Predigt Bernhard Lücking - Evangelischer Kirchenkreis Duisburg
Predigt Bernhard Lücking - Evangelischer Kirchenkreis Duisburg
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<strong>Predigt</strong> von Stadtdechant <strong>Bernhard</strong> <strong>Lücking</strong> über Gal 3, 26-29<br />
in Rahmen der <strong>Predigt</strong>reihe zum Jahr der Taufe<br />
des Evangelischen <strong>Kirchenkreis</strong>es <strong>Duisburg</strong><br />
im evangelischen Gottesdienst in <strong>Duisburg</strong>-Beeck, 4. 11. 2012<br />
„Ich bin getauft und alle sind eins in Christus“<br />
26 Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus<br />
Jesus.<br />
27 Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus<br />
angezogen.<br />
28 Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier,<br />
hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus<br />
Jesus.<br />
29 Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder und nach<br />
der Verheißung Erben. (Rev. Luther-Übersetzung)<br />
26Ihr seid alle durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus.<br />
27Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als<br />
Gewand) angelegt.<br />
28Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht<br />
Mann und Frau; denn ihr alle seid «einer» in Christus Jesus.<br />
29Wenn ihr aber zu Christus gehört, dann seid ihr Abrahams<br />
Nachkommen, Erben kraft der Verheißung. (Einheitsübersetzung)<br />
In diesem sich zum Ende neigenden Jahr war für die Katholische Kirche<br />
in Deutschland und vielleicht auch darüber hinaus die Heilig-Rock-<br />
Wallfahrt nach Trier ein besonderer religiöser Höhepunkt, vor allem auch<br />
in ökumenischer Sicht. Als ökumenisches Ereignis wurde die Wallfahrt<br />
vorbereitet durch eine ökumenische Tagung, ein internationales<br />
ökumenisches Forum in Trier unter dem Leitwort der Wallfahrt „Und<br />
führe zusammen, was getrennt ist.“ Es war für mich ein tiefes Erlebnis<br />
dabei sein zu dürfen, wie hochrangige Vertreter der verschiedenen<br />
Konfessionen - unter anderem auch Präses Nikolaus Schneider - sich<br />
über dieses Thema austauschten und miteinander gerungen haben. Das<br />
Leitwort stammt aus einem kleinen Gebet zur Wallfahrt 1959:<br />
Jesus Christus Heiland und Erlöser,<br />
erbarme dich über uns und die ganze Welt.<br />
Gedenke deiner Christenheit<br />
und führe zusammen, was getrennt ist.<br />
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Nun war die Teilnahme evangelischer Christinnen und Christen an der<br />
Wallfahrt, für die sich Präses Nikolaus Schneider in der Nachfolge seines<br />
Vorgängers Peter Beier, der an der Wallfahrt 1996 beteiligt war,<br />
entschieden einsetzte, nicht unumstritten. Hatte doch seinerzeit Martin<br />
Luther heftig, deftig und derb gegen die Wallfahrt protestiert und<br />
polemisiert.<br />
Entscheidend für die ökumenische Ausrichtung der Wallfahrt war, dass<br />
man in der Deutung des Heiligen Rocks sich nicht die Frage der<br />
sogenannten Echtheit einließ, die ohnehin nicht beantwortet werden<br />
kann, sondern einen alten Gedanken der Kirchenväter aufgriff. Der<br />
Heilige Rock ist ein Symbol, eine Ikone Christi für das letzte, ungeteilte<br />
Gewand Jesu. Nach Joh 19, 23-24, würfelten die Soldaten um das<br />
Gewand, um es nicht zu zerschneiden, weil es ohne Naht aus einem<br />
Stück gewebt war. Die Kirchenväter deuteten dieses Gewand als<br />
Zeichen für die Einheit der Kirche. Der Präsident des<br />
Einheitssekretariates im Vatikan, Kardinal Koch beklagte, dass, was die<br />
Soldaten sich nicht trauten, die Christen im Laufe der Jahrhunderte<br />
gemacht hätten, den Rock Jesu zu zerteilen, zu zerreißen und sich<br />
gegenseitig zu bekämpfen, anstatt eins zu sein.<br />
Mit Mitgliedern unserer Pfarrei Liebfrauen machten wir uns auf den Weg<br />
nach Trier, schlossen uns der langen, diszipliniert wartenden, ruhigen<br />
und betenden Reihe an, bis wir vor dem altehrwürdigen, aber<br />
keineswegs besonders ansehnlichem Gewand standen. Wir hatten uns<br />
eingereiht in die große, nicht zählbare Pilgerschar, die sich im Laufe der<br />
Jahrhunderte immer wieder auf den Weg gemacht haben, um im<br />
Zeichen des Gewandes mit dem Herrn selbst in Berührung zu kommen.<br />
Der Heilige Rock befand sich in einer Vitrine und erinnerte sofort mit den<br />
ausgebreiteten Ärmeln an ein Kreuz, ohne den über den Querbalken<br />
verlängerten Längsbalken. Also ein großes „T“. Das bräunliche<br />
zerknitterte Kleid ließ bewusst werden: Das Gewand steht für das, was<br />
ein Weihnachtslied sagt: „Dies schönste der menschlichen Kinder ist<br />
Gott, in die Menschheit gekleid’t.“ Es erinnert an das Gewand, das die<br />
blutflüssige Frau in all ihrer Verzweiflung und Angst berührt hat, um<br />
geheilt zu werden, es erinnert an das letzte Hemd, das man Jesus nahm,<br />
um ihn entblößt und bloßgestellt dem Spott und der Verhöhnung der<br />
Menschen auszusetzen. Es erinnert aber auch daran, dass er nicht nur<br />
sein Hemd, sondern sein Leben hin schenkte,, damit wie es im<br />
Johannesevangelium heißt, jeder der an ihn glaubt nicht zugrunde geht,<br />
sondern das ewige Leben hat.<br />
Als ich vor diesem Gewand stand erinnerte ich mich an ein anderes,<br />
ähnliches Gewand, das aussieht wie ein „T“: Das Gewand, der Habit, die<br />
Kutte des hl. Franziskus, die in Assisi, dem Heimatort des Heiligen<br />
gezeigt wird. Allerdings unterscheidet sich dieses Gewand nicht in der<br />
Form, aber im Aussehen. Franz selbst hat zahlreiche Flicken auf das<br />
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Kleid genäht, um es zu reparieren, aber auch, damit durch die vielen aufgesetzten<br />
Stofffetzen das Gewand besser wärmt. Bewusst wählte Franz<br />
die T-Form des Gewandes; denn das „T“, das Tau, wie der Buchstabe im<br />
Griechischen heißt, war sein Zeichen, sein Logo, würde man heute<br />
sagen. Seine Briefe unterzeichnete er mit diesem „T“ und schrieb dieses<br />
Zeichen an Bäume und Wände, weil er immer an den Gekreuzigten<br />
erinnern und sich dem Gekreuzigten immer mehr angleichen wollte. Er<br />
verstand dieses Tau als Schutzzeichen, als Versiegelung vor dem<br />
Gericht Gottes, wie der Prophet Ezechiel angekündigt und die<br />
Offenbarung des Johannes im siebten Kapitel bei der Öffnung des<br />
sechsten Siegels des Buches des Lammes beschreibt. Mit dem Kleid<br />
wollte Franziskus Christus ähnlich werden, ihn gleichsam anziehen, und<br />
indem er das Tau zu seinem Zeichen machte, brachte er zum Ausdruck,<br />
dass das Kreuz das unauslöschliche Siegel ist, das uns gleichsam, wie<br />
die Schrift sagt, auf die Stirn gedrückt ist und uns vor dem Gericht<br />
bewahrt.<br />
Paulus hat ebenfalls das Bild des Anziehen eines Kleides vor Augen,<br />
wenn er sagt dass wir Christus angezogen haben, die wir auf Christus<br />
getauft sind. Wie ein Gewand umhüllt uns Christus, er wird gleichsam für<br />
uns zur zweiten Haut. Wie er sich in die Menschheit kleidete, sind wir mit<br />
Christus bekleidet.<br />
Es entspricht nun dem sakramentalen Denken, der sakramentalen<br />
Auffassung der katholischen Kirche, das Wort der Schrift sakramental,<br />
d.h. zeichenhaft, sinnlich erfahrbar werden zu lassen. Versteht sich doch<br />
die katholische Kirche selbst nach dem 2. Vatikanischen Konzil<br />
gleichsam als Sakrament in Christus. „Die Kirche ist ja in Christus<br />
gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die<br />
innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“<br />
(LG 1)<br />
So hat die Kirche auch dieses Wort des Paulus zeichenhaft umgesetzt,<br />
wenn es nicht sogar schon einem Ritus der paulinischen Gemeinden<br />
entsprach. Jedenfalls ist mindestens seit dem vierten Jahrhundert<br />
bezeugt, dass die Täuflinge sich vor der Taufe ganz entblößen mussten,<br />
um den alten Menschen abzulegen. Nach dem Untertauchen bei der<br />
Taufe bekamen sie dann ein weißes Gewand als Zeichen, dass sie<br />
Christus angezogen haben. Da in der Osternacht getauft wurde, trugen<br />
die Neugetauften dieses Gewand bis zum folgenden Sonntag, dem<br />
Weißen Sonntag, der seinen Namen von dem Ablegen der weißen<br />
Kleider und nicht von der Erstkommunion hat. Allerdings soll das<br />
Kommunionleid, aber auch das weiße Brautkleid oder das weiße<br />
Untergewand, das der Priester unter dem Messgewand trägt, die Albe an<br />
das Taufkleid erinnern. In der Taufliturgie heute wird dem Täufling ein<br />
weißes Kleid angezogen, einem Erwachsenen ein weißer Schal<br />
umgelegt mit den Worten: „In der Taufe bist du eine neue Schöpfung<br />
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geworden und hast – wie die Schrift sagt – Christus angezogen. Das<br />
weiße Gewand sei dir ein Zeichen für diese Würde. Bewahre sie für das<br />
ewige Leben.“<br />
In meiner Familie haben wir ein Taufkleid, das inzwischen die vierte<br />
Generation bei der Taufe als Zeichen der Christusverbundenheit<br />
getragen hat. In dem Kleid wurden schon meine Mutter und ihre<br />
Geschwister getauft, auch meine Geschwister und ich trugen dieses<br />
Kleid nach der Taufe. Die Kinder meiner Schwestern und deren Kinder,<br />
also meine Großnichten und meinen Großneffen haben dieses Kleid<br />
getragen, als ich sie getauft habe.<br />
Das Anziehen des Taufkleides gehört zu den ausdeutenden Riten der<br />
Taufliturgie, wie das Salben mit dem heiligen Chrisam, Olivenöl mit<br />
duftendem Balsam vermischt, das vom Bischof am Gründonnerstag<br />
geweiht wird, Zeichen dafür das der Getaufte Christus dem zum Priester,<br />
König und Propheten Gesalbten angehört, die Überreichung der<br />
Taufkerze, die an der Osterkerze entzündet wird, Zeichen, das der<br />
Täufling von Christus dem Licht der Welt erleuchtet ist und als Kind des<br />
Lichtes leben soll. Der Taufspender berührt dann noch Ohren und Mund<br />
des Täuflings und sagt: Der Herr lasse dich heranwachsen und wie er<br />
mit dem Ruf „Effata“ (Öffne dich) dem Taubstummen die Ohren und<br />
Mund geöffnet hat, öffne er auch dir Ohren und Mund dass du sein Wort<br />
vernimmst und den Glauben bekennst zum Heil der Menschen und zum<br />
Lobe Gottes.<br />
Das alles versteht die katholische Kirche nicht als frommen Brauch,<br />
sondern als sakramentale Entfaltung und Ausdeutung dessen, was die<br />
Taufe, besser was Gott in der Taufe durch das sakramentale Zeichen<br />
bewirkt.<br />
Diese mehrfach und unter verschiedenen Zeichen zum Ausdruck<br />
kommende Verbindung mit Jesus Christus oder das wie Paulus sagt „In<br />
Christus Sein“ als Sohn, als Kind Gottes, bewirkt eine tiefe, eine<br />
sakramentale Verwandlung, bei der weder die religiöse Herkunft Jude<br />
oder Grieche also Heide, der fundamentale soziale Unterschied, Sklave<br />
oder Freier, noch die geschlechtliche Verschiedenheit, Mann oder Frau<br />
eine Rolle spielen.<br />
Die Taufe macht nach Paulus auch die Beschneidung für Christen<br />
überflüssig, da sie über die Zugehörigkeit zu Jesus Christus auch<br />
Nachkommen Abrahams sind.<br />
Der Heilige Rock in Trier macht mir bewusst, dass jeder Getaufte, der<br />
sichtbar symbolisch und/oder unsichtbar geistlich Christus als Gewand<br />
angelegt hat, in Christus ist, darin eins mit ihm und mit allen Getauften<br />
ist. „Im Blick auf die Einheit der Christen ist die Taufe dasjenige<br />
Sakrament, das die Grundlage bildet für die Gemeinschaft aller Christen.<br />
. . . Wenn Christen gemeinsam das Geheimnis und den geistlichen<br />
Reichtum ihrer Taufe wiederentdecken, wächst ihre Nähe zu Christus<br />
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und zueinander, sie werden sich ihrer Zugehörigkeit zum einen Leib<br />
Christi und ihrer gemeinsamen Berufung tiefer bewusst“ (Kardinal Walter<br />
Kasper, „Wegweiser Ökumene und Spiritualität“, Freiburg i. B. 2007, 49)<br />
Jeder, der Christus angezogen hat, kann an der Einheit des Gewandes<br />
weben, kann das Gewand wieder ein Stück weit zusammennähen. Es<br />
wird wie der Habit des heiligen Franziskus wohl noch länger ein<br />
Patchwork-Gewand sein, aber trotz aller Flicken bleibt das Kennzeichen,<br />
das Kreuz ,erkennbar, das uns alle vereint, besser gesagt dass er es ist,<br />
der uns vom Kreuz her in seinen Armen vereinen will: „Und ich, wenn ich<br />
über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.“ Er, den wir in der<br />
Taufe angezogen haben, ist es, der uns alle gemeinsam vom Kreuz her<br />
an sich, an sein Herz zieht.<br />
Deshalb lassen Sie mich mit dem Lied, das einst Präses Peter Beier zur<br />
Heilig-Rock-Wallfahrt 1996 dichtete:<br />
1. Wir wichen aus, dein Wort hält stand.<br />
Am Ende aller Wege sind wir uns selber unbekannt,<br />
wie Fremde fremd im eignen Land.<br />
Den Segen auf uns lege, den Segen auf uns lege<br />
2. Bring uns zurecht und nimm uns mit<br />
vom Abend bis zum Morgen. Du setzt das Maß für Schritt und Tritt,<br />
hältst bei dir fest, was uns entglitt.<br />
Wir brauchen nicht zu sorgen, wir brauchen nicht zu sorgen.<br />
3. Gib Heil und Wohl den Menschen hier.<br />
Mag sein, die Zeit geht böse. Wir sammeln uns im alten Trier,<br />
sind Bettler, bitten für und für:<br />
Vom Bösen uns erlöse, vom Bösen uns erlöse.<br />
4. Der Zwietracht deiner Christenheit setz deine Lieb entgegen.<br />
Herr Christ, und wehr dem schlimmen Streit,<br />
zieh an Dein Herz, was sich entzweit,<br />
so stehen wir im Segen, so stehen wir im Segen.<br />
5. Noch würfeln wir um dein Gewand<br />
Und reißen’s doch in Teile. Treib aus den Augen uns den Sand,<br />
wir gehen ja an deiner Hand,<br />
dein Tag, Herr, kommt in Eile, dein Tag, Herr, kommt in Eile.<br />
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6. Wir ziehn hinauf zur Heilgen Stadt,<br />
schreib auf dein Kreuz die Namen. Brich uns das Brot, wir werden satt<br />
von allem, was dein Friede hat.<br />
Hör uns und sprich das Amen, hör uns und sprich das Amen.<br />
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