhalb 1200<br />
m dominiert ein Piceetum Subalpinum. Die Waldwirtschaft der vergangenen Jahrhunderte<br />
mit zum Teil intensiven Biomassenentzügen für die Landwirtschaft wie<br />
Streunutzung führte auf vielen Standorten zu sekundären Fichtenreinbeständen im<br />
potentiellen Nadei-Laubmischwaldgebiet. Eine detaillierte Beschreibung des Untersuchungsgebietes,<br />
der Aufnahmemethodik und der Analyseverfahren gibt Katzensteiner<br />
(1992}.
Kuppe-Rücken:<br />
Frische Blockhalde<br />
Anmoorlge Blochh.<br />
Feucht<br />
5km<br />
59<br />
Abbildung 1 :Verteilung der topographischen Einheiten und der Standortstypen im<br />
Untersuchungsgebiet.<br />
Figure 1: Distribution of topographical units and site types in the in vestigated area.<br />
3 ERGEBNISSE<br />
3.1 Bodenzustand<br />
Abbildung 2 zeigt die Gruppierung der Aufnahmepunkte entlang der ersten zwei<br />
Achsen einer kanonischen Diskriminanzanalyse der Bodennährstoffvorräte nach<br />
Standortstypen.<br />
Diese Gliederung nach Standortstypen erklärt bereits 46 % der Varianz der Bodennährstoffvorräte,<br />
wobei sich entlang der ersten Achse Waldmoore von terrestrischen<br />
Standortstypen, entlang der zweiten Achse blockreiche Einheiten von feinbodenreichen<br />
Einheiten trennen. Da sich die durchschnittlichen Standortstypen<br />
(FRiSCH, SEHR FRISCH und FEUCHT) anhand der Bodennährstoffvorräte diskriminanzanalytisch<br />
nicht mehr trennen lassen, werden für die Abschätzung jenes Einflusses<br />
der Topographie, der sich nicht direkt in der Bodenmorphologie niederschlägt,<br />
ebendiese Einheiten herangezogen.<br />
N<br />
A
C, N,<br />
1S<br />
Ca, Mg<br />
Im Mlnerof.. 12<br />
boden bei<br />
geringer<br />
FB-Masse<br />
-4 -·<br />
60<br />
2 4 •<br />
Auflageakkumulation<br />
&C, N, P, Kind. Au'll.<br />
bei gertngen Minera�<br />
bodenvorröten<br />
0 Frisch<br />
® Sehrfl1sch<br />
@ Feucht<br />
G Anmoorfg naß<br />
II Anmoor<br />
lt Waldmoor (N)<br />
• Wcldmoor (H)<br />
Q Frische Blockholde<br />
�S.fr1sche BH<br />
!lt AnmmongeBH<br />
Abbildung 2: Gliederung der Aufnahmen entlang der ersten zwei Achsen einer kanonischen<br />
Diskriminanzanalyse der Bodennährstoffvorräte nach Standortstypen.<br />
Figure 2: Arrangement of the plots along the firs t two axes of a canonica/ discrimi<br />
nant analysis of nutrient stores of soil with site type as a classification<br />
criterion.<br />
Eine Gliederung der mit dem Reziprokwert der Tiefenstufe gewichteten, mittleren<br />
bodenchemischen Kennwerte von den Standortstypen FRISCH, SEHR FRISCH und<br />
FEUCHT nach der topographischen Situierung erklärt bereits 43 % der Gesamtvarianz<br />
dieser Kennwerte. Tabelle 1 zeigt die Verteilung von pH-Wert, effektiver Kationenaustauschkapazität<br />
(CEC) und prozentuellem Magnesiumbelag des Austauschers.<br />
Gerade die Böden der exponierten Westabhänge und Kuppen sind extrem<br />
versauert, der Magnesiumbelag des Austauschers erreicht nur in den Tallagen ausreichende<br />
Werte. Während in den Tallagen die Basensättigung der untersten Bodenhorizonte<br />
allmählich zunimmt, ist sie in den höheren Lagen des Untersuchungsgebietes<br />
besonders tiefreichend. Streunutzung in der Vergangenheit dürfte eine wesentliche<br />
historische Komponente für die Versauerung der Böden in diesem Gebiet<br />
sein. Glatze! (1990) beziffert die aus Streunutzung resultierende Bodenversauerung<br />
in der Anfangsphase mit bis zu 5 kmol.ha- 1 .a- 1 • Auf die Bodenversauerung durch Bestandeswachstum<br />
und Humusakkumulation - vor allem in Koniferen - wiesen z.B.<br />
Nielsson et al. (1982) sowie Chen und Glatze! (1988) hin. Eine weitere Ursache<br />
dürfte die Deposition von Säuren und Säurebildnern darstellen. Bodenversauerung<br />
innerhalb der letzten Jahrzehnte ist in vielen europäischen Waldgebieten nachgewiesen<br />
(Stöhr, 1984; Hallbäcken und Tamm, 1986; Falkengren-Grerup, 1987). Betrachtet<br />
man die Deposition langzeitwirksamer Luftschadstoffe im Untersuchungsgebiet<br />
(Katzensteiner et al., 1992; 1994 (dieses Heft)), sieht man eine deutlich höhere<br />
Belastung von Kuppe und Westabhang, eben jener Einheiten, welche die stärkste<br />
Bodenversauerung aufweisen.
61<br />
Tabelle 1: Bodenchemische Kennwerte (mit dem Reziprokwert der Tiefe in cm gewichtet)<br />
für die Standortstypen Frisch, Sehr frisch und Feucht, nach topographischen<br />
Einheiten gegliedert.<br />
Tab!e 1: Soi! chemical parameters (weighted by reciprocal value of soil depth) for<br />
the site types fresh, very fresh and moist arranged by topographical units.<br />
Topographie pH !H20)<br />
Kuppe-Rücken 3,7<br />
Hanglage WSW 4,1<br />
Tallage W 4,4<br />
Hanglage SW 4<br />
Kuppe-Hochplateau 4<br />
Hanglage NE 4,2<br />
Tallage E 4,3<br />
Pb (0)<br />
5.50<br />
(jJ<br />
5.25 G) 't<br />
5.00<br />
® G<br />
Jl't<br />
f<br />
.... ....<br />
0 t .... 1)<br />
*'o<br />
4.75<br />
'OE'<br />
= o."<br />
")<br />
"'0<br />
4.50 Oe'll)<br />
") ß<br />
4.25<br />
4.00<br />
3.75<br />
3.50<br />
@ Ji<br />
On<br />
� .II<br />
Pb (mg.kg·• FB)=e (Pb(O)+Pb(l)'Bodenffefe(cm))<br />
-0.12 -0.10 -0.08 -0.06 -0.04 -0.02<br />
pB (1)<br />
!l<br />
-5<br />
0<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
45<br />
50<br />
CEC." [mmol.1 OOg·'J Mg [% am Aust.]<br />
1)<br />
FB]<br />
15,8<br />
10,1<br />
8,5<br />
16,1<br />
15,5<br />
11,7<br />
11<br />
Pb (mg.kg·l)<br />
50 100 150 200 250 300<br />
0 Tallage E<br />
o Hanglage NE<br />
o Kuppe-Hochplateau<br />
o Hanglage SW<br />
-+Seitental geschützt<br />
t Kuppe-Rücken<br />
.... Hanglage WSW<br />
� Tallage W<br />
Abbildung 3: Koeffizienten einer Funktion der Bleiverteilung über die Bodentiefe<br />
nach topographischen Einheiten geordnet (links, Waldmoore mit Kreis gekennzeichnet)<br />
und Verlauf der Bleigehalte in Moorprofilen in unterschiedlicher<br />
Exposition (rechts).<br />
Figure 3: Coefficients of a function of Iead dis tribution over soil depth arranged ac<br />
cording to topographical units (on the fett: histosals characterized by a eire<br />
Je) and distribution of lead-contents in histosals from different /ocation (on<br />
the right).<br />
2,2<br />
3,5<br />
4,6<br />
2,2<br />
2,9<br />
3,4<br />
4, 1
62<br />
Die Bleianreicherung in der Auflage als Immissionsindikator zeichnet diese<br />
Seehöhen- und Expositionsabhängigkeit nach, wobei ebenfalls die exponierten<br />
Standorte am stärksten beiastet sind. Zieht man nur Waldmoore heran, die über die<br />
ganze Profiltiefe einen ähnlichen Humusgehalt besitzen {Abbildung 3), fällt dieses<br />
Muster besonders auf, wobei gerade in diesen Böden fast ausschließlich die atmogene<br />
Anreicherung ausschlaggebend sein dürfte. Aus diesen ähnlichen Mustern von<br />
Bodenversauerung, Bleianreicherung und Schadstoffdeposition kann man folgern,<br />
daß Waldböden in den höheren lagen des Untersuchungsgebietes der intensivsten<br />
Veränderung durch Schadstoffdeposition unterliegen.<br />
Die deutliche Abhängigkeit des Bodenzustandes von allgemeinen Standortsparametern<br />
erlaubt es in weiterer Folge anhand einfacher, aus bestehendem Kartenmaterial<br />
wie digitalem Höhenmodell und forstlichen Standorts- sowie Bestandeskarten<br />
ableitbarer Daten flächenbezogene Aussagen über den Bodenzustand im Untersuchungsgebiet<br />
zu treffen. Gleichung 1 zeigt z.B. die Ableitung der Kationenaustauschkapazität<br />
aus Seehöhe, Standortstyp und topographischer Einheit mit einem<br />
hohen Bestimmtheitsmaß. Eine praktische Anwendung solcher Beziehungen finden<br />
Sterba et aL ( 1993) für die Belastungsbewertung und Entwicklung von Waldsanierungskonzepten<br />
für Waldgebiete des Mühlviertels.<br />
Gleichung 1: Ableitung der effektiven Kationenaustauschkapazität aus allgemeinen<br />
Standortsparametern.<br />
Equation 1: Derivation of the effective cation exchange capacity from general site<br />
parameters.<br />
CEC (mmol/100 g FB)=5.97 + 0.016 Seehöhe &<br />
& &<br />
r2=0. 72*** n=50
3.2 Baumernährung und Vitalität<br />
63<br />
Gliedert man die Flächen nach Standortstypen, so erklären diese nur 22 % der Varianz<br />
der Nadelspiegelwerte. Eine weitaus bessere Differenzierung ergibt die Einteilung<br />
nach topographischen Einheiten mit einem erklärbaren Anteil von 46 % der<br />
Gesamtvarianz, wobei hier nur die Standortstypen FRISCH, SEHR FRISCH und<br />
FEUCHT herangezogen wurden. Entlang der ersten Achse einer kanonischen Diskriminanzanalyse<br />
(Abbildung 4), welche die Dominanz von Ca und Mg über N und K<br />
darstellt, trennen sich die ausreichend mit bivalenten Kationen versorgten Tallagen<br />
und ostexponierten Standorte von den Kuppen und westexponierten Flächen, auf<br />
denen die N und K-Ernährung bei gleichzeitig limitiertem Mg und Ca Angebot dominiert.<br />
Entlang der zweiten Achse trennen sich Flächen aus dem südwestlichen Teil<br />
des Untersuchungsgebietes, die anscheinend einer stärkeren Belastung mit N und<br />
S-Verbindungen unterliegen von den restlichen Einheiten. Gerade diese Nährstoffungleichgewichte<br />
mit einer guten Stickstoff- aber mangelhaften Magnesium- und Kalziumversorg<br />
ung korrelieren mit dem Verlichtungs- und Vergilbungsgrad der Fichten.<br />
So zeigt eine kanonische Korrelation zwischen Vergilbung und Verlichtung einerseits<br />
sowie Hauptnährelementversorgung in Jung- und Altnadeln andererseits einen<br />
hochsignifikanten Zusammenhang der ersten kanonischen Variablen von r2 = 0,77,<br />
wobei der Faktor Kronenzustand stark positiv von Vergilbung und Verlichtung, der<br />
Faktor Ernährung stark negativ von den Magnesiumgehalten der Jung und Altnadeln<br />
und den Kalziumgehalten der Jungnadeln sowie positiv von den Kaliumgehalten<br />
der Jungnadeln und den Stickstoffgehalten der Altnadeln geladen wird .<br />
Ca, Mg 10<br />
versus<br />
N, K 5<br />
0<br />
-5<br />
-10<br />
n .,.<br />
"' 'iS<br />
-4 -2<br />
n<br />
n o o<br />
r<br />
��<br />
l<br />
'TallageE<br />
o Hanglage NE<br />
' Kuppe-Hochplateau<br />
" Hanglage W>l<br />
� SeHental gesch01zt<br />
t Kuppe-ROcken<br />
� Hanglage WW>I<br />
• Tallage W<br />
Abbildung 4: Lage der Probeflächen (nur Standortstypen Frisch, Sehr frisch und<br />
Feucht) entlang der ersten zwei Achsen einer kanonischen Diskriminanzanalyse<br />
der Nadelspiegelwerte nach topographischen Einheiten.<br />
Figure 4: Location of the plots (only site types fresh, very fresh and moist) along<br />
the firs t two axes of a canonical discriminant analysis of nutrient contents<br />
in !eafs with topographical units as c/assification criterion.<br />
II<br />
N,S
1i5 2.8<br />
::><br />
J 2.6<br />
..<br />
i 2.4<br />
z<br />
2.2<br />
2<br />
1.8<br />
1.6<br />
•<br />
•<br />
64<br />
Nadelverlust=3.13 - 1.40Mg<br />
r2=0.47"u<br />
1.4<br />
• • - •<br />
1.2<br />
1<br />
• •<br />
•<br />
0.6 0.7 0.8 0.9 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6<br />
Mg [mg/g]<br />
Abbildung 5: Zusammenhang zwischen Nadelverlust (Stufe 1 = < 1 5% , 2 = < 30%,<br />
3 = < 60%, 4 = > 60%) und Magnesiumgehalten von Fichtennadeln<br />
(jüngster Nadeljahrgang).<br />
Figure 5: Gorrelation between needle loss (class 1 = < 15 %, 2 = < 30%, 3 =<br />
< 60 %, 4 = > 60 %) and magnesium content of current needles from the<br />
seventh whorl.<br />
Abbildung 5 veranschaulicht den Zusammenhang zwischen Nadelverlust der Fichten<br />
und den Magnesiumgehalten in den Jungnadeln. Man sieht, daß die von verschiedenen<br />
Autoren angegebene Mangelgrenze für Magnesium mit 0,7 bis 0,8<br />
mg.g· 1 TM (Übersicht in Hüttl 1986) einen deutlichen Schwallwert für die Baumvitalität<br />
darstellt.<br />
3.3 Einfluß des Bodenzustandes auf Baumernährung und Vitalität:<br />
Aus den Gleichungen 2 und 3 kann deutlich der prädisponierende Einfluß der Bodenversauerung<br />
und der Austauscherbelegung mit basischen Kationen auf die Magnesiumversorgung<br />
und die Vitalität der Bäume entnommen werden. Die bodenchemischen<br />
Parameter gehen in die Gleichung als mit dem Reziprokwert der Bodentiefe<br />
gewichtete mittlere Werte bis zu einer Maximaltiefe von 50 cm ein.<br />
Besonders die Magnesiumversorgung der Bäume wird stark vom Magnesiumbelag<br />
des Austauschers beeinflußt. Dagegen zeigen die Korrelationen mit den absoluten<br />
austauschbaren Gehalten von Magnesium im Mineralboden, für welche z.B. Liu und<br />
Trüby (1989) in ihren Untersuchungen signifikante Zusammenhänge gefunden hatten,<br />
nur schwache Korrelationen.
65<br />
Gleichung 2: Abhängigkeit der Magnesiumspiegelwerte im jüngsten Nadeljahrgang<br />
von bodenchemischen Parametern.<br />
Equation 2: Dependency of magnesium contents of current needles from soil che<br />
mica/ parameters.<br />
Mg Jungn•deln [o/o] = - 0.076 + 0.045 pHH20 + 0.078 Mg1% •m Aust.l - 0.011 K1% •m Aust.)<br />
- 0.011 Mn 1% •m Aust.l - 0.001 Ca I% •m Aust.l<br />
Gleichung 3: Abhängigkeit der Kronenverlichtung (5 Stufen) von bodenchemischen<br />
Parametern.<br />
Equation 3: Dependency of needle loss (class 1 to 5) from soil chemical<br />
parameters.<br />
DVG =5.46 - 0.9 pHH20 + 0.11 Kl% •m Aust.) - 0.06 Mgl% •m Aust.l<br />
r 2 =0.42** n=50<br />
Für die Kronenverlichtung scheinen neben der Magnesiumversorgung die Boden-pH<br />
Werte eine entscheidende Rolle zu spielen. Walddüngungsversuche im Untersuchungsgebiet<br />
bestätigen diese These, eine reine Neutralsalzdüngung mit Kieserit<br />
verbessert zwar die Magnesiumversorgung der Bäume, eine Verbesserung der Kronenzustände<br />
erfolgt jedoch nur bei gleichzeitiger Zugabe basisch wirkender Düngemittel<br />
(Katzensteiner et al., 1994).<br />
Zusammenfassend kann man feststellen, daß der Zustand der Waldböden eine der<br />
Ursachen für die schlechte Nährstoffversorgung und dadurch bedingte Vitalitätsverluste<br />
im Österreichischen Teil des Böhmerwaldes darstellt. Die gegenwärtige Belastung<br />
der Böden mit langzeitwirksamen Luftschadstoffen, die vor allem in den zur<br />
Hauptwindrichtung exponierten höheren Lagen besonders ausgeprägt ist, stellt eine<br />
wesentliche Einflußgröße auf die Bodenzustände im Untersuchungsgebiet dar. Die<br />
beobachteten Nährstoffungleichgewichte in geschädigten Beständen mit einer Dominanz<br />
der Stickstoff- über die Basenversorgung dürften vor allem durch die gegenwärtig<br />
hohen Stickstoffeinträge auf den primär schlecht basenversorgten und durch<br />
historische Landnutzung verarmten Standorten bedingt sein (Katzensteiner et al.,<br />
1992). Die Hypothese, daß allgemeine Standortsparameter wie Topographie und<br />
Standortstyp prägende Faktoren für den Bodenzustand und damit die Ernährung<br />
und Vitalität der Bäume darstellen, wobei der Wirkungspfad teilweise über die Modifikation<br />
der Luftschadstoffdeposition durch die topographischen Gegebenheiten<br />
führt, kann mit den vorliegenden Ergebnissen bestätigt werden.
4 UTERATUR<br />
BOSCH C., E. PFANNKUCH, U. BAUM und K.E. REHFUESS, 1983: Über die Erkrankung der Fichte<br />
(Picea abies Karst.) in den Hochlagen des Bayerischen Waldes. Forstw. Cbl. 102: 167-1 81.<br />
CHEN, C. und G. GLATZEL, 1988: Vergleich des Bodenzustandes unter Buche und Fichte im<br />
Wienerwald. FIW-Symposium 1988, Univ. Bodenkultur, Wien: 253-254.<br />
GLATZEL G. 1990: The nitrogen status of Austrian forest ecosystems as influenced by atmospheric<br />
deposition, biomass harvesting and lateral organomass exchange. Plant and Soil 128: 67-74.<br />
FALKENGREN-GRERUP U., 1987: Long-term-changes in pH of forest soils in Southern Sweden. Environmental<br />
Pollution 43: 79-90.<br />
HALLSÄCKEN L. and C.O. TAMM, 1986: Changas in soil acidity from 1927 to 1982-1984 in a<br />
forested area of South-West-Sweden. Scand.J.For.Res. 1: 219-232.<br />
HÜTTL R.F., 1986: Forest Fertilisation: Results from Germany, France and the Nordic Countries.<br />
The Fertiliser Society Proceedings, 250.<br />
KATZENSTEINER K., 1992: Mineralstoffernährung, Bodenzustand und Baumvitalität in Fichtenwaldökosystemen<br />
des Böhmerwaldes. FIW-Forschungsberichte 1992/1 , ÖGWEB, Univ. Bodenkultur<br />
Wien, 195 S.<br />
KATZENSTEINER K., G. GLATZEL and M. KAZDA, 1 992: Nitrogen induced nutritional imbalances <br />
a contributing factor to Norway spruce decline in the Bohemian Forest. Forest Ecology and Management,<br />
51 : 29-42.<br />
KATZENSTEINER K., 0. ECKMÜLLNER R. JANDL G. GLATZEL H. STERBA and R.F. HÜTTL, 1994:<br />
Revitalization experiments in magnesium deficient Norway spruce stands in Austria. Plant and<br />
Soil, in press.<br />
NIELSSON S.l., H.G. MILLER and J. MILLER, 1982: Forest growth as a possible cause of soil and<br />
water acidification: an examination of the concepts. Oikos 39: 40-49.<br />
REHFUESS K.E., 1989: Acidic deposition - extent and impact on forest soils, nutrition, growth and<br />
disaase phenomena in Central Europe. Water, Air, and Soil Pollution 48: 1-20.<br />
ROBERTS T. M., R.A. SKEFFINGTON and LW. BLANK, 1989: Gauses of type 1 spruce decline in<br />
Europe. Forestry 62: 179-222.<br />
SCHULZE E.D. and P.H. FREER SMITH, 1991 : An evaluation of forest decline based on fieldobservations<br />
focussed on Norway spruce, Picea abies. Proceedings of the Royal Society of Edinburgh<br />
978: 155-168.<br />
STERBA H., M. MOSER, A. GÄRTNER, G. GLATZEL, K. KATZENSTEINER, E. FÜHRER, D. GRILL,<br />
E. STABENTHEINER, H. HAGER, M. WILLINGER, F. REIMOSER und H. GOSSOW, 1993: Belastungsbewertung<br />
und Sanierungskonzept für stark belastete Waldgebiete des Mühlviertels.<br />
FIW-Forschungsberichte 1 993/2. ÖGWEB, Univ. Bodenkultur Wien, 127- 152.<br />
STÖHR D., 1984: Waldbodenversauerung in Österreich. Veränderung der pH-Werte während der<br />
letzten Dezennien. Forschungsbericht, FIW und Österreichischer Forstverein, Wien, 165 S.<br />
ZECH W. und E. POPP, 1983: Magnesiummangel, einer der Gründe für das Fichten- und Tannensterben<br />
in NO-Bayern. Forstw.Cbl. 102: 50-55.<br />
ZÖTTL H.W. und R.F. HÜTTL, 1986: Nutrient supply and forest decline in Southwest-Germany.<br />
Water, Air, and Soil Pollution 31, 449-462.<br />
ZÖTTL H.W. und E. MIES, 1983: Die Fichtenerkrankung in Hochlagen des Südschwarzwaldes.<br />
AFJZ 154: 110-1 14.<br />
66
67<br />
REVITALISIERUNGSDÜNGUNG VON FICHTENBEST ÄNDEN:<br />
EINFLUSS AUF BODENWASSER UND BAUMERNÄHRUNG<br />
REVITALIZA Tl ON EXPERIMENTS IN NORWA Y SPRUCE STANDS:<br />
EFFECTS ON SOlL SOLUTION AND TREES<br />
K. KATZENSTEINER*, 0. ECKMÜ LLNER**, R. JANDL*, G. GLATZEL*,<br />
H. STERBA**, A. WESSELY und R.F. HÜTTL***<br />
* Institute für Waldökologie, **Institut für Waldwachstumsforschung,<br />
Universität für Bodenkultur Wien, Peter-Jordanstraße 82, A - 1190 Wien<br />
* * *ZALF, Institut für Forstökologie Eberswalde, Dr. Zinn-Weg, D-16225<br />
Eberswalde<br />
SUMMARY<br />
Amelioration of degraded forest ecosystems on acidic substrates showing new type of forest decline<br />
is a major goal of forest management. A number of experiments show positive effects of Mgapplication<br />
to systems suffering from Mg-deficiencies. The current paper compares experiments<br />
conducted in the bohemian massif in Austria where both effects on soil solution chemistry as weil<br />
effects on plant nutrition, vigor and growth were investigated. lt turned out that any Mg-source is<br />
able to improve Mg-nutrition of trees both a neutral salt like KIESERITE as weil as basic magnesite<br />
and dolomite derived materials. A positive reaction of vigor and growth could however only be induced<br />
with basic compounds. Using minerat fertilizers even with high Mg-content induced Mgdeficiencies<br />
and led to nutritional imbalances. Additionally significant N03 - Ieeehing occoured. On<br />
the other hand an organic slow release fertilizer (BACTOSOL *) in combination with magnesite derived<br />
products (BIOMAG**) led to harmonic nutrition and a fast recovery of trees judged on crown<br />
transparency, vigor index and growth rates. 8oth when applying magnesite derived compounds and<br />
combinations with the organic slow release fertilizer N03-- Ieeehing occoured only during first three<br />
years after fertilization and declined to values comparable to unfertilized plots while Mg - content of<br />
soil solution could be elevated compared to control.<br />
KEYWORDS: Norway spruce, forest decline, magnesium deficiency, fertilization.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Die Melioration degradierter Waldökosysteme auf Silikatstandorten ist gegenwärtig ein wichtiges<br />
Ziel der Waldbewirtschaftung. Eine Vielzahl von Experimenten zeigt positive Effekte der<br />
Magnesiumapplikation in Waldökosystemen mit ausgeprägten Magnesiummangelsymptomen. ln dieser<br />
Arbeit werden die Ergebnisse von Düngungsversuchen im Gebiet der Böhmischen Masse verglichen.<br />
Effekte unterschiedlicher Düngungsmaßnahmen auf Bodenwasserchemismus, Pflanzenernährung,<br />
Vitalitätszustand und Zuwachs der Bestände werden verglichen. Die Ergebnisse zeigen, daß<br />
jede Applikationsform von Magnesium sowohl eine Neutralsalzdüngung mit Kieserit als auch die Anwendung<br />
dolomitischer Kalke die Magnesiumernährung der Bestände verbessert. Eine positive Reaktion<br />
von Zuwachs und Vitalitätsmerkmalen kann jedoch nur durch die Anwendung basisch wirkender<br />
Dünger erreicht werden. Die Anwendung leicht löslicher NPK-Mineraldünger verstärkt Magnesiummangelsymptome<br />
und führt zu einer hohen Nitratbelastung der Sickerwässer. Die Kombination<br />
organischer "slow release" Dünger in Kombination mit einem Magnesitprodukt führte zu einer raschen<br />
Regeneration der Bestände und einer harmonischen Ernährung der Bäume. Bei der Anwendung<br />
der Magnesitdünger - sowohl einzeln als auch in Kombination mit dem organischen Dünger -<br />
führte nur in den ersten drei Jahren nach Dü ngung zu erhöhten Nitratgehalten des Sickerwassers.<br />
Während der Magnesiumgehalt der Bodenlösung dauerhaft verbessert wird, sinken die Nitratgehalte<br />
auf das Niveau der Kontrollparzellen ab.<br />
STICHWÖRTER: Fichte, neuartige Waldschäden, Magnesiummangel, Düngung.<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
ÖGWEB (Österr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experim entelle Baumforschung) ISBN 3-900865-06-X.
1 Einleitung<br />
Nährstoffmängel sind verbreitete Degradationssymptome in mitteleuropäischen<br />
Waldökosystemen (Übersicht: Hüttl, 1991 ). Der Einfluß historischer Landnutzungsmethoden<br />
wie Streunutzung, Waldweide, Schneitelung, Holzernte und sogar Feldfruchtbau<br />
in den ersten Jahren nach Kahlschlag führte zu ausgeprägten Bodenversauerungen<br />
und Nährstoffverarmungen sowie zu einer Verschiebung der Artengarnitur<br />
zu anspruchsloseren Spezies (Kreutzer, 1972; Hafner, 1983; Rehfuess, 1981;<br />
Glatze!, 1991). Gegenwärtig ist der Eintrag von Luftschadstoffen eine zusätzliche<br />
Versauerungsquelie. Eine Anzahl von Bodeninventuren zeigt die zunehmende Versauerung<br />
der Waldböden in Mittel und Nordeuropa im Verlauf weniger Jahrzehnte<br />
(z.B. Stöhr, 1984; Falkengran Grerup, 1987; Hallbäcken und Tamm, 1986). Besonders<br />
der Eintrag von Stickstoff führt längerfristig zu Nährstoffimbalanzen<br />
(Niehlgard, 1985; Glatze! et al., 1987; Schulze, 1989; Katzensteiner, 1992). Untersuchungen<br />
von Nebe ( 1991) und Hippelli und Branse ( 1992) zeigen einen klaren<br />
Trend in Richtung steigender N und sinkender Mg-Gehalte in ostdeutschen Fichtenund<br />
Kiefernbeständen. Ein zusätzlicher Effekt einer Stickstoffsättigung kann in der<br />
Zuwachssteigerung mitteleuropäischer Wälder gesehen werden (Röhle, 1985; Eckmüllner,<br />
1988; Kenk und Fischer, 1988; Prezsch, 1989; Sterba, 1992). Andererseits<br />
zeigt sich eine positive Korrelation zwischen Nadelverlusten und Zuwachsverlust<br />
von Fichten (Sterba, 1990).<br />
Waldschadenssymptome wie Nadelvergilbung und Nadelverlust sind häufig mit Magnesiummangel<br />
verbunden (Zech und Popp, 1983; Bosch et al., 1983; Zöttl und<br />
Mies, 1983; Hüttl, 1985; Katzensteiner et al., 1992). Ein niedriges Mg-Angebot im<br />
Boden ist einer der Gründe für diese Magnesiummangelsymptome (Zech et al.,<br />
1985; Liu und Trübi, 1988; Katzensteiner, 1992). Niedrige Mag . nesiumgehalte kommen<br />
in vielen Österreichischen Waldböden auf silikatischem Substrat vor. So zeigt<br />
die Österreichische Waldbodenzustandsinventur (1992L daß zwischen 10 und 20%<br />
der Österreichischen Waldböden unzureichende Magnesiumausstattung besitzen.<br />
Ausgehend von den in Katzensteiner (1994) dargestellten Abhängigkeit der Kronenverlichtungen<br />
von Bodenversauerung, Basensättigung und Magnesiumausstattung<br />
der Böden sollte es möglich sein, über eine gezielte Düngung den Gesundheitszustand<br />
der Waldbestände zu verbessern.<br />
Bereits in der Vergangenheit war Düngung eine akzeptierte Maßnahme zur Melioration<br />
degradierter Waldökosysteme ( Übersicht in Baule und Fricker, 1967; Fiedler et<br />
al., 1973). Kalkung und NPK-Düngung waren die häufigsten Verfahren zur Mobilisierung<br />
saurer Rohhumusauflagen und zur Verbesserung der biologische Aktivität<br />
von Böden. ln der gegenwärtigen Situation, in welcher der N-Eintrag bereits den Bedarf<br />
vieler Waldökosysteme überschreitet, ist es notwendig Strategien zu entwikkeln,<br />
um die negativen Einflüsse von Luftschadstoffen zu kompensieren und eine<br />
zusätzliche Belastung von Siekarwässern hintanzuhalten. ln dieser Arbeit werden<br />
deshalb die Auswirkungen verschiedener Düngungsmaßnahmen auf Bodenwasserchemismus,<br />
Baumernährung und Vitalitätsmerkmale der Bäume verglichen.<br />
68
2 MATERIAl AND METHODEN<br />
2.1 Versuchsflächen<br />
69<br />
Das Untersuchungsgebiet liegt im nordöstlichen Oberösterreich im Bereich der Böhmischen<br />
Masse. Tabelle 1 zeigt die wichtigsten Charakteristika der Versuchsflächen.<br />
Während die Bestände Bärenstein, Sulzberg und Pflegerwiese aus Wiesenaufforstungen<br />
hervorgingen, dürften sich die Bestände am Sulzberg aus Naturverjüngung<br />
nach Kahlschlägen entwickelt haben. Holzkohle in allen Bodenprofilen vom<br />
Viehberg deutet auf das verbreitete Verbrennen von Schlagrückständen in der Vergangenheit.<br />
Streunutzung war in allen Versuchsgebieten bis zum 2. Weltkrieg verbreitet.<br />
Niedrige Vorräte austauschbarer basischer Kationen sind vermutlich auf diese<br />
Landnutzungspraktiken zurückzuführen. Ebenso zeigt die Dominanz von Va ccini<br />
um myrtil/us, A venella flexuosa, Nardus stricta und am Viehberg zusätzlich Calamagrostis<br />
vi/losa die Degradation der Standorte an. Aufgrund der Boden- und Klimaverhältnisse<br />
würde die natürliche Waldgesellschaft auf allen Standorten ein Abietetum<br />
mit einem wechselnden Buchen- und Fichtenanteil bilden. Während am Viehberg<br />
die Fichtenherkünfte an die klimatischen Verhältnisse angepaßt sind, zeigen<br />
alle anderen Bestände ausgeprägte Schneebruchschäden.<br />
2.2 Versuchsdesigns<br />
Tabelle 2 zeigt das Design der Versuche, welche z.T. in unterschiedlichen Jahren<br />
angelegt wurden, Tabelle 3 zeigt die Zusammensetzung der verwendeten Dünger.<br />
Die statistischen Auswertungen wurden unter Verwendung von SAS (SAS-Institute<br />
lnc., 1987) bzw. BMDP (Dixon 1977) Statistikprogrammpaketen durchgeführt.
70<br />
Tabelle 1: Charakterisierung der Versuchsflächen.<br />
Table 1: Site and stand characteristics.<br />
Bärenstein I + Ii Pflegerwiese Sulzberg Viehberg I Viehberg II<br />
Seehöhe (m) 1.000 950 1.000 1.000 1.000<br />
Exposition ESE wsw<br />
Grundgestein Eisgarner Granit Sulzberg Granit Freistädter Granediorit<br />
Boden<br />
0,60% MgO 0,61% MgO 0,71% MgO<br />
0,91% CaO 0,62% CaO 2,73% CaO<br />
Humustyp Moderhumus Moderhumus Moderhumus Rohhumus Rohhumus<br />
Bodentyp Pseudovgl. Pseudovgl. Pseudovgl. Semipodsol Semipodsol<br />
Semipodsol Semipodsol Semipodsol bis Podsol bis Podsol<br />
Mengen: (C, N total, K, Ca, Mg total in der Aufl., BaCI2-austauschbar im Mineralboden) (g.m· 2 )<br />
Auflagehumus<br />
c 3.388 1.732 2.280 4.341 6.407<br />
N 141 90 116 161 239<br />
K 9,8 9,5 8,6 15,5 15,7<br />
Ca 8,8 4,8 2,4 13,6 24<br />
Mg 6,5 7,4 2,6 5,6 5,7<br />
Mineralboden (bis 50 cm Tiefe)<br />
c 17.000 12.350 14.350 9.870 9.515<br />
N 640 770 675 392 343<br />
K 11,9 17,7 12,1 6,9 4<br />
Ca 12 12,1 16,6 9,8 6,6<br />
Mg 4 5,4 4,2 2,8 1,8<br />
Bestand<br />
Alter 81 31 60 130 140<br />
N.hä' 422 1.41 5 837 575 395<br />
Grundflächendichte<br />
[m2.ha-'J 18,1 24,9 33 24,7* 29,4* *<br />
Mitteldurchmesser<br />
[cm] 20,3 15 24,4 21 31,2<br />
Oberhöhe [m] 19 12 18,6 21,2 23,9<br />
Ertragsklasse 3,8 7,7 4,6 5<br />
* Fichte 81 %, Kiefer 17%, Tanne 1%<br />
** Fichte 87%, Kiefer 1%, Tanne 12%
Tabelle 2: Versuchsdesign und Auswertung. Table 2: Experimental design and analysis.<br />
Versuchs<br />
fläche<br />
Design<br />
Varianten<br />
Boden<br />
wasser<br />
Nadeln<br />
Kronen<br />
verlichtung<br />
Zuwachs<br />
Statistische<br />
Auswertung<br />
Bärenstein I<br />
& Pflegerwiese<br />
Randomisiertes Blockdesign; Kleinflächen<br />
( 100 m' rund um Zentralstamm (n. Sterba,<br />
1970, 1978));Bärenstein 11, Pflegerwiese<br />
9 Wiederholungen je Variante.<br />
Düngung im Juni 1987<br />
ungedüngte Kontrolle<br />
Biomag 2000 kg.ha·'<br />
Bactosol 3000 kg.ha·' + Biomag 2000<br />
kg.ha·'<br />
Bärenstein II<br />
Parzellenversuch ( 1 000 m2 je Parzelle)<br />
im unvollständigen lateinischen Qua<br />
drat. 2 Wiederholungen je Variante.<br />
Düngung: Juni 1987<br />
ungedüngte Kontrolle<br />
Mg-Mischkalk 3000 kg.ha·'<br />
Kieserit 500 kg.ha·'<br />
Mg-Mischkalk + Kieserit<br />
3000 + 500 kg.ha·'<br />
Keramik-Saugkerzenlysimeter (Soil moistu- --------------------------------------- --- <br />
re Equ. Corp.) in 30 & 60 cm.<br />
3 Wiederholungen zu 2 Lysimeter und Tie<br />
fenstufe je Variante (nur Bärenstein I)<br />
Herbst 1986, 1988, 1992 vom 7. Wirtel Herbst 1988 vom 7. Wirtel<br />
Makronährstoffe in 1. - 4. Nadeljahrgang Makronährstoffe in 1. - 4. Nadeljahr<br />
Jährliche Ansprache nach Pollanschütz<br />
(1 985)<br />
Laufend: Dendrometer<br />
Stammanalysen: 1992<br />
Höhenzuwachs: letzte 12 Jahre; Stamm<br />
gang von je 5 Bäumen pro Parzelle<br />
scheiben in BHD, 3/ 10 Baumlänge, Kronen am Digitalpositionsmeter<br />
ansatz; Messung der Jahrringbreiten in<br />
4 Positionen (Digitalpositionsmeter<br />
n. Johann ( 1 977))<br />
Kreisflächenzuwächse als quadr. Mittel der<br />
um jährliche Zuw. reduz. Durchmesser.<br />
Volumszuwächse: Schaftkurven nach<br />
Pöytäniemi (1981). Vigor Index nach Mu<br />
lock und Christiansen ( 1982). Kovarianza<br />
nalytische Reduktion der Zuwächse mit Zudelspiegelwerte in einem faktoriellen<br />
wachsraten der letzten fünf Jahre vor Dün Split-Piot-Design (Jahr als Split-Piot<br />
gung, nach Sterba ( 1978). Varianzanalyti<br />
sche Auswertung der Zuwächse, Vigor In<br />
dizes und Nadelspiegelwerte als Split-Piot<br />
Design mit Jahr nach Versuchsanlage als<br />
Split-Piot-Faktor sowie multiple<br />
Mittelwertsvergleiche<br />
Jährliche Ansprache nach Poilan<br />
schütz ( 1985) ab 1988<br />
2 Bohrkerne im BHD von je 5 Bäumen<br />
I Parzelle im Jahr 1992. Messung der<br />
Jahrringbreiten der letzten 1 2 Jahre<br />
Kovarianzanalytische Reduktion der<br />
Kreisflächenzuwächse 1987 - 1992<br />
mit Hilfe der errechneten Kreisflächen<br />
zuwächse 1981 - 1986.<br />
Varianzanalyse der Zuwächse und Na<br />
Faktor f. Zuwachs, bzw. Nadelalter f.<br />
Nadelspiegelwerte)<br />
Sulzberg<br />
Randomisiertes 81ockdesign;<br />
Kleinflächen (200 m2 rund um<br />
Zentralstamm (n. Sterba,<br />
1970, 1 978)); 10 Wiederholun<br />
gen je Variante.<br />
Düngung im Juni 1989<br />
ungedüngte Kontrolle<br />
Biomag RK 2200 kg.ha·'<br />
Biomag KR 2200 kg.ha·'<br />
Biomag K 1900 kg.ha·'<br />
Wie Bärenstein I<br />
Jährlich Makronährstoffe in 1 . -<br />
3. Nadeljahrgang (7. Wirtel)<br />
Viehberg I und II<br />
Parzellenversuch ( 1 200 m' je Parzelle)<br />
mit 4 Wiederholungen je Variante.<br />
Randomisiertes Blockdesign.<br />
Düngung: Juni 1991<br />
ungedüngte Kontrolle<br />
Biomag KR 2000 kg.ha·'<br />
Bactosol 2000 kg.ha·'<br />
NPK 1000 kg.ha·'<br />
Biomag KR+ Bactosol je 2000 kg.ha·'<br />
Biomag KR + NPK 2000 + 1000 kg.ha·'<br />
Saugkerzenlysimeter in 15, 30 und<br />
60 cm Bodentiefe; 14-tägige<br />
Probenahme<br />
Jährlich Makronährstoffe in<br />
1 . Nadeljahrgang<br />
Jährliche Ansprache nach Pollan- Jährliche Ansprache nach Poilan-<br />
schütz (1985) schütz (1985)<br />
Laufend: Dendrometer<br />
Varianzanalytische Auswertung<br />
wie Bärenstein I; nur bei Kreisflä<br />
chenzuwächsen aus Dendrome<br />
teruntersuchungen dient BHD als<br />
Kovariate<br />
Nur Ausgangssituation: BHD- und Hö<br />
henmessung in Probekreisen (r = 20 m)
Tabelle 3: Zusammensetzung der Dünger.<br />
Table 3: Garnposition of the fertilizers.<br />
BIOMAG* (Reg. Handelsname für eine Produktgruppe der Veitsch-Radex AG. Die Produkte werden<br />
durch Kaustifizierung von Rohmagnesit hergestellt. MgO (33% Mg in der kaustischen, 21% in der<br />
Carbonatischen Komponente) dient als leicht löslicher, rasch wirksamer Dünger. Das Produkt wird<br />
mit 10% BIOSOL vermischt und granuliert in den Handel gebracht).<br />
carbonat. M. % kaust. M% BIOSOL %<br />
BIOMAG 10 81 9<br />
BIOMAG RK 63 27 10<br />
BIOMAG KR 27 63<br />
10<br />
BIOMAG K 0 90<br />
10<br />
BIOSOL * und BACTOSOL * (Organische 'slow release' Dünger der Biochemie Ges.m.b.H. Kund!)<br />
organische Substanz %<br />
org . gebundener N %<br />
P (als Pz05l %<br />
K (als K20) %<br />
Mg (als MgO) %<br />
72<br />
BIOSOL BACTOSOL<br />
80 50-75<br />
6-7 6-9<br />
1-2<br />
3-4<br />
0,5-2,5<br />
NPK Mineraldünger 15:5:18+2,5 (N:P205:K20+Mg0)<br />
< 5 (durchschn. 3)<br />
2-5<br />
0,5-2,5<br />
Magnesiamischkalk (teilweise kaustifizierter Dolomit, 40% Kausteranteil, mind. 15 % MgO)<br />
3 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
3. 1 Elementkonzentrationen in der Bodenlösung<br />
Abbildung 1 zeigt die mittleren jährlichen Konzentrationen vorherrschender Kationen<br />
und Anionen in den Bodenlösungen der Flächen Bärenstein I, Sulzberg und<br />
Viehberg. Obwohl eine ausgeprägte Fluktuation der Gehalte von Jahr zu Jahr innerhalb<br />
der Kontrollparzellen existiert, erkennt man signifikante Differenzen zwischen<br />
gedüngten und ungedüngten Parzellen. Die Mg 2 + -Konzentrationen in den Bodenlösungen<br />
der Kontrollparzellen waren auf allen Flächen extrem niedrig und konnten in<br />
allen Behandlungsvarianten - abhängig vom MgO-Gehalt der Dünger - deutlich gesteigert<br />
werden. Die AI10101-Gehalte in der Bodenlösung nahmen auf den Biomag Kgedüngten<br />
Flächen signifikant ab. Das Mg 2 + /AI10101-Verhältnis konnte in allen<br />
Biomag-behandelten Flächen verbessert werden. Während mit einem Kaustermagnesitanteil<br />
bis zu 70 % keine besonders erhöhte Nitratauswaschung erfolgte, wurden<br />
in der Biomag K-Variante die Nitratgehalte der Bodenlösung deutlich gesteigert.<br />
Vier Jahre nach Düngung sanken die N03--Gehalte allerdings bereits auf das Niveau<br />
der Kontrolle ab.<br />
Die Verwendung eines organischen Düngers führte im zweiten Jahr nach Düngung<br />
zu einer deutlichen Nitratmobilisierung. Die durch Mineralisation verursachte Versauerung<br />
wird durch Al-Verbindungen kompensiert. Die Nitratmobilisierung konnte
73<br />
durch Kombination mit einem pH-stabi!isierenden Magnesitdünger vermindert werden.<br />
Vier Jahre nach Düngung liegen die Nitratgehalte der Bodenlösung bereits im<br />
Bereich der Kontrollvarianten. Entweder ist eine verbesserte Aufnahme in die Vegetation<br />
(siehe Zuwachseffekte) oder die mikrobielle Biomasse für diesen positiven Effekt<br />
verantwortlich.<br />
1,5<br />
0,5<br />
Baerenstein I 1987 - 1992<br />
1 rnca 0 Mg BAi<br />
0������--�<br />
������������<br />
-0,5 -<br />
·1<br />
-1,5<br />
2,5<br />
2<br />
KONTROLLE BIOMAG<br />
Sulzberg 1989 - 1992<br />
Viehberg 1991 - 1992<br />
1,5 [TI Ca 0 Mg §Al<br />
1<br />
0,5<br />
-0,5<br />
O �Hä�--� ���<br />
-1 T<br />
1 iSl S04<br />
-1,5 .<br />
KONTROLLE<br />
-2<br />
I<br />
-2,5 BIOMAG KR<br />
BACTOSOL<br />
NPK<br />
Elementgehalte in der Bodenlösung [mmol eq.r�<br />
BACTOSOL+<br />
BIOMAG<br />
BIOMAG KR +<br />
BACTOSOL<br />
Biomag KR +<br />
NPK<br />
Abbildung 1: Elementkonzentrationen in den Bodenlösungen während der Vegetationsperioden.<br />
Figure 1: Element concentra tions in soil solutions during vegetation periods.
74<br />
Ein leicht löslicher NPK-Mineraldünger wurde beinahe unmittelbar nach der Ausbringung<br />
zu einem großen Teil ausgewaschen (Viehberg). Obwohl die Magnesiumgehalte<br />
der Bodenlösung in der ersten Vegetationsperiode nach Düngung anstiegen,<br />
wurde anscheinend das meiste Mg 2 + ausgewaschen. Die Mg 2 + -gehalte der Bodenlösung<br />
konnten nur durch eine Kombination mit Biomag stabilisiert werden.<br />
Die Ergebnisse stimmen mit den Resultaten anderer Autoren überein. Schaaf<br />
(1 992) konnte die Mg 2 + -Gehalte der Bodenlösung sowohl durch die Anwendung<br />
von Kaustermagnesit als auch durch Mg(OH) 2 anheben. Auch in seinen Versuchen<br />
war nur im ersten Jahr nach Düngung eine Erhöhung der Nitratkonzentrationen zu<br />
beobachten. Andererseits induzierten Kreutzer und Schier! (1 992) eine extreme Nitratauswaschung<br />
durch Kalkung eines bereits stickstoffgesättigten Fichtenbestandes.<br />
Kaupenjohann ( 1992) erzielte eine Steigerung der Mg 2 + -Gehalte der Bodenlösung<br />
und eine Anhebung der Mg 2 + /Aitotai-Verhältnisse durch dolomitische Kalkung.<br />
Eine Kieseritbehandlung führte in diesen Versuchen zu einer geringeren Verbesserung<br />
dieser Parameter als eine Kalkung. Allerdings lag das meiste Altetal in Form von<br />
AIS04 + vor, welches bei weitem weniger phytotoxisch wirkt als Al 3 + (Nobel et al.,<br />
1988). Feger ( 1 992) beschreibt eine Al 3 + -Mobilisierung durch Kieseritdüngung, wobei<br />
auch in seinen Versuchen das Verhältnis von Mg 2 + zu toxischen Al-Formen<br />
abnahm.<br />
3.2 Elementgehalte der Nadeln<br />
Tabelle 4 zeigt die Ergebnisse der Nadeluntersuchungen. Zur Beurteilung der Gehalte<br />
wurden die von Hüttl (1 986) angegebenen Grenzen (Mangel: N < 1 3, P< 1.1,<br />
K
75<br />
Tabelle 4: Auswirkung der Düngung auf Nadelspiegelwerte [mg/g TM] (ANOVA & Duncan test).<br />
Table 4: Effects of fertilization on tree nutrftion [mg/g dm] (A NOVA & Duncan test).<br />
Beerenstein I 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992<br />
I'J {effect of treatment: ns., treatment•year: nsJ<br />
CONTROL 14,1 a 15,8 a 15,4 a 14,0 a 11,7 a 11,5 a<br />
BIOMAG 13,6 a 15,3 a 13,9 b 12,6 b 10,4 a 11,2 a<br />
BIOSAGT 13,8 a 16,3 a 12,6 b 13,3 ab 11,2 a 11,8 a<br />
P{effect of treatment: p < 0,001, treatment •year: p < 0, 1}<br />
CONTROL 1,40 a 1,86 a 1,84 a 1,62 a 1,60 ab 1,45 a<br />
BIOMAG 1,39 a 1,79 a 1,69 a 1,53 a 1,41 b 1,38 a<br />
BIOBACT 1,38 a 2,03 a 1,98 a 1,68 a 1,80 a 1,59 a<br />
K {effect of treatment: p < 0,05, treatment •year: p < 0, 1}<br />
CONTROL 5, 18 a 5,71 b 7,04 b 6,80 ab 6,77 ab 1,45 a<br />
BIOMAG 5,30 a 6,24 b 6,73 b 5,74 b 5,50 b 1,38 a<br />
BIOSAGT 6,04 a 8,31 b 8,61 a 6,91 a 7,12 a 1,59 a<br />
Ca {effect of treatment: p < 0,001, treatment•year: nsJ<br />
CONTROL 0,95 a 2,13 b 1 '14 b 1,20 b 0,91 c 1,22 b<br />
BIOMAG 0,89 a 2,66 ab 2,08 a 2,17 a 1,58 b 2,55 a<br />
BIOSAGT 1,09 a 3,22 a 2,49 a 2,52 a 2,52 a 3,07 a<br />
Mg {effect of treatment: p < 0,001, treatment•year: ns}<br />
CONTROL 0,58 a 0,57 a 0,66 b 0,65 b 0,61 b 0,56 b<br />
BIOMAG 0,50 a 0,60 a 0,98 a 1,06 a 1,04 a 1,11 a<br />
BIOBACT 0, 56 a 0,64 a 1,00 a 1,00 a 1,15 a 1,11 a<br />
Pfleserwiese 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992<br />
I'J {effect of treatment: p < 0,05, treatment •year: p < 0,05}<br />
CONTROL 13,8 a 15,7 b 14,9 a 15,5 a 15,0 a 13,8 a<br />
BIOMAG 13,8 a 15,8 b 14,4 a 14,3 a 13,8 a 13,0 a<br />
BIOBACT 13,5 a 16,7 b 15,3 a 15,4 a 13,8 a 13,1 a<br />
P {effect of treatment: ns, treatment •year: p < 0,001}<br />
CONTROL 1,20 a 1,49 a 1,62 a 1,41 b 1,60 a 1,38 a<br />
BIOMAG 1,31 a 1,64 a 1,61 a 1,48 b 1,71 a 1,30 a<br />
BIOBACT 1,23 a 1,69 a 1,77 a 1,67 a 1,78 a 1,31 a<br />
K {effect of treatment: p < 0,001, treatment •year: p < 0,01}<br />
CONTROL 3,73 a 5,43 b 5,33 a 4,91 a 6,73 a 5,35 a<br />
BIOMAG 3,86 a 5,20 b 5,17 a 4,13 a 5,19 a 3,95 b<br />
BIOBACT 3,77 a 6,79 a 6,07 a 5,48 a 6,14 a 4,78 ab<br />
Ca {effect of treatment: p < 0,001, treatment •year: ns}<br />
CONTROL 1,08 a 2,34 b 1,48 b 1,59 b 1 '15 b 1,41 b<br />
BIOMAG 1,06 a 3,70 a 2,66 a 2,79 a 2,50 a 2,10 a<br />
BIOBACT 1,36 a 3,81 a 2,83 a 3,07 a 2,69 a 2,34 a<br />
Mg {effect of treatment: p < 0,001, treatment *year: p < 0,05}<br />
CONTROL 0,33 a 0,42 b 0,49 c 0,50 b 0,44 b 0,47 b<br />
BIOMAG 0,38 a 0,71 a 1,24 a 1,24 a 0,89 a 1,10 a<br />
BIOBACT 0,37 a 0,69 a 0,97 b 1,08 a 0,94 a 1,13 a<br />
Beerenstein II ( 1989)<br />
I'J {eff. of Lime: n.s., P {eff. of l.ime: n.s., K {eff. of lfme: n.s., Ca {eff. l.: p < 0,001, Mg feff. l.: p < 0,001,<br />
eff. of Kieserite: n.s.} eff. of Kieserite: n.s.} eff. of Kieserite: n.s.} eff. of Kies p < 0.05} elf. of Kies p < 0.05}<br />
CONTROL 13,8 a 1,66 a 6,8 a 1,43 b 0,67 a<br />
KIESERITE 13,8 a 1,71 a 5,36 a 2,05 ab 0,91 a<br />
Mg-LI ME 13,8 a 1,71 a 6,20 a 2,62 a 0,94 a<br />
KIES +LIME 13,9 a 1,83 a 6,35 a 2,52 a 1,05 a
Sulzbera 1989 1990 1991 1992 1989 1990 1991<br />
IV: lEtfeet of treatment: ns., Ca: lEtfeet of treatment: p < 0.001,<br />
effect of year*treatment: p < 0.001) effect of year•treatment: p < 0.001)<br />
CONTROL 14,7 a 13,3 a 12,8 a 14,83 a 1,85 a 1,83 a 1,23 a<br />
BIOMAG RK 14,9 a 13,5 a 13,2 a 13,37 a 1,81 a 2,25 a 1,99 a<br />
BIOMAG KR 15,5 a 13,7 a 13,1 a 13,18 a 1,57 a 2,23 a 1,85 a<br />
BIOMAG K 15,5 a 13,9 a 13,4a 13,91 a 1,82 a 2,24 a 1,80 a<br />
P: (Effect of treatment: ns., Mg: (Effect of treatment: p < 0.001.,<br />
effeet of year*treatment: ns) effect of year•treatment: p < 0.001)<br />
76<br />
CONTROL 1,78 a 1,80 a 1,81 a 1,89 a<br />
BIOMAG RK 1,77 a 1,67 a 1,48 a 1,54 ab<br />
BIOMAG KR 1,77 a 1,64 a 1,69 a 1,45 b<br />
BIOMAG K 1,80 a 2,73 a 1,63 a 1,56 ab<br />
K: (Effect of treatment: ns., eff. of year*treatment: p < 0.001)<br />
CONTROL 7,59 a 7,17 a 6,65 a 6,65 a<br />
BIOMAG RK 8,08 a 7,11 a 6,23 a 6,48 a<br />
BIOMAG KR 7,45 a 6,46 a 6,69 a 5,30 a<br />
BIOMAG K 7,31 a 6,63 a 7,36 a 5,59 a<br />
Viehberg V1 1991 V1 1992 V2 1991 V2 1992<br />
0,64 a 0,68 a<br />
0,67 a 0,85 a<br />
0,63 a 0,76 a<br />
0,64 a 0,90 a<br />
IV (Effeet of site: p < 0.001, treatment: p < 0.001, site *treatm.: p < 0,01, year*treatm.: ns, year*site: ns)<br />
CONTROL 12,4 bc 12,2 b 13,3 c 13,7 a<br />
BIOMAG 11 ,8 c 12,0 b 14,6 ab 13,8 a<br />
BACTOSOL 13,8 ab 14,4 a 15,4 a 15,6 a<br />
NPK 14,0 ab 13,4 ab 15,6 a 15,1 a<br />
BIO+ BACT 12,2 bc 12,7 ab 15,6 a 15,0 a<br />
BIO +NPK 14,4 a 14,3 a 14,3 ab 13,9 a<br />
P (Effeet of site: ns, treatment: ns, site *treatm.: ns., year*treatm.: p < 0,01, year*site: ns.)<br />
CONTROL 2,13 a 1 ,97 a 1 ,92 a 1 ,85 a<br />
BIOMAG 2,01 a 1,85 a 2,10 a 1,81 a<br />
BACTOSOL 2,22 a 2,02 a 2,15 a 1,88 a<br />
NPK 2,01 a 1,80 a 2,10 a 2,07 a<br />
BIO+ BACT 2,00 a 1,82 a 2,15 a 1,91 a<br />
BIO+ NPK 2,19 a 2,05 a 2,10 a 1 ,98 a<br />
K IEffect of site: ns, treatment: ns, site •treatm.: ns, year*treatm:p < 0,05, year*site: ns.)<br />
CONTROL 6,10a 5,58 d 7,46 a 7, 13 a<br />
BIOMAG 6,48 a 6,61 cd 7,15 a 6,85 a<br />
BACTOSOL 7,60 a 7,40 bc 8,08 a 7,89 a<br />
NPK 6,99 a 8,97 a 6,35 a 8, 10 a<br />
BIO + BACT 6,95 a 7,83 abc 6,43 a 8,50 a<br />
BIO +NPK 7,02 a 8,70 ab 8,50 a 7,96 a<br />
Ca (Effect of site: ns, treatment: ns, site•treatm.: ns, year*site: ns, year*treatm.: p < 0,01)<br />
CONTROL 1,59 a 1,91 a 1,64 a 1,90 a<br />
BIOMAG 1,61 a 2,21 a 1,68 a 2,24 a<br />
BACTOSOL 1,80 a 1,89 a 1,88 a 2,12 a<br />
NPK 1,69 a 1,91 a 2,21 a 2,07 a<br />
BIO + BACT 1,61 a 2,37 a 1,83 a 2,72 a<br />
BIO + NPK 1,81 a 2,29 a 2,02 a 2,18 a<br />
Mg (Effect of site: p < 0,01, treatment: ns, site *treatm.: ns, year*site: p < 0,05, year*treatm: p < 0,001)<br />
CONTROL 1,09 a 0,90 a 0,83 a 0,63 a<br />
BIOMAG 0,97 a 1,08 a 0,90 a 0,81 a<br />
BACTOSOL 0,98 a 0,71 a 1,06 a 0,70 a<br />
NPK 0,96 a 0,64 a 1,02 a 0,56 a<br />
BIO + BACT 0,91 a 0,91 a 1,02 a 0,73 a<br />
BIO + NPK 1,16 a 0,85 a 1,00 a 0,55 a<br />
0,49 a<br />
0,73 ab<br />
0,88 a<br />
0,94 a<br />
1992<br />
1,85 a<br />
2,28 a<br />
2,02 a<br />
2,31 a<br />
0,57 b<br />
1,08 a<br />
1,18 a<br />
1,17 a
Tabelle 5: Zuwachs und Vigor-Index.<br />
Table 5: Gro wth and vigor index.<br />
Baerenstein I<br />
1987 1988<br />
77<br />
1989 1990 1991<br />
Mittlerer Kreisflächenzuwachs je Baum [cm'J und relativer Zuwachs im Vergleich zur Kontrolle in Klammer<br />
ANOVA: Effect of treatment p < 0,001, of treatment *year p< 0,001<br />
CONTROL 19 21 20<br />
BIOMAG 19 (0) 20 (-5) 25 (25)<br />
BIO BACl'. 18 (-5) 24 (14) 31 (55)<br />
21<br />
28 (33)<br />
55 (67)<br />
Valumszuwachs je Baum [dm 'J und relativer Zuwachs im Vergleich zur Kontrolle in Klammer<br />
ANOVA: Effect of treatment p < 0,001, of treatment*year p < 0,001<br />
CONTROL 26 30 28<br />
BIOMAG 26 (0) 30 (0) 33 (18)<br />
BIO BACT 26 (0) 35 (17) 42 (50)<br />
Vigorindex am Kronenansatz<br />
CONTROL<br />
BIOMAG<br />
BIO BACT<br />
Pflegerwiese<br />
31<br />
37 (19)<br />
45 (45)<br />
16<br />
24 (50)<br />
28 (75)<br />
24<br />
32 (33)<br />
38 (58)<br />
Mittlerer Kreisflächenzuwachs je Baum [cm'J und relativer Zuwachs im Vergleich zur Kontrolle in Klammer<br />
ANOVA: Effect of treatment p < 0, 1, of treatment •year p < 0,01<br />
CONTROL 9 12 12<br />
BIOMAG 8(-1 1) 14 (17) 16 (33)<br />
BIO BACT 9 (0) 15 (25) 19 (58)<br />
12<br />
17 (42)<br />
19 (58)<br />
Votumszuwachs je Baum [dm 'J und relativer Zuwachs im Vergleich zur Kontrolle in Klammer<br />
ANOVA: Effect of treatment p < 0,01, of treatment*year p < 0,001<br />
CONTROL 9 12 11<br />
BIOMAG 8 (-1 1) 13 (8) 15 (36)<br />
BIO BACT 9 (0) 16 (33) 18 (64)<br />
Vigorindex am Kronenansatz<br />
CONTROL<br />
BIOMAG<br />
BIO BACT<br />
Baerenstein II<br />
10<br />
16 (60)<br />
18 (80)<br />
9<br />
13 (44)<br />
14 (56)<br />
8<br />
13 (63)<br />
15 (88)<br />
Mittlerer Kreisflächenzuwachs je Baum [cm 'J und relativer Zuwachs im Vergleich zur Kontrolle in Klammer<br />
ANOVA: Effect of Kieserite ns., of Mg·lime: p < 0, 1, of year*Kieserite: ns, of year*Mg·lime: p < 0.001<br />
CONTROL 15,8 20,3 21,7 20,9 16,2<br />
KIESERITE 15,3 (-3) 17,9 (-12) 18,1 (-17) 21,1 (1) 17,9 (10)<br />
MG-LIME 14,9 (-6) 17,9 (-1 2) 21,5 (-1) 25,6 (22) 21,7 (34)<br />
KIES + LIME 15,4 (-3) 20, 1 (-1) 25 (15) 29,3 (40) 23 (42)<br />
Sulzberg<br />
Mittlerer Kreisflächenzuwachs je Baum [cm2/ und relativer Zuwachs im Vergleich zur Kontrolle in Klammer<br />
ANOVA: no significant effects<br />
CONTROL 19,8 21,1 47,1 67,3<br />
BIOMAG RK 21 20,9 52,4 69,5<br />
BIOMAG KR 17,5 17,7 51,3 77,4<br />
BIOMAG K 18,5 18,4 45,6 66,3<br />
1992<br />
21<br />
26 (24)<br />
20 (38)<br />
28<br />
33 (18)<br />
37 (32)<br />
3,36<br />
4,65<br />
5,23<br />
11<br />
17 (55)<br />
17 (55)<br />
10<br />
16 (60)<br />
18 (80)<br />
6,21<br />
7,39<br />
9,1 1<br />
19,2<br />
20,0 (4)<br />
24,9 (30)<br />
26,3 (37)
78<br />
Ein leicht negativer Effekt der Biomag und der Kieseritdüngung auf die K-Ernährung<br />
war zwar zu beobachten, da aber das K-Angebot der Böden ausreichend ist, kam<br />
es zu keinen ausgesprochenen Engpässen. Die P-Ernährung war auf allen Flächen<br />
ausreichend. Die NPK-Düngung führte im Versuch Viehberg zu einer Abnahme der<br />
Mg-Gehalte der Nadeln. Korrelationsanalysen mit den Elementgehalten der Bodenlösung<br />
zeigten einen positiven Einfluß der Mg 2 +-Gehalte der Bodenlösung (r = 0.64*),<br />
während K + einen antagonistischen Effekt (r = -0.62) auf die Mg-Gehalte der Nadeln<br />
ausübt. Der negative Einfluß von NH4 + war nicht signifikant. Die Möglichkeit eines<br />
durch NPK-Düngung induzierten Mg-Mangels beschreibt bereits Hüttl (1990).<br />
3.3 Zuwachs und Vitalität<br />
Tabelle 5 zeigt die Auswirkung der Düngung auf Zuwächse und Vigor-Indizes. Sowohl<br />
im Versuch Bärenstein I als auch im Versuch Pflegerwiese war der Düngungseffekt<br />
auf Kreisflächen- und Valumszuwachs signifikant. Es zeigte sich, daß die Zuwachssteigerung<br />
im dritten Jahr nach Düngung einsetzte und bis zum Ende des Experiments<br />
anhielt. Die Kombination von Bactosol und Biomag führte zur stärksten<br />
Zuwachssteigerung, besonders im jungen Bestand. Ebenso reagierte der Vigor<br />
Index am Kronenansatz in beiden Versuchen.<br />
Im Versuch Bärenstein II konnte nur der signifikante Einfluß von Magnesiamischkalk<br />
auf die Zuwächse abgesichert werden. Die Kieserit-Applikation hatte keine oder sogar<br />
negative Auswirkungen auf die Kreisflächenzuwächse, während die Kombination<br />
von Kalk und Kieserit eine ähnliche Zuwachssteigerung wie Biomag (Bärenstein<br />
I) bewirkte. Der fehlende Effekt der Düngung im Sulzbarg-Versuch kann ein<br />
Artefakt der kovarianzanalytischen Beziehung der Zuwächse auf den Ausgangs<br />
BHD darstellen. Endgültige Aussagen können hier erst nach Ermittlung der Zuwächse<br />
vor Düngung getroffen werden.<br />
3.4 Zusammenhänge zwischen Mg-Ernährung und Erholung der Bestände<br />
Abbildung 2 zeigt den Mechanismus einer Bestandesrevitalisierung anhand der<br />
Bärenstein-Versuche:<br />
Nach der Düngung nehmen die Magnesiumgehalte der Nadeln stetig zu. Fink<br />
( 1 992) zeigte, daß die Kohlenstoffallokation stark von der Mg-Ernährung abhängig<br />
ist. Magnesiummangel führt zu einem Phloemkollaps in den Nadeln und verstärkter<br />
Kohiehydratakkumulation. Eine Verbesserung der Ernährung führt zu einer Regeneration<br />
der Siebzellen und somit zu einer Verbesserung des Kohlehydrattransportes<br />
zu Stamm und Wurzeln - sicher ein zuwachsregulierender Faktor. Allerdings konnte<br />
durch die Neutralsalzdüngung keine Zuwachssteigerung und Verminderung der Kronenverlichtung<br />
bewirkt werden, obwohl die Mg-Gehalte der Nadeln deutlich angehoben<br />
wurden. Wie in Katzensteiner (1994, dieser Band) gezeigt werden konnte,<br />
hängt der Mg-Gehalt der Nadeln hauptsächlich vom Mg-Gehalt der Bodenlösung ab,<br />
während die Kronenverlichtung maßgeblich vom Boden-pH-Wert beeinflußt wird.<br />
Neben besseren Wuchsbedingungen für Feinwurzeln durch engere Ca/ Al- bzw.
79<br />
Mg/Al-Verhältnisse in der Bodenlösung dürfte die erhöhte mikrobielle Aktivität und<br />
die dadurch bedingte Nährstofffreisatzung aus dem Auflagehumus in den Kalkungsvarianten<br />
für das verbesserte Wachstum verantwortlich sein. Der insgesamt höchste<br />
Nährstoffeinbau in die oberirdische Biomasse erfolgte in der harmonischen Bactosol<br />
+ Biomag-Düngungsvariante. Sowohl die Volumszuwächse als auch die Nadelmassen<br />
(geschätzt aus dem Verlichtungsgrad) reagierten positiv auf die Düngung,<br />
während die Gehalte an basischen Kationen zu Versuchsende in einem optimalen<br />
Bereich lagen. ln diesem Fall fungiert der organische Dünger als eine langsam<br />
fließende Nährstoffquelle - ein Effekt, der auch bereits auf karbonatischem Ausgangsmaterial<br />
festgestellt wurde (Glatze! et al., 1990/91).<br />
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Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Mg-Ernährung, Kreisflächenzuwachs und<br />
Kronenverlichtung.<br />
Figure 2: Relation between magnesium nutrition, basal area gro wth and cro wn<br />
transparancy.
4 SCHLUSSFOLGERUNGEN<br />
80<br />
Viele natürliche Waldökosysteme haben sich unter Bedingungen entwickelt, unter<br />
denen die N-Versorgung der limitierende Faktor für die Baumernährung war. Eine<br />
Änderung dieser Situation ergab sich in den letzten Jahrzehnten, in denen durch die<br />
Basenverarmung von Waldböden als Folge des Eintrages von Säuren und Säurebildnern<br />
sowie durch die zunehmende Stickstoffeutrophierung Elemente wie Mg zunehmend<br />
in den Mangelbereich gerieten. Die Ergebnisse deuten auf eine kombinierte<br />
negative Wirkung von Magnesiummangel und Bodenversauerung auf Nährstoffkreisläufe<br />
und Baumwachstum hin. Eine Bodenmelioration kann daher zur Therapie<br />
von Nährstoffungleichgewichten auf saurem Ausgangssubstrat eingesetzt werden.<br />
Dabei können folgende Schlußfolgerungen für die Praxis gezogen werden:<br />
- Jede Magnesiumapplikation bei Mg-Mangel führt zu einer Steigerung der<br />
Mg-Nadelspiegelwerte.<br />
- Ohne eine ausreichende Stabilisierung des Boden-pH-Wertes ist eine Düngung auf<br />
sauren Böden nicht effizient.<br />
Rasch lösliche NPK-Mineraldünger sind im Hinblick auf Grundwasserschutz in<br />
sensiblen Gebieten eher zu vermeiden.<br />
- Eine Kombination organischer "slow release"-Dünger mit einem pH-stabilisierenden<br />
Magnesitprodukt zeigt die besten Resultate im Hinblick auf Baumernährung<br />
und Zuwachs. Eine Anwendung soll im Hinblick auf die Nitratproblematik<br />
nicht zu großflächig erfolgen.<br />
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82
83<br />
REVITALISIERUNGSDÜNGUNG VON FICHTENBESTÄNDEN:<br />
EINFlUSS AUF MIKROBIEllE UMSETZUNGSPROZESSE UND BIOMASSE<br />
REVITALIZA TION EXPERIMENTS IN NORWA Y SPRUCE STANDS:<br />
THE INFL UENCE ON MICROBIA L BIOMA SS AND TURNOVER PROCESSES<br />
* * *<br />
Herbart INSAM I Kurt HASElWANDTER I Michael BERRECK I<br />
**<br />
Brigitte GIRSCHICK , Sophie ZECHMEISTER-BOl TENSTERN<br />
* Institut für Mikrobiologie, Universität lnnsbruck<br />
Technikerstraße 25, A - 6020 lnnsbruck<br />
* * Institut für Pflanzenphysiologie, Universität Wien<br />
Althanstr. 14, A- 1090 Wien<br />
* * * Bundesanstalt für Bodenwirtschaft, Denisgasse 31-33,<br />
A- 1200 Wien<br />
SUMMARY<br />
in a severely damaged Norway Spruce stand in the Bohemian Massif (Austrial a fertilization trial<br />
with different organic and inorganic fertilizers was established. ln the course of the first two years,<br />
highly elevated NH4 + and N03 " contents in the soil water were found due to mineral fertilizer<br />
(Vollkorn) and an organic fertilizer !Bactoso!). However, the effect of the fertilizers on the soil<br />
microbiota and activity (basal respiration, litter decomposition, N-mineralizationl was weak. While<br />
Bactosol resulted in slightly decreased microbial biomass, magnesite fertilizers (ßiomag, Biobact,<br />
Biovoll) resulted in slightly higher activities than non-magnesite fertilizers. Vollkorn and Bactosol<br />
led to a decrease of urease and arylsulfatase, while xylanase and phosphatase were elevated for<br />
Bactosol treated soils. Two years of observation, however, are too short to draw final conclusions.<br />
KEYWORDS: Microbial biomass, soil, forest, fertilization, organic fertilizers, enzymes, respiration,<br />
nitrification.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Im Rahmen eines Meliorationsversuches in einem stark immissionsgeschädigten Fichtenwald wurden<br />
verschiedene organische und mineralische Düngemittel auf deren Wirkungen auf mikrobiologische<br />
und enzymatische Bodenparameter untersucht. Im Laufe der zweijährigen Untersuchungen<br />
konnten deutliche Wirkungen auf die Gehalte an mineralischem Stickstoff (NH 4 + und N0 3 "l<br />
gefunden werden, wobei vor allem die Varianten mit Mineraldünger oder Bactosol eine Erhöhung<br />
dieser Ionen in der Bodenlösung bewirkten. Die mikrobielle Biomasse und mikrobielle Aktivitäten<br />
(Streuabbau, Atmung, Nitrifikation) wurden jedoch nur geringfügig beeinflußt, wobei vor allem eine<br />
kurzfristige Depression der Biomasse durch Bactosol hervorzuheben ist. Ein leicht positiver Einfluß<br />
auf Biomasse und Basalatmung wurde für die Magnesitvarianten gefunden. Vollkorn und Bactosol<br />
bewirkten eine Erniedrigung der Aktivität von Urease und Arylsulfatase, während Xylanase- und<br />
Phosphataseaktivitäten durch Bactosol gesteigert wurden. Sowohl aus bodenbiologischer als auch<br />
aus bodenenzymatischer Sicht bleibt abzuwarten, wie sich die Reaktionen langfristig entwickeln,<br />
um endgültige Schlüsse ziehen zu können.<br />
STICHWÖ RTER: Mikrobielle Biomasse, Boden, Wald, Düngung, organische Düngemittel, Enzyme,<br />
Atmung, Nitrifikation.<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
6GWEB i6sterr. Ges. f. Wa ldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung) ISBN 3-900B65-06-X.<br />
***
1 EINlEITUNG<br />
Meliorationsmaßnahmen können das Gleichgewicht mikrobieller Prozesse im<br />
Boden stören und zu unerwünschten Folgen führen, wie z.B. Nitratverlagerungen<br />
ins Grundwasser. Das Ziel des vorliegenden Projektteils war qualitative und quantitative<br />
Auswirkungen auf die N-Freisetzungsdynamik verschiedener Dünger sowie<br />
mikrobielle Prozesse und Biomasse zu untersuchen, um damit mögliche Gefährdungen<br />
des Ökosystems bzw. Grundwassers frühzeitig zu erkennen.<br />
2 MATERIAL UND METHODEN<br />
2.1 Versuchsflächen und -varianten<br />
Die untersuchten Standorte und die verwendeten Düngervarianten wurden ausführlich<br />
von Katzeosteiner et al. (1994) beschrieben. Die bodenmikrobiologischen<br />
Untersuchungen wurden mit Ausnahme der Streuabbauuntersuchungen nur auf<br />
der Fläche Viehberg 1 durchgeführt. Neben einer Kontrollvariante wurden Biomag,<br />
Bactosol und Vollkorn Spezial sowie Kombinationen daraus (Biobact<br />
= Biomag + Bactosol, Biovoll = Biomag +Vollkorn spezial) untersucht.<br />
2.2 Untersuchungsmethoden<br />
2.2.1 Streuabbauuntersuchungen<br />
Streubeutel (Nylonnetz mit 0.3 mm Maschenweite, 8x8 cm; gefüllt mit 1 g<br />
Buchenstreu) wurden für ein Jahr in situ inkubiert und der Gewichtsverlust<br />
bestimmt.<br />
84<br />
2.2.2 Ammonium und Nitrat im Gleichgewicht mit der Bodenlösung<br />
Die im Gleichgewicht mit der Bodenlösung befindlichen Nitrat- und Ammoniumfraktionen<br />
wurden mit der Ionenaustauschermethode ermittelt. Nylonbeutel (siehe<br />
oben) wurden mit 5 g Ionenaustauscherharz für Kationen {Amberlite IR-120) bzw.<br />
Anionen {Amberlite IR-400) gefüllt und zusammen mit den Streubeuteln ausgebracht.<br />
Nach der Exposition über zwei Wochen bzw. vier Monate wurden die Beutel<br />
extrahiert und NH4 und N03 bestimmt (Carlson et al., 1990).
85<br />
2.2.3 Bodenchemische und bodenbiologische Para meter<br />
Probenwerbung für Bodenuntersuchungen<br />
Je Parzelle wurden fünf Einzelproben geworben. Die Proben, getrennt nach 0und<br />
A-Horizont, wurden bei 4°C gelagert, gesiebt (2 mm) und auf einen für die<br />
biologischen Aktivitäten opti malen Wassergehalt eingestellt. Die Probannahmetermine<br />
waren vom 15.-1 7.7. (Termin 1), 11.-12.9.1991 {2), 4.-6.5.1 992 (3) und<br />
17.-18.8.1992 (4).<br />
2.2.4 Bodenchemische Parameter<br />
Es wurden der pH-Wert (in Wasser und 0,1 N CaCI2), der organische Kohlenstoff<br />
( %C0r g ; trockene Verbrennung) (lnsam, 1993) sowie mineralischer Stickstoff<br />
(NH4 und N03; 10 g Bodenprobe mit 30 ml 2N KCI 1 h geschüttelt, extrahiert)<br />
gemessen.<br />
2.2.5 Bodenbiologische Parameter<br />
Es wurden sowohl Parameter, die für den Kohlenstoffkreislauf, als auch solche,<br />
die für den Stickstoffkreislauf charakteristisch sind, gemessen. Die mikrobielle<br />
Biomasse (pg Cmic·g· 1 Boden) wurde nach der Substratinduktionsmethode<br />
(Anderson u. Domsch, 1978; Heinemeyer et al., 1989) bestimmt. Die Basalatmung<br />
wurde als C02-Produktion (mg C02·g· 1 Boden·h-1 ) (lnsam u. Haselwandter,<br />
1989) gemessen. Als ökophysiologische Parameter wurden der metabolische<br />
Quotient (qC02, mg C02-C ·g· 1 Cmic·h· 1 ) sowie das Cmic::C0r g ·Verhältnis (mg<br />
Cmic·g· 1 C0r g l berechnet. Weiters wurden die Stickstoffmineralisation im<br />
Brutversuch nach Beck (1983) (Inkubation von 5 g Boden für 3 Wochen bei 25°C<br />
und Bestimmung der Differenz der N03- und NH4-Gehalte vor und nach der<br />
Inkubation; pg N·g· 1 Boden·d· 1 ) sowie die Aktivität von Urease, Aryl-sulfatase,<br />
Xylanase und Phosphatase {Schinner et aL, 1993) bestimmt.<br />
3 ERGEBNISSE<br />
3. 1 Streuabbauuntersuchungen<br />
Die Streuabbaurate war auf beiden Versuchsflächen ähnlich. Der Gewichtsverlust<br />
der Buchenstreu auf Fläche 1 betrug im Durchschnitt 23% ± 2% (insgesamt 57<br />
Wochen Expositionszeit) und auf Fläche 2 24% ± 3% (55 Wochen Exposition).<br />
Auch zwischen den einzelnen Behandlungsvarianten konnten keine signifikanten<br />
Unterschiede festgestellt werden.
86<br />
3.2 Ammonium und Nitrat im Gleichgewicht mit der Bodenlösung<br />
Die erste Exposition von Ionenaustauscher-Beuteln erfolgte zwei Wochen nach<br />
der Düngung (am 5. 7.1991 ) . Die Beutel blieben zehn Tage lang exponiert. Sowohl<br />
bei Nitrat als auch bei Ammonium wurden deutliche Unterschiede zwischen den<br />
einzelnen Varianten gefunden, insbesondere die mit Mineraldünger behandelten<br />
Varianten (Vollkorn und Biovoll) zeichneten sich durch sehr hohe Ladungen<br />
sowohl mit Ammonium (bis zu 1500 pg NH4-N·g-1 1onenaustauscher) als auch mit<br />
Nitrat (bis zu 1300 pg N03-N·g-1 ), aus. Dies reflektiert eine drastische Erhöhung<br />
der Nitrat- und Ammoniumkonzentrationen in der Bodenlösung durch die mineralische<br />
Düngung. Auch die Bactosoi-Varianten zeichneten sich durch erhöhte<br />
Ammonium- und Nitratwerte aus, wobei auffällig war, daß die Ammoniumwerte<br />
mit etwa 500 pg mehr als doppelt so hoch wie die Nitratwerte (200 pg N03-N·g-1<br />
Ionenaustauscher) waren. Dies deutet auf eine Hemmung der Nitrifikation durch<br />
die Azidität des Bodens hin. Eine Aufhebung dieser Wirkung durch die Kombination<br />
von Biomag mit Bactosof (Biobact) konnte allerdings nicht beobachtet werden.<br />
Nach der zweiten, diesmal mehrmonatigen Exposition wurden für alle<br />
Behandlungsvarianten außer für Biomag erhöhte Ammonium- und Nitratwerte<br />
gefunden. Die Unterschiede zwischen Bactosol- und Vollkornvarianten waren<br />
jedoch weitgehend verschwunden. Die Nitratwerte lagen bei ca. 150 pg N·g-1<br />
(gegenüber 80 bei der Kontrolle), und die Ammoniumwerte lagen bei 300-500 pg<br />
NH4-N (gegenüber etwa 100 pg bei der Kontrolle). Das bedeutet, daß Bactosol<br />
mittelfristig einen ähnlichen Anstieg von mineralischem N bewirkt hat wie Mineraldünger,<br />
ohne den ausgeprägten Anfangspeak aufzuweisen.<br />
3.3 Bodenchemische Parameter<br />
pH-Werte in Wasser (0-Horizont) lagen zwischen 3,8 und 4,0 und waren um<br />
etwa eine Einheit höher als in CaCI2. Behandlungsbedingte Unterschiede waren im<br />
ersten Versuchsjahr noch nicht zu erkennen. Im zweiten Versuchsjahr war eine<br />
tendenzielle Erhöhung für die Varianten Biomag und Biobact zu erkennen, die<br />
auch beim Versuch Schöneben (Berreck u. Haselwandter, 1993) gefunden worden<br />
war. Dort verstärkte sich diese Wirkung von Biomag in den folgenden Jahren<br />
noch weiter. Dies kann wohl auch für die hier untersuchten Flächen prognostiziert<br />
werden kann. Im A-Horizont lagen die pH-Werte um durchschnittlich 0,2 Einheiten<br />
höher als im 0-Horizont. Es konnten aber keine Unterschiede zwischen den Varianten<br />
festgestellt werden.<br />
Der organische Kohlenstoff (Cor g l wurde nur für Termin vier bestimmt. Im 0-<br />
Horizont betrug der C0r9-Gehalt 25 bis 35% des Boden-Trockengewichts. Unterschiede<br />
zwischen einzelnen Behandlungen waren insignifika nt und nach so kurzer<br />
Zeit auch nicht zu erwarten. Der C0r9-Gehalt im A-Horizont lag zwischen 5,8 und<br />
7,0%. Tendenzielle Unterschiede zwischen einzelnen Varianten dürften aber
87<br />
ebenfalls nicht ursächlich mit einer Düngerwirkung zusammenhängen, sondern<br />
liegen ebenfalls im Streubereich der Messungen.<br />
Die zum vierten Termin gemessenen Gehalte an mineralischem Stickstoff (Nmin;<br />
N03-N + NH4-Nl waren auf den mit Mineraldünger und Bactosol behandelten Flächen<br />
etwa doppelt so hoch wie auf den Parzellen ohne Nährstoffdünger (Tabelle<br />
1). Bei den Kombinationsvarianten mit Biomag (Biobact und Biovoll) war gegenüber<br />
den Varianten Bactosol und Vollkorn eine deutliche Verschiebung vom<br />
Ammonium zum Nitrat festzustellen. Die Nmin·Gehalte im A-Horizont waren um<br />
etwa eine Zehnerpotenz niedriger als im 0-Horizont. Im A-Horizont konnten keine<br />
signifikanten Wirkungen festgestellt werden ..<br />
Tabelle 1: Nmin·Gehalte (J.Ig Nmin·g- 1 Bodenl im 0- und A-Horizont zum 4. Entnahmetermin.<br />
Table 1: Nmin·Conten ts (JJg Nmin ·g- 1soil) in the organic (0) and in the mineral (A }<br />
la yer (4 th sampling date).<br />
3.4 Bodenbiologische Parameter<br />
0-Horizont A-Horizont<br />
Kontrolle 220 22<br />
Biomag 170 21<br />
Bactosol 440 32<br />
Vollkorn 310 22<br />
Biobact 300 24<br />
Biovoll 290 37<br />
Größenordnungsmäßig lagen die Werte für die mikrobielle Biomasse im 0-Horizont<br />
zwischen 700 und 1700 J.19 Cmic·g· 1 ßoden (Abbildungen 1 und 2). Zu den ersten<br />
drei Terminen konnten keine behandlungsbedingten Unterschiede festgestellt<br />
werden. Erst beim vierten Termin waren tendenzmäßige, aber aufgrund der<br />
großen Streuungen insignifikante Unterschiede zu erkennen. Vor allem die Varianten<br />
mit Biomag-Behandlung zeigten erhöhte Werte (1500 J.19 Cmic·g- 1 Boden<br />
gegenüber 750 J.l9 bei der Kontrolle). Die Depression der Biomasse durch Bactosol<br />
(3. Termin) ist angesichts der Zufuhr leicht abbaubarer Substanz durch dieses<br />
Produkt überraschend, wurde aber auch schon früher beobachtet (Berreck u.<br />
Haselwandter, 1993). Die Gründe für diese Wirkung sind unbekannt. Möglicherweise<br />
hängen die relativ niedrigen Werte für die Bactosol-Variante mit dem auf<br />
diesen Teilflächen etwas niedrigeren Überschirmungsgrad zusammen.
Bei den Versuchen in Schöneben hat sich die Wirkung von Bactosol jedoch ab<br />
dem dritten Versuchsjahr umgekehrt. Ab diesem Zeitpunkt wurden für die Bactosoi-Variante<br />
signifikante Steigerungen der Biomasse gefunden. Eine ähnliche mittelfristige<br />
Wirkung ist auch für die Viehbergflächen nicht auszuschließen. Vergleichbare<br />
Tendenzen, sichtbar ab dem vierten Versuchstermin, wurden auch für<br />
den A-Horizont gefunden, die Biomassegehalte waren jedoch deutlich niedriger<br />
(Abbildung 2).<br />
3000<br />
2500<br />
Biomasse 0-Horizont (15.-17.7.1991) Biomasse 0-Horizont (11.-12.9.1991)<br />
88<br />
3000 r--- -- -- -- -- -- -,<br />
2500<br />
c<br />
c<br />
�<br />
0<br />
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2000 �<br />
0<br />
"'<br />
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500<br />
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I<br />
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'jj<br />
u<br />
� 1000<br />
Biomasse 0-Horizont (4.-6.5.1992) Biomasse 0-Horizont (17.-18.8.1992)<br />
"' 2000 "'<br />
0<br />
0<br />
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500<br />
3000 r--- -- -- -- -- -- -,<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
� 1000 � 1000<br />
500<br />
0<br />
500<br />
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E<br />
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E<br />
0<br />
iE<br />
0<br />
iE<br />
Abbildung 1: Mikrobielle Biomasse im 0-Horizont (pg C mic · g -1 Boden) (Mittelwerte<br />
±SO).<br />
Signifikante Differenzen zur Kontrolle (P
89<br />
Im ersten Versuchsjahr konnte keine behandlungsbedingte Änderung der Basal<br />
!ltmung festgestellt werden. Die C02-Freisetzung lag im 0-Horizont bei 10 mg<br />
C02·g-1 Boden·h-1 , im A-Horizont bei etwa 2 mg. Im 0-Horizont konnte bei der<br />
vierten Probenahme eine Steigerung der Basalatmung für die Biomag-Varianten<br />
auf etwa 15 mg C02·g-1 Boden·h-1 gefunden werden. Im A-Horizont wurden die<br />
gleichen Tendenzen beobachtet (lnsam u. Haselwandter, 1993).<br />
Biomasse A-Horizont (15.�17.7.1991)<br />
Biomasse A-Horizont (4.-6.5.1 992)<br />
500 ,---<br />
450<br />
400 I<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --�<br />
Biomasse A-Horizont (11.-12.9.1991)<br />
SOO r--- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --�<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
Biomasse A-Horizont (17.-18.8.1992)<br />
Abbild ung 2: Mikrobielle Biomasse im A-(Minerai)-Horizont (pg C m ic ·g-1 Boden)<br />
{Mittelwerte ± SD).<br />
Signifikante Differenzen zur Kontrolle (P
Der metabolische Quotient lag zwischen 1, 9 und 4, 8 ·1 o-3. Auffällig waren die<br />
Unterschiede, die zwischen den einzelnen Terminen gefunden wurden, die möglicherweise<br />
saisonale Unterschiede im Ernährungsstatus der Mikroorganismen<br />
reflektierten. Unterschiede zwischen den Varianten waren kaum zu finden außer<br />
einer tendenzmäßigen Erhöhung für die Bactosolvariante zum letzten Probannahmezeitpunkt<br />
(3,6 im 0- und 4,8 im A-Horizont). Eine Erhöhung des metabolischen<br />
Quotienten ist oft die Folge einer Streßwirkung (z.B. Säurestreß). So fanden<br />
Anderson und Domsch (1993) für eine Reihe von Laub- und Nadelwäldern eine<br />
negative Beziehung zwischen pH-Wert und qC02. Auch eine Veränderung des<br />
Substratangebotes kann eine Erhöhung des qC02 bewirken: steht mikrobiell leicht<br />
verwertbares Substrat zur Verfügung, kann eine Populationsverschiebung zu<br />
schnellwachsenden r-Strategen eintreten, die sich durch einen höheren Umsatz<br />
pro Zelleinheit als die K-Strategen, die an niedrige Substratkonzentrationen angepaßt<br />
sind und normalerweise im Boden dominieren, auszeichnen (lnsam u. Haselwandter,<br />
1989).<br />
Es wurde ein gegenüber der Kontrolle (3,0 mg Cmic·g-1 Corg im 0- und 2,2 mg im<br />
A-Horizont) erhöhtes Cmic:C0r 9 -Verhältnis für die Biomag- und Mineraldüngervarianten<br />
(4-6 mg im 0- und 2,6-3,7 mg im A-Horizont) gefunden (Abbildung 3).<br />
Dies deutet auf eine Erhöhung des Anteils an verfügbaren C-Quellen - möglicherweise<br />
durch die Mobilisierung bodeneigener organischer Substanz - hin. Die tendenzielle<br />
Erniedrigung des Cmic: C0r 9 -Verhältnis durch Bactosol (2, 1 bzw. 1, 7 mg<br />
im 0- und A-Horizont) ist schwieriger zu interpretieren, da von einem organischen<br />
Dünger eher eine Verbesserung des Humusstatus erwartet werden kann.<br />
Die Stickstoff-Nettomineralisation im 0-Horizont war sowohl zum zweiten als<br />
auch zum vierten Termin für die Bactosolvariante am höchsten (Abbildung 4). Nur<br />
zum vierten Termin waren auch die übrigen Düngevarianten tendenziell höher als<br />
die Kontrolle, beim zweiten Termin konnten keine diesbezüglichen Wirkungen<br />
festgestellt we rden.<br />
Diese Ergebnisse stehen zum Teil im Gegensatz zu den Beobachtungen bei der<br />
mikrobiellen Biomasse und Basalatmung. Die hohe N-Mineralisationsrate bei Bactosol<br />
wird offensichtlich von einer relativ kleinen Biomasse bewerkstelligt, ohne<br />
daß dabei der respiratorische C02-Ausstoß (Basalatmung) wesentlich erhöht ist.<br />
Begleitet ist die hohe N-Mineralisationsrate auch von einem niedrigen Cmic:C0r 9 -<br />
Verhältnis. Dies deutet darauf hin, daß Bactosol rasch mineralisiert wird, aber keine<br />
Beschleunigung des Abbaues bodeneigener organischer Substanz erfolgt. Bei<br />
Biomag liegen die Verhältnisse umgekehrt, der Stickstoff aus der Nettomineralisation<br />
ist bodenbürtig, d.h. bodeneigene organische Substanz wird auf diesen Flächen<br />
verstärkt mobilisiert. Dies gilt in geringerem Ausmaß auch für die Varianten<br />
Biobact und Vollkorn. Bei diesen Interpretationen ist jedoch anzumerken, daß die<br />
Streuungen sehr groß waren und Unterschiede statistisch kaum gesichert werden<br />
konnten. Im A-Horizont wurde stets eine Hemmung der Nitrifikation durch Biomag<br />
beobachtet. Zum zweiten Termin wurden für Bactosol und zum vierten Termin für<br />
90
5<br />
4 -<br />
::."<br />
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C/C Verhältnis<br />
0-Horizont (11.-12.9. 1991)<br />
A-Horizont (11.-12.9. 1991)<br />
""<br />
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0<br />
0<br />
i:ö i:ö<br />
91<br />
C/C Verhältnis<br />
0-Horizont (17.- 18.8. 1 992)<br />
12 r--- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --�<br />
10<br />
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A-Horizont (17.-18.8. 1992)<br />
*<br />
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0 0<br />
i:ö i:ö<br />
Abbildung 3: Cmic:C0r g ·Verhältnis im 0-Horizont in mg C mic ·g· 1 C org (Mittelwerte<br />
±SD).<br />
Signifikante Differenzen zur Kontrolle (P < 0.05) sind durch " gekennzeichnet.<br />
Figure 3: C mic: C 0rg ra tio in the organic (0) horizon (mg C mic ·g· 1 C 0, 0 ) {mean<br />
±SD).<br />
Significant differences to the control (P < 0. 05) are indicated by asterisks.<br />
Vollkorn Nitrifikationsraten gemessen, die ein Mehrfaches über den Kontrollwerten<br />
lagen.<br />
Die Urease- und Arylsulfataseaktivitäten zeigten im 0-Horizont in beiden Untersuchungsjahren,<br />
im A-Horizont nur im zweiten Jahr signifikante Unterschiede zwischen<br />
den Düngevarianten (Abb. 5 und 6). Stand im Jahr 1991 der hemmende
Effekt der mineralischen Düngung im Vordergrund, konnte man im Jahr 1992<br />
:zusätzlich auf den mit Bactoso! gedüngten Flächen eine Erniedrigung der Enzymaktivitäten<br />
feststellen.<br />
I<br />
Nettostickstoffmineralisation<br />
0-Horizont (11.-12.9. 1991)<br />
30 r---<br />
25<br />
"' 20<br />
c<br />
V<br />
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0<br />
"'<br />
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I<br />
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c .<br />
"'<br />
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12<br />
10<br />
8<br />
7<br />
""<br />
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:1. 4<br />
A- Horizont (11.- 12.9.1991)<br />
""<br />
�<br />
E<br />
0<br />
iii<br />
*<br />
-- -- -- --�- -- -- -- -- -- -�<br />
92<br />
N et tostic kstoffmin eralisa tion<br />
0-Horizont ( 17. -18.8. 1992)<br />
25 ,---<br />
20<br />
A-Horizont (17.- 18.8. 1992)<br />
5 ,---<br />
3<br />
2<br />
0<br />
- 1 L_ ________________________ �<br />
Abbildung 4: Stickstoffnettomineralisation (Mittelwert ± SD) (0- und A-Horizont)<br />
zu den Probeterminen 2 und 4.<br />
Signifikante Differenzen zur Kontrolle !P
250<br />
93<br />
0-Horizont<br />
60<br />
bc ab ab a c ab ab ab a ab b a<br />
-:'<br />
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200<br />
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100<br />
40<br />
30<br />
= ..<br />
z<br />
gf 50<br />
0 0<br />
2 3 4 5 6<br />
Abbildung 5: Ureaseaktivität im 0- und A-Horizont (August 1992), Mittelwerte<br />
und Standardabweichungen (n = 15).<br />
Unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Unterschiede !Scheffli-Test,<br />
P
Die Xylanase (Abb. 7) reagierte im 0-Horizont auf die Düngung mit Bactosol mit<br />
Aktivitätserhöhung. Die kann einerseits auf direkte Stimulation, andererseits auf<br />
die Mobilisierung bodeneigener organischer Substanz zurückzuführen sein. Die<br />
leichte Hemmung der Xylanase durch Biomag könnte auf der Anhebung des pH<br />
Wertes beruhen, der möglicherweise eine Populationsverschiebung von Pilzen zu<br />
Bakterien bewirkt. Im A-Horizont konnte man keine signifikanten Unterschiede der<br />
Xylanaseaktivität für die verschiedenen Düngevarianten beobachten. Für die<br />
Phosphatase wurde im 0-Horizont eine signifikante Aktivitätssteigerung auf den<br />
mit Bactosol behandelten Flächen gefunden (Girschick et al., 1993).<br />
,... .<br />
'<br />
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"';'<br />
1250<br />
� 750<br />
Oll<br />
.,<br />
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(.)<br />
94<br />
0-Horizont<br />
300<br />
A-Horizont<br />
ab a b ab ab ab a a a a a a<br />
250<br />
200<br />
6<br />
�<br />
500<br />
100<br />
250<br />
50<br />
0 0<br />
2 3 4 5 6 5 6<br />
Abbildung 7: Xylanaseaktivität im 0- und A-Horizont (August 1992), Mittelwerte<br />
und Standardabweichungen (n = 15).<br />
Unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Unterschiede (Scheffe-Test,<br />
P
95<br />
tura: beide Parameter stiegen bei den Biomag und Biobact-Varianten im :zweiten<br />
Versuchsjahr am deutlichsten an (Kopezski, 1993). Dies spiegelt die enge Verknüpfung<br />
im Nahrungsnetz zwischen Mikroorganismen und der Mikrofauna wieder.<br />
Unterschiede zwischen den einzelnen Behandlungsvarianten waren im ersten Versuchsjahr<br />
nur beim Nährstoffstatus zu erkennen. Die Daten untermauern die<br />
Ergebnisse für boreale und alpine Wälder anderer Arbeitsgruppen, daß Mineraldüngung<br />
die N-Verluste durch Nitrifikation und Auswaschung fördern können<br />
(Martikainen et a!., 1989; Katzeosteiner et al., 1994). Erste Auswirkungen auf die<br />
bodenmikrobiologischen Parameter wurden erst zum Ende des zweiten Versuchs<br />
Jahres festgestellt. Dies steht im Einklang mit anderen Untersuchungen, zum Beispiel<br />
am Bärenstein. Ähnlich wie dort wurde auch in der vorliegenden Arbeit eine<br />
Reduktion der mikrobiellen Biomasse bei der Bactosoi-Variante gefunden. Da bei<br />
den Versuchen am Bärenstein eine Trendumkehr ab dem dritten Jahr einsetzte, ist<br />
eine solche auch für die Viehbarg-Versuche zu erwarten. Die Vollkorn-Variante<br />
zeigte hingegen keine negativen Auswirkungen auf die Biomasse und nur geringfügige<br />
Auswirkungen auf die anderen mikrobiologischen Parameter. Dies steht in<br />
Gegensatz zu einer Reihe von anderen Untersuchungen, die darauf hinweisen,<br />
daß Mineraldüngung zu einer Depression der mikrobiellen Biomasse und mikrobieller<br />
Aktivitäten führen kann (Söderström et al, 1983; Van Cleve and Moore,<br />
1978). Biomag zeigte deutlichere Wirkungen, was wahrscheinlich mit lokalen pH<br />
Änderungen zu erklären ist. Tendenzmäßig kann davon ausgegangen werden, daß<br />
sowohl Vollkorn, Biomag und Bactosol zu einer langsamen Humusmobilisierung,<br />
verbunden mit Nährstofffreisetzungen, führen. Bei einer Erhöhung der Bestandesproduktion<br />
durch günstigere Wachstumsbedingungen ist aber hier langfristig<br />
auch eine Trendumkehr möglich.<br />
Für die Bodenmikrobiologie und -enzymatik wurden die Daten jeweils für identische<br />
Proben erhoben. Eine gemeinsame Verarbeitung der Daten für den 0- und A<br />
Horizont brachte im allgemeinen sehr niedrige Korrelationskoeffizienten. Wurden<br />
die beiden Horizonte getrennt analysiert, konnten enge Beziehungen zwischen<br />
mikrobiellen und enzymatischen Parametern gefunden werden. Für den 0-Horizont<br />
wurden signifikante Zusammenhänge zwischen der Basalatmung einerseits<br />
und Xylanase, Phosphatase und Urease andererseits gefunden. Die Biomasse war<br />
nur mit der Urease signifikant korrelliert, während keine Beziehung zu den anderen<br />
Enzymen gefunden wurde. Im A-Horizont wurden signifikante Beziehungen<br />
zwischen der Biomasse und allen Enzymen gefunden (Tabelle 2).<br />
Eine Walddüngung zielt auf langfristige Effekte ab. Für Langzeitwirkung entwikkelte<br />
Dünger wie Biomag und Bactosol sollten deshalb auch keine übermäßigen<br />
kurzfristigen Effekte gefunden werden. Die kurzfristigen "Störungen", wie sie :zum<br />
Ende des 2. Jahres beobachtbar waren, sind möglicherweise vorübergehender<br />
Natur und könnten langfristigen, positiven Wirkungen Platz machen. Für endgül-
tige Interpretationen der vorliegenden Versuche werden sicher längerfristige<br />
Beobachtungen notwendig sein.<br />
Tabelle 2: Korrelationen zwischen bodenmikrobiologischen und enzymatischen<br />
Parametern (Datensatz: 3. und 4. Probennahme, = 335 Fälle).<br />
Ta ble 2: Correlations between soil-microbiological parameters and variovs<br />
96<br />
enzymes 13'd and 4 th samp!ing da te, = 335 cases).<br />
mikrobielle Basal- metabolischer<br />
Biomasse atmung Quotient<br />
0-HORIZONT:<br />
Arylsulfatase -0,05 0,11 0, 18<br />
Xylanase -0,02 0,30 -0, 10<br />
Phosphatase 0,05 0,46 -0,01<br />
Urease 0,30 0,45 0,04<br />
A-HORIZONT:<br />
Arylsulfatase 0,30 0,21 -0,09<br />
Xylanase 0,36 0,46 -0,00<br />
Phosphatase 0,48 0,53 0,01<br />
Urease 0,57 0,39 -0,21<br />
5 LITERATUR<br />
ANDERSON J.P.E. and K.H. DOMSCH, 1978: A physiologieal method for the quantitative<br />
measurement of mierobial biomass in soils. Soil Bio!, Bioehern . 1 0: 215-221.<br />
ANDERSON J.P.E. and K.H. DOMSCH, 1980: Quantities of plant nutrients in the mierobia! biomass<br />
of se!eeted soils. Soil Sei. 130: 211-21 6.<br />
BECK T., 1983: Die N-Mineralisierung im Laborbrutversueh. Z. Pflanzenernähr. Bodenk. 146: 243-<br />
252.<br />
CARLSON R.M., R.l. CABRERA, J.l. PAUL, J. QUICK and R.Y. EVANS, 1990: Rapid direct determination<br />
of ammonium and nitrate in soil and plant extracts. Comm. Soil Plant Anal. 21: 1519-<br />
1529.<br />
GIRSCHICK 8, S. ZECHMEISTER-BOL TENSTERN u. H. KINZEL, 1993: Einfluß von Waldsanierungsmaßnahmen<br />
auf bodenenzymatische Umsetzungen. FIW-Forschungsberichte 1993/2,<br />
ÖGWEB, Univ. Bodenkultur Wien, 26-36.<br />
GLATZEL G., K. KATZENSTEINER, H. STERBA, K. HASELWANDTER, M. BERRECK, W. FOISSNER<br />
u. E. AESCHT, 1989: Waldsanierungsversuche Schöneben. Zwischenbericht 1990. lnst.<br />
Waldökologie, Univ. Bodenkultur Wien.<br />
HEINEMEYER 0., H. INSAM, E.A. KAISER and G. WALENZIK, 1989: Soil microbial biomass and<br />
respiration measurements: an automated technique based on infrared gas analysis. Plant Soil<br />
116: 191-195.<br />
INSAM H. and K. HASELWANDTER, 1989: Metabolie quotient of the soil microflora in relation to<br />
plant succession. Oecologia 79: 174- 178.
97<br />
INSAM H. u. K. HASELWANDTER, 1993: Die Wirkung von Waldsanierungsmaßnahmen in immissionsbelasteten<br />
Gebieten der Böhmischen Masse auf mikrobielle Umsetzungen und Biomasse.<br />
FIW-Forschungsberichte 1993/2, ÖGWEB, Univ. Bodenkultur Wien, 16-25.<br />
KATZENSTEINER K., 0. ECKMUELLNER, R. JANDL, G. GLATZEL, H. STERBA and R.F. HUETTL,<br />
1994: Revitalization experiments in magnesium deficient Norway spruce stands in Austria.<br />
Plant Seil (in press).<br />
MARTIKAINEN P.J., T. AARNIO, V.M. TAAVITSAINEN, L. PÄIVINEN and K. SALONEN, Hl89:<br />
Mineralization of carbon and nitrogen in soil samples taken from the fertilized pine stands:<br />
Lengterm effects. Plant Seil 114: 99-106.<br />
NOHRSTEDT H.-Ö., K. ARNEBRANT, E. BÄÄTH and B. SÖDERSTRÖM, 1989: Changas in carbon<br />
conterit, respiration rate, A TP content, and micrebial biernass in nitregen-fertilized pine ferest<br />
seils in Sweden. Can. J. Fer. Res. 19: 323-328.<br />
SÖDERSTRÖM B., E. B ÄÄ TH and B. LUNDGREN, 1983: Decrease in seil micrebial activity and<br />
biernasses ewing to nitregen amendment. Can. J. Micrebiel. 29: 1500-1506.<br />
VAN CLEVE K. and T.A. MOORE, 1978: Cumulative effects of nitrogen, phospherus and petassium<br />
fertilizer additiens on soil respiration, pH and organic matter content. Seil Sei. Soc. Am.<br />
J. 42: 121-124.
99<br />
REVITALISIERUNGSDÜNGUNG VON FICHTENBESTÄNDEN:<br />
EINFLUSS AUF BODENTIERE<br />
REVITALIZA TI ON EXPERIMENTS IN NORWA Y SPRUCE STANDS:<br />
EFFECTS ON SOlL FA UNA<br />
Hubart KOPESZKI<br />
Zoologisches Institut, Universität Wien, Althanstr. 14, A - 1090 Wien<br />
SUMMARY<br />
Fertilization experiments in nutrient poor spruce forests in the Bohemian Woods have yielded the<br />
following soil zoological results:<br />
* fertilizer combination and fertilizer dosage are decisive in improving the soil fauna (measured by<br />
increased population density and thereby increased turnover rate and mineralization). Only the<br />
variant "Biomag" Ieads to an immediate increase in abundance of animal groups in all the areas<br />
investegated.<br />
• a negative effect (fertilizer-shock) has been observed immediately after application of almost all<br />
fertilizers used. However, increased abundances appear with the fertilizercombination Biomag<br />
and Bactosol in the second year and remain so for several years afterwards.<br />
• the greatest and most Iasting abundance reduction is detected in the use of Bactosol with NPKmineral<br />
fertilizer and pure nitrogen-fertilizer (Nitrammonkal). Abundance increases or decreases<br />
do not appear simultaneously and to the same extent with all animal groups. Different exponents<br />
of the microfauna react to fertilization with population decreases, while some collembolan<br />
families and mites show an increase in abundance {- > dominance shift).<br />
* a Iasting reduction of animal housing density and enduring changes in the coenose indicate the<br />
negative effects of fertilization (pH-decrease, increased osmotic potential, increased NOJrelease,<br />
e.g. with pure NPK-mineral fertilizer). The collembolan species lsotomiella minor is<br />
especially senitive to nitrogen fertilizer.<br />
KEYWORDS: Soil Mesofauna, Collembola, (N)-fertilization, bioindication.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Die bodenzoologischen Ergebnisse der Düngungsversuche in nährstoffarmen Fichtenbeständen des<br />
Böhmerwaldes lassen sich wie folgt zusammenfassen:<br />
* Entscheidend für eine Verbesserung der Bodenfauna (gemessen an einer erhöhten Populationsdichte<br />
und damit gesteigerten Umsatzleistung und Mineralisation) sind die Düngerkombination<br />
und -menge, wobei nur die Variante Biomag auf allen Untersuchungsflächen zu einer unmittelbaren<br />
Abundanzsteigerung der untersuchten Tiergruppen führt.<br />
• Bei fast allen verwendeten Düngern können unmittelbar nach der Applikationen negative Effekte<br />
festgestellt werden (Dünger-Schock). Allerdings treten bei der Kombination Biomag mit Bactosol<br />
im zweiten Jahr auf allen Untersuchungsflächen Abundanzsteigerungen auf, die über mehrere<br />
Jahre hinweg aufrecht bleiben.<br />
* die stärksten und andauernden Abundanzreduktion bei der Mesofauna werden bei Bactosol mit<br />
Vollkorn, sowie Nitrammonkaldüngung nachgewiesen. Dabei treten Abundanzsteigerungen bzw.<br />
-abnahmen nicht bei allen Tiergruppen gleichzeitig im selben Ausmaß auf; verschiedene Vertreter<br />
der Mikrofauna reagieren auf Düngung mit Populationsminderung, während manche Collembolenfamilien<br />
und Milben eine Abundanzzunahme aufweisen ( - > Dominanzverschiebung).<br />
* Eine anhaltende Reduktion der Wohndichte und bleibende Zönosenänderungen indizieren negative<br />
Auswirkungen von Düngergaben (pH-Absenkungen, Erhöhung des osmotischen Potentiales,<br />
erhöhte N0 3 -Freisetzung - z.B. bei reiner Vollkorndüngung); als besonders N-"düngersensitiv"<br />
erweist sich die Collembolen-Art lsotomiella minor.<br />
STICHWÖ RTER: Boden-Mesofauna, Collembola, (N)-Düngung, Bioindikation.<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
ÖGWEB (Österr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung) ISBN 3-900865-06-X.
1 EINlEITUNG<br />
100<br />
Die Erkrankungen der einheimischen Wälder haben zu einer Reihe von Forschungstätigkeiten<br />
geführt, um die Ursachen des Baumsterbans und -erkrankens<br />
zu erkennen, die Folgen für die Waldökosysteme festzustellen und schließlich um<br />
Gegenmaßnahmen und Therapiemöglichkeiten zu entwickeln. Als eine Möglichkeit<br />
der Sanierung werden Düngungsmaßnahmen angesehen und im Rahmen der FIW<br />
durchgeführt. Die Auswirkungen dieser forstwirtschaftliehen Maßnahmen auf das<br />
Ökosystem werden durch Begfeituntersuchungen der verschiedenen wissenschaftlichen<br />
Disziplinen dokumentiert; unter anderem werden auch die Effekte auf<br />
die Bodentierwelt untersucht.<br />
Die Boden(meso)fauna spielt nämlich eine wichtige Rolle bei der Dekompostierung<br />
der anfallenden organischen Substanzen. Makro- und Mesofauna zerkleinern<br />
Laub, Nadeln und Tierleichen und ermöglichen dadurch die Besiedlung mit Mikrofa<br />
una, Pilzen und Bakterien. Die Tiere katalysieren daher in ökologisch relevantem<br />
Ausmaß die Mineralisation und den Nährstoffkreislauf und helfen mit, Nährsalze<br />
pflanzenverfügbar zu machen (Anderson, 1983; Crossley u. Hoglnad, 1962;<br />
Herlitzius, 1987; Kopeszki, 1991; Seastedt, 1984) - die Kleintiere sind somit<br />
wichtige Regulatoren des Zersetzungsprozesses . Freilandversuche belegen, daß<br />
durch den Ausschluß der Bodenmakrofauna 11-13% und beim Fehlen der Mesofauna<br />
33-39% Abbaurückgang zu verzeichnen sind. Das entspricht einer zeitlichen<br />
Dekompositions-Verzögerung von rund 18 Monaten (Beck, 1989) oder<br />
anders aus gedrückt: >50% der Dekomposition und 20-40% der Gesamtmineralisation<br />
leistet allein die Bodenmesofauna.<br />
Jüngere Untersuchungen belegen zudem, daß diesen Tieren eine wichtige Rolle<br />
als Bioindikatoren bei Schadstoffbelastungen zukommt (Aescht u. Foissner, 1991;<br />
Dunger, 1982; Funke, 1986; 1987; Ghilarov, 1978; 1980; Kopeszki, 1991;<br />
1992).<br />
Dabei bedeutet Bioindikation, daß pflanzliche und tierische Lebewesen durch ihre<br />
unterschiedliche Bedürfnisse biotische und abiotische Umweltfaktoren anzeigen<br />
(Schubert, 1991). Hinreichend bekannt sind Beispiele aus der Pflanzenwelt, wo<br />
Stickstoffzeigerpflanzen und Flechten als Ind ikatoren für Luftverunreinigungen<br />
herangezogen werden.<br />
Bei der Bodenfauna kann aus der Wohndichte, Populationsstruktur und Verteilung<br />
im Boden weitgehend auf die natürliche "Bodenfruchtbarkeit", vor allem aber auf<br />
die Bodenbelastung mit Schadstoffen geschlossen werden. Aus der Literatur ist<br />
bekannt, daß die Mesofauna bei Düngung durch Verbesserung der Nahrungsqualität<br />
und -quantität positiv beeinflußt werden kann, ihre Abundanz gesteigert und<br />
dadurch der Nährstoffkreislauf und Energiefluß angekurbelt wird (Zit. in Kopeszki,<br />
1993). Solche positiven Effekte auf die Boden(meso)fauna wären also für die<br />
genannten Waldsanierungsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung, um durch
101<br />
Beschleunigung der Dekomposition und Mineralisation und damit verbesserter<br />
Nährsalzbereitstellung die Baumernährung positiv zu beeinflussen.<br />
Ebenso bekannt ist aber auch, daß durch zu hohe Düngergaben negative Effekte<br />
für die Boden(meso)fauna auftreten. Dies führt zu einer Verzögerung der<br />
Abbauraten und verringert die Stabilität des Bodensystems. Solche negativen<br />
Begleitetfakte treten erst in jüngerer Zeit durch die ungewollte Stickstoffimission<br />
in vielen europäischen Waldökosystemen auf (Zit. in Kopeszki, 1993).<br />
Unterschiedliche Tiergruppen - bzw. in wenigen gut dokumentieren Fällen auch<br />
Arten - können für die lndizierung spezifischer, meist aber nur für eine Indikation<br />
synergistischer und komplexer Umwelt{streß)situationen herangezogen werden.<br />
Ziel dieser Studie war daher eine "Bewertung" der im Rahmen der FIW durchgeführten<br />
Düngungsversuche. Dazu wurden als Indikatororganismen Vertreter von<br />
Mikro- (Wimpertiere, Schalenamöben, Rädertiere, Fadenwürmer), Meso- (Milben,<br />
Springschwänze, Fliegenlarven, Beintaster) und Makrofauna (Fiiegenlarven, Hundert-<br />
und Tausendfüßer) mit herangezogen, um aus deren Reaktionscharakteristiken<br />
dje ökologisch und produktionsbiologisch relevanten Auswirkungen der Applikationen<br />
beurteilen und eventuelle Risiken abschätzen zu können.<br />
2 STANDORT UND METHODIK<br />
Die untersuchten Fichtenstandorte liegen alle im Österreichischen Teil des Böhmerwaldes.<br />
Es handelt sich dabei um die (Dauer-)Versuchsflächen der FIW, Bärenstein<br />
(S2) und Trautwald in Schöneben sowie die zwei Standorte in Viehberg<br />
(Viehberg I und Viehberg II). Genauere standortkundliehe Beschreibungen geben<br />
Katzensteiner et al. (1993 a; 1993b).<br />
Da die zoologischen Befunde im Rahmen verschiedener, meist übergeordneter<br />
Projekte erhoben wurden und "bloß" Reaktionscharakteristika der Mesofauna<br />
ermittelt werden sollten, war die Anzahl der Probenwerbungen pro Standort je<br />
nach Fragestellung unterschiedlich groß. Von allen Untersuchungsflächen wurden<br />
Bohrkerne entnommen und die Mesofauna getrennt in zwei Tiefenstufen {0-5 cm<br />
und 5-1 0 cm) in einem Barleseapparat extrahiert, in 70% Alkohol konserviert und<br />
nach Großgruppen, die Collembolen abe� auf Familienniveau aussortiert; stichprobenartig<br />
wurden die Collembolen auch auf Artniveau determiniert. Danach wurden<br />
Abundanzzahlen, Dominanzstrukturen und Diversität errechnet.<br />
Als Düngervarianten wurden verwendet: Biomag, Biomag mit Bactosol, Bactosol,<br />
Vollkorn, Vollkorn mit Biomag und reine Nitrammonkaldüngung (genaue Mengenund<br />
Zusammensetzungsangaben in Kopeszki, 1993).
3 ERGEBNISSE - VIEHBERG<br />
3.1 Abundanz<br />
102<br />
Die untersuchten Standorte wiesen durch Waldweide, Streunutzung und Raubbau<br />
an der Buche extrem nährstoffarme Böden auf. Da die Populationsdichte und<br />
-Struktur der Bodenmesofauna unter anderem von Bodenstruktur und Nahrungsangebot<br />
abhängen, bleibt die Wohndichte (mit rund 37.000 lnd./m2) in den Viehbergstandorten<br />
weit unter den Werten, die in der Literatur für Nadelwaldstandorte<br />
dieser Ausprägung genannt werden (Hägvar, 1982; Peterson u. Luxton, 1982).<br />
3.2 Dominanzstruktur<br />
Die Dominanzstruktur der Großgruppen ist auf allen Versuchsparzellen mehr oder<br />
weniger gleich: es dominieren Acari vor Collembolen (Abb. 1 ). Diese beiden Gruppen<br />
stellen den Hauptteil der Bodenmesofauna dar; es folgen Insekten-Larven und<br />
Proturen. Diese Zusammensetzung ist zwar typisch für Waldböden, allerdings<br />
indiziert das weit überdurchschnittliche Dominieren der Milben ( > 80%) die starke<br />
Versauerung der Rohhumusböden. Hier haben die robusteren Milben einen Vorteil<br />
gegenüber den weichhäutigen und meist acidophoben Collembolen, die ja eher in<br />
schwach sauren bis basischen Mull- und Humusböden begünstigt sind. Bemerkenswert<br />
ist der geringe Anteil der Proturen; diese mykorrhizasaugende Urinsekten<br />
indizieren nämlich den Vitalitäts-Zustand der Pilzsymbiose, welche demnach<br />
nicht sehr vital ausgeprägt erscheint.<br />
3.3 Auswirkungen der Düngungsmaßnahmen in Viehberg<br />
Während im ersten Untersuchungsjahr die meisten Düngevarianten, mit Ausnahme<br />
von Biomag, zu einer mehr oder weniger deutlichen Reduktion der Bodenmesofauna<br />
geführt hat, verringern sich die Unterschiede zur Nullfläche in der zweiten<br />
Vegetationsperiode deutlich oder werden gar aufgehoben (Abb. 1 u. Abb. 2). Die<br />
unmittelbare Abundanzreduktion trifft alle Gruppen, wobei die Milben besonders<br />
stark dezimiert werden; bei der Vollkornvariante wird ihre Abundanz praktisch halbiert.<br />
Die stärksten Abundanzeinbußen verursachen die Varianten Bactosol, Biomag<br />
mit Bactosol und Vollkorn. Weniger deutlich fällt die Reduktion bei Biomag<br />
mit Vollkorn aus. Hier wird der negative Effekt von Vollkorn durch die pH-stabilisierende<br />
Wirkung von Biomag offensichtlich hintangehalten.<br />
Die leichte Abundanzzunahme bei Biomag · gleich im ersten Untersuchungsjahr<br />
geht vor allem auf die Collembolen zurück. Dieser Trend bleibt auch im zweiten<br />
Jahr aufrecht, wobei sich vor allem Milben und Proturen weiter steigern.
50<br />
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103<br />
ABUNDANZ - DOMINANZ 1991<br />
B<br />
MY<br />
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BC BB VK<br />
Düngervarianten<br />
PR �CO 1111 DiL RE<br />
Abbildung 1: Abundanzwerte in Viehberg 1991 (Mittelwerte aus drei Probenserien).<br />
Figure 1: Abundance in Viehberg 199 1 (average of three samples).<br />
AC= Acari, MY = Myriapoda, PR = Protura, Co = Collembola,<br />
DiL = Diptera-Larven/Diptera-larvae, RE= Rest/rest<br />
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§ 15<br />
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10<br />
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AC<br />
ABUNDANZ - DOMINANZ 1992<br />
B<br />
MY<br />
BC BB<br />
Düngervarianten<br />
PR �CO DiL<br />
Abbildung 2: Abundanzwerte in Viehberg 1992 (Mittelwerte aus drei Probenserien).<br />
Figure 2: Abundance in Viehberg 1992 (average ot three samples).<br />
VK<br />
RE<br />
VB<br />
VB
104<br />
Ähnlich positiv wirkt sich im zweiten Untersuchungsjahr die Düngekombination<br />
"Biomag mit Bactosol" auf die Bodenfauna aus (Abb. 2). Diese Steigerung geht zu<br />
einem erheblichen Teil auf die Abundanzzunahme bei den Collembolen zurück,<br />
gefolgt von der Abundanzsteigerung der Milben, aber auch wiederum auf die<br />
erhöhte Anzahl der Proturen. Diese kommen allerdings nur in einzelnen Proben,<br />
dort aber in hoher Anzahl vor.<br />
Bemerkenswert ist dieser positive Effekt bei der Düngekombination vor allem deshalb,<br />
weil im ersten Untersuchungsjahr sogar eine negative Entwicklung festgestellt<br />
werden konnte. Kurzfristige Abundanzminderungen durch Düngegaben sind<br />
allerdings gut bekannt und beruhen meist auf geringfügigen Schwankungen des<br />
pH-Wertes oder des osmotischen Potentiales {Salzeffekt) (Axelson, Lohm et al.,<br />
1973; Bääth, Lohm et al., 1978; Behan, 1978; Trojanowski and Baluk, 1989). Die<br />
Abundanzsteigerung der Milben und Collembolen im zweiten und meist auch dritten<br />
Jahr nach einer einmaligen Düngung werden mehrfach in der Literatur genannt,<br />
so daß die jetzigen Ergebnisse sehr gut in dieses Bild passen (Huhta et al.,<br />
1967; 1969; Lohm et al., 1977; Sohlenius and Bostöm, 1986). Keine Hinweise<br />
gibt es allerd ings auf eine deutliche Zunahme der mykorrhizasaugenden Proturen<br />
nach einer Düngung. Hier wäre festzustellen, ob sich die Situation der Pilzsymbiose<br />
durch die Düngung so weit verbessert hat, daß auch die Beintaster ein besseres<br />
Nahrungsangebot vorfinden.<br />
Innerhalb von zwei Beobachtungsjahren hat somit lediglich die Variante Biomag zu<br />
einer Abundanzsteigerung bei der Mesofauna geführt (Abb. 3).<br />
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4 ERGEBNISSE - SCHÖNEBEN<br />
4.1 Abundanz und Dominanz<br />
105<br />
Die Besiedelungsdichte (rund 50.000 lnd./m2) ist hier deutlich höher als in Viehberg<br />
und kann, generell gesehen, als schwach unterd urchschnittlich betrachtet<br />
werden (Peterson and Luxton, 1982). Milben und Collembolen nehmen je<br />
ca. 40% der Gesamtzönose ein. Die älteren Bestände (Bärenstein, Trautwald)<br />
haben leicht höhere Besiedelungsdichten als der jüngere Bestand (Pflegerwiese).<br />
Die geht vor allem auf die Collembolendichte zurück und wird vermutlich durch<br />
den besseren Licht-Wärme-Genuß im aufgelockerten Altbestand verursacht.<br />
4.2 Auswirkungen der Düngungsmaßnahmen in Schöneben<br />
Wie in Viehberg treten auch in Schöneben im ersten Untersuchungsjahr Abundanzreduktionen<br />
bei der Mesofauna auf. Lediglich einige der untersuchten Gruppen<br />
aus dem Bereich der Mikrofauna weisen in Schöneben gleich im ersten Jahr<br />
der Düngung eine deutliche Abundanzsteigerung auf (Kopeszki, Foissner u.<br />
Aescht, 1993). Es handelt sich dabei um Fadenwürmer und Rädertiere. Hingegen<br />
verhalten sich Schalenamöben und Wimpertiere analog den Collembolen und Milben<br />
und vermindern die Populationsgröße (siehe FIW-Zwischenbericht, 1988).<br />
Lediglich im jungen Bestand (Pflegerwiese) verursacht die Düngerkombination<br />
Biomag-Bactosol auch bei den Collembolen im ersten Jahr eine geringfügige<br />
Abundanzzunahme. Eine solche Abundanzsteigerung kann bei den Altbeständen<br />
erst im zweiten bzw. dritten Folgejahr festgestellt werden.<br />
Reine Stickstoffdüngung (Nitrammonkai-Düngung im Trautwald) in zu hohen<br />
Dosen und mehrfachen Applikationen vermindert die Abundanz der Mesofauna<br />
überdurchschnittlich stark (Abb. 4) . Die Mesofauna erholt sich zwar schon im<br />
zweiten Untersuchungsjahr wieder, bleibt aber in den Folgejahren immer hinter<br />
der Kontrollfläche. Dies weist auf eine langanhaltende Beeinträchtigung der<br />
Boden(meso)fauna hin. Erst nach vier Jahren weisen Kontroll- und Düngeflächen<br />
annähernd dieselben Abundanzwerte bei der Mesofauna, insbesonders bei den<br />
Collembolen, auf (Abb. 5).<br />
Die sensitivste Gruppe bei reiner N-Düngung sind die Collembolen, vor allem lsoto<br />
miden und Onychiurinen. Abundanz, Artenzahl und Diversität verringern sich;<br />
die eudominate lsotomiella minor bleibt zwar an der Dominanzspitze, ihre Wohndichte<br />
wird aber fast halbiert (Abb. 6).
--.<br />
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K0/89 N/89<br />
Acari<br />
Collembola<br />
106<br />
MESOFAUNA Abundanz<br />
bei Nitrammonkal-Düngung<br />
K0/90 N/90<br />
Myriapoda<br />
Diptera-Larven<br />
Protura<br />
Rest<br />
K0/9 1 N/9 1<br />
Abbildung 4: N-Düngungsversuch im Trautwald (Schöneben) 1989-1992.<br />
Figure 4: Nitrammonkal-fertilizer (Trautwald-Schöneben) 1989- 1992.<br />
3000<br />
N<br />
_§ 2500<br />
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N<br />
� 1500<br />
0<br />
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o::l<br />
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0<br />
Hy Ne<br />
ABUNDANZVERGLEICH<br />
nach vier Jahren (Juli 1992)<br />
Tu On Is En To<br />
Collembolen-Familien<br />
Kontrolle N-gedüngt<br />
Sy NI<br />
Abbildung 5: Collembolenfauna im Trautwald (vier Jahre nach N-Düngung).<br />
Figure 5: Col/embola fa una - Tra utwald (fo ur years after N- fertilization).
107<br />
ABUNDANZVERGLEICH Goilernbola<br />
N.mus. M.juv. T.sta. I.min. I.not. T.vul. M.min.<br />
F.mir. P.arm. F.qua. P.sen. T.min. T.fla.<br />
Collembolen-Arten<br />
N-gedüngt Kontrollfläche<br />
Abbildung 6: Collembolenfauna im Trautwald (21 .1 0. 1 989).<br />
Figure 6: Co/lembola abundance (Trautwald 21. 10. 1989).<br />
N.mus. =Neanura muscorum<br />
P.arm. =Protaphorura armata<br />
P.sen. =Pseudisotoma sensibilis<br />
T.vul. = Tomocerus vulgaris<br />
LITERATUR<br />
F.mir. = Friesea mirabilis<br />
T.sta. = Tetracanthe/la stachi<br />
l.not. =lsotoma notabilis<br />
T.fla. = Tomocerus fla vescens<br />
M.juv. =Mesaphorura juv.<br />
l.min. =lsotomiella minor<br />
T.min. = Tomocerus minot<br />
M.min. =Megalothorax<br />
minimus<br />
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109<br />
VERJÜNGUNGSÖKOlOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IN<br />
FICHTENWAlDÖKOSYSTEMEN DES BÖHMERWAlDES<br />
ECOLOGICA L REGENERA TION STUDIES<br />
IN SPRUCE STANDS IN THE BOHEMIA N <strong>FOR</strong>EST<br />
Harc1!d MEIER<br />
Institut für Waldökologie, Universität für Bodenkultur Wien,<br />
Peter Jordan-Straße 82, A - 1190 Wien<br />
SUMMARY<br />
The aim of this study was to investigate the effects of different upper soil conditions and the competing<br />
vegetation on germination, establishment and the growth of young plants of common<br />
spruce (Picea abies). Therefore a test plot was made in the northern Mühlviertel (Böhmerwald,<br />
Upper AustriaL The upper soil conditions were changed by site preparation, herbicide treatment,<br />
fertilization with an organic fertilizer ("Bactosol") and a dolemit fertilizer. These treatments were<br />
applied individually and in all combinations with each other. The natural seeding of common spruce<br />
was simulated by means of controlled sowing on plots. These plots had a size of 2,5 x 2,5 m. The<br />
natural seeding took place in sections of 0,8x0, 8 m with a seed density of 250 seeds per section,<br />
which equals 390 seeds per m•. The experiment, ten times repeated, was being maintained for<br />
three years.<br />
Germination survival and growth conditions of young common spruce plants were substantially<br />
improved by means of site preparation. This can primarily be attributed to the reduction of the<br />
competing vegetation, the elimination of unfavourable humus layers and the intermixing of the<br />
humus with mineral soil.<br />
During the first growing season the survival percentage of the spruce seedlings could be increased<br />
by using herbicide. At the end of the secend year this effect still did not differ significantly.<br />
The germination success and the development of the spruce seedlings were less affected by fertilization.<br />
The application of the dolemit fertilizer showed no significant effects, the organic fertilizer<br />
had negative effects on the number of seedlings.<br />
The results were seriously influenced by factors outside the treatment conditions, such as grazing<br />
damages by birds and Otiorrhynchus niger. This complicated the interpretation of the results.<br />
There was no clear dependence of germination and survival percentages on chemical conditions in<br />
the upper soil at the various test plots. Competing vegetation and grazing damages by animals<br />
were of considerable significance for the development of the spruce seedlings.<br />
Based on these results it can be concluded that the natural regeneration of these forest stands is<br />
considerably impeded. This is a result of unfavourable conditions of the upper soil, as weil as the<br />
influence of the competing vegetation and grazing damages by animals. Nevertheless site preparation<br />
can be an important measure in these forest stands to encourage natural regeneration of<br />
common spruce.<br />
KEYWORDS: Spruce, Picea abies, natural regeneration, herbicid, fertilizer, site preparation.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Das Ziel der vorliegenden Studie bestand darin, die Auswirkungen der Bodenvegetation und verschiedener<br />
Oberbodenzustände auf Keimung und Entwicklung der Fichte (Picea abies) zu untersuchen.<br />
Hierfür wurden im nordwestlichen Mühlviertel (Böhmerwald) zehn Versuchsflächen angelegt,<br />
wobei das Keimbett durch Bodenbearbeitung, Herbizideinsatz und Düngung durch "Bactosol" und<br />
halbgebranntem Dolomit vorbereitet wurde. Die Flächen wurden in jeweils 16 Teilflächen (Größe:<br />
2,5 x 2,5 m) unterteilt, auf denen die Behandlungsvarianten einzeln und in Kombination zur<br />
Anwendung kamen. Auf jeder Teilfläche wurde in einer Kernzone (0,8 x 0,8 m) der natürliche<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
OGWEB {Osterr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung I ISBN 3-900865-06-X.
110<br />
Samenfall durch kontrollierte Aussaat von autochthonem Fichtensaatgut simuliert<br />
(Ansamungsdichte: 390 Samen/m2).<br />
Die Versuche führten zu folgenden Ergebnissen:<br />
* Durch die Bodenbearbeitung lassen sich die Verhältnisse hinsichtlich Keimung und Entwicklung<br />
der Fichte erheblich verbessern. Dies dürfte primär auf die Beseitigung ungünstiger Humusauflagen,<br />
der Schaffung ausgeglichener Feuchteverhältnisse und auf eine Reduktion der Konkurrenz<br />
der Bodenvegetation zurückzuführen sein.<br />
• Durch den Herbizideinsatz lassen sich die Überlebensraten der Fichtenkeimlinge während der<br />
ersten Vegetationsperiode erhöhen. Die auf allen Varianten zu beobachtenden hohen Ausfallsraten<br />
bis zum Ende der zweiten Vegetationsperiode führten dazu, daß die Herbizidanwendung<br />
zu diesem Zeitpunkt keine signifikanten Unterschiede gegenüber der Kontrollvariante zeigt.<br />
" Die Düngevarianten zeigten unterschiedliche Effekte. Die Behandlung mit halbgebranntem Dolomit<br />
bewirkte keine beobachtbaren Unterschiede zur Kontrollvariante; die Düngung mit<br />
"Bactosol" wirkte sich sowohl auf die Keimung als auch auf die folgende Entwicklung der Sämlinge<br />
negativ aus. Eine schlüssige Erklärung dieser Beobachtung fehlt noch.<br />
" Als wichtigste Schadursachen traten neben den großen Saatgutverlusten durch Vogelfraß<br />
Keimlingspilze und der Larvenfraß des Mittleren Schwarzen Rüsselkäfers (Otiorrhynchus niger)<br />
auf. Auf jenen Varianten, auf denen keine Bekämpfung der Bodenvegetation stattfand, behinderte<br />
die Konkurrenz der Bodenvegetation die Entwicklung der Keimlinge erheblich und dürfte<br />
für einen großen Teil der Verluste verantwortlich sein.<br />
• Grundsätzlich hatten verschiedene, von den Behandlungsvarianten unabhängige Faktoren wie<br />
Fraßschäden durch Vögel großen Einfluß auf das Versuchsergebnis. Die eigentlichen Auswirkungen<br />
der Maßnahmen auf die natürliche Verjüngung wurden zum Teil von diesen Faktoren<br />
gestört bzw. überlagert. Die Interpretation der Auswirkung der Bodenvorbereitunsmaßnahmen<br />
wird dadurch erheblich erschwert.<br />
" Die geringen Überlebensraten bzw. die hohen Ausfälle auf allen Behandlungsvarianten legen den<br />
Schluß nahe, daß eine natürliche Verjüngung der Fichte auf diesen Standorten nur innerhalb<br />
längerer Zeiträume möglich ist, wobei eine Bekämpfung der Bodenvegetation und eine Verbesserung<br />
der Keim- und Entwicklungsbedingungen unerläßlich scheint.<br />
STICHWÖRTER: Fichte, Picea abies, Naturverjüngung, Herbizide, Düngung, Bodenbearbeitung.<br />
1 EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG<br />
Im Sinne der Ausarbeitung von Waldsanierungskonzepten für die belasteten<br />
Gebiete des Böhmerwaldes stellt die Frage der Verjüngung einen Teilbereich dar,<br />
zu deren Unters uchung diese Arbeit einen Beitrag leisten will. Das Fehlen der Verjüngung<br />
ist für die im Bereich des Plöckensteins am Hufberg stockenden, überalterten<br />
Fichtenbestände ein zentrales Problem. Gegenstand der vorliegenden<br />
Untersuchung war es, anhand simulierter Naturverjüngung die Möglichkeiten der<br />
natürlichen Verjüngung und die auf Keimung und Entwicklung der Jungpflanzen<br />
wirkenden Faktoren auf diesen Standorten zu beschreiben.<br />
Die Ausplünderung der Bestände durch Biomasseentzug durch die Landwirtschaft<br />
(Waldweide, Streunutzung) führten auf dem armen Ausgangssubstrat zu ungünstigen<br />
chemischen Bodenverhältnissen und mächtigen, inaktiven Rohhumusauflagen.<br />
Die Nährstoffungleichgewichte und die üppige Vergrasung der Standorte<br />
schienen von zentraler Bedeutung für das Fehlen der natürlichen Verjüngung zu<br />
sein. Aus diesen Ü berlegungen heraus wurde der Versuchsansatz hergeleitet.<br />
Für das Ankommen einer Verjüngung spielen grundsätzlich eine Vielzahl verschiedener<br />
Faktoren zusammen; nicht einzelne von ihnen sind von Bedeutung,
111<br />
ausschlaggebend ist/ daß alle den Standort beeinflussenden Komponenten eine<br />
Wirkung auf den Sämling ausüben (Mosert 1962). Neben den ökologischen Rahmenbedingungen<br />
für das Gedeihen der Jungpflanzen, die durch Bodenart, Bodenzustand<br />
und Bodenvegetation charakterisiert werden, spielen sekundäre Faktoren,<br />
die mit den oben genannten in Wechselwirkung stehen, oftmals eine bedeutende<br />
Rolle. Hier sind insbesondere biotische Schadorganismen wie Insekten, Pilze,<br />
Vögel oder Mäuse zu nennen.<br />
Die Zielsetzung bestand nun darin, durch Veränderung des chemischen und physikalischen<br />
Oberbodenzustandes und Beeinflussung der Abundanz der Bocjenvegetation<br />
Keimung und Entwicklung der Pflanzen zu fördern bzw. die Auswirkungen<br />
verschiedener Maßnahmen (Bodenverwundung, Düngung und Herbizideinsatz) auf<br />
die zahlenmäßige Entwicklung der natürlichen Verjüngung zu beschreiben. Aus<br />
den Ergebnissen sollten praxisbezogene Maßnahmen abgeleitet werden, auf deren<br />
Grundlage man in vergleichbaren Beständen die Effizienz von Naturverjüngungsverfahren<br />
verbessern kann.<br />
2 UNTERSUCHUNGSGEBIET<br />
2.1 Lage<br />
48046' N 13051' S<br />
2.2 Standort<br />
Nach Katzensteiner ( 1 992) fallen die Versuchsflächen in die topographische Einheit<br />
"KUPPE SCHWARZENBERG" auf ca. 1200-1 300 m Seehöhe, wobei sich ein<br />
Teil der Flächen auf einem mäßig SW-geneigten Mittelhang, der zweite Teil auf<br />
einer satteiförmigen Verebnung befindet. Nach der forstlichen Standortskartierunng<br />
(Institut für forstliche Standortsforschung, 1971 ) können die Einheiten FRI<br />
SCHE BLOCKHALDE (mit reichlich Blockmaterial durchsetzte Fließerden in geneigtem<br />
Gelände: keine Ausräumung des Feinmaterials zwischen den Blöcken, auf den<br />
Blöcken A/C-Böden mit Moder- oder Rohhumus, zwischen den Blöcken Semipodsole<br />
bis Podsole) und ANMOORIGE BLOCKHALDE (Biockströme in muldigen<br />
Lagen: Feinmaterial zwischen den Blöcken ist erodiert, Rohhumusdecken auf den<br />
Blöcken, Moor- und Anmoorhumus zwischen den Blöcken) ausgeschieden werden.<br />
Das Grundgestein auf den Flächen bildet Eisgarner Granit. Ausgangsmaterial<br />
für die Bodenbildung sind stark kompaktierte, pariglazial überprägte, alte Bodendecken.<br />
Die Wälder können nach Jelem ( 1976) als Calamagrostis viflo se - Luzula silvatica -<br />
Homogyne alpina - Piceetum ausgeschieden werden. Die Flächen sind größtenteils<br />
stark mit Ca/amagrostis villosa vergrast, anmoorige Subei nheiten werden durch<br />
Dryopteris austriaca ssp . spinulosa dominiert.
112<br />
Das durchschnittliche Alter des Fichtenbestandes liegt bei 156 Jahren, die<br />
Stammzahlen pro Hektar befinden sich im Bereich von 190 bis 240. Sämtlich Versuchsflächen<br />
befinden sich unter lockerem Schirm des Altbestandes (Bestokkungsgrade<br />
im Bereich von 0,6 - 0,8).<br />
3. MATERIAL UND METHODEN<br />
3.1 Versuchsdesign<br />
Die einzelnen Versuchsflächen hatten je eine Größe von 10 x 10 m, die in 16 Teilflächen<br />
(Parzellen) mit einer Größe von 2,5 x 2,5 m unterteilt wurden. Auf diesen<br />
Teilflächen kamen die Behandlungen einzeln und in sämtlichen Kombinationen zur<br />
Anwendung. Innerhalb jeder Teilfläche wurde auf einer Kernfläche (0,8 x 0,8 m)<br />
der natürliche Samenfall der Fichte durch kontrollierte Aussaat simuliert. Die<br />
Anlage des Versuchs erfolgte in zehnfacher Wiederholung (Vers uchsflächen).<br />
3.2 Versuchsanlage<br />
3.2.1 Bodenbearbeitung ( BB )<br />
Die Bodenbearbeitung erfolgte mit einem motormanuellem Verfahren. Verwendung<br />
fand eine Einachsmotorhacke der Marke "Max im" . Die Bodenvegetation und<br />
der Auflagehumus wurde zerschlagen, und es kam zu einer flachen Vermischung<br />
des Auflagehumus mit den obersten Mi neralbodenschichten (Zeitpunkt: 18.6.-<br />
20.6.1991).<br />
3.2.2 Kalkung ( K )<br />
Verwendung fa nd halbgebrannter Dolomit der Firma Bodenkalk (Graz), der in einer<br />
Menge von 3 t/ha ausgebracht wurde. Die Ausbringung auf den Flächen erfolgte<br />
durch händisches Ausstreuen (Zeitpunkt: 20.6.1991).<br />
3.2.3 Organischer Dünger ( 0 )<br />
Als organischer Dünger wurde ein Bactosoi-Granulat der Firma Biochemie<br />
Ges.m.b.H. (Kundl) verwendet. Die Ausbringung erfolgte ebenfalls händisch in<br />
einer Menge von 3 t/ha (Zeitpunkt: 20.6.1991 ) .<br />
3.2.4 Herbizid ( H )<br />
Die Teilflächen wurden vor der Aussaat mit dem Totalherbizid "Roundup" vorbehandelt.<br />
Die Ausbringung erfolgte auf den bodenbearbeiteten Flächen mit einem
113<br />
tragbaren Sprühgerät. Auf den nicht bodenbearbeiteten Flächen wurde das Herbizid<br />
mit einem Dochtgerät (Applikationsstab) auf die Blattorgane gestrichen (Zeitpunkt:<br />
20.6.1991 ). in der zweiten Vegetationsperiode wurde die sich erneut stark<br />
entwickelnde Grasvegetation (Calamagrostis villosa) mit einem selektiv wirkenden<br />
Herbizid ("Fusilade extra") bekämpft. Die Ausbringung erfolgte mit einem Sprühgerät<br />
(Zeitpunkt: 20.7.1992).<br />
Um den Einfluß des Vogel- und Mäusefraßes zu untersuchen, wurden die Kernzonen<br />
zweier Varianten ("Bodenbearbeitung" und die Kombination "Bodenbearbeitung,<br />
Bactosol und Halbgebrannter Dolomit") jeweils zur Hälfte mit einem Aluminiumgitter<br />
abgedeckt, das seitlich ca. 15 cm in den Boden eingegraben wur-de.<br />
Diese Schutzgitter wurden am Anfang der zweiten Vegetationsperiode wieder<br />
entfernt.<br />
3.3 Saat<br />
Die Saat erfolgte mit autochtonem Fichtensaatgut (Ernte 1988).<br />
Das 250-Korngewicht lag bei 1,89 g + 1- 0,05.<br />
Die Keimfähigkeit wurde bei 20 x 20 Samen bei konstanter Temperatur von 21 °C<br />
ermittelt und lag nach 21 Tagen bei ca. 80%.<br />
Die Aussaat erfolgte in einer Dichte von 250 Samen pro Kernfläche, das entspricht<br />
einer Dichte von 390 Samen pro m2•<br />
Zeitpunkt der Saat: 21.6.1991<br />
Aufgrund der langandauernden Schneelage waren die Flächen erst zu diesem Zeitpunkt<br />
vollständig ausgeapert. Der Boden war zu diesem Zeitpunkt wassergesättigt,<br />
fünf Stunden nach der Saat begann es zu regnen.<br />
3.4 Aufnahmemethodik<br />
Auszählen der<br />
Ansprache der<br />
Vegetationsansprache nach + Höhe<br />
+ gekeimten Samen<br />
(sobald das Hypokotyl erschien, galt eine Pflanze<br />
als gekeimt)<br />
+ Keimlinge bzw. der Sämlinge<br />
+ abgestorbenen Sämlinge<br />
+ Ausfallsursachen<br />
(wurden vor Ort an den noch aufgefundenen<br />
Pflanzen aufgenommen)<br />
+ kombinierte Abundanz-Dominanzansprache<br />
nach BRAUN-BLANOUET
4 ERGEBNISSE<br />
114<br />
4.1 Auswirkungen der Behandlungsvarianten auf Keimung und Entwicklung der<br />
Jungpflanzen<br />
4. 1.1 Wirkungen der Bodenbearbeitung<br />
Durch die Bodenbearbeitung lassen sich die Keim- und Entwicklungsbedingungen<br />
für die Fichte signifikant verbessern. Dies zeigt sich in der deutlich höheren<br />
Anzahl an gekeimten Samen bzw. an der Anzahl der sich entwickelnden Keimlinge<br />
(Abb. 1). Ebenso lassen sich in der ersten Vegetationsperiode höhere Überlebensraten<br />
als auf der Kontrollvariante beobachten. ln weiterer Folge kam es<br />
jedoch zu bedeutenden Ausfällen. ln den Monaten nach dem Auflaufen der<br />
Samen waren diese Ausfälle hauptsächlich auf einen Pilzbefall (nekrotische Einschnürungen<br />
am Wurzelhals) zurückzuführen. Die am Beginn der zweiten Vegetationsperiode<br />
beobachteten Schäden waren zu einem großen Teil durch den Larvenfraß<br />
des Mittleren Schwarzen Rüsselkäfers (Otiorrh ynchus niger) verursacht.<br />
Anschließend traten nur noch geringe Verluste auf, deren Ursache hauptsächlich<br />
eine ungenügende Verankerung der Wurzel im Oberboden und der damit verbundenen<br />
Anfälligkeit gegenüber Trockenheit war.<br />
50 :<br />
� 30<br />
.c<br />
�<br />
� 20<br />
BBO ... Bodenbearbeitung<br />
4 0 t----------------1 0 . ...... Organischer Dünger<br />
10<br />
0<br />
K ....... Kalkung<br />
H ....... Herbizid<br />
Kon ... Kontrolle<br />
BBO H K 0 Kon<br />
Keimlinge Vll. 1991 � Sämlinge Vll. 1992 0 Sämlinge Vll. 1993<br />
Abbildung 1: Entwicklung der Sämlingsanzahl auf den Hauptvarianten.<br />
Figure 1: Development of the number of seedlings on the main varian ts.
4.1.2 Wirkungen der Düngevarianten<br />
4.1 .2.1 Halbgebrannter Dolomit<br />
115<br />
Die Kalkung und die damit verbundene Erhöhung der Azidität des Oberbodens<br />
führten zu keinen beobachtbaren Auswirkungen auf die Anzahl der sich entwikkelnden<br />
Jungpflanzen. Durch Keimlingspilze und die starke Konkurrenz der Bodenvegetation<br />
kam es auf diesen Parzellen in der ersten Vegetationsperiode zu einem<br />
mehr oder weniger vollständigen Ausfall der Verjüngung.<br />
4.1 .2.2 Organischer Dünger ("Bactosol")<br />
Die Düngung mit "Bactosol" wirkt sich negativ auf die Anzahl der gekeimten<br />
Samen aus. Ebenso ist eine Tendenz zu geringeren Überlebensprozenten auf den<br />
mit dem organischen Dünger behandelten Parzellen zu beobachten. Auch hier sind<br />
die Ausfälle auf Keimlingspilze und die verdämmende Wirkung der Grasvegetation<br />
zurückzuführen.<br />
4.1 .3 Herbizid<br />
Es sind keine Auswirkungen auf die Keimung an sich zu beobachten. Durch die<br />
geringere Abundanz der Bodenvegetation während der ersten Vegetationsperiode<br />
ist eine Tendenz zu höheren Überlebensraten auf den herbizidbehandelten Flächen<br />
zu erkennen. Diese Wirkung läßt sich jedoch nicht signifika nt nachweisen. Auch<br />
hier sind, insbesondere am Beginn der zweiten Vegetationsperiode, große Verluste<br />
aufgetreten. Häufig waren die Ausfallsursachen nicht zu bestimmen, da die<br />
Sämlinge nicht mehr auffindbar waren bzw. schon ein Befall mit sekundären Pilzen<br />
aufgetreten war.<br />
4.1 .4 Wirkung der kombinierten Varianten<br />
Die Auswirkung der Kombinationen der verschiedenen Varianten lassen sich größtenteils<br />
durch die Summe der Wirkungen der Einzelbehandlungen charakterisieren.<br />
Wechselwirkungen sind nur tendenziell zu beobachten.<br />
Bei den kombinierten Varianten ohne Bodenbearbeitung zeigt die Variante ohne<br />
organische Düngung signifikant bessere Keim- und Entwicklungsbedingungen in<br />
der ersten Vegetationsperiode (Abb. 2). Die hohen Ausfallsraten bei allen kombinierten<br />
Varianten ohne Bodenbearbeitung führten dazu, daß dieser Effekt in der<br />
zweiten Vegetationsperiode nicht mehr nachzuweisen war. Da die abgestorbenen<br />
Keimlinge auf diesen Parzellen häufig nicht mehr auffindbar waren, konnten die<br />
Ursachen des Ausfalls nicht bestimmt werden.
50<br />
40<br />
..<br />
e 30<br />
;:::;<br />
-=<br />
e
117<br />
Zwischen den beiden Varianten zeigte sich während den ersten zwei Jahren signifikante<br />
Unterschiede, wobei auf der Variante "BB/0/Kg" geringere Keimlingsanzahlen<br />
gezählt wurden. Dieser Unterschied war in der dritten Vegetationsperiode<br />
jedoch nicht mehr nachzuweisen.<br />
120<br />
100<br />
80<br />
N<br />
s<br />
.c 60<br />
�<br />
N<br />
=<br />
<<br />
40<br />
20<br />
0<br />
� � =<br />
= ::t: =<br />
= 0<br />
=<br />
=<br />
BB ..... Bodenbearbeitung<br />
O ....... Organ. Dünger<br />
K ....... Kalkung<br />
H ....... Herbizid<br />
g ........ Schutzgitter<br />
Keimlinge VII. 1991 � Sämlinge VII. 1992 D Sämlinge VII. 1993<br />
Abbildung 3: Entwicklung der Sämlingsanzahl auf den Varianten mit Bodenbearbeitung.<br />
Figure 3: Development of th e number of seedlings on the variants with site prepa<br />
ration.<br />
4.2 Keimung der Samen des Mastjahres 1992 auf den verschiedenen Behandlungsvarianten<br />
Die Verbesserung des Keimbettes durch die Bodenbearbeitung läßt sich auch<br />
noch zwei Jahre nach der Behandlung hochsignifikant nachweisen. Die Düngung<br />
mit "Bactosol" und die Behandlung mit halbgebranntem Dolomit zeigen keine<br />
Auswirkungen. Der Einsatz des Herbizides jedoch führt zu einem sehr ungünstigen<br />
Keimbett für die Fichte {Abb. 4). Dies liegt wahrscheinlich in dem ungünstigen<br />
Oberbodenzustand begründet, der durch die tote organische Substanz verursacht<br />
wird.<br />
Auf dem 5%-Niveau tritt zwischen den Varianten "Bodenbearbeitung", "Bactosol"<br />
und "Herbizid" eine Wechselwirkung auf. Diese Kombination scheint sich ungün-
118<br />
stig auf die Keimung und die erste Entwicklunsphase auszuwirken. Eine Tendenz<br />
zu einer Wechselwirkung ist zwischen den Behandlungsvarianten mit Bodenbearbeitung<br />
und Kalkung zu beobachten, wobei die Kombination dieser Maßnahmen<br />
die Ansamungsbedingungen verbesserten.<br />
100<br />
80<br />
BB .... .Bodenberubeitung<br />
O ....... Organ. Dünger<br />
K. ...... Kalkung<br />
s 60 H ....... Herbizid<br />
�<br />
N<br />
=<br />
<<br />
40<br />
20<br />
0<br />
� = � 0 0 0 = = � = = = =<br />
= = Q<br />
0 � = � � 0 � = 0<br />
= = = = 0 = � � =<br />
= = = =<br />
=<br />
� Keimlinge 1993<br />
Abbild ung 4: Anzahl der gekeimten Samen der Mast 1992 auf den Behandlungsvarianten.<br />
Figure 4: Number of germinated seed/ings of the mast in 1992 on the various test<br />
pfots.<br />
4.3 Wirkung der Varianten auf die Abundanz bzw. Dominanz der Bodenvegetation<br />
Grundsätzlich kommt es durch die Varianten "Bodenbearbeitung" und "Herbizid"<br />
zu einer Verminderung der Abundanz, wobei die Kombination der beiden die beste<br />
und nachhaltigste Wirkung zeigt. Ca/amagrostis vi/losa, als häufigste und nahezu<br />
flächendeckend vorkommende Art, besitzt jedoch auf diesem Standort ein sehr<br />
hohes Regenerationspotential, so daß die Abundanz nach einer Vegetationsperiode<br />
wieder erheblich zugenommen hatte und keine signifikanten Unterschiede zur<br />
Kontrollvariante mehr vorhanden waren. Der zweite Herbizideinsatz während der<br />
zweiten Vegetationsperiode mit einem selektiv wirkenden Grasherbizid führte bei<br />
Calamagrostis viflose erneut zu einer starken Reduktion der Abundanzverhältnisse<br />
(Abb. 5).
6 .--- -- -- -- --<br />
5 +--- -- -- --<br />
0<br />
119<br />
--1 BB ... Bodenbearbeitung; O ... Organ. Dünger<br />
-1 K. .. Kalkung; H ... Herbizid; Kon ... Kontrolle<br />
=<br />
� 0 � = = � = = � 0 .� = � � =<br />
� 0 0 = 0 = = 0 =<br />
� = = = = 0 = =<br />
= = = =<br />
=<br />
Cal. vil. 1991 � Ca!. vil. 1992 [] Cal. vil. 1993<br />
Abbildung 5: Entwicklung der Abundanzverhältnisse von Calamagrostis villosa<br />
während der ersten drei Vegetationsperioden.<br />
Fig ure 5: Deve/opment of the abundance re/a tions of Calamagrostis villosa during<br />
5 DISKUSSION<br />
the firs t three growing seasons.<br />
Die Verjüngung von Forstpflanzen wird durch eine Vielzahl von verschiedenen<br />
Faktoren beeinflußt, wobei die meisten Konkurrenzfaktoren nicht unabhängig<br />
voneinander wirken (Bursche! u. Huss, 1987; Huss, 1978). Bedingt durch die<br />
Vielfalt der möglichen Wechselwirkungen, wird die Interpretation der Ergebnisse<br />
aus Freilandversuchen häufig erheblich · erschwert. Grundsätzlich stellen jedoch<br />
Humusform, Bodenvegetation und Wasserhaushalt des Oberbodens die wichtigsten<br />
Faktoren für das Ankommen einer Fichtennaturverjüngung dar (Moser,<br />
1965).<br />
Die beobachteten hohen Saatgutverluste durch den Vogelfraß erschweren die<br />
Beantwortung der Frage, wie sich die verschiedenen Maßnahmen auf Keimung<br />
und Entwicklung der Fichtenpflanzen auswirken. Dies hat zur Folge, daß sich die<br />
Auswirkungen und die Bedeutung der durch die Versuche veränderten Faktoren<br />
schwierig zu beurteilen sind, andererseits lassen die Ergebnisse den Schluß zu,<br />
daß dem Verlust von Saatgut durch Vogelfraß große Bedeutung zukommt. Es darf<br />
jedoch nicht übersehen werden, daß aufgrund des kleinflächig konzentrierten<br />
Nahrungsangebots möglicherweise ein gewisser "Fütterungseffekt" vorliegt und<br />
somit die Differenz der Varianten mit und ohne Schutzgitter mit Vorsicht zu interpretieren<br />
ist. Daß dem Vogelfraß als Schadursache, insbesondere auf bodenbear-
120<br />
beitaten Parzellen, große Bedeutung zukommen kann, beschreibt auch Plate<br />
(1975).<br />
Durch die Bodenbearbeitung können die Ansamungs- und Entwicklungsbedingungen<br />
für die Fichte erheblich verbessert werden. Die wesentliche Wirkung beruht<br />
offenbar darauf, daß durch die Durchmischung des Auflagehumus mit den obersten<br />
Mineralbodenhorizont und dem damit verbundenen ausgeglicheneren Wasserhaushalt<br />
die Bedingungen für die Keimung und Entwicklung verbessert werden<br />
(Bursche! u. Huss, 1987; Jungwirth, 1992). Ebenso scheint die Reduktion der<br />
Konkurrenzvegetation von grundlegender Bedeutung zu sein.<br />
Keimung und Etablierung werden durch ungünstige Nährstoffverhältnisse im<br />
Oberboden offenbar nicht beeinflußt. Das ergibt sich aus der Tatsache, daß auf<br />
den gedüngten Parzellen keine höheren Sämlingszahlen gezählt wurden. Auch<br />
Littek ( 1 993) und Beetz ( 1 987) konnten keine signifikante Förderung der Fichtsnnaturverjüngung<br />
durch Düngung beobachten. Huss (1977) weist jedoch darauf<br />
hin, daß die Wirkung von Düngegaben erst bei ausreichenden Lichtverhältnissen<br />
zu beobachten ist. Die durch die Kalkgabe verminderte Azidität bewirkt ebenfalls<br />
keine signifikanten Mitteiwertsunterschiede. Dieses Ergebnis widerspricht jenem<br />
von Abrahamsen et al. (1977), der bei pH-Werten kleiner als 4,4 deutlich geringere<br />
Keim- und Ü berlebensraten beobachtete.<br />
Die negativen Auswirkungen des organischen Düngers lassen sich sowohl bei der<br />
simulierten Saat als auch bei den Keimprozenten der Mast 1992 beobachten. Eine<br />
schlüssige Erklärung dieser Beobachtung fehlt noch. Negative Auswirkungen einer<br />
Düngergabe auf Keimung und Entwicklung einer Fichtennaturverjüngung wurde<br />
auch von anderen Autoren beobachtet. Littek ( 1 993} berichtet von unterdurchschnittlich<br />
niederen Keimzahlen auf mit Kalkammonsalpeter gedüngten Parzellen<br />
und führt dies auf die versauernde Wirkung des Ammoniumnitrates zurück. Plate<br />
(1975) weist auf die durch die Düngung hervorgerufene starke Entwicklung der<br />
Bodenvegetation hin, die den Düngeeffekt überlagert.<br />
Da die Herbizidbehandlung der Parzellen einige Tage vor der Aussaat erfolgte,<br />
konnte sie sich nur geringfügig auf die Keimung der Samen auswirken und<br />
bewirkt somit keine Unterschiede zur Kontrollvariante. Die beobachteten Überlebensprozente<br />
auf diesen Varianten wa ren jedoch in der ersten Phase der Entwicklung<br />
höher. Dieser Effekt läßt sich nicht gesichert nachweisen. Die hohen<br />
Ausfälle in der zweiten Vegetationsperiode waren indes auch auf diesen Flächen<br />
zu beobachten, wobei die Ursachen der Ausfälle häufig nicht geklärt werden<br />
konnten, da die Keimlinge nicht mehr auffindbar waren.<br />
Für die Samen der Mast 1992 stellt die mit Herbiziden behandelten Versuchsflächen<br />
(zweiter Herbizideinsatz) ein äußerst ungünstiges Keimbett dar. Die durch<br />
die abgestorbene Grasvegetation gebildete Schicht auf dem Oberboden verhindert,<br />
daß der Same die für die Keimung notwendigen Feuchteverhältnisse vorfin-
121<br />
det. Der Same bzw. der sich entwickelnde Keimling findet keinen Kontakt zum<br />
Oberboden und kann somit seine Keimwurzel nicht entsprechend verankern. Eine<br />
Vorbereitung von Flächen zur Naturverjüngung von Fichte durch Herbizide ist<br />
somit nicht empfehlenswert. Eine Herbizidapplikation nach Auflaufen der Saat<br />
kann jedoch durchaus die Entwicklung der Naturverjüngung fördern, da die Konkurrenz<br />
der Bodenvegetation, die vor allem in der ersten Vegetationsperiode zu<br />
Ausfällen führt, dadurch vermindert werden kann.<br />
Neben der Konkurrenz der Bodenvegetation stellte der Larvenfraß des Mittleren<br />
Schwarzen Rüsselkäfers (Otiorrhynchus niger) in der zweiten Vegetationsperiode<br />
eine bedeutende Ausfallsursache dar. Der Käfer, der vor allem in Saatkämpen und<br />
Pflanzgärten als Schädling auftritt, legt seine Eier besonders gern an frisch gelokkerte<br />
Stellen (Brauns, 1991 ) . Eine Wechselwirkung mit der Bodenbearbeitung<br />
konnte aufgrund der geringen absoluten Keimlingszahlen und der hohen Ausfälle<br />
im Jahr des Auflaufens nicht nachgewiesen werden.<br />
LITERATUR<br />
ABRAHAMSEN G., R. HORNTVEDT u. 8. TVEITE, 1977: Impacts of acid precipitation on coniferous<br />
forest ecosystems. Water, Air and Soil Poil. 8: 57-73.<br />
BEETZ H.-P., 1987: Saatversuche auf Waldschadensflächen. Diplomarb., Forstwiss. Fakultät München,<br />
84.<br />
BRAUNS A., 1991: Taschenbuch der Waldinsekten. G. Fischer, Stuttgart, 860.<br />
BURSCH EL P. u. J. HUSS, 1987: Grundriß des Waldbaus. Ein Leitfaden für Studium und Praxis.<br />
Pareys Studientexte 49, Parey, Hamburg, Berlin, 352.<br />
HUSS J., 1977: Vergleichende ökologische Untersuchungen über die Reaktion junger Fichten auf<br />
Lichtentzug und Düngung im Freigelände und in Beschattungskästen. Gött. Bodenkundl.<br />
Berichte 51, 215.<br />
HUSS J., 1978: Die Wirkung von Unkrautbekämpfungen auf die Entwicklung von Wa!dverjüngungen.<br />
AFZ Wien 87: 120-125.<br />
INSTITUT <strong>FÜR</strong> <strong>FOR</strong>S<strong>TLICHE</strong> ST ANDORTS<strong>FOR</strong>SCHUNG, 1971: Standortskartierung der Reviere<br />
nördlich der Großen Mühl des Forstbetriebes des Stiftes Schlägl, Revier Schwarzenberg. Wien,<br />
115.<br />
JELEM H., 1976: Die Wälder des Mühl- und Waldviertels. Mitt. der Forstlichen Bundesversuchsanstalt<br />
Wien 1 17, 1 64.<br />
JUNGWIRTH P., 1992: Bodenbearbeitung für die Naturverjüngung. Diplomarb., Univ. Bodenkultur<br />
Wien, 157.<br />
KATZENSTEINER K., 1992: Mineralstoffernährung, Bodenzustand und Baumvitalität in Fichtenwaldökosystemen<br />
des Böhmerwaldes. Diss., Univ. Bodenkultur Wien, 195.<br />
LITTEK T., 1993: Die Abhängigkeit des Verjüngungserfolges vom Oberbodenzustand und Säuregrad<br />
in geschädigten Waldbeständen des Schwarzwaldes. KfK-PEF 1 06, 240.<br />
MOSER 0., 1962: Untersuchungen über die Abhängigkeit der natürlichen Verjüngung der Fichte<br />
vom Standort. Diss., Univ. Bodenkultur Wien.<br />
PLATE G., 1975: Ökologische Untersuchungen zur Verjüngung der Fichte. Diss., Forstwiss. Fakultät<br />
München, 199.
122
123<br />
DIE PHYSIOLOGISCHE UND BIOCHEMISCHE BIOINDIKATION<br />
UND IHRE ANWENDUNG AM BEISPIEl DER FAllSTUDIE SCHÖNEBEN<br />
PHYSIOLOGICAL AND 8/0CHEMICA L BIO/ND/CA T!ON AND ITS APPLICA TION<br />
TO THE FI W II PROJEC T "SCHÖNEBEN "<br />
* *<br />
Dieter GRill , Michael TAUSZ ,<br />
E. BERMADINGER-STABENTHEINER, M. EDL, M. GAilHOFER,<br />
G. HAlBWACHS, W. HAVRANEK, H. KROMP-KOlB, M. MÜllER,<br />
C. NEMETZ, l. PUCHINGER, W. RUPPERT, U. SCARDElll, A. STOHl,<br />
K. WAGNER, G. WIESER, R. WIMMER und G. ZEllNIG<br />
*Institut für Pflanzenphysiologie, Kari-Franzens-Universität<br />
Schubartstraße 51, A - 801 0 Graz<br />
SUMMARY<br />
The present study is derived from an interdisciplinary cooperation among the workgroups Gailhofer<br />
(University Graz), Grill (University Graz), Halbwachs (BOKU Vienna), Havranek (FBVA lnnsbruck),<br />
Kromp-Kolb (University Viennal. and Puchinger (TU Vienna} and data were compiled from the final<br />
reports of the respective workgroup. lt was carried out within the project FIW II (Forschungsinitiative<br />
gegen das Waldsterben). We thank all participating colleagues for the excellent Cooperation.<br />
Physiological and biochemical methods combined with data concerning structure and ultrastructure<br />
of the cells can be used for stress-indication with spruce. Stressphysiological parameters<br />
(antioxidants and antioxidative enzymes) indicate active defence-reactions of the plant cells against<br />
Stressors that enhance the formation of toxic radicals. Such enhanced formation of radicals can<br />
occur due to various reasons, e.g. impact of air pollutants, photooxidation as a consequence of<br />
cold stress or drought stress as weil as infections by pathogenes. The combination of data<br />
supplied by various methods allows a more specific Statement about certain Stressors. These<br />
methods include microscopic and electron-microscopic analyses as weil as biochemical data concerning<br />
the vitality of the tree (e.g. pigment analyses). Furthermore, it is necessary to relate these<br />
physiological data to meteorological and climatic factors. Thus it is possible to make a statement<br />
about the physiological stress situation of the trees and trace the plant response back to single or<br />
various Stressors. With this physiological-biochemical bioindication it is possible to detect nonaccumulative<br />
pollutants such as ozone which is impossible with conventional methods, e.g. needle<br />
analyses.<br />
The application of this method to the study "Schöneben" showed that oxidative air pollutants,<br />
mainly represented by ozone, played an important role as environmental stressors influencing the<br />
spruce trees. The measuring of air pollutants revealed that ozone-levels were elevated, whereas<br />
elevated concentrations of sulfur-dioxide and nitrogen-oxides did not occur. Physiological analyses<br />
of spruce trees Iead to the conclusion that many of the sampled plants suffered stress caused by<br />
free radicals. The radical scavenging systems were activated to a comparably high Ievei and the<br />
needles had high contents of antioxidants, in this case mainly ascorbic acid. Simultanously the<br />
trees showed signs of reduced vitality and initial symptoms of yellowing, as shown by pigment<br />
analyses. Impact of photooxidants is certainly one reason for the critical Situation of the spruce<br />
trees in Schöneben. However, meteorologic (drought periods) as weil as edaphic factors (multiple<br />
nutrient deficiencies) contribute a great deal to the Situation. As a consequence synergistic effects<br />
multiply the impact of single stressors.<br />
KEYWORDS: Bioindication, air pollution, ozone, Picea abies, ascorbic acid, pigment, thiols,<br />
peroxidase, wax structure, forest decline, stress, antioxidants.<br />
Fors tliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
ÖGWEB (Österr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung) ISBN 3-900865-06-X.
124<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Physiologische und biochemische Methoden werden in Verbindung mit mikroskopischen und elektronenmikroskopischen<br />
Untersuchungen für eine Streßindikation bei Fichten verwendet. Streßphysiologische<br />
Parameter (Antioxidantien und antioxidative Enzyme) messen aktive Abwehrreaktionen<br />
der Pflanze auf jene Stressoren, die eine vermehrte Bildung von toxischen Radikalen verursachen.<br />
Für eine umfassende und differenzierte Beurteilung der Streßsituation müssen verschiedene<br />
Methoden herangezogen werden. Das bedeutet, daß meteorologische, anatomische und ultrastrukturelle<br />
Daten sowie jene biochemischen Parameter, die eine physiologische Vitalitätsbeurteilung der<br />
Fichten ermöglichen (Pigmentanalysen), in die Analyse integriert werden. Dadurch können besonders<br />
auch solche Streßeirtwirkungen in ihren Auswirkungen erkannt werden, die mit herkömmlichen<br />
Verfahren der Bioindikation (z.B. Nadelanalysen) nicht erfaßt werden. Dazu gehören besonders<br />
nicht akkumulierbare Luftschadstoffe wie Ozon und andere Photooxidantien. Die Anwendung<br />
dieser Indikationsmöglichkeiten auf die FIW !I-Fallstudie Schöneben zeigte, daß gerade solche<br />
Stressoren in nachweisbarem Ausmaß auf die Fichten dieses Gebietes einwirken und in synergistischen<br />
Effekten mit ungünstigen Witterungsverhältnissen, z.B. Trockenperioden, weiteren Schadtoffen<br />
und Nährstoffmängeln zu den beobachteten Schadsymptomen führen.<br />
STICHWÖRTER: Bioinidkation, luftverunreinigung, Ozon, Ascorbinsäure, Pigment, Thiole, Peroxidase,<br />
Wachsstruktur, Waldsterben, Streß, Antioxidantien.<br />
1 EINLEITUNG<br />
Diese Arbeit entstand aus einer interdisziplinären Zusammenarbeit der nachfolgend<br />
genannten Arbeitsgruppen des Projektteils "Luftchemische Stresse" im Rahmen<br />
der FIW II (Forschungsinitiative gegen das Waldsterben). Es wurden Daten<br />
aus allen zur Verfügung gestellten Endberichten verwendet. An dieser Stelle sei<br />
allen Beteiligten für die ausgezeichnete Zusammenarbeit gedankt.<br />
Im Rahmen der FIW Fallstudien werden von den Arbeitsgruppen des Projektteils<br />
"Luftchemische Stresse" physiologische, biochemische, anatomische und ultrastrukturelle<br />
Methoden zur Bioindikation an Fichten angewendet. Reaktionen der<br />
Pflanze auf verschiedene Außeneinflüsse können mit physiologischen Methoden<br />
frühzeitig beobachtet und für eine Indikation genutzt werden. Es wurden streßphysiologisch-biochemische<br />
Untersuchungen (Radikalentgiftungssysteme und Pigmente<br />
- AG Grill, Lipidanalysen - AG Puchinger) sowie physiologische Messungen<br />
(Photosynthese, Gaswechselmessungen und Frostresistenz - AG Havranek) durchgeführt.<br />
Veränderungen von Indikationswerten können sich auch rein strukturell<br />
manifestieren. Auch Infektionen mit pathogenen Pilzen, Viren oder Mycoplasmen<br />
lassen sich strukturell nachweisen. Daher ist es wichtig, auch in dieser Richtung<br />
Analysen einzubeziehen. Dies geschieht durch mikroskopische (AG Halbwachs)<br />
und elektronenmikroskopische (AG Gailhofer) Methoden. Weitere spezielle Indikationsmethoden<br />
(REM-Untersuchungen der Oberflächenwachse, AG Grill) sowie<br />
biometrische Messungen (AG Halbwachs) wurden ebenfalls in das Gesamtkonzept<br />
eingebunden. Da sämtliche Reaktionen der Bäume im ökologischen Zusammenhang<br />
zu sehen sind, ist die Kenntnis meteorologischer, klimatischer sowie immissionskundlicher<br />
Faktoren sehr wesentlich. Dieses Gebiet wird von der AG Kromp<br />
Kolb bearbeitet.
2 METHODIK<br />
125<br />
2.1 Prinzip der physiologischen Bioindikation<br />
Die physiologische Bioindikation beruht auf aktiven Reaktionen der Pflanzen auf<br />
äußere Einflüsse. Dabei kann im Prinzip je nach Art dieses Umwelteinflusses ein<br />
spezifisches Muster von Reaktionen beobachtet werden. Die Untersuchungsmethoden<br />
sind zum Teil aufwendig und daher vor allem dort sinnvoll anzuwenden,<br />
wo einfachere Methoden nicht in Frage kommen. So verursachen z.B. auch Nährstoffmängel,<br />
S02-Einfluß oder Pathogenbefall typische physiologische Reaktionen,<br />
jedoch sind diese Schadursachen anhand von Nadelanalysen bzw. mikroskopischer<br />
Untersuchungen einfacher nachzuweisen. Nur durch physiologische Indikation<br />
an den Nadeln nachzuweisen ist der Einfluß nicht-akkumulierbarer Schadstoffe,<br />
wie zum Beispiel Photooxidantien (Ozon), die auch als Verursacher von<br />
Waldschäden in Betracht gezogen werden (Lichtenthaler, 1984; Elstner u. Osswald,<br />
1984). Visuell zu beobachtende Symptome bzw. Schäden wie Nadelverluste<br />
oder Vergilbung sind dagegen wenig spezifisch und treten erst mit einer<br />
gewissen Verzögerung auf. Damit kommt als zusätzliche, wichtige Aufgabe, die<br />
die physiologische Bioindikation erfüllen kann, eine frühzeitig ansprechende Vitalitätsprüfung<br />
im Sinne der Physiologie.<br />
Die Grundlagen der Bioindikation anhand physiologischer und struktureller Parameter<br />
wurden in zahlreichen Labor- und Freilandversuchen erarbeitet (z.B. Begasungsversuche<br />
bei Mehlhorn et al. 1986; Bermadinger et al. 1990). Aufbauend<br />
auf die so ermittelten Zusammenhänge wurde dann an größer angelegten Freilandstudien<br />
(Höhenprofile) die praktische Anwendbarkeit dieser Parameter überprüft.<br />
Höhenprofile wurden deshalb als Überprüfung der im Experiment gewonnenen<br />
Erfahrungen verwendet, da zahlreiche Immissionsmessungen eine deutliche<br />
Zunahme von Ozon und Photooxidantien mit der Seehöhe ergaben (Smidt, 1989).<br />
Dadurch kann an einem Höhenprofil eine große Bandbreite von verschieden belasteten<br />
Bäumen untersucht werden.<br />
2.2 Zur Indikation nutzbare Parameter<br />
Die verwendeten physiologischen Parameter Ascorbinsäure, Glutathion und Peroxidase<br />
sind Bestandteil des Radikalentgiftungssystems der Zelle (Jäger et al.,<br />
1986). Sie sind deshalb von besonderem Interesse, weil Radikale, im speziellen<br />
Sauerstoffradikale, eine besondere Rolle bei Schädigungsprozessen in der Zelle<br />
spielen (Eistner, 1982). Sie treten im Zusammenhang mit Luftverschmutzungen<br />
(Jäger et al., 1986) ebenso auf wie bei Reaktionen auf Verletzungen oder Pathogene<br />
(Sutherland, 1989), Kälte- (Wise u. Naylor, 1987) oder Trockenstreß<br />
{Dhindsa u. Matowe, 1981 ). Sie reagieren leicht mit Proteinen und ungesättigten<br />
Fettsäuren und schädigen damit die Zelle (Aischer u. Amthor, 1988). Diese hat
126<br />
wiederum verschiedene Schutzsysteme entwickelt, um Radikale zu entgiften<br />
(Abb. 1).<br />
1) Entstehung durch äußere Einflüsse<br />
Ozon --->Zellwandwasser, Doppelbindungen (C=C) --tOH•, C=C•, 02-• etc.<br />
S02, S0 3 2- -->Oxidation durch Radikalmechanismen ---tOH•, 02-• etc.<br />
2) Natürliche Entstehung<br />
PS I (Eiektronenübertragung auf 02 02-•<br />
31 Toxische Elfekle durch Radikalreaktionen<br />
02-•, OH•, H202 ____.<br />
4) Entgiftungsmechanismen<br />
Proteinschädigungen,<br />
Lipidperoxidatione� Ethan, MOA<br />
2 02·• + 2 H+ -(SOD, spontan) -> H202 -->enzymatische Entgiftung durch Peroxidase, Katalase, Ascorbat-Peroxidase;<br />
02·• -> direkte Entgiftung durch Antioxidantien (z.B. Ascorbat)<br />
NADP Glutathion (ox) Dehydroascorbat<br />
PS I Glu.Red. DHA-Reduktase<br />
NADPH Glutathion (red) Ascorbat<br />
Ascorbat-Peroxidase<br />
Abbildung 1.: Schema der Entstehung immissionsbedingter und natürlicher Sauerstoffradikale<br />
und deren Folgeprodukte sowie der Mechanismen zu<br />
deren Entgiftung (basierend auf Jäger et al., 1986, verändert).<br />
Figure 1: Natural formation and generation due to air pollutants of oxygen<br />
radicals and their deriva tes and detoxifying mechanisms {based on<br />
Jäger et al., 1986, modified).<br />
MD= Malondialdehyd/ma/ondia/dehyde, PS = Photosystem/photosystem, SOD =Superoxiddismutase/superoxidedismutase,<br />
DHA = Dehydroascorbat/deh ydroascorbate.<br />
Die Lokalisation der Schutzsysteme innerhalb der Zelle ist in Abb. 2 dargestellt<br />
(Rennenberg u. Polle, 1989). Es wird deutlich, daß ein Großteil der von außen<br />
kommenden toxischen Radikale bereits an der Zellwand, ein weiterer Anteil im<br />
Cytosol mit Entgiftungssystemen in Berührung kommen wird. Der Anteil, der die<br />
Chloroplasten oder den Kern direkt erreicht, dürfte also vergleichsweise gering<br />
sein (vgl. laisk et al., 1989). Dies könnte auch erklären, warum meßbare Beeinträchtigungen<br />
der Photosynthese oder des Wachstums nicht oder oft erst bei<br />
erheblichen Belastungen oder nach langen Zeiträumen beobachtet werden (z.B.<br />
lucas et al., 1988).<br />
Die Reaktionen dieser Schutzsysteme wurden in der Folge von zahlreichen<br />
Arbeitsgruppen in Laborversuchen überprüft, wobei meist eine deutliche Aktivierung<br />
der Schutzsysteme bei den künstlich mit Radikalbildnern (z.B. Ozon, aber<br />
auch andere Luftschadstoffel belasteten Bäumen zu erkennen war. Diese Aktivierungen<br />
äußerten sich in erhöhten Gehalten an Antioxidantien wie Ascorbinsäure
Vakuole:<br />
Glutathion (?)<br />
Peroxidase<br />
Zellwand:<br />
Ascorbinsäure<br />
Peroxidase<br />
127<br />
Chloroplast:<br />
Glutathion<br />
Ascorbinsäure<br />
Carotinoide<br />
Superoxiddismutase<br />
Aseerbat Peroxidase<br />
Glutathionreduktase<br />
Cytoplasma:<br />
Glutathion<br />
Ascorbinsäure<br />
Aseerbat Peroxidase<br />
Glutathionreduktase<br />
Abbildung 2: Schema der Lokalisation der Radikalentgiftungssysteme innerhalb<br />
der Pflanzenzelle (nach Rennenberg u. Polle, 1989, verändert).<br />
Fig ure 2: Localisation of radical detoxifying systems within the plant ce/1 (from<br />
Rennenberg and Polle, 1989, modified).<br />
(Barnes, 1971; Mehlhorn et al., 1986; Sen Gupta, 1991) oder Glutathion (Mehlhorn<br />
et al., 1986; Bermadinger et al., 1990; Dohmen et al., 1990 - siehe Abb. 3)<br />
sowie in einer erhöhten Aktivität der in die Entgiftungssysteme eingebundenen<br />
Enzyme (z.B. Peroxidasen, z.B. Klumpp et al. 1989; Feiler et al., 1989). Es<br />
wurden auch unterschiedliche Reaktionen auf unterschiedliche Schadstoffe festgestellt.<br />
So war zum Beispiel unter Ozonbegasung meist eine deutliche Erhöhung<br />
des Ascorbinsäuregehalts zu erkennen (z.B. Sen Gupta et at., 1991 ), während bei<br />
Schwefeldioxid-beeinflußten Bäumen dieser erniedrigt wa r (Grill et al., 1979).<br />
Solche Zusammenhänge geben Hinweise auf die Möglichkeit einer Differentialdiagnose<br />
anhand des Musters der gewählten Pa ra meter.<br />
Die Verifizierung solcher Laborversuche in der Natur erfolgte vor allem an an<br />
Höhenprofilen (Bermadinger et al., 1989; Grill et al., 1988 u. 1989; Scardelli,<br />
1991; Bermadinger-Stabentheiner, 1992.). Hier konnten in bestimmten Seehöhen<br />
(meist um 1000 und um 1500 m) ähnliche Muster beobachtet werden wie beispielsweise<br />
bei Ozonbegasungen (siehe Abb. 3). Luftschadstoffmessungen ergaben<br />
im allgemeinen einen Anstieg des Ozongehaltes mit der Seehöhe (Smidt,<br />
1989), in speziellen Fällen auch sogenannte "Ozonbäuche ", d. h. Maxima in<br />
bestimmten Seehöhen (vgl. Gomiscek u. Puxbaum, 1990). Damit ließ sich das
128<br />
Auftreten der Streßmuster an Fichten gut in Übereinstimmung bringen. Bestätigt<br />
wurden diese Ergebnisse auch von anderen Arbeitsgruppen anhand von Freilandstudien<br />
(vgl. Madamanchi et al., 1991; Polle u. Rennenberg, 1992; Polle et al.,<br />
1992). Der diagnostizierte oxidative Streß kann nicht allein auf die erhöhte<br />
Strahlungsbelastung in höheren Lagen zurückgeführt werden, da dann ein gleichmäßigerer<br />
Höhengradient zu erwarten wäre, nicht aber die wiederholt beobachteten<br />
Spitzenwerte in bestimmten Höhen. Derartige Streßsymptome in bestimmten<br />
Höhenlagen könnten auch durch Schadstoffe, die in Inversionsschichten konzentrierter<br />
auftreten, verursacht werden (Grill et al., 1988; vgl. "Ozonbäuche" bei<br />
Gomiscek u. Puxbaum, 1990). Die Anzeichen erhöhter Streßbelastung durch oxidative<br />
Einwirkungen gehen häufig mit Vergilbungserscheinungen einher (Osswald<br />
et al., 1987; Pfeifhafer u. Grill, 1988; Siefermann-Harms et al., 1993), wie sie als<br />
typisches Zeichen für "neuartige" Waldschäden beschrieben wurden (Lichtenthaler<br />
u. Buschmann, 1984; Osswa!d u. Elstner, 1986, Kandler et al., 1987). Eine<br />
gewisse Vorsicht ist bei der Interpretation angebracht, da oxidative Streßerscheinungen<br />
diverse Ursachen haben können, so etwa auch Photostreß bei Spaltöffnungsschluß.<br />
Diese kurzfristigen Ursachen können durch die Untersuchung struktureller<br />
Parameter, z.B. der transmissionselektronenmikroskopisch wahrnehmbaren,<br />
dauerhaften Veränderung der Chloroplasten, weitgehend ausgeschlossen<br />
werden.<br />
Kontrolle S02 03 S02+03<br />
Behandlung<br />
Abbildung 3: Erhöhung des Ascorbinsäuregehaltes von Fichtennadeln durch<br />
künstliche Begasung (vgl. Bermadinger et al., 1990).<br />
Figure 3: lncreased Ievels of ascorbic acid in sp ruce needles after fumigation<br />
(cp. Bermadinger et a/., 1990}.<br />
Vergilbungserscheinungen sind bereits als Krankheitssymptom zu werten und lassen<br />
eine verminderte Vitalität des Baumes erwarten. Auch für die frühzeitige<br />
Erkennung solcher Vital itätsverminderungen leistet die Messung biochemischer
129<br />
Parameter gute Dienste. Veränderungen in den Pigmentgehalten und -Verhältnissen<br />
sind durch Pigmentanalysen bereits meßbar/ bevor sie sich in sichtbaren Farbveränderungen<br />
der Nadeln manifestieren (Pfeifhofer u. Grill/ 1987 - siehe Abb. 4).<br />
Auch die frühzeitige Schädigung der Plastidenpigmente durch Luftschadstoffe ist<br />
aus zahlreichen Labor- und Freilandstudien bekannt (z.B. Pfeifhafer u. Grill, 1987;<br />
Havranek et al., 1990). Als Möglichkeit zur Frühindikation von oxidativen Membranschäden<br />
und als empfindliches Vitalitätsmaß wird auch die Analyse der Lipidstoffe<br />
angesehen, da besonders die ungesättigten Fettsäuren der Biomembranen<br />
als primärer Angriffspunkt für Radikale in Frage kommen (Eistner, 1982}. Solche<br />
Zellschädigungen sollten sich daher frühzeitig im Fettsäuremuster der Nadelproben<br />
äußern (Puchinger et al., 1992).<br />
5000<br />
30oo<br />
1<br />
3 4 5<br />
Abbildung 4: Pigmentgehalte von gesunden und verschieden geschädigten Fichten<br />
in Abhängigkeit vom Nadeljahrgang.<br />
Gesunde Fichten (1) zeigen einen regelmäßige Anstieg der Pigmentgehalte vom 1. bis<br />
mindestens zum dritten Nadeljahrgang. Geschädigte Bäume lassen je nach Schädigung<br />
{neuartige Schäden 2 u. 3, reversible Vergilbung an der Waldgrenze 4, stark rotfaul 5)<br />
abweichende Muster erkennen (aus Pfeifhafer u. Grill, 1987).<br />
Fig ure 4: Pigment con tents versus needle age of health y and differently damaged<br />
spruce trees.<br />
Healthy spruce trees (1) sh ow a regular in crease from current year 's needles to at<br />
least three years old needles. Damaged trees (2, 3 nnover forest decline, 4 reversible<br />
yel!owing near the alpine timber line, 5 tree damaged by root rot) present different<br />
patterns dependent on the kind of damage ffrom Pfeifhafer and Gn'll, 1987).<br />
Zu diesen biochemischen Befunden kommen dann weitere, die von anderen<br />
Untersuchungsmethoden geliefert werden. Die Struktur der Wachsröhrchen über<br />
den Spaltöffnungen ist unter dem Einfluß saurer oder alkalischer Depositionen<br />
2
130<br />
verändert. Es kommt zu Verklebungen oder Porenvergrößerungen, die natürlich<br />
starke Beeinträchtigungen des kontrollierten Gasaustausches nach sich ziehen<br />
(Grill u. Golob, 1983; Bermadinger et al., 1987 u. 1988). Unter Oxidantieneinwirkung<br />
wurden derartige Symptome nicht beobachtet, sodaß auch diese Befunde<br />
weiteren Aufschluß über die Natur eventuell wirksamer Schadstoffe geben.<br />
Auch die Ultrastruktur der Zellen, besonders jene der Chloroplasten, zeigt unter<br />
Schadeinflüssen typische Veränderungen, die an bereits visuell gesunden Fichten<br />
beobachtet werden können. Veränderungen der Granastapel, Plastidenform, Stärkeakkumulationen<br />
und Häufung bzw. Kontrastierbarkeit von Plastoglobuli wären<br />
wichtige Kriterien. So treten etwa helle Plastoglobuli spezifisch bei S02-beeinflußten<br />
Fichten auf (Zellnig et al., 1989). Gehäufte, dunkle Plastoglobuli kommen<br />
dagegen in Verbindung mit Granared uktionen und Stärkeakkumulationen besonders<br />
bei "neuartig" geschädigten Bäumen vor (Jung u. Wild, 1988). Diese Symptome<br />
wurden auch bei ozonbegasten Fichten beobachtet (Sutinen, 1990; Schiffgens-Gruber<br />
u. Lütz, 1992).<br />
Der Vorteil sämtlicher beschriebenen Methoden ist ihre Empfindlichkeit. Die<br />
erwähnten Symptome können insgesamt auch schon an visuell nicht geschädigten<br />
Bäumen festgestellt werden und so eine Indikation ermöglichen. Ein ähnlich<br />
empfindliches Instrument zur Vitalitätsprüfung von Fichten bietet auch die cytogenetische<br />
Methode. Durch die Beobachtung und Quantifizierung von Chromosomenstörungen<br />
im Teilungsgewebe der Fichtenwurzeln kann ebenfalls frühzeitig<br />
eine Aussage über den Vitalitätszustand des Baumes getroffen werden (Müller et<br />
al., 1992). Eine erhöhte Anzahl von Aberrationen weist auch an äußerlich gesunden<br />
Fichten auf eine Vitalitätsminderung hin, die sich erst später in Krankheitssymptomen<br />
niederschlägt. Umgekehrt kann auch eine beginnende Verbesserung<br />
der Vitalität an äußerlich kranken Bäumen erkannt werden.<br />
2.3 Anwendung physiologischer und anatomischer Parameter zur Bioindikation<br />
Die Kombination aller oder einiger dieser Methoden ermöglicht eine empfindliche<br />
Indikation der Einwirkung von Stressoren auf die untersuchten Pflanzen. Besonderes<br />
Augenmerk wird dabei auf nicht-akkumulierbare Schadstoffe wie Ozon<br />
gelegt, da die Wirkung dieser Stressoren anders nicht nachweisbar ist. Durch das<br />
frühe Ansprechen dieser Methoden kann eine wertvolle Hilfestellung für die Ausarbeitung<br />
eventuell notwendiger Waldsanierungsmaßnahmen gegeben werden.<br />
Eine übersichtliche Darstellung der Ergebnisse der physiologischen Bioindikation<br />
ist auch als Klassifizierung (wie etwa bei Schwefeldaten - vgl. Schnopfhagen,<br />
1980 oder Nährstoffdaten - vgl. Stefan, 1989} vorstellbar. Eine solche ist bereits<br />
in Ausarbeitung, gestützt auf die Ergebnisse zahlreicher vergleichbar gesammelter<br />
und analysierter Proben aus den oben erwähnten Freilandstudien (Bermadinger et<br />
al., 1989; Grill et al., 1988 u. 1989; Scardelli, 1991 }. Durch die Vielzahl der
131<br />
untersuchten Parameter und der zu berücksichtigenden Einflußgrößen ist dieses<br />
Vorhaben jedoch entsprechend schwierig. Erste Erfahrungen sind durchaus vielversprechend,<br />
eine umfassende Version wird nach Beendigung aller FIW-Fallstudien<br />
angestrebt.<br />
3 ERGEBNISSE DER ANWENDUNG DER PHYSIOLOGISCHEN BIOINDIKATION<br />
AUF DIE FAllSTUDIE SCHÖNEBEN<br />
Für das Untersuchungsgebiet Schöneben der ersten Fallstudie im Rahmen der<br />
FIW II wurde anhand dieser bisher beschriebenen Methoden eine Indikation vorgenommen.<br />
Als Probeflächen wurden die Flächen S1, S2 und S3 mit unterschiedlichen<br />
Expositionen am Bärenstein sowie die Fläche SH am Hufberg gewählt. Auf<br />
jeder Fläche wurden nach einheitlichen Kriterien vier bis sechs repräsentative<br />
Fichten als Probebäume ausgewählt.<br />
Die von der AG Kromp-Kolb ausgewerteten immissionsökologischen Daten zeigten<br />
eine nur geringe Belastung des gesamten Gebietes mit den klassischen Luftschadstoffen<br />
S02 und NOx. Bei diesen Stoffen kamen im fraglichen Zeitraum<br />
auch keine Grenzwertüberschreitungen vor (Abb. 5 u. 6). Aufgrund von Extrapolationsrechnungen<br />
mit Hilfe einer Wetterlagenklassifikation wurden für die Flächen<br />
S 1 , S2 und S3 leicht unterschiedliche Immissionssituationen ermittelt.<br />
Danach treten so2- und Staubimmissionen am ehesten auf der Fläche S1 auf, sie<br />
sind aber auch dort seit 1986 stetig gesunken. Die Belastung mit nassen, sauren<br />
Depositionen (besonders S04 2 - und N03-) war dagegen auf der Fläche S3 am<br />
höchsten, auch sie war aber vergleichsweise niedrig (Stohl u. Kromp-Kolb, 1992).<br />
Bei Ozon sieht die Situation dagegen grundlegend anders aus. Die Belastung mit<br />
diesem Schadstoff war durchgehend und über die Jahre gleichmäßig hoch<br />
(Abb. 7), wobei auch Grenzwertüberschreitungen regelmäßig vorkamen (Abb. 8).<br />
Eine differenziertere Einschätzung der Belastung für die einzelnen Probeflächen<br />
war für diesen Schadstoff nicht exakt möglich. Aufgrund von globalen Überlegungen<br />
ergibt sich ein Höhengradient (vgl. Smidt, 1989), d.h. in größeren Seehöhen<br />
ist eine höhere Ozonbelastung zu erwarten. Damit ist besonders für die Flächen<br />
SH und S2 eine stärkere Ozonbelastung zu vermuten (Stohl u. Kromp-Kolb,<br />
1992). Die Ozonkonzentrationen sind keinen ausgeprägten täglichen Schwankungen<br />
unterworfen, d. h. auch in der Nacht waren durchwegs recht hohe Konzentrationen<br />
vorhanden. Hohe Konzentrationen zur Mittagszeit haben möglicherweise<br />
geringere Auswirkungen auf die Bäume, da zu dieser Zeit die Spaltöffnungen<br />
geschlossen sind und eine Aufnahme verhindert wird. ln den Nächten können<br />
Luftschadstoffe ungehindert durch die weit geöffnten Stomata eintreten und entsprechend<br />
stärkere Wirkungen hervorrufen. Diese Charakteristik der Ozontagesgänge<br />
wurde schon bisher als Funktion der Seehöhe beobachtet, d. h. in größeren<br />
Seehöhen erfolgte weniger Ozonabbau während der Nacht (Kolb u. Rau,<br />
1990). Für eine qualitative und quantitative Beurteilung der Auswirkungen dieser
[ug/m3]<br />
132<br />
25,--- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --�<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
85, 85/86 86, 86/87 87, 87/88 88, 88/89 89, 89/90 90, 90/91 91<br />
[;:Ot'M Sommer B Winter<br />
Abbildung 5: so2-Konzentrationen der Meßstation Schöneben (aus Stohl u.<br />
Kromp-Kolb, 1992).<br />
Figure 5: so2-concentrations (m eans) in Sch öneben (from Stohl and Kromp-Kolb,<br />
7992).<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
[ug/m3]<br />
85 , 85/86 86, 86/87 87, 87/88 88, 88/89 89, 89/90 90, 90/91 91<br />
!I?t::j Sommer lll!lllll<br />
Winter<br />
Abbildung 6: Mittlere N02-Konzentrationen an der Meßstelle Schöneben (aus<br />
Stohl u. Kromp-Kolb, 1992).<br />
Fig ure 6: N02-concentrations (means) in Schöneben (from Stohl and Kromp-Kolb,<br />
1992).
[ug/m3]<br />
133<br />
100 ���-------------------------------------- �<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
85, 85/86 86; 86/87 87, 87/88 88, 88189 89, 89/90 90, 90/91 91<br />
N?it] Sommer 11111<br />
Winter<br />
Abbildung 7: Mittlere Ozonkonzentrationen an der Meßstelle Schöneben (aus<br />
Stahl u. Kromp-Kolb, 1992).<br />
Fig ure 7: Ozone-concentrations (m eans) in Schöneben (from Stahl and Kromp<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Kolb, 1992).<br />
85, 85/86 86, 86/87 87, 87/88 88, 88189 89; 89/90 90, 90/91 91<br />
l:tftN Sommer<br />
- Winter<br />
Abbildung 8: Anzahl der Tage mit Überschreitungen des HMW von 100 pgfm3 für<br />
Ozon (aus Stahl u. Kromp-Kolb, 1992).<br />
Fig ure 8: Number of days with exceedings of legal limiting value (h alf hour's<br />
means of 100 pgJm3) for ozone (from Stohl and Kromp-Kolb, 1992).
134<br />
Belastung auf die Fichten ist jedoch die Kenntnis der Schadstoffkonzentrationen<br />
nicht ausreichend.<br />
Dafür müssen die Untersuchungen der Bäume am Standort herangezogen werden,<br />
wobei die physiologischen Methoden eine besondere Rolle spielen. Aus diesen<br />
lassen sich einerseits Vitalitätsschwächen bis latente Schädigungen von Bäumen<br />
auf allen Probeflächen feststellen. Zu diesem Schluß kommt man unter anderem<br />
aufgrund unregelmäßiger Pigmentverläufe über die Jahrgänge, wie sie bereits früher<br />
für "neuartig" geschädigte Fichten beschrieben wurden. Dabei nehmen die<br />
Pigmentgehalte der Nadeln vom ersten zu höheren Jahrgängen nicht wie bei<br />
gesunden Fichten zu, sondern ab (Pfeifhofer u. Grill 1987, - siehe Abb. 4). Weiters<br />
deuten vor allem relativ zu früheren Freilandergebnissen (vgl. Pfeifhafer u.<br />
Grill, 1987; Grill et al., 1988) erniedrigte Chlorophyllgehalte auf Vitalitätsschwächen<br />
der untersuchten Fichten hin. (Zum Ve rgleich: Bei gesunden Fichten<br />
wurden Chlorophyllgehalte von 4 bis 5 mg in den höheren Jahrgängen gemessen).<br />
Nach diesen Kriterien sind an ke inem der untersuchten Standorte alle Bäume<br />
völlig gesund. Am häufigsten findet man derartige Abweichungen auf S2 und SH.<br />
Abbildung 9 zeigt die Mittelwerte der Standorte, durch welche die besprochene<br />
Abweichung nur auf der Fläche SH zum Ausdruck kommt.<br />
j<br />
5000,00<br />
(000_00<br />
3000.00<br />
2000.00<br />
1 000.00<br />
0.00<br />
r-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
- N n 'Ir<br />
- .... . - -<br />
;; u; 0 u;<br />
r-<br />
� r<br />
,- r-<br />
,... -<br />
- .-- ,--<br />
Abbildung 9: Chlorophyllgehalte der Fichtennadeln auf den Probeflächen Schöneben<br />
(aus Grit! et al., 1992).<br />
Figure 9: Chlorophyll content of spruce need/es from the sites in Schöneben (from<br />
Grill et al. , 1992}.<br />
Auch weitere Methoden, von denen Aussagen über die Vitalität der Bäume erhofft<br />
werden, wie z.B. die Analyse der Lipidstoffe, wiesen die Flächen S2 und SH als<br />
relativ schlechter aus. S 1 wird dagegen günstig beurteilt, da auf dieser Fläche die<br />
-
135<br />
höchste n Gesamtfettsäuregehalte und die höchsten Gehalte an ungesättigten<br />
Fettsäuren gemessen wurden (Puchinger et al., 1992, vgl. Abb. 1 0).<br />
Am schlechtesten schneiden eindeutig die Bäume der Fläche SH (Hufberg) ab. Sie<br />
zeigen typischerweise geringe Chlorophyllgehalte und häufig gestörte Pigmentverläufe,<br />
wie sie bereits früher für "neuartig" geschädigte Fichten beschrieben<br />
wurden. Dabei steigt der Pigmentgehalt nicht wie bei gesunden Fichten vom<br />
ersten bis zum vierten Jahrgang regelmäßig an, sondern weist im zweiten oder<br />
dritten Jahrgang geringere Werte auf als im ersten (vgl. Pfeifhafer u. Grill, 1987,<br />
wie in Abb. 4) .<br />
% TS<br />
90 89 9089 9089 90 89 90 89<br />
VF-S1 VF-S2 VF-83 HB KB<br />
D C12:0,C14:0 - C16:0,C18:0,C20:0<br />
9089 90 89 90 89<br />
D-0 D-810 D-BIO+BAC<br />
11111<br />
C18:1,C18:2,C18:3<br />
Abbildung 10: Lipidmuster der Fichtennadeln der Probeflächen Schöneben (aus<br />
Puchinger et al., 1992).<br />
Fig ure 10: Lipid patterns of sp ruce needles fr om th e sites in Schöneben (from<br />
Puchinger et a!., 1992).<br />
Diese Untersuchungen allein sagen noch nichts über die speziellen, schädigenden<br />
Einflüsse aus, die auf die Fichten der einzelnen Flächen wirken und ihre Vitalität<br />
teilweise stark beeinträchtigen. Eine Aussage darüber ist in erster Linie anhand<br />
der speziellen streßphysiologischen Parameter möglich. So wird deutlich, daß die<br />
höchsten Gehalte an Ascorbinsäure auf den Flächen S2 und SH gemessen wurden<br />
(Abb. 11 ). Diese Beobachtungen weisen auf einen deutlichen Einfluß von oxidativen<br />
Stressoren besonders auf diesen Flächen hin. Da diese Flächen gleichzeitig<br />
die höchstgelegenen sind, ist ein Zusammenhang mit der Ozonbelastung, die<br />
in diesem gebiet generell hoch ist und mit der Seehöhe ansteigt (Stohl u. Kromp<br />
Kolb, 1992), durchaus naheliegend.<br />
NJ
136<br />
Unbedingt berücksichtigt werden muß, daß oxidativer Streß auch durch zahlreiche<br />
weitere Faktoren ausgelöst werden kann {Eistner, 1982). Die physiologische Indikation<br />
spricht auch auf kurzfristige Streßäußerungen wie etwa Photostreß durch<br />
Spaltenschluß an. Es ist wichtig, diese streßphysiologischen Daten durch Strukturuntersuchungen<br />
zu untermauern. Strukturveränderungen sind langfristiger,<br />
wodurch kurzfristige oxidative Stresse als Ursache der Symptome ausgeschlossen<br />
werden können. Die Ultrastrukturuntersuchungen mittels Transmissionselektronenmikroskop<br />
zeigten in Schöneben ebenfalls häufig Symptome, wie sie für<br />
"neuartige" Waldschäden beschrieben wurden (Gailhofer u. Zellnig, 1992, vgl.<br />
Abb. 12 u. 13). Solche strukturellen Veränderungen wurden auch bei Ozoneinfluß<br />
beobachtet. Bemerkenswert ist, daß derartige Strukturveränderungen bei Bäumen<br />
aller Probeflächen gefunden wurden.<br />
00<br />
o oo +'I ----4'--4-f--�-+'--'+'- --'+- -- -- --+- -+<br />
- "' r"'l ....<br />
-- ._ - -<br />
n<br />
Vl u; Vl L�<br />
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ro m ro<br />
.f-- --!<br />
2i<br />
I I I ::<br />
Abbildung 11: Ascorbinsäuregehalte der Fichtennadeln der Probeflächen Schöneben<br />
(aus Grill et al., 1992).<br />
Fig ure 11: Ascorbic acid contents of spruce need!es trom the sites in Sch öneben<br />
(from Grill et al., 1992).<br />
Die tasterelektronenmikroskopischen Analysen der Oberflächenwachse zeigten<br />
nur bei den Bäumen der Fläche S3 Anzeichen einer Schädigung der Wachsstrukturen,<br />
wie sie durch saure Niederschläge hervorgerufen werden kann (Abb. 14 u.<br />
15). Dieser Befund steht im Einklang mit Stahl u. Kromp-Kolb, 1992, wonach für<br />
die Fläche S3 am ehesten mit nassen Depositionen zu rechnen ist. Alle anderen<br />
Probeflächen zeigten mehr oder weniger unbeeinflußte Wachsstrukturen. Dies<br />
schließt eine entscheidende Beteiligung von nassen Depositionen am beobachteten<br />
Schadensbild aus.<br />
Deutliche Beeinträchtigungen der Photosynthese oder eine verminderte Frostresistenz,<br />
wie sie bei Ozoneinwirkung verschiedentlich beobachtet wurden, konnten<br />
an Bäumen der Fläche S2, die in dieser Hinsicht untersucht worden ist, nicht<br />
festgestellt werden (Havranek et al., 1992).
137<br />
Abbildung 12: Chloroplast mit gut entwickeltem Thylakoidsystem und elektronendichten<br />
Plastoglobuli {vgl. Gailhofer u. Zellnig, 1992).<br />
Fig ure 12: Chloroplast with weil developed thy!akoids and electron-opaque plasto<br />
globuli, (cp. Gailh ofer u. Zellnig, 1992).<br />
Balken/bar =0,5 pm<br />
Abbildung 13: Deformierter Chloroplast mit wenig entwickeltem Thylakoidsystem<br />
und vermehrter Anzahl von elektronenoptisch dichten Plastoglobuli<br />
(vgl. Gailhofer u. Zellnig, 1992).<br />
Figure 13: Deformed chloroplast with · fe w th ylakoids and an in creased number of<br />
electron-opaque plastoglob uli (cp. Gailhofer u. Zellnig, 1992).<br />
Balken/bar = 1 pm
138<br />
Abbildung 14: Unbeeinflußte Wachsstrukturen auf der Oberfläche und im Spaltöffnungsvorhof.<br />
Fig ure 14: Unin fluenced wax structure on the needle surface and in the stomatat<br />
antechamber.<br />
Abbildung 15: Leichte Verklebungen der Wachsstrukturen im Spaltöffnungsvorhof.<br />
Fig ure 15: Sligh tly malten wax structures in th e stomatat antechamber.<br />
Balken/bar = 8,4 pm<br />
Diese Befunde schließen jedoch eine Beteiligung anderer Faktoren keineswegs<br />
aus, da synergistische Wirkungen zwischen verschiedenen Stressoren immer wieder<br />
beobachtet wurden. So können zum Beispiel Nährstoffmängel die Empfindlichkeit<br />
der Pflanzen auf Lufteinflüsse stark erhöhen und die beobachteten Reaktionen<br />
verstärken (Cakmak u. Marschner, 1992; Krumpp et al., 1989). Nährstoffmängel<br />
bedingen häufig ein Verteilungsmuster von strukturellen Störungen im Nadelquerschnitt.<br />
Dabei pflanzen sich diese, vom Zentralzylinder ausgehend, ins Mesophyll<br />
fo rt . Sie sind also im Inneren des Nadelbattes stärker ausgeprägt (Fink, 1988). Ein<br />
solches Muster konnte hier weder an anatomischen noch an ultrastrukturellen<br />
Untersuchungen gefunden werden. Nährstoffmängel als alleinige Ursache der<br />
beobachteten Schädigungen der Fichten sind daher hier wohl auszuschließen.<br />
Immerhin wurden von anderen beteiligten Arbeitsgruppen multiple Nährstoffmängel<br />
(besonders an Magnesium und Kalium) in diesem Gebiet diagnostiziert.
139<br />
Die Untersuchungen ließen einen weiteren kombinierten Effekt verschiedener<br />
Stressoren erkennen: Wie der Vergleich der Untersuchungsjahre 1990 und 1991<br />
unter Einbeziehung der im Rahmen der FIW I 1986 gewonnenen Daten zeigt,<br />
nimmt die Witterung einen starken Einfluß auf den Stoffwechsel der Fichten. Die<br />
Jahre 1986 und 1991 wurden aufgrund ihrer Niederschlagsarmut als sehr ungünstig<br />
für die Bäume klassifiziert (Stohl u. Kromp-Kolb, 1992). ln diesen Jahren zeigten<br />
die Probebäume bei praktisch allen untersuchten Stoffen generell niedrigere<br />
lnhaltstofflevels. Dies kann als Zeichen allgemein verringerter Vitalität gewertet<br />
werden. Gerade in diesen Jahren waren die Unterschiede zwischen den Probeflächen<br />
deutlicher. Besonders gut zeigt dies der Vergleich zwischen 1990 und 1991<br />
(Abb. 16). Dies könnte einen Hinweis darauf geben, daß die stärkere Belastung<br />
durch Schadstoffe dieser Flächen unter für die Fichten ungünstigen meteorologischen<br />
Verhältnissen größeren Streß und ausgeprägtere Schadsymptome der Bäume<br />
nach sich zieht.<br />
4500<br />
4000<br />
3500<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
Si<br />
86<br />
·� ;<br />
S2 S3<br />
86 86<br />
Si S2 S3 SH<br />
90 90 90 90<br />
Si S2 S3 SH<br />
91 91 91 91<br />
Abbildung 16: Durchschnittliche Chlorophyllgehalte 1986, 1990 und 1991 der<br />
Fichten auf den Probeflächen in Schöneben (aus Stabentheiner u.<br />
Grill, 1992).<br />
Figure 16: Average ch/orophy/1 conten ts o t spruce need!es trom the sites in<br />
Schöneben 1986, 1990, and 199 1 (from Staben theiner u. Grill,<br />
1992).<br />
Bemerkenswert daran ist, daß die physiologischen Parameter unmittelbar auf die<br />
schlechteren Bedingungen reagieren, während Entnadelungen und Zuwachsverluste<br />
sekundäre Erscheinungen sind und daher mit zeitlicher Verzögerung eintreten.<br />
Die Beurteilung nach meteorologischen Kriterien paßt hier gut zum Ergebnis der<br />
physiologischen Indikation, während die Kronenverlichtungen eher träge reagieren<br />
(Stohl u. Kromp-Kolb, 1992). Ebenso werden auch die Zuwachsparameter erst im<br />
nachhinein Veränderungen erkennbar werden lassen. Aufgrund dieser Abfolge des
140<br />
Auftretens der Symptome sind die Beurteilung nach der physiologischen Bioindikation<br />
und die Beurteilung nach Zuwachs oder visuellen Kriterien im selben Beobachtungsjahr<br />
oft nicht korreliert.<br />
Trockenheit scheint im Fall Schöneben also eine wesentliche Rolle bei der Ausprägung<br />
von Streßsymptomen zu spielen. Dafür sprechen auch Messungen der<br />
Sättigungspotentiale der Nadeln. Sie zeigten am wenigsten negative Werte für die<br />
Standorte S2 und SH. Die Unterschiede waren zwar minimal, aber in beiden<br />
Untersuchungsjahren in gleicher Weise vorhanden (Abb. 17, Messungen der AG<br />
Richter). Havranek et al. (1991) stellten im Rahmen eines Düngeversuches<br />
(Glatze! et al., 1988) trägere Spaltöffnungsreaktionen und geringere Wassergehalte<br />
der ungedüngten Bäume fest. Diese Beobachtungen deuten auch auf die Möglichkeit<br />
synergistischer Wirkungen von luftchemischen Stressen mit Wasserstraß<br />
und auch mit Nährstoffmängeln, wie die Unterschiede zwischen gedüngten und<br />
ungedüngten Bäumen nahelegen.<br />
0<br />
-0,5<br />
-1<br />
.. � -1 ,5<br />
-2<br />
-2,5<br />
-3<br />
S1 S2 S3 SH S1 S2 S3 SH<br />
1990<br />
Abbildung 17: Osmotische Potentiale der Fichtennadeln der Probeflächen Schöneben<br />
(aus Stabentheiner u. Grill, 1992, Daten der AG Richter).<br />
Fig ure 17: Osmotic potantials of spruce needles from the sites in Schöneben<br />
(from Stabentheiner u. Grill, 1992, data from the workgroup Rich ter).<br />
Die mikroskopischen Untersuchungen ließen keine Hinweise auf starken Pathogenbefall<br />
oder diesen ähnliche Symptome erkennen. Daher ist ein solcher als<br />
hauptsächliche Streßursache wohl auszuschließen (Ruppert et al., 1992).<br />
Daß die Anwendung der physiologischen Parameter hilfreich ist, zeigen auch die<br />
Ergebnisse, die an Fichten eines Düngeversuches (vgl. Glatze! et al., 1988)<br />
gewonnen wurden. Obwohl forstliche Kriterien für eine Verbesserung des Zustandes<br />
der Fichten durch die Düngemaßnahmen sprechen, zeigten die physiologischen<br />
Parameter eine schlechte Situation der Bäume an. Es wurde ein ähnlicher<br />
Merkmalskomplex wie auf der benachbarten Fläche S2 beobachtet. Untersuchun-<br />
1991
141<br />
gen der Photosynthese und der Spaltöffnungsreaktionen wurden an den Bäumen<br />
dieses Düngungsversuches durchgeführt. Sie ergaben nur geringe Unterschiede<br />
zwischen gedüngten und ungedüngten Bäumen. Bei ungedüngten Kontrollen zeigte<br />
sich ein leichter Trend zu einer trägeren Spaltöffnungsreaktion, wie es<br />
Abbildung 18 zeigt (Havranek et al., 1992). Möglicherweise ist auch die oben<br />
genannte Diskrepanz zwischen physiologischen und forstlichen Parametern auf<br />
das verzögerte Ansprechen der forstlichen Parameter zurückzuführen. Dann könnte<br />
eine kurzfristig verbesserte physiologische Situation der Fichten bereits wieder<br />
im Abklingen sein. ln diesem Fall wäre für die nähere Zukunft wieder eine<br />
Zuwachsverminderung und wieder stärkere Verlichtungen zu prognostizieren.<br />
(3<br />
200<br />
!- 150<br />
-<br />
�<br />
.c<br />
.,<br />
0><br />
�<br />
.,<br />
::: 100<br />
"'<br />
3:<br />
50<br />
o ungedüngt<br />
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450<br />
Zeit {h]<br />
Abbildung 18: Austrocknungsverlauf gedüngter und ungedüngter Bäume Schöneben<br />
(aus Havranek et al., 1992).<br />
Fig ure 18: Wa ter loss of fertilized and non-fertilized spruce trees in Sch öneben<br />
(from Havranek et al., 1992).<br />
Die Aussagen der physiologischen Bioindikation sind umso verläßlicher, je mehr<br />
Methoden in die Untersuchungen einbezogen werden. Als zusätzliche Methode<br />
zur Vitalitätsbeurteilung von Testfichten an einem Standort eignet sich die cytogenetische<br />
Bioindikation (nach Müller et al., 1992). Dabei werden Mitosestadien<br />
(Metaphasen) aus dem Wachstumsgewebe der Wurzelspitzen der Testbäume auf<br />
Schädigungen (Aberrationen) untersucht. Die relative Anzahl der geschädigten zu<br />
den gesunden Metaphasen dient als Maß für die Vitalität des Testbaumes. Aus<br />
mehreren Testbäumen eines Standortes kann ein Kennwert für den Standort<br />
berechnet werden (cytogenetischer Standorts index). Diese Kennwerte werden in<br />
Form einer Klasseneinteilung dargestellt; dabei werden jene Standorte, deren<br />
Testfichten am vitalsten sind, in die Klasse 1 gereiht, jene, deren Testbäume die
1 42<br />
schwersten Vitalitätseinbußen aufweisen, in die Klasse 4. Eine feinere Abstufung<br />
der Klassifizierung wird durch + und - Stufen innerhalb der vier Klassen erreicht.<br />
(Müller et al., 1992).<br />
Diese Methode ergibt für die Fallstudie Schöneben in Übereinstimmung mit den<br />
bisher diskutierten Ergebnissen für die Standorte S2 und SH schlechtere Werte als<br />
für S1 und S3. (Tab. 1 ).<br />
Tabelle 1: Cytogenetische Klassifizierung der Standorte Schöneben.<br />
Table 1: Cytogenetic classification of the sites in Schöneben.<br />
Standort Seehöhe Klassifizierung<br />
4 SCHLUSSFOLGERUNGEN<br />
s 1 850 m 2<br />
S 2 990 m 3<br />
S3 880 m +3<br />
SH 1 350 m +4<br />
Die Anwendung verschiedener physiologischer und anatomischer Untersuchungsmethoden<br />
auf die Fallstudie Schöneben zeigte, daß die Fichten im gesamten<br />
Untersuchungsgebiet unter erheblicher StreBbelastung stehen, die sich auch in<br />
Vitalitätseinbußen äußert. Als ein wesentlicher Belastungsfaktor wurde die Einwirkung<br />
von Ozon identifiziert, welche über die Jahre in gleichmäßig hohem Maß<br />
erfolgte . An den Standorten S2 und SH scheint die Belastung stärker als auf S1<br />
und S3 gewesen zu sein. Die Auswirkungen dieser luftchemischen Einflüsse auf<br />
die Fichten wurden in beträchtlichem Ausmaß durch weitere Umweltfaktoren,<br />
wobei meteorologische Parameter, insbesondere Trockenperioden, eine besondere<br />
Rolle spielen, moduliert. Synergistische Wirkungen mit luftchemischen Stressoren<br />
sind auch durch Nährstoffmängel zu erwarten (Grill u. Bermadinger-Stabentheiner,<br />
1993).<br />
Waldbauliche Sanierungsmaßnahmen müssen daher in erster Linie darauf abzielen,<br />
streBverstärkende Faktoren zu vermeiden oder zu beseitigen. Diesem Zweck<br />
können sicherlich auch Düngemaßnahmen sowie sämtliche forstliche Maßnahmen<br />
dienen, die synergistische Wirkungen zwischen Nährstoffmängeln und luftchemischen<br />
Stressen mildern können. Weiterhin muß jedoch die Forderung nach Maßnahmen<br />
zum Abbau der hohen Ozonkonzentrationen vertreten werden.
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SCHNEEBRUCH UND WINDWURF IM BÖHMERWAlD<br />
SNOW AND WIND THROW DA MA GE TO <strong>FOR</strong>EST STANDS<br />
IN THE BÖHMERWALD<br />
Herbert HAGER und Manfred WllliNGER<br />
Institut für Waldökologie, Universität für Bodenkultur Wien,<br />
Peter Jordanstraße 82, A - 1190 Wien<br />
SUMMARY<br />
Statistics of damaged wood volume from salvage cuts after wind throw or snow darnage events<br />
from the forestry enterprise of the monastery of Schlägl, Upper Austria were used together with<br />
meteorological data from three stations in the northern part of Upper Austria to identify site, stand<br />
and weather conditions, which Iead towards high darnage risks for forest stands. lt was found that<br />
the darnage risks for wind throw as weil as snow breakage tend to decrease with increasing site<br />
elevation. Valley sites as weil in the east as in the west of the main ridge of the Bohemian Forest<br />
carry a higher darnage risk than outcrops, plateaus or steep slopes. Setter site classes and higher<br />
age classes of forest stands tend to increase the darnage risk as it is also observed with steep<br />
stand edges or pronounced uneven agedness caused by forest management practices. An<br />
increased risk for wind throw is also linked to wet boggy forest sites. Weather conditions which<br />
Iead to a streng increase in snow darnage risk are characterized by average daily temperatures<br />
between -0 .5°C and 2.0°C, accompanied by daily maximum precipitation above 50 mm, or<br />
respectively precipitation sums of more than 1 50 mm du ring time periods within the critical temperature<br />
range. Zonal westerly weather Situations during winter with fast moving fontalsystems with<br />
intermitttent frost yield the severest snow darnage danger. Wind throw dangar of forest stands<br />
results from two types of streng wind events. Type one is the winter storm, which is usually<br />
found with strong low pressure systems out of the nothwest quadrant, or more seldom encountered<br />
with a cold continental high pressure system in the northeast. Type two is the local convective<br />
storm with violent thunderstorm activity during the summer when shallow high pressure<br />
system is located over the heated continent. Seil conditions, like dry or frozen soil, can decrease<br />
the wind throw risk for a given storm event, while weil wetted soils after heavy precipitation<br />
events can increase the risk.<br />
KEYWORDS: Snow damage, wind throw, forest site, topography, stand structure, extreme<br />
weather influences upon forest stands, Bohemian Forest.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Anhand von Schadholznachweisungen der Forstverwaltung des Stiftes Schlägl und der Klimadaten<br />
dreier Stationen des nördlichen Mühlviertels konnten für Wind- und Schneeschäden an den<br />
Waldbeständen sowohl die standörtlichen schadensdisponierenden Faktoren als auch für die<br />
Schadereignisse kritische Witterungskonstellationen identifiziert werden. Es zeigt sich, daß sowohl<br />
für Wind- wie auch Schneeschäden das Schadrisiko mit der Seehöhe sinkt. Tallagen im Osten wie<br />
auch Westen des Hauptkammes des Böhmerwaldes tragen ein höheres Schadrisiko als Kuppen<br />
oder Plateaus oder stark geneigte Hänge. Steigende Bonität und Altersklasse der Bestände erhöhen<br />
ebenso das Schadrisiko wie auch von der Forstwirtschaft verursachte Steilränder und ungleichaltrige<br />
Bestände. Erhöhtes Windwurfrisiko ist auch, wie zu erwarten war, mit organischen Naßbodenstandorten<br />
verknüpft. Von den Witterungsbedingungen her ist ein starker Anstieg der Schneebruchgefahr<br />
zu erwarten, wenn die Tagesmittel der Lufttemperaturen zwischen -0,5°C und 2,0°C<br />
liegen und dabei die maximalen Tagessummen der Niederschläge 50 mm übersteigen, bzw. die<br />
Niederschlagssummen während der Periode mit kritischen Temperaturen 150 mm übersteigen.<br />
Zonale winterliche Westwetterlagen mit raschen Frontdurchgängen und intermittierendem Frost<br />
ergeben die höchste Schneebruchgefahr. Für die Windgefährdung der Waldbestände sind zwei<br />
Arten von Starkwindereignissen verantwortlich. Es sind dies zum einen (frontale} Winterstürme, die<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
ÖGWEB (Österr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung! ISBN 3-900865-06-X.
148<br />
mit von Nordwest heranwandernden Sturmtiefs oder seltener durch stark ausgeprägte Kältehochs<br />
aus Nordost verursacht werden. Zum anderen können im Sommer heftige Wärmegewitter bei Hitze<br />
und flacher Druckverteilung über dem Kontinent für heftige Gewitterstürme verantwortlich sein.<br />
Trockener oder gefrorener Boden kann die Schadwirkung eines Starkwindereignisses mindern,<br />
starke Durchfeuchtung nach Niederschlägen kann sie steigern.<br />
STICHWÖRTER: Schneebruch, Windwurf, forstlicher Standort, Topographie, Bestandesstruktur,<br />
extreme Witterungseinflüsse, Böhmerwald<br />
1 ZIELE DER UNTERSUCHUNG<br />
Katastrophennutzungen, die durch "Forstmeister Schnee und Wind" verursacht<br />
wurden, stellten die Forstbetriebe, seitdem planmäßige Forstwirtschaft betrieben<br />
wird, immer wieder vor mehr oder minder existenzgefährdende Probleme. Die<br />
einzige Möglichkeit, um wirkungsvoll Schäden durch Schnee und Wind vorzubeugen,<br />
sind zukunftsorientierte waldbauliche Maßnahmen und Maßnahmen der<br />
Forsteinrichtung. Als Stichworte für einen derartigen Vorbeugungs-Maßnahmenkatalog<br />
seien z.B. Stammzahlreduktion, Jungwuchspflege, Auslesedurchforstung,<br />
H/D-Wert, Baumartenwahl, Baumzahlleitlinien, kollektive Stabilität, geschlossenes<br />
Kronendach bei Altbeständen, Hiebszugausrichtung etc . genannt.<br />
Welche Bedeutung die außerplanmäßigen Nutzungen haben können, zeigt sich<br />
z.B. daran, daß im Mittel der Jahre 1959 - 1990 im Untersuchungsgebiet, den<br />
Revieren der Forstverwaltung des Prämonstratenser-Chorherrenstiftes Schlägl,<br />
19% des Hiebsatzes durch Schadholznutzung nach Schneebruch- und Windwurfereignissen<br />
gedeckt wurden. ln einzelnen Spitzenjahren betrug die Katastrophennutzung<br />
über 60% des jährlichen Einschlages. Da jedoch der Schadholzanfall<br />
praktisch nie gleichmäßig über den ganzen · Betrieb verteilt ist, sondern sich auf<br />
einzelne Reviere konzentriert, war dieser oft mehr als der Jahreshiebsatz dieser<br />
Reviere. Abgesehen von den direkten wirtschaftlichen Schäden, die aus geringeren<br />
Erlösen aus Schadholzsortimenten, erhöhten Aufarbeitungskosten, Verkauf<br />
von Holz bei ungünstiger Holzmarktlage resultierten, wurden auch die betrieblichen<br />
Planungen in ihren Möglichkeiten durch solche Ereignisse stark eingeschränkt.<br />
Es ist daher fü r den Betrieb sehr wertvoll, mögliche Schadensschwerpunktgebiete<br />
zu kennen. Damit kann im Bewirtschaftungskonzept auf Gebiete mit hohem<br />
Schadrisiko durch geeignete, vorbeugende Maßnahmen Rücksicht genommen<br />
werden. Die klimatischen Bedingungen selbst sind zwar nicht zu beeinflussen,<br />
jedoch können durch die oben angeführten Bewirtschaftungs- und Vorbeugungsmaßnahmen<br />
die betroffenen Bestände den topoklimatischen Extremen besser<br />
widerstehen.<br />
Es stellten sich daher im Rahmen dieser Arbeit die folgenden Aufgaben:<br />
* Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Schadereignissen und standörtlichen<br />
Parametern sowie Bestandesparametern und, daraus folgend , die Ermittlung<br />
von Gebieten mit erhöhtem Schadrisiko.
149<br />
* Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Schadereignissen und klimatologischen<br />
Parametern, um zu sehen, bei welchen Wettersituationen Schäden zu<br />
erwarten sind und mit welchem Schadholzanfall zu rechnen ist.<br />
2 DATENMATERIAL UND METHODE<br />
Aus den Hiebsnachweisen der betrieblichen Aufzeichnungen der Forstverwaltung<br />
des Stiftes Schlägl für die Jahre 1959 - 1990 konnten die Schadholzmengen<br />
durch Schneebruch und Windwurf den einzelnen Unterabteilungen bzw. Teilflächen<br />
zugeordnet werden. Wobei unter der Bezeichnung "Schneebruch" auch<br />
Schäden durch Schneedruck und Behang mit Rauhreif, Rauheis und Glatteis, und<br />
unter der Bezeichnung "Windwurf" auch Schäden durch Windbruch subsumiert<br />
sind.<br />
Den räumlich zugeordneten Schadholz-Daten der Hiebsnachweise wurden dann<br />
einerseits Bestandes- und Standortsparameter gegenübergestellt, um mögliche<br />
Schadensschwerpunktgebiete festzustellen. Andererseits wurde anhand zeitlich<br />
präzisierter Schadereignisse in Verknüpfung mit den Klimavariablen, wie z.B.<br />
Te mperatur, Niederschlag und Wind, versucht kritische Wettersituationen zu<br />
ermitteln und zu quantifiziere n.<br />
Als Beispiel für die verwendete Datenmatrix ist ein Auszug aus der Erhebungs<br />
Datei in Tabelle 1 zu sehen.<br />
Revier, Abteilung, Unterabteilung und, wo vorhanden, die Teilfläche dienten der<br />
räumlichen Zuordnung und somit der Bildung von Untersuchungseinheiten bzw.<br />
Probeflächen. Die einzelnen Teilflächen haben eine Größe zwischen 0,09 ha und<br />
43,0 ha. Jede Teilfläche stellte eine Probefläche dar, der die jeweiligen Standortsund<br />
Bestandesparameter zugeordnet wurden. Insgesamt waren es 1109 Probeflächen<br />
auf einer Fläche von 5530 ha.<br />
Die Schadereignisse wurden einerseits durch die Schadholzmenge (Summe der<br />
fm/ha), andererseits durch die Anzahl der Ereignisse auf einer Probefläche während<br />
der 32 Beobachtungsjahre beschrieben.<br />
Zur Charakterisierung des Standortes wurden die folgenden Standortsparameter<br />
für jede Probefläche erhoben:<br />
* Seehöhe: Das Untersuchungsgebiet liegt zwischen 600 m und 1379 m Seehöhe.<br />
Die Lage der Probeflächen wurde nach 50 m - Höhenklassen<br />
unterschieden.<br />
* Exposition: Die Windrose wurde in acht Teile geteilt. Weiters wurde die Variable<br />
"Keine Exposition" für ebene Standorte, Mulden und Kuppen verwendet<br />
.<br />
* Neigung: Folgende Neigungsklassen wurden gebildet: - 5%, 6 - 10%, 11 -<br />
20%, dann in 10% - Stufen weiter bis zu Klasse > 1 10 %.
Tabelle 1: Ausschnitt aus der Datenmatrix für die Berechnung des Einflusses von Standort und Bestand auf das Schneebruch-<br />
und Windwurfrisiko.<br />
Table 1: Part of the data matrix for the computation of site and stand in fluences upon sno w darnage or wind thro w<br />
risks.<br />
Schneebruch<br />
Revier Abt I Teilfl Schadholzmenge Anzahl der Seehöhe Exposition Neigung Topogr. Einheit Standortstyp Altersklassen Bonität Fläche<br />
Summe fm/ha Schadereignisse [m] [%] [ha]<br />
Angerhäuser 5 f 107 10 650 Keine 15 Tallage Westseite sehr Frisch 4 11.1 15.3<br />
Angerhäuser 3 h 104 11 650 Keine 15 Tallage Westseite sehr Frisch 4/5 11.1 8.3<br />
Angerhäuser 6 I 101 11 650 Keine 8 Tallage Westseite Feucht 3 11.1 8.0<br />
Schwarzenberg 21 I 82 2 1250 Keine 25 Kuppe/Rücken N-S s. Ir. Blockhalde 6 6.7 14.2<br />
Schwarzenberg 21 e 60 5 1200 Südwest 25 Kuppe/Rücken N-S s. Ir. Blockhalde 6 6.7 17.8<br />
.<br />
Holzschlag 4 j1 81 3 1250 Südwest 25 Kuppe/Rücken NW-SE Feucht 6 7.0 1.2 ....<br />
Oberhaag<br />
Sonnenwald<br />
10 a1<br />
10 f<br />
72<br />
71<br />
7<br />
9<br />
800<br />
850<br />
Nordost<br />
Nordost<br />
15<br />
25<br />
Tallage Ostseite<br />
Nordost-Hang<br />
sehr Frisch<br />
Frisch<br />
3<br />
3/4/1<br />
10.2<br />
8.6<br />
6.3<br />
32.5<br />
01<br />
0<br />
Windwurf<br />
Angerhäuser 12 0 362 16 600 Keine 8 Tallage Westseite Feucht 5/6/1 11.1 1.9<br />
Angerhäuser 12 h 333 20 650 Keine 25 Tallage Westseite Feucht 4/1 11.1 6.9<br />
Angerhäuser 11 b 283 16 650 Keine 15 Tallage Westseite anmoorig Naß 5/3/1 11.1 4.2<br />
Schwarzenberg 33 c1 266 1 1300 Süd 35 Kuppe/Rücken N-S anmoorig Naß 6 6.7 1.3<br />
Schwarzenberg 33 c 256 3 1200 Südost 15 Kuppe/Rücken N-S Feucht 6 6.7 5.2<br />
Holzschlag 8 p 162 8 800 Süd 45 Südwest-Hang geschützt Ir. Blockhalde 6 7.0 2.0<br />
Oberhaag 3 d 176 11 750 Keine 8 Tallage Ostseite anmoorig Naß 6 10.2 4.5<br />
Sonnenwald 11 11 151 3 750 Nordost 15 Tallage Ostseite Feucht 6 8.6 2.2
151<br />
* Topographische Einheit: Folgende Großeinheiten wurden ausgeschieden: Tallage<br />
Westseite, Tallage Ostseite, Westhang, Südwesthang, Südwesthang-geschützte<br />
Lage, Nordosthang, Seitental N-S, Kuppe/Rücken<br />
N-S, Kuppe/Rücken NW-SE, Kuppe/Hochplateau.<br />
* Standortstyp: Als Standortstypen wurden die Einheiten aus der forstlichen<br />
Standortskartierung der Reviere (Institut für Forstliche Standortsforschung,<br />
1971) verwendet. Es waren dies folgende Standortstypen:<br />
Waldmoor, Anmoor, anmoorige Blockhalde, anmoorig<br />
naß, anmoorig nasse Blockhalde, feucht, sehr frisch, sehr frische<br />
Blockhalde, frisch, frische B!ockhalde, mäßig trocken.<br />
Für die Probeflächen wurden auch noch weitere Bestandesdaten, wie Bonität und<br />
Altersklasse, erhoben.<br />
* Bonität: Als Bonitätsangabe wurde die mittleren Ertragsklassen der einzelnen<br />
Reviere (dgz 100 in VfmD/ha/Jl (Wohlmacher, 1992) verwendet.<br />
* Altersklasse: Das Bestandesalter wurde in die üblichen 20-Jahr-Kiassenintervallen<br />
angegeben. Als Besonderheit bei der Altersklassenangabe<br />
wurde auch noch die Bezeichnung "ungleichaltrig" verwendet.<br />
Ungleichaltrig bedeutet dabei nicht, daß auf einer Probefläche ein<br />
Bestand mit plenterartiger Struktur stockt, sondern daß auf einer<br />
Probefläche mindest zwei Bestände mit unterschiedlicher Altersklasse<br />
stehen (z.B. Altholzrest und Verjüngung).<br />
An meteorologischen Daten wurden für den Untersuchungszeitraum Lufttemperatur<br />
(Tagesmittel), Niederschlag (Tagessummen), Windgeschwindigkeit {Böenspitze<br />
des Tages), Windrichtung und Großwetterlage (nach den Tageswetterkarten der<br />
Zentralanstalt f. Meteorologie und Geodynamik) verwendet. Die meteorologischen<br />
Daten stammten:<br />
fü r Temperatur, Nie derschlag von den<br />
Meßstationen: Schwarzenberg 730 m, Schlägl 555m<br />
1959-1 990 (Quelle: Hyd rographisches Zentralbüro)<br />
Meßstation: Schöneben 940 m<br />
Temperatur ab 1.1.J 985, Niederschlag ab 1.10.1987<br />
(Quelle: Amt der 00. Landesregierung)<br />
für Windspitze, Windrichtung, Großwetterlage von der<br />
Meßstation: Linz Hörsching<br />
1959-1 990 (Quelle: Zentralanstalt f. Meteorologie u. Geodynamik)<br />
3 ERGEBNISSE DER STANDÖR<strong>TLICHE</strong>N BETRACHTUNGEN<br />
Die Kartierung und die statistische Auswertung ergaben für Schneebruch und<br />
Windwurf ein ähnliches standörtliches Schadrisiko sowohl der räumlichen als<br />
auch der standörtlichen Verteilung nach. Dies kann aus der Abbildung 1 und 2<br />
sowie aus Tabelle 2 und 3 entnommen werden.
152<br />
Tabelle 2: Korrelationen zwischen der abhängigen kanonischen Variablen "Schadho!zmenge "<br />
Anzahl der Schadereignisse" und unabhängigen Standorts- und Bestandesparametern für<br />
Schneebruchschäden.<br />
Table 2: ·correlation between the dependent canonical variable "damaged wood volume " number<br />
of events " and single in dependent site and stand variables for snow darnage events.<br />
Seehöhe<br />
Variablen<br />
Tallage Westseite<br />
Tallage Ostseite<br />
Kuppe, Hochplateau<br />
Kuppe,Rücken N-S<br />
Kuppe,Rücken NW-SE<br />
Neigung<br />
Bonität<br />
"Keine Exposition"<br />
Exposition-Ost<br />
Exposition-Süd<br />
"Ungleichaltrig"<br />
Sto-Anmoorig Naß<br />
Altersklasse<br />
SCHNEEBRUCH<br />
Die Berechnung mittels Kanonischer Korrelation ergab mit einem<br />
Bestimmtheilsmaß von 41% ***<br />
Korrelations Interpretation<br />
koeffizienten<br />
-0.35 • Die Gefährdung sinkt mit zunehmender Seehöhe<br />
und hat zwischen 1050 m und 1150 m ein Minimum.<br />
+0.35 * Stark gefährdet sind die Tallagen auf der Westseite<br />
+0.1 1 und der Ostseite.<br />
-0. 16 * Am wenigsten gefährdet sind Kuppen und Rücken in höheren Lagen,<br />
-0.13 und das geschützte SeitentaL<br />
-0. 10<br />
-0.12 * Die Gefährdung nimmt mit zunehmender Geländeneigung ab.<br />
+0.27 * Die Gefährdung steigt je besser die Bonität ist<br />
+0.21 * Von den Expositionen ist "Keine Exposition" stark gefährdet,<br />
-0.13 Ost und Süd ist am wenigsten gefährdet<br />
-0.10 ("Keine Exposition" bedeuted Mulden, Kuppen und ebene Standorte).<br />
+0. 13 * Standorte mit unterschiedlich alten Beständen und Steilstufen<br />
sind stark gefährdet<br />
+0. 14 • Stark gefährdet sind anmoorig nasse Standorte<br />
+0.30 * Die Gefährdung nimmt mit dem Bestandesalter zu.<br />
Tabelle 3: Korrelationen zwischen der abhängigen kanonischen Variablen "Schadholzmenge " Anzahl<br />
der Schadereignisse" und unabhängigen Standorts- und · Bestandesparametern für<br />
Windwurfschäden.<br />
Table 3: Gorrelation between the dependent canonical variable "damaged wood volume " number<br />
of events " and single ir1dependent site and stand variables for windthrow damages.<br />
Seehöhe<br />
Variablen<br />
Tallage Westseite<br />
Tallage Ostseite<br />
Nordost-Hang<br />
Kuppe,Rücken N-S<br />
Kuppe, Rücken NW-SE<br />
Seitental N-S<br />
Südwest-Hang, geschützt<br />
Neigung<br />
Bonität<br />
"Keine Exposition"<br />
Exposition-West<br />
Exposition-Südwest<br />
"Ungleichaltrig"<br />
Altersklasse<br />
WINDWURF<br />
Die Berechnung mittels Kanonischer Korrelation ergab mit einem<br />
Bestimmtheilsmaß von 37% ***<br />
Korrelations Interpretation<br />
koeffizienten<br />
-0.37 * Die Gefährdung sinkt mit zunehmender Seehöhe.<br />
+0.20 * Stark gefährdet sind die Tallagen auf West- und Ostseite<br />
+0.19 sowie der Nordosthang.<br />
+0.19<br />
-0.11 *Am wenigsten gefährdet sind Kuppen und Rücken in höheren Lagen,<br />
-0.10 das geschützte Seitental und der geschüzte Südwesthang.<br />
-0.14<br />
-0.25<br />
-0.27 * Die Gefährdung nimmt mit zunehmender Geländeneigung ab.<br />
+0.40 * Die Gefährdung steigt je besser die Bonität ist<br />
+0.30 *Von den Expositionen ist "Keine Exposition" stark gefährdet,<br />
-0. 13 West und Südwest ist am wenigsten gefährdet<br />
-0.13 ("Keine Exposition" bedeuted Mulden, Kuppen und ebene Standorte).<br />
+0.30 • Standorte mit unterschiedlich alten Beständen und Steilstufen<br />
sind stark gefährdet<br />
+0.22 • ln höheren Lagen sind höhere Altersklassen gefährdet<br />
als in tieferen Lagen. (siehe Tabelle 4)
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155<br />
4 INTERPRETATION DER STANDÖR<strong>TLICHE</strong>N AUSWIRKUNGEN<br />
4.1 Gemeinsame Betrachtung von Schneebruch und Windwurf<br />
4.1. 1 Einfluß der Seehöhe<br />
Die Seehöhe ist jener Parameter, der den stärksten Einfluß auf das Schadrisiko<br />
ausübt (Tabelle 4). Sowohl die Gefährdung durch Schneebruch als auch die durch<br />
Windwurf nimmt mit der Seehöhe ab. Einerseits besteht direkt eine hohe Korrelation<br />
zwischen Seehöhe und Schadereignrssen, andererseits sind andere Parameter<br />
sehr stark von der Seehöhe abhängig . Mit der Seehöhe nimmt die Neigung zu und<br />
die Bonität ab. Ebenso geht die Seehöhe als ein Ausscheidungskriterium in die<br />
topographischen Einheiten ein. Weiters wird auch die Wuchsform des Baumes<br />
und die Struktur des Bestandes durch diesen Faktor beeinflußt. Mit der Seehöhe<br />
nimmt die Dauer der Vegetationszeit ab, die Jahrringbreite nimmt ab, die Bestände<br />
werden lichter, die Kronen länger, und der Stamm entwickelt sich abholziger.<br />
Durch den selektiven Einfluß des rauheren Klimas und der höheren Windgeschwindigkeiten<br />
in den Hochlagen müssen die Bäume ihre statischen Eigenschaften<br />
besser anpassen (Hütte, 1967). Auch Gärtner ( 1990) stellte eine steigende<br />
Stabilität der Bestände gegenüber Schneebruch mit steigender Seehöhe fest.<br />
Tabelle 4: Altersklasse mit dem größten Schneebruchrisiko innerhalb verschiedener<br />
Seehöhenklassen.<br />
Table 4: Age classes with the highest snow darnage risks within different altitudina/<br />
zones<br />
Altersklasse Altersklasse<br />
Seehöhe mit schadholzreichsten mit den meisten<br />
Schneebruchereignissen Schneebruchereignissen<br />
600 - 750 m 4,0 4.,1<br />
750 - 1000 m 4,3 4,1<br />
1000 - 1379 m 5, t<br />
4.1.2 Menschlicher Einfluß auf die Ergebnisse<br />
Da die Schadholzmengen aus Hiebsnachweisen stammen, wurden nur jene Schäden<br />
registriert, die auch aufgearbeitet wurden. Daher werden die nachgewiesenen<br />
Schadholzmengen sowohl von der Bringungslage wie auch von der Arbeitsmethode<br />
und dem Einsatzwillen des lokalen Forstpersonals stark mitbestimmt. Zum<br />
Beispiel wurden die höheren Lagen erst in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit<br />
4,9
156<br />
Forststraßen und Rückegassen erschlossen. Darum wurden früher kleinere Schadereignisse<br />
mit geringer Festmetermenge oft nicht aufgearbeitet und somit auch<br />
nicht in den Hiebsnachweisen aufgezeichnet. Ähnlich wirkt sich auch die unterschiedliche<br />
Behandlung von Bäumen mit gebrochenem Wipfel durch die einzelnen<br />
Revierförster aus. Die Entscheidung, ob ein Baum mit Wipfelbruch im Bestand<br />
belassen wird oder nicht, übt auf jeden Fall einen gewissen Einfluß auf die Daten<br />
der Hiebsnachweise aus (Willinger, 1993).<br />
Ebenfalls von Bedeutung dürfte auch die frühere Holznutzung und die damit verbundenen<br />
Wiederaufforstungen sein. Nach der Untersuchung von Scholl (1993)<br />
über die historische Landnutzung im Bereich des Forstbetriebes wurden die Talla- ·<br />
gen nahe der Großen Mühl und des Klafterbaches sowie die Gebiete um den<br />
Schwarzenbergsehen Schwemmkanal durch Großkahlschläge genutzt. Die Kahlflächen<br />
wurden dann mit Pflanzen aufgeforstet, die aus Saatgut der Klenge Wr.<br />
Neustadt gezogen wurden. Dies läßt den Schluß zu, daß dadurch nicht nur der<br />
hohe Fichtenanteil in den Beständen verursacht wurde, sondern daß wahrscheinlich<br />
auch falsche Provenienzen in zu engem Pflanzverband eingebracht wurden.<br />
Versäumte Pflegeeingriffe in der entscheidemden Jugendphase haben in diesen<br />
Beständen weiter dazu beigetragen, daß die Bestandesstabilität nicht erhöht<br />
wurde. Es sind daher jetzt in diesen Gebieten durchwegs erhöhte Schadrisken,<br />
vor allem durch Schneebruch, festzustellen. Auch jene Moor- und Naßstandorte,<br />
die vor ca. 100 Jahren durch Gräben entwässert und dann mit hohen Stammzahlen<br />
aufgeforstet wurden, zeigen, durch unzureichende forstliche Maßnahmen<br />
verursacht, erhöhte Schadrisken.<br />
Die obigen Beobachtungen bestätigen die vielfach gemachten und auch zitierten<br />
Aussagen, daß hohe Ausgangspflanzenzahl und mangelnde Bestandesbehandlung<br />
instabile Bestände zur Folge haben (Abetz, 1989; Pollanschütz, 1980; Thomasius,<br />
1988). Ebenso bestätigen die Untersuchungen von Priehäusser ( 1 958) über die<br />
Schadanfälligkeit der verschiedenen Fichten-Rassen des Bayerischen Waldes<br />
gegenüber Witterungsextremen die oben gegebenen Schadhypothesen.<br />
4. 1.3 Risikoerhöhung durch Öffnung des homogenen Bestandesgefüges<br />
Die positive Korrelation zwischen der Schadholzmenge bzw. der Anzahl der<br />
Schadereignisse und der Tatsache der "Ungleichaltrigkeit" - daß nämlich auf einer<br />
Probefläche mindestens zwei Bestände mit unterschiedlicher Altersklasse stocken<br />
- weist auf die oft beschriebenen Gefährdungen hin, denen aufgerissene<br />
Bestände, offene Schlagfronten, Öffnungen durch Forststraßenbau etc. info lge<br />
extremer klimatischer Verhältnisse unterworfen sind (Mayer, 1984; Schwerdtfeger,<br />
1981).
4.2 Betrachtung des Schneebruchrisikos<br />
4.2.1 Schneebruchrisiko und Seehöhe<br />
157<br />
Die Berechnungen ergaben zwar, daß das Schneebruchrisiko mit der Seehöhe<br />
abnimmt, trotzdem kann kein Höhenbereich als "schneebruchsicher" bezeichnet<br />
werden. So war z.B. der größte Schadholzanfall eines Schneebruch-Ereignisses<br />
auf einer Probefläche in einer Seehöhe von 1250 m zu beobachten: Es war dies<br />
im Dezember 1966 im Revier Schwarzenberg, Abteilung 21f, Seehöhe 1250 m,<br />
Fläche 14,2 ha, 6. Altersklasse, Schadholzanfall 1025 fm. ln der Nachbarfläche<br />
21 e fielen beim selben Ereignis immerhin noch 700 fm an bei einer Fläche von<br />
17,8 ha und ebenfalls 6. Altersklasse.<br />
Gärtners (1990) Untersuchungen im Thüringer Wald ergaben, daß das Schneebruchrisiko<br />
mit der Seehöhe zunimmt. Dies dürfte aber nur scheinbar ein Widerspruch<br />
sein, da sich das Untersuchungsgebiet im Thüringer Wald in einem Seehöhenbereich<br />
von < 400 m bis 900 m befindet, der Österreichische Teil des Böhmerwaldes<br />
aber zwischen 600 m und 1379 m liegt. Das könnte jedoch heißen, daß<br />
sowohl im Böhmerwald durch das Fehlen der Lagen unter 600 m als auch im Thüringer<br />
Wald durch das Fehlen der Lagen über 900 m die Datenbasis so eingeschränkt<br />
ist, daß eine echte "Schneebruchzone", die in einer bestimmten Höhenzone<br />
mit maximalem Schadrisiko auftritt und von der aus nach oben wie auch<br />
nach unten die Risken wieder rückläufig sind, nicht zu erkennen ist.<br />
4.2.2 Größeres Schneebruchrisiko älterer Bestände in höheren Lagen<br />
Die statistischen Berechnungen ergaben, daß in höheren Lagen ältere Bestände<br />
mehr gefährdet sind als in tieferen Lagen. Im Tal ist im Mittel die 4. Altersklasse<br />
am stärksten betroffen, in den Lagen über 1000 m ist es die 5. Altersklasse<br />
(siehe dazu Tabelle 4). Ältere Bestände kämmen den Nebelniederschlag, welcher<br />
mit der Seehöhe zunimmt, stärker aus und sind dadurch in höheren Lagen mehr<br />
durch Rauhreif- und Rauhaisbehang gefährdet.<br />
4.2.3 Bedeutung der Exposition und der topographischen Einheit für das<br />
Schneebruchrisiko<br />
Eine wesentliche Rolle dürfte bei Schneebruchereignissen auch die Exposition<br />
spielen. Tabelle 5 zeigt dazu die Schadholzanfälle. Es konnte eine höhere Schadholzmenge<br />
in nord- und nordostexponierten Lagen gegenüber west-, südwestund<br />
nordwestexponierten Lagen festgestellt werden. Ost-, südost- und südexponierte<br />
Hänge weisen mittlere Schadholzmengen auf.
158<br />
Tabelle 5: Mittlere Schadholzmenge [fm/ha] je Probefläche nach verschiedenen<br />
Expositionen.<br />
Table 5: Average wood volurne (rn3!ha) per sarnple area for snow darnage events<br />
for differing slope azirnuth.<br />
Exposition fm/ha<br />
"KEINE" 23<br />
N 18<br />
NE 22<br />
E 15<br />
SE 15<br />
s 16<br />
sw 9<br />
w 11<br />
NW 11<br />
Andererseits muß aber festgehalten werden, daß in der topographischen Einheit<br />
"Tallage-Westseite" die weitaus größte Schadholzmenge anfällt (siehe Tabelle 6).<br />
Ähnliches zeigt auch, daß "Keine Exposition" - diese Kategorie findet sich zum<br />
Großteil in der "Tallage-Westseite" - eine zwar unwesentliche aber doch größere<br />
Schadholzmenge als Nord und Nordost aufweist (Tabelle 5). Zu bedenken ist<br />
auch, daß die topographische Einheit "Seitental N-S" eine Leelage darstellt und<br />
somit ein hoher Schadholzanfall zu erwarten wäre. ln dieser Einheit wird aber der<br />
geringste Anfall verzeichnet (Tabelle 6). Man könnte diese Beobachtungen folgendermaßen<br />
interpretieren: Der Parameter "Exposition" ist für jede Probefläche<br />
Tabelle 6: Mittlere Schadholzmenge [fm/ha] je Probefläche nach topographischen<br />
Einheiten.<br />
Ta ble 6: Average wood volurne (rn3!h a) per sarnple area for snow darnage events<br />
for differing topographic units.<br />
Topographische Einheit fm/ha<br />
Tallage Westseite 33<br />
Kuppe/Rücken N-S 14<br />
Kuppe/Rücken NW-SE 1 0<br />
Kuppe/Hochplateau • 13<br />
W-Hang 17<br />
SW-Hang, geschützte Lage 8<br />
SW-Hang 9<br />
NO-Hang 20<br />
Tallage Ostseite 24<br />
Seitental N-S 8
159<br />
individuell bestimmt und stellt somit eine relativ kleinräumige Charakterisierung<br />
der orographischen Verhältnisse dar. Nach dieser kleinflächigen Betrachtung<br />
kommt es zu einer Akkumulation von Schnee auf nord- bzw. nordostexponierten<br />
Standorten und somit zu erhöhter Schneebruchgefahr.<br />
Bei der Betrachtung der großräumigen Gliederung des Untersuchungsgebietes,<br />
wie dies bei der Ausscheidung von topographischen Einheiten geschieht, ist eher<br />
die Westseite als jene Lage mit der größten Gefährdung zu bezeichnen. Eine nicht<br />
unbedeutende Rolle für den großen Schadholzanfall an der Nordostseite des<br />
Gebirges dürfte auch der Einfluß des Moldaustausees spielen, der regelmäßig für<br />
reichlich Nebel und Nebelniederschlag sowie entsprechenden Rauhreifbehang<br />
sorgt.<br />
Mitscherlieh (1971) weist ebenfalls auf einen höheren Anfall an Schadholz auf<br />
den Nord- und Osthängen als in Süd- und Westlagen hin. Er erklärt diese Tatsache<br />
mit der starken Schneeablagerung an der Leeseite des Gebirges.<br />
4.3 Betrachtung des Windwurfrisikos<br />
4.3.1 Einfluß des Standortstyps auf das Windwurfrisiko<br />
Bei Windwürfen spielt neben den schon erörterten Seehöheneffekten auch der<br />
Standortstyp eine bedeutende Rolle. Wie zu erwarten war, besteht eine signifikant<br />
positive Korrelation zwischen Windwurfschäden und dem Standortstyp "An moorig<br />
Naß" . Auf diesen Standorten herrscht ein ungünstiger Lufthausha!t, der nur eine<br />
flache Durchwurzelung zuläßt. Daneben ist auch die mechanische Festigkeit dieser<br />
dauernd nassen, organischen Böden sehr gering.<br />
4.3.2 Auswirkungen des Geländereliefs auf das Windwurfrisiko<br />
Entsprechend der Schadkartierung würde ein erhöhtes Schadrisiko unmittelbar im<br />
Lee von kuppenartigen Erhebungen zu erwarten sein (siehe Abbildung 2). Dieser<br />
Effekt konnte aber bei den statistischen Berechnungen abgesichert werden, da<br />
keine signifikanten Korrelationen festgestellt wurden.<br />
Zwei Gründe dürften für die fehlende Korrelation verantwortlich sein:<br />
a: Obwo hl selten die ganze Probefläche von den Schadereignissen betroffen war,<br />
wurde die Schadholzmenge in den Hiebsnachweisen der ganzen Fläche zugeordnet.<br />
Innerhalb der Probefläche ist also nicht die genaue Lage der tatsächlichen<br />
Windwurfflächen bekannt. Weiters weisen die Probeflächen oft beträchtliche<br />
Größe auf, sodaß sie sich über verschieden gefährdete Relieftypen<br />
erstrecken. Diese Tatsachen erschweren natürlich das objektive Zuordnen von
160<br />
Schadereignissen zu gefährdeten bzw. nicht gefährdeten Relieftypen. Besonders<br />
um Kuppen findet der Wechsel von gefährdeten und nicht gefährdeten<br />
Standorten relativ abrupt und auf kurze Distanzen statt. Es wäre also<br />
notwendig, eine kleinräumig differenzierte Zuordnung des Schadholzes durchführen<br />
zu können.<br />
b: Diese Geländerelieftypen mit erhöhtem Windwurfrisiko wurden nicht im Gelände,<br />
sondern nur anhand von Kartenmaterial ausgeschieden. Eine Begehung des<br />
Gebietes würde möglicherweise eine genauere und objektivere Ausscheidung<br />
der einzelnen Relieftypen ermöglichen, da die Karte kleinräumige Reliefformen<br />
vernachiäßigt.<br />
4.3.3 Windwurfgefährdung und Bestandesalter<br />
Obwohl jene Probeflächen, auf welchen 1. bzw. 2. Altersklassen stockten, bei<br />
der Berechnung nicht berücksichtigt wurden, konnte eine deutliche, positive Korrelation<br />
zwischen Windwurfschäden und Alter festgestellt werden. Mit zunehmendem<br />
Alter wird der Baum höher, seine Krone ist infolgedessen höheren Windkräften<br />
ausgesetzt, und somit nimmt auch das Biegemoment zu, das auf Stamm<br />
und Wurzelteller wirken kann (Mayer, 1985).<br />
Für derartig windgefährdete Standorte, auf denen das Windwurfrisiko mit dem<br />
Alter progressiv ansteigt, trifft die Feststellung Mitscherlichs (1973) zu, daß man,<br />
wenn die Betriebssicherheit des ganzen Waldortes gewährleistet bleiben soll, als<br />
wirksame Vorbeugungsmaßnahme gegen Windwürfe mit geringeren Baumhöhen<br />
und verkürzten Umtriebszeiten auskommen muß.<br />
5 ERGEBNISSE DER KliMATOLOGISCHEN BETRACHTUNGEN<br />
5.1 Bedingungen, die zu Schneebruch führen<br />
5.1.1 Ausscheiden von klimabedingten Gefährdungsstufen anhand verschiedener<br />
Klimakonstellationen<br />
Anhand der Zeitangaben aus den betrieblichen Aufzeichnungen wurden die klimatischen<br />
Bedingungen, die zur Zeit der Schneebruchereignisse herrschten, erhoben<br />
(Tabelle 7). Mit den dazugehörigen Schadholzmengen verknüpft, konnten dann<br />
Klima-Schwellenwerte abgeleitet werden, die unterschiedliche Gefährdungsstufen<br />
abgrenzten (Tabelle 8). ln den Wintern, in denen keine Zeitangaben über Schneebruchereignisse<br />
existierten - das waren vor allem Winter mit geringem Schadholzanfal!<br />
- wurde jene Klimakonstellation gewählt, die am ehesten zu Schneebruch<br />
geführt haben könnte. Dies sind jene Zeitabschnitte mit den größten Niederschlägen<br />
bei gleichzeitigen Te mperaturschwankungen um den Gefrierpunkt.
161<br />
Ta belle 7: Gefährdungsstufen und Klimakennwerte für unterschiedliche Schneebruchereignisse.<br />
Table 7: Danger ra ting and climatic characteristics for different snow darnage<br />
events.<br />
Datum Gefährdungsstufe NSmaxfTag NSkrit NSgesamt Zkrit Zgesamt Schadholzanfall<br />
[mm] [mm] [mm] [Tage] [Tage] [Efm o.R.]<br />
Dez 1966 3 60 204 296 12 27 25580<br />
Dez 1 967 3 65 161 223 7 21 20893<br />
Feb 1970 3 53 242 378 13 32 21994<br />
Jän 1976 3 59 325 418 19 25 5533<br />
Dez 1 962 2 50 106 106 7 7 9763<br />
Mär1979 2 50 108 108 10 10 3776<br />
Jän 1986 2 36 167 234 8 14 10098<br />
Dez 1986 2 45 229 367 9 21 2833<br />
Mär 1 988 2 35 217 217 15 15 5239<br />
Dez 1988 2 33 172 214 12 21 5530<br />
*Jän 1959 24 111 111 27 27 1097<br />
*Feb 1961 47 134 165 6 13 195<br />
*Dez 1973 44 112 112 14 14 428<br />
Dez 1974 37 110 110 8 8 1500<br />
Jän 1981 36 112 187 6 20 3463<br />
*Jän 1983 33 125 144 16 21 160<br />
Feb 1 978 0 16 28 73 3 11 2481<br />
*Feb 1960 0 25 66 66 12 12 310<br />
*Jän 1965 0 25 61 65 4 10 750<br />
Nov 1975 0 18 55 55 9 9 334<br />
*Feb 1 962 0 31 85 105 11 14 320<br />
*Feb 1977 0 23 70 97 6 22 722<br />
Apr 1980 0 33 77 77 8 8 370<br />
*Jän 1982 0 35 76 76 6 6 1214<br />
*Feb 1984 0 37 66 106 5 9 31<br />
*Feb 1985 0 36 70 121 3 10 64<br />
*Feb 1990 0 34 78 78 6 6 121<br />
*Feb 1964 0 28 28 105 3 10 0<br />
*1968 0 Keine Niederschläge im 0<br />
*1969 0 kritischen Temperaturbereich 0<br />
*1971 Diese Jahre wurden nicht in der Berechnung berücksichtigt,<br />
*1972 da die Daten nicht zuverläßig erschienen<br />
* ... Für diese Winter gab es keine Zeitangaben in den betrieblichen Aufzeichnungen<br />
NSmaxfTag: Niederschlagsmenge des Tages mit maximalem Niederschlag<br />
NSkrit: Summe der Niederschläge der Tage mit kritischer Tagesmitteltemperatur<br />
NSgesamt: Summe der Niederschläge aller Tage des Beobachtungszeitraumes; auch die Tage, an<br />
denen die Tagesmitteltemperatur tiefer war als die kritische, wurden mitgerechnet<br />
Zkrit: Anzahl der Tage, im Beobachtungszeitraum, an denen kritische Temperatur herrschte<br />
Zgesamt: Beobachtungszeitraum: Dauer des zusammenhängenden Zeitraumes in dem die<br />
Tagesmitteltemperatur um den Gefrierpunkt schwankte
162<br />
Tabelle 8: lokale Klimakonstellationen verschiedener Schneebruch-Gefährdungsstufen.<br />
Ta ble 8: Local clima tic configuration for differing snow damage danger ratings.<br />
Temperatur<br />
< -0.5 oc oder > +2 .0 oc +<br />
Temperatur<br />
> -0.5 oc und < +2.0 oc<br />
NSmax/Tag < 50 mm<br />
NSmax/Tag > 50 mm<br />
NSkrit < 1 00 mm<br />
NSkrit > 100 und 150 mm<br />
NSgesamt < 200 mm<br />
NSgesamt > 200 mm<br />
mittlerer Schadholzanfall<br />
eines Ereignisses dieser<br />
Gefährdungsstufe, auf einer<br />
Fläche von 5530 ha<br />
keine<br />
Schneebruch -<br />
Gefährdung<br />
Stufe 0 oder Stufe 0<br />
480 Efm<br />
Erläuterungen zum Gebrauch der Tabelle 8:<br />
+<br />
+<br />
geringe<br />
Schneebruch-<br />
Gefährdung<br />
Stufe 1<br />
1300 Efm<br />
mittlere hohe<br />
Schneebruch - Schneebruch -<br />
Gefährdung Gefährdung<br />
Stufe 2 oder Stufe 2 Stufe 3<br />
+ + +<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+ +<br />
+ +<br />
+<br />
6200 Efm 18500 Efm<br />
z.B. Stufe 0: Es herrscht keine Schneebruchgefahr, wenn die Tagesmitteltemperatur nicht im kritischen Bereich,<br />
zwischen - 0.5 und +2.0 o C, liegt.<br />
Oder<br />
Es herrscht keine Schneebruchgefahr, wenn die Tagesmitteltemperatur zwar im kritischen Bereich liegt,<br />
aber an keinem Tag mehr als 50 mm Niederschlag fällt (NSmax/Tag), die Niederschlagssumme der Tage<br />
mit kritischer Temperatur (NSkrit) kleiner als 100 mm ist und weiters die Niederschlagssumme des Zeitraumes,<br />
in dem die Tagesmitteltemperatur um den Gefrierpunkt schwankt (NSgesamt), weniger als 200<br />
mm beträgt.<br />
z.B. Stufe 2: Es herrscht mittlere Schneebruchgefahr, wenn die Tagesmitteltemperatur im kritischen Bereich liegt,<br />
an keinem Tag mehr als 50 mm Niederschlag fällt (NSmax/Tag), die Niederschlagssumme der Tage mit<br />
kritischer Temperatur (NSkrit) größer als 150 mm ist und weiters die Niederschlagssumme des Zeitraumes,<br />
in dem die Tagesmitteltemperatur um den Gefrierpunkt schwankt (NSgesamt), mehr als 200 mm beträgt.<br />
Oder<br />
Es herrscht mittlere Schneebruchgefahr, wenn die Tagesmitteltemperatur im kritischen Bereich liegt, an<br />
mindestens einem Tag mehr als 50 mm Niederschlag fällt (NSmax!Tag), die Niederschlagssumme der Tage<br />
mit kritischer Temperatur (NSkrit) zwischen 100 und 150 mm beträgt und weiters die Niederschlagssumme<br />
des Zeitraumes, in dem die Tagesmitteltemperatur um den Gefrierpunkt schwankt (NSgesamt),<br />
weniger als 200 mm beträgt.
163<br />
Für die Ableitung dieser Schwellenwerte wurden die Niederschlagsdaten der<br />
Klimamaßstationen Schwarzenberg und, soweit vorhanden, von der Station<br />
Schöneben verwendet. Als dritte Station stand Schlägl zur Verfügung.<br />
Die Niederschlagsdaten der Station Schlägl wurden jedoch wegen stärkerer, negativer<br />
Abweichungen von den beiden anderen nicht zur Schwellenwertabgrenzung<br />
herangezogen. Zum Abschätzen der Te mperaturverhältnisse im Untersuchungsgebiet<br />
wurden die Daten aller drei Stationen verwendet.<br />
Als kritischer Temperaturbereich wurd e ein Bereich von Tagesmitteltemperaturen<br />
zwischen -0,5 und + 2,0°C gewählt. ln diesem Intervall ist die Häufigkeit für Naßschneefälle<br />
am größten (US Army Corps of Engineers, 1956). Zum Anschätzen<br />
der Temperaturen auf höher gelegenen Probeflächen des Untersuchungsgebietes<br />
wurden die Temperaturgradienten für polarmaritime und maritime Wetterlage von<br />
Geiger (1961 ) verwendet. Diese weisen im Gegensatz zu einer kontinentalen Wetterlage<br />
einen nahezu linearen Verlauf der Temperatur über der Seehöhe auf mit<br />
einer Temperaturabnahme von 0,5 bis 0,6°C/1 00 m. Auch Baumgartner (1961 )<br />
nennt nach Untersuchungen am Großen Falkenstein Werte von 0,55 bis<br />
0,84°C/1 00 m für den linearen Bereich (900 - 1300 m) oberhalb der Temperaturinversion.<br />
Das heißt, daß bei Temperaturen um +4°C bei der Talstation in hohen<br />
Lagen des Untersuchungsgebietes sehr wohl kritische Te mperaturen zwischen<br />
-0,5 und + 2,0°C herrschen können.<br />
Die großen Schneebruchkatastrophen fanden im Untersuchungszeitraum nur bei<br />
Westwetterlage statt. Tiefdruck über dem Nordmeer und dem Mittelmeer sorgt für<br />
Störungsfronten und bringt feuchtwarme Luftmassen und Schnee. Tritt diese<br />
Wetterlage in einem Zeitraum von mehreren Tagen bis Wochen immer wieder auf,<br />
unterbrochen durch kurze Zwischenhochs mit Frost, wird die Situation für<br />
Schneebruchschäden besonders kritisch.<br />
Anhand konkreter Zeitangaben der betrieblichen Aufzeichnungen und den dazugehörigen<br />
Schadholzmengen konnten klimabedingte Gefährdungsstufen, wie in<br />
Tabelle 8 dargestellt, ausgeschieden werden.<br />
Die oben angegebenen Schwellenwerte wurden aufgrund von stochastischen<br />
Zusammenhängen ermittelt und geben daher einen Anhalt über das Schneebruchrisiko<br />
mit entsprechenden statistischen Konfidenzbereichen. Dies resultiert<br />
mitunter in Fehleinstufungen, wobei der Grund dafür auch darin zu suchen ist,<br />
daß für die Ableitung von Schwellenwerten nur Klimadaten von Stationen mit<br />
beeinträchtigter Repräsentativität zur Verfügung standen. Die Hauptdaten kamen<br />
von zwei Klimastationen, die sich beide in Tallage und auf der Westseite befinden,<br />
lediglich für die letzten 6 Jahre [Temp.] bzw. 3 Jahre [Niederschlag] waren<br />
Daten von der im Schadgebiet gelegenen Station Schöneben vorhanden. Als Beispiel<br />
für eine derartige Fehleinstufung sei das Schneebruchereignis im Februar<br />
1978 erwähnt. Nach den Klimadaten der Meßstationen auf der Westseite wäre
164<br />
die Wetterlage als Gefährdungsstufe 0 zu werten, trotzd em fielen auf der anderen<br />
Seite des Gebirges, in den topographischen Einheiten "Tallage Ostseite" und<br />
"Nordosthang", sowie in der Einheit "Kuppe/Rücken N-S" 248 1 Efm Schadholz<br />
an.<br />
5.1.2 Abfolge verschiedener Wettersituationen als Schadursache<br />
Die Analyse aller Schadereignisse zeigt, daß nicht nur große Niederschlagsmengen<br />
innerhalb weniger Tage zu Schäden führen, sondern daß über mehrere Tage<br />
oder Wochen andauernde zonale Westwetterlage mit raschen Frontdurchgängen,<br />
ergiebigen Niederschlägen und zwischendurch auftretenden Frostperioden zu den<br />
weitaus größten Schadholzmengen führen. Besonders belastend wirkt sich aus,<br />
wenn der kritische Temperaturbereich immer in denselben Höhenlagen auftritt und<br />
es somit zu einer außergewöhnlichen Akkumulation von Schnee- und Eislasten<br />
kommt. Zu einer Entspannung der Situation kann es durch dazwischen auftretende<br />
Warmwetterphasen kommen.<br />
5.1 .3 Einfluß des Windes auf Schneebruchereignisse<br />
Eine Beurteilung dieser Zusammenhänge ist bei der Untersuchung in Schlägl nur<br />
bedingt möglich, da die Windgeschwindigkeitsdaten von der ca. 50 km entfernten<br />
Station Unz-Hörsching stammen. Im Gegensatz zu Wetterlagen mit großräumigen<br />
Frontalstürmen, liegen in diesen Fä llen teilweise nicht so homogene Windfelder<br />
vor, die es erlauben, den gesamten Winddatensatz zu verwenden.<br />
Wenn man diese Daten trotz dieser Mängel auswertet, kommt man zu folgendem<br />
Ergebnis: Geringe Windgeschwindigkeit während der Naßschneefälle und große<br />
Windgeschwindigkeit danach erhöhen den Schadholzanfall (1962, 1966, 1967,<br />
1970). Hingegen reduzieren Stürme während der Naßschneefälle das Schadensausmaß<br />
( 1961, 1976). Auch das Forstamt des Stiftes Schlägl berichtet von der<br />
schadensreduzierenden Wirkung der Stürme, wie z.B. im Jänner 1976.<br />
Gärtner ( 1 990) widerspricht dem teilweise, indem er feststellt, daß die Gefä hrdung<br />
der Bestände steigt, wenn während bzw. nach den Naßschneefällen starker<br />
Wind weht. Jedoch werden von mehreren Autoren eher die oben dargestellten<br />
Beziehungen bestätigt. So schreibt Mitscherlieh (1971 ) von besonderer Gefährdung<br />
bei Naßschneefällen während Windstille und Temperaturen um den Gefrierpunkt.<br />
Rettermann ( 1985) nennt als klimatische Voraussetzung für Schneebruchschäden<br />
ebenfalls ergiebige Naßschneefälle, vor allem bei Windstille.<br />
Weht über längere Zeit ein beständiger Wind bei hoher Luftfeuchtigkeit, so kommt<br />
es zu mächtigen Ablagerungen von Rauhreif und Rauhfrost, welche vor allem in<br />
hohen Lagen das Bruchrisiko stark erhöhen (Häckel, 1990).
165<br />
5.2 Bedingungen, die zu Windwurf führen<br />
5.2.1 Ausscheiden von registrierten Frontenstürmen und Gewitterstürmen<br />
Im Gegensatz zum Schneebruch konnten beim Windwurf nicht alle 32 Jahre des<br />
Untersuchungszeitraumes für Unte rsuchungen auf Zusammenhänge zwischen<br />
Schadereignissen und klimatischen Besonderheiten herangezogen werden. Zur<br />
Auswertung wurden nur jene Windwurfkatastrophen verwendet, die vom Betrieb<br />
datumsmäßig genau registriert wurden.<br />
Aufgrund von Großwetterlage, Aufzeichnungen der Klimastationen und der<br />
betrieblichen Beschreibung der Katastrophe konnten Frontenstürme mit einem<br />
großräumig homogenen Windfeld · und lokale Gewitterstürme als Auslöser von<br />
Schadereignissen unterschieden werden. Für die auf diese Weise selektierten<br />
Frontenstürme konnten nun mit Berechtigung die Windspitzen und Windrichtungen<br />
der Maßstation linz-Hörsching für die Regressionsrechnung am Schadort verwendet<br />
werden. Damit blieben aber nur sechs Jahre mit Windwurfereignissen zur<br />
Auswertung übrig. Es sind dies die Jahre 62, 72, 76, 79, 84 und 90.<br />
Durch die beschränkte Datenlage war es nicht möglich, so deutlich quantifizierte<br />
Gefährdungsstufen wie im Falle des Schneebruchrisikos zu finden. Trotzdem zeigten<br />
die Berechnungen einen Einfluß der herrschenden Temperatur und des Bodenfeuchtezustandes<br />
auf das Windwurfrisiko auf.<br />
Ist der Boden zur winterlichen Hauptsturmzeit tief gefroren, so kann ein Baum<br />
oder Bestand nur gebrochen werden. Dazu sind höhere Windgeschwindigkeiten<br />
erforderlich als zum Wurf, das heißt, das Risiko auf Sturmschäden sinkt. Ist aber<br />
der Boden durch anhaltende Regenfälle oder durch Schneeschmelze aufgeweicht,<br />
so tritt schon bei vergleichsweise geringen Windstärken ein Wurf ein. Der durch<br />
die jeweilige Wetterlage bedingte Bodenzustand gehört somit auch zu den meteorologischen<br />
Faktoren, welche die Windgefährdung wesentlich beeinflussen<br />
(Geiger, 1950).<br />
Für den witterungsbedingten Bodenzustand wurden in Anlehnung an Geiger<br />
( 1 950) drei Gefährdungsstufen ausgeschieden (Tabelle 9).<br />
Je niedriger die Gefä hrdungsstufe info lge des Bodenzustandes, desto höhere<br />
Windgeschwindigkeit ist notwendig, um ein Schadereignis zu bewirken.<br />
Mittels Regression mit den unabhängigen Variablen Staudruck bzw. Windgeschwindigkeit,<br />
Windrichtung, Bodenzustand und deren Wechselwirkungen konnte<br />
ein signifikanter Zusammenhang des Schadholzanfalls mit dem Staudruck bzw.<br />
der Windgeschwindigkeit festgestellt werden. Bei Verwendung des Staudruckes<br />
beträgt das Bestimmtheitsmaß 82% * * *. Mit der Windgeschwindigkeit wurde hin-
166<br />
gegen nur ein Bestimmtheitsmaß von 75% * * * erreicht. Das zeigt, daß die<br />
Windwurfgefährdung mit der Windgeschwindigkeit nicht linear zunimmt, sondern<br />
wie der Staudruck exponentiell.<br />
Tabelle 9: Einfluß des Bodenzustandes auf das Windwurfrisiko und abgeleitete<br />
Gefä hrdungsstufen.<br />
Ta ble 9: Th e in fluence of soil conditions upon wind thro w risk and deducted<br />
danger ratings.<br />
Gefährdungsstufe 1 I geringe Gefährdung:<br />
Gefährdungsstufe 2 I mittlere Gefährdung:<br />
Gefährdungsstufe 3 I hohe Gefährdung:<br />
Der Boden ist gefroren.<br />
Der Boden ist nicht gefroren,<br />
aber er ist nicht durch Niederschläge<br />
aufgeweicht.<br />
Der Boden ist nicht gefroren,<br />
und er ist durch Niederschläge<br />
aufgeweicht.<br />
Bei Einbeziehung der Interaktion des Staudruckes mit dem Bodenzustand erhöht<br />
sich das Bestimmtheitsmaß auf 88% * * *. Die größte Verbesserung im multiplen<br />
Regressionsmodell mit Staudruck und Bodenzustand als unabhängigen Variablen<br />
wurde erreicht, wenn die Bodenzustandsstufen 1, 2 und 3 (Tabelle 9) mit 1.0,<br />
1.2 und 1.4 codiert und damit pseudostetig gemacht wurden.<br />
Das bedeutet, vom Staudruck auf Windgeschwindigkeit zurücktransformiert, daß<br />
das Schadrisiko eines Sturms mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h bei Bodenzustand<br />
2 (trockenem, nicht gefrorenem Boden) und bei Bodenzustand 3 (aufgeweichtem,<br />
nicht gefrorenem Boden) bereits bei 90 km/h erreicht würde, bzw. bei<br />
Bodenzustand 1 (gefrorenem Boden) ergäbe sich das gleiche Schadrisiko erst bei<br />
110 km/h.<br />
Elling et al. (1987) untersuchten im Nationalpark Bayerischer Wald die Sturmschäden<br />
von 1868 bis 1970 und berichten von drei vorherrschenden Sturmtypen:<br />
Typ 1: Herbst- und Winterstürme (Oktober bis März) aus West bis Südwest<br />
Die Dauer beträgt viele Stunden bis mehrere Tage. Wurf und Bruch treten<br />
sowohl nesterweise als auch flächig auf. Oft werden, über sämtliche<br />
Abteilungen verstreut, einzelne Bäume niedergelegt.<br />
Typ 2: Herbst- und Winterstürme (Oktober bis März) aus Ost bis Nordost<br />
Die sogenannten "Böhmwinde" halten meist einen oder mehrere Tage lang<br />
an. Typisch für sie ist, daß ihr Schaden sich nicht auf große Flächen<br />
erstreckt, sondern gassen-, streifen- und nesterweise auftritt.
167<br />
Typ 3: Sommerstürme (Juni bis August) in Begleitung von Gewittern<br />
kommen aus verschiedenen Himmelsrichtungen, vorwiegend jedoch aus<br />
Südwest bis West. Sie dauern meist nur 1 bis 2 Stunden - oft noch kürzer.<br />
Die Waldbestände werden flächen- und gassenweise geworfen und<br />
gebrochen. Auffällig ist, daß Gewitterstürme vor allem in den tieferen<br />
Lagen Schäden bewirken.<br />
Der Schadholzanfall, den Stürme der drei Typen zwischen 1868 und 1970 verursacht<br />
haben, teilt sich folgendermaßen auf:<br />
Typ 1: 51 % Typ 2: 15 % Typ 3: 34 %<br />
Die Sturmtypisierung, wie sie von Elling et al. (1987) angegeben wird, kann auch<br />
vollinhaltlich auf das Untersuchungsgebiet übertragen werden. Der Vergleich des<br />
nach Sturmtypen stratifizierten Schadholzanfalls, den die Stürme der Jahre 62,<br />
72, 75, 76, 79, 81, 83, 84, 88, 90 in der Forstverwaltung Schlägl verursachten<br />
(siehe Tab. 1 0), zeigt ein ähnliches Muster, nämlich:<br />
Typ 1: 66 % Typ 2: 9% Typ 3: 25 %<br />
Tabelle 10: Windwurfereignisse mit genauen Zeitangaben (Nähere Angaben über<br />
den Bodenzustand siehe Tabelle 9).<br />
Table 10: Win d thro w events by exact dates (For further in forma tions concerning<br />
soil conditions see Table 9).<br />
Zeitraum Böenspitze Staudruck Windrichtung Bodenzustand Schadholzmenge<br />
[m/s] [dN/m2] Gelährdun�stule [Eim o.R.]<br />
Fronten-Stürme<br />
1962 12.2.-17.2. 33 70 West 7270<br />
1972 12.3. 25 40 Ost 2 6790<br />
1976 2.1 .·5.1. 33 70 West 5620<br />
1979 11.12. 22 30 West 3 1970<br />
1984 23. 11 38 90 Nordwest 3 10520<br />
1990 28.2.-1.3. 45 125 West 3 25470<br />
Gewitter-Stürme<br />
1975 1.8.-2.8. 3 5130<br />
1981 3.7<br />
3 7620<br />
1983 1.8. 3 4060<br />
1988 24.7. 3 1970
168<br />
Mit gewissen Ta leranzen stimmen die Werte von Elling et al. mit den Ergebnissen<br />
von Schlägl überein. Ebenso kann die Beobachtung bestätigt werden, daß Gewitterstürme<br />
vor allem in den tieferen Lagen Schäden bewirken.<br />
5.2.2 Jahreszeitliche Verteilung der Wetterlagen mit Windwurfgefährdung<br />
Die vier zeitlich registrierten Gewitterstürme mit Windwurfschäden ereigneten sich<br />
in den Monaten Juli und August. Vor allem die Wetterlagen mit kontinentalem<br />
Hochdruckgebiet bzw. Hochdruckbrücken von Südwest nach Nordost oder von<br />
West nach Ost bilden im Sommer die Voraussetzungen für derartige Schadereignisse.<br />
Es herrscht flache Druckverteilung über Mitteleuropa. Es ist wärmer als<br />
normal, zeitweise sehr warm bis heiß, darum kommt es immer wieder durch<br />
Hebung der warmen, labilen Luftmassen zum Auftreten von Wärmegewittern und<br />
Konvektionsstürmen (Baur, 1947) und somit zur Windwurfgefahr.<br />
Die sechs registrierten Frontenstürme ereigneten sich in den Monaten November,<br />
Dezember, Jänner, Februar und März.<br />
ln den Herbst- und Wintermonaten kommt es zu ausgeprägter Bildung dynamischer<br />
Hoch- und Tiefdruckgebiete. Diese weisen große Luftdruckunterschiede auf<br />
und führen zu starken Stürmen aus Nordwest bis Südwest. Entscheidend ist, wie<br />
ausgeprägt die über lsland und Großbritanien kommenden Tiefdruckgebiete sind,<br />
und ob sie sich am Festland rasch auffüllen und damit verschwinden.<br />
Im Winter treten auch mit Regelmäßigkeit sehr ausgeprägte Kälte-Hochdruckgebiete<br />
über Osteuropa und Asien auf. Diese verursachen bei starken Druckgradienten<br />
Winterstürme aus Nordost bis Ost. Sie bringen meist trockene, kontinentale<br />
Kaltluft (Baur, 1947; Häckel, 1990). Geiger (1950) schreibt von einem Wintermaximum<br />
der Sturmgefährdung in den Monaten Dezember, Jänner und Februar. "Der<br />
Kernwinter bringt die kräftigsten Tiefdruckgebiete, die größte Luftdruckveränderlichkeit<br />
und darum auch am häufigsten Stürme."<br />
7 LITERATUR<br />
ABETZ P., 1989: Sind Schneebruchschäden unvermeidbare Naturereignisse? AFZ 44: 29-31.<br />
BAUMGARTNER A., 1961 : Lufttemperatur als Standortsfaktor am Großen Falkenstein, 2. Mitteilung.<br />
Fw. Cb. 80: 107- 120.<br />
BAUR F., 1947: Musterbeispiele europäischer Großwetterlagen. Dietrich'sche Verlagsbuchhandlung,<br />
Wiesbaden, 35.<br />
ELUNG W., E. BAUER, H. KLEMM u. H. KOCH, 1987: Klima und Böden. Nationalpark Bayrischer<br />
Wald 1, 255.<br />
GÄRTNER S., 1990: Zur standortspezifischen Schneebruchgefährdung der Fichtenbestände im<br />
Thüringer Wald. Beiträge für die Forstwirtschaft 24: 16-21 .<br />
GEIGER R., 1950: Die meteorologischen Voraussetzungen der Sturmgefährdung. Fw. Cb. 69: 71 -<br />
81 .
169<br />
HÄCKEL H., 1990: Meteorologie. Ulmer, UTB, Stuttgart, 402.<br />
HÜTTE P., 1967: Die standörtlichen Voraussetzungen der Sturmschäden. Fw. Cb. 86: 276-295.<br />
INSTITUT <strong>FÜR</strong> <strong>FOR</strong>S<strong>TLICHE</strong> STANDORTS<strong>FOR</strong>SCHUNG, 1971: Standortskartierung der Reviere<br />
nördlich der Großen Mühl des Forstbetriebes des Stiftes Schlägl. Revier Obernhof. Wien, 115.<br />
MAYER H., 1984: Waldbau. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, New York, 514.<br />
MAYER He., 1985: Baumschwingungen und Sturmgefährdung des Waldes. Univ. München, Meteorolog.<br />
lnst., Wissenschaftliche Mitteilung 51 , 247.<br />
MITSCHERLICH G., 1971 : Waldklima und Wasserhaushalt. ln: Wald, Wachstum und Umwelt,<br />
Bd. 2, Frankfurt/Main.<br />
MITSCHERLICH G., 1973: Wald und Wind. AFJZ 144: 76-81 .<br />
POLLANSCHÜTZ J., 1980: Erfahrungen aus der Schneebruchkatastrophe 1 979. AFZ 91: 123-1 25.<br />
PRIEHÄUSSER J., 1958: Die Fichten-Variationen und -Kombinationen des Bayerischen Waldes<br />
nach phänologischen Merkmalen mit BestimmungsschlüsseL Fw. Cb. 77: 151-171 .<br />
ROTTMANN M., 1985: Schneebruchschäden in Nadelholzbeständen. J.D. Sauerländer's Verlag,<br />
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SCHOLL T., 1993: Historische Landnutzung des Stiftes Schlägl. Diplomarb., Univ. Bodenkultur<br />
Wien, vorläufige Ergebnisse, unpubliziert.<br />
SCHWERDTFEGER F., 1981 : Die Waldkrankheiten. Verlag Paul Parey, Harnburg und Berlin, 486.<br />
THOMASIUS H., 1988: Stabilität natürlicher und künstlicher Waldökosysteme sowie deren Beeinflußbarkeit<br />
durch forstwirtschaftliche Maßnahmen. AFZ 43: 1037-1043 u. 1064-1 068.<br />
US ARMY CORPS OF ENGINEERS, 1956: Snow Hydrology. Portland, OR., 437.<br />
WILLINGER M., 1993: Klimabedingte Waldschäden (Untersuchungen im Österreichischen Teil des<br />
Böhmerwaldes). FIW - Forschungsber. 199 3/2, ÖGWEB, Univ. Bodenkultur Wien, 109-1 26.<br />
WILLINGER M., 1993: Schneebruch- und Windwurfschäden im Österreichischen Teil des Böhmerwaldes<br />
in den Jahren 1959-1 990 und ihre standörtlichen und klimatologischen Ursachen. Diplomarb.,<br />
Univ. Bodenkultur Wien, 72.<br />
WOHLMACHER J., 1992: Zusammenfassende und vergleichende Auswertung der forstlichen<br />
Stichprobeninventuren für den gesamten Forstbetrieb des Prämonstratenser Chorherren Stiftes<br />
Schlägl 1980-1 990. Diplomarb., Univ. Bodenkultur Wien, 67.
170
171<br />
BETEILIGUNG VON PILZEN AM ZWEIG- UND ASTSTERBEN<br />
DER FICHTE IM REVIER SONNENWALD (BÖHMERWALD)<br />
GONTRIBUTION OF FUNGI TO TW!G- AND BRA NCH-DIEBA CK<br />
ON SPRUCE IN THE TERR/TORY OF SONNENWALD (BOHEMIA N <strong>FOR</strong>EST)<br />
Andreas NEUMÜLLER<br />
Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz<br />
Universität für Bodenkultur Wien<br />
Hasenauerstraße 38, A - 1190 Wien<br />
SUMMARY<br />
ln the western area of the Mühlviertel, a region of Upper Austria, dieback of twigs and branches<br />
(sometimes even of the top) is observed in older Norway spruces (Picea abies (L.l Karst.). This<br />
paper describes the situation and works out the differences to defoliation, which also occurs in<br />
this part of Austria. Furthermore, the fungi on dying twigs and branches were examined and their<br />
role in the development of the disaase is discussed.<br />
The most important results of this research project are the following:<br />
* First symptoms appear on individual branches or groups of branches and may then spread over<br />
the whole crown (sometimes even top dieback is caused) .<br />
.. The symptoms occur individually on all mature trees but an accumulation was discovered in two<br />
regions.<br />
.. ln almest all cases, fungi could be isolated from bark and wood of dead parts of branches. The<br />
living parts showed clear difference of bark and wood in colonization rate at the individual isolation<br />
sections. The colonization frequency of bark varied between 80 and 1 00%, that of wood<br />
between 10 and 30%. The bark of twigs was not separated from wood and, no matter if twigs<br />
were living, dying or dead, they showed a colonization frequency of 100% .<br />
.. Apart from few Ascomycetes or their anamorphs, the fungi of dying branches and twigs mainly<br />
belonged to the group of Deuteromycetes, the number of Hyphomycetes being almest three<br />
times higher than that of Coelomycetes.<br />
* The most frequent species in branches were Geniculosporium sp. 1, Macrophoma excelsa, Mollisia<br />
cinerea, Mollisia sp., Pezicula livida, Phialocephala sp. and Siro coccus sp. The most frequent<br />
endophyte which, apart from the above-mentioned fungi, affected twigs was Xylaria sp. 1.<br />
* Sirococcus strobilinus was found to be the cause for the dieback of current year's shoots.<br />
* Gemmamyces piceae produced bud dieback on one sample tree and therefore caused irregular<br />
shoot development.<br />
• A complex of factors is to be regarded as the reason for twig and branch dieback, fungal infections<br />
{esp. by Sirococcus strobilin us) having predisposing influence on the occurrence of symptoms.<br />
KEYWORDS: Norway spruce, Picea abies {L.l Karst., endophytes, shoot dieback, Sirococcus strobilinus,<br />
Pezicula livida.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Im Gebiet des westlichen Mühlviertels tritt ein Absterben von Zweigen und Ästen (manchmal einschließlich<br />
Wipfel) an älteren Fichten (Picea abies (L.) Karst.) auf. ln der vorliegenden Untersuchung<br />
wird eine Beschreibung des Krankheitsbildes gegeben und der Unterschied zu den in diesem<br />
Gebiet ebenfalls auftretenden Kronenverlichtungen herausgearbeitet. Weiters wurde die Pilzflora<br />
von absterbenden Zweigen und Ästen untersucht und der Frage nachgegangen, welche Rolle Pilze<br />
in diesem Zusammenhang spielen.<br />
Die wichtigsten Ergebnisse können wie folgt zusammengefaßt werden:<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 7 994.<br />
ÖG WEB (Österr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung I ISBN 3-900865-06-X.
172<br />
" Die Symptome beginnen an einzelnen Ästen oder Astgruppen und können sich auf den ganzen<br />
Baum ausbreiten {mitunter Absterben des Wipfels).<br />
* Die Symptome treten vereinzelt in allen Altbeständen auf, jedoch konnte eine Akkumulation in<br />
zwei Gebieten festgestellt werden.<br />
" Aus den abgestorbenen Teilen der Äste konnten sowohl aus der Rinde als auch aus dem Holz in<br />
fast allen Fällen Pilze isoliert werden. Bei den lebenden Teilen zeigten sich deutliche Unterschiede<br />
in der Befallsrate an den einzelnen Abimpfungsstellen zwischen Rinde und Holz. Bei Rinde lag sie<br />
zwischen 80 und 100%, bei Holz zwischen 10 und 30%. Seitenzweige, bei denen keine Trennung<br />
der Rinde vom Holz erfolgte, wiesen unabhängig davon, ob es sich um lebende, absterbende<br />
oder tote Zweige handelte, einen 1 OOo/oigen Befall auf.<br />
" Die Pilzflora der absterbenden Äste setzt sich neben wenigen Ascomyceten bzw. deren Anamorphen<br />
vorwiegend aus Deuteromyceten zusammen, wobei fast dreimal so viele Hyphomyceten als<br />
Coelomyceten vertreten waren.<br />
" An den Hauptästen traten Geniculosporium sp. 1, Macrophoma excelsa, Mollisia cinerea, Mollisia<br />
sp., Pezicula /ivida, Phialocephala sp. und Sirococcus sp. am häufigsten auf. An den Seitenzweigen<br />
erwies sich Xylaria sp. 1 neben den o.a. Pilzen als häufigster Endophyt.<br />
" Als Auslöser des Absterbens diesjähriger Triebe konnte Sirococcus strobilinus festgestellt werden.<br />
" Gemmamyces piceae verursachte an einem Probebaum ein Absterben der Knospen und als Folge<br />
Verzweigungsanomalien.<br />
" Als Ursache des Absterbens von Zweigen und Ästen ist ein Faktorenkomplex anzusehen, in dem<br />
Pilzinfektionen (v.a. durch Sirococcus strobilinusl eine entscheidende Rolle bei der Symptomausprägung<br />
spielen. . .<br />
STICHWÖRTER: Fichte, Picea abies (l.) Karst., Endophyten, Triebsterben, Sirococcus strobilinus,<br />
Pezicula livida.<br />
1 EINLEITUNG<br />
Bei den Erhebungen des Kronenzustandes der Fichten im Revier Sonnenwald<br />
waren auch vom üblichen Bild der Kronenverlichtung abweichende Schadsymptome<br />
aufgefallen.<br />
Neben der auftretenden Verlichtung der Krone von innen nach außen, die durch<br />
vorzeitigen Abfall älterer Nadeljahrgänge verursacht wird, war auch ein Absterben<br />
von Zweigen, Ästen oder ganzer Kronenteile (vorwiegend Wipfel) zu beobachten.<br />
Die Symptome beider Krankheitsbilder sind in Tabelle 1 zusammengefaßt.<br />
Darüber hinaus war auch ein epidemisches Absterben diesjähriger Triebe sowohl<br />
an bere its geschädigten Ästen als auch an gesunden Zweigen und Ästen festzustellen.<br />
Bezüglich der räumlichen Ausdehnung der Symptome des Zweig- und Aststerbens<br />
in Revier ist zu beobachten, daß sie vereinzelt in allen Altbeständen zu finden<br />
sind. Vermehrt treten sie in zwei Gebieten auf (Abb. 1 ):<br />
* im südöstlichen Teil südlich und westlich des Großen Bärensteins (1 077 m)<br />
* im westlichen Teil rund um den Sulzberg ( 1 041 m)
173<br />
Tabelle 1: Die im Untersuchungsgebiet auftretenden Schadsymptome.<br />
Ta ble 1: Symp toms of darnage in the in vestig ation area.<br />
Kronenverlichtungen<br />
* aufgrund des vorzeitigen Abfalls<br />
der älteren Nadeljahrgänge beginnt<br />
sich die Krone von innen nach außen<br />
zu lichten<br />
* Abfall der älteren Nadeljahrgänge<br />
in der ganzen Krone<br />
* die ganze Krone wirkt "zerzaust"<br />
* großflächiges Auftreten<br />
Symptome d. Zweig- und Aststerbans<br />
* Absterben der Äste von außen<br />
nach innen<br />
* $.ymptome beginnen an einzelnen<br />
Asten bzw. Astgruppen; können<br />
sich auf den ganzen Baum ausbreiten<br />
* oft ein schroffer Übergang<br />
zwischen abgestorbenem Teil<br />
des Astes und vitalen Zweigen<br />
* Auftreten der Symptome lokal<br />
begrenzt; oft einzelba umweise<br />
� Flächen mit vermehrtem Auftreten<br />
� von Schadsymptomen<br />
Abbildung 1: Lage der Flächen mit vermehrtem Auftreten von Schadsymptomen<br />
im Revier Sonnenwald.<br />
Fig ure 1: Sites with in creased occurrence of symp toms of darnage in the territory<br />
of Sonnen wald.
174<br />
2 PROBLEMSTELLUNG UND ZIEL DER VORLIEGENDEN UNTERSUCHUNG<br />
Aufgrund der Symptomcharakteristik war zu vermuten, daß an der Verursachung<br />
dieser Krankheitsbilder pathogene Pilze beteiligt sind. Es war daher Ziel der Untersuchung,<br />
die Pilzflora von Ästen, die Symptome des Zweig- und Aststerbans<br />
aufwiesen, zu erheben und die Rolle der isolierten Pilze - insbesondere der häufig<br />
auftretenden Vertreter - beim Absterben von Zweigen und Astteilen an Hand der<br />
bisherigen Bewertung in der phytopathologischen Literatur zu beurteilen.<br />
3 MATERIAL UND METHODIK<br />
3.1 Auswahl der Probebäume und Probannahme<br />
Im Zuge des Forschungsprogrammes FIW II wurden mittels terrestrischer Kronenansprache<br />
"zehn Baumpaare", verteilt über das Revier Sonnenwald, ausgewählt,<br />
wobei ein Pärchen jeweils aus einer gesunden und einer geschädigten Fichte<br />
bestand. Diese wurden Mitte Juli 1991 geschlägert. Von den zehn als geschädigt<br />
eingestuften Bäumen wiesen neun Bäume Symptome des Zweig- und Aststerbans<br />
auf. Von diesen Bäumen wurden mittels Motorsäge bzw. Astschere Ast- und<br />
Zweigproben entnommen und ins Labor gebracht.<br />
3.2 Isolierung der Pilze<br />
3.2.1 Abimpfungsstellen<br />
Absterbende Hauptäste: Aus dem Probenmaterial wurden zehn Äste, die von der<br />
Spitze her bereits 50 cm abgestorben waren, ausgewählt. An diesen Ästen<br />
bestimmte man den Ü bergang vom lebenden zum abgestorbenen Phloem. Von<br />
dieser Stelle aus wurde in Abständen von 0, 5, 15, 25, 35 und 45 cm in beide<br />
Richtungen, d.h. sowohl vom abgestorbenen als auch vom lebenden Teil, je ein<br />
2 cm langer Abschnitt entnommen und gekennzeichnet (Abb. 2).<br />
Um den Stichprobenumfang im Übergangsbereich abgestorbenes/lebendes Phloem<br />
zu erhöhen, wurde von weiteren zehn Hauptästen des Probematerials der Übergang<br />
abgestorbenes/lebendes Phloem bestimmt und an den Stellen 0 und 5 cm in<br />
beiden Richtungen je eine Probe entnommen.<br />
Seitenäste: Bei den Seitenästen wurden aus dem Probematerial dreißig symptomlose<br />
Zweige, dreißig absterbende Zweige, an denen wiederum an der Übergangsstelle<br />
abgestorbenes/lebendes Phloem eine Abimpfung durchgeführt wurde, und<br />
siebzig abgestorbene Zweige als Proben ausgewählt.
175<br />
Lebender Bereich Übergangsbereich Abgestorbener Bere ich<br />
45 35 25 15 5 0 5 15 25<br />
o lebendes Phloem • abgestorbenes Phloem<br />
Abbildung 2: Abimpfungsstellen an absterbenden Ästen.<br />
Fig ure 2: Isolation sections on dying branches.<br />
35 45 (cm}<br />
Abgestorbene diesjährige Triebe: Es wurden dreißig abgestorbene diesjährige<br />
Triebe als Proben entnommen.<br />
3.2.2 Oberflächensterilisationsverfahren und Anlage der Reinkulturen<br />
Die Aststücke wurden nach der von Sieber u. Hugentobler (1987) beschriebenen<br />
Methode oberflächensterilisiert. Zu diesem Zwecke wurden sie zuerst unter fliessendem<br />
Wasser von Schmutz, Flechten und Schuppen befreit, danach eine Minute<br />
in Ethanol (96%), fünf Minuten (drei Minuten bei diesjährigen Trieben) in<br />
Natriumhypochlorit mit ca. 4% aktivem Chlor und schließlich nochmals dreißig<br />
Sekunden in Ethanol (96%) getaucht und in sterilem Aqua dest. gespült (Abb. 3).<br />
Anschließend wurden unter sterilen Bedingungen aus der Mitte der Probestücke<br />
mittels abgeflammter Astschere bzw. abgeflammten Skalpells 2-3 mm dicke<br />
Scheiben herausgeschnitten und auf ein mit Streptomycinsulfat ( 1 00 mg/1) angereichertes<br />
2%iges Malzagarmedium in Petrischalen ( 90 mm) gelegt. Bei den<br />
Hauptästen wurde die Rinde vom Holz gelöst und die Stücke getrennt aufgelegt.
176<br />
Die Petrischalen wurden im Labor bei Zimmertemperatur aufgestellt und regelmäßig<br />
kontrolliert. Fruktifizierende lsolate wurden sofort bestimmt. Um die Fruktifikation<br />
nichtfruktifizierender lsolate zu stimulieren, setzte man diese unterschiedlichen<br />
Temperaturverhältnissen und einer UV-Bestrahlung (8 Std ./Tag) aus.<br />
,, I .I<br />
1 min 5 min 30 sec Spi.ileo in<br />
-+ -+ + + stetilem<br />
Elhanol l< aOCI Elhanol<br />
(96�) (4�) (95�) AQua desl.<br />
0 \<br />
'<br />
• \<br />
Zcr!eg�n unler slcrilen Bedingunge n<br />
Abbildung 3: Arbeitsablauf zur Oberflächensterilisation der Probestücke {nach<br />
Rack u. Butin, 1984, abgeändert) .<br />
Figure 3: Sequence of Operations during surface Sterilisa tion of the samples<br />
(according to Rack u. Butin, modifie d) .<br />
3.3 Bestimmung der Pilze<br />
Während Pilze, die in Kultur ihr Teleamorph ausbilden, noch relativ einfach bis zur<br />
Gattung bzw. Art bestimmt werden können, gestaltet sich die Bestimmung von<br />
Anamorphen und Deuteromyceten zumeist schwierig (Halmschlager, 1991 ) . So<br />
zeigen manche Hypho- oder Coelomyceten in Kultur eine größere Variationsbreite<br />
in Form und Größe ihrer Konidiomata, Konidiophoren und Konidien als in ihrem<br />
natürlichen Substrat (Petrini, 1986; Vajna, 1986). Zudem sind Bestimmungsschlüssel<br />
nach Kulturmerkmalen für Endophyten bis auf einige Ausnahmen (Rack<br />
u. Butin, 1984), die sich allerdings auf nur wenige Pilzarten beschränken, nicht<br />
existent.<br />
Die Bestimmung fruktifizierender lsolate erfolgte bis zur Gattung nach dem<br />
Schlüssel von v. Arx (1970). Für die Artbestimmung wurden die Arbeiten von<br />
Grove (1967), Ellis (1971; 1976), Domsch et al. (1980), Sutton (1980), Dennis<br />
(1981), Breitenbach u. Kränzlin (1984), Sivanesan (1 984) und Ellis u. Ellis (1987)<br />
sowie Monographien und Einzelpublikationen zur Systematik herangezogen.<br />
il
177<br />
Die mikroskopische Untersuchung der lsolate erfolgte an Quetschpräparaten in<br />
Wasser oder Milchsäure, für Anfärbungen wurde Lactophenolblau verwendet.<br />
4 ERGEBNISSE<br />
4.1 Befallsrate<br />
Probestücke, aus denen zumindest ein Pilz isoliert werden konnte, gelten als<br />
befallen. Um den Befall der einzelnen Untersuchungen vergleichen zu können,<br />
wurde der Begriff der prozentuellen Infektionshäufigkeit (H) eingeführt, der folgendermaßen<br />
definiert ist:<br />
Anzahl befallener Proben<br />
H (%) X 100<br />
Anzahl untersuchter Proben<br />
Die Infektionshäufigkeit der einzelnen Bereiche: ..<br />
* Hauptäste: Aus dem abgestorbenen Teil der Aste ließen sich sowohl aus der<br />
Rinde als auch aus dem Holz in fast allen Fällen Pilze isolieren. Beim lebenden<br />
Teil ergaben sich deutliche Unterschiede der Befallsrate an den einzelnen Stellen<br />
zwischen Rinde und Holz. Bei Rinde lag sie zwischen 80 und 100%, bei<br />
Holz zwischen 10 und 30% (Abb. 4).<br />
* Seitenzweige: Seitenzweige, bei denen keine Trennung der Rinde vom Holz<br />
erfolgte, wiesen, unabhängig davon, ob es sich um symptomlose, absterbende<br />
oder tote Zweige handelte, einen 1 OO%igen Befall auf.<br />
* Abgestorbene diesjährige Triebe: Von den 30 untersuchten Trieben konnte aus<br />
29 Proben zumindest ein Pilz isoliert werden.<br />
4.2 Systematische Stellung der isolierten Pilze<br />
Von den erkrankten bzw. abgestorbenen Trieben, Zweigen und Ästen konnten<br />
insgesamt 36 verschiedene Mikropilze isoliert werden. Drei Taxa zeigten trotz aller<br />
Bemühungen keinerlei Sporulation. Ein Stamm davon konnte an Hand von Mycelmerkmalen<br />
bestimmt werden. Die beiden anderen sind in den Artenlisten unter<br />
"nicht spor." (=nicht sporulierend) aufgelistet. Eine Bestimmung war in diesen<br />
Fällen nicht möglich.<br />
Die überwiegende Zahl der fruktifizierenden Arten sind Vertreter der Ascomyceten<br />
bzw. deren Anamorphe oder Deuteromyceten, wobei die Anzahl der nur asexuell<br />
sporulierenden Formen überwiegt. Unter den Deuteromyceten befinden sich fast<br />
dreimal so viele Hyphomyceten als Coelomyceten. Von den Basidiomyceten<br />
konnte nur ein Stamm isoliert werden (Tab. 2).
Rinde<br />
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178<br />
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179<br />
Ta belle 2: Verteilung der aus absterbenden Ästen isolierten Stämme auf die einzelnen<br />
Pilzklassen.<br />
Ta ble 2: Classification of the isola tes of dying branches according to individual<br />
fungal classes�<br />
4.3 Artenspektrum<br />
4.3.1 Artenspektrum der Hauptäste<br />
Pilzarten Isolierte Stämme<br />
ASCOMYCETEN 9 (26 %)<br />
DEUTEROMYCETEN<br />
Coelomyceten 7 (21%)<br />
Hyphomyceten 17 {50%)<br />
BASIDIOMYCETEN (3%l<br />
SUMME 34 (100%1<br />
ln Tabelle 2 sind alle Pilzarten bzw. Gattungsvertreter sowie die Häufigkeit des<br />
Auftretens in den verschiedenen Bereichen, getrennt nach Rinde, Holz und<br />
Gesamtbefall, aufgelistet. Die Zuordnung zu den einzelnen Bereichen wurde nach<br />
dem in Abbildung 2 dargestellten Muster wie fo lgt vorgenommen:<br />
* lebender Bereich: lsolate der Stellen 15, 25, 35, 45 cm im lebenden Bereich.<br />
* Übergangsbereich: lsolate des Übergangs lebendes/abgestorbenes Phloem<br />
sowie der Stellen 5 cm im lebenden und 5 cm im abgestorbenen Bereich.<br />
* abgestorbener Bereich: lsolate der Stellen 15, 25, 35, 45 cm im abgestorbenen<br />
Bereich.<br />
4.3.2 Artenspektrum der Seitenzweige<br />
Das Artenspektrum der Seitenzweige und die Häufigkeit des Auftretens in Abhängigkeit<br />
vom Zustand der Seitenzweige ist in Tabelle 4 dargestellt.<br />
4.3.3 Isolierungen von Pilzen aus abgestorbenen diesjährigen Trieben<br />
Wie aus Tabelle 5 ersichtlich, erwies sich Siro coccus strobilin us mit 70% als<br />
weitaus häufigster Pilz. Dieser, in der jüngeren phytopathologischen Literatur<br />
vorwiegend als Erreger eines Triebsterbens an jungen Fichten in Baumschulen<br />
bekannt, löst hier offenbar ein Absterben diesjähriger Triebe an Fichten aller<br />
Altersklassen aus.
180<br />
Tabelle 3: Häufigkeit (in %) der verschiedenen Pilzarten in den einzelnen Bereichen<br />
der Hauptäste.<br />
") T=Teleomorph, A=Anamorph (Name des Anamorph jeweils in Klammern unter dem<br />
des Teleamorph angegeben); K=anhand von Kulturmerkmalen bestimmt<br />
Ta ble 3: Frequency (in %) ot various kinds ot tungi in th e in dividual isola tion<br />
sections of the main branches.<br />
*J ln culture: T= teleomorph, A =anamorph (belo w the teleamorph the name of the<br />
corresponding anamorph is given in bracketsJ; K = determined by cultural features<br />
R =Rinde/bark, H = Holz/wood, G =gesamt/total<br />
Spezies oder Genus ") in<br />
Kultur<br />
ASCOMYCETEN:<br />
Desmazarie/la acicola Lib.<br />
( Verticicladium trifidum Preuss) A<br />
Mollisia cinerea<br />
(Bartsch ex Merat) Karst. K<br />
Mollisia sp. K/T<br />
Pezicula livida (Berk et Br.) Rehm<br />
(Cryptosporiopsis abietina Petrak) A<br />
Sordaria fimicola<br />
(Rob.) Ces. & de Not. T<br />
Xylaria sp. 1 A<br />
Xylaria sp. 2 A<br />
Xylaria sp. 3 A<br />
DEUTEROMYCETEN: Coelomyceten<br />
Diplodia sp.<br />
Comiculariella abietis Karst.<br />
Gelatinosporium sp.<br />
Macrophoma excefsa (Karst.)<br />
Berl. et Vogel<br />
Sclerophoma pith yophila (Corda)<br />
v. Höhn.<br />
Sirococcus sp.<br />
Hyphomyceten<br />
Acremonium sp.<br />
Geniculosporium sp. 1<br />
Geniculosporium sp. 2<br />
Nodulisporium sp. 1<br />
Penici/lium sp.<br />
Periconiella sp.<br />
Phialocephala sp.<br />
Vertici/lium sp.<br />
Trichoderma viride Pers. ex Gray<br />
Hefe sp. 1<br />
Hefe sp. 2<br />
Hefe sp. 3<br />
Hefe sp. 4<br />
BASIDIOMYCETEN<br />
Thanatephorus cucumeris (Frank) Donk<br />
(Rhizoctonia solani Kühn) A<br />
nicht spor. P. 1<br />
BAKTERIEN<br />
Lebender Bereich<br />
R H G<br />
13 3 8<br />
23 11<br />
20 10<br />
3 2<br />
8 4<br />
10 3 6<br />
13 6<br />
3 2<br />
5 3<br />
40 13 26<br />
3 2<br />
3 2<br />
3 2<br />
5 3<br />
Übergangsbereich Abgest. Bereich<br />
R H G R H G<br />
3 2 3<br />
10 5 10 13 11<br />
20 7 13 30 25 28<br />
23 20 22 20 20 20<br />
2 1<br />
10 2 6 5 3 4<br />
3 2<br />
5 2 3<br />
2 1<br />
5 3 4<br />
3 2<br />
3 10 7 5 3<br />
3 2<br />
15 2 B 3 2<br />
2 1<br />
10 3 7 15 5 10<br />
5 2 3<br />
3 3 3<br />
2 1<br />
18 2 10 3 5 4<br />
2 1<br />
2 1<br />
10 8 9 13 6<br />
2 1 3 5 4<br />
3 2 5 3<br />
2 2 2 3 2<br />
2 1 10 20 15
181<br />
Tabelle 4: Die Häufigkeit von Pilzarten (resp. Gattungsvertreter) an den Seitenästen<br />
unterschiedlichen Zustandes (symptomlose, absterbende und tote<br />
Zweige).<br />
*} T=Teleomorph, A=Anamorph (Name des Anamorph jeweils in Klammern unter dem<br />
des Teleamorph angegeben); K = anhand von Kulturmerkmalen bestimmt<br />
Table 4: Frequency of Fungi species (respectively genus} isolated from twigs with<br />
differen t conditions {twigs without symp toms, dying and dead twigs).<br />
"J ln culture: T = teleomorph, A = anamorph (belo w the teleamorph the name of the<br />
corresponding anamorph is given in bracketsJ; K = determined by cultural features<br />
SPECIES oder GENUS<br />
ASCOMYCETEN<br />
Coniochaeta /igniaria (Grev.) Massee<br />
Desmazeriella acicola Lib.<br />
( Verticicladium trifidum Preuss)<br />
Mollisia cinerea (Bartsch ex Merat) Karst.<br />
Mollisia sp.<br />
Pezicula livida (Berk et Br.) Rehm<br />
I Cryptosporiopsis abfetina Petraki<br />
Sordaria fimicola (Rob.) Ces. & de Not.<br />
Xylaria sp.1<br />
Xylaria sp. 2<br />
Xylaria sp. 3<br />
DEUTEROMYCETEN: Coelomyceten<br />
Cornicu/arie/la abietis Karst.<br />
Sclerophoma pithyophila (Corda) v. Höhn.<br />
Sirococcus strobilin us Preuss<br />
Sirococcus sp.<br />
Hyphomyceten<br />
Alternarie alternata (Fr.) Keissler<br />
Epicoccum purpuraseans<br />
Ehrenb. ex Schlecht<br />
Geniculosporium sp. 1<br />
Geniculosporium sp. 2<br />
Nodulisporium sp. 1<br />
Nodulisp orium sp. 2<br />
Periconia bysidoides Pers. ex Merat<br />
Periconiella sp.<br />
Phialocephala sp.<br />
Hefe sp. 1<br />
Hefe sp. 2<br />
Hefe sp. 3<br />
Hefe sp. 4<br />
BASIDIOMYCETEN<br />
Th anatephorus cucumeris (Frank) Donk<br />
(Rhizoctonia solani Kühn)<br />
nicht spor. P. 1<br />
") in<br />
Kultur<br />
T<br />
A<br />
K<br />
K/T<br />
A<br />
T<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
VORKOMMEN an:<br />
symptomlosen absterbenden toten<br />
Zweigen (%) Zweigen (%) Zweigen (%)<br />
3<br />
3<br />
7<br />
7<br />
3<br />
23<br />
17<br />
3<br />
3<br />
10<br />
3<br />
3<br />
3<br />
10<br />
20<br />
3<br />
3<br />
1<br />
6<br />
7<br />
9<br />
1<br />
23<br />
2<br />
1<br />
1<br />
1<br />
2<br />
27<br />
20<br />
3<br />
1<br />
2<br />
2<br />
2<br />
8<br />
14<br />
2<br />
3<br />
4<br />
3<br />
11<br />
14<br />
14<br />
10<br />
6<br />
9<br />
1<br />
7<br />
11<br />
1<br />
4<br />
1<br />
20<br />
11
182<br />
Tabeile 5: Isolierte Pilzarten und ihre Häufigkeit.<br />
Table 5: lsolated fungi and their frequency of occurrence.<br />
A=anamorph<br />
Pilzarten in Kultur Vorkommen<br />
bzw. in culture %<br />
Gattungsvertreter<br />
ASCOMYCETEN<br />
Xylaria sp. 1 A 7<br />
DEUTEROMYCETEN<br />
Coelomyceten:<br />
Sirococcus strobilinus Preuss A 70<br />
Sirococcus sp. A 3<br />
Hyphomyceten:<br />
Epicoccum purpuraseans Ehrenb. ex Schlecht A 10<br />
Geniculosporium sp. 1 A 7<br />
4.3.4 Fruchtkörper am Probenmaterial<br />
Bei der Durchsicht des Probenmaterials konnte auf den Knospen eines Baumes ein<br />
massives Auftreten von Fruchtkörpern des Pilzes Gemmamyces piceae beobachtet<br />
werden. Dieser Pilz verursacht ein Absterben der Knospen und als Folge<br />
davon Verzweigungsanomalien. Fruchtkörper am abgestorbenen Material wurden<br />
nicht berücksichtigt.<br />
4.3.5 Verteilung der häufigsten Pilze<br />
An den Hauptästen traten Geniculosporium sp. 1, Macrophoma excelsa, Molfisia<br />
cinerea, Mollisia sp., Pezicula /ivida, Phia/ocephala sp. und Siro coccus sp. am<br />
häufigsten auf.<br />
An den Seitenästen erwies sich Xylaria sp. 1 neben Geniculosporium sp. 1, Molfisia<br />
cinerea, Mollisia sp., Pezicula livida, Phialocepha/a sp. und Siro coccus sp. als<br />
häufigster Pilz.<br />
Phialocephala sp. konnte mit Abstand am häufigsten aus dem lebenden Bereich<br />
der Hauptäste isoliert werden (40% aus Rinde, 13% aus Holz). Sein Anteil im<br />
abgestorbenen Bereich beträgt hingegen nur rund 4%. Er kann daher als obligater<br />
Endophyt angesehen werden. ..<br />
Sirococcus sp. wurde an den Hauptästen vorwiegend aus der Rinde des Ubergangsbereiches<br />
(15 %) und der Rinde des lebenden Bereiches (1 0%) isoliert. An<br />
den Seitenzweigen trat dieser Pilz nach Xylaria sp. 1 am zweithäufigsten auf. So<br />
konnte er aus 17% der lebenden Zweige, aus 27% der absterbenden Zweige und<br />
aus 9% der toten Zweige isoliert werden.
183<br />
Mollisia cinerea war an den Hauptästen im lebenden Bereich und im Übergangsbereich<br />
vorwiegend in der Rinde, im abgestorbenen Bereich gleich häufig in Rinde<br />
und Holz zu finden.<br />
Mo!lisia sp. trat an den Hauptästen in allen drei Bereichen der Rinde auf, wobei<br />
eine geringe Zunahme im abgestorbenen Bereich (30%) gegenüber _den anderen<br />
Bereichen (rund 20%) zu bemerken war. Im Holz konnte er nur im Ubergangsbereich<br />
(7%) und verstärkt im abgestorbenen Bereich (25%) nachgewiesen werden.<br />
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Seitenzweigen. Der Anteil dieses Pilzes betrug<br />
bei den toten Zweigen 14%, bei den anderen 7%.<br />
Ähnliche Verteilungsmuster, wie für MOI!isia sp. oben angeführt, ergaben sich<br />
auch für Geniculosporium sp. 1 und Peziculajivida. Beide konnten an Hauptästen<br />
im lebenden Bereich nur aus der Rinde, im Ubergangsbereich bzw. im abgestorbenen<br />
Teil sowohl aus der Rinde als auch aus dem Holz isoliert werden. Bemerkenswert<br />
ist das häufige Auftreten von Geniculosporium sp. 1 an absterbenden<br />
Zweigen (20%} gegenüber dem an lebenden bzw. toten Zweigen (rund 1 0%).<br />
Pezicula livida, die in der Kultur ihre Nebenfruchtform Cryp tosporiopsis abietina<br />
ausbildete, war an den Hauptästen im lebenden Bereich zu 20% in der Rinde, im<br />
Übergangsbereich und im abgestorbenen Bereich zu je rund 20% in Rinde und<br />
Holz vertreten.<br />
Macrophoma excelsa konnte nur an Hauptästen aus dem Übergangsbereich, wo<br />
dieser Pilz vermehrt im Holz (1 0%) auftritt, und aus dem abgestorbenen Bereich<br />
isoliert werden.<br />
Sclerophoma pithyophila trat zu einem geringen Prozentsatz im abgestorbenen<br />
Bereich der Hauptäste und an absterbenden und toten Zweigen auf.<br />
Xylaria sp. 1 war, wie schon vorher erwähnt, der häufigste Besiedler von Zweigen.<br />
Der Pilz konnte aus 23% der lebenden und absterbenden und aus 10% der<br />
toten Zweige isoliert werden. An .. den Hauptästen konnte Xylaria sp. 1 nur :zu<br />
einem geringen Prozentsatz im Ubergangsbereich und im abgestorbenen Teil<br />
beobachtet werden.<br />
Neben Xylaria sp. 1 konnten noch zwei weitere Arten dieser Gattung isoliert werden.<br />
Ihr Anteil war jedoch sehr gering. Auch ist es sehr wahrscheinlich, daß<br />
einige der isolierten Genieufosparia und Nodulisp oria Anamorphe von Xylariaceae<br />
sind .<br />
Neben den oben angeführten Pilzen konnten an den absterbenden Ästen noch<br />
verschiedene Stämme von Hefepilzen vermehrt beobachtet werden. Sie besiedelten<br />
alle Bereiche mit Ausnahme des Holzes lebender Teile der Hauptäste.<br />
5 DISKUSSION<br />
Wie Untersuchungen zeigten, können viele Pilze auch über einen längeren Zeitraum<br />
hinweg als Endophyten im Wirtsbaum leben, ohne sichtbare Symptome zu<br />
verursachen (Petrini et al., 1979}. Kommt es jedoch aufgrund abiotischer oder<br />
biotischer Ursachen zur Schwächung der Wirtspflanze, kann es bei manchen<br />
Endophyten zur Umwandlung von der kommensalen Symbiose zur parasitischen<br />
Lebensweise kommen (luginbühl u. Müller, 1980; Sieber u. Hugenthobler, 1987).
184<br />
Ein Vertreter dieser Gruppe ist Sirococcus strobilinus. Wie die Untersuchung<br />
zeigte, kann dieser Pilz als Auslöser des Absterbens diesjähriger Triebe im Revier<br />
Sonnenwald betrachtet werden. in den letzten Jahren ist in verschiedenen Teilen<br />
Österreichs ein vermehrtes pathogenes Auftreten von S. strobilin us an Fichte,<br />
vorwiegend in Jungwuchs und Dickungen, zu beobachten. Gründe dafür sind keine<br />
bekannt. Dieser Pilz wurde erstmals 1890 von Hartig als Sep toria parasitica<br />
beschrieben, wobei der Autor angibt, daß diese Art vorwiegend in Baumschulen<br />
und Kulturen an Picea abies und Picea sitchensis auftritt. ln den darauffolgenden<br />
Dezennien berichteten Hartig ( 1 893) und Rudolf ( 1 898; 1912) von einer Kalamität<br />
dieses Schaderregers in ganz Deutschland. Betroffen waren Fichten aller Altersklassen.<br />
Es war auch ein Absterben der Wipfel zu beobachten. Mehrjähriger intensiver<br />
Befall verursachte ein nesterweises Absterben der Bäume und in der Folge<br />
große Bestandeslücken. Baudisch ( 1903) berichtete vom Auftreten dieses Pilzes<br />
im nordwestlichen Mähren in Fichtendickungen und Fichtenstangenorten. Im Gebiet<br />
des Dobratsch in Kärnten trat um 1940 ein Trieb- und Wipfelsterben an Fichtenaltbeständen<br />
auf, das durch S. strobilinus verursacht wurde (Steiner, 1940). ln<br />
der jüngeren Literatur wird S. strobilinus als Krankheitsereger, der vorwiegend<br />
Sämlinge und Jungpflanzen einiger Picea- und Pinusarten befällt, gesehen.<br />
(Schneider u. Paetzholdt, 1964; lllingworth, 1973; Redfern, 1973; Sutherland et<br />
al., 1981; Butin, 1989).<br />
Der vorliegende Krankheitsverlauf entspricht weitgehend den in der Literatur<br />
bereits beschriebenen (Hartig, 1890; 1893; Rudolf, 1898; 1912; Steiner, 1940).<br />
Der Beginn der Erkrankung äußert sich in einer bräunlichen Verfärbung der Nadeln<br />
in der Mitte oder am Grund der diesjährigen Triebe. Anschließend kommt es zur<br />
Krümmung der Triebspitze, die dann schlaff nach unten hängt. Mit fortschreitender<br />
Erkrankung trocknen die Triebe ein und verlieren ihre Nadeln. Lediglich an der<br />
nach unten gebogenen zusammengeschrumpften Triebspitze bleiben die toten<br />
Nadeln noch längere Zeit haften. An den abgestorbenen Trieben und den Nadeln<br />
der Triebspitze entwickeln sich im Laufe des Sommers bzw. im nächsten Frühjahr<br />
dunkelbraune Fruchtkörper, aus denen bei feuchtem Wetter die Sporen in Form<br />
weißer Tröpfchen oder Ranken nach außen treten. Die Sporen sind zweizellig,<br />
farblos, spindeiförmig und durchschnittlich 12 x 3 J1 groß. Im Anfangstadium<br />
erinnern die Symptome an Frostschäden, jedoch kommt es bei Spätfrösten zum<br />
völligen Absterben der Maitriebe, wodurch diese dann ihrer ganzen Länge nach<br />
schlaff nach unten hängen. Außerdem treten Frostschädigungen vorwiegend an<br />
exponierten Lagen und an vielen Trieben gleichzeitig auf. Die Befallssymptome<br />
von S. strobilinus beginnen an einzelnen Zweigen und Ästen und breiten sich<br />
dann auf die ganze Krone aus. Der Pilz kann in die Spitze des vorjährigen Triebes<br />
einwachsen und diesen Teil des Zweiges ebenfalls zum Absterben bringen. Der<br />
Baum versucht diesen Verlust an Grünmasse durch Anlage von Adventivtrieben<br />
an der Basis der Seitenäste zu kompensieren. Bei hohem Infektionsdruck wird<br />
auch der neugebildete Adventivtrieb befallen und zum Absterben gebracht. Mehrjähriger<br />
intensiver Befall kann daher zum Absterben von Zweigen und Astteilen<br />
führen. Untersuchungen zeigten, daß rund 80% der Nettophotosyntheseleistung
185<br />
von diesjährigen bzw. ein- und zweijährigen Nadeln erbracht wird (Ciark, 1961)<br />
(Abb. 5). Es ist daher anzunehmen, daß ein langjähriger intensiver Befall dieses<br />
Krankheitserregers eine starke physiologische Schwächung bis hin zum Absterben<br />
des Baumes zur Folge haben kann.<br />
35<br />
34<br />
32<br />
30<br />
28<br />
26<br />
24<br />
22<br />
20<br />
\8<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
0<br />
Mai Juni Juli August September Oktober<br />
Abbildung 5: Geschätzte Beiträge der einzelnen Nadeljahrgänge einer Fichte zur<br />
Photosynthese (nach Clark, 1961 ).<br />
Fig ure 5: Estimated contributions of the spruce needles of the corresponding<br />
annua/ shoots to photosynthesis (according to Clark, 1961}.<br />
Einen Hinweis auf die Virulenz dieses Krankheitserregers geben die zahlreichen<br />
positiven Infektionsversuche an verschiedenen Koniferenarten (Hartig, 1890;<br />
1893; Steiner, 1940; Funk, 1972; O'Brien, 1973; Redfern, 1973; Smith, 1973;<br />
Magasi et al., 1975; Wall u. Magasi, 1976). So berichtet z.B. Hartig (1B93), daß<br />
schon ein "Aussäen" von Konidien auf diesjährige Triebe eine Infektion bewirkt.<br />
Außer Picea abies und Picea sitchensis erwiesen sich Picea pungens und Pinus<br />
contorta als besonders anfällig (Schneider u. Paethholdt, 1964; l!lingworth, 1973;<br />
Red fern, 1973; Sutherland et al., 1981; Butin, 1989). Untersuchungen an Pin us<br />
con torta (lllingworth, 1973) zeigten, daß zwischen den einzelnen Provenienzen<br />
große Unterschiede in der Anfälligkeit bestehen. Schneider u. Paetzholdt (1964)<br />
berichten über Beobachtungen von Ruzicka (1938), die den Schluß zulassen, daß<br />
dies auch auf Picea abies zutrifft.
186<br />
Weiters zeigte sich ein gehäuftes Auftreten von aus der Literatur bekannten<br />
Schwächeparasiten. Bemerkenswert ist vor allem die hohe Infektionsrate der<br />
lebenden Rinde im Bereich der Hauptäste durch normalerweise saprophytisch<br />
lebende Arten wie Pezicula livida, Mollisia cinerea oder Phialocephala sp ..<br />
Pezicula livida gehört mit seiner Nebenfruchtform Cryptosporiopsis abietin a zu<br />
den häufigsten Pilzarten, die sich auf absterbenden oder toten Fichtenästen entwickeln<br />
(Butin u. Kowalski, 1990). Auch in der vorliegenden Unters uchung konnte<br />
P. livida am häufigsten aus den absterbenden Ästen und Zweigen isoliert werden.<br />
Bemerkenswert ist vor allem, daß sie Hauptästen im lebenden Bereich nur in<br />
der Rinde, im Ü bergangsbereich, aber schon fast ebensooft in Rinde und Holz auftritt.<br />
Dies zeigt, daß der Pilz das Holzgewebe schon im absterbenden Bereich<br />
besiedeln kann. Auch konnten zwei verschiedene Stämme dieses Pilzes beobachtet<br />
werden. Der eine bildet ein weißlich bis blaßbraunes, am Rand der Kultur ins<br />
Grünliche gehende, wolliges Luftmycel aus und fruktifiziert reichlich in 2-3 mm<br />
großen Perithezien. Der andere bildet ein dunkelgrau bis braunes wolliges Luftmycel<br />
und fruktifiziert in sehr kleinen und wenigen Fruchtkörpern eher spärlich. An<br />
Hand der lichtmikroskopischen Untersuchungen konnte in der Sporengröße und<br />
der Sporenform kein Unterschied festgestellt werden. Deutliche Unterschiede im<br />
Auftreten ergaben sich nur im abgestorbenen Bereich der Äste, wo der Stamm<br />
mit dem dunkelgrau bis braunen Mycel aus 20%, der andere nur aus 7% der Proben<br />
isoliert werden konnte. Inwieweit Unterschiede in der Virulenz gegeben sind,<br />
müßte durch Infektionsversuche geklärt werden. Ob die lmmissionsbelastung, wie<br />
sie im Untersuchungsgebiet vorliegt, auch die Anfälligkeit der Bäume beeinflußt,<br />
wie es Kowalski ( 1982) vermutet, müßte ebenfalls an Hand von Laboruntersuchungen<br />
geklärt werden. Das vorliegende Ergebnis kann als Unterstützung dieser<br />
Vermutung gewertet werden.<br />
Mollisia cinerea ist ebenfalls ein weitverbreiteter Pilz mit sowohl endophytischer<br />
als auch saprophytischer Lebensweise. Butin u. Kowalski ( 1990) konnten M. cinerea<br />
ebenfalls aus der Rinde lebender bzw. aus Rinde und Holz abgestorbener Fichtenzweige<br />
isolieren. Im Unterschied zu P. livida kann dieser Pilz jedoch absterbendes<br />
Holzgewebe nicht so schnell erschließen.<br />
Phialocepha!a sp. trat am häufigsten in Rinde und Holz des lebenden Bereiches<br />
der Hauptäste bzw. an lebenden Seitenästen auf. Butin u. Kowalski (1983 a; bl<br />
konnten diesen Pilz als häufigsten Besiedler von Holz abgestorbener Buchen- und<br />
Eichenäste nachweisen. Laboruntersuchungen der o.a. Autoren ergaben, daß der<br />
Pilz sterilisierte Buchenholzklötzchen relativ rasch durchwachsen kann, wobei<br />
hauptsächlich das Lignin angegriffen wird. Ein Hinweis auf die starke enzymatische<br />
Tätigkeit ergibt sich aus dem Bavendamm-Test, bei dem sich eine starke<br />
Verfärbung des Testmediums zeigte. Warum dieser als Saprophyt bekannte Pilz<br />
hier überwiegend lebendes Pflanzengewebe besiedelt und welche physiologischen<br />
Auswirkungen dies für den Baum hat - z.B. leichtere Erschließbarkeit für andere
187<br />
Pilze bei vorangegangenem Ligninabbau - müßte durch näherere Untersuchungen<br />
geklärt werden.<br />
Bei Sirococcus sp., den ich vorwiegend aus absterbenden Zweigen und aus dem<br />
Übergangsbereich lebendes/totes Phloem der Hauptäste isolieren konnte, dürfte<br />
es sich um Siro coccus myrtilli (Feltg.) Petr. handeln. Butin (1986) und Mack<br />
(1989) konnten diesen Pilz als Endophyten in Fichtennadeln nachweisen. Nähere<br />
Untersuchungen (Butin, 1986) ergaben, daß S. myrtilli die Fichte nur als Nebenwirt<br />
besiedelt und auf Vaccinium myrtillus aber auch auf Ca/luna vulgaris fruktifiziert.<br />
Derselbe Autor ordnet diesen Pilz als Anamorph der Ascomycetengattung<br />
Godronia Moug. u. Lev. zu.<br />
Auffallend ist auch das massive Auftreten von Xylaria sp. 1 an den Zweigen. Die<br />
Xylariaceae sind einerseits als Endophyten, andererseits als Saprophyten auf<br />
abgestorbenem, z.T. am Boden liegendem Holz, wo sie auch ihr Teleamorphstadium<br />
ausbilden, bekannt. Als Endophyten scheinen sie ein breites Wirtsspektrum<br />
zu besitzen. So konnten Vertreter dieser Gattung z.B. aus Nadeln verschiedener<br />
Koniferen {Carroll et al., 1977; Mack, 1989) und aus Blättern und Knospen von<br />
Quercus petraea (Halmschlager, 1991) isoliert werden. Jedoch ist mir keine<br />
Untersuchung bekannt, in welcher ein so massives Auftreten von Xylariaceae an<br />
lebenden bzw. absterbenden Fichtenzweigen beobachtet werden konnte. Ihre<br />
Fähigkeit, Zellulose und Lignin abzubauen, läßt die Vermutung zu, daß die<br />
Xylariaceae an Abbauvorgängen innerhalb des lebenden pflanzlichen Gewebes<br />
und damit an Prozessen der Alterung bzw. des Blatt- oder Nadelfalles beteiligt<br />
sind (Petrini, 1984).<br />
Macrophoma excelsa ist insofern von Bedeutung, da dieser Pilz hauptsächlich aus<br />
dem Ü bergangsbereich abgestorbenes/totes Phloem isoliert werden konnte. Bei<br />
diesem Pilz sind die Virulenz und die Taxonomie noch nicht eindeutig geklärt. Es<br />
wäre aber denkbar, daß dieser Pilz am Absterbeprozeß beteiligt ist.<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß als Ursache des Absterbens von<br />
Zweigen und Ästen ein Faktorenkomplex anzusehen ist, in dem Pilzinfektionen<br />
v.a. durch Siro coccus strobilinus eine entscheidende Rolle bei der Symptomausprägung<br />
spielen.<br />
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190<br />
ANHANG<br />
Siro coccus - Triebsterben<br />
Ast mit Symptomen des Zweig- und Aststerbens
191<br />
HERANZIEHUNG VON BAUMMERKMALEN ZUR ABSCHÄTZUNG DER<br />
BEFAllSDISPOSITION DER FICHTE <strong>FÜR</strong> RINDENBRÜTENDE BORKENKÄFER<br />
APPLICA T/ON OF TREE CHA RA CTERISTICS <strong>FOR</strong> INDICA TION<br />
OF THE SUSCEPT/8/LITY OF NORWA Y SPRUCE TO A TTA CK OF<br />
PHL OEM FEEDING BA RK BEETLES<br />
* ** ***<br />
Peter BAIER , Silvia K!KUTA und Heim: liCK<br />
*<br />
Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz<br />
**<br />
Institut für Botanik<br />
***<br />
Institut für Waldökologie<br />
Universität für Bodenku ltur Wien, Gregor Mendei-Straße 33, A - 1180 Wien<br />
SUMMARY<br />
The defense reaction of 1 05 Norway spruce of different vigour to artificial attacks of lps<br />
typographus (L.) were analyzed in three different areas (Schöneben, Glein, Wieselburg). Characters<br />
of the defence reaction were related to biometric and growth parameters, anatomical and<br />
biochemical quality of the bark and water status of the tree. The structural properties of the<br />
periderm, which were correlated with anatomical changes of the resin duct system, were<br />
important for the potential capability to resist bark beetles. The defence reaction was not<br />
significantly correlated with stress symptoms. Only extrem weakned trees showed a decrease of<br />
resistance. ln early summer the attack rate of the beetles was less and the rate of defense by<br />
primary resin flow was !arger because the amount of starch in phloem was increased and the<br />
water status was better. Brood experiments in the Iabaratory with lps typographus on spruce Iogs<br />
showed, especially for trees from Glein and Wieselburg, a lower rate of reproduction on damaged<br />
trees. The tree-vigour-index proved to be a good indicator for the nutritional quality of the phloem.<br />
Cerrelations between amounts of starch and nitrogen in the phloem and the breeding success indicate<br />
specific demands of lps typographus on phloem quality. Seasonal changes of phloem quality<br />
resulted in differences in the rate of reproduction. Cerrelations within the tree parameters and the<br />
diversity of these parameters between the three aeras resulted in site specific advises for the<br />
susceptibility of Norway spruce.<br />
KEYWORDS: Norway spruce, Picea abies (Karst.), phloem feeder, Scolytidae, lps typographus (L.),<br />
susceptibility, hast resistance, forest decline, tree vigour, waterstatus, bark anatomy,<br />
host tree quality.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Zur Untersuchung der Befallsdisposition der Fichte wurden in drei Gebieten (Schöneben, Glein,<br />
Wieselburgl an 105 Fichten unterschiedlicher Vitalität lps typographus (L.l zwangsangesiedelt und<br />
die Abwehrreaktion analysiert. Die Charakteristik der Abwehr wurde in Beziehung gesetzt zu biometrisch-wachstumskundlichen,<br />
rindenanatomischen, -chemischen und wasserhaushaltsrelevanten<br />
Parametern. Als wesentliches Merkmal zur Indikation der potentiellen Abwehrfähigkeit kann die Art<br />
der Peridermbildung und die damit verbundenen Änderungen hinsichtlich des Harzkanalsystems<br />
herangezogen werden. Die Abwehr war von Streßsymptomen weitestgehend unbeeinflußt. Erst bei<br />
extremer Schwächung des Baumes war ein Versagen der Abwehr zu registrieren. Geringere Einbohraktivität<br />
und vermehrt passive Abwehr durch Harzfluß korrelierte mit erhöhtem Stärkegehalt<br />
und günstigerem Wasserstatus im Frühsommer. Bruttauglichkeitstests mit lps typographus an Fichtenstammstücken<br />
im Labor zeigten für Glein und Wieselburg eine Reduktion der Brutleistung an<br />
geschädigten Fichten, wobei der tree-vigour-lndex als Indikator für die Brutbaumqualität herangezogen<br />
werden kann. Zusammenhänge zwischen Stärke- bzw. Stickstoffgehalt im Bast und der<br />
Brutleistung zeigten spezifische Ansprüche von lp s typographus an die Bastqualität, wobei auch<br />
eine jahreszeitlich differenzierte Brutleistung festzustellen war. Anhand der Zusammenhänge der<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
ÖGWEB (Ös terr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung) ISBN 3-900865-06-X.
192<br />
Baumparameter untereinander und deren Diversität zwischen den Untersuchungsgebieten konnten<br />
gebietsspezifische Hinweise zur Indikation der Befallsdisposition der Fichte abgeleitet werden.<br />
STICHWÖRTER: Fichte, Picea abies (Karst.), Rindenbrüter, Scolytidae, lps typographus (L.),<br />
Befallsdisposition, Baumresistenz, Waldschäden, Baumvitalität, Wasserhaushalt,<br />
Rindenanatomie, Wirtsbaumqualität.<br />
1 EINLEITUNG<br />
Massenauftreten von Waldschädlingen werden im Allgemeinen mit vorangegangenen<br />
Streßsituationen und internen Belastungsfolgen der Wirtsbäume in Verbindung<br />
gebracht. Insbesondere für die rindenbrütenden Borkenkäferarten wird vermutet,<br />
daß diese sehr eng an spezifische physiologische Schwächungszustände<br />
des Wirtsbaumes gebunden sind und deren Massenauftreten zumeist eine Folge<br />
prädisponierender Streßbelastungen des Wirtsbaumes ist. Ein Baum gilt als<br />
befallsdisponiert, wenn der Befall zu einer erfolgreichen Entwicklung der Borkenkäferbrut<br />
führt. Auslösendes Moment für den Befall ist zweifellos die olfaktorische<br />
Primärattraktion der brutbereiten Käfer durch wirtsbaumbürtige, flüchtige Duftstoffe.<br />
Dafü r müssen aber seitens des Wirtsbaumes bestimmte Bedingungen<br />
erfüllt sein, die man mit dem Begriff Befallsdispositionsfähigkeit beschreibt<br />
(WIENER, 1988). Die Befallsdispositionsfähigkeit des Baumes als potentielle<br />
Befallsgefährd ung desselben, entscheidet darüber, ob bei Eintritt eines spezifischen<br />
Schadereignisses (Windwurf, Blitzschlag, Trockenstress etc.) der Baum in<br />
den Zustand der Befallsdisponiertheit übergeführt wird, und damit möglicherweise<br />
jene Handlungskette ausgelöst wird, die über die Primärattraktion zur Landung der<br />
Käfer, zur Ü berwindung der Abwehrmechanismen und letztendlich zum Bruterfolg<br />
führt. Als wesentliches Merkmal zur Beurteilung der Befallsdispositionsfähigkeit<br />
der Fichte wird die Charakteristik der Abwehr selbst bewertet (Wiener, 1988).<br />
Bei der Brutbaumbesiedelung sind die Borkenkäfer besonderen Abwehrmechanismen<br />
der Wirtspflanze ausgesetzt (passive Abwehr durch primären Harzfluß aus<br />
den Harzkanälen; aktive Abwehr durch Bildung von Wundreaktion, (d.h. sekundäre,<br />
stressmetabolische Harzbildung) (Kraemer, 1953; Berryman, 1969; Christiansen<br />
und Horntvedt, 1983; Hain et al., 1983). Das Auftreten "neuartiger<br />
Waldschäden" und der damit verbundene allgemeine Vitalitätsverfall der Fichte<br />
läßt mittelbare Effekte auf die Pflanzenfresser-Wirtsbaum-Beziehung erwarten<br />
(Baltensweiler, 1985; Führer, 1985; 1988). Die genauere Kenntnis relevanter<br />
pflanzlicher Eigenschaften (morphologische, anatomische, biochemischen<br />
Zustandsgrößen) und deren temporärer, regionaler und innerartlicher Divers ität<br />
und Variabilität, sowie deren Interaktion mit unterschiedlichen Belastungssituationen<br />
soll es ermöglichen, die epidemiologische Wertigkeit eines Baumes oder<br />
Baumbestandes zu diagnostizieren und mögliche Gefahrenmomente auf fundierter<br />
Basis zu prognostizieren. Für die Beurteilung der Befallsdispositionsfähigkeit der<br />
Fichte gegenüber lp s typographus (L.) ist neben der Feststellung der aktuellen<br />
Abwehrbereitschaft auch die epidemiologisch besonders bedeutsame ernährungsphysiologische<br />
Qualität des Fichtenbastes heranzuziehen. Letztere beinflußt die
193<br />
Mortalität und physiologische Kondition der Nachfolgegeneration und damit die<br />
Abundanz und Aggressiviät der Rindenbrüterpopulation.<br />
Die Untersuchungen von Wiener (1988) im Rahmen der FIW zur Indikation der<br />
Befallsdispositionsfähigkeit der Fichte gegenüber lp s typographus erhärteten die<br />
vermuteten Zusammenhänge zwischen immissionsbedingten Kronenschädigungen<br />
und der Abwehrreaktion stehender Fichten gegenüber lps typographus, wobei die<br />
kausalen Zusammenhänge zwischen Kronenzustand und Befallsdisposition der<br />
Fichte nur in Ansätzen geklärt werden konnten. Aufbauend auf den Arbeiten von<br />
Wiener (1988) sollen durch interdisziplinäre Zusammenarbeit die Zusammenhänge<br />
zwischen Kronenverlichtung und Befallsdisposition im Detail weiter verfolgt und<br />
durch begleitende Messung von Wasserhaushaltsparametern, sowie wachstumskundlicher,<br />
biometrischer, rindenanatomischer und biochemisch-physiologischer<br />
Parameter untermauert werden. Ziel ist es, relativ leicht erhebbare Baumkenngrössen<br />
zu erarbeiten, die eine Prognose der Befallsgefährung erlauben, um in weiterer<br />
Folge Empfehlungen für waldbauliche, waldhygienische und betriebliche Maßnahmen<br />
ableiten zu können.<br />
2 MATERIAL UND METHODE<br />
2.1 Untersuchungsgebiete, Untersuchungszeitpunkt und Auswahl der Versuchs<br />
· bäume<br />
Die Untersuchungen zur Befallsdisposition der Fichte erfolgten an insgesamt 105<br />
Altfichten in Schöneben (45 Bäume), Glein (40 Bäume) und Wieselburg (20<br />
Bäume), wobei für die Auswahl der Versuchsbäume neben sozialer Stellung<br />
(vorherrschend bis herrschend) die Baumdimension und standörtliche Bedingungen<br />
sowie der visuell anschätzbare Kronenzustand das wesentlichste Kriterium<br />
darstellte . Je Untersuchungsgebiet wurde die Hälfte der ausgewählten Bäume im<br />
Frühsommer (Juni-Juli) respektive im Spätsommer (August-September) bearbeitet.<br />
2.2 IPS-Test im Freiland und im Labor<br />
Am stehenden Baum wurden je 20 Brutpärchen (1 Männchen/1 Weibchen) von<br />
lp s typographus mittels Kapselzwinger zwangsangesiedelt. Fünf Ansatzringe mit<br />
je vier Kapselzwingern (Abstand der Ringe: 20 cm) wurden unter Berücksichtigung<br />
der Exposition in 5-6 m Stammhöhe montiert. Nach einer Woche wurden<br />
Ansätze ohne Einbohrerfolg mit frischen Käfern nachbesetzt, nach vierwöchiger<br />
Versuchsdauer wurden die Einbohrungen noch am stehenden Baum analysiert.<br />
Die Fällung und Beprobung der Versuchsbäume erfolgte jeweils etwa fünf<br />
Wochen nach Ansatz der Käfer.
194<br />
Für Bruttauglichkeitstests im Labor wurde nach der Fällung aus dem mittleren<br />
Kronendrittel ein 1,2 m langes Stammstück entnommen und im Labor mit 20 fps<br />
typographus-Pärchen besetzt. Die Brutstämme wurden vor Beginn des Jungkäferschlupfes<br />
in Photoeklektoren gegeben. Die Anzahl der schlüpfenden Jungkäfer<br />
wurde wöchentlich kontrolliert und deren Trockengewicht bestimmt. Nach Beendigung<br />
des Schlüpfens wurde die Ausbildung der Brutbilder analysiert.<br />
2.3 Erhobene Baumparameter<br />
Die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Waldwachstumsforschung und dem<br />
Institut für Botanik an den stehenden bzw. gefällten Bäumen erhobenen Parameter<br />
lassen sich zu folgenden Gruppen zusammenfassen:<br />
* visuelle Kronenzustandscharakteristik: Ansprachen nach Waldzustandsinventur<br />
und nach Wiener ( 1 988)<br />
* wachstumskundlich-biometrische Parameter: allgemeine Baumkenngrößen<br />
(Alter; Kronenlänge etc.); Gesamtnadeltrockenmasse und Benadelungsindizes;<br />
Kreisflächenzuwachs und tree-vigour-lndex<br />
* rindenanatomisch-strukturelle Parameter: Rinden-, Phloem- und Leitphloemdikke;<br />
Harzkanaldichte und -breite; Peridermtyp<br />
* wasserhaushaltsrelevante Parameter: osmotisches Potential der Nadeln; Emboliehäufigkeit<br />
und hydraulische Leitfähigkeit von Zweigen; Konditiometermessungen<br />
* pflanzenphysiologisch-biochemische Parameter: Gesamtstick-stoff- und Stärkegehalt<br />
3 ERGEBNISSE<br />
3.1 Ergebnisse des lps-Tests<br />
Die Einbohrerfolge der zwangsangesiedelten Käfer wurden nach folgenden Einbohrstufen<br />
klassifiziert:<br />
* Einbohrstufe X (XR): kein Einbohrversuch<br />
* Einbohrstufe 1 (ER): Käfer bohren oberflächlich in der toten Borke, eine Reaktion<br />
des Baumes ist nicht erkennbar<br />
* Einbohrstufe 2 (ZR): Käfer bohren bis in obere Schichten des lebenden Bastes<br />
und werden durch starken Harzfluß abgewehrt (passive Abwehr)<br />
* Einbohrstufe 3 (DR): Käfer bohren tief in den lebenden Bast; Bildung von Brutanlagen<br />
(Rammelkammer, Muttergang, Einischen) die in weiterer Folge durch<br />
Entstehung einer Wundreaktion gestoppt werden (aktive Abwehr) oder zu einer<br />
erfolgreichen Brutentwicklung führen
195<br />
Die Analyse der !PS-Test-Ergebnisse zeigte folgende prinzipiellen Zusammenhänge:<br />
* Die Anzahl der Einbohrungen in den lebenden Bast (Stufe 3) nimmt mit zunehmender<br />
Gesamteinbohrrate (=Summe Einbohrstufe 2 und 3) zu.<br />
* Bei geringer Einbohrrate domi niert die "passive Abwehr"; bei hoher Einbohrrate<br />
können sowohl viele verharzte Einbohrungen als auch viele Einbohrungen in<br />
den lebenden Bast (Abwehr durc h Wundreaktion oder positiver Bruterfolg) auftreten.<br />
* Mit zunehmender Gesamteinbohrrate und zunehmendem Anteil an der Einbohrstufe<br />
3 nimmt der Entwicklungsfortschritt der angelegten Brutbilder zu.<br />
Mittels Clusteranalyse konnten anhand der unterschiedlichen Anteile der verschiedenen<br />
Einbohrstufen und der Brutbildentwicklung bei erfolgreicher Einbohrung<br />
ins Phloem fünf verschiedene Abwehrreaktionstypen klassifiziert werden<br />
(Abb. 1 ) . Reaktionstyp 1 ist gekennzeichnet durch extrem niedrige Gesamteinbohrrate<br />
und überwiegend verharzte Einbohrungen. Bäume des Typs 2 besitzen<br />
mittlere Gesamteinbohrrate und dominierend Einbohrstufe 2; die des Typs 3 zeigen<br />
bereits mittlere bis hohe Gesamteinbohrrate, wobei Einbohrungen der Stufe 2<br />
und 3 etwa gleiche Teile einnehmen. Die Typen 4 und 5 haben extrem hohe<br />
Gesamteinbohrrate, wobei sie sich signifikant hinsichtlich der Einbohrstufe 2<br />
(resp. Einbohrstufe 3) unterscheiden.<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
%<br />
Gesamtein bohrrate<br />
Einbohrstufe 3<br />
F-�t\i F--- -7"'- --z: :�- -7 Einbohrstufe 2<br />
F-�=t F--- -,-'- -;:; ;: :;F- -/ EIn bo hrs tute 1<br />
0 JL--"f= ='-_L_- -"f= =-_L_- --'i=- -_L_- --'i=-_ _L_---'i=-<br />
-.-/ kein EIn bohr ve rs.<br />
2 3 4 5<br />
Reaktionstypen<br />
Abbildung 1: Durchschnittliche Anteile der verschiedenen Einbohrstufen für die<br />
klassifizierten Abwehrreaktionstypen.<br />
Fig ure 1: Average amounts of the differen t attack phases fo r the classifie d types<br />
of defense reaction.
196<br />
Korrelationsanalysen zwischen lps-Test-Ergebnissen und Kronenzustandsparameter<br />
bzw. Benadelungsindizes zeigen keine signifikanten Zusammenhänge. Die<br />
geschädigten Baumvarianten reagieren auf die zwangsangesiedelten Bäume in<br />
ähnlicher Weise wie visuell gesund erscheinend e Bäume. Die Verteilung der<br />
relativen Häufigkeit geschädigter und ungeschädigter Bäume (Plus- und Minusvarianten)<br />
in den verschiedenen Reaktionstypen zeigt keinen signifikanten Einfluß<br />
der Baumvariante, die Varianten sind annähernd zu gleichen Teilen in den Reaktionstypen<br />
präsent. Zwischen dem Kronenindex und dem Gefährdungsindex nach<br />
Wiener (1988) zeigt sich kein signifikanter Zusammenhang. Der Charakter der<br />
Abwehrreaktion (passiv-aktiv) ist also von der Verteilung der Schäden innerhalb<br />
der Krone und vom Ausmaß der Schädigung weitestgehend unabhängig. Auch<br />
zeigen die Korrelationen zwischen Zuwachsgrößen und lps-Testergebnissen keine<br />
unmittelbaren Zusammenhänge. Weder das Kreisflächenzuwachsprozent noch der<br />
aktuelle tree-vigour-lndex {=Quotient aus Kreisflächenzuwachs/Splintfläche) lassen<br />
eine Beeinflussung der Abwehrreaktionen erkennen. Eine Zuordnung der<br />
unterschiedlichen tree-vigour-lndex-Verläufe zu Gruppen mit ähnlichen Verläufen<br />
(Abb. 2) zeigt ebenfalls, daß die Unterschiede im Abwehrreaktionsmuster durch<br />
diese Gruppenbildung nicht erklärt werden kö nnen. Die tendenziell negativen<br />
Zusammenhänge zwischen der Anzahl der symptomlosen Nadeljahrgänge, Benadelungsindizes<br />
bzw. Zuwachsparametern und der Gesamteinbohrrate zeigen, daß<br />
erst bei entsprechend extremer Schädigung eine verminderte Resistenz (erhöhte<br />
Einbohrrate bei hohem Anteil an Einbohrungen in den lebenden Bast) zu verzeichnen<br />
ist.<br />
Wesentlichen Einfluß auf die Ausbildung der Reaktionsmuster haben standörtliche<br />
und temporäre Gegebenheiten. Für Schöneben ergibt sich eine deutliche Dominanz<br />
der untersuchten Bäume vom Revierteil Bärenstein in den Reaktionstypen 3<br />
bis 5, jene Ty pen also mit hoher Gesamteinbohrrate, wohingegen die Bäume vom<br />
Sulzberg in den Typen 1 und 2 (geringe Einbohrrate mit dominierender passiver<br />
Abwehr) präsent sind . Die Versuchsbäume in Kanalstraße und Oberhaag verteilen<br />
sich zufällig auf die verschiedenen Reaktionstypen. Besonders krass ist der standörtliche<br />
Unterschied im Untersuchungsgebiet Glein. Hier dominieren im Stadlmairwald<br />
die Reaktionstypen mit hoher Gesamteinbohrrate (Typen 4 und 5),<br />
wohingegen bei der Versuchsfläche Stangl die Typen 1 bis 3 überwiegen.<br />
Signifikanten Einfluß auf die Verteilung der Untersuchungsbäume in den Reaktionstypen<br />
zeigt auch der Untersuchungszeitpunkt. Bei den im Frühsommer (Juni<br />
und Juli) untersuchten Bäumen dominieren die Typen 1 und 2, bei den im Spätsommer<br />
(August und September) untersuchten Bäumen die Typen 3 bis 5. Dies<br />
deutet auf eine jahreszeitlich unterschiedliche Abwehrbereitschaft der Fichten hin,<br />
wobei Fichten im Frühsommer zur Flugzeit der Parentalgeneration generell eine<br />
erhöhte passive Abwehr zeigen.<br />
Signifikant negativ korreliert die Gesamteinbohrrate mit Parametern wie Kreis- und<br />
Splintfläche in Brusthöhe und dem Baumalter. Mit zunehmendem Baumalter und
197<br />
zunehmender Baumdimension verändert sich die Art der Bildung des Rindenabschlußgewebes,<br />
des Periderms. Hinsichtlich des Peridermtyps wurden folgende<br />
Kategorien unterschieden: Oberflächenperiderm (OP), erstmalige Bildung von<br />
Innenperiderm (FP), mehrere Folgeperiderme (FF), luxurierende Folgeperidermbildung<br />
(KF).<br />
tree-vigour-!ndex (%)<br />
Schöneben<br />
7r--- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --�<br />
181 182 183 184 185 186 187 188<br />
181 -190: Indexwerte 1981-1 990 I MW: Mittelwert 1 971-1980<br />
tree-vigour-lndex (%)<br />
Glein<br />
7,--- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --,<br />
182 - 191 : Indexwerte 1982 - 1991 / MW: Mittelwert 1 972-1 981<br />
189<br />
® s<br />
190<br />
Abbildung 2: Unterschiedliche Typen von tree-vigour-lndex-Verläufen für die<br />
Untersuchungsgebiete Schöneben und Glein.<br />
Figure 2: Different types of tree-vigo ur-index-trends fo r the areas Schöneben and<br />
Glein.
198<br />
Bäume mit Oberflächenperiderm dominieren im Typ 5 mit der höchsten durchschnittlichen<br />
Gesamteinbohrrate und den höchsten Anteilen mit Einbohrungen in<br />
den lebenden Bast. Bäume des Peridermtyps FF und KF dominieren in den Typen<br />
1 bis 2 mit den geringen Einbohrraten und überwiegend passiver Abwehr. Diese<br />
Abhängigkeit der lps-Test-Ergebnisse von rindenanatomisch-strukturreUen Eigenschaften<br />
läßt sich auch anhand des Verborkungsprozentes zeigen. Die Gesamteinbohrrate<br />
nimmt mit zunehmender Verborkung der Rinde ab. ln Abbildung 3 ist<br />
der Anteil des lebenden Phloems an der Gesamtrindendicke in den Reaktionstypen<br />
dargestellt, wobei sich die Reaktionstypen 5 und 4 signifikant vom Typ 1 unterscheiden.<br />
Mit Intensivierung der Peridermbildung ist eine Zunahme der Dichte und der Breite<br />
der radialen Harzkanäle im Phloem verbunden. Die Harzkanaldichte unterscheidet<br />
sich nicht signifikant zwischen den Plus- und Minusvarianten und auch nicht zwischen<br />
den Untersuchungsgebieten. Die Harzkanaldichte ist negativ korreliert mit<br />
der Anzahl der Einbohrungen in den lebenden Bast (r=-0,3106; p :;; 0,001) sowie<br />
mit der Gesamteinbohrrate (r = -0,2803, p :;; 0,01 ), aber positiv korreliert mit dem<br />
relativen Anteil der verharzten Einbohrungen an der Gesamteinbohrrate (r = 0,277,<br />
p :;; 0,01). Mit der strukturellen Veränderung der Rinde im Laufe des Dickenwachstums<br />
ist also auch eine funktionelle Veränderung hinsichtlich der Abwehrmechanismen<br />
verbunden.<br />
40<br />
rel. Anteil des Phloems (%)<br />
3%L=------1�4--------3.--------2�,--------,�.--------,3----�<br />
2 3 4 5<br />
Reaktionstypen<br />
Abbildung 3: Anteil des lebenden Phloems an der Gesamtrindendicke für die verschiedenen<br />
Reaktionstypen.<br />
Figure 3: Relative amount of living ph!oem for the different types of de fense<br />
reaction.<br />
Hinsichtlich der Wasserhaushaltsparameter zeigte sich, daß Bäume mit geringen<br />
Einbohrraten deutlich negativere osmotische Potentiale des Nadelpreßsaftes aufweisen<br />
als Bäume mit hohen Einbohrraten. Eine Ausnahme bilden dabei die
199<br />
Bäume in Wieselburg, bei denen dieser Zusammenhang genau umgekehrt ist. Das<br />
osmotische Potential ergab nur für Schöneben 1990 signifikante Unterschiede<br />
zwischen Plus- und Minusvarianten (ps0,05). Vielmehr zeigte das osmotische<br />
Potential jahreszeitliche (im Frühsommer weniger negativ als im Spätsommer) und<br />
standörtliche Abhängigkeiten (in Glein negativere Potentiale als in Schöneben und<br />
Wieselburg ) sowie revierspezifische Unterschiede. An Zweigen der Minusvarianten<br />
konnten signifikant niedrigere hydraulische Leitfähigkeiten aufgrund erhöhter<br />
Emboliehäufigkeit in den Gefäßen des Xylems festgestellt werden. Hinsichtlich der<br />
Splintfläche in Brusthöhe ergaben sich nur für die Glein signifikante Unterschiede<br />
zwischen Plus- und Minusbäumen. ln Schöneben und Wieselburg zeigten sich<br />
zwar etwas verringerte Splintflächen, aber keine signifikanten Unterschiede. Die<br />
Reduktion der Splintflächen in der Glein ist auf das extrem häufige Auftreten von<br />
Fäulen zurückzuführen, wobei eine Beeinträchtigung der Leitfunktion des Splints<br />
zu erwarten ist.<br />
Nach Shinozaki et al. ( 1 964) steht die Gesamtnadeltrockenmasse mit der Splintfläche<br />
im Schaft in einem Gleichgewicht ("pipe-model-theory"). Störungen dieses<br />
Gleichgewichtszustandes, die ihren Ausdruck im Benadelungsindex finden, müßten<br />
demnach symptomatisch für differenzierte Schädigungen des Baumes sein.<br />
Für die Glein ist der Zusammenhang zwischen Splintfläche und Nadelmasse sehr<br />
straff, die Verringerung der Splintfläche in Brusthöhe führt zu einer kontinuierlichen<br />
Reduktion der Nadeltrockenmasse, wohingegen für Schöneben der Zusammenhang<br />
weit weniger straff und die Abnahme der Nadelmasse nicht kontinuierlich<br />
mit Abnahme der Splintfläche sondern eher abrupt erfolgt (Abb. 4) . Diese<br />
abrupte Abnahme der Nadelmasse in Schöneben dürfte neben der schädigenden<br />
Einwirkung von Luftschadstoffen auch auf akute Kronenschädigungen (u.a. ehemalige<br />
Wipfelbrüche, Auftreten von Zweigpilzen) zurückzuführen sein.<br />
Symptomatisch für diese diffe renzierten Zusammenhänge scheint auch die unterschiedliche<br />
Häufigkeit bestimmter tree-vigour-lndex-Verlaufstypen zu sein. ln<br />
Schöneben sind Bäume mit kontinuierlich abfallendem Verlauf auf niedrigem<br />
Niveau we niger häufig als in der Glein.<br />
Ähnlich wie das osmotische Potential zeigt auch der Gesamtstickstoffgehalt der<br />
Nadeln bzw. des Bastes signifikante standörtliche Unterschiede. Für Schöneben<br />
und Wieselburg ergeben sich mittlere Gesamtstickstoffgehalte in den Nadeln der<br />
Oberkrone (1 . und 2. Nadeljahrgang) von 1,41 %, für die Glein nur 1 ,05%. Die<br />
Gesamteinbohrrate ist mit dem Gesamtstickstoffgehalt im Bast positiv korreliert.<br />
Die Verfügbarkeit von Reservestoffen, insbesondere Stärke als Energiespeicher<br />
und Ausgangsprodukt für die Harzbiosynthese in den Harzkanalepithelzellen<br />
(Cheniclet et al., 1988), dürfte für die Abwehrmechanismen von wesentlicher<br />
Bedeutung sein ( Christiansen und Ericsson, 1986). Der Stärkegehalt im Bast zeigt<br />
keine signifikanten Unterschiede zwischen Plus- und Minusvarianten, wobei<br />
jedoch für Minus- und Plusvarianten eine unterschiedliche jahreszeitliche Dynamik
200<br />
festzustellen ist. Zum Frühsommertermin ist der Stärkegehalt signifikant höher als<br />
im Spätsommer, wobei die Variabilität des Stärkegehalts bei den Min usvarianten<br />
innerhalb des jeweiligen Untersuchungszeitpunktes größer ist als bei den Plusvarianten,<br />
die Varianz zwischen den Untersuchungszeitpunkten ist jedoch bei den<br />
Plusvarianten höher als bei den Bäumen mit geschädigten Kronen. Für die untersuchten<br />
Bäume in Wieselburg zeigte sich, daß diese generell sehr geringe Mengen<br />
an Stärke im Bast deponiert haben ( < 1 ,0%), wobei dieser außergewöhnliche<br />
Zustand auf die extrem trockene und heiße Witterung im "Jahrhundertsommer"<br />
1992 zurückgeführt werden kann. Zusammenhänge zwischen dem Stärkegehalt<br />
und den Einbohrergebnissen zeigten, daß der erhöhte Stärkegehalt im Frühsommer<br />
eine erhöhte passive Abwehr bedingt. Sowohl in Schöneben als auch in der<br />
Glein ist der Anteil der Bäume mit dominierender passiver Abwehr und geringer<br />
Einbohrrate im Frühsommer höher als im Spätsommer bei vergleichsweise geringerem<br />
Stärkegehalt.<br />
Gesamtnadeltrockenmasse (kg)<br />
150 ,--- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -,<br />
125<br />
100<br />
0 250 500 750<br />
Splintfläche in Brusthöhe (cm2)<br />
"<br />
..<br />
O Glein<br />
Rsq = 0,6302<br />
" Schöneben<br />
Rsq = 0,3054<br />
1000 1250<br />
Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Gesamtnadeltrockenmasse und der Splintfläche<br />
in Brusthöhe, getrennt für Schöneben und Glein.<br />
Fig ure 4: Gorrelation between need/e biomesse of the crown and the sap wood<br />
area at breastheigh t, separated for Schöneben and G!ein.<br />
3.2 Bruttauglichkeitstests im Labor<br />
Neben der aktuellen Abwehrbereitschaft des stehenden Baumes ist die ernährungsphysiologische<br />
Wertigkeit der Rinde für die Beurteilung der Befallsdispositionsfähigkeit<br />
von Bedeutung. Durch Ansetzversuche von lps typographus-Pärchen<br />
an Brutholz im Labor wurde die Bruttauglichkeit der Fichtenstämme<br />
qualitativ und quantitativ anhand der erhobenen Brutparameter (Anzahl erfolgreicher<br />
Brutbilder, Mutterganglänge, Jungkäfertrockengewicht) bestimmt.
201<br />
Für das Untersuchungsgebiet Schöneben ergaben sich keine signifikanten<br />
Zusammenhänge zwischen Bruterfolg und Benadelungs- bzw. Zuwachsparametern.<br />
Für die Gebiete Glein und Wieselburg wurde auch der Jungkäferschlupfverlauf<br />
bzw. die Schlupfrate (=Anzahl geschlüpfter Jung käfer/Woche/erfolgreichern<br />
Brutbildl untersucht. Dabei ergaben sich hinsichtlich der Schlupfrate signifikante<br />
Unterschiede zwischen Plus- und Minusvarianten (Abb. 5). Zusammenhänge zwischen<br />
Kronenzustands- bzw. Baumwachstumsparametern und der Schlupfrate<br />
zeigten, daß sowohl bei geringen als auch hohen Benadelungs- bzw. Zuwachswerten<br />
nur geringe Schlu pfraten auftreten. Bäume, bei denen hohe Schlupfraten<br />
erzielt werden konnten, liegen im mittleren "Vitalitätsbereich". ln Abbildung 6<br />
sind die mittleren Schlupfraten für die mittels Clusteranalyse für die Glein erhaltenen<br />
tree-vigour-lndex-Verlaufstypen dargestellt, wobei sich wiederum zeigt, daß<br />
sowohl bei Bäumen mit generell niedrigem Verlauf (Cluster 1 und 2), als auch bei<br />
extrem hohem tree-vigour-lndexverlauf (Cluster 5) geringe Schlupfraten auftreten.<br />
Nur bei den Gruppen mit mittlerem und hohem Indexverlauf (Cluster 3-4) treten<br />
hohe Schlupfraten auf.<br />
Schlupfrate<br />
4,0,--- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -,<br />
3,5<br />
1'<br />
1,0<br />
,5<br />
0,0<br />
N = 10 10<br />
Glein 1991<br />
10 9<br />
Glein 1992<br />
10 10<br />
Wieselburg 1992<br />
Abbildung 5: Anzahl geschlüpfter Jungkäfer/Woche/erfolgreichern Brutbild für<br />
Glein 1991/92 und Wieselburg 1992, getrennt nach Plus- und Minusvarianten.<br />
Fig ure 5: Number of emerged young beet/es per week and per successful brood<br />
fo r Gfein 199 1/92 and Wieselburg 1992, separated by damaged and<br />
undamaged trees.<br />
Jahreszeitliche Unterschiede im Bruterfolg zeigten sich sowohl für Schöneben als<br />
auch für die Glein, wobei die Anzahl der erfolgreichen Brutbilder, die Mutterganglänge,<br />
das Jungkäfertrockengewicht und die Schlupfrate im Spätsommer<br />
höher ist als im Frühsommer.
202<br />
Der Zusammenhang zwischen Stärkegehalt und Schlupfrate zeigt für die Bäume<br />
aus der Glein einen optimalen Bereich von etwa 4-8%, bei dem hohe Schlupfraten<br />
auftreten (Abb. 7). Der Gesamtstickstoffgehalt ist mit dem Jungkäfergewicht in<br />
Schöneben positiv korreliert. ln der Glein als auch in Wieselburg ist die<br />
Schlupfrate positiv korreliert mit dem Stickstoffgehalt.<br />
Glein 1991/1992<br />
Schlupfrate (Mittelwert)<br />
1,2 ,--- -- -- -- -- -- -- ----- -- -- -- -- -,<br />
tree-vigour-lndex-Ciuster<br />
Abbildung 6: Durchschnittliche Anzahl geschlüpfter Jungkäfer/Woche/erfolgreichern<br />
Brutbild nach tree-vigour-lndex-Verlaufstypen (Giein 1991 /92),<br />
Figure 6: Average number of emerged young beet/es per week and per successful<br />
brood by different types of tree-vigour-index- trends (Giein 199 1/92).<br />
Schlupfrate<br />
3,5.--- -- -- -- -- -- -- -- -- --,<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
,5<br />
0 "<br />
.. ..<br />
'<br />
"<br />
.. 0 ..<br />
"<br />
..<br />
..<br />
"<br />
0<br />
..<br />
0,0 iJi� "'<br />
0 2 4 6 8 10<br />
Stärkegehalt im Bast (mg/1 OOmg TS)<br />
Abbildung 7: Zusammenhang zwischen dem Stärkegehalt und der Anzahl<br />
geschlüpfter Jungkäfer/Woche/erfolgreichern Brutbild getrennt nach<br />
Untersuchungsjahr.<br />
Figure 7: Gorrelation between amount of starch in phloem and number of<br />
emerged young beet/es per week and per successful brood, separa ted<br />
by year of in vestigation.<br />
@<br />
@<br />
..
4 DISKUSSION<br />
203<br />
Nach Hain et al. (1983) läßt sich die Reaktion von Nadelhölzern auf Borkenkäferbefall<br />
zu folgenden Kriterien zusammenfassen:<br />
* Wundreinigung durch Harzausscheidung durch das Harzkanalsystem (passive<br />
Reaktion)<br />
* Begrenzung der Infektionsstelle durch Bildung einer Wundreaktionszone (aktive<br />
Reaktion)<br />
* Wundheilung durch Wundperidermbildung und durch lokale, vorzeitige Verkernung<br />
des infizierten Splintholzes<br />
Die Abwehr einbohrender Käfern erfolgt in erster Linie durch Ausfluß von bereits<br />
vorgebildetem und in speziellen Speicherorganen des Bastes deponiertem Harz.<br />
Die Speicherung des Harzes erfolgt einerseits in achsialen Harzgängen, die mit<br />
Harzblasen in Verbindung stehen, andererseits durch radiale Harzkanäle (Pollak,<br />
1993). Die Intensität des Harzflusses ist abhängig von der Dichte und der Größe<br />
der Harzkanäle, von der Viskosität, der Zusammensetzung und der Kristallisationsrate<br />
des Harzes, vom Harzdruck und der Temperatur (Hodges und Lorio, 1968;<br />
1971; Mason, 1969). Aktive Abwehr durch Wundreaktionszonenbildung ist die<br />
zweite Möglichkeit des Baumes zur Abwehr eines Borkenkäferangriffes. Voraussetzungen<br />
für die Fähigkeit des Baumes zur Bildung einer Wundreaktionszone sind<br />
das Vorhandensein von genügend Ausgangstoffen und Energiereserven (insb.<br />
Kohlenhydratel für die Produktion von Abwehrsubstanzen und das Funktionieren<br />
der Leitungsbahnen zum Stofftransport (Wright et aL, 1979; Christiansen und<br />
Ericsson, 1986; Christiansen et al., 1987).<br />
Die Analysen des !PS-Tests am stehenden Baum erlauben die Charakterisierung<br />
des momentanen Abwehrstatus des Baumes. Anhand der Anzahl der Einbohrversuche,<br />
der Art der Abwehr (passiv durch primären Harzfluß, aktiv durch Wundreaktion)<br />
und dem Einbohrerfolg (Ausbildung des Brutbildes) der zwangsangesiedelten<br />
Käferpärchen im IPS-Test konnten fünf verschiedene Abwehrreaktionstypen<br />
festgestellt werden. Bei geringer Gesamteinbohrrate dominiert die passive<br />
Abwehr. Mit zunehmender Einbohrrate nimmt einerseits der Anteil der Einbohrungen<br />
in den lebenden Bast (mit Abwehr durch Wundreaktion oder positivem Bruterfolg)<br />
zu, andererseits kann bei hoher Einbohrrate (hoher Einbohranreiz) auch die<br />
passive Abwehr dominieren. Mit zunehmender Anzahl an Einbohrungen in den<br />
lebenden Bast nimmt die Brutetablierung zu.<br />
Die diagnostische Beurteilung der Baumvitalität anhand von Kronenmerkmalen<br />
und Wachstumsparametern ergab für Bäume mit visuell erkennbaren Kronenschädigungen<br />
erwartungsgemäß signifikant niedrigere Werte hinsichtlich Wachstumsgrößen<br />
(Kreisflächenzuwachsprozent, Höhenzuwachstrend, tree-vigour-lndex,<br />
Leitphloemdicke) und Benadelungsparametern (Schätzwerte nach Wiener, 1988<br />
und Waldzustandsinventur, Benadelungsindizes nach Eckmüllner, 1988). Die<br />
Ergebnisse des !PS-Tests zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen den
204<br />
Baumvarianten. Die unterschiedlichen Reaktionstypen lassen sich anhand von<br />
Kronenzustands- und Wachstumsparametern nicht signifikant unterscheiden. Mit<br />
abnehmendem Benadelungsindex bzw. Benadelungswerten nach Wiener nimmt<br />
die Gesamteinbohrrate und der Anteil der Einbohrungen in den Bast nur tendentiell<br />
zu. Der Charakter der Abwehr (passiv-aktiv) ist daher in erster Linie unabhängig<br />
vom Schädigungsgrad. Erst bei extrem hohen Nadelverlusten ist eine merkliche<br />
Minderung des Widerstands (tendenziell erhöhter Anteil an aktiver Abwehr,<br />
höhere Einbohrraten) zu verzeichnen. Die Abwehrmechanismen bleiben, wie<br />
Schwenke (1985) vermutete, selbst bei offensichtlich stark geschädigten Bäumen<br />
noch intakt.<br />
Der Gehalt an Stärke im Bast als Energie- und Rohstoffreserve für die Bildung von<br />
Abwehrsubstanzen wird von vielen Autoren als wesentlich für die Abwehr von<br />
Borkenkäferangriffen erachtet (vgl. Christiansen und Ericsson, 1986; Matson et<br />
al., 1987). Zusammenhänge zwischen Stärkegehalt im Bast der untersuchten<br />
Bäume und Abwehrreaktionen zeigten eine mit der jahreszeitlichen Änderung des<br />
Stärkegehaltes gekoppelte Differenzierung des Abwehrstatus des Baumes. Erhöhter<br />
Stärkegehalt zu Beginn der Vegetationsperiode führt zu einer erhöhten Resistenz<br />
(erhöhter Anteil an passiver Abwehr und geringer Fortschritt der Brutbildanlage<br />
bei Einbohrungen in den lebenden Bast). Mit Abnahme des Stärkegehaltes<br />
während der Vegetationsperiode ist eine Minderung der Resistenz zu bemerken.<br />
Die Gesamtstickstoffgehalte im Bast und in den Nadeln zeigten signifika nte Unterschiede<br />
zwischen den Untersuchungsgebieten, wobei in der Glein die niedrigsten<br />
Werte auftraten. Mit der Gesamteinbohrrate korrelierte der Gesamtstickstoffgehalt<br />
tendenziell positiv. Bei Bäumen mit höherem Stickstoffgehalt im Bast war also ein<br />
erhöhter Anreiz zum Einbohren festzustellen.<br />
Dem Wasserhaushalt kommt in der Beurteilung der Befallsgefährdung der Fichte<br />
eine zentrale Bedeutung zu. Nach Schwenke ( 1987) ist der Zusammenbruch des<br />
Wasserhaushalts durch spezifische Schadereignisse ausschlaggeben für das Versagen<br />
der Abwehrmechanismen und den erfolgreichen Befall durch Borkenkäfer.<br />
Der Wasserhaushalt beeinflußt die Abwehr von Borkenkäfern einerseits über den<br />
Harzdruck und andererseits über den Transport von Energie- und Abwehrstoffen<br />
zur Bildung der Wundreaktionszone in Umgebung der lnfektionsstelle. Bei den<br />
Untersuchungen zum Wasserhaushalt der behandelten Probebäume konnte an<br />
Zweigen der Minusvarianten ein größerer Verlust an hydraulischer Leitfähigkeit<br />
beobachtet werden, d.h. in Zweigen der Minusvarianten sind im nativen Zustand<br />
mehr Embolien vorhanden als in Zweigen der Plusvarianten. Die Messungen des<br />
osmotischen Potentials der Nadelpreßsäfte zeigen keine deutlichen Unterschiede<br />
zwischen den Kronenzustandsvarianten. Osmotische Potentiale vieler Pflanzen<br />
werden durch länger andauernde Episoden des Wasserstresses abgesenkt. Offensichtlich<br />
ist dies aber für Bäume mit Symptomen der "neuartigen Waldschäden"<br />
nicht allgemein zutreffend. Auch scheint die Red uktion der Splintflächen im<br />
Schaft durch vorzeitige Verkernung nicht generell typisch für Bäume mit offen-
205<br />
sichtlichen Kronenschäden zu sein, die eine wesentliche Beeindrächtigung des<br />
Wasserhaushalts der geschädigten Bäume durch erhöhte Leitwiderstände im<br />
Schaft erwarten läßt (vgl. Richter et al., 1988). Nur für das Untersuchungsgebiet<br />
Glein konnten signifikante Unterschiede hinsichtlich der Splintanteile in Brusthöhe<br />
festgestellt werden, die auf sehr häufige Infektion durch Fäuleerreger zurückzuführen<br />
sind. Ja hreszeitliche Schwankungen des osmotischen Potentials (im Frühsommer<br />
weniger negative Potentiale als im Spätsommer) sind verbunden mit einer<br />
generell erhöhten Abwehrbereitschaft der Fichte im Frühsommer.<br />
Korrelationsanalysen zwischen allgemeinen Baumparametern und IPS-Testergebnissen<br />
zeigten eine signifikante Abhängigkeit der Gesamteinbohrate von der<br />
Baumdimension (Schaftquerschnittsfläche in Brusthöhe, Splintfläche, Kronenlänge,<br />
Baumhöhet und dem Baumalter, wobei diese Zusammenhänge durch die<br />
Änderung rindenanatomisch-struktureller Eigenschaften (Peridermtyp, Verborkungsprozent)<br />
und den damit einhergehenden Veränderungen hinsichtlich Harzkanaldichte<br />
und -breite erklärt werden können.<br />
Dies zeigt auch, daß die Charakterisierung der Abwehrmechanismen im !PS-Test<br />
(Zwangsansiedelung von lp s typographus in 5-6 m Stammhöhe) zur Beurteilung<br />
der Befallsdisposition nicht nur zeitlich eingeschränkt ist (jahreszeitliche und<br />
tageszeitliche Schwankungen), sondern auch intraindividuell differenziert betrachtet<br />
werden muß (funktionelle Änderung des Abwehrreaktionsmusters mit der<br />
Stammhöhe in Hinblick auf die Änderung der Peridermbildung mit fortschreitendem<br />
Dickenwachstum). Den IPS-Testergebnissen kommt daher nur eingeschränkte<br />
Bedeutung für die Indikation der Befallsdisposition zu, da sie zeitlich<br />
und baumindividuell spezifisch zu interpretieren sind. Auch ist aufgrund der<br />
Abhängig keit der Abwehrreaktion von rindenanatomisch-strukturellen Gegebenheiten<br />
ein hoher Anteil an Einbohrungen in den Bast mit Wundreaktionszonenbildung<br />
und initialer Brutbildanlage nicht in erster Linie mit der Baumvitalität sondern<br />
mit rindenstrukturell-anatomischen Merkmalen in Verbindung zu bringen.<br />
Über die ernährungsphysiologische Situation bastbrütender Borkenkäfer, insbesondere<br />
an Fichte, liegen noch wenig fundierte Informationen vor. Vielfach wird<br />
vermutet, daß "krä nkelnde" Fichten mit Nadelverlusten und Zuwachsrückgängen<br />
für lp s typographus kein taugliches Brutmaterial darstellen (Schwenke, 1985). Die<br />
Ü berprüfung der ernährungsphysiologischen Bastqualität der untersuchten Bäume<br />
mittels Testbruten an Stammstücken im Labor zeigte für Glein und Wieselburg<br />
signifikante Unterschiede zwischen den Baumvarianten hinsichtlich der Schlupfrate.<br />
Dabei ist auch ein jahreszeitlich unterschiedlicher Bruterfolg festzustellen (im<br />
Spätsommer höhere Schlupfrate und höheres Jungkäfertrockengewicht}. Ein Indikator<br />
für die Bruttauglichkeit ist der tree-vigour-lndex-Verlauf. Bäume mit kontinuierlich<br />
abnehmendem tree-vigour-lndex auf niedrigem Niveau ermöglichen lps<br />
typographus keinen positiven Bruterfolg. Der optimale Bereich für lp s typographus<br />
dürfte im mittleren bis hohen "Vitalitätsbereich" liegen, wobei auch bei Bäumen
206<br />
mit überdurchschnittlichen Benadelungs- bzw. Zuwachswerten bzw. tree-vigourlndex-Werten<br />
nur ein geringer Bruterfolg zu registrieren war.<br />
Mit dem Stärkegehalt im Bast zeigte sich zur Schlupfrate eine Optimumsbeziehung.<br />
Sowohl bei hohen als auch niedrigen Stärkegehalten war der Bruterfolg<br />
vermindert, wobei der geringere Bruterfolg im Frühsommer mit generell erhöhtem<br />
Stärkegehalt gegenüber dem Spätsommertermin verbunden war. Eine Zunahme<br />
der Schlupfrate zeigte sich mit Zunahme des Gesamtstickstoffgehaltes im Bast.<br />
Auch die Jungkäfertrockengewichte in Schöneben, Glein und Wieselburg korrelieren<br />
positiv mit dem Stickstoffgehalt.<br />
Verringerte Vitalität durch langzeitstreßbelastung führt zu einer deutlichen Verminderung<br />
der ernährungsphysiologischen Brutbaumqualität für lp s typographus,<br />
wobei der tree-vigour-lndex als spezifischer Indikator für die Differenzierung der<br />
Bastqualität herangezogen werden kann (vgl. Lindenthal, 1993). Das Resultat<br />
einer Langzeitstreßbelastung mit kontinuierlicher, allmählicher Abnahme der<br />
Baumvitalität (reduzierte Zuwachsleistung, veringerte Nadelmasse bei gleichzeitiger<br />
Reduktion der Splintfläche, geringe Gehalte an Stickstoff, Absenkung des<br />
osmotischen Potentials in den Nadeln) sind Bestände mit relativ resistenten, aber<br />
für lps typographus befallsdispositionsunfähigen Bäumen, die auch bei Abnahme<br />
der Resistenz (Verlust an aktiver und passiver Abwehrbereitschaft durch abrupte,<br />
irreversible Unterbrechung bzw. temporäre Schwächung des Wasser- und<br />
Stofftransportes) kein erhöhtes Risiko für eine Epidemie von lp s typographus darstellen<br />
(allgemeiner Attraktivitätsverlust; minimaler Befallserfolg). Jedoch dürfte in<br />
Gebieten mit generell ungünstigen standörtlichen Bedingungen und Langzeitstreßbelastung<br />
(Immissionen etc.) eine Substitution von /p s typographus durch andere<br />
anspruchslosere Rindenbrüterarten oder Arten mit größerer ökophysiologischer<br />
Amplitude erfolgen {Oppermann, 1985; Grodzki, 1992; lanz et al., 1993)<br />
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208
209<br />
DIE GEMEINE FICHTENGESPINSTBlATTWESPE, CEPHA LCIA ABIE TIS l.<br />
(HYM., PAMPHIUIDAE), IM BÖHMERWALD: ZUR KENNTNIS DER<br />
VERURSACHUNG UND VERMEIDUNG VON GRADATIONEN<br />
THE FA LSE SPRUCE WEB WORM, CEPHALCIA ABIETIS L.<br />
(H YM., PA MPHIL IIDA E), IN THE BOHEMIA N <strong>FOR</strong>EST:<br />
TO WARDS CA USES AND A VOIDANCE OF EPIDEMICS<br />
Erwin FÜ HRER und Peter FISCHER<br />
Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz<br />
Universität für Bodenkultur Wien, Hasenauerstraße 38, A - 1190 Wien<br />
SUMMARY<br />
Epidemics of Cephalcia abietis L. recently happened in Austria in the SE parts of the Bohemian<br />
Forest. On this occasion selected aspects of its epidemiology were studied, in order to develop<br />
methods of risk evaluation and risk prevention of this pest. These investigations were carried out<br />
in the framewerk of an interdisciplinary case study of FIW (Führer, 1993).<br />
lt was a rather moderate outbreak. Severe darnage was restricted to three isolated sites of about<br />
50 ha area each. The names of these plots are "Streuplatz", "Trautwald" and "Kochholz" (Fig. 1,<br />
Tab. 1 ) . Their topographical positions are 800 to 900 m altitude on the E-SE slope of the mount<br />
Bärenstein (1 077 m), leeward the dominating direction of wind during winter, which usually is<br />
deposing there rich snowfall. The forest sites are situated on granite and gneis bedrock poor of<br />
bases, thus inclining to severe soil acidification. The latter is also enhanced by past removal of litter<br />
for agricultural purposes and by past and present deposition of acid rain (Glatze!, 1991). The<br />
forest stands concerned . by the gradation were uniform stands of Norway spruce (Picea abies<br />
Karst. ), 60 to 100 years by age. ln general the features of the outbreak areas resembled those,<br />
where other epidemics of C. abietis had happened (Martinek, 1980; Schmutzenhofer, 1980;<br />
Pschorn-Walcher, 1982).<br />
The fluctuating part of the Cephalcia-population was running a three years' generation cycle<br />
(Tab. 2), as it was the case also in other middle European regions during the last decades<br />
(Schmutzenhofer, 1980; Eichhorn u. Pausch, 1986). Frequent occurrence of drought periods, as it<br />
had happened during the early seventies and early eighties, seem to start outbreak cycles in sites<br />
predisposed to epidemics of C. abietis . Drought may favour the insects' flight and oviposition<br />
during May and June, as weil as the survival of larvae during feeding the older needles in June to<br />
August. Drought also may check mortality factors working on the nymphs of C. abietis in forest<br />
soil, resting there for two to three years in the upper layers of mineral soil (Fig. 3).<br />
Diapausing nymphs situated in the soil frequently are suffering from high mortality, which has a<br />
special maximum during metamorphosis in fall and winter prior to emergence of the wasps. The<br />
entomophilic nematode, Steinernema kraussei, was found to contribute considerably to nymph<br />
mortality. Several causes of variation of nematode density and parasitization rate were tested<br />
(Figs. 4, 5), but the most striking factor influencing the nematode's efficiency as a nymph parasite<br />
was found to be soil acidity (Figs. 6, 7). pH-values below 4,0 are checking the invasive stage of<br />
the nematode to attack Cephalcia-nymphs. This situation can be repaired by amelioration treatment<br />
of soil, whlch elevates pH-values beyend 4,0 (Fig. 8, Tab. 5).<br />
Another important factor influencing population dynamics of C. abietis appears to be food quality<br />
of spruce needles. There are a couple of indications for negative effects of seriously stressed tree<br />
physiology to survival and growth of Cephalcia-larvae (Figs. 9, 10, 11). Trees seriously suffering<br />
from the "mountain yellowing of spruce", show a worse food quality to larvae than trees free of<br />
symptoms. Preliminary results indicate that fresh weight, which can be attained during deve!opment,<br />
is positively influenced by total nitrogen and thiol content of the needles. lt is negatively<br />
affected by stress, expressed in our preliminary index formula by total sulphur and ascorbate con-<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien. Bd. 7, 1994.<br />
ÖGWEB (Österr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung) ISBN 3-900865-06-X.
210<br />
centrations (Fig. 12, Tab. 6). Conclusions for applying these results for prediction of potential risks<br />
of Cephalcia outbreaks and for counteracting it by preventive forest protection are briefly discussed.<br />
KEYWORDS: Cephalcia abietis, Steinerneme kraussei, epidemics, climate, antagonists, food quality.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Im östlichen Teil der Böhmerwaldes {Forstamt Stift Schlägl, Mühlviertel, Oberösterreichl trat die<br />
Gemeine Fichtengespinstblattwespe in eine Massenvermehrung, die im Jahre 1986 ihren Höhepunkt<br />
hatte. Die Gradation spielte sich in Form mehrerer kleiner (ca 50 ha) Vermehrungsherde ab,<br />
auf denen es teilweise zu Kahlfraß kam. Aufgrund der topographischen und standörtlichen Gegebenheiten<br />
bestehen große Ähnlichkeiten zu anderen Gradationen dieses Insekts. Gradationsauslösende<br />
Faktoren werden zum Teil im Witterungsgeschehen vermutet, wonach Häufungen von Jahren<br />
mit ausgeprägten Trockenperioden während der Vegetationszeit großräumig den Anstoß zu<br />
sprunghaftem Populationswachstum der Gespinstblattwespe in gradationsdisponierten Fichtenbeständen<br />
geben dürften. Die kleinräumige Variabilität der Prädisposition führt zur Entstehung lokaler<br />
Vermehrungsherde. Als gradationsbegünstigende Dispositionsfaktoren im Untersuchungsgebiet<br />
werden der Zustand des Waldbodens und die physiologische Qualität der älteren Fichtennadel<br />
Jahrgänge angesehen. Im Waldboden vollzieht sich während der zwei- bis dreijährigen Nymphenruhe<br />
eine für den Gradationsverlauf vermutlich entscheidende Mortalität der Nymphen, die hier vor<br />
allem durch den entomoparasitischen Nematoden, Steinernema kraussei, verursacht wurde. Da<br />
dieser Nymphenparasit bei Boden-pH-Werten
21 1<br />
bevorzugt stattfinden, flächenhaften Ausfall der Fichte verursachen (Jahn, 1976;<br />
Krol, 1987). Deshalb werden auch noch in jüngster Zeit Massenvermehrungen in<br />
kritischen Situationen mit chemischen Insektiziden kurativ behandelt (Eichhorn u.<br />
Pausch, 1986). Wenn solche Notlösungen aus umwelthygienischen Erwägungen<br />
grundsätzlich problematisch sind, so kommen sie in bestimmten Fällen (z.B. in<br />
Wasserschutzgebieten) überhaupt nicht in Betracht. Daher werden für potentiell<br />
gefährdete Waldgebiete geeignete Präventivmethoden gegen diesen Waldschädling<br />
dringend benötigt. Die Entwicklung solcher Verfahren setzt ausreichendes<br />
Kausalverständnis der Epidemiologie dieser Insektenart voraus.<br />
2 ERGEBNISSE<br />
2. 1 Zur Epidemiologie von C. abietis<br />
Massenvermehrungen von C. abietis wurden schon des öfteren studiert (Ut. s.<br />
Pschorn-Walcher, 1982). Das Insekt ist biologisch interessant und entwicklungsphysiologisch<br />
z.T. rätselhaft. Weil es detaillierten und experimentellen Untersuchungen<br />
schwer zugänglich ist, sind zahlreiche epidemiologisch wichtige Fragen<br />
noch offen. Am ehesten - wenn auch immer noch unzureichend - bekannt sind in<br />
der Beendigung einer Gradation (Retrogradation) maßgeblich beteiligte Faktoren.<br />
Wie Pschorn-Walcher ( 1982) zurecht feststellt, sind aber jene Faktoren, die eine<br />
Gradation auslösen, noch weitestgehend unbekannt. Gerade diese sollten wir<br />
jedoch kennen, wenn die Gradationsgefahr eingeschätzt werden soll und wenn<br />
spezifische Verfahren zur Minderung einer bestehenden Gefährdung entwickelt<br />
werden sollen. Unter diesem Aspekt wurden die Untersuchungen an C. abietis im<br />
Böhmerwald in Angriff genommen.<br />
Aus den wichtig erscheinenden Faktoren wählten wir zur Untersuchung solche<br />
aus, die auch aus waldökosystemarer und streßökologischer Perspektive wesentlich<br />
sind: das Substrat (Waldboden) und die Nahrungsqualität (Baumvitalität). Der<br />
streßökologische Blickwinkel drängt sich auf, nachdem C. abietis zu jenen Waldschädlingen<br />
gezählt wird, die vermutlich von den Schadstoffbelastungen der mitteleuropäischen<br />
Mittelgebirgswälder profitieren (Baltensweiler, 1985; Führer,<br />
1988). Außerdem waren die Voraussetzungen zur Bearbeitung dieser Aspekte<br />
durch die Möglichkeit einer interdisziplinären Forschungskooperation im Rahmen<br />
der "FIW-Fallstudie Mühlviertel" (Führer, 1993) sehr günstig.<br />
Im einzelnen interessierte einerseits die Frage, welche Prozesse im Waldboden<br />
während der mehrjährigen Nymphenruhe daselbst mortalitätswirksam sind und<br />
inwieweit der Bodenzustand auf sie Einfluß hat. ln den Retrogradationsphasen<br />
wurde wiederholt beträchtliche Nymphensterblichkeit konstatiert, ohne daß die<br />
Mortalitätsursache mit ausreichender Deutlichkeit erkennbar gewesen wäre<br />
(Eichhorn, 1990). Zum anderen waren mit hoher Wahrscheinlichkeit Effekte der
212<br />
Nahrung auf die Larvenentwicklung zu erwarten. Streßbedingte Veränderungen<br />
der Fichtennadeln - insbesondere im Zusammenhang mit Symptomen der neuartigen<br />
Waldschäden - sind verbreitet Gegenstand umfangreicher Untersuchungen<br />
(Keller, 1989; Tesche, 1989). Es wäre überraschend, blieben die vielfältigen physiologisch-chemischen<br />
Streßreaktionen der Pflanze ohne Einfluß auf die Futterqualität<br />
und damit auf die Larvenernährung (Heliövaara u. Väisänen, 1993; Benz,<br />
1974).<br />
Geht man von der klassischen Einteilung der abundanzdynamischen Faktoren aus,<br />
so wären neben dem Nahrungsfaktor Effekte von Witterungseinflüssen sowie die<br />
Wirkungen natürlicher Gegenspieler in Betracht zu ziehen. Auf letztere wird im<br />
Zusammenhang mit den im Waldboden wirksamen Mortalitätsfaktoren ausschnittweise,<br />
jedoch ausführlich einzugehen sein. Ü berlegungen bezüglich Witterungs-<br />
und Klimaeffekten können nur am Rande angestellt werden. Schließlich soll<br />
versucht werden, aus den gewonnenen Erkenntnissen wenigstens ansatzweise<br />
Maßnahmen des präventiven Waldschutzes gegen C. abietis abzuleiten.<br />
2.2 Die Gradation im Böhmerwald<br />
Die Gradation von C. abietis im Untersuchungsgebiet war mit insgesamt ca.<br />
150 ha Befallsfläche verhältnismäßig eng lokalisiert. Sie trug die wesentlichen Züge<br />
der Massenvermehrungen dieses Insekts, wie sie auch in der · Literatur beschrieben<br />
werden (Pschorn-Walcher, 1982). Die Befallsherde lagen in 800-900 m<br />
Seehöhe und betrafen 60- bis 1 OOjährige Fichtenbestände auf Silikatstandorten.<br />
Wie z.B. aus dem Waldviertel berichtet (Schmutzenhofer, 1980), entwickelten<br />
sich gleichzeitig mehrere kleine Befallsherde von maximal 50 ha Größe, die jedoch<br />
voneinander isoliert blieben. Die drei bedeutenderen Vermehrungsherde<br />
(Streuplatz, Trautwald, Kochholz) befanden sich östlich des Reviers Sonnenwald<br />
im Bereich des sanft geneigten Ostabfalles des Bärenstein (Abb. 1 ). Drei weitere,<br />
sich andeutende Vermehrungsherde (Moldaublick, Bärnloch, Rehberg) befanden<br />
sich weiter westwärts.<br />
Die unterschiedliche Befallsintensität der sechs festgestellten Befallsherde wird<br />
auch durch die durchschnittlichen Nymphen-Belagsdichten (Eonymphen, Pronymphen)<br />
im Boden belegt, die im Mai 1987 nach dem starken Schadfraß 1986 ermittelt<br />
wurden (Tab. 1 ). Pro m2 Bodenfläche fanden sich in den Beständen von<br />
Streuplatz, Trautwald und Kochholz, die teilweise Kahlfraß erlitten hatten, :zwischen<br />
1000 und 1830 Erd Iarven. Mit 526-600 Individuen1m2 Bodenfläche waren<br />
die Belagsdichten in den drei anderen Vermehrungsherden vergleichsweise niedrig,<br />
aber dennoch im kritischen Bereich. Zwischen diesen Befallsherden und im<br />
ganzen übrigen Bereich des Untersuchungsgebietes erschien die Population von<br />
C. abie tis nach okularen Eindrücken aus den Baumkronen höchstens etwas<br />
erhöht. Wie die Probegrabungen auf den im Revier Sonnenwald gelegenen FIW<br />
Dauerbeobachtungsflächen S 1, S 2 und S 3 (Abb. 1) ergaben, waren die Belags-
213<br />
dichten im Boden auch bei relativer Nähe zu den Befallsherden mit 12-25 Nymphen<br />
pro m2 gering. Kontrollen der Belagsdichte im November 1990 auf sechs<br />
Standorten im Revier Sonnenwald und im Befallsgebiet Trautwald bestätigten das<br />
Bild von 1987 insofern, als die Werte der Latenzstandorte - so wie auch zuvor -<br />
nur etwa 1-5% der Werte aus den Gradationsflächen betrugen (Tab. 4).<br />
1 == Streuplatz<br />
2 = Trautwald<br />
3 = Kochholz<br />
4 = Mo ldaubl ick<br />
5 = Bärnloch<br />
6 = Rehberg<br />
0 �<br />
CSFR<br />
Cephalcia-Befallsgebiete<br />
[]] '�� ,,_<br />
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2 km<br />
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N<br />
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Moldaustausee<br />
_, .. J<br />
-,<br />
,. CSFR<br />
7 = Schöneben 1<br />
8 = Schöneben 2<br />
9 = Schöneben 3<br />
� w .. .. .. - ..<br />
Abbildung 1: Cepha/cia-Befallsgebiete ( 1-6) und FIW-Versuchsflächen (7-9) im<br />
Österreichischen Teil des Böhmerwaldes (Fischer, 1992).<br />
Figure 1: Sites of Cephalcia mass outbreaks (1-6} and FIW- experimenta! sites<br />
(7-9) in Austrian part of Bohemian Fo rest (Fischer, 1992).<br />
\ ... .. ... -
214<br />
Die räumlich relativ scharfe und quantitativ sehr deutliche Differenzierung zwischen<br />
Gradations- und Latenzbereichen sowie die enge Lokalisierung der Vermehrungsherde<br />
läßt auf eine kleinräumige Diversität der entscheidenden Verursachungsfaktoren<br />
schließen. Der Umstand, daß der bei C. abietis recht komplizierte<br />
Generationszyklus im gesamten Gebiet weitgehend synchron mit dominierender<br />
dreijähriger Generationsdauer zu verlaufen schien und daher auch die Dichtefluktuationen<br />
im Gradations- und Latenzgebiet einheitlich vonstatten ging, unterstreicht<br />
die räumliche Differenzierungsschärfe der gradationsrelevanten Verhältnisse.<br />
Sieht man vom höhenbedingten Topoklima und von der Altersklasse der<br />
Fichtenbestände ab, so kommen als differenzierende Ursachen theoretisch in<br />
Frage: Durch das Mesorelief des Geländes bedingte standortsklimatische Differenzen;<br />
Unterschiede des Bodenzustandes infolge Mesorelief, geologischem Untergrund,<br />
Pedogenese, Vegetations- und Nutzungsgeschichte oder Schadstoffdepositionen;<br />
unterschiedliche Qualität der Nahrungspflanze infolge Bodenzustand,<br />
Minera lstoffernährung, Mesoklima, Streßzuständen verschiedenster Ursache, Provenienz;<br />
lokale Hemmung wenig mobiler Gegenspieler durch Boden-, Bestandesklima-<br />
oder Vegetationsverhältnisse.<br />
Tabelle 1: Mittlere Belagsdichten und Schlüpfraten von Cephalcia-Nymphen im<br />
Mai 1987 in verschiedenen Befallsgebieten und in den FIW-Versuchsflächen<br />
(vgl. Abb. 1 l (Fischer, 1992).<br />
Ta ble 1: Average density of Cephalcia nymphs and pronymph ratio in May 1987<br />
in differen t mass outbreak sites and in the experimental FIW-sites S 1,<br />
S 2, S 3 (see also Fig. 1) (Fischer, 1992).<br />
Befallsgebiet Nymphen/rn" Schlüpfprozent<br />
outbreak site nymphs/m2 pronymphs %<br />
1 Streuplatz 1.478 3,09<br />
2 Trautwald 1.833 2,14<br />
3 Kochholz 996 0,77<br />
4 Moldaublick 526 0,89<br />
5 Bärnloch 588 1,85<br />
6 Rehberg 602 2,36<br />
7 FIW-S 1 25
215<br />
rationsdauer haben können (Eichhorn u. Pausch, 1986; Gruppe, 1993). ln den<br />
gradierenden Populationen dominiert häufig die dreijährige Dauer; so war es auch<br />
im Böhmerwald (Tab. 2).<br />
Tabelle 2: Die Fluktuation der Cepha/cia-Nymphen-Belagsdichte (la/m2) und der<br />
jeweiligen Pronymphenraten (Pron %) sowie der Abbaumzuwächse (plus<br />
La %) während der Jahre 1986 bis 1988 (Fischer, 1992).<br />
ln zwei verschiedenen Befallsgebieten 1 0 Grabungen pro Termin und Fläche<br />
Table 2: Fluctuations of Cephalcia-nymph densities (La/m2), the respective pro<br />
nymphe ratios (Pron %} and the annual in take of dropping nymphs<br />
(plus La %) during 1986 to 1988 (Fischer, 1992).<br />
Jn two different mass outbreak sites fStreuplatz 219 edge; Trautwald coreJ, means of<br />
10 samples per date and site<br />
Streuplatz (Randzone) Trautwald !Kernzone)<br />
Zeit/time La/m2 Pron % plus La% Latm• Pron % plus La%<br />
Mai 1986 572 17,19 684 24,30<br />
Aug. 1986 118 180<br />
Okt. 1986 655 1,72 1705 6,97<br />
Mai 1987 580 0,30 1708 2,14<br />
Aug. 1987 0 0<br />
Okt. 1987 420 7,23 1168 9,23<br />
Mai 1988 445 3,80 890 3,32<br />
Aug. 1988 0 0<br />
Okt. 1988 418 54,00 520 54,60<br />
Vergleicht man die Jahre mit starkem Blattwespenfraß im Rahmen der rezenteren<br />
mitteleuropäischen Gradationen, so läßt sich ein überregionaler, zusammenhängender<br />
Dreijahreszyklus von 1970-1979 im Waldviertel, von 1976-1982 in Bayern<br />
(und in schwacher Ausprägung bis 1985 im Böhmerwald, Revierteil Streuplatz)<br />
verfolgen (Schmutzenhofer, 1980; Eichhorn u. Pausch, 1986). Zeitlich davon<br />
abgekoppelt, begann ein neuer Gradationszyklus im Untersuchungsgebiet im<br />
Jahre 1986 mit rasch abklingender Fraßintensität im Jahr 1989 (Fischer, 1992).<br />
ln den jeweils dazwischen liegenden Jahren waren Schlüpfrate und Larvenfraß<br />
gering (Tab. 2).<br />
Für großräumig synchrone Fluktuationen werden Großwetterlagen als initiierende<br />
Ursachen verantwortlich gemacht. C. abietis dürfte durch warm-trockene Witterung<br />
während der Flug- und Eiablageperiode (Mai/Juni) sowie der Fraßperiode<br />
(Juni-August) begünstigt werden (Pschorn-Walcher, 1982; Eichhorn, 1990). Solche<br />
Bedingungen sind hauptsächlich in Jahren mit ausgeprägten Trockenperioden<br />
während der Vegetationszeit zu erwarten. Aus Daten der Wetterstation Rohrbach<br />
(Mühlviertel) gibt Stohl (1993) eine Ü bersicht über die Verteilung von Trockenpe-
216<br />
rioden zwischen 1950 und 1992. Auch wenn die Übertragbarkeit dieser lokalen<br />
Befunde auf entfernter gelegene Massenwechselgebiete fraglich ist, so fallen<br />
doch Jahresfolgen mit Häufungen von Trockenperioden von 30- bis 70tägiger<br />
Dauer auf. Eine solche Häufung ist in den Jahren 1970-1976 zu verzeichnen, mit<br />
Extremen in 1970, 1973 und besonders 1976 (Höhepunkt der Gradation im<br />
Waldvierte I, Beginn in Bayern). Eine zweite Häufung 'liegt zwischen 1982 und<br />
1986 mit extremer Ausprägung 1986 {Höhepunkt der Gradation im Böhmerwald).<br />
Diese Übereinstimmungen sprechen sehr für die Bedeutung niederschlagsarmer<br />
Großwetterlagen in der Auslösung der Gradationen von C. abietis. Die dabei wirksamen<br />
Mechanismen bedürfen allerdings noch einer genaueren Prüfung, zumal die<br />
Witterungseffekte ja offensichtlich kleinräumig variieren. Jene differenzierenden<br />
Umstände müssen auf bestimmten Eigenschaften der Waldökosysteme selbst<br />
beruhen.<br />
Eine wesentliche Rolle dürfte das Topoklima in bezug auf die Menge und Dauer<br />
der winterlichen Schneelage spielen. Indizien dafür sind die folgenden Umstände:<br />
Gradationen ereignen sich hauptsächlich in Höhenstufen oberhalb 600 m; die<br />
Gradationsgebiete liegen vorzugsweise in niederschlagsreichen Regionen mit relativ<br />
ergiebigen Niederschlägen auch im Winter und daher relativ langer Schneelage<br />
(im Untersuchungsgebiet 100 bis 200 Tage); die gravierenden Vermehrungsherde<br />
von C. abietis im Untersuchungsgebiet befinden sich ausnahmslos in der nach NE,<br />
S und SE exponierten Leelage an der Ostflanke des Bärenstein, an der nach Reimoser<br />
u. Zandl (1993) relativ mächtige und lange andauernde Schneelagen auftreten;<br />
schließlich berichtet Jahn (1976), daß ungewöhnlich starkes Schwärmen<br />
der Blattwespen im Frühjahr nach besonders langer Schneelage zu beobachten<br />
ist. Der zu vermutende positive Effekt einer lange andauernden Schneelage<br />
könnte entweder darauf beruhen, daß durch sie der Wespenflug und die Eiablage<br />
hinausgezögert und damit in eine spätere und wärmere Frühlingsperiode verschoben<br />
oder die Pronymphen- und Puppenmortalität im Boden vermindert wird.<br />
2.3 Abundanzynamische Einflüsse im Waldboden<br />
Im bayerischen Gradationsgebiet registrierte Eichhorn ( 1990) beträchtliche Verluste<br />
der C. abietis-Populationen während des Aufenthaltes der Nymphen im Boden.<br />
Ähnliche Befunde erhielten wir auch im Untersuchungsgebiet (Tab. 3). Der Schluß<br />
liegt nahe, daß die im Boden wirkenden Mortalitätsfaktoren auf den Gradationsverlauf<br />
entscheidend Einfluß nehmen können. Angaben, die die Natur dieser Faktoren<br />
betreffen, sind bei Pschorn-Walcher ( 1 982), Eichhorn ( 1 990) und Führer u.<br />
Fischer ( 1991) zusammengestellt.<br />
Die Bodenverhältnisse sind durch das basenarme Grundgestein (Granite, Schiefergneise)<br />
und die Nutzungsgeschichte geprägt. Es handelt sich um mehr oder weniger<br />
grobskelettreiche, mittel- bis tiefgründige Podsoi-Braunerden mit Übergängen
217<br />
zu Pseudogley bis Stagnogley. Bodenchemische Kennzeichen sind äußerst geringe<br />
Basensättigung und fortgeschrittene Versauerung, örtlich bis hin zum Elsen-Pufferbereich<br />
(Bium, 1990). Abgesehen von der geologischen Ausgangslage stehen<br />
niedrige pH-Werte besonders mit intensiver Streunutzung in der Vergangenheit,<br />
teils mit der nicht standortsangepaßten, reinen Fichtenwirtschaft, teils mit Einträgen<br />
saurer Luftschadstoffe im Zusammenhang (Katzensteiner, 1992).<br />
Tabelle 3: Mortalität der Cephalcia-Nymphen während zweier Jahre (getrennt<br />
nach Sommer- und Winterperioden) auf den Befallsflächen Streuplatz<br />
und Trautwald (Fischer, 1992).<br />
Table 3: Mortality of Cephalcia nymphs within two years, differentiated in to<br />
Zeitraum<br />
period<br />
summer and win ter periods, on the outbreak sites Streuplatz and Tra ut<br />
Mai - Okt.<br />
Okt. - Mai<br />
Total<br />
wald (Fischer, 1992).<br />
Streuplatz<br />
1986/1 987 1987/1 988<br />
80,7<br />
11,4<br />
92,1<br />
22,9<br />
< 1,0<br />
23,0<br />
Trautwald<br />
1986/1 987 1987/1 988<br />
95,8<br />
Häufigkeit I frequency<br />
218<br />
40�--- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -,<br />
30<br />
20<br />
PH<br />
Abbildung 2: Häufigkeitsverteilung der Boden-pH-Werte (in H20l aus den Cepha/cia-Befallsgebieten<br />
im östlichen Böhmerwald für das Jahr 1987; n = 179<br />
(Fischer, 1992).<br />
Figure 2: Fre quency (%) of pH-values (in H20) of soils recorded in mass Outbreak<br />
areas of C. abietis in 1987; n = 179 (Fischer, 1992).<br />
Wie Eichhorn (1990) unter Bezugnahme auf andere Autoren und aufgrund eigener<br />
Ermittlungen betont, kann die jährliche Nymphenmortalität im Boden zwischen<br />
60% und 33% betragen, wod urch nach dreijährigem Verbleib im Boden nur mehr<br />
ein geringer Teil des ursprünglichen Nymphenbelages zum Schlüpfen gelangt.<br />
Außer der hohen Nymphenmortalität beobachtete Eichhorn ( 1990) noch eine ausgeprägte<br />
Sterblichkeit während der Metamorphose. Sie führte zu baträchliehen<br />
Verlusten im Pronymphen- und Puppenstadium während der Zeit zwischen Ende<br />
September und dem folgenden Mai.<br />
Im Untersuchungsgebiet (Böhmerwa ld) wurden ebenfalls beträchtliche Sterblichkeitsraten<br />
der Nymphen festgestellt. Zwischen allgemeiner Nymphenmortalität<br />
und Metamorphosemortalität wurde nicht unterschieden, wohl aber zwischen den<br />
Sterblichkeitsraten im Sommer- und Winterhalbjahr (Tab. 3). Die Berechnung der<br />
Sommermortalität erfolgte unter Berücksichtigung der generationsbedingten<br />
Abgänge (Schlüpfrate) und Zugänge (Abbaumen) der Belagsdichte. Auffallend<br />
hoch war die Sommermortalität von 80-96% im Hauptfraßjahr 1986, im nachfolgenden<br />
Sommerhalbjahr lag sie bei 22-23%. Sehr geringe Mortalität konnte während<br />
der beiden untersuchten Winterhalbjahre (nach dem Hauptfraß) konstatiert<br />
werden, doch betrug sie in einem Fall immerhin 24%. Zwischen den Kontrollterminen<br />
Oktober und Mai registrierte Rückgänge der Pronymphenraten auf die
219<br />
Hälfte bis ein Sechstel (Tab. 2) könnten auf die von Eichhorn beschriebene<br />
Metamorphose-Mortalität zurückgeführt werden. Sie könnten theoretisch aber<br />
auch auf unkontrollierten Verlusten im Frühjahr, d.h. also auf einem systematischen<br />
Fehler beruhen, der im Falle einer weiteren Metamorphose entweder durch<br />
Schlüpfen der Wespen oder durch den unbemerkten Verlust der sehr leicht verletzbaren<br />
Puppen bei der Probegrabung bedingt sein könnte .<br />
Als eine wichtige Morta litätsursache bei den Nymphen von C. abietis im Boden<br />
konnte im Untersuchungsgebiet der entomoparasitische Nematode Steiemema<br />
kraussei ermittelt werden (Fischer u. Führer, 1990; Führer u. Fischer, 1991;<br />
Fischer, 1992). Diesem wird von Eichhorn (1990) {dort unter dem Synonym<br />
S. bibionis) geringe, von Mracek (1982) dagegen größere Bedeutung beigemessen.<br />
pH 3<br />
H20 % 0<br />
CA/m' 0<br />
SK/1 0<br />
,<br />
,<br />
,<br />
,<br />
I<br />
'<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
i<br />
I<br />
4<br />
50<br />
150<br />
50<br />
_ pH-Wert<br />
H20 %<br />
• CA/m'<br />
• SK/1<br />
Abbildung 3: Beispiel eines durchschnittlichen (n = 1 0) Bodenprofils (Trautwald,<br />
Oktober 1990) mit Vertikalverteilung der pH-Werte (in H20; volle Linie),<br />
des rel. Wassergehaltes (H20 %; gestrichelte Linie), der Belagsdichte<br />
der Cephalcia-Nymphen pro m2 (CA·m-2; helle Balken) sowie von Steinemema<br />
kraussei pro Liter (SK·I-1 ; dunkle Balken) (nach Flesch, 1993).<br />
Figure 3: Example of an average (n = 1 0) soil profile (Trautwald, Oct. 1990}<br />
5<br />
100<br />
300<br />
100<br />
sho wing the vertical distrib ution of pH-values (in H20; solid lin e), of<br />
relative water content {%H20; broken line), of density of Cepha/cia-<br />
2<br />
nymphs per m2 (CA ·m - ; brigh t bars) and of Steinemema kraussei per<br />
Iiter soil (SK·t 1 ; dark bars) (after Flesch, 1993).
220<br />
Tabelle 4: Durchschnittswerte (n = 1 0) des Boden-pH, der Nymphen-Belagsdichte<br />
(La/m2) und Antreffwahrscheinlichkeit (AW%) von C. abietis sowie der<br />
Dichte (Ne/1) und Antreffwahrscheinlichkeit von Steinernema kraussei,<br />
wie auch der Dichterelation Ne/1 : La/m2 (Ne/La-Rel) aus Befalls- und<br />
Latenzflächen (SW = Rev. Sonnenwald I aus den Jahren 1987 und 1990.<br />
abc: Werte mit verschiedener Kennzeichnung unterscheiden sich signifikant.<br />
Ta ble 4: Densities of Cephalcia nymp hs and Steinernema in different epidemic<br />
and endemic sites. Means of 10 samples; records in fall 1987 (year<br />
after culmination} and fall 1990 (retrograda tion).<br />
All sites except Streuplatz and Trautwald endemic conditions; SW= district Sonnenwald;<br />
pH values of soil (in H 2 0J: Cephalcia La!m•=nymphs!m •; Steinemama<br />
Ne/l=nematodes per Iiter; AW% =percentage of samples, where specimens were present;<br />
Ne/La-Re/= relation of Nematode:Cephalcia densities; abc =different letters in dicate<br />
significant difference, p < 0, 05<br />
Standort pH Cephalcia Steinemama Ne/La<br />
site La/m2 AW% Ne/1 AW% -Re I<br />
Jahr 1987<br />
Trautwald 1168,00 0,0 0,00<br />
Streuplatz 420,00 466,0 1 '11<br />
SW-FIW S 1 25,00 26,0 1,04<br />
SW-FIW S 2 12,00 1 1,0 0,92<br />
SW-FIW S 3 14,00 4,0 0,29<br />
Jahr 1990<br />
Trautw. 1 3,81 392,00c 100 17,6 70 0,04<br />
Trautw. 2 4,06 325,90c 100 43,4 80 0,13<br />
sw 93 3,86 3,75b 70 0,0 0 0,00<br />
SW 232 3,87 5,25b 70 0,6 10 0,1 1<br />
sw 235 3,86 14,50a 90 0,9 40 0,06<br />
SW 263 3,94 20,00a 100 3,2 30 0, 16<br />
sw 386 3,86 5,75b 90 2,9 40 0,50<br />
SW 394 3,95 7,25b 80 0,7 10 0,10<br />
Der Entwicklungszyklus dieses Nematoden vollzieht sich größtenteils in der Leibeshöhle<br />
des Wirtes (hier den Nymphen von C. abietis), in die er als "invasives"<br />
3. Larvenstadium über Körperöffnungen eindringt. Diese L3-Stadien hatten davor<br />
jene Wirte, in denen sie sich entwickelt hatten, verlassen und während ihrer<br />
freien Lebensweise im Boden den neuen Wirt aufgesucht. Die Nematoden sind<br />
daher eine Zeit lang dem Bodenmilieu ausgesetzt. Ihr Parasitismus in der Leibeshöhle<br />
des Wirtes umschließt alle übrigen Entwicklungsstadien des Nematoden und<br />
endet in der Regel für den Wirt tödlich. Die getöteten Nymphen unterliegen dann<br />
einer raschen bakteriellen Zersetzung und sind daher wenige Wochen nach erfolgter<br />
Parasitierung nicht mehr auffindbar. Frei im Boden lebende L3-Stadien des<br />
Nematoden lassen sich mittels der Ga//eria-trap-Methode (Mracek, 1980) aus den<br />
Erdproben isolieren. Über den Wirtekreis dieses Parasiten besteht noch weitge-
221<br />
hende Unklarheit .. Nach Untersuchungen von Flesch (1993) scheinen zumindest<br />
Blattwespenarten, wahrscheinlich auch im Boden befindliche Schmetterlingsraupen<br />
(siehe Gallerial hinzuzurechnen sein. Nähere Einzelheiten über die Lebensweise<br />
des Nematoden finden sich bei Fischer (1992).<br />
Das Vermehrungs- und Parasitierungspotential von S. kraussei ist bemerkenswert<br />
(Abb. 4). Aus einem einzelnen parasitierten Wirtsinsekt werden schließlich mehrere<br />
tausend invasive L3-Stadien freigesetzt. Bei 150 beträgt die Generationsdauer<br />
durchschnittlich 21 Tage, so daß im Laufe einer Vegetationsperiode zahlreiche<br />
neue Invasionswellen vonstatten gehen können. Die Parasitierungsrate der Nymphen<br />
schwankt in weiten Grenzen (0-30% bei Momentaufnahmen).<br />
Abbildung 4: Durchschnittliche Parasitierung<br />
(%) durch Steinemema<br />
kraussei in Abhängigkeit<br />
von den Wirtsdichteklassen<br />
(Cephalcia<br />
Nymphen pro 0,25 m2) in<br />
verschiedenen Befallszonen<br />
des Gebietes Streuplatz<br />
(Fischer, 1992).<br />
n =50 Grabungen von Mai bis<br />
Sept. 1987<br />
Figure 4: Average ra te<br />
(and standard devia tion} of<br />
parasitiza tion (%) by Stei<br />
nemema kraussei, in rela<br />
tion to host density<br />
classes (C. abietis-n ymphs<br />
per 0, 25 m2) in different<br />
zones of in festation in out<br />
break area Streuplatz<br />
(Fischer, 1992}.<br />
n =50, samples during May to<br />
Sept. 1 987<br />
Die Ursachen dafür sind vielfältig:<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
0-50 50-1 00 1 00-1 50 150-200<br />
Wirtsdichteklassen I host density classes<br />
* Die Parasitierungsrate erwies sich bis zu einer Nymphendichte von etwa<br />
600 Individuen1m2 positiv dichteabhängig; bei höherer Nymphendichte war<br />
keine Dichteabhängigkeit mehr nachweisbar (Abb. 4) . Bei Nymphen-Belagsdichten<br />
< 1 O/m2 tendiert die Nematodendichte ebenfalls gegen Null (Tab. 4).<br />
Allerdings kann die Dichte freier Nematodenstadien nicht als direktes Maß für<br />
die Parasitierungsrate dienen, wohl aber sagt sie etwas über das Parasitierungspotential<br />
aus.
222<br />
* Ein Einfluß des Metamorphosestadiums von C. abietis auf die Parasitierungsrate<br />
besteht insofern, als mit zunehmendem Pronymphen-Anteil in der Population<br />
die Parasitierungsrate signifikant ansteigt. Ü berdies zeigte sich im Experiment,<br />
daß Puppen von den Nematoden um ein Vielfaches schneller und häufiger<br />
parasitiert werden als Eonymphen (Fischer, 1992). Ein Zusammenhang mit der<br />
von Eichhorn ( 1 990) beschriebenen Metamorphosemortalität liegt nahe.<br />
* Die Vertikalverteilung der Nematoden im Bodenprofil folgt etwa dem im Abbildung<br />
3 dargestellten Beispiel (Fiesch, 1993). Während die räumliche Bindung<br />
an jene Bodenhorizonte, in denen die Cephalcia-Nymphen gelagert sind, nicht<br />
überrascht, erscheint die Präsenz der S. kraussei auch im Auflagehumus<br />
bemerkenswert. Dies könnte einerseits auf die Annahme auch von Wirtsarten<br />
hindeuten, die sich in der Humusauflage aufhalten, wie z.B. Fichten-Nematinen<br />
(Hym., Tenthredinidae) (Fiesch, 1993). Andererseits kann man auf eine<br />
gewisse Mobilität der invasiven Nematodenstadien in vertikaler Richtung<br />
schließen. ln horizontaler Richtung bre iteten sich nach punktueller Applikation<br />
in den Mineralboden die Nematoden bis zu einem Radius von ca 2 m aus<br />
(Fischer, 1992).<br />
* Die Parasitierungs- und Nematodendichte unterliegt auch einer saisonalen<br />
Dynamik mit einem Maximum im Frühherbst (Mracek, 1982; Fischer, 1992).<br />
Während der Sommermonate kann eine sehr deutliche Depression eintreten,<br />
besonders während anhaltender Trockenperioden (Abb. 5). Frei lebende Nematoden<br />
sind trockenheitsempfindlich.<br />
* Wesentlich für die Wirksamkeit der Nematoden ist auch das chemische Bodenmilieu.<br />
So sind die Parasitierungsraten abhängig vom pH-Wert des Bodens<br />
(Abb. 6). Mit abnehmendem Boden-pH unter pHH2o 4,0 sinkt das Parasitierungsprozent<br />
gegen Null. Laborexperimente belegten die Säuresensitivität des<br />
Nematoden, indem seine Aktivität und sein Erfolg bei der Wirtssuche bei Werten<br />
von pHH2o
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
223<br />
May Jun. Jul. Aug. Sept. Oct.<br />
1986<br />
Dprecipitation (mm) -e-nymphs I 0,25qm ... nematodes per Iiter<br />
May Jun. Jul. Aug.<br />
1987<br />
Sept. Oct.<br />
DNiederschlag (mm} -&Nymphen I 0,25qm -ii-Nematoden pro Liter<br />
Abbildung 5: Dichte der Nematoden pro Liter und der parasitierten Cephalcia<br />
Nymphen pro 0,25 m2 sowie Verteilung der Niederschläge während der<br />
Vegetationszeiten 1986 und 1987 im Befallsgebiet Streuplatz {Fischer,<br />
1992).<br />
Mittelwerte aus je 1 0 Grabungen pro Monat<br />
Figure 5: Density of nematodes per Iiter soil and of parasitized Cephalcia nymp hs<br />
per 0, 25 m2 in relation to monthly rain fall (in mm) during the seasons<br />
1986 and 1987 in th e outbreak area Streuplatz (Fischer, 1992).<br />
Density means of 10 samples per month
% Parasitierung I parasitization<br />
224<br />
3,1 - 3,3 3,4 -3,6 3.7 -3,9<br />
Boden I soil - pH<br />
44,0 -4,2 4,3 -4,5<br />
Abbildung 6: Die Parasitierungsraten von C. abietis-Nymphen durch S. kraussei<br />
bei verschiedenen Boden-pH-Werten (in H20) in der Randzone des Vermehrungsherdes<br />
Streuplatz in 1987 (Fischer, 1992) .<br />
Figure 6: Relationship between soil pH- values (in H20J and average parasitization<br />
3,5<br />
rates of Cephalcia nymphs by Steiemema kraussei in Streuplatz 1987<br />
(Fischer, 1992).<br />
Parasit-Wirt-Dichte-Verhältnis I parasite-host-density ratio<br />
3 J<br />
.. · ····· ················ ·············· ································ ······················ ········ ··············•···· ······ ·<br />
2,5<br />
3.1 -3 .3 a4 -36 a7 -a9 �0-�2<br />
Boden- I soil-pH<br />
4. 3-4.5<br />
Abbildung 7: Variation des Verhältnisses zwischen Parasitendichte (Nematoden<br />
pro Liter) und Wirtsdichte (Nymphen pro m2) in Abhängigkeit vom<br />
Boden-pH-Wert (Fischer, 1992).<br />
Figure 7: Varia tion of the parasite-host-density ratio in dependence on pH- value<br />
(in H20J of soi/ (nematode per Iiter; nymphs per m2) (Fischer, 1992).
225<br />
lungsexponierte Standorte in bezug auf die Wirkung von S. kraussei als Mortalitätsfaktor<br />
der Nymphen wenig Sicherheit zu bieten. Bodenversauerung als Dispositionsfaktor<br />
für Gradationen von C. abietis wird sich bei anhaltenden Einträgen<br />
saurer Luftverunreinigungen und bei Fortdauer der reinen Fichtenwaldbestockung<br />
vermutlich im lauf der Zeit verstärken. Andererseits bestehen Möglichkeiten, der<br />
Versauerung entgegenzuwirken bzw. sie durch Bodensanierungsmaßnahmen<br />
etwas zu kompensieren (Jandl u. Katzensteiner, 1992).<br />
Freilandversuche, die auf dieses Ziel ausgerichtet waren, brachten ermutigende<br />
Ergebnisse. Die zur Unterstützung der vorhandenen Nematodenpopulation ausgebrachten<br />
Bodenhilfsstoffe waren unter Bedachtnahme auf die in der Waldbodensanierung<br />
gemachten Erfahrungen ausgewählt worden (Tab. 5).<br />
Ta belle 5: Anlage eines Freilandversuchs zur Unterstützung der vorhandenen Steinernerna-Population<br />
mittels verschiedener Bodenbehandlungsvarianten.<br />
Düngemittel wurden trocken und von Hand oberflächlich aufgebracht (Ergebnisse siehe<br />
Abb. 8).<br />
Ta ble 5: Design of a field experiment for testing augmentation of in digenous Stei<br />
nemema popula tions by soil treatment with different fertilizers.<br />
BIOMAG=magnesite product, BIOSOL =organic waste product; application of fertilizers<br />
dry and by hand on soil surface (results see Fig 8)<br />
Düngemittel kg/ha Fläche ha Datum d. Beh. Datum d. Kontrollen<br />
fertilizer area ha date of treat date of records<br />
unbehandelt 0,25 10.89, 05.90, 10.90, 05.91<br />
untreated<br />
Düngekalk 3000 0,25 11.89 10.89, 05.90, 10.90, 05.91<br />
lime<br />
BIOMAG K 2000 0,25 11.89 10.89, 05.90, 10.90, 05.91<br />
+ BIOSOL +2000<br />
BIOMAG S 2000 0,25 05.90 05.90, 10.90, 05.91<br />
Die Entwicklung der Nematodendichten sowie der Parasitierungsraten in den<br />
Monaten/Jahren nach der Ausbringung der Substanzen in trockener Form und in<br />
praxisüblichen Konzentrationen wurden durch Stichprobenahmen in entsprechenden<br />
Zeitintervallen ermittelt {Tab. 5, Abb. 8). Schon geringfügige Anhebung des<br />
Boden-pH-Wertes um wenige Zehntel Einheiten war mit signifikanten Steigerungen<br />
der Nematodendichte bzw. Parasitierungsprozente korreliert. Besonders wirksam<br />
erwiesen sich Düngekalk sowie die Kombination von BIOMAG K + BIOSOL<br />
Die positive Wirkung auf die Nematoden war noch im 2. Jahr nach der Bodenbehandlung<br />
nachweisbar. Es besteht daher grundsätzlich die Möglichkeit, durch<br />
Bodensanierungsmaßnahmen, die einen wenigstens leichten und nachhaltigen
226<br />
Neutralisationseffekt erzielen, in stark versauerten Fichtenwaldböden die Voraussetzungen<br />
für die Wirksamkeit der vorhandenen Nematodenpopulation zu verbessern.<br />
Bodensanierungsmaßnahmen sind daher geeignet, zur Stärkung der Dichteregulation<br />
von C. abietis rasch und wirksam beizutragen. Die lokale Massenfraisatzung<br />
von Nematoden mit dem Ziel, kleine Vermehrungsherde von C. abietis<br />
rasch auszuschalten, wäre als unterstützende Maßnahme aussichtsreich (Fischer,<br />
1992).<br />
C. abietis % Paras. I rate of paras .<br />
8 ,---------------------�---------------------------�<br />
6 -+- ················-·-·--· · ····· ··········-······· - ·· ···-·-····<br />
4 --j - ···-·········· ···-···-······ ······················· · ······-·-·-···· ····- ---·- ··················· · · · ·······-·- - · · ·-·-····················· --<br />
2 -+ ·-··· ····· - -···-·· ····························· ··-········ · ·····<br />
0<br />
Okt. 89 Mai 90 Okt. 90 Mai 91<br />
Bunbehandelt I untreated illTIJ Kalk I lime lill!!!<br />
BIOMAG-K + BIOSOL DBIOMAG-S<br />
Abbildung 8: Effekte von vier Bodenbehandlungs-Varianten auf die Parasitierung<br />
von C. abietis-Nymphen durch S. kraussei (Fischer et af., 1992).<br />
Behandlung im Nov. 1989; Mittelwerte aus 10 Grabungen pro Termin und Variante)<br />
Figure 8: Follo w-up effects of fo ur different soil treatments on Steinernema-para<br />
sitization rates (%) in Cephalcia nymph populations (Fischer et al.,<br />
1992).<br />
Treatment in Nov. 1989; means of 10 samples per variant and date (see also Tab. 5)<br />
2.4 Der Massenwechselfaktor Nahrungsqualität<br />
Obwohl Eichhorn ( 1 990) der Nahrung als Massenwechselfaktor für C. abietis<br />
keine große Bedeutung beimißt, gaben doch Befunde aus den FIW-Versuchsflächen<br />
Anlaß, das Gegenteil zu vermuten. ln der Vegetationsperiode 1986 wurde<br />
auf den drei Flächen die Pronymphen-/Puppendichte im Mai vor dem Wespenschlupf<br />
und die Eonymphendichte im November (nach dem Abbaurnen der Nach-
227<br />
kommen) erhoben. Aus diesen Werten läßt sich der Vermehrungskoeffizient<br />
(VK = N2/N1 l der Population für jede Fläche errechnen. Er war sehr verschieden<br />
und betrug 4,46 auf S1, 10,67 auf S2 und 26,1 1 auf S3 (Abb. 9). Gegensinnig<br />
zur Rangfolge der VK verhielten sich die Mengen an Larvenkot, die während derselben<br />
Vermehrungs- und Fraßperiode auf den Kotfangtüchern gemessen wurden.<br />
Auf S1, der Fläche mit dem niedrigsten VK und den geringsten Eonymphen-Dichten<br />
im Herbst war während der Fraßzeit der Kotfall am stärksten; umgekehrt auf<br />
Fläche S3 mit dem höchsten VK von 26,1 1 und der höchsten Eonymphen-Dichte<br />
im Herbst war der Kotfall am geringsten (Abb. 9).<br />
40 �-�-----<br />
10<br />
0<br />
--�=== == == == == == == == == == =�- -- -- -- -,<br />
llli!I Pu/qm 5/86 �g Kot/qm<br />
Dla/qm 1 1/86<br />
S1 S2 S3<br />
Abbildung 9: Verhältnisse zwischen Puppendichte ( = Schlüpfrate im Mai 1986)<br />
(Pu/m2), Kotfall (g/m2) und Dichte abgebaumter Larven (La/m2) von<br />
C. abietis im August 1986 auf den drei FIW-Fiächen S 1, S 2, S 3 im<br />
Latenzgebiet (Fischer 1992).<br />
Figure 9: Relations between number of pupae (Pu/m 2) in May 1986, frass-drop<br />
(g/m 2) during summer 1986 and number of dropping mature larvae<br />
(L a/m2) in August 1986, per square meter each, in three FI W-sites S 1,<br />
S 2, S 3 outside the epidemic area {Fischer, 1992).<br />
Die vergleichende Kontrolle der Abbaumdichten erwachsener Larven (spätere<br />
Eonymphen) mittels Fangtrichtern sowie der Frischgewichte der Larven von je<br />
8 Bäumen auf den drei Flächen (n = 24) zeigte einen unerwarteten, signifikant<br />
positiven Zusammenhang zwischen der Dichte und dem Individualgewicht<br />
(r =0,6177***) (Abb. 10) (Fischer, 1992).
1,4<br />
1,2<br />
1<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
228<br />
C. abietis-Larven mittl. rel. FG I average rel. fresh weight<br />
"<br />
"<br />
illl<br />
illl<br />
illl<br />
illl<br />
,--- -- --,<br />
e Sl<br />
J. S2<br />
illl S3<br />
-regress .<br />
0,2 �1-,,-ro,-�-r, ' '1_, , "-,"_ ,-",-r., -r>-rTO,-r ; "-,,-,.,-"�<br />
0 5 10 15 20 25 30 35<br />
C. abietis mittlere Larvendichte I mean number of larvae<br />
Abbildung 10: Korrelation zwischen mittleren normalisierten Larvenfrischgewichten<br />
(Mittelwert = 1 ) und der mittleren Larvendichte pro Trichter und<br />
Baum bei je 8 untersuchten Bäumen der FIW-Fiächen S 1, S 2, S 3.<br />
(Fischer, 1992) .<br />
r=0,6177; p
229<br />
ger sein dürften als symptomlose Benadelung. Der Frage nach etwaigen Zusammenhängen<br />
zwischen dieser Erscheinung und dem Streß- oder Ernährungszustand<br />
des Wirtsbaumes wurde auf zweierlei Weise nachgegangen. Eine Abschätzung<br />
der Junglarvenmortalität (L1 -L3) erfolgte anhand befallener Probezweige aus 48<br />
Bäumen aus dem Revierteil Trautwald, von denen neben habituellen Merkmalen<br />
(Kronenverlichtung nach Pollanschütz et al., 1985) auch verschiedene nadelchemische<br />
Parameter erhoben wurden. Die Zweigproben wurden Anfang Juli 1989<br />
vorsichtig entnommen, so daß aus den bereits vorliegenden, jungen Gespinst<br />
Nestern lebende und tote Larven sowie hängengebliebene Kopfkapselexuvien isoliert<br />
werden konnten. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Larven maximal das 3. Stadium<br />
erreicht. Je Baum wurden mindestens 20 Larvennester untersucht; aus den<br />
erhobenen Daten konnte die baumspezifische, ungefähre Junglarvenmortalität<br />
errechnet werden. Sie bewegte sich zwischen 5,2% und 53,9% und lag im<br />
Gesamtmittel bei 22,26% ( ± 1 1,3%). Eine lockere Beziehung zum Grad der Kronenverlichtung<br />
bestand insofern, als mit zunehmendem Verlichtungsgrad der<br />
Anteil von Bäumen zunahm, an denen Mortalitätswerte > 25% festgestellt worden<br />
waren (Abb. 11 ). Dies gibt Grund zu der Vermutung, daß sich die Futterqualität<br />
der Fichtenaltnadeln für die Junglarven mit zunehmender Kronenverlichtung<br />
verschlechtert. Diese Qualitätsdifferenzen könnten mit bestimmten Nadelinhaltstoffen<br />
(Stickstoff, Polyamine, Polyphenole, Rohfasergehalt) zusammenhängen<br />
{Führer et al., in Vorber.).<br />
Abbildung 11: Anteil von Baumindividuen mit<br />
niedriger (25%)<br />
Junglarven - Mortalität (JLMo) von<br />
C. abietis in den drei Kronenverlichtungsklassen<br />
(KVSt).<br />
Fig ure 11: Percen tage of trees within each cate<br />
gory of cro wn thinning (KVSt) with<br />
mortality ra tes (JL Mo) < 5% and<br />
> 25 %, resp ectively, of young larvae of<br />
C. abietis.<br />
KVSt: 1 = nichtverl./non thinned, 2 =schwach<br />
verl.lslightly thinned, 3 =mittel verl.lmoderatly<br />
thinned, n Bäumein trees = 1 6 pro KVSVper<br />
category, total n = 48; date of record: July 1989<br />
So<br />
0<br />
JLMo<br />
< 1/4<br />
0<br />
tT;T;r,J<br />
l:.lllJ.<br />
Erste Erkenntnisse über den Einfluß von Nadeleigenschaften auf Wachstum bzw.<br />
Körpergewicht der Larven lieferten Nadelanalysen von 12 der 24 Probebäume auf<br />
den Versuchsflächen S 1 bis S 3, an denen im Jahre 1986 die Abbaumdichte und<br />
Larvengewichte bestimmt worden waren (Abb. 1 0). Für diesen Vergleich wurden<br />
die nadelchemischen Daten von der Probenahme am 1.7. bzw. 1.9.1986 herangezogen,<br />
einem Zeitpunkt, an dem die später gewogenen Larven bereits gefressen<br />
hatten und noch weiter fressen würden. Die in Tabelle 6 zusammengestellten
230<br />
Analysendaten sind Ergebnisse aus den Untersuchungen verschiedener, kooperativ<br />
beteiligter Arbeitsgruppen.<br />
Mit keinem der hier zusammengefaßten chemischen Nadelparameter korrelieren<br />
die Frischgewichte der abbaurnenden Larven. Eine gewisse Ausnahme bildet<br />
Gesamt-Stickstoff (N tot l , bei dem sich ein Trend zur positiven Korrelation mit dem<br />
Larvengewicht andeutet. Erst durch die Kombination mehrerer chemischer Kennwerte<br />
zeigte sich eine deutliche positive Beziehung zum Larven-Frischgewicht<br />
(Abb. 12).<br />
Tabelle 6: Abbaumdichten (La/m2) und Frischgewichte (mg FG) erwachsener<br />
Cephalcia-Larven sowie Nadelinhaltstoffe des 2. Nadeljahrganges (1985)<br />
und N-SH-S-ASC-Index von 12 Probebäumen der FIW-Fiächen S 1 ( 1 05-<br />
115), S 2 (202-210) und S 3 (303-310).<br />
N tot = Gesamtstickstoff, S tot = Gesamtschwefel, SH =wasserlösliche Thiole,<br />
ASC =Ascorbinsäure; 1) = Probenahme 1.07. 1986, Analysedaten von AG Glatze!;<br />
21 = Probenahme 1.09.1 986, Analysedaten von AG Grill (siehe auch Abb. 12)<br />
Ta ble 6: Dropping density (La/m2) and average fresh weights (mg FG) of mature<br />
Cephalcia larvae; chemical conten ts of 2 nd needle generation and N-SH<br />
S-A SC index (see Fig. 12) of 12 trees in the FI W sites S 1, S 2, S 3.<br />
1} = Sampling date 1.07. 1986, data from AG Glatze!; 2J = Sampling date 1.09. 1986,<br />
data from AG Grill<br />
Baum Nr. Cephalcia 2. Nadeljahrgang/2 nd needle generation<br />
tree No. La/m2 mg FG N tot 1 l S tot 1 l SH 2) ASC 2) N-SH-S-ASC<br />
%TG %TG pM/g FG mg/g FG Index<br />
105 3,0 86,6 1 '1 07 ,096 ,17 1,40 1,818<br />
107 56,6 160,9 1,249 ,098 '18 1,21 2,175<br />
111 3,2 95,6 1,258 '113 ,28 1,27 2,988<br />
115 5,2 136,7 1,052 ,081 '18 1 '11 2,222<br />
202 20,6 143,7 1 '143 ,073 ,29 1,78 4,356<br />
205 12,0 121,8 1 '155 ,076 ,23 1,62 3,338<br />
206 44,0 180,6 1,433 ,099 ,56 3,42 7,759<br />
210 11,0 168,2 1,396 '108 ,43 1,77 5,379<br />
303 15,2 117 ,0 1,541 '102 ,22 0,79 3,245<br />
308 29,2 118,0 1,567 '112 ,27 1,75 3,602<br />
309 41,0 154,2 1,334 '106 ,28 1,32 3,396<br />
310 31,2 121,3 1,341 1103 '17 1,72 2,042<br />
Der hier errechnete "ernährungsphysiologische Nadelindex" (N-SH-S-ASC-Index)<br />
(NtofSH):Stot-10-1 Asc läßt darauf schließen, daß der Gesamt-N-Gehalt der Nadeln<br />
deren Futterqualität verbessert, der Gesamt-S-Gehalt sie eher verschlechtert. Die<br />
positive Wirkung der Thiole (SH) deutet darauf hin, daß organisch gebundener<br />
Schwefel für die Nahrungsqualität günstig ist, was den Schwefel-Stoffwechsel
231<br />
Abbildung 12: Zusammenhang zwischen<br />
dem N-SH-S-ASC-Nadelindex<br />
und dem Frischgewicht erwachsener<br />
Cepha!cia-Larven<br />
(mg FG) (siehe Tab. 6).<br />
Daten aus einjährigen Nadeln im Juli<br />
bzw. Sept. 1986 aus den FIW-<br />
Fiächen S 1 ,S 2, S 3<br />
Figure<br />
12: Gorrelation between mean<br />
fresh weights of mature<br />
Cephalcia larvae (mg FG)<br />
(field da ta) and the N-SH-S<br />
ASC-needle index of thelr<br />
m g FG<br />
IBo<br />
1 6o<br />
14o<br />
1 20<br />
fo od, i. e. one year old 1 0 o<br />
needles taken in July and<br />
Sept. 1986 from the<br />
respective host trees in FI W-<br />
sites S 1, S 2, S 3 (see also<br />
Ta b. 6}.<br />
0<br />
I<br />
I<br />
I 0<br />
I<br />
I<br />
•<br />
I<br />
I<br />
. .<br />
I<br />
I<br />
2<br />
. '<br />
4 6 8<br />
N- SH -S-Asc-lndex<br />
N-SH-S-ASC - Nadelindex/needle index = IN to fSH·S to( 1 l-ASC· 10 -1 ; N tot• S tot<br />
in % TG/in %dryweight; SH!water soluble thiols in pM ·g -1 FG/in pM·g· 1 freshw.;<br />
ASC/ascorbic acid in mg·g -1 FG!Ji1 mg·g -1 freshw.<br />
des Baumes im Hinblick auf die Futterqualität der Nadeln interessant erscheinen<br />
läßt. Negative Wirkung auf die Nahrungsqualität scheint in gewissem Ausmaß<br />
auch der Ascorbat-Gehalt (Ase) auszuüben. Dies muß nicht unbedingt als physiologischer<br />
Ascorbat-Effekt verstanden werden. Da erhöhter Ascorbat-Gehalt als<br />
Indikator für pflanzlichen Streß angesehen wird (Grill et al., 1988), könnte die<br />
durch den Ascorbat-Wert ausgedrückte Qualitätsbestimmung der Nadeln auch<br />
stellvertretend für den Effekt eines allgemeinen Streßzustandes des Baumes stehen.<br />
Nach Gasch et al. (1988) scheint auch die Relation zwischen organisch<br />
gebundenem und anorganischem Schwefel in den Nadeln Aussagen über die physiologische<br />
Belastung des Baumes durch Schwefel zu erlauben. Auch in diesem<br />
Sinne deutet der N-SH-S-Asc-lndex auf eine die Nahrungsqualität mindernde Wirkung<br />
starker Streßzustände des Baumes. Diese Befunde werden durch Gewichtsund<br />
Analysendaten von anderen im Jahre 1989 im Trautwald beprobten Bäumen<br />
gestützt (Führer et al., in Vorb.).<br />
3 SCHLUSSBETRACHTUNG<br />
Gewichtige Indizien sprechen dafür, daß der Massenwechsel der Fichtengespinstblattwespe,<br />
Cephalcia abietis, einerseits als Reaktion auf regional- und topoklimatische<br />
Bedingungen zu verstehen ist, andererseits jedoch durch die Variation der<br />
Bodenverhältnisse und des physiologischen Zustandes der Wirtspflanze kleinräu-
232<br />
mig, aber entscheidend modifiziert wird . Dadurch kann es zur gleichzeitigen Entstehung<br />
von räumlich isolierten Vermehrungsherden kommen, die je nach der<br />
qualitativen Strukturierung der dazwischen liegenden Bereiche sowie in Abhängigkeit<br />
vom Fortdauern der Gradation zu großflächigen Befallsgebieten zusammenfließen<br />
können. Es erscheint daher wichtig, die wesentlichen Kennzeichen<br />
jener Standortseinheiten wahrzunehmen, die für die Entstehung lokaler Vermehrungsherde<br />
prädisponiert sind. Auf sie können sich dann einerseits Überwachung,<br />
Prävention und ggf. frühzeitige Bekämpfung konzentrieren; an ihnen kann sich<br />
andererseits die Waldbewirtschaftung i. S. einer Minderung des Schadrisikos<br />
orientieren.<br />
Zu sprunghaftem, in die Progradation überleitendem Populationswachstum von<br />
C. abietis, das den natürlichen Regulationsmechanismen entgleitet, können verschiedene<br />
Ursachen beitragen:<br />
* Zeitliches Zusammentreffen der Schlüpfphasen von Populationsteilen unterschiedlichen<br />
Generationszyklus (Pschorn-Walcher, 1982);<br />
* Häufung niederschlagsarmer Witterungsperioden, die eine hohe Überlebensrate<br />
der Adulten bei der Eiablage sowie der Larven am Baum ermöglicht, bzw. die<br />
durch thermische und chemische Aussc;:.haltung biotischer Mortalitätsfaktoren<br />
im Boden (Steinemema) auch eine hohe Uberlebensrate der Nymphen sichert;<br />
* Abrupte Bodenerwärmung nach langer Schneelage, die die Metamorphose und<br />
das Schlüpfen der Wespen synchronisiert. Dadurch zeitliche Einschränkung der<br />
Parasitierungsmöglichkeiten von S. kraussei an Puppen und unfertigen Imagines<br />
bei der Passage durch den Oberboden und Auflagehumus. Ebenso zeitliche Einschrä<br />
nkung der Trichogramma-Parasitierung an den Eiern (Martinek, 1980).<br />
Für Gradationen von C. abietis prädisponiert scheinen Standorte bzw. Fichtenbestände,<br />
die das Wirksamwerden der obigen Auslösefaktoren begünstigen sowie<br />
durch unzureichende Regulationsmechanismen dem weiteren Verlauf der Massenverme<br />
hrung nicht entgegenwirken können. Diesbezüglich sind wahrscheinlich folgende<br />
Eigenschaften von Bedeutung:<br />
* Topoklimatische Kennzeichnung durch relativ reiche und lange anhaltende<br />
Schneelage sowie gleichzeitige Wärmebegünstigung durch die Exposition;<br />
* Fortgeschrittene Bodenversauerung (pHH20-Werte im Oberboden
233<br />
Der obige Versuch, prädisponierende und gradationsauslösende Momente für<br />
C. abie tis zu umreißen, kann nur ein unvollständiges Bild von den Mechanismen<br />
geben, die massenwechselwirksam sein können. Ein noch genauer zu untersuchender<br />
Faktorenkomplex sind die Futtereigenschaften, ihre Wirkungen auf das<br />
Insekt und die Ursachen ihrer Variabilität. Ein weiterer, bezüglich seiner ökologischen<br />
Wurzeln noch wenig und nur ausschnittsweise bewertbarer Aspekt der<br />
Epidemiologie von C. abie tis ist der Gegenspieler-Komplex. Welche Umweltrequisiten<br />
über das Wirksamwerden der Ei- und Larvenparasiten sowie der Pathogene<br />
entscheiden, ist - wenn man von Steinernema kraussei absieht - nur sehr ungenügend<br />
bekannt.<br />
Die gegenwärtig verfügbaren Kriterien zur Beurteilung der Fichtenbestände bezüglich<br />
ihrer Gradationsgefährdung durch C. abietis müßten durch weitere Untersuchungen<br />
auf ihre Verläßlichkeit geprüft und nach Möglichkeit durch weitere<br />
Kenngrößen ergänzt werden. Soweit es sich aus den im Untersuchungsgebiet<br />
gewonnenen Erkenntnissen ableiten läßt, scheinen Fichtenbestände, deren Streßbelastung<br />
offensichtlich ist, für Massenvermehrungen der Fichtengespinstblattwespe<br />
bereits zu schlecht zu sein. Bei weniger extremen Auswirkungen atmogener<br />
und edaphischer Belastungen auf den Baumzustand, zugleich aber bei starken<br />
Versauerungstendenzen des Waldbodens dürften Gradationen dieses Insekts<br />
leichter möglich sein.<br />
Sind solche Bestände auch topoklimatisch gradationsdisponiert, so sollten sie<br />
einer sorgfältigen Überwachung unterzogen werden. Bodensanierungsmaßnahmen<br />
mit nachhaltiger Stabilisierung der Bodenversauerung könnten die Gradationsgefahr<br />
mindern. Ob dadurch die Futterqualität der Benadelung positiv oder negativ<br />
verändert wird, ist allerdings nicht bekannt. Treten erste kleine Vermehrungsherde<br />
in Erscheinung, so könnte man durch Massenfreisatzung des Nematoden Steinernema<br />
kraussei nach vorheriger, leichter pH-Anhebung mittels Bodenbehandlung<br />
C. abietis kleinrä umig biologisch bekämpfen (Fischer et al., 1992). Erste ermutigende<br />
Erfolge wurden auch durch die Anwendung von insektenpathogenen Pilzen<br />
gegen die abbaurnenden Larven erzielt (Schmied, 1991 ). Dieses Verfahren wie<br />
auch das Eingattern von Wildschweinen (1 Stück/ha), das im Untersuchungsgebiet<br />
erfolgreich getestet wurde, ist eher für die Behandlung kleiner Befallsflächen<br />
geeignet (Führer u. Fischer, 1992; Fischer, 1992).<br />
DANKSAGUNG<br />
Diese Studie wurde im Rahmen des Forschungsprogrammes der "Forschungsinitiative<br />
gegen das Waldsterben" (FIW) und eines assoziierten MAß-Projektes<br />
durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Wien, finanziert.<br />
Dafür und für die freundliche Unterstützung der Arbeiten seitens des Forstamtes<br />
Stift Schlägl (0Fm Reininger) sei an dieser Stelle aufrichtig gedankt. Dank schulden<br />
wir auch den Kolleginnen und Kollegen der Arbeitsgruppen G. GLATZEL, Uni-
234<br />
versität für Bodenkultur Wien, und D. GRILL, Universität Graz, für die Überlassung<br />
der chemischen Nadelanalysedaten sowie für die sonstige konstruktive Zusammenarbeit.<br />
4 LITERATUR<br />
BALTENSWEILER W., 1985: "Waldsterben": forest pests and air pollution. Z. ang. Ent. 99: 77-85.<br />
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Veränderung der Nahrungsgrundlage als Regelprinzip in der Populationsdynamik des Grauen<br />
Lärchenwicklers, Zeiraphera dli11ana (Guenee) (Lep., Tortricidae). Z. ang. Ent. 77: 353-357.<br />
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FIW I, Endber., lnst. Bodenforschung u. Baugeologie, Univ. Bodenkultur Wien.<br />
EICHHORN 0., 1990: Untersuchungen über Fichtengespinstblattwespen Cephalcia spp. Panz.<br />
(Hym., Pamphi!iidae) 111. Populationsdynamische Faktoren und Gesamtschau. J. Appl. Ent.<br />
110: 321-345.<br />
EICHHORN 0. u. K.L. PA USCH, 1986: Untersuchungen über Fichtengespinstblattwespen Cephalcia<br />
spp. Panz. (Hym., Pamphiliidae) I. Zur Problematik des Generationszyklus von Cephalcia<br />
abietis L. J. Appl. Ent. 101: 101-1 11.<br />
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FISCHER P., E. FÜHRER u. R. WEG ENSTEINER, 1992: Biologische Bekämpfung luftschadstoffinduzierter<br />
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gegen die Fichtengespinstblattwespe. Forschungsber., lnst. Forstentomol., Forstpathol.,<br />
Forstschutz, Univ. Bodenkultur Wien.<br />
FLESCH P., 1993: Beiträge zur Ökologie des entomoparasitischen Nematoden Steinernema kraussei<br />
(Rhabditida). Diplomarb., lnst. Forstentomol., Forstpathol., Forstschutz, Univ. Bodenkultur<br />
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Tendenzen, Therapien, Univ. Bodenkultur Wien, Bundesminist. Wiss. Forsch., Wien, 214-<br />
227.<br />
FÜHRER E., 1994: Forschungsinitiative gegen das Waldsterben - Programm FIW II: Von der Waldschadensforschung<br />
zur Waldökosystem-Sanierungsforschung. Forst. Schriftenr., ÖGWEB,<br />
Univ. Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1-10.<br />
FÜHRER E. u. P. FISCHER, 1991 : Towards integrated control of Cephalcia abietis, a defoliator of<br />
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FÜHRER E., P. FISCHER, D. GRILL. and H. KÖNIGSHOFER: Food quality of stressed Norway<br />
spruce (Picea abies Karst.) to Cephalcia abietis L. (Hym., Pamphiliidae). ln Vorber.<br />
GASCH G., L. GRÜNHAGE, H.J. JÄGER u. K.F. WENTZEL, 1988: Das Verhältnis der<br />
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Schwefeldioxid. Angew. Botanik 62: 73-84.<br />
GLATZEL G., 1991 : The impact of historic land use and modern forestry on nutrient relations of<br />
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GRILL D., R. EBERMANN, M. GAILHOFER u. G. HALBWACHS, 1988: Reaktionen des<br />
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236
237<br />
EXPERTENSYSTEM "WILDÖKOlOGIE - WAlDVERJÜNGUNG"<br />
EXPER T SYSTEM "GAME ECOL OGY - <strong>FOR</strong>EST REGENERA TION"<br />
friedrich REIMOSER<br />
Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ö kologie, Veterinärmedizinische<br />
Universität, Savoyenstraße 1, A - 1160 Wien<br />
SUMMARY<br />
Purpose of that expert system is the standardized data collection and evaluation of relevant indexes<br />
(indicators) for a more adaptive and integrative management of forest, ungulate game, and<br />
touristic land using as weil as a more objektive success control in forestry, hunting and Iandscape<br />
planning. The expert system is divided into two steps: a) registration and analysis of primary data<br />
(analytic part) and b) attaching importance to primary data and data connexion to get patterns of<br />
operativ indexes (synthetic part, interpretation). Indexes were created for evaluating habitat quality<br />
(see Fig. 1), browsing damage, predisposition of forest regeneration, status of regeneration and<br />
impact of deer, distribution of deer, and huntability of deer (synopsis of main indexes see Fig. 2).<br />
The results show a high degree of browsing darnage (caused by overabundance of roe deer)<br />
although the predisposition of forest regeneration is low owing to individual tree selection harvests<br />
and natural regeneration. 59% of the forest area necessary to regenerate are damaged by roe deer<br />
(Fig. 3, Schöneben). Darnage results from the intense selectiv browsing on admixed fir and<br />
deciduous trees, so that only the much less browsed spruce can grow up. Further problems to<br />
forest regeneration are weed/grass (25% of regeneration area), absent seed trees (13%), fraying<br />
darnage (8%), browsing by hare and mouse (6%) and Iack of light (2%); on 15% of area necessary<br />
to regenerate other (unknownl obstructions were located (maybe bad germination conditions).<br />
Required measures to prevent browsing damage:<br />
* More culling of roe deer (instead of till now 2,5 heads at least 5 heads per 100 ha) to reduce the<br />
deer abundance till game darnage is prevented<br />
* Strict interval hunting for optimizing cull success without high hunting pressure (to get less shy<br />
animals because hunting in natural regeneration forest is difficult)<br />
* Objective game darnage monitaring .(systematic centroll fences)<br />
* Either no one or a better winter feeding (with steering of roe deer to sites with low browsing<br />
darnage predisposition)<br />
* Technical protection (repellents) against browsing darnage (esp. fir in winter)<br />
* More thinning and tending of thickets to reduce the "overoptimal" hiding and thermal cover<br />
supply as weil as to get more food supply (for additional reducing the game darnage predisposition<br />
of the forest)<br />
* Spatial and temporal coordination of measures especially with forest sanitation projects<br />
KEYWORDS: lntegrated forest-game management, expert system, ungulate game, forest regeneration,<br />
browsing damage, game ecology.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Im Rahmen der FIW II wird ein Expertensystem "Wildökologie-Waldverjüngung" enwickelt, dessen<br />
methodische Konzeption hier skizziert wird. Ergebnisse aus dem Expertensystem und daraus abgeleitete<br />
Maßnahmen zur Verminderung der Wildschäden im Gebiet der Fallstudie 1 (Mühlviertel) sind<br />
zusammengefaßt (ausführliche Darstellung siehe Reimoser und Zandl 1993). Ein Strukturierungsvorschlag<br />
für eine Broschüre als praxisgeeignete Anleitung für Freilanderhebungen ist angefügt.<br />
STICHWÖRTER: Integrales Forst- und Wildmanagement, Expertensystem, Schalenwild, Waldverjüngung,<br />
Verbißschaden, Wildökologie.<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
ÖGWEB IÖsterr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung) ISBN 3-900B65-06-X.
1 EINlEITUNG UND PROBlEMSTEllUNG<br />
238<br />
Zielvorgabe der FIW II ist es, aufgrund von bestehendem Expertenwissen und<br />
wissenschaftlichen Erkenntnissen möglichst anwendungsorientiert Problemlösungsansätze<br />
für die Praxis aufzuzeigen (vgl. Führer, 1990). !n der Fallstudie 1<br />
(Schöneben/OÖ) wurde das methodische Grundkonzept für ein Expertensystem<br />
"Wildöko!ogie - Waldverjüngung" vorgestellt und in seiner Anwendung auf die<br />
lokalen Verhältnisse abgestimmt (Reimoser u. Zandl, 1993). Im Zuge der weiteren<br />
Fallstudien der FIW II soll dieses Expertensystem weiterentwickelt und breiter<br />
anwendbar gemacht werden.<br />
Für den Forst- und Jagdbetrieb sollen durch die standardisierte Erhebung und<br />
Auswertung wild- und waldökologisch relevanter Kennwerte (Indikatoren) verbesserte<br />
Möglichkeiten für die Beurteilung der wald- und wildökologischen Ausgangslage,<br />
die gezielte Maßnahmensatzung gegen bestehende Wildschäden sowie<br />
für die Entwicklungsprognose und die Vorbeugung gegen Wildschäden geschaffen<br />
werden; ein oparationalisiertes Muster von Kennwerten soll eine objektivere Beurteilung<br />
der Sachlage ermöglichen. Im Falle periodischer Wiederholungserhebungen<br />
(regelmäßiges Monitoring, z.B. im Rahmen der Forsteinrichtung) sollen dann<br />
Zustands-eränderungen, Entwicklungstendenzen und die Effektivität durchgeführter<br />
Maßnahmen besser geprüft werden können (objektive Erfolgskontrolle).<br />
2 METHODIK<br />
Der Aufbau des entwickelten Expertensystems gliedert sich in zwei Schritte:<br />
Erhebung der Primärdaten (analytischer Teil, Erhebungsmethodik). Die Variablen<br />
für die Erhebung der Primärdaten sind so gewählt, daß zusätzlich zu den wildökologischen<br />
auch forstliche, insbesondere waldbauliche Informationen<br />
gewo nnen werden können.<br />
Gewichtung und Verknüpfung (Interpretation) der Primärdaten entsprechend dem<br />
gegenwärtig verfügbaren Erkenntnisstand über wald- und wildökologische<br />
Zusammenhänge (synthetischer Teil, Auswertungsmethodik).<br />
2. 1 Erhebung der Primärdaten<br />
Die Datenerhebung erfolgt mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen:<br />
* Stichprobenerhebung auf den Rasterpunkten der standortkundliehen Aufnahmen<br />
und der Forstinventur (Punktabstand 122 m): aufgenommen werden<br />
dabei die Randzonensituation und Sichtigkeit (Entfernung vom Rasterpunkt),<br />
der Wildökologische Bestandestyp, der Felsanteil, das Mesorelief, der<br />
Beschirmungsgrad, die Schichtung sowie die Baumarten (alle Merkmale auf<br />
Probeflächenradius 20 m), weiters auf Probeflächenradius 10 m der Begrünungsgrad,<br />
die Verjüngungsnotwendigkeit, die Standortseinheit (Verjüngungszieltyp),<br />
der Verjüngungszustand, die Verjüngungshemmnisse, die Schutzmaßnahmen,<br />
die Anzahl der Wildwechsel, Sitz- und Plätzstellen, Fegebäume,
239<br />
Bodenvegetation/Jungwuchs (Pflanzenart, Abundanz, Höhenklasse, Verbißgrad)<br />
sowie auf Probeflächenradius 3 m die Anzahl der Losungshaufen (Rehwild,<br />
Rotwild, Schwarzwild).<br />
* Weitere Erhebungen: Flächendeckende Kartierung der jagdlichen Reviereinrichtungen<br />
(Ansitzplätze, Fütterungen, Salzlecken) und der Störungslinien<br />
(Loipen, Wanderwege etc.); Fährtenkartierungen (Linientaxation, Reimoser<br />
1986a) im Winter bei Schneelage; Schneehöhenkartierung; Kartierung wildökologisch<br />
maßgeblicher Landschaftsunterschiede in der Umgebung des<br />
Untersuchungsgebietes; jagd- und forstbetriebliche Erhebungen (Abschußpläne<br />
und -Iisten, Betriebsplanung und -Organisation, bisherige Maßnahmendurchführung<br />
etc.).<br />
2.2 Gewichtung und Verknüpfung der Primärdaten<br />
Der Ablauf von der Erhebung der Primärdaten über die Berechnung der Kennwerte<br />
bis zur Zuordnung der Maßnahmen gliedert sich wie folgt:<br />
* Erstellung des vollständigen Variablensatzes (erhobene, daraus errechnete und<br />
bereits vorhandene Primärdaten)<br />
* Festlegung der Indexgrundlagen (Gewichtung der Primärdaten)<br />
* Berechnung der Indexe {Formell und anderen Kennzahlen<br />
* lndexverknüpfung (Erhöhung des Integrationsniveaus der Kennzahlen)<br />
* Indexbewertung (Typenbildung) hinsichtlich: Habitatqualität für Schalenwild,<br />
Wildschadenanfälligkeit des Waldes, Wildschäden, Wildverteilung, Bejagbarkeit<br />
des Wildes<br />
* Maßnahmenzuordnung (zu den Indextypen bzw. Kennwerten): Dabei werden<br />
aus dem bestehenden allgemeinen Maßnahmensystem (generelle Maßnahmenliste)<br />
die an Ort und Stelle erforderlichen Maßnahmen zugeordnet, in<br />
Abhängigkeit vom jeweiligen regionalen Muster der Kennwerte. Dabei wird vom<br />
gegenwärtigen Kenntnisstand über die Wirksamkeit der unterschiedlichen<br />
Maßnahmen unter verschiedenen Bedingungen ausgegangen. Eine objektive<br />
Erfolgskontrolle und sukzessive ortsangepaßte Maßnahmenoptimierung sollte<br />
durch ein regelmäßiges Monitaring (z.B. im Rahmen einer um wildökologische<br />
Parameter erweiterten Forsteinrichtung) erfolgen. Für den Vergleich müssen<br />
dabei die für die Kennwerte und Indexbildung erforderlichen Primärdaten stets<br />
nach gleichen Kriterien erhoben werden wie bei der Ersterhebung.<br />
Der vollständige Variablensatz (Primärdatensatz) ergibt sich aus den Daten der<br />
direkt erhobenen Va riablen (vgl. Kapitel 2. 1), den aus diesen Daten zusätzlich<br />
errechneten Variablen sowie den aus anderen Erhebungen (Forstinventur, standortkundliehe<br />
Erhebungen, GIS) bereits vorhandenen, für das Expertensystem relevanten<br />
Primärdaten.<br />
Anschließend folgen die Festlegung der Indexgrundlagen (Gewichtung der Primärdaten)<br />
und die Berechnung der Kennzahlen bzw. Indexe entsprechend den erstellten<br />
Regeln (Formeln) für die Verknüpfung der Primärdaten. Die Indexe können in<br />
der Regel Zahlenwerte zwischen 0 und 100 annehmen. Bei Kennzahlen der Habitatqualität<br />
bedeuten hohe Zahlenwerte eine für das Wild günstigere Situation im<br />
Hinblick auf das betreffende Habitatelement, geringere Werte signalisieren für das<br />
Wild ungünstige Bedingungen.
240<br />
Kennzahlen für die jahreszeitlich differenzierte Habitatqualität sind Feindschutz-,<br />
Klimaschutz-, Randzonen- und Wohnraumindex, Nahrungsangebot sowie Beunruhigungs-,<br />
Klima-, Gelände- und Umgebungsindexe. Als Beispiel sei hier der Klimaschutzindex<br />
(KSll ausgeführt. Dieser ergibt sich aus dem Gesamt-Beschirmungsgrad<br />
der Gehölzpflanzen in 1,3 m Höhe über dem Boden (BESG), dem Beschirmungsgrad<br />
für ausschließlich sommergrüne Arten in 1,3 m Höhe (BLHLA) und<br />
dem Mesorelieftyp (MERE). Anschließend sind Beispiele weiterer (vorläufiger)<br />
Habitatindexe graphisch dargestellt (Abb. 1).<br />
BEISPIEl: Klimaschutzindex (KSI)<br />
BESG:<br />
BLHLA:<br />
MERE:<br />
KSI:<br />
KSis:<br />
KSiw:<br />
KSiv:<br />
KSivs:<br />
KS!vw:<br />
Beschirmungsgrad Gehölzpflanzen in 1 ,3 m gesamt<br />
Beschirmungsgrad Sommergrüne in 1 ,3 m<br />
· Mesorelief<br />
Klimaschutzindex - gesamt (Vegetation u. Geländerelief) - Jahr<br />
Klimaschutzindex - gesamt - Sommer<br />
Klimaschutzindex - gesamt - Winter<br />
Klimaschutzindex - Vegetation - Jahr<br />
Klimaschutzindex - Vegetation - Sommer<br />
Klimaschutzindex - Vegetation - Winter<br />
100 � KSI � 0,33<br />
KSI = (KSiv + IMERE)/1 ,5 KSiv = IBESG - (IBLHLA " 0,5)<br />
KSis = IKSivs + IMERE)/1 ,5 KSivs = IBESG<br />
KSiw = (KSivw + IMEREl/1 ,5 KSivw = IBESG - IBLHLA<br />
IBESG (Beschirmungsgradindex)<br />
BESG mESG fii.r Wü d<br />
10 100<br />
9 100 sehr günstig<br />
8 100<br />
7 50<br />
6 50 günstig<br />
5 50<br />
4 25<br />
3 25<br />
2 12<br />
1 12<br />
11 1<br />
0 1<br />
mittel<br />
ungünstig<br />
sehr ungünstig
IBLHLA - Berechnung wie IBESG<br />
241<br />
IMERE (Mesoreliefindex)<br />
konvex 50<br />
2 intermediär 0<br />
3 konkav 25<br />
4 konvex/konkav 50<br />
Kennzahlen für die Wildschadenanfälligkeit des Waldes (WSA) werden durch<br />
lndexverknüpfung (Erhöhung des lntegrationsniveaus) ermittelt (Berechnung nur<br />
für Gebiete, nicht für einzelne StichprobepunkteL Folgende Kennwerte (jeweils für<br />
Sommer, Winter und Gesamt-Jahr) gehen in die Berechnung ein: der nahrungsunabhängige<br />
Besiedlungsanreiz (BA), der sich aus Feindschutz-, Klimaschutz- und<br />
Wohnraumindex ergibt, das Nahrungsangebot (NA), die Abundanz der Zielbaumarten<br />
sowie deren Anteil am Nahrungsangebot. Die Wildschadenanfälligkeit ergibt<br />
sich aus dem Verhältnis von Besied lungsanreiz zu verfügbarem Nahrungsangebot<br />
(WSA =BA/NA) sowie aus dem standortabhängigen Verjüngungsziel und dem<br />
Anteil der Zielbaumarten am Nahrungsangebot (vgl. z.B. Reimoser, 1986a;<br />
Gossow u. Reimoser, 1985; Reimoser u. Zandl, 1993).<br />
Den Kennzahlen für den Zustand der Waldverjüngung und die Beurteilung des<br />
Hemmfaktors "Wi!dverbiß" liegen folgende Kriterien bzw. Erhebungen (Definitionen<br />
in Reimoser u. Zandl, 1993) zugrunde:<br />
1. Verjüngungsnotwendige Waldfläche (Ausmaß)<br />
2. Verjüngungsnotwendige Waldfläche mit nicht ausreichender Verjüngung<br />
3. Verjüngungsnotwendige Waldfläche mit nicht ausreichender Verjüngung und<br />
Schalenwild als Hemmfaktor<br />
4. Verjüngungsnotwendige Waldfläche mit nicht ausreichender Verjüngung und<br />
nicht schalenwildbedingten Hemmfa ktoren (Hasen-/Nagetierverbiß, Lichtmangel,<br />
Verkrautung/Vergrasung, fehlende Samenbäume, Schneegleiten, Erosion,<br />
Beweidung durch Haustiere, Insekten, Sonstige - nicht direkt bestimmbare<br />
Hemmfaktoren)<br />
5. Abundanzen der Baumarten in der Verjüngung<br />
6. Verbißhäufigkeit (Verbißprozent) der Baumarten<br />
7. Verbißschutz
FSI<br />
100<br />
50<br />
50<br />
0<br />
0<br />
0<br />
FEINDSCHUTZINDEX (FSO<br />
50 100<br />
mittlere Sichtweite lml<br />
RANDZONENINDEX (RZNAO<br />
50<br />
100<br />
Entfernung !ml<br />
BEUNRUHIGUNGSINDlEX CIBUN}<br />
500 1000<br />
Entfernung Im)<br />
150<br />
150<br />
1500<br />
242<br />
XE<br />
BESCHIRMUNGBGRADINDEX<br />
IBESG UBESG}<br />
100<br />
50<br />
0 5 10<br />
Beschirmungsgrad I 1110)<br />
ISCHHM<br />
100<br />
50<br />
KliMAINDEX<br />
SCHNEIEHÖHENINDEX<br />
(ISCHHM)<br />
0 50 100<br />
Schneehöhe {cml<br />
I ME RE<br />
100<br />
MESOREI..IEFINDEX<br />
(IMERE)<br />
Abbildung 1: Beispiele von Habitatindexen (schematischer Kurvenverlauf für Rehwild).<br />
Figure 1: Examples of habitat in dexes (schematic graphs fo r roe deer}.<br />
FSI = Hiding cover index, RZNA I = Edge index, IBUN = Disturbance index,<br />
IBESG = Canopy density in dex, !SCHHM =Snow Ievei in dex, MERE = Mesorelief (terrainJ<br />
index
243<br />
Kennzahlen für die Wildverteilung und Bejagbarkeit des Wildes ergeben sich aus<br />
folgenden Kriterien:<br />
Wildstand/Wildverteilung:<br />
* Wildwechsel<br />
* Fährtendichte<br />
* Losungshaufen<br />
* Lagerstallen<br />
* Plätzstellen<br />
* Fegebäume<br />
Bejagbarkeit:<br />
* Anteil Nichtwaldflächen<br />
* Waldbauliche Betriebsform<br />
* Re!!3tion Deckungsreichet Äsungsreiche<br />
WOBTs (Stall-Trog-Effekt)<br />
* Feindschutz(Sichtschutz)<br />
* Relation Wohnraum/Feindschutz<br />
* Beunruhigung des Wildes<br />
* Klimatische Belange (insbes. Wind)<br />
* Begehbarkelt des Geländes für den Jäger<br />
* Jagdeinrichtungen (Ansitzplätze etc.l<br />
Aus den allgemeinen Schemata für potentielle Wildschadensursachen sowie für<br />
mögliche Maßnahmen zur Schadensminderung (Reimoser, 1986b; Reimoser u.<br />
Zandl, 1993) können schließlich - ausgehend von den sich im Expertensystem<br />
ergebenden Kennzahlen - die vor Ort maßgeblichen Problemursachen systematisch<br />
abgeschätzt und die erforderlichen Maßnahmen gezielt abgeleitet und in weiterer<br />
Folge durch ein entsprechendes periodisches Monitaring auf ihre Wirksamkeit<br />
überprüft werden.<br />
3 ERGEBNISSE (ZUSAMMENFASSUNG)<br />
Im Revier Sonnenwald wurden vier wildökologisch unterschiedliche Gebiete (1-<br />
Staatsgrenze, 2-Moldaublick, 3-Roßtauscherberg, 4-Bärenstein) untersucht<br />
(ausführliche Darstellung in Reimoser u. Zandl, 1993).<br />
3.1 Ausgangslage (Kennzahlen - Expertensystem)<br />
3.1.1 Zustand der Waldverjüngung, Wildschäden und Wildschadenanfälligkeit<br />
des Waldes<br />
Insgesamt sind 77% der verjüngungsnotwendigen Waldfläche nicht ausreichend<br />
verjüngt; zwischen den 4 Gebieten bestehen erhebliche Unterschiede (1 =54%,<br />
2=63%, 3=94%, 4=88%). Auf 6% der Verjüngungsfläche mangelt es an der<br />
erforderlichen Stammzahl, auf 44% an den erforderlichen Mischbaumarten Tanne<br />
und/oder Laubholz und auf 27% an Mischung und StammzahL Die dafür maßgeblichen<br />
Hemmfaktoren sind vor allem Schalenwildverbiß (auf 59% der verjüngungsnotwendigen<br />
Waldfläche), weiters Vergrasung (25%), fehlende Samenbäume<br />
(13%), Fegeschäden (8%), Hasen- und Mausverbiß (6%) und Lichtmangel<br />
(2%); auf 15% der mangelhaft verjüngten Fläche waren andere (unbekannte)<br />
Hemmfaktoren (evtl. Keimbedingungen) wirksam. Somit ist insgesamt mehr als
244<br />
die Hälfte der verjüngungsnotwendigen Waldfläche durch Rehwild (Rotwild<br />
kommt nur spärlich vor) untragbar geschädigt (Gebiet 1 =41 %, 2=52%,<br />
3=92%, 4=44%). Die Schädigung entsteht vor allem durch den selektiven Verbiß<br />
und Ausfall der Mischbaumarten Tanne und Laubholz (Baumartenentmischung).<br />
Die natürliche Verjüngung der Fichte wird hingegen - abgesehen von<br />
einigen kleinflächigen Konzentrationspunkten - in ihrer Entwicklung durch Schalenwild<br />
nicht beeinträchtigt. Monokulturen aus Fichte wären also ohne nennenswerte<br />
Verbißprobleme möglich. Zur Erhaltung der Produktionskraft des Bodens<br />
sowie der Gesundheit und Stabilität der Waldbestände und zur nachhaltigen<br />
Sanierung bereits geschädigter Waldbereiche ist allerdings der Aufbau standortgemäßer<br />
Mischwälder unter Einbeziehung von Tanne und Laubbaumarten (v.a.<br />
Buche, Bergahorn} die wichtigste Voraussetzung.<br />
Die Wildschadenanfälligkeit hinsichtlich der Relation von Besiedlungsanreiz des<br />
Waldes zu verfügbarem Nahrungsangebot ist - bedingt durch die waldbauliche<br />
Betriebsform der Zielstärkennutzung mit natürlicher Waldverjüngung - mit einem<br />
Mittelwert von 1,54 gering, differiert jedoch stark zwischen den vier Gebieten<br />
(1 =1,93, 2=1,67, 3=1,80, 4=0,90) und wird in Gebiet 1 vom dort z.T. anderen<br />
Verjüngungsziel (z.T. Fichten-Reinbestand auf Anmoorböden) stark modifiziert<br />
(vermindert).<br />
3.1.2 Verbißhäufigkeit der Hauptbaumarten<br />
Unabhängig von Verjüngungsziel und Wildschadenbeurteilung wurde der Verbißgrad<br />
(die Verbißhäufigkeitl festgestellt. Fichte weist nur auf 2,4% ihrer Verjüngungsfläche<br />
über 50% Terminaltriebverbiß auf, Rotbuche hingegen auf 55,2%,<br />
Tanne sogar auf 84,8% und Eberesche auf 96,7% (bei der Beurteilung des Verbißgrades<br />
wurde der Verbiß an zwei Triebjahrgängen - 1989 und 1990 - berücksichtigt).<br />
Tanne wird fast ausschließlich an verholzten Trieben im Herbst und Winter,<br />
Laubholz während des ganzen Jahres verbissen. Die Verbißhäufigkeit zeigt<br />
zunehmende Tendenz.<br />
3.1 .3 Habitatqualität und Wildverteilung<br />
Entsprechend der unterschiedlichen Habitatqualität (Klima, Geländeform, Feindund<br />
Klimaschutz, Wohnraum, verfügbares Nahrungsangebot, Beunruhigungsfaktoren)<br />
ergeben sich in den 4 Gebieten unterschiedliche Wilddichten. Wichtigste<br />
Habitatfaktoren für die Rehverteilung im Untersuchungsgebiet sind im Winter das<br />
Biotopklima (Schneehöhe und Sonneneinstrahlung, die insbesondere von Seehöhe,<br />
Exposition und Neigung abhängen) und der Standort der Wildfütterungen,<br />
im Sommer die Vegetationsstruktur und Beunruhigungsfaktoren. Der Fährtendichteindex<br />
(Winter) liegt im Gebiet 3 am höchsten (4, 90), gefolgt von Gebiet 1<br />
(2, 17), Gebiet 2 (0,63) und Gebiet 4 (0,20). Das Außmaß der Wildschäden hängt
245<br />
nur teilweise von der Wilddichte ab, weil die Wildschadendisposition der 4<br />
Gebiete erheblich differiert (unterschiedliche Verjüngungsziele und Biotopbelastbarkeit).<br />
3.1.4 Hauptursachen der Wildschäden<br />
Trotz der insgesamt relativ hohen Verbißbelastbarkeit des Waldes (v.a. infolge<br />
des großflächigen Nahrungsangebotes - Bodenbegrünung 57%, Heidelbeerfläche<br />
21% - und der stammzahlreichen Naturverjüngung) existiert ein stark überhöhter<br />
Rehwildbestand, der im deckungsreichen Gelände schwierig bejagbar ist. Weitere<br />
Ursachen sind Fütterungsfehler sowie ein hoher Besiedlungsanreiz durch zahlreiche<br />
randlinienwirksame Rückegassen und Wege. Die touristische Beunruhigung ist<br />
relativ gering (Schilanglauf und Schlittenhunde auf einigen Wegen, Wanderer); die<br />
waldbauliche Betriebsform (Zielstärkennutzung, natürliche Waldverjüngungl ist<br />
wildökologisch günstig (geringe Wildschadenanfälligkeit), teilweise besteht jedoch<br />
ein Mangel an Samenbaumarten (Tanne, laubholz).<br />
3.1.5 Synopsis der Kennzahlen<br />
Die Rangfolge der Rehwilddichte in den 4 Gebieten (vgl. Abbildung 2 u. Tabelle 1)<br />
entspricht dem nahrungsunabhängigen Besiedlungsanreiz des Biotops {inklusive<br />
Randlinienwirkung) und verläuft weitgehend konträr zum vorhandenen Nahrungsangebot<br />
(ohne Fütterung). Ein ähnlicher Zusammenhang konnte in einem montanen<br />
Gebirgsrevier der Koralpe näher untersucht werden (vgl. Reimoser, 1986a).<br />
Bei Berücksichtigung der Winterfütterung ergibt sich ein stärkerer Zusammenhang<br />
zwischen Wilddichte und (fütterungsbedingtem) Nahrungsangebot, wobei sich<br />
allerdings die Lage der Fütterungen eher nach der vorhandenen Wildverteilung<br />
richtet und nicht zu einer prinzipiell veränderten Wildverteilung geführt haben<br />
dürfte (graduelle Veränderungen der Rehwilddichte - bedingt durch Winterfütterung<br />
- sind im Untersuchungsgebiet aber wahrscheinlich gegeben).<br />
Das Ausmaß des Verbißschadens hängt von Verbißdruck des Wildes (v.a. Wilddichte),<br />
von der Wildschadenanfälligkeit des Waldes (v.a. von der Relation<br />
Besiedlunsanreiz zu Nahrungsangebot) und dem waidbaulichen Verjüngungsziel<br />
ab. Bei vergleichbarem Verjüngungsziel (Mischwald) treten die größten Verbißschäden<br />
erwartungsgemäß in jenen Gebieten auf, die eine vergleichsweise hohe<br />
Wildschadenanfälligkeit und eine hohe Wilddichte aufweisen (Gebiete 3 und 1 ).<br />
Ohne vergleichbares Verjüngungsziel würde Gebiet 1 den geringsten Anteil verbißgeschädigter<br />
Verjüngungsflächen aufweisen, weil sich dieses Gebiet durch<br />
seinen geringen Mischwaldanteil erheblich von den anderen Gebieten unterscheidet<br />
und beim weniger anspruchsvollen Verjüngungsziel "Fichte-rein" Verbißschäden<br />
im Untersuchungsgebiet kaum auftreten. Der starke Einfluß unterschiedlicher<br />
Verjüngungsziele auf das mögliche Ausmaß von Verbißbelastung und Verbißscha-
246<br />
den spiegelt sich auch im mittleren Verbißgrad wider: Ohne Fichte (nur Mischbaumarten)<br />
liegt der Verbißgrad in Gebiet 1 an 1. Stelle, mit Fichte (alle Baumarten)<br />
aber an letzter Stelle (Abbildung 2, Tabelle 1 }.<br />
Tabelle 1 : Rangfolge der 4 Gebiete für wichtige Kennzahlen (Synopsis).<br />
Table 1: Rank order of the 4 regions to main in dexes (synopsis, s. Fig. 2}.<br />
SYNOPSIS GEBIET I GEBIET 2 GEBIET 3 GEBIET 4<br />
Kennzahlen<br />
Rehwilddichte 2 3 I 4<br />
Randlinien 1 3 2 4<br />
Besiedlungsanreiz (nahrungsunsbhängig) 3 2 1 4<br />
Nahrungsangebot 4 2 3 1<br />
Wildschadenanfälligkeit 1 3 2 4<br />
Verbißschaden (gesamt) 4 2 1 3<br />
Verbißschaden (Mischwald) 2 3 1 4<br />
Verbißgrad alle Baumarten (VGX) 4 2 1 3<br />
Verbißgrad Mischbaumarten (VGXOF) I 4 2 3<br />
Winterfütterungsnähe 2 4 I 3<br />
a
Rang<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
2<br />
3<br />
4<br />
2<br />
3<br />
4<br />
247<br />
SYNOPSIS<br />
GEBIET 1<br />
GEBIET 2<br />
GEBIET 3<br />
GEBIET 4<br />
Abbildung 2: Rangfolge der 4 Gebiete für wichtige Kennzahlen.<br />
(höchster Wert = Rang 1 bzw. lange Säule, geringster Wert = Rang 4 bzw. kurze<br />
Säule); VGX= Verbißgrad-Mittel !mit Abundanz/Dominanz gewichtetes Mittel aller<br />
Baumarten), VGXOF = Verbißgrad-Mittel ohne Fichte<br />
Figure 2: Rank order of the 4 regions to main in dexes.<br />
{synopsis; highest quantity =rank 1 flong column), lowest quantity=rank 4 (short<br />
columnJ; Indexes from left to right: roe deer density, edge Situation, habitat<br />
attractivness (settling stimulus), food supply, predisposition of forest to game damage,<br />
bro wsing darnage total, browsing darnage mixed forest, browsing frequency all tree<br />
species (in cluding spruce), browsing frequency admixed tree species fwithout spruce),<br />
nearness of winter feeding station, disturbance, snow Ievel, huntability
248<br />
Gebiet 1 ist am relativ leichtesten bejagbar, wodurch in diesem Gebiet hinsichtlich<br />
der Abschußdurchführung für die Anpassung der Höhe des Rehwildbestandes an<br />
die (schadensabhängige) Biotoptragfähigkeit am wenigsten Probleme zu erwarten<br />
sind. ln Gebiet 3 sind Verbesserungen der Bejagungsmöglichkeit dringender erforderlich.<br />
Zur generellen qualitativen Einordnung der Kennwerte siehe Kapitel 4<br />
(Diskussion - Beurteilung der Kennzahlen).<br />
3.2 Zielvorgabe (leitbildfestlegung)<br />
Die Beurteilung der Kennzahlen und Ergebnisse des Expertensystems hängt letztlich<br />
von den gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Zielsetzung des Grundeigentümers<br />
(des Betriebes) ab. Aus dem Vergleich der angestrebten Ziele mit dem<br />
vorgefundenen IST-Zustand sowie der Feststellung der Ursachen eines nicht<br />
befriedigenden SOLL-IST-Vergleichs resultiert die Auswahl der Maßnahmen (vgl.<br />
Kapitel 2.2.). So stellen sich z.B. die grundsätzlichen Fragen, ob der Betrieb ein<br />
wirtschaftliches Ziel verfolgt oder nicht und ob der Wald Priorität vor dem Wild<br />
hat oder umgekehrt. Weiters ist von entscheidender Bedeutung, ob sich das Verjüngungsziel<br />
für den Wald generell auf lediglich eine Baumart {Fichte) beschränkt<br />
oder ob auf Mischwaldstandorten ein standortgemäßer Mischwald aus Fichte,<br />
Tanne und Laubholz oder aus Fichte und Tanne erforderlich ist. Für das Untersuchungsgebiet<br />
wird davon ausgegangen, daß ein wirtschaftliches Ziel hinsichtlich<br />
der Waldnutzung besteht und daß sowohl ein gesunder, stabiler Wald mit nachhaltig<br />
optimalen Produktionsbedingungen als auch ein gesunder, bejagbarer<br />
Schalenwildbestand erhalten werden sollen. Wenn die Produktionskraft des<br />
Bodens sowie Gesundheit und Stabilität der Waldbestände erhalten und bereits<br />
geschädigte Waldbereiche nachhaltig saniert werden sollen, so ergibt sich daraus<br />
im Hinblick auf das Verjüngungsziel, daß eine standortgemäße Mischwaldverjüngung<br />
gewährleistet sein muß. Daran sind sowohl die forstlichen als auch die jagdlichen<br />
Maßnahmen zu orientieren.<br />
3.3 Erforderliche Maßnahmen<br />
* Sukzessive Anhebung (anfangs um mindestens 1 00%) des derzeit sehr geringen<br />
Rehwildabschusses (von derzeit knapp 2,5 Stück auf zunächst mindestens<br />
5 Stück je 100 ha) bis zum Rückgang der Verbißschäden<br />
* Konsequente lntervallbejagung (jeweils mehrere Wochen der absoluten Jagdruhe<br />
zwischen kurzen und intensiven Bejagungsphasen - Minimierung der jagdlichen<br />
Beunruhigung und effiziente Abschußerfüllung)<br />
* Verhinderung einer Zunahme des Rotwildbestandes durch scharfe Bejagung<br />
(auch in den Anrainerbetrieben)<br />
* Objektives Wildschadenmonitaring (Verbiß-Kontrollzaunnetz etc.)<br />
* Schaffung von Bejagungsflächen (Wildwiesen, Schußschneisen etc.)<br />
* Entweder keine oder eine bessere, d.h. qualitativ und quantitativ ausreichende<br />
Winterfütterung an geeigneten Standorten (Wildlenkung so, daß das Rehwild<br />
von Verjüngungssanierungsgebieten abgelenkt wird); rotwildsichere Einzäunung<br />
sämtlicher Rehwildfütterungen
249<br />
* Preßholz (Tanne, Laubbaumarten) möglichst im Herbst/Winter fällen<br />
* Verbißschutz an Mischbaumarten (insbes. Terminaltrieb der Tanne)<br />
* Nötigenfalls vorübergehend kleinflächige Schutzzäunung (reh- und rotwildsicher)<br />
* Vermehrte Durchforstung und Dickungspflege zur Reduzierung von "überoptimalem"<br />
Deckungsangebot und zur Verbesserung des Nahrungsangebotes (Verminderung<br />
der Wildschadenanfälligkeit)<br />
* Räumliche und zeitliche Maßnahmenabstimmung mit Verjüngungs-Sanierungsprojekten<br />
sowie mit den Nachbarrevieren (möglichst auch jenseits der Grenze<br />
zu Tschechien)<br />
Vorbeugung gegen Wildschäden:<br />
Die beiden Variablen Standortstyp und topographische Einheit sind wesentliche<br />
diagnostische Merkmale zur Einordnung einer Fläche hinsichlieh ihrer Zielbestokkung<br />
und ihrer potentiellen Gefährdung hinsichtlich Eintrag, Gefährd ung von<br />
Quellschüttungen (Gründigkeit im Standortstyp enthalten) und Windwurfrisiko<br />
(Sterba et al., 1993). Auch für die potentielle Gefährdung durch Wildverbiß sind<br />
die Variablen Standortstyp und topographische Einheit wesentliche diagnostische<br />
Merkmale. Allerdings kommen hier noch Merkmale der Waldtextur und -struktur<br />
hinzu (wildökologischer Bestandestyp, Randlinien etc.). Außerdem kann die Wirksamkeit<br />
dieser Merkmale durch Maßnahmen der Wildlenkung (Fütterungsstandorte,<br />
Verteilung des Jagddruckes) und touristische Beunruhigung des Wildes stark<br />
überlagert werden. Aus dem Standortstyp ergibt sich das Verjüngungsziel (bei reiner<br />
Fichte geringe Wildschadenanfälligkeit), aus der Topographie ergibt sich auch<br />
die für die Wildverteilung maßgebliche klimatische Situation des Standortes<br />
(schneereiche Hochplateaulagen weniger verbißgefährdet), aus Waldtextur und<br />
-struktur ergeben sich Wohnraumeignung, Deckungsangebot, vegetationsbedingter<br />
Besiedlungsanreiz und Nahrungsangebot für das Wild (hohe Wildschadenanfälligkeit<br />
bei starkem nahrungsunabhängigen Besiedlungsanreiz und gleichzeitig<br />
geringem Nahrungsangebot). Da die vorgeschlagenen Maßnahmen auf größeren<br />
Flächen wirksam sind, ist es für eine grobe Einschätzung der Sanierungsnotwendigkeit<br />
ausreichend, drei Fälle zu unterscheiden:<br />
1 . in den schneereichen Hochlagen mit geringem Besiedlungsanreiz für Rehe im<br />
Winter bedarf es derzeit keiner Wildstandsreduzierung, wenn nicht durch<br />
Fütterung in diesem Gebiet eine zu hohe Wilddichte bewirkt wird .<br />
2. Dort, wo Wilddichte und Wildverbiß aufgrund von Fütterungen zu hoch sind,<br />
ist eine Waldsanierung ohne intensive Verbißschutzmaßnahmen (Zaun) oder<br />
Auflassen der Fütterung und scharfe Bejagung nicht möglich.<br />
3. Dort, wo aufgrund der aktuellen Gegebenheiten die Schalenwildpopulation<br />
großräumig zu hoch ist, müssen die oben angeführten Maßnahmen gesetzt<br />
werden.
4 DISKUSSION<br />
4.1 "Dynamische" Konzeption<br />
250<br />
Das Expertensystem soll laufend weiterentwickelt werden (dynamische Konzeption).<br />
Die Aussagekraft des Kennzahlensystems (lndikatorensystems) ist aufgrund<br />
der vorerst spärlichen räumlichen und zeitlichen Vergleichsmöglichkeiten noch<br />
relativ gering. Je mehr verschiedene Untersuchungsgebiete mit dem gleichen Verfahren<br />
analysiert und je öfter diese Gebiete im Zuge eines regelmäßigen Monitarings<br />
vergleichbar erhoben werden, desto aussagekräftiger sollten diese Informationen<br />
werden (Vergleichsmöglichkeit der Kennwertemuster verschiedener Gebiete<br />
und Folgeerhebungen, "Reaktionen" der Kennwerte auf unterschiedliche Maßnahmen<br />
etc.). Mit zunehmender Vergleichsmöglichkeit und weiteren Erkenntnissen<br />
der Grundlagenforschung können die für das Kennzahlensystem relevanten<br />
Zusammenhänge immer präziser erkannt, die teilweise vorerst gutachterlieh<br />
gewählten Gewichtungen der Primärd aten überprüft und nötigenfalls modifiziert<br />
werden.<br />
Die Aussagekraft der Kennzahlen wird stets am Realitätsbezug zu messen sein.<br />
Nur wenn die aus dem Kennzahlenmuster (Mo nitoring) abgeleiteten Maßnahmen<br />
zur praktischen Problemlösung entscheidend beitragen, erfüllt das Expertensystem<br />
seinen Zweck. Die Vorteile des Systems ergeben sich aus seinem oparationalisierten<br />
Informationsgehalt für die Feststellung der jeweiligen wald- und wildökologischen<br />
Ausgangslage, die Erstellung von Entwicklungsprognosen, die<br />
gezielte ursachenbezogene Maßnahmensatzung und Schadensvorbeugung, die<br />
Erfolgskontrolle sowie für die Vergleichbarkeit mit anderen Gebieten.<br />
4.2 Schwachstelle "Datenqualität"<br />
Als Schwachstelle des Systems ist - wie bei Freilanderhebungen zu erwarten - die<br />
Erhebung der Primärdaten einzustufen. Diesbezüglich ergaben sich am Beginn der<br />
Fallstudie erhebliche Probleme. Die Qualität der von verschiedenen Aufnahmetrupps<br />
erhobenen Primärdaten stellte sich teilweise als unbefriedigend und<br />
schlecht vergleichbar heraus. Deshalb wurden die wildökologischen Daten nochmals<br />
von einer speziell eingeschulten Person erhoben. Durch diese Datenüberbestimmung<br />
konnten die unterschiedlich starken Abweichungen der Daten verschiedener<br />
Erhebungstrupps vom "Eichwert" festgestellt werden. Eine Analyse der<br />
Datenqualtät führen Sterba et al. (1993) im Projektteil "Koordination" durch.<br />
Aus den Erfahrungen im Hinblick auf die Gefahr der Ungenauigkeit der Datenerhebung<br />
ergeben sich vor allem folgende Konsequenzen: Nur präzise definierte<br />
Variable mit geringem subjektiven Ermessensspielraum bei der Erhebung sowie<br />
ein Mindestmaß an Gewissenhaftigkeit des Erhebungspersonals ermöglichen die
251<br />
Gewinnung einwandfreier Primärdaten mit ausreichender Genauigkeit. Auf eine<br />
gründliche Einschulung und Kontrolle der Erhebungstrupps darf nicht verzichtet<br />
werden. Ebenso hat sich als notwendig erwiesen, die EDV-Datenlisten anhand der<br />
Erhebungsformulare vollständig auf Eingabefehler zu überprüfen.<br />
Eine allgemein für die Praxis verfügbare Anleitung (Broschüre) für Freilanderhebungen<br />
sollte im Rahmen der FIW II erarbeitet werden. Etwa folgende Struktur<br />
wäre wünschenswert:<br />
1. ALLGEMEINER ERHEBUNGSSCHLÜ SSEL<br />
Erstellung eines integralen praxisbezogenen Erhebungsschlüssels mit praz1se<br />
definierten standortkundlichen, ertragskundlichen, waldbauliehen und wildökologischen<br />
Para metern<br />
2. SPEZIELLER ERHEBUNGSSCHLÜSSEL<br />
Hinweise für die örtliche Anpassung des allgemeinen Erhebungsschlüssels in<br />
Abhängigkeit von der jeweiligen Ausganslage und Zielsetzung; Beispiele von<br />
Erhebungsformularen<br />
3. DURCHFÜHRUNG DER ERHEBUNG<br />
Hinweise auf zu berücksichtigende Aspekte der erforderlichen Personalqualifikation,<br />
Organisation, Ausrüstung und Einschulung sowie auf verschiedene<br />
Erhebungsmöglichkeiten (terrestrisch, Luftbild, GIS)<br />
4. KONTROLLE<br />
a) Datenkontrolle<br />
b) Kontrolle der Arbeitstrupps<br />
* Referenzflächen und/oder<br />
* Supervisor<br />
Kontrollen evtl. zu Beginn, Mitte und Ende der Erhebungsphase (Trends systematischer<br />
Erhebungsfehler können dadurch rechnerisch ausgeglichen werden)<br />
4.3 "Absolute " qualitative Einordnung der Kennzahlen<br />
Aufg rund bisher verfügbarer Erkenntnisse und allgemein akzeptierter Zielvorgaben<br />
konnte eine vorläufige Beurteilungshilfe für die Einschätzung der quantifizierten<br />
Kennwerte im Hinblick auf ihre "absolute" qualitative Einordnung gegeben werden.<br />
Jede qualitative Beurteilung ist aber stets zielabhängig (vgl. Kapitel 3.2.).<br />
Diese Beurteilung ist nicht auf die Kennwerte einzelner Stichprobepunkte sondern<br />
auf einigermaßen homogene Gebiete von mindestens 100 Hektar Fläche zu beziehen.<br />
Nach Vorliegen von Kennwerten aus weiteren Untersuchungsgebieten können<br />
die Grenzwerte überprüft und nötigenfalls modifiziert werden. Als Beispiel<br />
sind nachstehend die Grenzwerte für die Habitatqualität (HO) angegeben (Tab. 2):<br />
Die HO für Rehwild (ganzjährig, ohne Berücksichtigung einer eventuellen Wildfütterung)<br />
ist gut, wenn im Sommer(So) und Winter(Wi) alle der Einstandskennzahlen<br />
(Feindschutzindex-FSI, Klimaschutzindex-KSI, Wohnraumindex-WRI, Randzonenindex-RZI)<br />
Werte > 40 aufweisen, das Nahrungsangebot (NA) im Sommer<br />
> 30, im Winter ohne Schnee > 20 und im Winter bei 30 cm Schnee > 10, der
252<br />
Beunruhigungsindex(BUI) im Sommer und Winter > 40, der Geländeindex(GLI)<br />
>40 und der Umgebung/Biotopänderungsindex(UGI) >40 sind (alle genannten<br />
Kriterien müssen gleichzeitig erfüllt sein).<br />
Die HO ist sehr gut, wenn im So und Wi alle der Einstandskennzahlen Werte > 60<br />
aufweisen, das NA im So > 40, im Wi ohne Schnee > 30 und im Wi bei 30 cm<br />
Schnee > 20, der BUI im So und Wi > 60, GU > 60 und der UGI-Biotopänderung<br />
> 60 sind; eine für Rehe sehr gute HO - aber auch eine hohe Wildschadendisposition<br />
des Waldes - entsteht relativ leicht bei kleinflächigem Kahlschlagbetrieb mit<br />
vorwiegend wintergrünen Baumarten.<br />
Ta belle 2: Vorläufige Grenzwerte für die "absolute" qualitative Einstufung von<br />
Kennzahlen der Habitatqualität (Abkürzungen im Text).<br />
Table 2: Preliminary limiting values for "absolute " qualitative ra ting of habitat<br />
indexes (roe deer).<br />
Kennzahlen<br />
Habitaqualität für Rehe<br />
gut sehr gut<br />
FSI > 40 > 60<br />
KSI > 40 > 60<br />
WRI > 40 > 60<br />
RZI > 40 > 60<br />
NAs > 30 > 40<br />
NAwos > 20 > 30<br />
NAw30 > 10 > 20<br />
BUI > 40 > 60<br />
GLI > 40 > 60<br />
UGI/Biotopänderung > 40 > 60<br />
Waldbauliche Betriebsform Kleinflächiger Kahlschlagbetrieb<br />
mit wintergrünen Baumarten
VerjungungSilOtwendige Waldfläche mit nicht ausreichender<br />
Verjüngung in % der gesamten Waldfläche<br />
ANR wfth deficient regeneration (DR) in % ol FA<br />
111 Ve�üngung fehlend i!l!Verjüngung mangelhaft<br />
Verjüngungsnotw. Waldfläche mil nicht ausreichender V�üngung<br />
und Schelenwild als HemmfaktOr in % der gesamten Waldfläche<br />
ANR with DR and deer as an obstruction (00) in % of FA<br />
253<br />
VerjiinQungsootwendige Waidfläche in % der gesamten Waldfläche<br />
Area necessary to reganerate (ANR) in % ol whole lolesl area (FA)<br />
Verjüngungsnotwendige Waldfläche mit nicht ausreichender<br />
Ve�üngung in % der v�üngungsnotwendigen Waldfläche<br />
ANR with DR in % ot ANR<br />
100 ,--- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -,<br />
I Regeneration absent !l! Regeneration deficient<br />
(but not absent)<br />
Verjüngungsnotw. Waldfläche mil nicht ausreichender Verjüngung<br />
und Schalenwild als Hemmfaktor in % der verj.notw. Waldfläche<br />
ANR wilh DR and 00 in % ol ANR<br />
Abbildung 3: Vergleich von Kennwerten der Waldverjüngung aus Gebieten mit<br />
überwiegend Naturverjüngung.<br />
Fig ure 3: Camparisan af farest regeneratian in dexes fram different forest regians<br />
in central Eurape with predominating natural regeneratian.
254<br />
4.4 Wildschadenvergleich mit anderen Untersuchungsgebieten<br />
Die maximale Ausdehnung der Fläche mit aktuellen Wildschäden an der Verjüngung<br />
entspricht der aktuell verjüngungsnotwendigen Waldfläche. Der Flächenanteil<br />
der verjüngungsnotwendigen Waldfläche an der Gesamtwaldfläche hängt<br />
stark von der waldbauliehen Betriebsform ab und ist in der Regel bei Kahlschlagbetrieb<br />
erheblich geringer als bei Naturverjüngungsbetrieb. Dadurch kann bei<br />
Naturverjüngung ein größerer Waldflächenanteil mit aktuellen Wildschäden an der<br />
Waldverjüngung auftreten. Die Schadensintensität ist allerdings bei Naturverjüngung<br />
oft wesentlich geringer als bei Kahlschlagaufforstung (Reimoser u. Zandl,<br />
1993). So konnte z.B. in Schöneben an der sich stammzahlreich (im " Ü berfluß")<br />
auf großer Fläche natürlich verjüngenden Fichte trotz Verbiß praktisch kein<br />
Schaden festgestellt werden, da genügend unverbissene Jungfichten für die weitere<br />
Waldentwicklung übrig bleiben. Wildschaden entsteht hier lediglich durch den<br />
starken Verbiß der relativ spärlicher vertretenen und verbißbeliebten Mischbaumarten<br />
Tanne und Laubholz.<br />
Im Vergleich mit den Verjüngungs-Kenndaten anderer Gebirgsbetriebe mit überwiegend<br />
Naturverjüngungsverfahren (Onderscheka u. Reimoser, 1988;<br />
Onderscheka et al., 1989; 1990) weist die Wildschadensfläche in Schöneben<br />
einen unterdurchschnittlich großen Anteil auf (vgl. Abbildung 3). Verjüngungsnotwendige<br />
Waldflächen mit sehr hoher Schadensintensität ("fehlende Verjüngung")<br />
kommen in Schöneben nicht vor, während sie in den anderen Gebieten - ohne Differenzierung<br />
nach Hemmfaktoren - erhebliche Flächenanteile einnehmen (v.a. im<br />
Schutzwaldbereich). ln den drei Vergleichsgebieten kommen Rot-, Gams- und<br />
Rehwild vor (Hochgebirge mit hohem Schutzwaldanteil), in Schöneben (Mittelgebirgscharakter,<br />
kaum Schutzwald) Rehwild und selten Rotwild.<br />
Nach der allgemeinen qualitativen Grobskalierung (Reimoser u. Zandl, 1993) sind<br />
die Verbißschäden im Fürstentum Liechtenstein (85% der verjüngungsnotwendigen<br />
Waldfläche wildbedingt nicht ausreichend verjüngt) als "sehr hoch" und<br />
in Nenzing/Vorarlberg (74%) bzw. im Schweizer Rätikonbereich (66%) als "hoch"<br />
(nahe der Grenze zu "sehr hoch") einzustufen; in Schöneben (59%) liegt der Verbißschaden<br />
ebenfalls im Bereich "hoch" (Bereich bis 50% entspricht "geringer bis<br />
mäßiger" Schaden, 51% bis 80% "hoher" und über 80% "sehr hoher" Schaden).<br />
4. 5 Übertragbarkeit der Ergebnisse<br />
Die Ergebnisse und Maßnahmenvorschläge sind im wesentlichen gut übertragbar<br />
auf Gebiete mit Verbißproblemen durch Rehwild im nördlichen Mühtviertel<br />
(Böhmerwald), insbesondere auf Gebiete mit einer Bewaldung auf über 60% der<br />
Fläche, überwiegend natürlicher Waldverjüngung und ohne nennenswerte Wildschäden<br />
durch Rotwild.
5 LITERATUR<br />
255<br />
FÜHRER E., 1990: Forschungsprogramm 1990-1 994 (FIW II) Projektantrag. lnst. Forstentomologie<br />
und Forstschutz, Univ. Bodenkultur Wien.<br />
GOSSOW H., F. REIMOSER, 1985: Anmerkungen zum Zielkonflikt Wald - Wild - Weide - Tourismus.<br />
Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 1 36 (11): 913-929.<br />
ONDERSCHEKA K., F. REIMOSER, 1988: Integrale Schalenwildbewirtschaftung in der Agrargemeinschaft<br />
Nenzing. Wildökologische Grundlagenstudie, Forschungsinst. Wildtierkunde und<br />
Ökologie, Vet.Med. Univ., Wien, 137.<br />
ONDERSCHEKA K., F. REIMOSER, F. TATARUCH, T. STEINECK, E. KLANSEK, F. VOELK, R. WIL<br />
LING u. J. ZANDL, 1989: Integrale Schalenwildbewirtschaftung im Fürstentum liechtenstein<br />
unter besonderer Berücksichtigung landschaftsökologischer Zusammenhänge. Naturkundliche<br />
Forschung im Fürstentum Liechtenstein, Vaduz, Bd. 11, 265.<br />
ONDERSCHEKA K., F. REIMOSER, F. VOELK, F. TATARUCH, T. STEINECK, E. KLANSEK, I.<br />
VAVRA, R. WILLING u. J. ZANDL, 1990: Integrale Schalenwildhege im Rätikon (Herrschaft<br />
Prättigau/Graubünden) unter besonderer Berücksichtigung der Walderhaltung. Grundlagenstudie<br />
i. Auftr. d. Regierung d. Kantons Graubünden, Chur, 366 ( + Anhang).<br />
REIMOSER F., 1986a: Wechselwirkungen zwischen Waldstruktur, Rehwildverteilung und Rehwildbejagbarkeit<br />
in Abhängigkeit von der waldbauliehen Betriebsform. Oiss., Univ. Bodenkultur<br />
Wien, VWGÖ, Wien, Bd. 28, 319.<br />
REIMOSER F., 1986b: Wild- und Waldsterben. Internationaler Holzmarkt 77 (19): 1- 6.<br />
REIMOSER F. u. J. ZANDL, 1993: Methodisches Grundkonzept für ein Expertensystem "Wildökologie-Waldverjüngung•,<br />
Anwendungsbeispiel FIW II - Fallstudie 1 (Schöneben/Oberösterreich).<br />
FIW-Forschungsber. 1993/4, ÖGWEB, Univ. Bodenkultur Wien, 104.<br />
STERBA H., M. MOSER, A. GÄRTNER, G. GLATZEL, K. KATZENSTEINER, E. FÜHRER, D. GRILL,<br />
E. STABENTHEINER, H. HAGER, M. WILLINGER, F. REIMOSER u. H. GOSSOW, 1993: Waldbewirtschaftungskonzepte<br />
in stark belasteten Waldgebieten des Mühlviertels, wissenschaftliche<br />
Koordination. Abschlußbericht Fallstudie 1 der FIW Ii (Projektteil: Koordination), lnst.<br />
Waldwachstumsforsch., Univ. Bodenkultur Wien, 49.
256
257<br />
SENSIBIUTÄTSANAl YSEN EINES EXPERTENSYSTEMS<br />
ZUR BESTANDESBEHANDlUNG<br />
SENS/8/LITY ANAL YSES OF AN EXPER TSYS TEM<br />
TO DETERMINE STAND TREA TMEN TS<br />
Otto ECKMÜllNER und Martin MOSER<br />
Institut für Waldwachstumsforschung, Universität für Bodenkultur Wien,<br />
Peter Jordanstraße 70, A - 1190 Wien<br />
SUMMARY<br />
After introducing the case study Schlägl including possib!e stand treatments the sense and objective<br />
of sensibility analyses for determining a practical working programme is exp!ained.<br />
The success of developed strategies depends on a clear formulated goal and the accuracy of the<br />
used input variables. For practical purposes the loca! distribution of treatments is important.<br />
Local sensibility analyses can be used either for determining the consequences of decisions or for a<br />
ranking in the urgencies. Consequently treatment areas with similar strategies can be selected and<br />
the financial and technical need for particular areas is predictible. Furthermore these sensibility<br />
analyses provide information concerning the necessarity and the Ievei of success about sceduled<br />
strategies.<br />
Finally three examples of possible decision criterias are presented. The first example showes possible<br />
problems for different kinds of fertilization and the related pH-value as a used variable for<br />
selecting stand treatments. Then that the sensibility of interactions between humus thickness and<br />
soil preparation is not appropriate for general recommandations because of the great impact of<br />
unpredictable local influences to the result. The final example - stand density versus thinning<br />
treatment - shows a stabile behaviour and is therefore suitable for determining the urgency of<br />
thinning treatments.<br />
KEYWORDS: Sensibilityanalyses, expertsystem, standtreatment.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Nach einer Vorstellung des Maßnahmenkataloges zur Bestandesbehandlung im Rahmen der Fallstudie<br />
Schlägl werden Sinnhaftigkeit und Prämissen für eine Sensibilitätsanalyse dargelegt.<br />
Neben Unsicherheiten in der Fragestellung, Bestimmungsgenauigkeiten von Eingangsvariablen und<br />
der Trefferwahrscheinlichkeit der daraus abgeleiteten Maßnahme kommt der räumlichen Verteilung<br />
für die konkrete, praktische Durchführung der Maßnahmen eine wesentliche Bedeutung zu. Die<br />
räumliche Sensibilitätsanalyse von Entscheidungskonsequenzen kann einerseits zur Festlegung von<br />
Dringlichkeiten dienen, andererseits aber auch zur Herleitung von Behandlungsblöcken, also Gebieten,<br />
die als Einheit einer Behandlung unterzogen werden und damit zu Planungszwecken verwendet<br />
werden.<br />
Letztlich relativieren solche Analysen aber auch die Notwendigkeit von Maßnahmen bezüglich der<br />
die Machbarkeitsfrage, sei dies nun aus finanziellen, organisatorischen, technischen oder anderen<br />
Gründen, so auch aus Dimensionsgründen: sind Maßnahmen nur auf einer sehr kleinen Fläche<br />
notwendig, stellt sich im Sinne einer Vielfaltserhaltung oder Rationalität aber die Frage, ob die<br />
Maßnahme wirklich durchzuführen ist. Sind hingegen Maßnahmen auf sehr großen Flächen notwendig,<br />
so bekommen ökonomische Fragen eine hohe Bedeutung, seien diese nun betriebs- oder<br />
volkswirtschaftlicher Natur.<br />
Beispielhaft wird dies an drei Entscheidungskriterien dargestellt. Anhand der Veränderung jenes pH<br />
Wertes, unter dem Grobkalkung und Volldüngung bzw. Slow-Release-Düngung empfohlen wird,<br />
wird ein Beispiel für sehr große Sensibilität und räumlich starken Klumpungen, die sich aus der Herleitung<br />
des pH-Wertes aus den topographischen Einheiten erklären, aufgezeigt. Das zweite Beispiel,<br />
Humusmächtigkeit - Bodenverwundung, zeigt sensibles Verhalten und zufällige räumliche Vertei-<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
6GWEB (6sterr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung) ISBN 3-900865-06-X.
258<br />
lung, die soweit reicht, daß diese Maßnahme nicht einmal für ganze Bestände empfohlen werden<br />
kann, sondern kleinflächigst entschieden werden müßte. Das letzte Beispiel, Bestandesdichte -<br />
Durchforstung, zeigt weitgehend unsensibles Verhalten, ist jedoch gut geeignet, die Dringlichkeit<br />
von Durchforstungsmaßnahmen aufzuzeigen.<br />
STICHWÖRTER: Sensibilitätsanalyse, Expertensystem, Bestandesbehandlung.<br />
1 EINLEITUNG<br />
Für das nördliche Mühlviertel wurde im Rahmen dieser Fallstudie ein Katalog an<br />
Waldsanierungsmaßnahmen entwickelt. Unter verschiedenen Prämissen (Maßnahmen<br />
zur Hintanhaltung von Schäden durch das Schalenwild, "saubere Waldwirtschaft"<br />
zur Vorbeugung gegen Borkenkäfergradationen, Berücksichtigung der zu<br />
schützenden Moore etc.) wird mittels eines Flußdiagrammes die Angemessenheit<br />
von Waldsanierungsmaßnahmen ermittelt. Der Maßnahmenkatalog reicht von<br />
Durchforstung, über Entwässerung, Bodenverwundung, Einbringung von Laubhölzern<br />
bis zur Grobkalkung mit Volldüngung beziehungsweise Slow-Release-Düngung.<br />
Das Flußdiagramm (im Sinne eines Bestimmungsschlüssel) zur Ermittlung der<br />
Angemessenheit von Waldsanierungsmaßnahmen auf konkreten Flächen des<br />
nördlichen Mühlviertels ist in der Abbildung 1 dargestellt. Dabei sind die Entscheidungskriterien<br />
normal und die Maßnahmen fett und unterstrichen dargestellt. Jene<br />
drei Kriterien, die in der Folge als Beispiele für eine Sensibilitätsanalyse herangezogen<br />
werden, sind grau hinterlegt. Es handelt sich dabei um die Bestandesdichte<br />
(ab der eine Durchforstung erfolgen soll), um die Mächtigkeit der Rohhumusdecke<br />
(ab der Bodenverwundung erforderlich ist) und um den Grenz-pH-Wert (unter<br />
welchem Bodensanierung - Düngung erfolgen soll, soferne die Baumart Buche in<br />
der Zielbestockung aufscheint) . Alle anderen Entscheidungskriterien bleiben in diesen<br />
Beispielen unverändert. Eine genaue Beschreibung des Flußdiagrammes und<br />
der dazugehörigen Rahmenbedingungen bzw. für das ganze Revier durchzuführenden<br />
Maßnahmen zeigt Sterba (1993).<br />
2 GRUNDSÄTZLICHE Ü BERlEGUNGEN ZUR SENSIBI UTÄTSANAl YSE<br />
Unter Sensibilitätsanalyse versteht man die Quantifizierung von Veränderungen in<br />
komplexen Systemen, die durch Änderungen einzelner Systemgrößen verursacht<br />
werden. Solche Analysen sind unter folgenden Aspekten sinnvoll und notwendig:<br />
* Exaktheit der Abfrage:<br />
z. B.: Die Verjüngungsnotwendigkeit ist gegeben, wenn das Alter des Bestandes<br />
größer als 80 Jahre ist, hiebei handelt es sich um eine exakte Abfrage.<br />
Weniger exakt ist hingegen: Die Verjüngungsnotwendigkeit ist gegeben, wenn<br />
das Alter größer als 80-1 00 Jahre ist.
259<br />
Verjüngungsnotwendigkeit<br />
gegeben �<br />
9<br />
sekundärer<br />
Durc hforstung.<br />
Anmoorboden ?<br />
Düngung ---+<br />
frühestens<br />
5 Jahre später!� + Ja ne1n<br />
Nachziehen<br />
E<br />
"";;: ::<br />
.. W pH < 4.2?<br />
� (olo)<br />
:•�g •-<br />
Buche Ziel-in ·<br />
�Mg < 3%?<br />
·�?<br />
Bestand würdig,düngungsjüngung in od. spätestens Ver<br />
20 Jahren nötig ?<br />
Gründigkeit $<br />
60 cm?<br />
><br />
�robkt �I ein I<br />
un d<br />
Volldiimi"ung !<br />
s ow re ease<br />
D"<br />
ungung ·<br />
I<br />
nein .rn --�<br />
Standortstyp frisch bis )"<br />
Naturverjüngung
egeneration<br />
""'"''' �<br />
_.secondary water<br />
!hinning.<br />
fertilization<br />
•""�"" r::: ::(log�ll' ?<br />
� '-f<br />
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d . pH < 4.2?<br />
1tc h es . 1<br />
beeohlo � cf ·�,:��<br />
-��<br />
hmmg<br />
�<br />
full fertilization I<br />
slow release<br />
fertiljzation !<br />
260<br />
"fresh" site class to soil<br />
�<br />
"moist" . . .<br />
1 � scanf1ca!ion .<br />
�<br />
.__<br />
maple in<br />
stocking goal !<br />
beech in<br />
� % ���:j: g<br />
site class soll . depth above<br />
" t" 60cm<br />
?<br />
"moist" 10<br />
bedrock ><br />
"'+<br />
$'<br />
'7111""'"<br />
GQj<br />
�<br />
Calamagrostis r( yes<br />
present and crown s!ow re!ease<br />
natural p�e regeneration ? �I �<br />
�<br />
:���:::::�og<br />
§Oi<br />
single plant protec!ion !<br />
� plantjng. top dressjng<br />
grass remoyal.<br />
single plant protec!ion !<br />
Figure 1.· Flo w-chart to determin e stand treatments.
261<br />
* Bestimmungsgenauigkeit der Eingangsvariable(n):<br />
z.B.: So liegt die Standardabweichung des Alters in einem Bestand bei ± 7 Jahren<br />
nach Sterba ( 1 984) .<br />
* Die Qualität im Sinne einer Treffergenauigkeit der daraus hergeleitenden Maßnahme:<br />
z.B.: So wird eine Verjüngungsnotwendigkeit nicht erst ab dem Alter von<br />
80 Jahren gegeben sein, sondern in jüngeren Beständen mit geringen Bestokkungsgraden<br />
auch schon früher. Andererseits muß die Frage der Verjüngungsnotwendigkeit<br />
sich am Verjüngungszeitraum orientieren.<br />
'<br />
Mittels Diskriminanzanalyse ließ sich für die vorliegende Fallstudie die Frage der<br />
Verjüngungsnotwendigkeit sehr eindeutig (90% richtige Zuordnung) formulieren.<br />
Das Entscheidungsschema ist in Abbildung 2 dargestellt. Da doch immerhin 10%<br />
der Fälle nicht richtig zugeordnet wurden, ergibt sich trotz der exakten Ausformulierung<br />
die Notwendigkeit einer Sensibilitätsanalyse.<br />
1<br />
BG > 0,6 BG < 0,6<br />
BG : Bestockungsgrad - degree of stocking<br />
Abbildung 2: Entscheidungsschema zur Festlegung der Verjüngungsnotwendigkeit.<br />
Figure 2: Decisionscheme to de termin e regeneration necessarity.<br />
Vor allem bei räumlich zuordenbaren Größen gewinnt die Sensibilitätsanalyse eine<br />
weitere Di mension. So lassen sich neben quantitativen und qualitativen Sensibilitätsanalysen,<br />
die zur Abschätzung der Größe bzw. der Art der Veränderung<br />
geeignet sind , auch solche über die räumliche Verteilung durchführen. Die Einbe-
262<br />
ziehung der räumlichen Verteilung hat für die praktische Beurteilungen folgende<br />
Konsequenzen:<br />
* Weist die räumliche Sensibilitätsanalyse auf eine mehr oder weniger zufällige<br />
Verteilung hin, so bedeuted das, daß die empfohlene Maßnahmen individuell<br />
für jede Teilfläche vor Ort entschieden werden.<br />
* Kommt es hingegen zu Klumpungen, so stellt sich folglich nicht mehr die Frage,<br />
wo diese Maßnahme zu setzen ist, sondern vielmehr wie stark oder mit welcher<br />
Dringlichkeit sie zu erfolgen hat.<br />
Um der Frage der räumlichen Verteilung nachzugehen, wurden zuerst geographische<br />
Informationssysteme (GIS) eingesetzt. Da sich aber seflr schnell herausstellte,<br />
daß diese Vorgangsweise zeitaufwendig und recht mühsam ist, wurde von<br />
Moser u. Eckmüllner (1993) ein Programm für diese Fallstudie entwickelt,<br />
welches sehr schnell und effizient auch sehr komplexe Sensibilitätsanalysen<br />
ermöglicht.<br />
3 BEISPIELE VON SENSIBI UTÄTSANAl YSEN ZUR FIW-FAllSTUDIE 1<br />
Im Folgenden soll an drei einfachen Beispielen die Ergebnisse von Sensibilitätsanalysen<br />
vorgestellt werden. Dabei wird jeweils nur eine Entscheidung untersucht.<br />
1. Beispiel: Änderung des Grenz-pH-Wertes, bei dessen Unterschreitung entweder<br />
Grobkalkung und Volldüngung oder in Abhängigkeit von der Gründigkeit Slow<br />
Release-Düngung empfohlen wird .<br />
ln der Abbild ung 3 ist der Prozentsatz der zu behandelnden Fläche, bezogen auf<br />
die potentielle Fläche, also jene Fläche, auf der alle anderen Voraussetzungen<br />
(Verjüngungsnotwendigkeit, Buche in der Zielbestockung, usw.) erfüllt sind,<br />
dargestellt.<br />
Die quantitative Analyse zeigt eine sehr starke Reaktion auf Änderung des GrenzpH-Wertes.<br />
Betrachtet man die Art der Veränderung, so gelangt man zu dem<br />
Schluß, daß es sich um eine extrem sensible Variable handelt: eine Änderung des<br />
Grenz-pH-Wertes von 3,9 auf 4,4 verändert den betroffenen Flächenanteil von<br />
10% auf rund 90%. Betrachtet man die räumliche Verteilung, so zeigt sich auch<br />
eine ganz eindeutige, flächige Konzentration {Abb. 4). Der schrittweisen Änderung<br />
des Grenz-pH-Wertes entsprechen abgrenzbare Gebiete.<br />
Die praktische Bedeutung dieser Klumpungen findet man in der Möglichkeit,<br />
Düngemaßnahmen großflächig durchzuführen, also z. B. vom Flugzeug aus.<br />
Gegen diese Vorgangsweise sprechen aber zwei Gründe: einerseits ist bei Düngemitteleinsatz<br />
die Nitratauswaschung in das Grundwasser zu beachten. Dies stellt<br />
den großflächigen Einsatz mehr als nur in Frage. Andererseits muß der Frage der<br />
Bestimmungsgena uigkeit des pH-Wertes nachgegangen werden.
263<br />
% der möglichen Fläche % of potential ares<br />
100r--- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --�<br />
4,4 4,3 4,2<br />
pH-Wert<br />
pH- Va/ue<br />
Abbildung 3: Prozent der in Frage kommenden Fläche.<br />
Figure 3: Percent of potential area.<br />
4,1<br />
4,0 3,9<br />
Dies ist in diesem Fall wiederum recht einfach, da der pH-Wert nicht auf den einzelnen<br />
Probepunkten erhoben wurde, sondern nach Formeln von Katzensteiner<br />
(1992) über die topographischen Einheiten berechnet werden. Die pH-Wert-Verteilung<br />
ist in der Abbildung 5 dargestellt.<br />
Da die Reststreuung um diese Regression noch relativ groß ist, kann ein solches<br />
Ergebnis eher nur zur Festlegung der wichtigsten Gebiete dienen, wo ein Einsatz<br />
von Düngemitte ln zur Bodensanierung und zur Erreichung des Bestockungszieles<br />
besonders wahrscheinlich notwendig sein wird . Die letztendliche Entscheidung<br />
jedoch muß vor Ort getroffen werden.<br />
2. Beispiel: Humusmächtigkeit, ab der Bodenverwundung zur Erzielung von Verjüngung<br />
notwendig wird .<br />
ln den Abbildungen 6 und 7 ist der Prozentsatz der zu behandelnden Fläche,<br />
bezogen auf die potentielle Fläche, sowie die räumliche Verteilung dargestellt. Die<br />
quantitative Analyse zeigt hohe Sensibilität und eine progressive Zunahme der zu<br />
behandelnden Fläche mit abnehmendem Grenzwert für die Humusmächtigkeit. Die<br />
räumliche Verteilung weist auf keine Klumpungen hin. Demnach muß die Entscheid<br />
ung über diese Maßnahme vor Ort getroffen werden. Die Klumpungen sind<br />
sogar so gering, daß diese Maßnahme nicht einmal für ganze Bestände, sondern<br />
in diesem Revier nur kleinstflächig notwendig erscheint.
""'"<br />
""'"<br />
V<br />
:r:<br />
Cl.<br />
Abbildung 4: Verteilung der Probeflächen.<br />
Figure 4: Distrib ution of th e sampling plots.<br />
264<br />
0<br />
""'"<br />
V<br />
:r:<br />
Cl.<br />
N<br />
""'"<br />
V<br />
:r:<br />
Cl.
265<br />
pH = 4,20<br />
:::: :: 4,03<br />
p H = 4,33<br />
Abbildung 5: pH-Wert-Verteilung nach Katzensteiner (1992).<br />
Fig ure 5: Distribution of the pH- values from Ka tzensfeiner (1992).<br />
% der möglichen Fläche \II of potential sres<br />
100,--- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -,<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
>10 cm > 9 cm > 8 cm > 7 cm > 6 cm > 5 cm > 4 cm<br />
Humusmächtigkeit<br />
thickness of the humus layer<br />
Abbildung 6: Prozent der in Frage kommenden Fläche.<br />
Figure 6: Percent of potential area.
4 cm<br />
Abbildung 7: Verteilung der Probeflächen.<br />
Figure 7: Distrib ution of the sampling plots.<br />
3. Beispiel: Durchforstung<br />
266<br />
> 6 cm<br />
Die Dichtedefinition von Pollanschütz et al. ( 1 982) ist exakt definiert mit<br />
N/ha < 20.000/ho. Die Genauigkeiten der Eingangsvariablen betragen für die<br />
Oberhöhe (ho) ± 5% und für die Stammzahl je Hektar {N/ha) aus der Winkelzählprobe<br />
± 20-30%. Wie exakt die Konsequenz (Durchforstungsnotwendigkeit)<br />
daraus herleitbar ist, steht hier angesichts des sehr hohen Anteils an Wipfelbrüchen<br />
und Schneedruckschäden (in den letzten 30 Jahren fielen 45 % des Zuwachses<br />
an Schadholz durch Wind und Schnee an) außer Diskussion.
267<br />
Rein quantitative Beurteilung der Sensibiltät des Pollanschütz-Kriteriums von<br />
20.000/ho: Abbildung 8 zeigt so gut wie keine Änderungen der Fläche bei Änderung<br />
des Kriteriums um +/-10% (18.000/ho bzw. 22.000/ho) . Die Änderung der<br />
Fläche beträgt nur 3-7 %, die Reaktion ist also recht träge oder anders ausgedrückt,<br />
jene Bestände, die zu dicht sind, sind dies sehr deutlich. Selbst die Änderung<br />
um ± 50% ( 1 0.000/ho bzw. 30.000/ho) zieht lediglich eine Änderung von<br />
± 30% der Fläche nach sich.<br />
% der möglichen Flächen % of potential ares<br />
100.--- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -,<br />
0<br />
10000/ho 18000/ho 20000/ho 22000/ho<br />
Stammzahl - Oberhöhen - Relation<br />
tre es per ha - dominant heigh t - rela tio n<br />
Abbildung 8: Prozent der in Frage kommenden Fläche.<br />
Fig ure 8: Percen t of poten tial area.<br />
30000/ho<br />
So ließe sich aus dieser Analyse auf ein relativ stabiles System schließen. Wie<br />
sieht dazu jedoch die räumliche Analyse aus? Aus der Abbildung 9 erkennt man<br />
ziemlich deutlich zwei größere Gebiete, die als solche stabil bleiben, nur die<br />
Fläche innerhalb dieser zwei Gebiete ändert sich - im einen Gebiet kaum, im<br />
zweiten jedoch beträchtlich. Ein drittes größeres Gebiet reagiert hingegen sehr<br />
sensibel auf die Veränderung des Pollanschütz-Kriteriums - bei starker Änderung<br />
des Kriteriums verschwindet dieses Gebiet zur Gänze.<br />
Dies bedeutet, daß die vorher getroffene Aussage relativiert werden muß. Demnach<br />
gibt es einen Teil des Revieres, in dem unbedingt durchforstet werden muß,<br />
weil die Bestände viel zu dicht sind . Ein weiterer Gebietsteil scheint bereits durchforstet<br />
(oder gebrochen) worden zu sein, jedoch sind die Stammzahlen hier<br />
weiterhin zu hoch, während in einem dritten Teil die Stammzahlen offensichtlich
10 000/ho<br />
Abbildung 9: Verteilung der Probeflächen.<br />
Figure 9: Distrib ution of the samp/ing p/ots.<br />
268<br />
30 000/ho<br />
20 000/ho<br />
nicht sehr weit vom Grenzbereich liegen, sich also eine Durchforstungsnotwendigkeit<br />
für die Zukunft abzeichnet.<br />
4 FOlGERUNGEN<br />
Diese Beispiele sollten aufzeigen, daß Sensibilitätsanalysen geeignet sind, quantitativ<br />
wie auch die räumliche Verteilung betreffend Dringlichkeiten für Gebiete<br />
festzulegen, aber auch das Ausmaß, die Notwendigkeit beziehungsweise die<br />
Durchführbarkeit von Maßnahmen zu relativieren.
5 LITERATUR<br />
269<br />
KATZENSTEINER K., 1992: Relationship between decline symptoms, tree nutrition, chemical properties<br />
and general site parameters in the Bohemien Forest (Austria). FIW 11/1, Projektteil<br />
"Waldboden und Baumernährung", Zwischenber. 3, lnst. Waldökol., Univ. Bodenkultur Wien.<br />
MOSER M. u. 0. ECKMÜLLNER, 1993: Beschreibung des Programmes SCHLÄGL - ein Expertensystem<br />
für ein Waldbewirtschaftungskonzept. lnst. Waldwachstumsforsch., Univ. Bodenkultur<br />
Wien.<br />
POLLANSCHÜTZ J., H. ENK u. K. JOHANN, 1982: Auslesedurchforstung in Fichte. Seminarunterlagen<br />
Ottenstein/NÖ.<br />
STERBA H., 1993: Waldbewirtschaftungskonzepte in stark belasteten Gebieten des Böhmerwaldes<br />
- Versuch einer Synopse. Seminarunterlagen Ottenstein/NÖ .<br />
STERBA H., 1984: Methodische Unterschiede zwischen Bestandesinventuren und betrieblichen<br />
Stichprobeninventuren. Berichte Abt. Holzmaßkunde und lnventurfragen, lnst. Waldwachstumsforsch.,<br />
Univ. Bodenkultur Wien 6: 9- 16.
270
271<br />
WAlDBEWIRTSCHAFTUNGSKONZEPTE <strong>FÜR</strong> STARK BELASTETE WAlDGEBIETE<br />
DES MÜHl VIERTELS - SYNOPSE<br />
A <strong>FOR</strong>ESTRY MA NA GEMENT CONCEPT <strong>FOR</strong> HEA VIL Y LOADED <strong>FOR</strong>ESTS<br />
OF THE MÜHL VIERTEL - SYNOPSIS<br />
Hubert STERBA<br />
Institut für Waldwachstumsforschung, Universität für Bodenkultur Wien,<br />
Peter Jordanstraße 70, A -1190 Wien<br />
SUMMARY<br />
The case study concept of the Research Initiative against Forest Dieback !Führer, 19901 intends to<br />
inventory the environmental Ioads, stresses and dangers for a given region and to rate them in<br />
order to develop case specific concepts for the restoration of the forest ecosystems in these<br />
regions. This paper presents the synopsis of the first of these studies where five research teams<br />
had worked in the Austrian part of the Bohemian Massif.<br />
As early as 1983 signs of forest decline (needle Iosses and -yellowing) were observed. The main<br />
forest management concept in this region is one of natural regeneration avoiding clearcuts and frequently<br />
executing single tree harvesting. Therefore the failure of natural regeneration in several<br />
sites turned out to be a serious problern too. Additionally damages from Cephalcia abietis resulted<br />
in !arger gaps in old stands so that damages by winds had to be apprehended. After this the regeneration<br />
of the stands once more will be demanded but endangered by the observed failure of the<br />
natural regeneration.<br />
A screening of the Ioads, stresses and dangers and their underlying causes showed (Fig. 2):<br />
* Among the air pollutants NO x and presumably S0 2 could be excluded from playing an important<br />
role for the damages in this region. Only ozone was observed at a rather high Ievei. The physiological<br />
parameters (pigments and enzymesl of Grill !1 994) were interpreted as reactions to<br />
photo-oxidative processes although Havranek et al. ( 1 989) and many others found that even<br />
much higher ozone concentrations did not affect the photosynthesis of Norway spruce !Picea<br />
abies L. l provided that no interactions with other Ioads (acid rain or S0 2 l occurred.<br />
" Seil acidification and nutrient impoverishment was one of the most important factors affecting<br />
observed phenomena of needle yellowing and -lasses, failure of natural regeneration and even<br />
the Observation of high aluminum concentrations in the water of the surrounding creeks. Seil<br />
acidification is a campeund effect of a bedrock, poor in minerals especially magnesium and calcium,<br />
and of soil development during the holocene, of historical land uses such as litter collection,<br />
grazing in the forests, biernass removal for charcoal production for glass industry, later on<br />
!arge clear cuts followed by no afforestation or one with pure Norway spruce only, and last not<br />
least of the deposition of acids and precursors for acidification by rain, fog and hoar-frost.<br />
Magnesium deficiency is one of the most important reasons for needle yellowing of spruce. The<br />
acidification of soils reduces the rooting depth of spruce, thus increasing the risk of wind throw<br />
which in turn raises the danger of lps typographus outbreak. lt also increases the survival rate<br />
of Cephalcia abietis by injuring its parasite Steinernema kraussei. Probably nutrient deficiencies<br />
of the needles of Norway spruce also increase the dangar of fungi infections, especially by<br />
Sirococcus strobilinus.<br />
* A second, very important factor in the process of forest decline in this part of the Bohemian<br />
Massif is the tree species distribution which deviates strongly from the targets as they were<br />
recommended during the site survey and site mapping procedure in 1965-1 970. While 89% of<br />
the ranger district should have mixed conifer-broad-leaf-tree stands in fact only 46% are<br />
covered by this type of Stands and 46% are pure Norway spruce stands. This is partly due to<br />
former and recent forest management, enforced by soil acidification and partly to too high<br />
population density of roe-deer which in turn changes the tree species distribution in the natural<br />
regeneration by selective browsing. The predominance of pure spruce stands tagether with too<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
6G WEB (6sterr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung) ISBN 3-900865-06-X.
272<br />
high stand densities also increases the risk of snow breakage which in turn will be able to raise<br />
the probability of Pityogenes chalcographus outbreak.<br />
This inventory and risk rating - tagether with the results of several fertilization experiments led to<br />
the following case specific recommendations for a restoration concept:<br />
" To decrease the part of wet deposition within the process of soil acidification and direct air pollution<br />
on tree vitality, political actions to reduce emissions have to be taken. They cannot be<br />
substituted by the following soil amelioration measures because there are no experiences how<br />
Ieng the effects of these different fertilization methods will last under the conditions of further<br />
emissions.<br />
" To keep browsing under control and to enable natural regeneration of other tree species than<br />
Norway spruce the actual culling figures for roe-deer have to be doubled as Ieng until a monitaring<br />
shows that the appropriate species mixture, as it is given in the site specific regeneration<br />
target is able to survive.<br />
" Thinning in too dense young stands will decrease the risk of crown darnage and thus the risk of<br />
Pityogenes chalcographus outbreak. ln old stands where a !arger proportians of the trees show<br />
infections by Sirococcus strobilinus these trees have to be cut and the branches to be burnt .<br />
.. Seil amelioration by fertilization and/or soil preparation shall be done only in stands where natural<br />
regeneration is necessary or where it will be necessary within the next 20 years. lts application<br />
and its recipe (rough or slow release - fertilization) will depend on the site type and its condition<br />
(pH, %Mg as part of exchange capacity), the target regeneration mixture and the soil depth<br />
above bedrock (Fig. 3).<br />
" Sites with heavily acidified top soils, high grass competition in the understory and low crown<br />
coverage of the overstory mostly occur in the higher elevations. There probably single tree planting,<br />
fertilization and protection against browsing will be the only successful method of regeneration<br />
!Fig. 3).<br />
The data of the site mapping, those of the last forest inventory and other information stored in a<br />
GIS were used to estimate the areas where amelioration measures have to be set and to study<br />
their sensibility against changes of the decision criteria as they are given in the decision tree of<br />
figure 3.<br />
KEYWORDS: Forest decline, acidification, needle yellowing, restoration, expert system, multiple<br />
stress diagnosis.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Das Fallstudienkonzept der <strong>FOR</strong>SCHUNGSINITIA TI VE GEGEN DA S WA LDSTERBEN (Führer, 1994)<br />
beabsichtigt für ein jeweils gegebenes Gebiet und einen jeweils typischen Fall, eine multiple Streßund<br />
Belastungsdiagnose vorzunehmen. Darauf aufbauend, sind die diversen Belastungen des Waldökosystems<br />
zu gewichten und zu bewerten und als Folgerung jeweils fallspezifische Sanierungsmaßnahmen<br />
in Form eines Waldbewirtschaftungskonzeptes abzuleiten. Die vorliegende Arbeit stellt<br />
die Synopse der ersten Fallstudie vor, an der fünf Arbeitsgruppen im Österreichischen Teil des Böhmerwaldes<br />
gearbeitet haben.<br />
Schon seit 1983 wurden in diesem Gebiet Vitalitätsminderungen in den Beständen registriert. Da<br />
die meisten Betriebe dieses Raumes als Naturverjüngungsbetriebe gelten, im Betrieb des Stiftes<br />
Schlägl gleichzeitig unter strenger Vermeidung des Kahlschlages ausschließlich Einzelstarnmnutzung<br />
erfolgt, bereitet darüber hinaus das örtliche Ausbleiben der Naturverjüngung größere Sorgen.<br />
Eine Kalamität der Fichtengespinstblattwespe mit Kahlfraß läßt weiters Bestandesauflichtungen<br />
befürchten, die zu Windwürfen führen, nach denen die Naturverjüngung erst recht wieder ein<br />
Problem darstellt.<br />
Eine multiple Streß- und Gefahrendiagnose ergab:<br />
* NO x und wohl auch S0 2 kamen als allgemeine und wesentliche Verursacher der beobachteten<br />
Vitalitätsminderungen (Nadelverluste, Vergilbungen) eher nicht in Frage. Nur Ozon wurde während<br />
der ganzen Beobachtungszeit in relativ hohen Kenzantationen angetroffen. Die von Grill<br />
(1 994) vorgefundenen baumphysiologischen Muster (Pigmente und Enzyme) wurden von den<br />
Autoren als Weiser für photo-oxidative Prozesse an und in den Nadeln interpretiert. Havranek et<br />
al. (1989) und viele andere fanden jedoch, daß selbst bei wesentlich höheren Ozonkonzentrationen<br />
keine negativen Effekte hinsichtlich der Photosynthese der Fichte auftraten, es sei denn,<br />
daß Wechselwirkungen mit anderen Belastungen (saure Niederschläge, S0 2 l bestanden.
273<br />
* Bodenversauerung und daraus folgende Nährstoffverarmung wurde als einer der wichtigsten<br />
Faktoren ausgemacht, der die beobachteten Phänomene der Vitalitätsminderung, des Ausbleibans<br />
der Naturverjüngung und sogar erhöhter Aluminiumkonzentrationen in den umgebenden<br />
Bächen erklärt. Die Reversibilität dieser Merkmale in entsprechenden Düngungsversuchen kann<br />
als entsprechender Nachweis gewertet werden. Diese Bodenversauerung ist ein Summationseffekt<br />
des primär armen Ausgangsmaterials für die Bodenbildung (insbesondere Kalzium und<br />
Magnesium), der weiteren Verarmung im Zuge der holozänen Bodenbildung, der historischen<br />
Landnutzungen wie Streunutzung, Waldweide, Biomassenausträge für die umliegende Glashüt·<br />
tenindustrie, weiterer Austräge durch die Großkahlschläge und die Aufforstung mit reiner Fichte<br />
und nicht zuletzt des Eintrages von Säuren und Säurebildnern. Magnesiummangel ist eine mittlerweile<br />
bekannte Ursache für das Schadbild des Typs "montane Vergilbungen". Im Gefolge der<br />
Bodenversauerung verringert sich auch die potentielle Durchwurzelungstiefe für die Fichte. Das<br />
erhöht wiederum die Windwurfgefährung, die ihrerseits ein erhöhtes Risiko für Buchdruckerkalamitäten<br />
bedeutet. Im Wege einer Vitalitätsminderung des Parasiten Steinernema kraussei auf<br />
der Fichtengespinstblattwespe wird auch das Gradationsrisiko dieses Schadinsekts erhöht.<br />
Vermutlich disponieren Nährstoffmängel in den Nadeln der Fichte auch für deren Befall durch<br />
Sirococcus strobilin us, der dann vom Schadbild des "Fensters" in den Fichtenkronen bis zum<br />
Absterben größerer Kronenteile führen kann.<br />
* Als :zweiter wichtiger Schadfaktor stellte sich die Tatsache heraus, daß die aktuelle Baumartenverteilung<br />
wesentlich von der Zielbestockung, wie sie sich aus dem Standortskartierungsoperat<br />
ergibt, abweicht. Demnach sollten 89% der Fläche mit Nadel-Laub-Mischwäldern bestockt sein.<br />
Tatsächlich sind nur 46% der Fläche so bestockt, 46 weitere Prozent sind dagegen mit Fichtenreinbeständen<br />
bestockt. Dieser Sachverhalt ist auf die Waldbewirtschaftung, verstärkt durch die<br />
Wirkung von Bodenversauerung und selektivem Wildverbiß im Verjüngungsstadium, zurückzuführen.<br />
Jüngere, zu dichte Fichtenreinbestände erhöhen darüber hinaus die Schneebruchgefährdung<br />
und über das dabei anfallende Astmaterial die Gefahr von Kupferstechergradationen.<br />
Dieses Wirkungsgefüge von Belastungen und Gefährdungen ergibt dann zusammen mit den in verschiedenen<br />
Düngungsversuchen gefundenen Erkenntnissen das folgende Sanierungskonzept:<br />
* Die lmmissionsreduktion, die insbesondere in ihrem Beitrag zur Versauerung und Nährstoffverarmung<br />
notwendig ist, kann nur auf politischem Wege sichergestellt werden. Sie kann keineswegs<br />
durch die im Folgenden beschriebenen, waldbauliehen Maßnahmen ersetzt werden, weil<br />
noch zu wenig bekannt ist, wie lange die Wirkung von Sanierungsmaßnahmen unter fortgesetzten<br />
Immissionsbedingungen anhält.<br />
" Zur Hintenhaltung der Wildschäden als Folge des selektiven Verbisses sind die Abschußzahlen<br />
für das Rehwild und die Jagdmethode so zu ändern, bis die Dauerbeobachtung an Kontrollzäunen<br />
zeigt, daß die dem Standort entsprechende Verjüngung zu überleben vermag.<br />
* Durchforstungen in den zu dichten Beständen sollten das Schneebruchrisiko und die Gradationsgefahr<br />
für den Kupferstecher verringern. ln alten Beständen ist durch die Entnahme jener<br />
Bäume, die von Sirococcus strobilinus stark befallen sind, und durch das Verbrennen der Äste<br />
der Gefahr einer bestandesgefährdenden Epidemie vorzubeugen.<br />
" Bodensanierungsmaßnahmen sollten zur Zeit auf jene Bestände beschränkt werden, in denen<br />
Verjüngung zwar notwendig, aber nicht in der entsprechenden Menge und vor allem Zusammensetzung<br />
vorhanden ist. Die Art der Düngungsmaßnahmen muß sich nach dem Standortstyp,<br />
der Zielbestockung, dem Bodenzustand (pH, Mg-Sättigung) und der Gründigkeit richten<br />
(Abb. 3).<br />
" Standorte mit starker oberflächennaher Versauerung, starker Vergrasung unter Beständen stärkerer<br />
Auflichtung sind sinnvollerweise durch Pflanzung, Kopfdüngung und Einzelschutz gegen Verbiß<br />
zu verjüngen.<br />
Mit den Daten der Standortskarte, jenen der letzten Stichprobeninventur und einigen weiteren<br />
Informationen, die im geographischen Informationssystem abgespeichert sind, kann die Fläche, auf<br />
der die jeweiligen Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen, abgeschätzt und hinsichtlich<br />
ihrer Sensibilität gegenüber der Festsetzung der Entscheidungskriterien (Abb. 3) untersucht<br />
werden.<br />
STICHWÖ RTER: Waldniedergang, Versauerung, Nade!vergilbung, Sanierung, Expertensystem, multiple<br />
Streßdiagnose.
1 EINLEITUNG<br />
274<br />
Die Idee und das Konzept der Fallstudien im Rahmen des zweiten Teiles der Forschungsinitiative<br />
gegen das Waldsterben hat Führer ( 1994) bereits vorgestellt. Im<br />
Folgenden soll nunmehr als Ergebnis gemeinsamer Diskussionen, Workshops im<br />
Rahmen der "Blauen Serie" und "Aushandlungen" im Sinne von Kratt (1994) aus<br />
den Ergebnissen der einzelnen Arbeitsgruppen und darüber hinaus insbesondere<br />
auch aus den betrieblichen Erhebungen im Rahmen der letzten forstlichen Stichprobeninventur<br />
1. eine fallspezifische Bewertung der Belastungen und Gefährdungen und<br />
2. ein Waldbewirtschaftungskonzept vorgestellt werden, das dieser fallspezifischen<br />
multiplen Streßdiagnose Rechnung trägt.<br />
2 DIE FAllSPEZI FISCHE BEWERTUNG DER GEFÄHRDUNGEN UND RISKEN<br />
Die Forstbetriebe im Oberösterreichischen Teil des Böhmerwaldes waren die<br />
ersten in Österreich, in denen erhebliche - angeblich neuartige - Waldschäden<br />
beobachtet, als Kronenverlichtungen und Nadelvergilbungen festgestellt und auch<br />
fiskalisch geltend gemacht wurden. Diese Beobachtungen führten einerseits zu<br />
einem Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen, in dem nach Erhebung der<br />
Kronenverlichtungen in Forstbetrieben Bonitätsminderungen in Form von<br />
Abschlägen vom Einheitswert geltend gemacht werden können, und andererseits<br />
zum Beginn des Aufbaus von Maßsystemen für Luftverunreinigungen durch die<br />
Oberösterreichische Landesregierung. Neben dem verstärkten Auftreten von Kronenverlichtungen<br />
und Nadelvergilbungen wurde auch - zumindest örtlich - das<br />
Ausbleiben der Naturverjüngung beklagt und seit 1985 eine Massenvermehrung<br />
der Fichtengespinstblattwespe (Cephalcia abietis l.) festgestellt. Aus den Schäden<br />
durch die Fichtengespinstblattwespe ergaben sich Auflichtungen in den Altbeständen<br />
durch die notwendig gewordene Nutzung stark geschädigter Bäume. ln<br />
der Folge wurden Windwürfe und -brüche befürchtet, die den Aufbau der nächsten<br />
Waldgeneration dringend nötig machten. Die vielfachen, nicht hinreichend<br />
ursächlich geklärten Verjüngungshemmnisse mußten diese notwendig gewordene<br />
Waldverjüngung jedoch als aussichtsloses Beginnen erscheinen lassen.<br />
Die fallspezifische Gefahrenbewertung hatte daher insbesondere unter dem<br />
Gesichtspunkt vorzugehen, daß aus ihr Abhilfemaßnahmen für die Verbesserung<br />
der Situation hinsichtlich der derzeit beobachtbaren Schäden abgeleitet werden<br />
sollten, aber auch hinsichtlich zu erwartender Gefahren, die nicht nur die heutigen<br />
Bestände betreffen.
275<br />
2.1 Die im Untersuchungsgebiet auftretenden Gefahrenmomente<br />
Als Ursachen für solche Gefahren kamen - vorerst ohne Gewichtung - folgende<br />
Tatbestände in Frage:<br />
2.1 .1 Luftschadstoffe im engeren Sinne<br />
Unter diesen dürfte N02 im untersuchten Bereich als eher unbedeutend für Pflanzenschädigungen<br />
einzustufen sein (Stohl u. Kromp-Kolb, 1992). Die Immissionssituation<br />
bezüglich S02 und Staub wies einzelne Episoden kurzfristigerar Grenzwertüberschreitungen<br />
auf, die bis 1990 immer seltener und erst 1991 wieder<br />
häufiger wurden. Der eine im Untersuchungsgebiet vorhandene Bioindikatorpunkt<br />
der Forstlichen Bundesversuchsanstalt weist überdurchschnittlich hohe Schwefelkonzentrationen<br />
auf. Ein auf das ganze Gebiet durchschlagender S02-Einfluß als<br />
wesentlichste Ursache für die vorgefundenen Schadsymptome ließ sich jedoch<br />
auch aufgrund der streßphysiologischen Indikatoren (Grill, 1994) weitgehend ausschließen.<br />
Die Ozonkonzentrationen lagen dagegen die ganze Zeit über im kritischen Bereich.<br />
Diesbezüglich war keine Tendenz zu einem Anstieg oder Abfall der mittleren Konzentrationen<br />
zu erkennen. Auch die von Grill et al. (1992) formulierten physiologischen<br />
Muster werden zumindest an einem Teil der untersuchten Bäume, insbesondere<br />
am Hufberg, als Ausdruck photo-oxidativer Prozesse gewertet. Es ließen<br />
sich wiederholt ähnliche streßphysiologische Reaktionsmuster beobachten, wie<br />
sie in höheren Inversionszonen alpiner Gebiete zu finden sind, und wo eine Beteiligung<br />
oxidativer Komponenten an der Ausbildung von Schadsymptomen mit<br />
großer Wahrscheinlichkeit angenommen wird (Bermadinger et al., 1989; Grill et<br />
al., 1988; Rennenberg u. Reuther, 1991 ). Unterstützt werden diese Befunde<br />
durch Kammerversuche (open top) mit bekannten Schadgaskonzentrationen<br />
(Bermadinger et al., 1990; Mehlhorn et al., 1986). Allerdings waren diese streßphysiologischen<br />
Muster im Untersuchungsgebiet nicht so deutlich wie unter experimentellen<br />
Bedingungen.<br />
2.1.2 Nasse und okkulte Deposition<br />
Die jährlichen Einträge, gemessen unter dem Kronendach, lagen am Standort<br />
Schöneben in einem für mitteleuropäische Verhältnisse eher nur durchschnittlichen<br />
Bereich (Glatze! et al., 1988). Die Karte der S02- und N03-Einträge von<br />
Kovar und Puxbaum (1992) weist entlang des Böhmerwaldrückens ein für Österreichische<br />
Verhältnisse deutliches Maximum auf, das aber im Vergleich mit anderen<br />
europäischen Regionen in seiner absoluten Größe wieder nur in einem durchschnittlichen<br />
Bereich liegt. Allerdings ist ein deutlicher Gradient von den südwestexponierten<br />
luvlagen über die Hochlagenverebnung zu den nordostexponierten<br />
leelagen erkennbar (Glatze! et al., 1988; Katzensteiner, 1992b).
276<br />
Der gleiche Gradient läßt sich auch aus den Bleiakkumulationen in den obersten<br />
Bodenhorizonten als allgemeiner Immissionsindikator im Sinne Katzensteinars<br />
(1992b) ablesen.<br />
2.1 .3 Bodenversauerung im Zuge historischer Landnutzungen<br />
Pflanzen nehmen aus dem Boden weniger anorganische Anionen als Kationen auf.<br />
Jede Ernte von pflanzlicher Biomasse führt daher zu einer Bodenversauerung.<br />
Historische Landnutzungen wie Streunutzung, Waldweide, landwirtschaftliche<br />
Zwischennutzungen nach Brandrodung, Biomassenentzug für Glashütten und Biomassenexport<br />
und Nährstoffauswaschungen im Zuge der Großkahlschlagwirtschaft<br />
führten auf den Standorten des Österreichischen Böhmerwaldes zu Versauerungen,<br />
die mengenmäßig für das Revier Schwarzenberg von Scholl (1993)<br />
geschätzt werden konnten. Eine beginnende Entwicklung zum Besseren durch das<br />
Aufhören von Streunutzung und Waldweide und die Abkehr vom Kahlschlagbetrieb<br />
wurde offensichtlich durch Säureeinträge unterbrochen, und die Wiederbegründung<br />
der Bestände nach Kahlschlag mit reiner Fichte (78% Fichtenanteil im<br />
Revier Sonnenwald) verhinderte darüber hinaus das Nachschaffen von Kationen<br />
aus tiefer gelegenen Horizonten des Mineralbodens.<br />
2.1.4 Primäre Nährstoffarmut und Nährstoffimbalanzen der Böden<br />
Von den wesentlichsten Gesteinskomplexen des Untersuchungsgebietes fallen vor<br />
allem der Eisgarner- und der Sulzberggranit durch besondere Armut an Kalzium<br />
und Magnesium auf. Die holozäne Bodenentwicklung verlief dann auf pariglazial<br />
überprägten, alten Verwitterungsdecken, die arm an leicht verwitterbaren, primären<br />
Silikaten sind . Auf dem stark verfestigten Hanggrundschutt der höher gelegenen<br />
Kammlagen führte Nährstoffaustrag durch Hangwasserzüge zu extremer<br />
Basenverarmung und damit also schon primär, d.h. unabhängig von anthropogenen<br />
Eingriffen, zu sehr sauren Böden. Das ist vor allem in Hinblick auf die zusätzliche<br />
Versauerung infolge historischer Landnutzung und saurer Depositionen zu<br />
sehen (Katzensteiner, 1992b).<br />
2. 1 .5 Wind, Schnee und Eisanhang als Risikofaktoren<br />
Auf all jene Risikofaktoren, die zur Bodenversauerung beitragen, trifft das Schema<br />
der Streßaddition im Sinne von Führer ( 1 990) direkt zu und auf jene Risikofaktoren,<br />
die zu allgemeinen Streßreaktionen in den Bäumen führen (direkte Immission<br />
von Luftschadstoffen), im Wege von Wechselwirkungen und Synergismen. Das<br />
gilt für Windwürfe sowie Schnee- und Eisbrüche nur sehr bedingt.<br />
Eine allgemeine "Schwächung" von Bäumen ist mit deren Schnee- oder Windbruchrisiko<br />
insofern weitgehend unkorreliert, als "Kronenverlichtungen" und "Vergilbungen"<br />
das Bruchrisiko logischerweise nicht erhöhen kö nnen. An die Stelle<br />
der mehr oder minder stetigen Streßaddition tritt das diskrete Ereignis der
277<br />
abrupten Mortalität. Beobachtungen, daß infolge von Kronenverlichtungen auf<br />
dem Umweg über die so verringerte Möglichkeit zur Deposition von Schnee oder<br />
Eisanhang das Schneebruchrisiko vermindert würde, wurden weder durch Uteratu<br />
rangaben belegt, noch konnten aus der Ansprache von Wipfelbrüchen und Kronenverlichtungen<br />
oder aus den abteilungsweisen Schadholznutzungsmengen und<br />
den Kronenverlichtungen der Stichprobeninventur im Untersuchungsgebiet entsprechende<br />
Hinweise gewonnen werden. Im Gegenteil, es wurden offensichtlich<br />
Kronen mit gebrochenem Wipfel im Durchschnitt als stärker verlichtet erachtet.<br />
Ob dies nur ein Effekt der Tatsache ist, daß Bäume, deren Wipfel gebrochen sind,<br />
den Eindruck machen, als hätten sie eine stärker "verlichtete" Krone, oder ob<br />
tatsächlich die Benadelung wipfelgebrochener Bäume geringer ist, kann hier nicht<br />
entschieden werden. Die Möglichkeit, daß Bäume, deren Kronen nur zum Teil<br />
gebrochen wurden, sich danach wieder erholen, mag immerhin bei verlichteten<br />
Kronen etwas geringer sein (Reh, 1989).<br />
Zusammenhänge zwischen Windwurfgefährdung und Durchwu rzelungstiefe sind<br />
dagegen bekannt. Auswirkungen von Bodenversauerung auf die Durchwurzelungstiefe<br />
müßten also zumindest theoretisch auch das Windwurfrisiko erhöhen.<br />
Vo n den untersuchten Waldflächen ist jedoch anzunehmen, daß das Fehlen<br />
tiefer wurzelnder Baumarten (nur mehr 4% Tanne im Revier Sonnenwald) auf<br />
jenen Standorten, auf denen sie das Stützgerüst des Bestandes bilden sollten,<br />
eher die Ursache für ein gegenüber den natürlichen Verhältnissen erhöhtes Windwurfrisiko<br />
darstellt.<br />
Neben den wirtschaftlichen Einbußen, zu denen Windwürfe, -brüche und Schneebzw.<br />
Eisbrüche führen (immerhin fielen im Durchschnitt der letzten 30 Jahre 45%<br />
des Zuwachses als Schadholz an), haben die diesbezüglichen Risken auch<br />
wesentliche Auswirkungen auf die Gefahr von Borkenkäferkalamitäten. Daher war<br />
es wichtig festzustellen, daß sich die Schneebruchhäufigkeit der letzten 30 Jahre<br />
zu 21% durch Standortsfaktoren (insbesondere Seehöhe, topographische Einheit<br />
und Exposition) und zu immerhin ebenfalls 21% aus Bestandesstruktu rmerkmalen<br />
erklären ließ (Willinger, 1993). Letztere sind durch entsprechende Bestandespflege<br />
mittelfristig und durch Baumartenwahl langfristig beeinflußbar. Ungeklärt<br />
bleiben mußte allerdings der Einfluß der sicherlich verschiedenen Fichtenherkünfte,<br />
die im Zuge der Wiederaufforstungen nach der Großkahlschlagphase im<br />
19. Jahrhundert eher wahllos verwendet worden waren (Rachoy, 1971 ). Ein<br />
Zusammenhang zwischen Schneebruch- und Wipfelbruchhäufigkeit einerseits und<br />
den vermutlich genotypischen Kronenformen der Fichte (Kamm-, Bürsten- und<br />
Plattenfichte) andererseits ließ sich allerdings nicht feststellen, und andere Möglichkeiten,<br />
"Herkünfte" zu identifizieren, wurden nicht versucht. Das Windwurfbzw.<br />
-bruchrisiko ließ sich zu 29% aus Standortsfaktoren und nur zu 13% aus<br />
Bestandesmerkmalen erklären. Demgemäß sind hier die Möglichkeiten geringer, im<br />
Rahmen der Waldbewirtschaftung das Risiko zu mindern.
278<br />
Besonders schneebruch- und windwurfgefährdet sind gutwüchsige Bestände in<br />
tieferen Lagen. Bei Windwurf kommen noch nasse/anmoorige Standorte als<br />
besonders gefährdet dazu. Reliefbedingte Gefährdungsunterschiede (Hütte, 1967;<br />
Mitscherlich, 1971) konnten dagegen im Untersuchungsgebiet nicht<br />
nachgewiesen werden.<br />
2.1.6 Wildschäden<br />
Die Schälschäden sind im Untersuchungsgebiet zumindest zur Zeit noch "vernachlässigbar<br />
gering". Insgesamt wurden nur an 0,9% des Vorrates Schälschäden diagnostiziert.<br />
Auch in den am häufigsten geschälten Beständen der 2. und 3. Altersklasse<br />
sind nur 3% des Vorrates geschält (Wohlmacher, 1992).<br />
Wesentlich bedeutender gerade im Zusammenhang mit der Frage von Sanierungsmaßnahmen,<br />
die auf alle Fälle Auswirkungen auf die Baumartenzusammensetzung<br />
haben werden, sind die Schäden durch Wildverbiß. Insgesamt 59% der<br />
Flächen mit gegebener Verjüngungsnotwendigkeit im Untersuchungsgebiet sind<br />
durch Rehwild geschädigt (Reimoser, 1992). Die hier angesprochene Schädigung<br />
besteht hauptsächlich darin, daß die Baumartenmischung in der Naturverjüngung<br />
dem standörtlich definierten Verjüngungsziel, wie es aus der Standortskartierung<br />
des Institutes für Forstliche Standortsforschung (1971) abgeleitet wurde, nicht<br />
entspricht. Wäre als einziges Bestockungsziel reine Fichte gefordert, dann träten<br />
höchstens kleinflächig schalenwildbedingte Schäden an der Naturverjüngung auf.<br />
Die Baumartenzusammensetzung, wie sie in der Standortskartierung definiert<br />
wurde, ist jedoch vor allem auch unter dem Gesichtspunkt der im Forstgesetz<br />
geforderten "Erhaltung der Produktionskraft des Bodens" zu sehen. Wie die Ausführungen<br />
im Zusammenhang mit den historischen Landnutzungen zeigen, trägt<br />
der Mangel an Mischbaumarten zweifelsohne zur derzeitigen Situation der Bodenversauerung<br />
bei.<br />
Als wesentlichste Ursachen für die Schäden an der Waldverjüngung führt Reimoser<br />
( 1 992) an: "Trotz relativ hoher Verbißbelastbarkeit des Gebietes (großflächiges<br />
Nahrungsangebot und stammzahlreiche Naturverjüngungen) existiert ein stark<br />
überhöhter Rehwildbestand. Weitere Ursachen sind Fütterungsfehler, hoher<br />
Besiedlungsanreiz durch die zahlreichen randlinienwirksamen Rückegassen und<br />
Wege und der örtliche Mangel an Samenbäumen der Mischbaumarten."<br />
Das hier Gesagte gilt für den größeren Teil der Tieflagenreviere. ln den Hochlagen<br />
dagegen ist wegen der höheren Schneelage und länger anhaltenden Schneedekkendauer<br />
(natürlicher Schutz der Waldverjüngung durch Schnee, Schnee als<br />
Mobilitätsbehinderung für Schalenwild) sowie z.T auch wegen des bodenbedingt<br />
geringen Äsungsanreizes die Schalenwilddichte bzw. die Verbißbelastung der<br />
Vegetation nicht so hoch. Hier bedürfte es erst dann einer Wildstandsreduzierung,<br />
wenn durch dfe Errichtung von Winterfütterungen Wild in diesen Bereich gelenkt
279<br />
wird (höherer Besiedlungsanreiz) oder die Äsungsqualität im Sommer durch<br />
Bodenmeliorationen verbessert wird.<br />
2. 1. 7 Entomologische und phytopathologische Schadrisken<br />
Die wirtschaftlich wichtigsten Rindenbrüter benötigen als Brutsubstrat unterschiedlich<br />
stark physiologisch geschwächte Bäume (Bayer et al. 1994) . Aufgrund<br />
der beobachteten Kronenverlichtungen und -vergilbungen, die als Ausdruck physiologischer<br />
Schwächung gewertet werden, waren Gradationen mit erhöhter<br />
Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Die dominierenden Arten im Revier Sonnenwald<br />
waren der Buchdrucker und der Kupferstecher (und z.T. der Fichtenbock). Für<br />
beide Borkenkäferarten bieten die standortsklimatischen Verhältnisse der Höhenstufen<br />
des Untersuchungsgebietes die Möglichkeit, in durchschnittlichen Jahren<br />
eine volle Generation und eine teilweise zweite Generation zu absolvieren. Nur in<br />
extrem warmen Jahren vermag der Buchdrucker die zweite Generation zur Gänze<br />
abzuschließen. Damit wird in der Regel eine sprunghafte Massenvermehrung nicht<br />
zu erwarten sein. ln den seltenen Fällen dieser witterungsmäßigen Disposition für<br />
Gradationen ist durch die Schneebruchgefährdung eine standörtliche Abstufung<br />
des Risikos für den Kupferstecherbefall zu erwarten, weil das dabei anfallende<br />
Material mit schwächeren Dimensionen als Brutsubstrat gut geeignet ist. Wegen<br />
seiner weiteren ökologischen Amplitude ist der Kupferstecher in der Verursachung<br />
von Stehendbefall erfolgreicher und kann dann die Bäume für einen nachfolgenden<br />
Buchdruckerbefall konditionieren, für den seinerseits das bei Windwürfen und<br />
-brüchen anfallende stärkere Material als Brutsubstrat besser geeignet ist. Aus<br />
dem Kronenzustand stehender Fichten konnte jedoch bislang kein direkter Hinweis<br />
auf eine verringerte oder erhöhte Abwehrbereitschaft gegenüber dem Buchdrucker<br />
abgelesen werden (Baier u. Führer, 1992). Eine räumliche Abstufung des<br />
Befallsrisikos anhand der Windwurf- und Schneebruchwahrscheinlichkeiten ist<br />
jedoch nur für kurze Zeit von Bedeutung, weil die Borkenkäfer durch ihren hoch<br />
entwickelten Orientierungssinn auch entfernte Brutsubstrate leicht auffinden und<br />
durch ihre Vagilität auch größere Distanzen leicht überwinden können.<br />
Bezüglich der Fichtengespinstblattwespe liegt das Untersuchungsgebiet, das<br />
Revier Sonnenwald, zwischen einem - mittlerweile nicht mehr aktuellen - Gradationsgebiet<br />
im Osten (Streuplatz und Trautwald), in dem ca. 150 ha Fichtenaltbestä<br />
nde stark, z.T. bis zum Kahlfraß befallen waren, und westlich gelegenen Fichtenbeständen<br />
mit deutlich erhöhter Populationsdichte . Zwei Faktoren dürften das<br />
Gradationsrisiko dieses Schadinsekts beeinflussen: einmal die Nahrungsqualität<br />
der Fichtennadeln für die Larven der Gespinstblattwespe und zum anderen der<br />
Boden-pH, der mit dem Parasitierungsvermögen des Parasiten Steinemema kraussei<br />
positiv korreliert ist. Letzterer Zusammenhang ließ sich auch im Düngungsexperiment<br />
reproduzieren, in dem in der gedüngten Variante sowohl der Boden-pH<br />
höher als auch die Parasitierung der Cephalcia - Larven häufiger waren (Fischer u.<br />
Führer, 1990). Demnach wären also vor allem Fichtenalthölzer mit gut nährstoffversorgten<br />
Nadeln und niedrigen Boden-pH-Werten besonders gefährdet. Eine
280<br />
kanonische Korrelationsanalyse mit den Stickstoffgehalten im ersten und vierten<br />
Nadeljahrgang und den Boden pH-Werten auf der einen Seite und allgemeinen<br />
Standortsfaktoren auf der anderen zeigt, daß im Revier Sonnenwald ein solcher<br />
Faktor existiert, der 77% der Gesamtvarianz dieser Merkmale erklärt. Dieser Faktor<br />
ist positiv mit den Nadelstickstoffwerten und negativ mit dem Boden-pH korreliert.<br />
Die Standorte, die besonders hohe Werte dieses Faktors aufweisen, können<br />
als die seichtgründigen Standorte oder Waldmoore auf dem Bärensteinplateau<br />
bzw. auf den höher gelegenen Westabhängen des Bärensteins beschrieben werden.<br />
Deutlich unterdurchschnittliche Werte dieses Faktors und damit vermutlich<br />
geringeres Gradationsrisiko bezüglich der Fichtengespinstblattwespe haben die<br />
Standorte der Tallagen um Sonnenwald, tiefgründige Standorte und solche, auf<br />
denen keine Drahtschmiele (A vene/Ja flexuosa) vorkommt. Für diese kanonische<br />
Korrelationsanalyse wurden die Daten aus den eigentlichen Gradationsgebieten<br />
ausgespart, weil dort die Nährstoffkonzentrationen in den bereits geschädigten<br />
Nadeln vermutlich wenig repräsentativ für den Ernährungszustand der Bäume<br />
wa ren.<br />
Im Zuge eines Screenings der Mikropilze in kranken Kronenteilen konnten bisher<br />
36 verschiedene Arten, in der überwiegenden Anzahl Ascomyceten bzw. deren<br />
Anamorphe sowie Deuteromyceten, gefunden werden. Siro coccus strobilinus<br />
konnte als Verursacher des Absterbens einjähriger Triebe identifiziert werden<br />
(Neumüller, 1992). Mehrjähriger intensiver Befall kann auch zum Absterben von<br />
Ästen und ganzen Kronenteilen führen. Somit hat dieser Mikropilz vermutlich<br />
einen wesentlichen Anteil an jenem Kronenverlichtungstyp, der durch ein "Fenster"<br />
im oberen Kronenteil, aber unterhalb eines weitgehend normal benadelten<br />
Wipfels charakterisiert ist. Berichte über ein epidemisches Auftreten dieses Pilzes,<br />
das "das Zusammenbrechen ganzer Bestände befürchten ließ" , sind aus der Jahrhundertwende<br />
aus dem nahen Bayerischen Wald belegt (Neumüller, 1994). Die<br />
beiden Revierteile, in denen epidemisches Ast- und Zweigsterben beobachtet werden<br />
konnte, sind nach einer Diskriminanzanalyse charakterisiert durch ein Überwiegen<br />
von nicht zu lichten Altbeständen auf staunassen Standorten über Weinsbergar-Granit<br />
oder Schiefergneis ohne darübergelagerte Fließerden.<br />
2.2 Wechselwirkungen zwischen den Gefahrenmomenten<br />
Die folgende Darstellung der Wechselwirkungen zwischen den oben beschriebenen<br />
Gefahrenmomenten im Untersuchungsgebiet (Abb. 1) soll die fallspezifische<br />
Gefahrenbewertung vorbereiten.<br />
Luftschadstoffe im engeren Sinne, insbesondere Ozon und eventuell auch noch<br />
S02, mögen am beobachteten Schadbild örtlich durchaus beteiligt sein. Der physiologische<br />
Befund der Bäume im Düngungsversuch Bärenstein zeigt trotz der<br />
deutlichen Reaktion des Kronenzustandes und des Kreisflächenz uwachses auf die<br />
Düngung nach wie vor jene Muster, die für photo-oxidative Belastung sprechen
281<br />
(Grill et al.,1 992). Allerdings ist bezüglich dieser Parameter der Einfluß der Witterung<br />
von zwei aufeinanderfolgenden Jahren noch so stark, daß die lnterpretierbarkeit<br />
der Ergebnisse noch schwer fällt.<br />
Bezüglich der Photosynthese und der Biomassenzuwächse von Fichte war jedoch<br />
auch nur mit minimalen und von der Genetik auf der Stufe des Klons unterschiedlich<br />
stark abhängigen Effekten von deutlich erhöhten Ozonkonzentrationen<br />
zu rechnen (Havranek et al., 1989; Blank und Lutz, 1990; Thorton et al., 1990 und<br />
Wieser et al., 1991 ). Auch Kohunt et ai. (1990) und Cakmak und Marschner<br />
(1992) berichten, daß entsprechende Effekte nur in Wechselwirkung mit gleichzeitig<br />
sauren Depositionen oder Nährstoffmangel auftreten. Dies ist im Untersuchungsgebiet<br />
ja durchaus der Fall.<br />
Abbildung 1: Die Gefahrenmomente im Untersuchungsgebiet, schematisiert.<br />
Fig ure 1: ln terrelationships between th e dangers in the area of in vestigation.<br />
2.2.1 Der Faktorenkomplex Versauerung<br />
Der Faktorenkomplex "Versauerung" wird gerade im Untersuchungsgebiet ganz<br />
im Sinne des Summationseffektes auf dem Umweg über Ernährungsstörungen an<br />
der Fichte zu einem wesentlichen Auslöser der zu beobachtenden Kronenverlichtungen<br />
und -vergilbungen. "Aufsummiert" werden hier die Effekte des häufig<br />
basenarmen Ausgangssubstrates für die Bodenbildung, der Biomassenausträge im<br />
Zuge historischer Landnutzungen und die Auswirkung der Baumartenzusammensetzung<br />
mit ihrem weit über dem standörtlich Angemessenen liegenden Fichtenanteil<br />
sowie die saure Deposition in ihrer Abhängigkeit von den geomorphologi-
282<br />
sehen Gegebenheiten (Exposition, Neigung, Reliefformen, Seehöhe). Die von<br />
Ulrich (1983) postulierten und von Kazda (1990) auch für das Untersuchungsgebiet<br />
belegten, auf Trockenheit folgenden Entkoppelungen im lonenkreislauf, die zu<br />
Versauerungsschüben führen, scheinen nicht nur mit der üblichen Häufigkeit von<br />
Trockenperioden aufzutreten. ln den 25 Jahren seit der Standortskartierung hat<br />
sich die Häufigkeitsverteilung der Standortstypen deutlich zum Trockeneren verschoben.<br />
Der Anteil des Standortstyps "sehr frisch" hat sich im Revier Sonnenwald<br />
von 13 auf 29% zu lasten der feuchteren Standortstypen mehr als verdoppelt.<br />
Ein wesentlicher Bestandteil dieses Pfades von der Bodenversauerung zu den<br />
Kronenzustandsveränderungen dürfte im dadurch induzierten Magnesiummangel<br />
auf den schon primär an diesem Kation armen Substraten sein. Die zentrale Stellung<br />
dieses Schadfaktors im Untersuchungsgebiet kommt im hohen Anteil von<br />
Flächen mit Böden im Aluminium-Pufferbereich nach Ulrich ( 1985) von pH < 4, 2<br />
(57% des Revieres Sonnenwald) und einem Magnesiumbelag des Austauschers<br />
283<br />
zumindest über Boden-pH und Ernährungszustand der Fichtennadeln beeinflußt<br />
und beeinflußbar zu sein.<br />
� pH < 4,2<br />
-<br />
Mg < 3%<br />
� pH > 4,2<br />
Abbildung 2: Böden mit pH
284<br />
mindestens 20%, auf den anderen ( * *) mindestens 10% betragen. Mit der<br />
Häufigkeit der Standortstypen gewichtet, ergäben sich damit die Baumartenanteile,<br />
die in Tabelle 2 den bei der Stichprobeninventur vorgefundenen Anteilen<br />
(Wohlmacher, 1992) gegenübergestellt sind. Die Baumartenverteilung in den<br />
Altersklassen (Wohlmacher, 1992) zeigt darüber hinaus, daß der noch vorhandene<br />
Tannenanteil fast ausschließlich aus den Altbeständen stammt, in Zukunft also<br />
immer geringer werden wird, und das sonstige Laubholz offensichtlich mit zunehmendem<br />
Alter der Bestände verschwi ndet.<br />
Tabelle 1: "Natürliches" Vorkommen der Baumarten auf den Standortstypen des<br />
Revieres Sonnenwald (Institut für Forst!. Standortsforschung, 1971 ).<br />
Table 1: "Na tural" occurren ce of the tree species for the site types of the ranger<br />
Baum-<br />
arten<br />
tree<br />
dis trict Sonnenwald (Institut für Forstliche Standortsforschung, 1977).<br />
Standortstyp Site typ e<br />
Wald- An- Blockhalden an- sehr<br />
moor moor block-declivities moorig feucht frisch frisch<br />
swamp<br />
vety an- s.fr. frisch<br />
wet moorig vef}l fresh<br />
species wet fresh<br />
Fichte<br />
spruce<br />
Tanne<br />
fir<br />
Buche<br />
beech<br />
wet moist vety fresh<br />
fresh<br />
**** * **** * **** * **** * **** * **** * **** * **** * **** *<br />
**** * **** * ** **** * **** * **** *<br />
**** * **** * ** **** * **** *<br />
sonst. **** **** ****<br />
Laubholz<br />
other<br />
decid.<br />
trees
285<br />
Bei dem Abgehen des Betriebes von der Wirtschaftsform des Altersklassenwaldes<br />
würde das auf lange Sicht auch deren fast gänzliches Verschwinden bedeuten,<br />
wenn nicht Gegenmaßnahmen getroffen werden.<br />
Nun mögen die Unterschiede zwischen "Soll"- und "lst"-Bestockung bezüglich der<br />
Flächenanteile eher undramatisch erscheinen, handelt es sich doch bei allen<br />
Mischbaumarten auch in der "Sollbestockung" um eher geringe Flächenanteile.<br />
Wichtiger als diese über das ganze Revier aufsummierten Baumartenanteile sind<br />
jedoch die "Mischbestandsanteile" im Revier, denn theoretisch könnte die genau<br />
richtige Baumartenverteilung auch durch lauter Reinbestände mit unterschiedlichen<br />
Baumarten erreicht werden.<br />
Ta belle 2: Aktuelle Bestockung und Zielbestockung (Fiächenanteile in %).<br />
Table 2: Actual stocking and stocking goal (b y area %) .<br />
Ziel - aktuelle<br />
goal actual<br />
Baumart Bestockung<br />
tree species stocking<br />
Fichte spruce 68 79<br />
Tanne fir 18 4<br />
Buche beech 9 15<br />
sonst. Laubholz other dec. trees 5 2<br />
Die Tabelle 3 zeigt nun, daß die Probleme tatsächlich in einem dramatisch niedrigen<br />
Anteil von Nadei-Laubholz-Mischbeständen bestehen.<br />
Das Problem besteht also weniger im hohen Fichtenanteil und im geringen Laubholzanteil,<br />
sondern vielmehr im hohen Anteil von Fichten-Reinbeständen auf<br />
Kosten der Nadei-Laubholz-Mischbestände.<br />
Nun ist die Vorstellung der Zielbestockung ja nicht nur eine, die sich aus ästhetischen<br />
oder landschaftspflegerischen Gesichtspunkten ergibt, sondern eine solche,<br />
die sich an der Vorstellung der "Erhaltung der Produktionskraft des Bodens" in<br />
der Formulierung des Forstgesetzes orientiert. Der hohe Fichtenreinbestands<br />
Anteil ist nicht nur Folge, sondern auch Mitursache der Bodenversauerung einer-
286<br />
seits durch die schlechte Zersetzbarkeit der Nadelstreu und anderseits durch die<br />
geringe Fähigkeit, tiefere Bodenhorizonte zu erschließen und von dort Mineralstoffe<br />
nachzuschaffen. Die Erschließung tieferer Bodenhorizonte durch Mischbaumarten,<br />
insbesondere Ta nne und Bergahorn, könnte auch die Windwurfgefährdung<br />
der Bestände wesentlich vermindern. Immerhin mußten in den letzten<br />
30 Jahren 20% des Zuwachses als Windwurf bzw. -bruchholz geerntet werden.<br />
Der große Windwurf 1957 erbrachte 150.000 fm Schadholz, das ist etwa der<br />
vierfache Jahreshiebsatz. Neben den dadurch entstehenden wirtschaftlichen<br />
Nachteilen durch erhöhte Ernte- und Bringungskosten, Preisverfall auf dem Holzmarkt<br />
und Ausformungsverluste durch hohen Bruchanteil werden auch noch weitere<br />
hohe Kosten dadurch verursacht, daß als Vorbeugung gegenüber Borkenkäfergradationen<br />
das Holz, unabhängig von der sonstigen betrieblichen Planung,<br />
rasch abgeführt werden muß. ln noch größerem Maße gilt dies für die Schneeund<br />
Eisbrüche. Auch ihr Anteil könnte durch eine entsprechend andere Bestokkung<br />
deutlich vermindert werd.en (Sterba u. Fleck, 1990) und damit der nötige<br />
Aufwand für Waldhygiene als Vorbeugung gegenüber KupferstecherbefalL<br />
Tabelle 3: Vergleich der Bestandesmischungstypen zwischen der Zielbestockung<br />
der Standortstypen und der aktuellen Verteilung in Prozent.<br />
Table 3: Th e stand types (b y species mix ture) from the goal of the site mapping<br />
compared with the actual percentages from the forest in ventory.<br />
Zielbestockung<br />
M i schungstyp Mixture type<br />
Fi-Rein- Fi-Ta- Nadel-Laub- Laubholz-<br />
bestände Misch- holz-Misch- Misch-<br />
bestände bestände bestände<br />
pure spruce-fir- conifer- deciduous<br />
spruce mixture decidous tree tree mixtures<br />
mixtures<br />
stocking goal 7 4 89 -<br />
aktuelle Bestockung<br />
actuaf stocking 46 5 46 3<br />
Die Ursachen für den heute hohen Anteil von Fichtenreinbeständen sind sicher<br />
zum größten Teil in den historischen Nutzungen im Zuge der großen Exploitationen<br />
und dann in der Zeit der Großkahlschläge zu suchen; nach diesen wurde ausschließlich<br />
mit Fichte aufgeforstet, und eine Anreicherung mit Tanne und Buche<br />
im Wege der Naturverjüngung fand zum Teil aus Gründen bereits vorhanderer<br />
Bodendegradationen, zum Teil aus lichtökologischen Gründen nicht statt. Daß
287<br />
auch im heutigen Naturverjüngungsbetrieb sich Tanne und Buche viel zu wenig<br />
verjüngen, liegt neben einem Mangel an Samenbäumen in den Altbeständen auch<br />
am sauren Milieu des Oberbodens (vor allem für Buche) und zu einem<br />
beachtlichen Teil aber auch am selektiven Verbiß durch Rehwild.<br />
2.3 Die wichtigsten Schadfaktoren des Untersuchungsgebietes<br />
Zusammenfassend scheinen also die gravierendsten Schadfaktoren im Untersuchungsgebiet<br />
folgende zu sein:<br />
1. Die Bodenversauerung und die durch sie verursachten Ernährungsstörungen<br />
der Fichte. Die Bodenversauerung ist das Ergebnis der Summenwirkung<br />
+ des häufig primär armen (besonders Kalzium und Magnesium) Ausgangsmaterials<br />
für die Bodenbildung,<br />
+ der historischen Landnutzungen und<br />
+ der Depositionen von Säuren und Säurebildnern.<br />
Außer an den entsprechenden Ernährungsstörungen ist die Bodenversauerung<br />
vermutlich auch zu einem gewissen Teil am Gradationsrisiko der Fichtengespinstblattwespe<br />
beteiligt.<br />
2. Die historischen landnutzungen, die auch direkt den hohen rezenten Anteil an<br />
Fichtenreinbeständen verursachten, tragen über diese nochmals zur Bodenversauerung<br />
bei.<br />
3. Hohe Schalenwildpopulationen, die es auf großen Revierteilen unmöglich<br />
machen, die in der Zielbestockung definierte Baumartenmischung im Wege der<br />
Naturverjüngung zu erreichen.<br />
4. Windwürfe und -brüche, die ihrerseits durch die Baumartenzusammensetzung<br />
und im Wege der nur flachgründig möglichen Durchwurzelung auch von den<br />
Bodendegradationen mitverursacht werden. Sie erhöhen außerdem das Gradationsrisiko<br />
für den Buchdrucker.<br />
5. Schnee- und Eisbrüche, die zum einen als Folge der Baumartenzusammensetzung<br />
und möglicherweise ungeeigneter Fichtenherkünfte, zum anderen aufgrund<br />
bestehender Bestandesstrukturen in jüngeren Beständen häufiger auftreten,<br />
als dies nötig wäre. Das bei diesen Schadereignissen anfallende Material<br />
hebt wieder das Risiko für Kupferstechergradationen, die ihrerseits stehende<br />
Bäume für den anschließenden Buchdruckerbefall konditionieren kö nnen.<br />
6. Infektionen durch den Zweigpilz Sirococcus strobilinus, die besonders in dichteren<br />
Altbeständen 9.uf staunassen Standorten epidemisch auftreten und hier<br />
das Absterben von Asten und Kronenteilen verursachen. Diese Primärschäden<br />
ziehen - vor allem wenn sie in der Lichtkrone auftreten - Folgeschäden oder<br />
direkt das Absterben von Bäumen nach sich.<br />
3 DAS FALLSPEZIFISCHE SANIERUNGSKONZEPT<br />
Eine Sanierung dieser Situation hätte einmal bei Maßnahmen zur Verminderung<br />
bzw. Verhinderung der fortschreitenden Bodenversauerung und zum anderen bei<br />
Maßnahmen zur Regelung der Mischbaumartenanteile anzusetzen. Letzteres ist zu
288<br />
einem Teil als Bodensanierungsmaßnahme, zum anderen Teil aber auch als Maßnahme<br />
zur Förderung der Bestandesstabilität gegenüber Wind, Schnee und Eis zu<br />
sehen und damit gleichzeitig zur Minderung des Gradationsrisikos von Rindenbrütern.<br />
Ein Sanierungskonzept ist vorerst am Standortspotential zu orientieren, dann an<br />
der Abweichung des Zustandes von diesem Potential und letztlich an den technischen,<br />
den ökonomischen und sozial verträglichen Möglichkeiten eines Maßnahmenpaketes.<br />
Das Standortspotential des Projektgebietes läßt sich am besten<br />
durch die Standortstypen beschreiben, wie sie im Rahmen der Standortskartierung<br />
1971 ausgeschieden worden waren {Katzensteiner, 1992b). Die Ausscheidung<br />
der Standortstypen orientierte sich hauptsächlich am Wasserhaushalt der<br />
Böden, der Mächtigkeit und dem Grad der hydromorphen Prägung des Humushorizontes,<br />
der Gründigkeit und dem Vorhandensein von Blockhalden.<br />
Die Bedeutung dieser Standortstypen hinsichtlich der Zielbestockung ging schon<br />
aus Tabelle 1 hervor. Darüber hinaus stellen die Standortstypen gemeinsam mit<br />
ihren Degradationsstufen in Wechselwirkung mit der Topographie eine geeignete<br />
Klassifizierung hinsichtlich der Pufferkapazität gegenüber Säuren und Säurebildnern,<br />
vor allem Stickstoffverbindungen dar. Aus diesem Grund schied Katzensteiner<br />
(1992b) auch noch topographische Einheiten aus. Diese topographischen<br />
Einheiten sind durch eine typische Verteilung der Standortstypen und durch das<br />
Auftreten verschiedener Varianten der gleichen Standortstypen {Formulierung: "in<br />
höheren Lagen" in der Typenbeschreibung) charakterisiert. Durch die verschiedene<br />
Exposition bzw. Abgeschirmtheit gegenüber einströmenden Winden charakterisieren<br />
sie aber auch die Eintragssituation und - wie sich nach den Untersuchungen<br />
von Willinger { 1993) ergab - auch die Schneebruch- und Windwurfgefährdung.<br />
Durch die unterschiedliche Siedlungsnähe und historische Zugänglichkeit<br />
könnten in diesen topographischen Einheiten auch unterschiedliche Belastungen<br />
durch historische Nutzungen zum Ausdruck kommen. Jedenfalls kommt ihnen<br />
bezüglich der Einordnung einer Fläche hinsichtlich ihrer Belastbarkeit, hinsichtlich<br />
ihrer Sanierungsnotwendigkeit und -möglichkeit wesentliche Bedeutung zu. Es<br />
ließen sich daher auch die beiden entscheidenden Kriterien, Boden-pH und<br />
Magnesiumsättigung, in Abhängigkeit von diesen beiden Klassifikationsvariablen,<br />
Standortstyp und to pographische Einheit, wie folgt darstellen (Katzensteiner,<br />
1992a).<br />
3.1 Bodensanierung und Behebung der Ernährungsstörungen der Fichte<br />
Die Ergebnisse der bisherigen Sanierungsversuche im Hinblick auf die Bodenversauerung<br />
und die Ernährungsstörungen der Fichte sind bei Katzensteiner ( 1992a;<br />
1992b) und Katzensteiner et al. ( 1 993) insofern zusammengefaßt, als bei der<br />
Revitalisierung bestehender Bestände nicht nur der Erfolg der jeweiligen Düngung<br />
hinsichtlich des Verschwindans der Vergilbung und der positiven Zuwachsreaktion
289<br />
zu berücksichtigen sei. Auch die Folgen der Düngung hinsichtlich der Mineralisierungsraten<br />
und der Bodenmikrobiologie sind zu beachten: So muß zu starke<br />
Nitratmobilisierung überhaupt vermieden werden. Mäßige und kurzfristige Nitratmobilisierung<br />
wäre nur auf tiefgründigen Standorten und außerhalb eines eventuell<br />
vorliegenden Quellschutzgebietes tolerierbar. Es ist daher die Art der Düngung<br />
(Grobkalk und Volldüngung oder "slow-release" - Düngung) auf den Standort<br />
abzustimmen. Darüber hinaus sei Walddüngung nur wenig sinnvoll, wenn keine<br />
begleitenden oder nachfolgenden waldbauliehen Maßnahmen (Beimischung tieferwurzelnder<br />
Baumarten) gesetzt würden, da die Böden unter sekundären Fichtenbeständen<br />
durch den Effekt der versauernd wirkenden Fichtenstreu von oben<br />
her wieder versauern.<br />
Bezüglich des Problemkreises Waldverjüngung kann nach Katzensteiner ( 1992a<br />
und b) wie folgt zusammengefaßt werden:<br />
1. Auf stark vergrasten Flächen (vor allem Calamogrostis villosaJ ist eine Naturverjüngung<br />
nur über lange Zeiträume möglich. Erst eine Grasbekämpfung durch<br />
Bodenbearbeitung ermöglicht ein ausreichendes Sämlingsaufkommen.<br />
2. Biotische Faktoren wie Tierfraß (Schalenwild, Vögel, Mäuse, Rüsselkäfer) sind<br />
in der ersten Phase der Keimung und des Sämlingstadiums stärker schädigend<br />
als ungünstige bodenchemische Verhältnisse.<br />
3. Pflanzung mit Kopf- oder Pflanzlochdüngung und Bekämpfung der Kon kurrenzvegetation<br />
ist auf vergrasten Problemstandorten das rationellste Verjüngungsverfahren.<br />
4. Auf stark versauerten Böden (sekundäre Fichten- und Fichten-Kiefernwälder)<br />
sind Sanierungsmaßnahmen über eine geänderte Baumartengarnitur alleine nur<br />
bedingt möglich, da ohne pH-Wert-Stabilisierung eine Bucheneinbringung nicht<br />
möglich ist.<br />
3.2 Vorbeugung gegen und Verminderung der Wildschäden<br />
Die oben beschriebenen beiden Variablen, Standortstyp und topographische Einheit,<br />
sind also wesentliche diagnostische Merkmale zur Einordnung einer Fläche<br />
hinsichtlich ihrer Zielbestockung und ihrer potentiellen Gefährdung, betreffend<br />
Eintrag, Gefährdung von Quellschüttungen (Gründigkeit ist im Standortstyp enthalten)<br />
und Windwurfrisiko.<br />
Auch für die potentielle Gefährdung durch Wildverbiß sind die Variablen Standortstyp<br />
und topographische Einheit entscheidende diagnostische Merkmale. Allerdings<br />
kommen hier noch wesentliche Merkmale der Waldtextur und -struktur hinzu<br />
(wildökologischer Bestandestyp, Randlinien etc). Außerdem kann die Wirksamkeit<br />
dieser Merkmale durch Maßnahmen der Wildlenkung (Fütterungsstandorte,<br />
Verteilung des Jagddruckes) und touristische Beunruhigung des Wildes stark<br />
überlagert werden. Aus dem Standortstyp ergibt sich das Verjüngungsziel {bei rei-
290<br />
ner Fichte geringe Wildschadensanfälligkeit), aus der Topographie ergibt sich<br />
auch die für die Wildverteilung maßgebliche klimatische Situation des Standortes<br />
(schneereiche Hochplateaulagen sind weniger verbißgefährdet), aus Waldtextur<br />
und -Struktur ergeben sich Wohnraumeignung, Deckungsangebot, vegetationsbedingter<br />
Besiedlungsanreiz und Nahrungsangebot für das Wild (hohe Wildschadensanfälligkeit<br />
bei starkem nahrungsunabhängigen Besiedlungsanreiz und gleichzeitig<br />
geringem Nahrungsangebot). Da die von Reimoser (1992) vorgeschlagenen Maßnahmen<br />
auf größeren Flächen wirksam sind, ist es für eine grobe Einschätzung<br />
der Sanierungsnotwendigkeiten ausreichend, drei Fälle zu unterscheiden:<br />
1. ln den schneereichen Ho .9hlagen mit z.T. auch aufgrund der schlechten Bodenbedingungen<br />
geringem Asungsanreiz im Winter (Calamagrostis vi/losa) bedarf<br />
es dann keiner Wildstandsred uzierung, wenn nicht durch Fütterung für eine zu<br />
hohe Wilddichte gesorgt wurde.<br />
2. Dort, wo Wildbestand und Wildverbiß aufgrund von Fütterungen zu hoch sind,<br />
ist jede Sanierung ohne Zaun oder Auflassen der Fütterung und scharfe Bejagung<br />
sinnlos.<br />
3. Dort, wo aufgrund der aktuellen Gegebenheiten die Schalenwildpopulation zu<br />
hoch ist, müssen die folgenden Maßnahmen gesetzt werden:<br />
* Wirksame Anhebung (anfangs um mindestens 100 %) des Rehwildabschusses<br />
in Form konsequenter lntervallbejagung mit kurzen aber intensiven Bejagungsphasen<br />
* Verhinderung einer weiteren Zunahme des Rotwildes durch scharfe Bejagung<br />
(auch in den Anrainerbetrieben)<br />
* Schaffung von Bejagungsflächen (kleine Wiesen und Wildäcker mit anschliessenden<br />
Bestandesrändern möglichst unters.�hiedlicher Bestandesklassen<br />
auf möglichst früh ausapernden Standorten, Asungsflächen und Schußschneisen)<br />
* Entweder keine oder aber eine bessere, d.h. qualitativ und quantitativ ausreichende<br />
Winterfütterung mit dem Ziel, daß das Rehwild von Standorten abgelenkt<br />
wird, auf denen gerade Verjüngungssanierungsprojekte durchgeführt<br />
werden. Rotwildsichere Einzäunung der Rehwildfütterungen<br />
* Praßholzfällungen im Winter<br />
* Verbißschutz an Mischbaumarten (insbesondere Terminaltrieb der Tanne)<br />
* Nötigenfalls vorübergehend kleinflächige Schutzzäunungen<br />
* Vermehrte Durchforstung und Dickungspflege zur Reduzierung von "überoptimalem"<br />
Deckungsangebot und zur Verbesserung des Nahrungsangebotes<br />
(Verminderung der Wildschadensanfälligkeit)<br />
Dabei sind diese Maßnahmen räumlich und zeitlich mit den Verjüngungs-Sanierungsprojekten<br />
sowie mit den Nachbarrevieren (teils auch jenseits der Staatsgrenze,<br />
soweit dies möglich ist) abzustimmen.<br />
ln Gebieten wie dem Hufberg, wo zur Zeit z.T. auch wegen der geringen Äsungsqualität<br />
keine Schalenwildprobleme bestehen, ist jedoch zu bedenken, daß nach<br />
dem Greifen einer Bodensanierung die niedere Vegetation in einer Art und Weise<br />
reagieren wird , daß ein erhöhter Äsungsanreiz gegeben ist und einer Ü berhöhung<br />
der Schalenwildpopulation deshalb entsprechend vorgebeugt werden muß. Allerdings<br />
wird nach Sicherung der Verjüngung ein höherer Wildstand tragbar sein.
291<br />
3.3 Vorkehrungen gegen phytopathologische und entomologische Risken<br />
Um eine weitere Ausbreitung des Siro coccus - Befalles hintanzuhalten, müßten<br />
stark befallene Bäume entnommen und die abgestorbenen Triebe und Äste vor<br />
der Fruchtkörperbildung des Pilzes sorgfältig vernichtet we rden.<br />
Hinsichtlich der Gefahr von Rindenbrütergradationen nach Windbruch, -wurf,<br />
Schnee- oder Eisbruch sind das derzeit übliche, sorgfältige, rasche und saubere<br />
Aufarbeiten des Schadholzes und die Einrichtung von Fangbäumen die einzigen,<br />
wenn auch vermutlich hinreichenden Vo rbeugungsmaßnahmen.<br />
3.4 Das Gesamtsanierungskonzept<br />
Die folgende Abbildung 3 stellt nun die Überlegungen zur Waldsanierung unter<br />
den folgenden Prämissen zusammen:<br />
1. Die Maßnahmen zur Hifl�anhaltung der Schäden durch Schalenwild sind sofort<br />
in Angriff zu nehmen. Uber ein objektives Monitaring der Wildschäden (Verbißkontrollsystem)<br />
kann bestimmt werden, wa nn jene soweit gegriffen haben,<br />
daß Zäunungen und/oder Einzelschutz an der Verjüngung unterbleiben kann.<br />
2. Die "saubere Waldwirtschaft" zur Vorbeugung von Gradationen nach Schadholzanfällen<br />
durch Wind, Schnee und Eis werden mit der gleichen Sorgfalt wie<br />
bisher vollzogen.<br />
3. Maßnahmen zur Eindämmung des Siro coccus - Befalles sind sofort einzuleiten<br />
und in den Folgejahren konsequent fortzuführen.<br />
4. Die von Dunzendorfer (1974) als "zu schützend" angeführten Moore und deren<br />
hydrologische Einzugsgebiete werden aus der Bewirtschaftung herausgenommen.<br />
ln jenem Bereich, in dem Düngungs-, Bodenbearbeitungs- oder<br />
Entwässerungsmaßnahmen diese Moore beeinflussen würden, sollen daher<br />
auch keine solchen Maßnahmen zur Anwendung kommen.<br />
5. Die Verminderung des beträchtlichen Anteils saurer Depositionen und von Luftschadstoffen<br />
an den Vitalitätsverlusten in den Beständen und an der Bodenversauerung<br />
ist durch emissionsmindernde Maßnahmen auf politischem Wege<br />
sicherzustellen und liegt, gerade weil es sich um Fernemissionen handelt,<br />
außerhalb des direkten Einflußbereiches der betroffenen Forstbetriebe. Da<br />
bezüglich der nötigen Einsatzdauer und des möglichen Wirkungszeitraumes der<br />
im Folgenden beschriebenen Sanierungsmaßnahmen Erfahrungen weitgehend<br />
fehlen, können diese unter keinen Umständen als Ersatz für Emissionsminderungen<br />
verstanden und gefordert werden.<br />
6. Als vorerst nicht sanierungsbed ürftig gelten jene Bestände, in denen eine ausreichende,<br />
d .h. auch hinsichtlich der Baumartenkombination der Zielbestokkung,<br />
bereits entsprechende Naturverjüngung vorhanden ist.
ungung<br />
292<br />
Verjüngungsnotwendigkeit<br />
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r mächtige<br />
sl� ":;"�<br />
Durchforstung. D<br />
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Standortstyp<br />
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.. ·. e �<br />
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H 4 2 ? H 4 2 ? Bergahorn in<br />
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Ja<br />
Zielbestockung<br />
- � Buche in<br />
u . Auflichtung slow release<br />
Kunstverjüngyng. Einzel<br />
düngung oder Flächendüngung<br />
Aussicheln. Einzelschutz !<br />
Abbildung 3: Flußdiagramm zur Ermittlung von Sanierungsmaßnahmen im nördlichen<br />
Mühlviertel.
� necessa1y �<br />
293<br />
regeneration<br />
r thick raw .<br />
�s� humus<br />
�and too ?<br />
thinning.<br />
fertilization secondary water<br />
ealll�:; � rea!S�Iog+lls ?<br />
.<br />
repair<br />
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go·� r<br />
beech ln �<br />
pH < 4.2 ?<br />
stocking � Mg < 3% ?<br />
fertilization profitable<br />
or natural regeneration<br />
within 20 years<br />
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$<br />
soil depth above<br />
bedrock > 60cm<br />
7'�<br />
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ä!1.9. d<br />
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t er rr 1 128 r Ion · '<br />
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"fresh" to . .<br />
+ yes<br />
11ffi01St .<br />
•. II �<br />
.<br />
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"meist" to<br />
"wet" ?<br />
C$J<br />
Calamagrostis<br />
� �:.tl:g<br />
soil depth above<br />
bedrock > 60cm<br />
present and crown slow release<br />
!ei:•:Fo/llization<br />
natural regeneration<br />
p.=:e ?<br />
�<br />
11<br />
� Tng<br />
and<br />
fu ll fertilization<br />
soll smlficatlon<br />
T single pl ant protection !<br />
pl anting. top dressing<br />
grass re moval.<br />
single pl ant protection !<br />
Figure 3: Decision-tree to determine measures for stand- and soil amelioration in<br />
the northern Mühlviertel.<br />
I
294<br />
· Zuerst wird festgestellt, ob es sich um Bestände handelt, in denen die Notwendigkeit<br />
der Verjüngung besteht. Dies wird in älteren und schon aufgelichteten<br />
Beständen meist der Fall sein. Ist in einem solchen Bestand nicht nur die Notwendigkeit<br />
der Verjüngung gegeben, sondern diese auch schon ausreichend · vorhanden,<br />
dann besteht (siehe oben) derzeit kein Sanierungsbedarf. Ist die Naturverjüngung<br />
nicht oder nicht ausreichend vorhanden, dann ist im Falle einer mächtigen<br />
Rohhumusdecke (Richtwert 10 cm) vorerst eine Bodenverwundung vorzunehmen.<br />
Auf den Standortstypen "frisch" bis "feucht" im Sinne der obigen Beschreibung<br />
ist auf alle Fälle der Bergahorn wegen seiner Fähigkeit, tiefere Bodenhorizonte zu<br />
erschließen, so in die Zielbestockung aufzunehmen, daß der Flächenanteil von<br />
Ahorn und Buche gemeinsam mindestens 30% beträgt. Dann ist zu prüfen, ob<br />
sich der Boden im AI-Pufferbereich befindet (pH
295<br />
gigkeit vom pH-Wert und der Magnesiumsättigung die Notwendigkeit von Bodenmeliorationsmaßnahmen<br />
zu prüfen.<br />
Ob diese Maßnahmen dann allerdings tatsächlich realisiert werden sollen, hängt in<br />
den jüngeren Beständen davon ab, ob sie einer späteren Verjüngung in absehbarer<br />
Zeit (20 Jahre) oder dem Bestand selbst zugute kommen. Letzteres trifft dann<br />
zu, wenn die Schaftqualität des stockenden Bestandes (Schaftgüte, nur geringer<br />
Anteil an Wipfelbrüchen, Schäl-, Ernte- oder Rückeschäden) einen entsprechenden<br />
monetären Wert des vermehrten Velumszuwachses verspricht. Ansonsten<br />
wäre es sinnvoller, die Bodensanierungsmaßnahmen auf die Zeit des Verjüngungsstadiums<br />
zu verschieben.<br />
Aufgrund der im Zuge der Datenqualitätsstudie gefundenen Unsicherheiten<br />
(Maser, 1993) beim Zusammenspielen von Daten unterschiedlicher Herkunft ist<br />
die Darstellung von Flächen hinsichtlich der zu planenden Maßnahmen mittels<br />
geographischer Informationssysteme nur dann einigermaßen sinnvoll, wenn die<br />
Zuordnungsfehler zufällig sind. Es kann also mit solchen Karten nicht die konkrete<br />
Fläche im Gelände aufgesucht werden, um an ihr die Sanierungsmaßnahmen zu<br />
setzen. Wohl aber kann die Verteilung der nötigen Maßnahmen im Revier und der<br />
Umfang der Sanierungsmaßnahmen grob abgeschätzt werden.<br />
Zum Zeichnen solcher Karten müssen auch noch einige der in Abbildung 3 angeführten<br />
Abfragen genauer quantifiziert werden. Gerade diese Quantifizierung hat<br />
auch einen gewissen "gutachterliehen Spielraum". Das Vorgehen kann dazu verwendet<br />
werden, um abzuschätzen, welche Folgen bestimmte Annahmen haben<br />
und welche Genauigkeit den zugrundeliegemden flächenbezogenen Daten hinsichtlich<br />
der Schätzung des Sanierungsumfanges zukommt (Eckmüllner und<br />
Maser, 1994). Solche "gutachterlieh" festgesetzten Grenzen sind etwa schon der<br />
pH von 4,2, die Magnesiumsättigung von 3%, die Gründigkeitsgrenze von 60 cm<br />
oder die Dicke der Rohhumusdecke, ab der eine Bodenverwundung angebracht ist<br />
(10 cm). Ähnliches gilt in dieser Darstellung auch für die die Feststellung der<br />
"Verjüngungsnotwendigkeit" und die Beurteilung, ob die Naturverjüngung "ausreichend<br />
hinsichtlich Stammzahl und Mischung" ist. Die Beurteilung dieser beiden<br />
Fragestellungen wurde nicht flächendeckend im Revier, sondern nur in den vier<br />
von Reimoser ( 1 992) untersuchten Gebieten vorgenommen. Die Umlegung auf<br />
das ganze Revier mußte daher mittels statistischer Verfahren (Diskriminanzanalysen)<br />
mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von 70 - 80% geschehen. Ähnliches gilt<br />
für die pH-Werte und die Magnesiumsättigung insofern, als auch diese Werte in<br />
ihrer Umlegung auf die ganze Fläche mittels der hochaggregierten Variablen<br />
"Standortstyp" und "topographische Einheit" mittels der Funktionen von Katzensteiner<br />
(1994) erfolgte.
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299<br />
FOlGERUNGEN AUS DER FIW-FAllSTUDIE 1 AUS DER SICHT<br />
DER ÖR<strong>TLICHE</strong>N WIRTSCHAFTSFÜHRUNG<br />
CONCL USIONS FROM THE FI W-CA SE-STUD Y 1<br />
IN THE POINT OF VIEW OF THE MA NA GEMENT<br />
Johannes WOHLMACHER<br />
Forstverwaltung des Prämonstratenser Chorherrenstiftes Schlägl<br />
A - 4160 Aigen - Schlägl<br />
SUMMARY<br />
The forests of the "Stift Schlägl" comprise 5530 ha. Since 40 years the management system is<br />
one of single tree harvesting rather than clear cutting.<br />
Three main points of the case study need to be answered by managerial actions:<br />
1 . The species mixture of the stands has to be changed in order to approach the target mixture<br />
given by site types.<br />
2. Wildlife management has to be changed in order to allow the growth of the mixed generation.<br />
3. Soil restoration will have to be set about fertilization.<br />
From table 1 it can be seen that planting with deciduous trees has already increased by much<br />
since 1990. The shooting of roe deer increased only by about 1 0% during the same time but the<br />
number of the feedings has been reduced from 25 to 5. The interval hunting has not yet been<br />
realized but experiments with this way of hunting will be started.<br />
Fertilization measures are too expensive to be done in more than only marginal parts of those<br />
places where they were needed. Since an area of 345,5 ha has been declared "protection forest"<br />
by the Forest Service, public funding of the soil restoration measures should be emphasized.<br />
KEYWORDS: Forest management, rehabilitation of forests, concepts, actions.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Die Wälder des Stiftes Schlägl umfassen eine Holzbodenfläche von 5530 ha. Seit 40 Jahren wurde<br />
die Kahlschlagwirtschaft durch einen Einzelstammnutzungsbetrieb ersetzt.<br />
Drei Ergebnisse der FIW-Fa!lstudie erforderten praktische Umsetzung:<br />
1. Die Baumartenmischung sollte sich der Zielbestockung, wie sie standortstypenweise ausgewiesen<br />
ist, annähern.<br />
2. Die Wildbewirtschaftung und die Jagd haben das Fortkommen der Verjüngung in der entsprechenden<br />
Mischung zuzulassen.<br />
3. Die Waldbodensanierung erfordert Düngemaßnahmen.<br />
Aus Tabelle 1 ist ersichtlich, daß der Laubholzanteil in der Pflanzung seit 1990 erheblich zugenommen<br />
hat. Die Abschußzahlen bei Reh wurden nur sehr mäßig angehoben. Dafür wurde die Anzahl<br />
der Fütterungen von 25 auf 5 reduziert. Die lntervallbejagung wurde noch nicht in Angriff genommen,<br />
Versuche dazu werden überlegt.<br />
Die Düngemaßnahmen sind zu teuer, um auf einem größeren Anteil jener Fläche durchgeführt zu<br />
werden, auf der dies erforderlich wäre. Da mittlerweile etwa 345,5 ha des Betriebes zum Schutzwald<br />
erklärt worden sind, wird mit einer öffentlichen Unterstützung der Bodensanierungsarbeiten<br />
gerechnet.<br />
STICHWÖRTER: Waldbewirtschaftung, Sanierungskonzepte, Sanierungsmaßnahmen.<br />
Forstliche Schriftenreihe, Universität für Bodenkultur Wien, Bd. 7, 1994.<br />
ÖGWEB (Österr. Ges. f. Waldökosystemforschung und experimentelle Baumforschung) ISBN 3-900865-06-X.
1 EINLEITUNG<br />
300<br />
Wie geht ein Forstbetrieb mit zehnjähriger Forschung um, und wie werden die<br />
Ergebnisse umgesetzt? Nicht nur an den Universitäten und Forschungszentren<br />
wird intensiv nachgedacht, auch die Praxis kennt ein Nachdenken und sich Wundern.<br />
Das forstliche Herz beginnt sich zunächst einmal zu regen, wenn die wertvollen<br />
Stammbloche zerschnitten werden, um daraus Stammscheiben zu gewinnen.<br />
Solches Vorgehen paßt nicht in die gewohnten Denkschemata eines<br />
Försters, obwohl, von gewohnten Denkschemata zu sprechen, dies auf die<br />
Förster des Stiftes Schlägl gar nicht so richtig zutrifft. Mußten sie doch unter der<br />
Führung von Oberforstmeister Reininger das Umdenken lernen: weg vom Altersklassenwald,<br />
hin zum "Naturnahen Zielstärkenbetrieb".<br />
2 ORGANISATION DES <strong>FOR</strong>STBETRIEBES<br />
Der Forstbetrieb des Stiftes Schlägl hat im Gebiet des Böhmerwaldes eine<br />
Holzbodenfläche von 5530 ha. Diese Fläche ist in vier Reviereinheiten gegliedert<br />
und umfaßt die Reviere Schwarzenberg, Holzschlag, Sonnenwald und Oberhaag.<br />
Das Revier Angerhäuser gehört zum Revier Schwarzenberg.<br />
Organisatorisch kann folgende Gliederung angegeben werden:<br />
ein Oberforstmeister und ein Forstassistent<br />
ein Förster für die Materialverrechnung<br />
ein Förster für die Forsteinrichtung<br />
sowie zwei Kanzleikräfte<br />
ln den Revieren arbeiten drei Förster und zwei Forstwarte. Diesen stehen zwischen<br />
elf und fünf Forstarbeitern zur Verfügung, sodaß mit den Kraftfahrern im<br />
Forstbetrieb 39 Forstfacharbeiter sowie drei Kulturfrauen angestellt sind.<br />
Besonders ausgebaut ist der Fuhrpark, der mit zwei Planierra upen, einer<br />
Laderaupe, einem Kettenbagger, einem Schreitbagger, einem Grader und einem<br />
LKW noch an die Zeiten der Forstaufschließung erinnert. Dazu kommen noch zwei<br />
Holzzüge. Der Maschinenpark erscheint für einen Forstbetrieb übertrieben groß zu<br />
sein. Gleichzeitig ist damit aber für die Zuku nft noch die Möglichkeit von Rationalisierungsmaßnahmen<br />
gegeben.<br />
Die Reviere sind in jeweils sechs Pflegeblöcke unterteilt, sodaß nie auf der ganzen<br />
Fläche gearbeitet werden muß.
301<br />
3 EINFlUSS DER FIW-<strong>FOR</strong>SCHUNGSTÄTIGKEITEN AUf DEN <strong>FOR</strong>STBETRIEB<br />
Welche Folgerungen zieht ein Forstbetrieb aus der FIW Studie, was wird konkret<br />
getan?<br />
3. 1 Aufforstungen<br />
Einen ersten Ansatzpunkt zu den in jüngster Zeit getätigten Anpflanzungen gibt<br />
die sogenannte Pflanzenabgabe (Tab. 1). Aus dieser Übersicht läßt sich erkennen,<br />
daß in den letzten Jahren dem Laubholz besondere Aufmerksamkeit geschenkt<br />
wurde und auch weiterhin wird . Die Anzahl der Fichtentopfpflanzen hängt mit den<br />
Schutzwaldsanierungsversuchen im Bereich des Hufberges im Revier Schwarzenberg<br />
zusammen. Diesbezüglich folgen weiter unten nähere Erläuterungen.<br />
Aus den Berichten und Forschungsergebnissen wurde immer wieder deutlich, daß<br />
gerade beim Laubholz die entsprechenden Mutterbäume fehlen, sodaß jenes nur<br />
über Kunstverjüngung eingebracht werden kann. Um dieses Vorhaben nicht von<br />
vorne herein zum Scheitern zu verurteilen, werden entsprechende Flächen auch<br />
eingezäunt oder die Pflanzen mit Einzelschutz versehen. Speziell auf das Revier<br />
Sonnenwald bezogen, wird auf ca 45 ha die Tanne mit Einzelschutz versehen, auf<br />
weiteren 300 ha kommt sie bereits ohne Schutzmaßnahmen.<br />
Tabelle 1: Pflanzenabgabe der Jahre 1990 bis 1993 in Stück.<br />
Table 1: Tree plan ting in piece during the years 1990- 1 993.<br />
Baumartltree species 1990 1991<br />
Fichte/Norway spruce 9200 6225<br />
Fichte Topf/N.spruce paperpot 1150 120<br />
Tanne/fir 950<br />
Ahorn/maple 50 250<br />
Nadelholz Fi, Ta/conifers 10740 6275<br />
Fichte Topf/N.spruce paperpot 1150 120<br />
Laubho!z/leafwood 825 3250<br />
1992 1993<br />
4625 9460<br />
1050 2000<br />
150<br />
1960 1525<br />
5625 7550<br />
1050 3700<br />
5160 3430
3.2 Jagd<br />
302<br />
Die Wirkungen des Verbisses und seine waldbauliche Selektionswirkung sind dem<br />
Forstbetrieb bekannt. Die jagdliche Bewirtschaftung unterteilt sich je ca. zur<br />
Hälfte in Pacht- und Regiejagden.<br />
Aus den Abschußzahlen (Tab. 2) ersieht man den be - sonderen jagdlichen Druck<br />
auf das weibliche Rehwild, der vor allem dadurch gewähleistet wird, daß bereits<br />
im Juni mit dem Schmalreh-Abschuß begonnen wird . Durch das einwandfreie<br />
Funktionieren der Regiejagd ist dies auch für die Zukunft gewährleistet.<br />
Als Gradmesser für die Planung und Durchführung des Abschusses wird vor allem<br />
der Tannenverbiß herangezogen.<br />
Im Revier Sonnenwald wurden die Rehwildfütterungen von 25 auf 5 reduziert und<br />
in tiefere Lagen verlegt. Vor 15 Jahren wurde noch versucht, das Rotwild zu füttern,<br />
aber nach einem sprunghaften Ansteigen der Schälschäden in Fütterungsnähe<br />
wurde dies sofort wieder eingestellt.<br />
ln dem Naturverjüngungsbetrieb erweist sich die Erhaltung bzw. -Schaffung von<br />
Jagdflächen als notwendig. Dies wird durch die Revierföster aufmerksam verfolgt.<br />
Die noch bestehenden Waldwiesen werden wieder einmal jährlich gemäht und<br />
stehen damit als Jagd- und Äsungsflächen zur Verfügung.<br />
Tabelle 2: Abschußzahlen für Reh- und Rotwild der Jahre 1990 bis 1992.<br />
Table 2: Sh ooting figures for roe deer and deer during the years 1990- 1 992.<br />
1990 1991 1992<br />
Abschuß Rehwild/shooting roe deer 289 323 322<br />
Männlich ges.lmale 121 1 30 122<br />
Weiblich ges./female 168 193 200<br />
Abschuß pro 1 00 ha/per 100 ha 3,8 4,2 4,2<br />
Abschuß pro 1 00 ha max./max. per 100 ha 7,4 9,5 9,6<br />
Abschuß pro 1 00 ha min./min. per 100 ha 2,3 1,6 2,2<br />
Abschuß Rotwild/shooting deer 31 25 22<br />
I
303<br />
Die von Reimoser vorgeschlagene Intervalljagd wird zur Zeit noch nicht betrieben.<br />
Ansätze dazu sind aber bereits gegeben und werden weiter verfolgt.<br />
3.3 Möglichkeiten und Grenzen von Sanierungsmaßnahmen seitens des Forstbe<br />
triebes<br />
Neben der Einbringung von Laubholz - natürlich an dafür geeigneten Standorten -<br />
und einer Umorientierung in der Jagd wurden durch die Forschungsberichte noch<br />
weitere Sanierungsmaßnahmen vorgeschlagen.<br />
Als erstes sei davon die Düngung erwähnt. Diese Sanierungsmaßnahme kann sich<br />
unser Forstbetrieb schon aus Kostengründen höchstens kleinflächig erlauben. Insgesamt<br />
dürften im Stiftswald ca. 2500 ha düngungswürdig sein. Die dadurch entstehenden<br />
Kosten sind für den Betrieb allein finanziell nicht tragbar.<br />
Die Vorbeugung gegen Käferbefall geschieht durch die Vorlage von Fangbäumen,<br />
vor allem an den bekannten Schadherden. Waren es 1992 ca. 380 Fangbäume,<br />
so wurden 1993 durch die angekündigte und befürchtete Käferkatastrophe 817<br />
Fangbäume vorgelegt. Hier ist auch noch anzumerken, daß im angrenzenden<br />
Nationalpark "Bayrischer Wald" keine Käferbekämpfung stattfindet. Mit der Vorlage<br />
von Fangbäumen ist auch die rasche Aufarbeitung von Schadholz zu erwähnen,<br />
die im Sinne der Waldhygiene gut funktioniert.<br />
Mit diesem etwas Überblick soll gezeigt werden, daß die in den Revieren des<br />
Stiftes Schlägl stattfindenden Forschungen und Untersuchungen nicht sang- und<br />
klanglos vorübergehen. Die Untersuchungen dauerten jetzt :zehn Jahre, für die<br />
Umsetzung muß auch dem Betrieb einige Zeit gewährt werden.<br />
Es ist der Forstverwaltung voll bewußt, daß in der Vergangenheit Fehler gemacht<br />
und durch so manche Nutzungsart wie etwa durch die Streunutzung dem Boden<br />
wertvolle Nährstoffe entzogen wurden. Trotz dieser Eingriffe konnte der Wald gut<br />
weiterleben. Zu einer rapiden Verschlechterung des Gesundheitszustandes dieser<br />
Wälder kam es aber erst durch das Auftreten von Immissionen. ln diesem Zusammenhang<br />
sei vor allem Herrn Professor Glatzel für seine Anregung gedankt, daß<br />
hier durchaus auch die öffentliche Hand einen Beitrag leisten sollte.<br />
Den ersten Ansatz für eine derartige Unterstützung sollte das Sanierungsprojekt<br />
im Bereiche des Hufberges bilden, das Vertreter des Landes, des Ministeriums<br />
und der Landwirtschaftskammer für Oberösterreich aufgrund des extrem schlechten<br />
Zustandes dieser Wälder für äußerst dringlich und unterstützungswürdig<br />
erachteten. Am 17. September 1992 fand gemeinsam mit der Forstbehörde eine<br />
Begehung des Zwieselkammes statt. Im Zuge dieser Begehung wurde überlegt, ob<br />
es nicht sinnvoll wäre, dieses Gebiet als Schutzwald auszuscheiden. Mit 26. Jänner<br />
1993 wurde der Antrag auf Schutzwaldfeststellung an die Forstbehörde
304<br />
gestellt. Bereits am 8. Februar 1994 erging der Bescheid an das Stift Schlägl, in<br />
dem festgestellt wurde, daß die beantragten Flächen in der KG Schwarzenberg im<br />
Sinne des Forstgesetzes Schutzwald sind {Rechtsgrundlage: § 23 Abs . 1 in Verbindung<br />
mit den § § 21 und 22 des Forstgesetzes 1975). Die Fläche des Schutzwaldes<br />
beträgt nun 345,5 ha.<br />
Was hoffnungsvoll begann, ist mittlerweile zum Stillstand gekommen. Ein Zug,<br />
der zum Abfahren bereit war, wurde gestoppt, noch bevor er sich in Bewegung<br />
setzen konnte. Dies mag ein Beispiel dafür sein, wie Forstbetriebe, vor allem aber<br />
auch Förster, die sich mit Engagement und persönlichem Einsatz um die Erhaltung<br />
des Waldes kümmern, an für sie nicht verstehbare Grenzen stoßen. Wenn das<br />
Forstgesetz vorschreibt, daß der Waldeigentümer den Schutzwald entsprechend<br />
den örtlichen Verhältnissen jeweils so zu behandeln hat, daß seine Erhaltung als<br />
möglichst stabiler, dem Standort entsprechender Bewuchs mit kräftigem innerem<br />
Gefüge bei rechtzeitiger Erneuerung zu gewährleisten ist, dann kann sich ein<br />
öffentliches Interesse daran, das sich auch in finanziellen Mitteln ausdrückt, nicht<br />
einzig und allein auf einige auserwählte Bundesländer südlich der Donau<br />
erstrecken. Seitens des Betriebes wird aber weiterhin an diesem Schutzwaldprojekt<br />
gearbeitet werden.<br />
Abschließend danke ich im Namen des Forstbetriebes Stift Schlägl allen an der<br />
FIW Beteiligten für die in unseren Wäldern durchgeführten Forschungen. Für die<br />
Zukunft kann ich versichern, daß der Betrieb Stift Schlägl weiterhin für Forschungsvorhaben<br />
ein sehr offenes Ohr haben wird und sich auch bemühen wird,<br />
die gewonnenen Erkenntnisse in die Wirklichkeit umzusetzen. Daß dabei die<br />
wirtschaftliche Komponente manches langsamer gehen läßt, soll niemanden entmutigen.<br />
Das Gespräch zwischen Wissenschaft und Praxis ist weiterhin zu<br />
pflegen,<br />
DENN WISSENSCHAFT OHNE PRAXIS IST BODENlOS,<br />
UND PRAXIS OHNE WISSENSCHAFT IST KOPFLOS.