Ausgabe 1-2010 - Katholisches Auslandssekretariat
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Allerheiligen<br />
in der Deutschsprachige Katholische Gemeinde<br />
Sankt Marien in Bangkok<br />
Die Messfeier zu Allerheiligen 2009 verlief für<br />
meine Frau und mich in einer ganz anderen Weise<br />
als bisher: Die Zahl der Teilnehmer war kleiner<br />
als sonst in der gewohnten Umgebung der Pfarrei St. Blasius<br />
in Buchenbach (Erzdiözese Freiburg); im Innenraum<br />
der Kapelle hörte man das Geräusch der automatischen<br />
Kühlung, und wir trugen keine wärmende Kleidung, sondern<br />
saßen da in luftigen Sommersachen. So geschehen<br />
in der deutschsprachigen katholischen Kirchengemeinde<br />
St. Marien in Bangkok, in der Kapelle des St.<br />
Louis-Hospitals. Aber dann die Liturgie, die uns so vertraut<br />
war, so dass wir vergaßen, weit von unserer Heimatgemeinde<br />
entfernt zu sein. Vertraut erschien uns<br />
auch, was hier Pfarrer Ernst Kryschak in seiner Predigt<br />
betonte und was wir aus den Allerheiligen-Predigten daheim<br />
kannten: Heilig sein bedeute, zum Dienst am<br />
Nächsten und an der Gemeinschaft berufen zu sein.<br />
Das Verbindliche in der Liturgie und die Tatsache, Kirche<br />
als Weltkirche zu erfahren, ließen uns vergessen, dass<br />
wir uns in der St. Marien-Kapelle tatsächlich in einer Enklave<br />
inmitten einer nichtchristlichen Bevölkerung eines<br />
fremden Landes befanden. Was katholische Kirchenarbeit<br />
im Ausland bedeutet, das erfuhren wir während unseres<br />
mehrwöchigen Aufenthalts in Bangkok nun im Zusammensein<br />
mit Pfarrer Kryschak, den Mitgliedern des<br />
Pfarrgemeinderats und den Personen, die sich aus unterschiedlichen<br />
Gründen länger als wir in der thailändischen<br />
Hauptstadt aufhielten. Wir erfuhren, was es bedeutet,<br />
„der Sehnsucht ein Gewand zu geben.“ Dahinter<br />
steckt harte Arbeit Tag für Tag.<br />
Gewiss, wir hatten über die wachsende Bedeutung der<br />
Auslandsseelsorge in den Publikationen der Deutschen<br />
Bischofskonferenz und anderer Institutionen öfters gelesen,<br />
ohne jedoch die realen Dimensionen dieser Tatsache<br />
zu erfassen. Auch die St. Marien-Gemeinde stützt<br />
sich personell auf temporäre Mitglieder; hierzu gehören<br />
die „Kurzfristigen“, also die Touristen, und die Gruppe<br />
der „Langfristigen“: Diplomaten, Geschäftsleute, Techniker,<br />
Lehrer und Pensionäre, die ihren Lebensabend in<br />
Bangkok genießen. Die wachsende Bedeutung der Auslandsseelsorge,<br />
das wurde in den Gespräche nach den<br />
Gottesdiensten immer wieder betont, und die Globalisierung<br />
befinden sich in engstem Zusammenhang, insbesondere<br />
an einem so bedeutenden touristischen und<br />
wirtschaftlichen Standort wie Bangkok.<br />
Probleme der sozialen Integration in einer fremde Umgebung<br />
und die hohe Fluktuation unter den Gemeindemitgliedern<br />
stellen für den Seelsorger vor Ort eine besondere<br />
Herausforderung dar. Eine Pfarrgemeinde wie die in<br />
der thailändischen Hauptstadt zu führen heißt, in doppelter<br />
Weise tätig zu sein: nach innen zur Pflege der Liturgie<br />
in ihren vielfältigen Formen und feierlichen Anlässen,<br />
nach außen zur Vermittlung christlicher Werte in einen<br />
anderen Kulturkreis hinein. Der Pfarrer als Diplomat<br />
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im Messgewand! Hierzu gehört Fingerspitzengefühl, um<br />
den Dialog zwischen den Kulturen erfolgreich in Gang zu<br />
setzen und krisensicher weiterzuführen.<br />
Sehr schnell haben wir uns davon überzeugen können,<br />
dass die St. Marien-Gemeinde in Führungs- und Trägerschaft<br />
diesen Aufgaben gewachsen ist. Selbst der geringste<br />
Zweifel hätte den vorliegenden Beitrag gar nicht<br />
erst entstehen lassen. Wir hatten den Eindruck, dass<br />
das „ständige Kommen und Gehen“ (Kryschak) das<br />
kirchliche Gemeinschaftserlebnis nicht schwächt. Das<br />
reichhaltige Programm der Pfarrgemeinde steht in einem<br />
verblüffenden Kontrast zu ihrer personellen Basis.<br />
Das deutschsprachige Seelsorgeangebot sieht neben<br />
den regelmäßigen und außerordentlichen liturgischen<br />
Feiern u.a. vor: die „Hinführung zu den Sakramenten“<br />
als notwendige Hilfe zur Sozialisierung im Glauben, die<br />
Beratung in Ehe-, Familien- und anderen Lebensfragen,<br />
die Aussteiger-Betreuung und nicht zuletzt die vielfältige<br />
Kooperation mit den Botschaften der deutschsprachigen<br />
Länder sowie mit der deutschsprachigen katholischen<br />
Schule in Bangkok.<br />
Die Begegnung mit der St. Marien-Gemeinde und ihrem<br />
Pfarrer Ernst Kryschak hat uns, die wir das heimatliche<br />
Seelsorgeangebot oft mit kommentarloser Selbstverständlichkeit<br />
annehmen, den Wunsch der deutschsprachigen<br />
Katholiken im Ausland verständlich gemacht,<br />
sich zumindest einmal wöchentlich in der Muttersprache<br />
verständlich zu machen. Die Seelsorge gewinnt<br />
durch die Muttersprache im Ausland ein größeres Gewicht<br />
als in der gewohnten heimatlichen Umgebung. In<br />
diesem Zusammenhang hat uns die kirchliche Erfahrung<br />
in Bangkok gelehrt, auf die Liturgie in allen ihren Elementen<br />
mit noch größerer Konzentration als bisher daheim<br />
zu reagieren. Das alles verdanken wir der St. Marien-Gemeinde<br />
in Bangkok, die für uns einige Zeit Heimat<br />
geworden ist, als kleines, aber stabiles Element im<br />
breiten Wirkungsbereich des weltkirchlichen Auftrags.<br />
Prof. Dr. Ulrich Kluge<br />
u.kluge2006@web.de