Wärm' dich auf am Glüh- wein- stand - AktionsGemeinschaft WU
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ZUGANGSBESCHRÄNKUNGEN<br />
Schall und Rauch? -<br />
Ein österreichischer<br />
Lösungsansatz im<br />
europäischen Vergleich<br />
Überfüllte Hörsäle, Atomuhranmeldung/<br />
Lotteriesysteme und prekäre Betreuungsverhältnisse<br />
in beliebten Studienrichtungen<br />
prägen weitgehend die Universitätslandschaft<br />
in Österreich. Besonders als<br />
Student an der <strong>WU</strong> wird man tagtäglich<br />
mit der einen oder anderen Unannehmlichkeit<br />
konfrontiert. Sei es die punktgenaue<br />
Lehrveranstaltungsanmeldung oder die<br />
Suche nach einem geeigneten Betreuer<br />
für die Bachelorarbeit, die Massenuniversitätsmentalität<br />
ist allgegenwärtig.<br />
Von JOHANNA WITTMANN & ANCA VEGHES<br />
Der derzeitige Stand der Dinge<br />
Ein Schlagwort, welches in den<br />
letzten Wochen und Monaten<br />
immer wieder in Bezug <strong>auf</strong> den<br />
Hochschulzugang in Österreich<br />
zu hören war, ist jenes der Zugangsbeschränkung.<br />
Dieser ziemlich breite Begriff<br />
kann sowohl qualitativer als auch<br />
quantitativer Natur sein. Derzeit gibt es<br />
in Österreich für die Universitäten vorrangig<br />
qualitative Beschränkungen, denn<br />
für eine Zulassung ist entweder eine<br />
Matura, Berufsreifeprüfung oder eine Berechtigungsprüfung<br />
nötig. Quantitative<br />
Beschränkungen hingegen liegen nur für<br />
vereinzelte Studienfächer wie Medizin<br />
oder Psychologie vor. Dies könnte sich jedoch<br />
zukünftig ändern.<br />
Allen voran forderte Rektor Badelt Anfang<br />
August in einem Interview, neben den gesetzlich<br />
verankerten Beschränkungen für<br />
englischsprachige Masterstudiengänge,<br />
auch Beschränkungen für deutschspra<br />
chige Progr<strong>am</strong>me. Für die meisten Studierenden<br />
liegt das Problem jedoch tiefer,<br />
nämlich bei den völlig überl<strong>auf</strong>enen<br />
Bachelorprogr<strong>am</strong>men der <strong>WU</strong>. Während<br />
andere Massenfächer, wie Medizin oder<br />
Psychologie, für die Aufnahme einen Test<br />
voraussetzen, gibt es an der <strong>WU</strong> noch den<br />
berühmt berüchtigten „freien Hochschulzugang“.<br />
Seit Einführung der STEOP im<br />
Wintersemester 2011 fragt man sich als<br />
Studierender dennoch vermehrt, ob das<br />
nicht bereits eine Form der Reglementierung<br />
ist. Eine, die bestenfalls eine verlängerte<br />
Studienzeit und im schlechtesten<br />
Fall eine Sperrung des Studiums nach<br />
sich zieht.<br />
Derzeit steht die Beschränkung des Bachelorstudiums<br />
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften,<br />
nicht jedoch des Bachelorstudiums<br />
Wirtschaftsrecht, <strong>auf</strong> höchster<br />
bildungspolitischer Ebene zur Diskussion.<br />
Das Modell soll sich an den derzeitigen Inskriptionsmeldungen<br />
als Beschränkungsmarke<br />
orientieren, wodurch die derzeitigen<br />
Studierendenzahlen konstant wären.<br />
Eine Zugangsbeschränkung dieser Art und<br />
Weise würde lediglich die administrativen<br />
Kosten erhöhen, an den vorherrschenden<br />
Studienbedingungen aber rein gar nichts<br />
ändern. Zudem würden aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach die meisten wirtschaftsinteressierten<br />
Studierenden <strong>auf</strong> das weiterhin<br />
unbeschränkte Wirtschaftsrechtstudium<br />
ausweichen.<br />
Ein Vergleich<br />
Eine der zentralen Fragen in der Bildung-<br />
spolitik ist vor allem jene nach der Nachhaltigkeit<br />
einer zugangsbeschränkenden<br />
Maßnahme. Im europäischen Vergleich<br />
zeigt sich nämlich, dass wir bei den Absolventen<br />
im tertiären Bildungsbereich weit<br />
unter dem Durchschnitt liegen. Um dieses<br />
Phänomen besser verstehen zu können<br />
und auch einmal andere Zugangssysteme<br />
zu beleuchten, lohnt sich ein Blick über<br />
den Tellerrand.<br />
Schulische Noten als Vorselektion<br />
Auffällig gut im Bereich der Absolventenquote<br />
schneiden in der OECD-Studie die<br />
Dänen ab, welche, wie Österreich, keine<br />
Studiengebühren verlangen und somit<br />
einen sozial gerechten Zugang zu den<br />
Universitäten ermöglichen. Gleich ist das<br />
System jedoch nicht, denn anders als bei<br />
uns zählen auch die schulischen Leistungen.<br />
Für besonders beliebte Studien muss<br />
demnach auch eine gute schulische Vorleistung<br />
erbracht worden sein. Die Definition<br />
des Notenkriteriums obliegt den Universitäten<br />
und wird nicht zentral geregelt.<br />
Eine der renommiertesten staatlichen<br />
Universitäten des Landes ist die Universität<br />
Kopenhagen. Das dort angebotene<br />
Bachelorprogr<strong>am</strong>m „Ökonomie“ setzt ein<br />
„Sehr Gut“ in Dänisch und Mathematik,<br />
sowie ein „Gut“ in Englisch voraus. Des<br />
Weiteren dürfen auch in anderen ausgewählten<br />
Fächern wie z.B. Geschichte<br />
keine schlechteren Noten als „Gut“ <strong>am</strong><br />
Zeugnis <strong>auf</strong>scheinen.<br />
Die Frage, ob dieses System auch für Österreich<br />
denkbar wäre, müsste man unter<br />
den derzeitigen Umständen jedoch verneinen.<br />
Ein Vergleich von Leistungen der<br />
unterschiedlichen Schultypen ist nur sehr<br />
begrenzt möglich und würde daher zu<br />
erheblichen Verzerrungen führen. Ohne<br />
jeden Zweifel kann man jedoch sagen, dass<br />
die Vorselektion über Noten den Vorteil<br />
bringt, dass sich Schüler bereits zu einem<br />
früheren Zeitpunkt ihrer Bildung mit dem<br />
Thema Universität auseinandersetzen<br />
müssen. Dies könnte sehr wahrscheinlich<br />
auch ein Grund sein, warum Dänemark<br />
in punkto Zahl der Studienabsolventen<br />
deutlich vor Österreich liegt.<br />
Das allumfassende<br />
Bewerbungsverfahren<br />
Ein anderes europäisches Beispiel zum<br />
Hochschulzugangsmanagement liefert<br />
England, wo Bewerbungen für universitäre<br />
Progr<strong>am</strong>me über eine staatliche Agentur,<br />
die UCAS l<strong>auf</strong>en. Alleine für die Bewerbung<br />
wird bereits kassiert. Die Matura bildet die<br />
Grundvoraussetzung für eine Zulassung,<br />
daneben müssen noch Motivationsschreiben<br />
und Sprachnachweise erbracht und<br />
persönliche Interviews absolviert werden.<br />
Aufgrund der Selbstverwaltung der Universitäten,<br />
können diese Studienplatzkapazitäten<br />
und Aufnahmekriterien eigenständig<br />
festlegen.<br />
Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass<br />
dieses System vor allem eines mit sich<br />
bringt, nämlich Kosten. Durch die dezentrale<br />
Organisation der Universitäten<br />
können diese eigenständig Studiengebühren<br />
festsetzen und einheben. Bei Studiengebühren<br />
bis zu 9000 Pfund und hohen<br />
Lebenserhaltungskosten ist es kein<br />
Wunder, dass viele Studierende bereits<br />
Kredite <strong>auf</strong>nehmen müssen. Diese günstigen<br />
Studentenkredite müssen jedoch<br />
erst ab einem Jahreseinkommen von 15<br />
000 Pfund zurückgezahlt werden. Obwohl<br />
Studiengebühren in dieser Höhe in Österreich<br />
kaum ein Thema sein werden, wäre<br />
es dennoch sinnvoll, über staatlich finanzierte<br />
Studentenkredite, zugänglich für alle<br />
Studenten, nachzudenken. Im Moment<br />
gibt es nur Darlehen, welche Studiengebühren,<br />
nicht jedoch Lebenserhaltungskosten<br />
einschließen.<br />
Der Einstiegstest<br />
Ein weiteres Beispiel für einen stark regulierten<br />
Universitätszugang bietet eines<br />
unserer östlichen Nachbarländer, nämlich<br />
die Slowakei. Dort müssen angehende Studenten<br />
je nach Studienfach einen spezifischen<br />
Aufnahmetest absolvieren. An der<br />
Matej Bel University zum Beispiel ist für<br />
das Studienfach Business Economics and<br />
Management ein Einstiegstest vorgesehen,<br />
der die Kenntnisse in VWL, Mathematik<br />
und Fremdsprachen abprüft. Je nach verfügbaren<br />
Studienplätzen werden die bestgereihten<br />
Studierenden <strong>auf</strong>genommen.<br />
Dieses Modell, welches konkretes Wissen<br />
für das jeweilige Studienfach abprüft, wäre<br />
auch für die <strong>WU</strong> denkbar, da es allen Studienanfängern,<br />
unabhängig von schulischen<br />
Vorleistungen und sozialer Herkunft,<br />
die gleichen Chancen <strong>auf</strong> einen Studienplatz<br />
ermöglicht. In weiterer Folge würde<br />
das für den Test nötige Literaturstudium<br />
jenen, noch unentschlossenen Schülern,<br />
eine Hilfestellung für die Entscheidung für<br />
oder gegen ein betriebswirtschaftliches<br />
Studium geben.<br />
Das Dilemma mit den Beschränkungen<br />
Egal in welches Land um uns herum wir<br />
blicken, es bleibt die Erkenntnis, dass wir<br />
mit unserem Traum vom unbeschränkten<br />
Hochschulzugang ziemlich alleine dastehen.<br />
Die chaotische und belastende Situation<br />
an der <strong>WU</strong> entmutigt und desillusioniert<br />
viele junge Menschen. Im Hinblick <strong>auf</strong><br />
lange Stehzeiten im Studium, welche besonders<br />
für Studienbeihilfebezieher negative<br />
Konsequenzen nach sich ziehen, stellt<br />
sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der<br />
uneingeschränkten, bedingungslosen Studienplatzvergabe.<br />
Aufgrund der international<br />
steigenden Wichtigkeit von Noten,<br />
ist die Wettbewerbsfähigkeit von <strong>WU</strong>-<br />
Absolventen deutlich verringert. Oftmals<br />
muss für ein weiterführendes Studium im<br />
Ausland ein GMAT gemacht werden, um<br />
den von Knock-out-Prüfungen geprägten<br />
Notendurchschnitt zu kompensieren. Von<br />
sozialgerecht ist das weit entfernt, denn<br />
für diesen Test plus Vorbereitungskurs<br />
sind nicht selten mehrere hundert Euro<br />
zu berappen.<br />
Es sieht so aus, als hätten bereits zahlreiche<br />
Länder erkannt, dass der richtige<br />
Mix aus adäquaten Zugangsbeschränkungen<br />
und sozial gerechten Förderungssystemen<br />
nicht nur die Studierenden erheblich<br />
entlastet, sondern auch Ressourcen bestmöglich<br />
nutzt.<br />
Johanna Wittmann & Anca Veghes<br />
Referentin für Bildungspolitik, Ausländerreferat<br />
<strong>AktionsGemeinschaft</strong> <strong>WU</strong>