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in Bayern - Bayerischer Landesverein für Heimatpflege eV

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Volksmusik<br />

<strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />

Mitteilungsblatt der Volksmusikberatungs- und Forschungsstellen<br />

des Bayerischen Landesvere<strong>in</strong>s <strong>für</strong> <strong>Heimatpflege</strong> e. V.<br />

26. Jahrgang • Heft 2 • München 2009<br />

„Volksmusik – Vorstellungen“<br />

20. Sem<strong>in</strong>ar <strong>für</strong> Volksmusikforschung und -pflege <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> <strong>in</strong> der Bayerischen Musikakademie Schloss Alteglofsheim<br />

vom 30. Januar bis 1. Februar 2009<br />

Im Jahr 1978 lud der Bayerische Landesvere<strong>in</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Heimatpflege</strong> zum ersten Sem<strong>in</strong>ar<br />

<strong>für</strong> Volksmusikforschung und -pflege<br />

und legte damit den Grundste<strong>in</strong> <strong>für</strong> e<strong>in</strong><br />

im deutschsprachigen Raum e<strong>in</strong>zigartiges<br />

Treffen, das sich an Wissenschaftler und<br />

aktiv Praktizierende/Musizierende gleichermaßen<br />

richtet. Dieses Symposium ist<br />

an ke<strong>in</strong>en festen Tagungsort gebunden,<br />

sondern wandert durch alle bayerischen<br />

Bezirke. Seit 1987 f<strong>in</strong>det die anfangs<br />

alljährlich ausgerichtete Sem<strong>in</strong>arreihe<br />

im zweijährigen Turnus statt. Veranstalter<br />

ist der Bayerische Landesvere<strong>in</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>Heimatpflege</strong> e. V. mit unterschiedlichen<br />

Kooperationspartnern.<br />

Thematisch befasst sich die Reihe mit<br />

überregionalen Fragestellungen ebenso<br />

wie mit regionalen Besonderheiten. Die<br />

Themen der letzten Zeit waren: Grenzen<br />

und Entgrenzungen (2007 <strong>in</strong> Vierzehnheiligen/Oberfranken),<br />

Erlebnis Volksmusik<br />

(2005 <strong>in</strong> Isman<strong>in</strong>g/Oberbayern)<br />

oder Wandel der Formen – Wandel der<br />

Interpretationen. Volksmusik <strong>in</strong> Schwaben<br />

und se<strong>in</strong>er Nachbarschaft (2003 <strong>in</strong><br />

Roggenburg/Schwaben).<br />

Das Vorbereitungsteam um Franz Schötz<br />

vom Bayerischen Landesvere<strong>in</strong> <strong>für</strong> <strong>Heimatpflege</strong><br />

e.V. wählte <strong>für</strong> das diesjährige Symposium<br />

das Thema „Volksmusik – Vorstellungen“<br />

und als Tagungsort die Bayerische<br />

Musikakademie Schloss Alteglofsheim im<br />

Landkreis Regensburg. Mitveranstalter<br />

waren diesmal die Forschungsstelle <strong>für</strong><br />

fränkische Volksmusik der Bezirke Mit-<br />

Heidi Christ und Stephanie Heyl<br />

Der Vorsitzende des Bayerischen Landesvere<strong>in</strong>s<br />

<strong>für</strong> <strong>Heimatpflege</strong> e.V., Landtagspräsident<br />

a. D. Johann Böhm, bei der<br />

Eröffnungsveranstaltung des Sem<strong>in</strong>ars<br />

tel-, Ober- und Unterfranken, das Fach<br />

Europäische Ethnologie/Volkskunde an<br />

der Universität Passau sowie das Institut<br />

<strong>für</strong> Volkskunde der Kommission <strong>für</strong> bayerische<br />

Landesgeschichte bei der Bayerischen<br />

Akademie der Wissenschaften,<br />

München mit f<strong>in</strong>anzieller Unterstützung<br />

durch den Freistaat <strong>Bayern</strong>. Die 15 Referent<strong>in</strong>nen<br />

und Referenten kamen aus<br />

der Schweiz, aus Österreich und <strong>Bayern</strong>,<br />

unter ihnen Volksmusikforscher, Musik-<br />

wissenschaftler, Historiker, Volkskundler,<br />

Hauptamtliche der Volksmusikpflege,<br />

Vertreter des Bayerischen Rundfunks und<br />

von Vere<strong>in</strong>en sowie praktizierende (Volks)<br />

Musikant<strong>in</strong>nen und Musikanten.<br />

Themenstellung<br />

Volksmusik steht im Spannungsfeld von<br />

e<strong>in</strong>heitlicher Kraft und e<strong>in</strong>em dynamischen<br />

Feld vielstimmiger Me<strong>in</strong>ungsgruppen;<br />

sie ist geprägt von weltanschaulichen,<br />

pädagogischen, klanglichen oder anderen<br />

Vorstellungen, die als Modeersche<strong>in</strong>ung<br />

erheblichen E<strong>in</strong>fluss auf diese Musikrichtung<br />

haben. Der jeweils herrschende<br />

„Zeitgeist“ ist mitbestimmend <strong>für</strong> die Auswahlkriterien<br />

von Liedern, Musikstücken<br />

und Tänzen, von Instrumenten, Texten,<br />

Melodiegestalt, Satztechnik, Klanggestalt,<br />

Bewegungsablauf und vielem mehr.<br />

Jubiläum e<strong>in</strong>er Sem<strong>in</strong>arreihe<br />

Johann Böhm, Präsident des Bayerischen<br />

Landtages a.D. und Vorsitzender des<br />

Bayerischen Landesvere<strong>in</strong>s <strong>für</strong> <strong>Heimatpflege</strong>,<br />

eröffnete am 30. Januar 2009 im<br />

Schloss Alteglofsheim das 20. Sem<strong>in</strong>ar<br />

<strong>für</strong> Volksmusikforschung und -pflege <strong>in</strong><br />

<strong>Bayern</strong>, zusammen mit Margit Wild, MdL,<br />

Prof. Daniel Drascek von der Universität<br />

Regensburg und Direktor des Instituts<br />

<strong>für</strong> Volkskunde der Kommission <strong>für</strong><br />

Volksmusik <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> 26 (2009), Heft 2 17


Frau Margit Wild, MdL, stellte <strong>in</strong> ihrem<br />

Grußwort ihre ganz persönliche Verb<strong>in</strong>dung<br />

zur Musik dar<br />

bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen<br />

Akademie der Wissenschaften,<br />

Norbert Hartl, Bezirkstagsvizepräsident der<br />

Oberpfalz, sowie dem 2. Bürgermeister<br />

der Geme<strong>in</strong>de Alteglofsheim, Herbert<br />

Heid<strong>in</strong>gsfelder.<br />

Johann Böhm blickte auf die Sem<strong>in</strong>arreihe<br />

zurück, die 1978 <strong>in</strong> Herrsch<strong>in</strong>g a. Ammersee<br />

mit dem Thema „Grundsätzliche<br />

Probleme, gegenwärtige Situation, vordr<strong>in</strong>gliche<br />

Aufgaben“ begonnen hatte und<br />

<strong>in</strong> den Folgejahren nache<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> den<br />

sieben bayerischen Regierungsbezirken<br />

Station gemacht hatte. Wichtige Grundlagen<br />

<strong>für</strong> die Vorbereitung der jeweiligen<br />

Themen stellten dabei die Exkursionen des<br />

Instituts <strong>für</strong> Volkskunde unter der Leitung<br />

von Wolfgang A. Mayer, zusammen mit<br />

Mitarbeitern anderer E<strong>in</strong>richtungen und<br />

Studenten, sowie die Aufarbeitung von<br />

Archivquellen dar. Nach Abschluss der<br />

ersten Staffel im Jahresrhythmus standen<br />

ab 1987 im zweijährigen Turnus übergreifende<br />

Sachthemen im Mittelpunkt.<br />

Im Lauf der letzten 31 Jahre bzw. der 19<br />

bisher stattgefundenen Sem<strong>in</strong>are hat sich<br />

der Blick auf die Volksmusik und vor allem<br />

auch auf die Frage ihrer Überlieferung sehr<br />

gewandelt. Es ist nicht mehr alle<strong>in</strong> der<br />

musikalische Text, der im Mittelpunkt des Interesses<br />

steht. Vielmehr bezieht man heute<br />

auch den Kontext e<strong>in</strong>, die konkrete Funktion<br />

e<strong>in</strong>es Liedes oder Musikstücks im kulturellen<br />

Umfeld, im Brauch und im Verhältnis zu den<br />

Bezugsgruppen. Die Sem<strong>in</strong>arreihe hat von<br />

Anfang an versucht, diese Entwicklungen<br />

zu berücksichtigen, <strong>in</strong>dem sie die Realität<br />

des Musiklebens und nicht die Theorie als<br />

Ausgangspunkt genommen hat.<br />

Von ihrer ganz persönlichen musikalischen<br />

Sozialisation sprach Margit Wild <strong>in</strong> ihrem<br />

Grußwort. Sie betonte die Bedeutung<br />

des auditiven Gedächtnisses, das stärker<br />

ausgeprägt ist als das visuelle.<br />

Daniel Drascek verwies auf die enge Zusammenarbeit<br />

zwischen dem Institut <strong>für</strong><br />

Volkskunde und dem Bayerischen Landesvere<strong>in</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Heimatpflege</strong>, die durch die<br />

geme<strong>in</strong>sam getragene Sem<strong>in</strong>arreihe gewachsen<br />

ist. Er hoffe auf e<strong>in</strong>e Fortsetzung<br />

dieser überaus fruchtbaren Kooperation,<br />

<strong>in</strong> der e<strong>in</strong> problemorientierter und gegenwartsbezogener<br />

Umgang mit allen Themen<br />

der Volksmusik gepflegt werden soll.<br />

Bezirkstagsvizepräsident Norbert Hartl<br />

und der 2. Bürgermeister Herbert Heid<strong>in</strong>gsfelder<br />

begrüßten sowohl als Politiker<br />

wie auch als Vertreter ihrer Region die<br />

Sem<strong>in</strong>arteilnehmer<strong>in</strong>nen und -teilnehmer<br />

von nah und fern und wünschten dem<br />

Symposium e<strong>in</strong>en guten Verlauf und allen<br />

Beteiligten e<strong>in</strong>en angenehmen Aufenthalt<br />

<strong>in</strong> der südlichen Oberpfalz.<br />

Von der Melodie zum Klang – Wandel<br />

der auditiven Wahrnehmung<br />

Die Vortragsreihe eröffnete Dr. Dieter<br />

R<strong>in</strong>gli, Musikethnologe an der Züricher<br />

Hochschule der Künste, mit se<strong>in</strong>em Beitrag<br />

„Das Lied im medialen Kontext“.<br />

Dr. Dieter R<strong>in</strong>gli, Musikethnologe an der<br />

Züricher Hochschule der Künste eröffnete<br />

die Vortragsreihe<br />

Sehr beliebt, vor allem unter jugendlichen<br />

Mädchen, aber auch als Party-Spiel unter<br />

Erwachsenen, ist das S<strong>in</strong>gen mit der Playstation<br />

S<strong>in</strong>gstar. Bei diesem Karaoke-Spiel<br />

s<strong>in</strong>gen die Mitspieler bekannte Rock- oder<br />

Popsongs nach. Je besser die Nachahmung<br />

der Melodie gel<strong>in</strong>gt, desto höher ist die<br />

Punktzahl, die man bekommt. Eigene<br />

Interpretation h<strong>in</strong>gegen verschlechtert das<br />

Ergebnis, das sich an Tonhöhe und Tondauer<br />

orientiert, den beiden Parametern, die<br />

<strong>in</strong> der westlichen Musik die musikalische<br />

Struktur bilden.<br />

Unsere auditive Wahrnehmung beg<strong>in</strong>nt<br />

sich zu ändern. Wir nehmen Musik immer<br />

mehr über den Sound, die Klanglichkeit,<br />

wahr. An mehreren Musikbeispielen<br />

zeigte R<strong>in</strong>gli auf, dass e<strong>in</strong>e Veränderung<br />

alle<strong>in</strong> des Klangs ausreicht, um bekannte<br />

Melodien unkenntlich zu machen. Die<br />

Grenzen zwischen Musikhören und selber<br />

Musizieren s<strong>in</strong>d fließend. Lieder mit hohem<br />

Bekanntheitsgrad werden unterschiedlich<br />

genutzt: Es gibt Lieder, die nur gehört und<br />

mitgesungen werden, andere eignen sich<br />

auch zum S<strong>in</strong>gen unabhängig von Tonträgern.<br />

Selbstständig gesungen werden jene<br />

Lieder, deren Sound sich mit e<strong>in</strong>fachen<br />

Mitteln reproduzieren lässt. Das Lied als<br />

aufschreibbare Vorlage und def<strong>in</strong>iert<br />

durch Tonhöhe und Tondauer verliert gegenüber<br />

der aufnehmbaren Klanglichkeit<br />

allerd<strong>in</strong>gs zunehmend an Bedeutung. Die<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der musikalischen<br />

Überlieferung f<strong>in</strong>det primär auf der Ebene<br />

des Sounds statt, und zwar <strong>in</strong> Form von<br />

Cover-Versionen, Sampl<strong>in</strong>g oder Remix,<br />

e<strong>in</strong>e moderne Art des „Ums<strong>in</strong>gens“, auch<br />

wenn Melodie und Text kaum verändert<br />

werden. Der Traditionsbezug ergibt sich<br />

aus der klanglichen Neugestaltung bestehender<br />

Lieder. Sie s<strong>in</strong>d somit nach wie vor<br />

e<strong>in</strong>e höchst lebendige Gattung, die sich<br />

auch mit den Mitteln und Möglichkeiten<br />

der heutigen Praxis weitertradieren lassen.<br />

Mediale Musikvermittlung und alltägliche<br />

Musizierpraxis bilden ke<strong>in</strong>e Gegensätze.<br />

Im Gegenteil: Sie setzen neue Kräfte frei.<br />

Politische Weltanschauung und musikalische<br />

Volkskultur<br />

Völkisch<br />

Privat-Dozent Dr. Uwe Puschner musste<br />

se<strong>in</strong>e Teilnahme wegen Krankheit absagen.<br />

Se<strong>in</strong> Beitrag „Die völkische Bewegung und<br />

Weltanschauung“ lag <strong>in</strong> Manuskriptform<br />

vor und konnte somit vorgetragen werden.<br />

Puschner lehrt Neuere Geschichte<br />

am Friedrich-Me<strong>in</strong>ecke-Institut der Freien<br />

Universität Berl<strong>in</strong>. Er beschäftigt sich vor<br />

allem mit der völkischen Bewegung und<br />

ist Mitherausgeber des Handbuchs zur<br />

völkischen Bewegung 1871−1918.<br />

Mit dem Wort „völkisch“ versuchte man<br />

<strong>in</strong> den 1870er Jahren, das late<strong>in</strong>ischstämmige<br />

„national“ zu verdeutschen.<br />

In der Zwischenkriegszeit wurde der<br />

Begriff dann zum programmatischen<br />

Schlagwort unterschiedlichster politischer<br />

Kräfte. Hitler war zwar bemüht,<br />

die nationalsozialistische Bewegung von<br />

der völkischen abzugrenzen und den<br />

Nationalsozialismus als neue dynamische<br />

Kraft des Rechtsextremismus zu profilieren.<br />

Trotzdem wurde „völkisch“ nach<br />

1933 zum meistgebrauchten Begriff im<br />

Zusammenhang mit der nationalsozialistischen<br />

Weltanschauung. „Völkisch“ und<br />

„nationalsozialistisch“ werden seither<br />

meist synonym gebraucht.<br />

Die völkische Weltanschauung konnte nie<br />

als e<strong>in</strong>heitliche, systematische und <strong>für</strong> die<br />

Bewegung allgeme<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dliche Ideologie<br />

formuliert werden. Das liegt unter<br />

anderem an der heterogenen Struktur<br />

der völkischen Bewegung, e<strong>in</strong>em losen<br />

Netzwerk völkischer Vere<strong>in</strong>igungen. Sie<br />

war e<strong>in</strong>e organisatorisch wie <strong>in</strong> ihren<br />

Anliegen vielgestaltige und häufig rivalisierende<br />

Gruppe.<br />

Charakteristisch <strong>für</strong> die völkische Bewegung<br />

s<strong>in</strong>d die verschiedenen, sich<br />

teils überlappenden, schwerpunktmäßig<br />

antisemitisch, (lebens)reformerisch, eugenisch/rassenhygienisch,<br />

kulturell und religiös<br />

ausgerichteten Weltanschauungen.<br />

Ihre Anhänger kamen meist aus dem Mittelstand<br />

und zeigten oft großes Interesse<br />

an wissenschaftlichen Diszipl<strong>in</strong>en wie<br />

Vor- und Frühgeschichte, Volkskunde oder<br />

Altgermanistik/Skand<strong>in</strong>avistik.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg und den<br />

damit verbundenen politischen Auswirkungen<br />

(Niederlage, die harten Friedensbed<strong>in</strong>gungen,<br />

Zusammenbruch der<br />

Monarchien, Weimarer Republik) ist e<strong>in</strong><br />

starker Anstieg der Zahl völkischer Organisationen<br />

und Anhänger zu verzeichnen.<br />

Ab Mitte der 1920er Jahre wurde die völkische<br />

Bewegung aber zunehmend vom<br />

ideologisch nahe stehenden Nationalsozialismus<br />

<strong>in</strong>s politische Abseits manövriert.<br />

Völkische Denktraditionen f<strong>in</strong>den sich<br />

heute im <strong>in</strong>ternationalen Rechtsextremismus,<br />

<strong>in</strong> alternativen Bewegungen<br />

und Subkulturen wie Esoterik, New<br />

Age, Fantasy-Literatur und Gothic, <strong>in</strong><br />

Musikrichtungen wie Black und Pagan,<br />

Metal und Neofolk oder <strong>in</strong> der pseudowissenschaftlichen<br />

Runenhaustheorie, der<br />

zufolge sich im Fachwerk beliebiger Häuser<br />

Runen erkennen und als verborgene<br />

Botschaften verme<strong>in</strong>tlich germanischer<br />

Ahnen deuten lassen.<br />

Die völkische Weltanschauung als Ersatzreligion<br />

lehnt liberale und kosmopolitische<br />

Werte ab. Sie strebt e<strong>in</strong>e ständisch organisierte<br />

und religiös fundierte Gesellschaft<br />

mit e<strong>in</strong>em germanenideologischen Wertesystem,<br />

e<strong>in</strong>en „Rassestaat“ oder e<strong>in</strong>en<br />

pangermanischen Staatenbund an.<br />

Deutschnational<br />

Dr. Iris Mochar-Kircher vom Wiener Volksliedwerk,<br />

die über „Das echte deutsche<br />

Volkslied. Josef Pommer (1845-1918) –<br />

Politik und nationale Kultur“ promovierte,<br />

g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> ihrem Vortrag „Das Image des<br />

echten Volkslieds bei Josef Pommer“ der<br />

Frage nach, ob das „echte“ Volkslied <strong>in</strong><br />

Pommers Verständnis das Konstrukt e<strong>in</strong>er<br />

deutschnationalen Ges<strong>in</strong>nung ist oder ob<br />

es sich durch e<strong>in</strong>e idealistische Perspektive<br />

def<strong>in</strong>iert.<br />

Dr. Iris Mochar-Kircher vom Wiener<br />

Volksliedwerk g<strong>in</strong>g der Frage nach, ob<br />

das „echte“ Volkslied Konstrukt e<strong>in</strong>er<br />

deutschnationalen Ges<strong>in</strong>nung ist<br />

Pommer wird als der Begründer der<br />

Volksmusikpflege und der systematischen<br />

Volksmusikforschung <strong>in</strong> Österreich angesehen<br />

und gilt als (ideeller) Gründer der österreichischen<br />

Volksliedarchive. Er wuchs<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em national-liberal ges<strong>in</strong>nten Elternhaus<br />

auf und verbrachte den Großteil<br />

se<strong>in</strong>er Jugend <strong>in</strong> der gemischtsprachigen<br />

deutsch-slowenischen Bezirksstadt Cilli<br />

<strong>in</strong> der damaligen Untersteiermark.<br />

1864 g<strong>in</strong>g er zum Studium nach Wien,<br />

wurde 1865 Mitglied der schlagenden<br />

Burschenschaft „Silesia“, e<strong>in</strong>er extremen<br />

deutschnationalen Verb<strong>in</strong>dung, die e<strong>in</strong>e<br />

Vere<strong>in</strong>igung Österreichs mit dem Deutschen<br />

Kaiserreich anstrebte. Pommers<br />

Vorbilder waren Otto von Bismarck, Kaiser<br />

Wilhelm I. und Helmuth von Moltke; nach<br />

ihnen nannte er auch se<strong>in</strong>e drei Söhne<br />

Otto, Wilhelm und Helmuth. Zusammen<br />

mit Gleichges<strong>in</strong>nten gründete Pommer<br />

1880 den „Deutschen Schulvere<strong>in</strong> zur<br />

Unterstützung deutscher Schulen an<br />

den Sprachgrenzen“. 1884 erschien se<strong>in</strong><br />

erstes „Liederbuch <strong>für</strong> die Deutschen <strong>in</strong><br />

Österreich“. Im gleichen Jahr schloss sich<br />

Pommer der extremistischen Politik Georg<br />

Ritter von Schönerers an, dem Mitbegründer<br />

des Deutschen Schulvere<strong>in</strong>s, der<br />

von e<strong>in</strong>em „Alldeutschtum“ <strong>in</strong> Österreich<br />

träumte. 1886 verließen beide den Vere<strong>in</strong><br />

und Pommer trat dem von Schönerer neu<br />

gegründeten „Schulvere<strong>in</strong> <strong>für</strong> Deutsche“<br />

bei. Pommer gehörte zur den Begründern<br />

des „Deutschen Volksblatts“ und war ab<br />

1897 Anhänger der deutsch-nationalen<br />

„Los-von-Rom-Bewegung“, die e<strong>in</strong>e<br />

enge politische Anb<strong>in</strong>dung Österreichs<br />

an das Deutsche Reich anstrebte. 1899<br />

begründete Pommer die Fachzeitschrift<br />

„Das deutsche Volkslied“ mit dem Ziel,<br />

die Kenntnis des „echten“ deutschen<br />

Volkslieds vermitteln und se<strong>in</strong>e sachverständige<br />

Pflege fördern zu wollen. Für<br />

Pommer war das Volkslied e<strong>in</strong> geeignetes<br />

Ausdrucksmittel e<strong>in</strong>er konstruierten oder<br />

imag<strong>in</strong>ierten Nation.<br />

Nationalsozialistisch<br />

Die Volksmusikpflege <strong>in</strong> den ostmärkischen<br />

Gauausschüssen (1938−1945)<br />

war das Thema des Beitrags von Ass.-<br />

Prof. Dr. Thomas Nußbaumer, Musikwissenschaftler,<br />

Musikethnologe und<br />

Leiter der Musikalischen Volkskunde<br />

am Innsbrucker Sitz der Universität<br />

Mozarteum Salzburg.<br />

Wie ke<strong>in</strong>e andere Musikgattung läuft die<br />

Volksmusik Gefahr, politisch vere<strong>in</strong>nahmt<br />

zu werden. Nach nationalsozialistischem<br />

Verständnis war Volksmusik e<strong>in</strong> geschichtsloses,<br />

auf rassischen Urkräften<br />

beruhendes Kont<strong>in</strong>uum, die sich gut als<br />

ideologiebildende Kraft eignet.<br />

Volksmusikforscher wie Karl Horak haben<br />

ihr Material schon vor dem „Anschluss“<br />

Österreichs bevorzugt den reichsdeutschen<br />

Institutionen angeboten, denn<br />

<strong>in</strong> ihren Augen waren die Voraussetzungen<br />

im nationalsozialistisch regierten<br />

Deutschland, wo man der Volkskultur<br />

hohe politische Relevanz zuschrieb,<br />

günstiger.<br />

Nach dem Anschluss Österreichs 1938<br />

wurde das „Österreichische Volkslied-Unternehmen“<br />

<strong>in</strong> „Ostmärkisches<br />

Ass.-Prof. Dr. Thomas Nußbaumer von<br />

der Universität Mozarteum Salzburg referierte<br />

über die Volksmusikpflege <strong>in</strong> den<br />

ostmärkischen Gauausschüssen<br />

18 Volksmusik <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> 26 (2009), Heft 2 Volksmusik <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> 26 (2009), Heft 2 19


Die Bayerische Musikakademie Schloss Alteglofsheim war Tagungsort des 20. Sem<strong>in</strong>ars<br />

<strong>für</strong> Volksmusikforschung und -pflege<br />

Volkslied-Unternehmen“ unbenannt und<br />

mit neuen Aufgaben betraut. Im Vordergrund<br />

standen die Überlieferung und<br />

Nutzbarmachung von Volksmusik im S<strong>in</strong>ne<br />

des nationalsozialistischen Gedankenguts.<br />

Die Mitarbeiter mussten neben ihrer politischen<br />

und weltanschaulichen E<strong>in</strong>stellung<br />

auch über wissenschaftliche Kenntnisse<br />

verfügen. 1939 wurde das ostmärkische<br />

Volkslied-Unternehmen aufgelöst; es kam<br />

zur Gründung von sechs vone<strong>in</strong>ander<br />

unabhängigen Gauausschüssen, die organisatorisch<br />

der jeweiligen Gauselbstverwaltung<br />

unterstellt waren, weltanschaulich<br />

zur Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>für</strong> deutsche<br />

Volkskunde im Amt Rosenberg gehörten<br />

und fachlich zur Abteilung Volksmusik<br />

des staatlichen Instituts <strong>für</strong> deutsche Musikforschung<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Damit waren die<br />

politischen, wissenschaftlichen und pflegerischen<br />

Interessen mite<strong>in</strong>ander verzahnt.<br />

Alfred Quellmalz entwarf die Richtl<strong>in</strong>ien<br />

<strong>für</strong> die Gauarchive mit reichse<strong>in</strong>heitlichen<br />

Kriterien. Die Gauarchive entwickelten<br />

sich zu Zentren volksmusikpflegerischer<br />

Aktivitäten, da die Verantwortlichen oft<br />

auch andere Funktionen <strong>in</strong>nehatten.<br />

Franz Vogel vom Gauausschuss Wien-<br />

Niederdonau stellte reichsallgeme<strong>in</strong>e und<br />

ostmärkische Tänze als verb<strong>in</strong>dlich <strong>für</strong> das<br />

ganze Reich zusammen und entwickelte<br />

16 Volkstanz-Grundformen als Basis <strong>für</strong><br />

die Volkstanzpflege.<br />

Auch Salzburg war e<strong>in</strong> Musterfall <strong>für</strong> die<br />

ideologisch geprägte Volksmusikpflege.<br />

Der Volksmusik-Enthusiast Tobi Reiser<br />

konnte se<strong>in</strong>e bislang <strong>in</strong> der Freizeit ausgeübte<br />

musikalische Leidenschaft nun als<br />

Beauftragter <strong>für</strong> Volksmusik <strong>in</strong> Salzburg<br />

beruflich verwirklichen.<br />

Das politische Verhalten der Mitarbeiter<br />

<strong>in</strong> den Gauausschüssen reicht von neutraler<br />

Unauffälligkeit bis zu exponierter,<br />

begeisterter Mitwirkung bei propagandistischen<br />

Anlässen. Trotz zunehmender<br />

Politisierung und Ideologisierung s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong><br />

den ostmärkischen Gauen tätigen Volksmusikforscher<br />

und -pfleger nicht pauschal als<br />

„Nazis“ zu bezeichnen. Nach 1945 haben<br />

prägende Personen der Volksmusikpflege<br />

e<strong>in</strong>e Aufarbeitung ihrer Rolle <strong>in</strong> der NS-Zeit<br />

weitgehend vermieden. Das führte dazu,<br />

dass noch <strong>in</strong> den 1970er Jahren Volksmusik<br />

als „Nazi-Musik“ bezeichnet wurde. Erst<br />

seit Mitte der 1980er Jahre wird Volksmusik<br />

wieder zunehmend ideologiefrei gesehen.<br />

Kont<strong>in</strong>uität oder Neuanfang?<br />

Mit der Frage von Kont<strong>in</strong>uität, Umdeutungen<br />

oder Neuanfängen <strong>in</strong> der Volksmusikpflege<br />

nach 1945 befasste sich Dr.<br />

Arm<strong>in</strong> Griebel, Leiter der Forschungsstelle<br />

<strong>für</strong> fränkische Volksmusik der Bezirke Mittel-,<br />

Ober- und Unterfranken, Uffenheim,<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Beitrag „Vom ‚Volkstumskampf‘<br />

zur Volksmusikpflege“.<br />

Der Begriff „Volkstum“, entstanden um<br />

1810 als deutsches Äquivalent zu „Nationalität“,<br />

ist aus unserem Wortschatz<br />

wegen se<strong>in</strong>er nationalsozialistischen Vere<strong>in</strong>nahmung<br />

nahezu verschwunden. Man<br />

begegnet ihm allenfalls noch im Zusammenhang<br />

mit der Geschichtsschreibung<br />

der Vertriebenen. Tracht, Lied und Brauch<br />

waren geeignete Mittel zur Demonstration<br />

völkischen Bekenntnisses. Walther Hensel<br />

bezeichnete <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Volksliedkunde von<br />

1944 das Liedgut, das aus der Vorzeit<br />

e<strong>in</strong>es Volkes stammt, als „scharf geschliffene<br />

Waffe“. Am Beispiel der Tanzgruppe<br />

des Sennfelder Trachtenvere<strong>in</strong>s zeichnete<br />

Griebel die Entwicklung e<strong>in</strong>er Gruppe<br />

der Heimatbewegung vom Nationalsozialismus<br />

bis heute auf. Wichtige Quelle<br />

ist das Protokollbuch des Vere<strong>in</strong>s, das der<br />

Forschungsstelle <strong>für</strong> fränkische Volksmusik<br />

<strong>in</strong> Kopie übergeben wurde. Seit Ende des<br />

Dreißigjährigen Kriegs, als die beiden Dörfer<br />

Sennfeld und Gochsheim (Landkreis<br />

Schwe<strong>in</strong>furt) ihre Reichsfreiheit wieder<br />

erlangt hatten, pflegten beide den so<br />

genannten Plantanz, e<strong>in</strong>en Schautanz. In<br />

Sennfeld liegt diese Aufgabe heute <strong>in</strong> der<br />

Verantwortung des örtlichen Trachtenvere<strong>in</strong>s,<br />

der 1922 gegründet wurde. Anlass <strong>für</strong><br />

die Gründung war die „Deutsche Trachtenschau“<br />

<strong>in</strong> Nürnberg, e<strong>in</strong>e „vaterländische“<br />

Veranstaltung im Rahmen des „Deutschen<br />

Landwirtschaftsfestes“, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, als<br />

Tracht zum nationalen Symbol erhoben<br />

wurde und sich zum Ausdrucksmittel e<strong>in</strong>er<br />

Volkszugehörigkeit entwickelte, die den<br />

Zusammenschluss nach <strong>in</strong>nen und die<br />

Abgrenzung nach außen demonstrieren<br />

wollte. Dieses national aufgeladene, identitätsstiftende<br />

Element des Trachtenwesens<br />

spielte bei den Trachtenvere<strong>in</strong>en erst<br />

nach dem Ersten Weltkrieg e<strong>in</strong>e tragende<br />

Rolle. Die ersten Vere<strong>in</strong>e des späten 19.<br />

Jahrhunderts hatten ihre Wurzeln <strong>in</strong> den<br />

großstädtischen Geselligkeitsvere<strong>in</strong>en, die<br />

oft sozialdemokratisch geprägt waren und<br />

bei denen die Trachtenpflege nicht im Vordergrund<br />

stand.<br />

Die Tanzgruppe des Sennfelder Trachtenvere<strong>in</strong>s<br />

wurde zur Vorzeigegruppe der<br />

nationalsozialistischen Organisation „Kraft<br />

durch Freude“ und war oft bei den Parteitagen<br />

<strong>in</strong> Nürnberg und bei KdF-Tagungen <strong>in</strong><br />

Hamburg dabei. Die Gruppe reiste auch <strong>in</strong>s<br />

Ausland und vertrat damit nicht nur Ma<strong>in</strong>franken<br />

sondern ganz Deutschland. Heute<br />

weiß man <strong>in</strong> Sennfeld und Gochsheim kaum<br />

etwas über die Bedeutung, die der Trachtenvere<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> der Zeit des Nationalsozialismus<br />

gespielt hat. Griebel mahnte an dieser Stelle<br />

e<strong>in</strong>en grundsätzlich sensiblen Umgang mit<br />

anvertrautem Quellenmaterial an.<br />

Nachwirkungen aus den 1930er Jahren?<br />

Der Bezirksheimatpfleger von Niederbayern,<br />

Dr. Maximilian Seefelder, sprach über<br />

„Volksmusik und Ideologie – Nachwirkungen<br />

aus den 1930er Jahren.“<br />

Seit den 1930er Jahren wird Volksmusik<br />

öffentlich wahrnehmbar gepflegt. Nach<br />

1945 gab es <strong>in</strong> der Volksmusikpflege ke<strong>in</strong>en<br />

wirklichen Neuanfang, e<strong>in</strong>schlägige<br />

Ideologien wirken bis heute nach. Das ist<br />

vielen Volksmusikliebhabern und Vere<strong>in</strong>en<br />

der traditionellen Kulturpflege nicht bewusst.<br />

Die Kultur- und <strong>Heimatpflege</strong> wird<br />

von zwei Säulen getragen, von „Profis“<br />

wie Denkmalpflegern, Restauratoren,<br />

Historikern oder Kunst- und Kulturwissenschaftlern,<br />

die mit der Geschichte und den<br />

Methoden ihres Fachs vertraut s<strong>in</strong>d und<br />

neben Motivation und Engagement auch<br />

die notwendige Reflexion ihres Handelns<br />

beherrschen. Die andere Säule bilden die<br />

vielen Menschen, die sich <strong>in</strong> ihrer Freizeit<br />

<strong>für</strong> e<strong>in</strong> bestimmtes Kultursegment wie<br />

Volksmusik, Laienschauspiel, Mundartliteratur<br />

oder Trachten <strong>in</strong>teressieren und<br />

engagieren.Inhaltliche Diskussionen<br />

verlaufen zwischen den beiden Gruppen<br />

oft wenig sachlich, manchmal emotional,<br />

besonders <strong>in</strong> der Volksmusikpflege<br />

und <strong>in</strong> der Trachtenbewegung. Dah<strong>in</strong>ter<br />

steckt e<strong>in</strong>e Kultur- oder Heimatideologie,<br />

die ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert hat<br />

und <strong>in</strong> den 1930er Jahren ihre „totalitäre<br />

Trimmung“ erhielt. Ideologien zeichnen<br />

sich durch fest gefügte Weltbilder und<br />

mangelnde Objektivität aus, erheben e<strong>in</strong>en<br />

unangemessenen Wahrheitsanspruch<br />

und urteilen stereotyp bis h<strong>in</strong> zu Formen<br />

der kompromisslosen Auslegung von<br />

Ideologien, die <strong>in</strong> Fundamentalismus und<br />

Fanatismus münden.<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne betrachtet Seefelder die<br />

Volksmusikpflege als ideologische Bewegung,<br />

deren „Erf<strong>in</strong>der“ Johann Gottfried<br />

Herder (1744−1803) e<strong>in</strong> Idealkonstrukt<br />

geschaffen hat mit se<strong>in</strong>er Def<strong>in</strong>ition des<br />

Volksliedbegriffs und se<strong>in</strong>en Wesensmerkmalen<br />

„Schönheit, Alter und allgeme<strong>in</strong>e<br />

Verbreitung“. Auch die Heimatschutzbewegung<br />

des ausgehenden 19.<br />

Jahrhunderts und die Jugendbewegung<br />

des frühen 20. Jahrhunderts waren von<br />

Ideologien geprägt. Gerade Letztere hat<br />

die Volksmusikpflege maßgeblich bee<strong>in</strong>flusst<br />

als „geme<strong>in</strong>schaftsbildende Kraft<br />

zur Erneuerung des deutschen Volkes“.<br />

Kurt Huber sah im Volkslied e<strong>in</strong>e eigenschöpferische<br />

Leistung des Volkes mit<br />

eigenen Formen und dem „ihm gemäßen<br />

seelisch-geistigen Ausdruck“: Das „wahre“<br />

Volkslied ist a priori als gut anzusehen<br />

und das S<strong>in</strong>gen solcher Lieder als gutes<br />

Handeln. Hubers Volkslied-Vorstellung<br />

steht im Gegensatz zur damals aktuellen<br />

„Zers<strong>in</strong>g- oder Ums<strong>in</strong>gtheorie“ der Freiburger<br />

Schule um John Meier.<br />

Seefelder forderte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Vortrag, die<br />

zeitgemäße Volksmusikpflege <strong>in</strong> ihrem<br />

Selbstverständnis nicht exklusiv <strong>für</strong> kle<strong>in</strong>e<br />

Zirkel auszurichten, sondern <strong>in</strong>teressant<br />

<strong>für</strong> größere Teile der Bevölkerung zu<br />

gestalten: weltoffen, ohne Abgrenzung,<br />

Diffamierung oder Ausgrenzung.<br />

Die Anfänge des Zwieseler F<strong>in</strong>k<br />

Privatdozent Dr. Manfred Seifert vom<br />

Institut <strong>für</strong> sächsische Geschichte und<br />

Volkskunde <strong>in</strong> Dresden berichtete über<br />

erste Untersuchungen zu den Anfängen<br />

des ältesten bayerischen Volksmusikwettbewerbes<br />

„Zwieseler F<strong>in</strong>k“. Initiator<br />

der Veranstaltung im Jahr 1939 war Paul<br />

Friedl (vulgo Baumsteftnlenz). Seifert<br />

sprach im H<strong>in</strong>blick auf Friedls politische<br />

E<strong>in</strong>stellung von Kontaktmetamorphosen.<br />

Der „Zwieseler F<strong>in</strong>k“ wurde durch<br />

die Nähe zu NS-Organisationsstrukturen<br />

Franz Schötz von der Volksmusikstelle <strong>für</strong><br />

Niederbayern und Oberpfalz: verantwortlich<br />

<strong>für</strong> Organisation und Durchführung<br />

des Sem<strong>in</strong>ars<br />

ideologisch aufgeladen. E<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Rolle spielte dabei der ostmärkische Gauvolkstumswart<br />

Karl Meier-Gesees, dessen<br />

Wirken noch gründlich untersucht werden<br />

muss. Da auch Friedl im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e<br />

politische E<strong>in</strong>stellung nicht klargemacht<br />

habe, wird der Wettbewerb heute vielfach<br />

noch mit nationalsozialistischen Kulturaktivitäten<br />

verbunden.<br />

Abschließende Diskussion<br />

Den Abschluss des Themenbereiches<br />

Volksmusik und NS bildete e<strong>in</strong>e Plenumsdiskussion<br />

unter der Leitung von Wolfgang<br />

Pledl. Bei den vielfältigen Wortmeldungen<br />

wurde deutlich, dass die Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit dem Thema wichtiger denn<br />

je ist. Des<strong>in</strong>teresse, Unwissenheit und<br />

Polemik sollten überwunden werden.<br />

E<strong>in</strong>e Bearbeitung dieser Vergangenheit ist<br />

dr<strong>in</strong>gend notwendig und muss unbed<strong>in</strong>gt<br />

auch <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är geschehen.<br />

Sensationsfund!<br />

E<strong>in</strong>en Sensationsfund meldete Wolfgang<br />

A. Mayer vom Institut <strong>für</strong> Volkskunde an<br />

der Bayerischen Akademie der Wissen-<br />

schaften <strong>in</strong> München. Teile bisher als verloren<br />

gelaubter Schallplattenaufnahmen<br />

durch Kurt Huber aus dem Jahr 1933<br />

waren bei e<strong>in</strong>em Flohmarkt aufgetaucht<br />

und konnten <strong>für</strong> das Institut <strong>für</strong> Volkskunde<br />

erworben werden. E<strong>in</strong>drucksvolle<br />

Tonbeispiele ergänzten den Vortrag, dem<br />

allerd<strong>in</strong>gs H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>formationen zu<br />

Hubers Aufnahmepraxis und se<strong>in</strong>er Vorstellung<br />

von aufnahmewürdigen Klangereignissen<br />

gut getan hätten.<br />

Archivschätze aus der Sicht e<strong>in</strong>es<br />

Musikanten<br />

Ganz persönliche Höhepunkte aus Archivaufnahmen<br />

der Forschungsstelle <strong>für</strong> fränkische<br />

Volksmusik, des Volksmusikarchivs<br />

des Bezirks Oberbayern und der Volksmusikstelle<br />

<strong>für</strong> Niederbayern und Oberpfalz<br />

brachte Bernd Dittl (Forschungsstelle <strong>für</strong><br />

fränkische Volksmusik, Uffenheim) den<br />

Sem<strong>in</strong>arbesucher/-<strong>in</strong>nen nahe. Für ihn<br />

macht vor allem die Beseeltheit e<strong>in</strong>zelner<br />

Musiktitel oder Interviews die ihn ansprechende<br />

Lebendigkeit von Überlieferungen<br />

aus. Innere Offenheit und das „Anwesend-<br />

Se<strong>in</strong>“ beim Musizieren und im Gespräch,<br />

e<strong>in</strong> respektvoller Umgang zwischen Publikum<br />

(oder Interviewer) und Musizierenden<br />

(bzw. Gesprächspartnern) ergibt <strong>für</strong> ihn<br />

herausragende Qualität, die Anregungen<br />

zum eigenen Musizieren enthält.<br />

Klang-Vorstellungen<br />

Franz Josef Schramm, Leiter der Beratungsstelle<br />

<strong>für</strong> Volksmusik <strong>in</strong> Franken,<br />

Uffenheim, stellte die Frage, wo der Unterschied<br />

zwischen Volksmusik und volkstümlicher<br />

Musik sei und kam zum Ergebnis,<br />

vom re<strong>in</strong> klanglichen Ereignis ausgehend<br />

sei dies der „Sound“. Alles, was wir hören,<br />

präge unsere Klangvorstellungen und<br />

führe dazu, dass wir bestimmte Bilder und<br />

Szenen im Kopf hätten. So ordne man<br />

e<strong>in</strong> und denselben Titel (Hörbeispiele:<br />

Andachtsjodler und Klar<strong>in</strong>ettenmuckl <strong>in</strong><br />

Aufnahmen unterschiedlichster Interpreten)<br />

bestimmten „Schubladen“ zu.<br />

Oberkra<strong>in</strong>er-Melodien auf „waldlerisch“<br />

Dass gerade der typische „Sound“ der<br />

Oberkra<strong>in</strong>er Musikanten bei „waldlerischer“<br />

Gebrauchsmusik nicht erreicht<br />

wurde, während die Melodien der Gruppe<br />

um Slavko Avsenik unbed<strong>in</strong>gt zum<br />

Repertoire traditioneller Tanzkapellen<br />

zählten, konnte Franz Schötz von der<br />

Volksmusikstelle <strong>für</strong> Niederbayern und<br />

Oberpfalz <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong>ach bei Straub<strong>in</strong>g anhand<br />

mehrerer Musikbeispiele deutlich<br />

20 Volksmusik <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> 26 (2009), Heft 2 Volksmusik <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> 26 (2009), Heft 2 21


machen. Oberkra<strong>in</strong>er-Titel waren aufgrund<br />

der Publikumsnachfrage zw<strong>in</strong>gend<br />

nötig, die Besetzung der Musikgruppen<br />

blieb aber wie bisher. Meist mit Hilfe von<br />

Tonaufnahmen wurden die Melodien<br />

umgesetzt, h<strong>in</strong>sichtlich der Begleitung und<br />

Harmonisierung der Stücke aber vertraute<br />

Formen angewandt. Überlieferte Musik<br />

wurde nicht „veroberkra<strong>in</strong>ert“.<br />

Plenumsgespräch<br />

Im Plenumsgespräch unter Leitung von<br />

Manfred Seifert g<strong>in</strong>g es um das Thema<br />

„Volksmusik: Die soziale Antwort<br />

auf die medialisierte Musikwelt?“ Aus<br />

verschiedenen Wortmeldungen wurde<br />

deutlich, dass aktives Musizieren/S<strong>in</strong>gen<br />

und passives Musikhören seit Langem<br />

nebene<strong>in</strong>ander existieren und sich gegenseitig<br />

bee<strong>in</strong>flussen. Während e<strong>in</strong>erseits die<br />

Ansprüche an Perfektion steigen, bietet<br />

derzeit gerade die Internetplattform „youtube“<br />

die Möglichkeit, weniger perfekte,<br />

da<strong>für</strong> aber „beseelte“ Volksmusik e<strong>in</strong>em<br />

breiten Publikum näher zu br<strong>in</strong>gen. Auch<br />

die Gefahren, die das Internet birgt (Piraterie,<br />

unautorisierte Veröffentlichung,<br />

Passivität) wurden diskutiert. Weg von<br />

Kulturpessimismus und missionarischem<br />

Eifer, h<strong>in</strong> zum Angebot aktiven Mittuns<br />

mit <strong>in</strong> vielen Richtungen offenen E<strong>in</strong>stellungen<br />

und e<strong>in</strong>em gewissen „Spaßfaktor“<br />

lauteten die Forderungen. So könne Volksmusikpflege<br />

e<strong>in</strong>e breite gesellschaftliche<br />

Basis erreichen.<br />

Über die Vielfalt regionaler Musiktraditionen<br />

heute<br />

Der letzte Sem<strong>in</strong>artag beschäftigte sich vor<br />

allem mit der Wertigkeit des Anderen, mit<br />

der Vielfalt regionaler Musiktraditionen<br />

und den unterschiedlichen Perspektiven<br />

und Ansätzen im Umgang mit unserer<br />

musikalischen Volkskultur. Die Bandbreite<br />

ist groß, die Ansichten über traditionelle<br />

Volksmusik s<strong>in</strong>d sehr verschieden.<br />

Der geplante Beitrag von Peter Reiter vom<br />

Bairisch-Alpenländischen Volksmusikvere<strong>in</strong><br />

e.V. musste wegen Krankheit ausfallen.<br />

Der erst im Januar 2007 gegründete<br />

Vere<strong>in</strong> setzt sich das Ziel, die traditionelle<br />

alpenländische Volksmusik zu fördern<br />

und „den Erhalt der bodenständigen<br />

Volksmusik, den Volksgesang und das<br />

Brauchtum zu forcieren“ (Vere<strong>in</strong>ssatzung).<br />

Die Vere<strong>in</strong>szeitschrift „Musik & Tradition.<br />

Musterkofferl des Bairisch-Alpenländischen<br />

Volkmusikvere<strong>in</strong>s e.V.“ berichtet<br />

über Wissenswertes <strong>in</strong> den Bereichen<br />

Volksmusik, Brauchtum und Tracht. Der<br />

Vere<strong>in</strong> steht e<strong>in</strong>igen Entwicklungen <strong>in</strong> der<br />

Volksmusikszene wie Tradimix sehr kritisch<br />

gegenüber.<br />

Evi Strehl vom Bayerischen Rundfunk<br />

Volksmusik und digitales Radio<br />

Evi Strehl stellte das neue Digital-Radio-<br />

Programm BAYERN plus des Bayerischen<br />

Rundfunks vor, das seit dem 1. September<br />

2008 zusätzlich zu den UKW-Wellen<br />

<strong>Bayern</strong> 1 bis <strong>Bayern</strong> 5 zu empfangen<br />

ist. BAYERN plus richtet sich an ältere<br />

Hörer, gesendet werden überwiegend<br />

deutschsprachige Titel. Unter dem Titel<br />

„Daheim“ hat die Volksmusik von 16 bis<br />

18 Uhr ihren festen Sendeplatz, zuständige<br />

Redakteur<strong>in</strong> ist Evi Strehl. Damit hat<br />

der Bayerische Rundfunk se<strong>in</strong> Angebot<br />

an Volksmusik <strong>in</strong>sgesamt erweitert, denn<br />

<strong>für</strong> die Sendung „Daheim“ musste ke<strong>in</strong>e<br />

Volksmusiksendung auf e<strong>in</strong>em anderen<br />

Kanal weichen. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d<br />

Beiträge mit Blas- und Schrammelmusik,<br />

Chören, Tradimix und bayerischen Liedermachern<br />

sowie Wiederholungen bereits<br />

ausgestrahlter Sendungen geplant wie die<br />

beliebten heimatkundlichen Sendungen<br />

des früheren bayerischen <strong>Heimatpflege</strong>rs<br />

Paul Ernst Rattelmüller. Zu empfangen ist<br />

das neue Digitalprogramm weltweit als<br />

Livestream übers Internet (www.br-onl<strong>in</strong>e.<br />

de/bayernplus), europaweit über Satellit,<br />

deutschlandweit im digitalen Kabel und<br />

bayernweit über Antenne mit Digital-<br />

Radio DAB auf Kanal 12D – oder gleich mit<br />

e<strong>in</strong>em Digitalradio, mit dem auch UKW-<br />

Sendungen empfangen werden können.<br />

Informationen rund ums Digitalradio gibt<br />

es unter www.bayerndigitalradio.de.<br />

Die Wertigkeit des Anderen<br />

Ernst Schusser, Leiter des Volksmusikarchivs<br />

des Bezirks Oberbayern, Bruckmühl,<br />

sprach über die Wertigkeit des Anderen<br />

und die Vielfalt der regionalen Musiktradition<br />

<strong>in</strong> Oberbayern und ihre Pflege. In<br />

se<strong>in</strong>en Augen gibt es <strong>in</strong> der Volksmusik<br />

<strong>in</strong> der Regel nichts Falsches, sondern nur<br />

etwas Anderes. Volksmusik gehört allen,<br />

ist <strong>für</strong> alle da und nicht exklusiv <strong>für</strong> e<strong>in</strong>en<br />

ausgesuchten Zirkel. Die vom Volksmusikarchiv<br />

Oberbayern veranstalteten<br />

Bruckmühler Begegnungen bieten hier<strong>für</strong><br />

e<strong>in</strong> ideales Forum, <strong>in</strong> dem sich Vertreter<br />

unterschiedlicher Auffassungen begegnen<br />

und austauschen und so Verständnis<br />

<strong>für</strong>e<strong>in</strong>ander gew<strong>in</strong>nen können.<br />

Immaterielles Kulturerbe<br />

Bereits beim letzten Sem<strong>in</strong>ar <strong>für</strong> Volksmusikforschung<br />

und -pflege 2007 hatte<br />

Prof. Maxpeter Baumann das Projekt<br />

„Immaterielles Kulturerbe“ der UNESCO<br />

vorgestellt. Die immaterielle Volkskultur<br />

umfasst die neun Ausdrucksarten Musik,<br />

Gesang, Tanz, Brauchtum, Theater, regionale<br />

Sprache, Kunsthandwerk, Küche,<br />

Tracht.<br />

Über den neuesten Stand dieses globalen<br />

Projekts berichtete Christoph Lambertz,<br />

Leiter der Beratungsstelle <strong>für</strong> Volksmusik<br />

des Bezirks Schwaben, Krumbach. Die<br />

2006 <strong>in</strong> Kraft getretene Konvention zur<br />

Erhaltung des immateriellen Kulturerbes<br />

wurde bisher von über 90 Staaten ratifiziert,<br />

vor allem von Ländern <strong>in</strong> Afrika,<br />

Südamerika und Asien. In Europa haben<br />

das bisher verhältnismäßig wenige getan:<br />

neben Frankreich, Belgien und der<br />

Schweiz vor allem osteuropäische Länder<br />

wie Tschechien und Ungarn. Unsere Nachbarländer<br />

Österreich und die Schweiz<br />

haben mit der praktischen Umsetzung<br />

der Konventionen begonnen. Die Schweiz<br />

hat die Konvention 2008 ratifiziert. Als<br />

Kommunikationsplattform wurde e<strong>in</strong> Forum<br />

geschaffen, das allen E<strong>in</strong>zelpersonen,<br />

Geme<strong>in</strong>schaften, Organisationen und<br />

Christoph Lambertz von der Beratungsstelle<br />

<strong>für</strong> Volksmusik <strong>in</strong> Schwaben<br />

Institutionen offen steht, die e<strong>in</strong>en Teil<br />

des Kulturerbes pflegen, zur Erhaltung<br />

von Brauchtum und Tradition <strong>in</strong> ihren<br />

vielfältigen Formen beitragen oder die<br />

Ziele der Konvention unterstützen. Das<br />

Forum will die Akteure vernetzen, zum<br />

Nachdenken anregen, auf die Bedeutung<br />

der Konvention aufmerksam machen und<br />

die Öffentlichkeit darüber <strong>in</strong>formieren.<br />

Zu den Mitgliedern des Forums zählen<br />

u.a. der „Internationale Rat <strong>für</strong> Volkskunst“<br />

(CIOFF), der die Repertoireliste des<br />

„Immateriellen Kulturerbes“ pflegt und<br />

der <strong>in</strong>zwischen von 155 regionalen und<br />

nationalen Verbänden unterstützt wird,<br />

darunter Jodler-Gruppen, Fahnenschw<strong>in</strong>ger,<br />

Theater, Chöre, Blasmusikverbände<br />

oder der Verband der Akkordeonlehrer.<br />

In Österreich soll die Ratifizierung noch<br />

<strong>in</strong> diesem Jahr abgeschlossen werden.<br />

Seit 2006 gibt es hier e<strong>in</strong>e Nationalagentur,<br />

die den Ratifizierungs- und<br />

Implementierungsprozess der Konvention<br />

begleitet. Darüber h<strong>in</strong>aus versteht sich<br />

die Agentur als Plattform <strong>für</strong> den <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Dialog und die Vernetzung<br />

von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft<br />

und gelebter Alltagskultur. Den thematischen<br />

Schwerpunkt bilden „Wissen<br />

und Praktiken im Umgang mit der Natur<br />

und dem Universum“, das so genannte<br />

lokale, über Generationen gesammelte,<br />

Erfahrungswissen.<br />

Deutschland zeigt bisher wenig Interesse<br />

an e<strong>in</strong>er Ratifizierung der Konvention<br />

über das immaterielle Kulturerbe. <strong>Bayern</strong>,<br />

und hier vor allem die Volksmusikforscher<br />

und –pfleger, könnten sich dennoch mit<br />

dieser Thematik befassen und damit e<strong>in</strong><br />

Bewusstse<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Öffentlichkeit schaffen<br />

<strong>für</strong> die Belange der traditionellen (Volks)<br />

Kultur.<br />

In der anschließenden Diskussion wurde<br />

deutlich, wie schwierig es ist, Inventarlisten<br />

über immaterielle Kulturgüter<br />

zu erstellen und die Grenze zwischen<br />

schützens- und erhaltenswerten zu lediglich<br />

modischen bzw. nicht relevanten<br />

Kulturersche<strong>in</strong>ungen zu ziehen, denn<br />

eigentlich hat man gerade diese Abgrenzungen<br />

und Bewertungen <strong>für</strong> überwunden<br />

geglaubt.<br />

22 Volksmusik <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> 26 (2009), Heft 2 Volksmusik <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> 26 (2009), Heft 2 23<br />

Nachruf<br />

Zum Gedenken an Ludwig „Luggi“ Knaus<br />

* 9. Dezember 1947 † 19. März 2009<br />

E<strong>in</strong> Musikant mit Leib und Seele, e<strong>in</strong><br />

Förderer der Volksmusik ist nach kurzer<br />

schwerer Krankheit am 19. März 2009<br />

verstorben. Luggi Knaus aus Sigmarszell<br />

hat nicht nur begeistert musiziert,<br />

er hat <strong>für</strong> die Volksmusikpflege auch<br />

<strong>in</strong>tensiv organisatorisch gewirkt. So war<br />

er Mitglied im Arbeitskreis <strong>für</strong> Volksmusik<br />

beim Bezirk Schwaben, bei dem er<br />

se<strong>in</strong>e Heimat, das Westallgäu und den<br />

Bodenseeraum vertreten hat, oder auch<br />

<strong>in</strong> der Vorstandschaft des Vorarlberger<br />

Volksliedwerks. Besondere Anliegen waren<br />

ihm die Förderung der Volksmusikjugend,<br />

wo<strong>für</strong> er sich mit ganzer Kraft und<br />

Energie e<strong>in</strong>gesetzt hat, und die Pflege<br />

der nachbarschaftlichen Kontakte nach<br />

Österreich und <strong>in</strong> die Schweiz. Viele Jahre<br />

hat er etwa <strong>in</strong> L<strong>in</strong>dau die „Adventsmusik<br />

im Dreiländereck“ veranstaltet. Dieses<br />

überdurchschnittliche ehrenamtliche<br />

Engagement hat Luggi Knaus auch <strong>in</strong><br />

Fazit<br />

Dem Organisations-Team um Franz Schötz<br />

ist es gelungen, mit der Auswahl dieses<br />

aktuellen Themas und von hochkarätigen<br />

Referenten und Referent<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>em sehr<br />

<strong>in</strong>teressierten Publikum e<strong>in</strong> Podium zum<br />

regen Gedankenaustausch zu schaffen.<br />

Volksmusik war nie e<strong>in</strong> unveränderbarer,<br />

<strong>in</strong>haltlich immer gleich bleibender oder<br />

gleichwertiger Begriff und wird dies auch<br />

<strong>in</strong> Zukunft nicht se<strong>in</strong> können. Wie jede<br />

andere Kulturersche<strong>in</strong>ung auch wird sie<br />

maßgeblich von politischen und gesellschaftlichen<br />

E<strong>in</strong>flüssen geprägt und <strong>in</strong>strumentalisiert.<br />

Sie wird sehr vielschichtig<br />

wahrgenommen, nicht nur im Rückblick<br />

auf vergangene Zeiten; das zeigen die oft<br />

heftig geführten Diskussionen um ihre Gestalt,<br />

um das „Wahre“ und „Echte“ <strong>in</strong> der<br />

Volksmusik heute. Das e<strong>in</strong>zig Konstante<br />

und „Verlässliche“ s<strong>in</strong>d ihre Lebendigkeit<br />

und ihre Eigendynamik, trotz zahlreicher<br />

politisch oder weltanschaulich motivierter<br />

Vorstellungen, was Volksmusik sei – oder<br />

zu se<strong>in</strong> habe.<br />

der Zeit gezeigt, als er zwischen 1990<br />

und 2002 als Bürgermeister se<strong>in</strong>er Heimatgeme<strong>in</strong>de<br />

Sigmarszell beruflich sehr<br />

e<strong>in</strong>gebunden war. Stets g<strong>in</strong>g es ihm um<br />

e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung von Kultur, Tradition<br />

und Moderne: Altes, Bewährtes erhalten<br />

und zugleich immer offen se<strong>in</strong> <strong>für</strong> Neues.<br />

Die Hanns-Seidl-Stiftung hat ihn mit<br />

se<strong>in</strong>er Stubenmusik Sigmarszell-Böserscheidegg<br />

im Jahr 2002 mit ihrem<br />

Kultur- und Ehrenpreis <strong>für</strong> besonderen<br />

Verdienste um die bayerische Volksmusik<br />

ausgezeichnet. Volksmusikfreunden<br />

<strong>in</strong> ganz Schwaben war er durch se<strong>in</strong>en<br />

„Schwäbischen Volksmusikkalender“<br />

bekannt, den er <strong>in</strong> den Jahren 2005 bis<br />

2008 <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle<br />

<strong>für</strong> Volksmusik <strong>in</strong>itiiert und<br />

erstellt hat.<br />

Uns bleibt nur noch zu sagen:<br />

Vergelt’s Gott, Luggi!<br />

Christoph Lambertz

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