uhren - Auktionen Dr. Crott
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700<br />
Johan Gottfridt Haase, Augustae, Höhe 780 mm, circa 1685<br />
Hochbedeutende, extrem seltene, astronomische<br />
Türmchenuhr - Meisterstück - gefertigt nach dem Kanon<br />
der Augsburger Uhrmacherinnung von 1577: „Eine Uhr<br />
in den Ausmaßen wie bisher, ungefähr eine Spanne hoch,<br />
die Stunden und Viertelstunden schlägt. Sie soll auch<br />
wecken und soll auch das Astrolabium, die Tageslänge, den<br />
Kalender und die Planeten mit ihren Zeichen zeigen. Wenn<br />
der Viertelzeiger gedreht wird, sollen alle Zeiger mitgehen,<br />
außerdem soll sie nach Wahl 12 oder 24 Stunden schlagen.“<br />
Geh.: Bronze, feuervergoldet, eingeschlagene Augsburger<br />
Meistermarken, weit ausladender, ornamentierter, aufwändig mit<br />
Militär-Trophäen und Blattwerk umrankter Sockel. Vier Kanten<br />
mit aufgesetzten, versilberten mythologischen Darstellungen<br />
in Form von Delphinen mit Adlerköpfen, Glockenturm mit zwei<br />
Glocken, eingerahmt mit durchbrochen gearbeiteter, gravierter<br />
und versilberter, floraler Filigranarbeit. Vier profilierte Aufsätze an<br />
den Ecken mit aufgelegten, versilberten, durchbrochen gearbeiteten<br />
Zierelementen, bekrönt mit vergoldeten, durchbrochenen<br />
Obelisken und inneren gedrehten, versilberten Balustern. Zweite<br />
hexagonale Ebene gestützt von 4 Balusterpfeilern, darüber 8<br />
kleinere versilberte Säulen - mythologischen Darstellungen in<br />
Form von Delphinen mit Adlerköpfen - dazwischen 6 vergoldete<br />
Balusteraufsätze, gegenüberliegend 8 vergoldete Reliefs mit<br />
Fruchtdarstellungen. Darüber vergoldete Kuppel in Hochrelief<br />
reich dekoriert mit Blumen und Früchten. Kuppelbekrönung<br />
mit versilbertem Atlas, der mit erhobenen Armen einen sich<br />
drehenden, halbseitig vergoldeten, halbseitig mit Nachthimmel<br />
bemalten und mit Mondalter umlaufend gravierten Mond trägt.<br />
Ziffbl.: Astrolabium Seite: versilbertes Zifferblatt auf dem Prinzip<br />
des Astrolabiums aufbauend mit Bewegungen von Sonne,<br />
Mond und Sternenhimmel. Der Zifferblattfond zeigt das Planisphaerium,<br />
um das sich ein Ziffernring zieht, der in zweimal 12<br />
Stunden aufgeteilt ist und somit das 24 Stunden Zifferblatt<br />
markiert. Ablesemöglichkeit von Auf- und Untergang von Sonne<br />
und Mond und des Azimuth, die Höhe über dem Horizont, die<br />
astrologischen Häuser. Position der Gegensonne. Links unten<br />
Zifferblatt mit Sonntagsbuchstaben. Rechts oben Zifferblatt<br />
für Arretierung des Schlagwerks. Rechts unten Wochentag<br />
und Abbildung seines Tagesregenten. Links oben Zifferblatt für<br />
wahlweise Einstellung auf 12- oder 24-Stundenschlag. Linke<br />
Seite: Zifferblatt für Anzeige des Stundenschlagwerkes. Rechte<br />
Seite: Zifferblatt für Viertelstundenschlag. Pendelseite: zentrales<br />
Zifferblatt für 24h-Anzeige, Sonnenauf- und Untergang, Ablesung<br />
der verschiedenen Tages- und Nachtlängen zu den verschiedenen<br />
Jahreszeiten, Angabe des Datums und des Tagesheiligen. Links<br />
unten Stundenanzeige mit zentraler Weckerscheibe. Rechts unten<br />
Zifferblatt für Angabe des Monats mit Abbildung des jeweiligen<br />
Tierkreiszeichens. Zwei kleinere, aufgesetzte Zifferblätter oben<br />
rechts und links zum Ausgleich des dekorativen Gesamteindrucks.<br />
Alle Zeiger feinst vergoldet, gebläut, graviert oder durchbrochen<br />
gearbeitet.<br />
Werk: hochkompliziertes kreuzförmig angeordnetes, feuervergoldetes<br />
Messingwerk konstruiert in mehreren Ebenen, 4<br />
quadratische, profilierte Ecksäulen, befestigt durch abgeschrägte<br />
Muttern, signiert Johan Gottfridt Haase Augustae auf der<br />
Schlagwerksplatine über durchbrochen gearbeitetem, graviertem<br />
Gesperr, 4 Räderwerke, Kette/Schnecke für Gehwerk-, Stunden-<br />
und Viertelstundenschlag, Federhaus für Wecker, Originalpendel<br />
mit Spindelhemmung.<br />
Dieses bedeutende Meisterstück ist schon immer als die „Quitzin-<br />
Uhr“ bekannt, da Schloss Quitzin die erste Heimat dieses Stückes<br />
war. Die Uhr selbst besitzt eine spannende und faszinierende<br />
Geschichte. Bei den Grafen von Küssow handelte es sich um<br />
eine sehr wohlhabende Familie, die im frühen 17. Jhd. in den<br />
Grafenstand erhoben worden war. Der erste Besitzer der Uhr war<br />
sehr wahrscheinlich Erasmus Ernst Friedrich Graf Küssow, der<br />
die schwedische Gräfin Reinschild heiratete und Kammerherr<br />
des Kurfürsten des Deutschen Reiches sowie Hofrat in Wien<br />
war. Offenbar ein begeisterter Reisender, kaufte der Graf die Uhr<br />
wahrscheinlich auf einer seiner Reisen. Unter den 30 Gütern,<br />
die die Grafen von Küssow ihr Eigen nannten, befand sich ihr<br />
Stammsitz auf Quitzin im Bezirk Grimmen in Mecklenburg-<br />
Vorpommern. Als der Graf 1757 in Wien an der Pest starb, wurde<br />
die Uhr über einige Generationen hinweg an eine Reihe von<br />
Erbinnen vermacht. Während der Invasion durch die Rote Armee<br />
besaß ein Vertrauter der Familie die Geistesgegenwart, die Uhr in<br />
einem Schrank zu verwahren und den Schrank über viele Monate<br />
hinweg in einer Dachkammer des Schlosses zu verstecken.<br />
Nachdem sich die Lage nach der Invasion etwas beruhigt hatte,<br />
wurde der Schrank bei Nacht und Nebel mitsamt der sich darin<br />
befindlichen Uhr in die 24 Kilometer entfernte Stadt Stralsund<br />
gegenüber der Insel Rügen gebracht. Die Uhr wurde an das<br />
dortige Museum ausgeliehen, in der Hoffnung, dass das Stück<br />
so sicher aufgehoben sei. Ohne große Zuversicht, die Uhr oder<br />
ihren Familienbesitz je wiederzusehen war die Familie von Küssow<br />
zwischenzeitlich nach West-Deutschland geflohen. Nachdem sich<br />
die politische Situation in Deutschland geändert hatte, kehrte die<br />
Familie 1990 nach Ost-Deutschland zurück und stellte fest, dass<br />
die Uhr sich noch immer sicher im Stralsunder Museum befand.<br />
100.000 - 180.000 EUR<br />
130.000 - 234.000 USD