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Marlis & Hans Glesti - Zürcher Weinland

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Unterstammheim<br />

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Oberstammheim<br />

Ausgangspunkt der eineinhalbstündigen<br />

Wanderung ist der Bahnhof Stammheim<br />

(S 29, Bus 605). Der Weg führt durch das<br />

Dorf Unterstammheim mit seinen schönen<br />

Riegelbauten, vorbei an einem der schönsten<br />

Gemeindehäuser im Kanton. Weit ins<br />

Tal hinaus leuchtet der stolze Turm der<br />

reformierten Kirche mit dem angebauten<br />

Pfarrhaus. Der leicht ansteigende Weg führt<br />

vor der Kirche rechts in die Reben. Bereits<br />

hier hat man eine wunderschöne Aussicht<br />

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= ÖV-Haltestellen<br />

ins Stammertal. Die Ortschaften des durch<br />

die letzte Eiszeit geformten Stammertals<br />

gehören zu den schönsten Riegelbaudörfern<br />

der Nordschweiz.<br />

Etwas oberhalb des Weges liegt der Platz,<br />

wo die Unterstammheimer ihr Fasnachtsfeuer<br />

aufbauen. Dieser traditionelle Anlass<br />

wird an der Bauernfasnacht, um den<br />

25. Februar herum, gefeiert. Dann werden<br />

in den Gemeinden des Stammertals die<br />

traditionellen Fasnachtsfeuer entfacht. Die<br />

Jugendlichen der einzelnen Gemeinden<br />

schichten in aufwändiger Arbeit kunstvolle<br />

Holztürme auf, darum bemüht, die anderen<br />

mit einem immer noch höheren Holzstoss<br />

zu übertrumpfen. Wie gross und eindrücklich<br />

die jährlichen Fasnachtsfeuer sind, lässt<br />

sich daran ermessen, dass ein Pilot, der das<br />

Gebiet zur Zeit der lodernden Feuer überflog,<br />

nach seiner Landung im Flughafen<br />

Zürich einen Hausbrand meldete . . . Woher<br />

der Brauch mit den Fasnachtsfeuern<br />

stammt, ist ungewiss. Es wird vermutet,<br />

dass in vorchristlichen Zeiten damit die<br />

bösen Geister vertrieben wurden.<br />

Die Wanderung geht weiter durch das Areal<br />

der «Bergtrotte», eine der ersten Rebsiedlungen<br />

im Kanton. Schon erreicht man den<br />

Platz, wo für Oberstammheim das Fasnachtsfeuer<br />

erstellt wird. Von hier bietet<br />

sich ein schöner Blick auf das Dorf und den<br />

Hügel mit der Galluskapelle. Die aus dem<br />

9. Jahrhundert stammende Galluskapelle<br />

liegt idyllisch inmitten von Weinbergen und<br />

über dem Tal thronen die Schlösser Girs­<br />

berg und Schwandegg (Weinwanderweg<br />

von Schloss zu Schloss im Stammertal).<br />

Rechts unterhalb des Weges erblickt man<br />

das stattliche Gebäude der «Tallmüli»,<br />

früher eine Mühle, heute noch ein historisch<br />

wertvolles Gebäude. Weiter geht der<br />

Weg Richtung St. Anna, ein früherer Kapellhügel,<br />

mit wunderschönem Blick auf den<br />

Alpstein mit Säntis und Churfirsten, sowie<br />

die Glarner Alpen. Am Weingut «Uf Oelenberg»<br />

vorbei kehren wir auf der unteren<br />

Rebbergstrasse zurück Richtung Oberstammheim.<br />

Kurz vor dem Dorf lohnt sich<br />

ein kleiner Abstecher für eine Besichtigung<br />

der Galluskapelle, die von gesamtschweizerischer<br />

Bedeutung ist. Sie hat ihren<br />

Ursprung im 9. Jahrhundert und gehörte<br />

dem Kloster St. Gallen. Sie gehört damit zu<br />

den ältesten Sakralbauten der nördlichen<br />

Schweiz überhaupt und ist mit Wandmalereien<br />

aus dem frühen 14. Jahrhundert<br />

geschmückt. Diese stellen die Schöpfungsgeschichte<br />

und die Leiden Christi dar.<br />

Gleich anschliessend trifft man auf das<br />

«Chilebückli» mit dem ursprünglichen<br />

Gebäude der Lesegesellschaft Stammheim.<br />

Die Lesegesellschaft geht auf das Jahr 1842<br />

zurück. Damals bildeten etliche Männer<br />

von Oberstammheim eine Gesellschaft, die<br />

jede Woche an einem bestimmten Tag zur<br />

Pflege der Geselligkeit oder manchmal auch<br />

zu einem Vortrag zusammenkam. In einem<br />

Lokal, das den Mitgliedern täglich zur<br />

Be nutzung offen stand, lag der «Republikaner»,<br />

die «Bürkli­Zeitung», die «Neue<br />

<strong>Zürcher</strong> Zeitung», der «Landbote», der<br />

«Kurier», «der deutsche Bote» und einige<br />

andere Blätter zum Lesen bereit. Aus<br />

Unterlagen geht hervor, dass die Gesellschaft,<br />

wenigstens im Anfang, ein stark<br />

politisches Gepräge hatte. Sie zählte bei<br />

ihrer Gründung nur neun Mitglieder, alle<br />

von Oberstammheim.<br />

Auf dem Weg zurück zum Bahnhof Stammheim<br />

kommt man an der Taverne «zum<br />

Kreuz» vorbei, mit ihrem uralten Tavernen­<br />

Recht. Ebenso am Restaurant «Hirschen».<br />

Das 1684 erbaute Gebäude gilt als einer der<br />

schönsten Fachwerkbauten der Schweiz.<br />

2011 feierte das Tal sein 1250­Jahr­Jubiläum.<br />

Weinbau mit langer und<br />

grosser Tradition<br />

Unter­ und Oberstammheim sind traditio­<br />

nelle Weinbaudörfer. Die durchlässigen<br />

Moränenböden der Region lassen gehaltvolle<br />

Weine wachsen. Bereits im Jahre<br />

834 – also vor fast 1200 Jahren – werden in<br />

einer Urkunde des Klosters St. Gallen in<br />

Stammheim Rebberge erwähnt. Mit grosser<br />

Wahrscheinlichkeit waren auch schon in<br />

Guntalingen und Waltalingen (siehe auch<br />

Weinwanderweg von Schloss zu Schloss im<br />

Stammertal) einige Hänge mit Reben<br />

bepflanzt. Allerdings spricht eine erste<br />

Urkunde von 831 nur von «Erbbesitz» und<br />

«Gütern», Reben werden nicht explizit<br />

erwähnt. Der Weinbau hatte eine grosse<br />

Bedeutung für die Entwicklung der Dörfer<br />

und für ihren relativen Reichtum. Die<br />

stattlichen Fachwerkbauten, einen Kirchturm<br />

mit dem zweitgrössten Zifferblatt des<br />

ganzen Kantons, Turmöfen, kostbare<br />

Wappenscheiben, der Pfauen­Ofen im<br />

Gemeindehaussaal in Unterstammheim<br />

und vieles mehr konnte man sich nur dank<br />

des Weingeldes leisten. Der sehr arbeitsaufwändige<br />

Rebbau prägte mit seinen<br />

notwendigen Bauten (Trotten, Weinkeller,<br />

Rebhäuschen) das Dorf­ und Landschaftsbild.<br />

Seit dem 15. Jahrhundert stieg die<br />

Rebfläche stetig an und erreichte ihren<br />

Höhepunkt um 1800 mit ca. 160 ha. Auf<br />

der Wildschen Karte sind die Rebberge in<br />

der Mitte des 19. Jahrhunderts sehr gut zu<br />

erkennen und von beeindruckendem<br />

Ausmass. Weder vorher noch nachher<br />

wurden im Stammertal Rebflächen dieses<br />

Ausmasses nachgewiesen. Der «Niedergang»<br />

wurde durch die Reblaus verursacht.<br />

Diese wurde durch Rebstöcke von der<br />

Ostküste Nordamerikas eingeschleppt und<br />

hatte katastrophale Folgen für den Weinbau.<br />

Allein in Frankreich wurden in dieser<br />

Zeit 2,5 Millionen Reben vernichtet. Im<br />

Kanton Zürich sank der Ertrag von 1874 bis<br />

zum Ende des 19. Jahrhunderts um gut die<br />

Hälfte. Seit etwa 1900 wechselten sich gute<br />

und schlechte Zeiten ab. Frostperioden,<br />

neue Krankheiten und Schädlinge, veränderte<br />

Konsumgewohnheiten, tiefe Preise<br />

und Absatzschwierigkeiten liessen die vom<br />

Weinbau abhängigen Bauernfamilien mal<br />

hoffnungsvoll, dann wieder mit Sorge in<br />

die Zukunft schauen. Die Erholung begann<br />

eigentlich erst nach dem zweiten Weltkrieg.<br />

Heute stehen im Stammertal gegen 42 ha<br />

Reben, bewirtschaftet von 47 Familien. Das<br />

ist rund 15 Prozent der Rebfläche des

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