Keramik und Technik - VIAS-arch - Universität Wien
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Beiträge zur Mittelalter<strong>arch</strong>äologie in Österreich<br />
<strong>Keramik</strong> <strong>und</strong> <strong>Technik</strong><br />
Internationale Fachtagung der ÖGM<br />
43. Internationales Symposium <strong>Keramik</strong>forschung<br />
Mautern an der Donau, September 2010<br />
OGM<br />
Österreichische Gesellschaft für Mittelalter<strong>arch</strong>äologie<br />
BMÖ 27 | 2011
Beiträge zur Mittelalter<strong>arch</strong>äologie in Österreich<br />
<strong>Keramik</strong> <strong>und</strong> <strong>Technik</strong><br />
27 | 2011<br />
Internationale Fachtagung der<br />
Österreichischen Gesellschaft für Mittelalter<strong>arch</strong>äologie<br />
zugleich<br />
43. Internationales Symposium <strong>Keramik</strong>forschung des<br />
Arbeitskreises für <strong>Keramik</strong>forschung<br />
Mautern an der Donau, 20. bis 25. September 2010<br />
Herausgegeben von<br />
Sabine Felgenhauer-Schmiedt<br />
Nikolaus Hofer<br />
Karin Kühtreiber<br />
Gabriele Scharrer-Liška<br />
OGM<br />
Österreichische Gesellschaft für Mittelalter<strong>arch</strong>äologie<br />
<strong>Wien</strong> 2011
Der Druck dieses Bandes wurde ermöglicht durch die fre<strong>und</strong>liche Unterstützung von<br />
Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Gruppe Kultur, Wissenschaft <strong>und</strong> Unterricht – Abteilung Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Forschung<br />
Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Direktion Kultur<br />
B<strong>und</strong>esdenkmalamt, Abteilung für Bodendenkmale<br />
B<strong>und</strong>esministerium für Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung<br />
Magistrat der Stadt <strong>Wien</strong>, Magistratsabteilung 7 – Kultur<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
© 2011 by Österreichische Gesellschaft für Mittelalter<strong>arch</strong>äologie, <strong>Wien</strong><br />
Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Mittelalter<strong>arch</strong>äologie, 1190 <strong>Wien</strong>, Franz-Klein-Gasse 1<br />
http://www.univie.ac.at/oegm<br />
ISSN: 1011-0062<br />
Redaktion <strong>und</strong> Lektorat: Mag. Nikolaus Hofer<br />
Satz <strong>und</strong> Layout, Covergestaltung, Bildbearbeitung: Mag. Dr. Karin Kühtreiber<br />
Coverbild: <strong>Keramik</strong>objekt aus dem Krahuletz-Museum, Eggenburg. Foto: Peter Ableidinger<br />
Druck: Grasl Druck & Neue Medien GmbH, 2540 Bad Vöslau
Inhaltsverzeichnis<br />
Sabine Felgenhauer-Schmiedt<br />
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
Patricia Stahl<br />
Protokoll der Tagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
Volker Ellwanger<br />
Was ist ein Gefäß? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
Irmgard Endres<br />
Die Masse macht’s!<br />
Grafische Auswertungen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
Tünde Kaszab-Olschewski<br />
Misslungenes Experiment?<br />
Über das Scheitern der Aachener Sigillata-Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
Lutz Grunwald<br />
<strong>Keramik</strong> für den europäischen Markt.<br />
Die römischen <strong>und</strong> mittelalterlichen Töpfereien von Mayen/Eifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
Wenxing Xu <strong>und</strong> Wolfgang Hofmeister<br />
Mineralogische Untersuchungsmethoden zur Charakterisierung von Mayener <strong>Keramik</strong> sowie<br />
Darstellung des spätantiken bis spätmittelalterlichen <strong>Keramik</strong>handwerks <strong>und</strong> seiner <strong>Technik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
Miroslava Gregerová, Blanka Holubová Závodná, Martin Hložek <strong>und</strong> Rudolf Procházka<br />
Naturwissenschaftliche Erforschung der mittelalterlichen <strong>Keramik</strong> aus Brno <strong>und</strong> Loštice . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
Eva Roth Heege <strong>und</strong> Gisela Thierrin-Michael<br />
Frühneuzeitliche Hafnerei in Zug (Schweiz).<br />
Archäologische <strong>und</strong> <strong>arch</strong>äometrische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />
Andreas Heege<br />
<strong>Keramik</strong> aus Bäriswil, Kanton Bern, Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />
Sonja König<br />
Das De-Pottere-Porzellan der Ostfriesischen Landschaft in Aurich.<br />
Chinesisches Auftragsporzellan der Ostasiatischen Handelskompanie in Emden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73<br />
Alice Kaltenberger<br />
Kunstkeramik aus Österreich <strong>und</strong> ihre Verbindung zur <strong>Wien</strong>er Werkstätte.<br />
Von Michael Powolny zu Kirsche <strong>und</strong> Enzian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />
Hermann Steininger<br />
Ein Münztopf der Zeit um 1540 aus Linz an der Donau (Oberösterreich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
Elfriede Hannelore Huber<br />
Spielen mit der Form.<br />
Bügelkannen mit zoomorphen Ausgussröhren aus dem keramischen F<strong>und</strong>gut <strong>Wien</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Ilse Schütz<br />
Europäische Kulturgeschichte im Töpfereimuseum Agost (Alicante) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />
Rainer G. Richter<br />
Öfen <strong>und</strong> Kacheln aus dem Kunstgewerbemuseum Dresden.<br />
Ein sammlungsgeschichtlicher Abriss (15.– 20. Jahrh<strong>und</strong>ert). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />
Baron Ludwig Döry<br />
Nürnberger Chinoiserien auf Fayencen <strong>und</strong> Porzellan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />
Éva Cserey<br />
Hans Kraut aus Villingen oder Thomas Strobl aus Salzburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />
Nikolaus Hofer<br />
„Handbuch zur Terminologie der mittelalterlichen <strong>und</strong> neuzeitlichen <strong>Keramik</strong> in Österreich.“<br />
Bilanz <strong>und</strong> Perspektiven eines fünfjährigen Projektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133<br />
Ronald Salzer<br />
Des Kaisers süße Propaganda.<br />
Ein Habsburgerwappenmodel für Festbäckerei aus der Burg Grafendorf in Stockerau, Niederösterreich . . . . . . . 135<br />
Gerald Volker Grimm<br />
Vom Modello zum Model.<br />
Herstellungsverfahren <strong>und</strong> Weiterverarbeitung spätmittelalterlicher Bilddrucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />
Ingeborg Unger<br />
Keramische Objekte aus einer Kölner Apotheker-, Chemiker- oder<br />
Alchemisten-Werkstatt des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155<br />
Herbert Böhmer<br />
<strong>Keramik</strong>f<strong>und</strong>e aus dem Bürger- <strong>und</strong> Krämerhaus Residenzplatz 11 in Passau.<br />
Die Brandkatastrophen von 1442 <strong>und</strong> 1662 – ein Glücksfall für die <strong>Keramik</strong>forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165<br />
Hans-Georg Stephan<br />
Wittenberg. Umrisse eines fächerübergreifenden Forschungsprojektes aus der Sicht der Archäologie . . . . . . . . . 173<br />
Johan Kamermans<br />
Die Industrialisierung der Fliesenproduktion bei Rozenburg, Den Haag (1888–1891) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184<br />
Wolf Matthes<br />
Farbrezepturen für Hafnerware <strong>und</strong> Fayencen in der Handschrift von Johan Kizberger in Wels . . . . . . . . . . . . 189<br />
Karla Bianca Roşca <strong>und</strong> Horst Klusch<br />
Eingefärbte Glasuren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193<br />
Iliana Moise<br />
Der Bleiglasur ein Nimmerwiedersehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197<br />
Uwe Mämpel<br />
Die technische Überwindung der giftigen Bleiglasur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199<br />
Jonathan Frey<br />
Die Kühlkeramik der Glashütte Court, Pâturage de l’Envers (1699-1714).<br />
Ein Werkstattbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
Wolfgang Schwabenicky<br />
Form, Funktion <strong>und</strong> Verbreitung bergmännischer Schalenlampen mit Griffloch im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . 216<br />
Thomas Kühtreiber<br />
Ein keramisches bozzetto aus der <strong>Wien</strong>er Alten <strong>Universität</strong>. Anmerkungen zur Herstellungstechnik<br />
sowie zum Einsatz von Ton <strong>und</strong> <strong>Keramik</strong> in Kunstwerkstätten der Frühen Neuzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225<br />
Claudia Peschel-Wacha<br />
Mit Federkiel, Tinte <strong>und</strong> Streusand. Keramische Schreibzeuge aus drei Jahrh<strong>und</strong>erten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232<br />
Alena Kalinová<br />
Die ältesten Belege der Volksfayencen aus Mähren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242<br />
Andrzej Kowalczyk<br />
Das spätmittelalterliche <strong>und</strong> neuzeitliche Steinzeug aus Posen, Woiwotschaft Großpolen,<br />
Polen (Poznán, województwo wielkopolskie, Polska) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248<br />
Bärbel Kerkhoff-Hader<br />
Parameter rheinischer Steinzeugöfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />
Michael Seiler<br />
Der liegende Töpferofen von Boos im Allgäu.<br />
Ein seltener Nachweis spätmittelalterlicher Hafnerei in Süddeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268<br />
Sonja König, Stefan Krabath <strong>und</strong> Thomas Krueger, unter Mitarbeit von Mike Huth <strong>und</strong> Christian Leiber<br />
Fürstenberg <strong>und</strong> Meißen.<br />
Archäologische Untersuchungen von Brennöfen der frühen europäischen Porzellanproduktion. . . . . . . . . . . . . 281<br />
Doris Schön<br />
„… vom hiesigen Ziegelofen in der Juliusburg …“.<br />
Der neuzeitliche Ziegelbrennofen des Schlosses Stetteldorf am Wagram, Niederösterreich. . . . . . . . . . . . . . . . . 292<br />
Gabriele Scharrer-Liška<br />
Erste Untersuchungsergebnisse zur Hafnerei Hehl aus der Zeit um 1900 in Pulkau, Niederösterreich . . . . . . . . 297<br />
Christina Erkelenz<br />
Bringen Scherben Glück?<br />
Neue F<strong>und</strong>e der Düsseldorfer Stadt<strong>arch</strong>äologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306<br />
Gerald Volker Grimm<br />
Blumen <strong>und</strong> verräterische Falten.<br />
Nachbearbeitungsspuren als Datierungshilfe bei serieller Kleinplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309<br />
Viktoria Pacher <strong>und</strong> Sandra Sabeditsch<br />
Die mittelalterlichen <strong>und</strong> neuzeitlichen F<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bef<strong>und</strong>e der Grabung Krems/B<strong>und</strong>eskonvikt 2007. . . . . . . 314<br />
Oliver Fries <strong>und</strong> Stefan Strutz<br />
Ein holzbefeuerter Brennofen im Hafnerhaus zu Raabs an der Thaya, Niederösterreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
297<br />
Beiträge zur Mittelalter<strong>arch</strong>äologie<br />
in Österreich 27/2011, S. 297–305<br />
Erste Untersuchungsergebnisse zur Hafnerei Hehl aus der Zeit um 1900<br />
in Pulkau, Niederösterreich<br />
Gabriele Scharrer-Liška, <strong>Wien</strong><br />
1. F<strong>und</strong>geschichte<br />
Ab dem Jahr 2000 kam es in Pulkau in Niederösterreich an<br />
den Adressen Hauptplatz 12 <strong>und</strong> 13 nach einem Eigentümerwechsel<br />
zur Adaptierung des Gebäudekomplexes. Dabei<br />
trat in einem Nebengebäude hinter allerlei Gerümpel<br />
eine komplette Hafnerwerkstatt aus der Zeit um 1900 zu<br />
Tage. Das Interesse an dieser Entdeckung <strong>und</strong> das Entgegenkommen<br />
des Besitzers, Ing. Gerhard Bauer, dem an<br />
dieser Stelle herzlich gedankt sei, ermöglichten es der Autorin,<br />
die F<strong>und</strong>stelle genauer zu untersuchen.<br />
2. F<strong>und</strong>ort<br />
Die Kleinstadt Pulkau befindet sich im nordwestlichen<br />
Weinviertel am Übergang zum Waldviertel, im Weinbaugebiet<br />
des niederösterreichischen Bezirkes Hollabrunn. Die<br />
früheste erhaltene schriftliche Erwähnung Pulkaus datiert<br />
in die Mitte des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />
Im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert entwickelte sich die Siedlung zu einem<br />
Markt mit rechteckigem Marktplatz, dem heutigen<br />
Rathausplatz, <strong>und</strong> zwei – von Norden nach Süden beziehungsweise<br />
von Westen nach Osten verlaufenden – Durchgangsstraßen.<br />
Knapp östlich des heutigen Rathausplatzes<br />
befindet sich ein weiterer, dreieckiger Platz, der Hauptplatz.<br />
An dessen südlicher Seite ist die eingangs erwähnte Liegenschaft<br />
Hauptplatz 13 situiert.<br />
3. Die Eigentümer der Liegenschaft<br />
Hauptplatz 13 (Pulkau 149) vom 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
bis zur Mitte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
1824 ist in den unter Kaiser Franz I. erstellten Einwohnerlisten<br />
einer der zahlreichen Pulkauer Weinhauer dieser Zeit<br />
als Besitzer der Liegenschaft mit der Conscriptionsnummer<br />
149 in Pulkau genannt.1<br />
Ab 1870 scheinen Hafnermeister Alois Hehl <strong>und</strong> seine<br />
Ehefrau Maria aufgr<strong>und</strong> eines Kaufvertrages als Eigentümer<br />
1 Puschnik <strong>und</strong> Puschnik 1998, 191.<br />
zu gleichen Teilen der Liegenschaft Pulkau 149 auf.2 1890<br />
stirbt Maria Hehl <strong>und</strong> Alois Hehl ist in Folge in zweiter<br />
Ehe mit Theresia Hehl verheiratet. Auch in dieser Ehe sind<br />
beide zu je 50 % Eigentümer der Liegenschaft. Alois Hehl<br />
stirbt 1914 <strong>und</strong> Theresia Hehl erbt seinen Anteil. 1924 fällt<br />
das Eigentumsrecht aufgr<strong>und</strong> eines Übergabevertrages zu<br />
gleichen Teilen an (Theresias Stiefsohn) Hafnermeister Anton<br />
Hehl <strong>und</strong> dessen Frau Maria. 1935 stirbt Anton Hehl<br />
<strong>und</strong> seine Frau wird Alleineigentümerin. Nach dem Tod<br />
Maria Hehls Mitte der 1950er-Jahre geht die Liegenschaft<br />
Pulkau 149 zu gleichen Teilen an die Söhne von Anton <strong>und</strong><br />
Maria Hehl, Alois <strong>und</strong> Ernst Hehl.<br />
Abb. 1 Pulkau. Die Hafnerei Hehl (Gebäude 1) (Fotografie um 1900).<br />
Eine Fotografie aus der Zeit um 1900 (Abb. 1) zeigt vermutlich<br />
den 1914 verstorbenen Hafnermeister Alois Hehl vor<br />
dem Verkaufslokal seiner Hafnerei. Mit abgebildet sind zwei<br />
weitere Personen. Möglicherweise handelt es sich dabei um<br />
seinen Sohn, den späteren Hafnermeister Anton Hehl,<br />
oder einen namentlich nicht bekannten Gesellen, sowie seine<br />
erste Frau Maria oder seine zweite Frau Theresia. In ersterem<br />
Fall müsste das Foto spätestens 1890 zu datieren sein.<br />
2 Gr<strong>und</strong>kataster Bezirksgericht Hollabrunn.
Gabriele Scharrer-Liška, <strong>Wien</strong><br />
Abb. 2 Pulkau. Ausschnitt aus dem Katasterplan mit dem Bereich um den Hauptplatz.<br />
Alois Hehl betrieb also nach dem Erwerb der Liegenschaft<br />
Pulkau 149 1870 hier eine Hafnerwerkstatt, die von seinem<br />
Sohn Anton weitergeführt wurde. Nach dem Tod Anton<br />
Hehls 1935 wurde der Hafnereibetrieb offenbar eingestellt.<br />
4. Der Gebäudekomplex Hauptplatz 13<br />
Der Gebäudekomplex (Abb. 2), in welchem sich die Hafnerei<br />
Hehl befindet, liegt an der Südseite des Hauptplatzes<br />
auf der heutigen Parzelle 18/1 (Hauptplatz 13) <strong>und</strong> erstreckt<br />
sich länglich von Norden nach Süden. Relevant für<br />
die Untersuchung der Hafnerei Hehl sind die zwei Gebäude<br />
1 <strong>und</strong> 2.<br />
4.1. Gebäude 1<br />
Man betrat das annähernd rechteckige Gebäude 13 vom<br />
Hauptplatz aus <strong>und</strong> gelangte in Raum V1, der sich auf<br />
Straßenniveau befand <strong>und</strong> von dem aus auch in Richtung<br />
3 Da Gebäude 1 heute als Wohnhaus dient, konnten darin noch keine<br />
näheren Untersuchungen durchgeführt werden. Es wird daher<br />
vorläufig auf bildliche Darstellungen verzichtet.<br />
298<br />
Osten der Garten des Gr<strong>und</strong>stückes<br />
zugänglich war. Direkt<br />
südlich anschließend befindet<br />
sich Raum L1, den man über<br />
eine Stufe erreicht, <strong>und</strong> daran<br />
südlich anschließend die zwei<br />
Räume L2 <strong>und</strong> L3, die über<br />
weitere zwei Stufen zugänglich<br />
sind. Von Raum L3 führt<br />
eine Türöffnung in den ebenfalls<br />
südlich anschließenden<br />
Raum L4, dessen Bodenniveau<br />
deutlich tiefer liegt als jenes<br />
von Raum L3. Von Raum L4<br />
aus kann durch eine Türöffnung<br />
ebenfalls der Garten der<br />
Liegenschaft betreten werden.<br />
Wie an der Außenfassade des<br />
Gebäudes erkennbar ist, hat<br />
sich an Stelle dieser Türöffnung<br />
ursprünglich eine Einfahrt bef<strong>und</strong>en,<br />
die man durch eine<br />
weitere Einfahrt am südlichen<br />
Ende des Gr<strong>und</strong>stückes <strong>und</strong><br />
den Garten erreichen konnte<br />
(Abb. 2). Eine weitere Türöffnung<br />
in Raum L4 auf dessen<br />
Bodenniveau führt in den<br />
kurzen, abwärts verlaufenden<br />
Gang K1 <strong>und</strong> weiter in zwei<br />
Kellerräume K2 <strong>und</strong> K3 unter<br />
den zuvor beschriebenen<br />
Räumen.<br />
Die Interpretation der Räume V1 <strong>und</strong> L1 bis L4 beziehungsweise<br />
ihrer Funktion ist vorläufig hypothetisch, da an<br />
diesem Gebäude bislang keine bauanalytischen Untersuchungen<br />
durchgeführt wurden. Vermutlich diente der zum<br />
Hauptplatz gelegene Raum V1 als Verkaufsraum. Die südlich<br />
anschließenden <strong>und</strong> über Stufen erreichbaren Räume<br />
L1, L2 <strong>und</strong> L3 wurden möglicherweise als Lagerräume<br />
für die zum Verkauf bestimmte Hafnerware genutzt. Durch<br />
die Einfahrt an der Stelle der heutigen Türöffnung in den<br />
Garten hätte man in Raum L4 (rückwärts) ein (leeres)<br />
Fuhrwerk schieben können. Durch die Türöffnung zwischen<br />
Raum L3 <strong>und</strong> L4 hätte man ein solches Fuhrwerk<br />
bequem mit <strong>Keramik</strong> beladen können. Das beladene Fuhrwerk<br />
hätte nun mit Hilfe eines Zugtieres durch den heutigen<br />
Garten <strong>und</strong> die Einfahrt an der Rückseite das Gr<strong>und</strong>stück<br />
verlassen können. Für die Kellerräume K2 <strong>und</strong> K3<br />
wird derzeit eine Nutzung als Tonlager angenommen.<br />
4.2. Hofareal <strong>und</strong> Werkstattbruchgrube?<br />
Laut Aussage der heutigen Bewohnerin der Adresse Hauptplatz<br />
13, Ilse Bauer, lagen im erwähnten Gartenbereich<br />
ursprünglich zahllose Scherben verstreut. Auf diese wurde<br />
für das Anlegen einer Wiese Erde aufgeschüttet. Diese
Erste Untersuchungsergebnisse zur Hafnerei Hehl aus der Zeit um 1900 in Pulkau<br />
Aussagen lassen hier die im Zusammenhang mit einer Hafnerwerkstätte<br />
vorauszusetzende Werkstattbruchgrube annehmen.<br />
Werkstattbruchgruben auf Hafnergr<strong>und</strong>stücken<br />
sind seit dem Mittelalter zahlreich nachgewiesen. In Österreich<br />
sind mittelalterliche Werkstattbruchgruben beispielsweise<br />
in St. Pölten oder Tulln belegt, in Deutschland beispielsweise<br />
in Regensburg oder Straubing.4 Umfangreiche<br />
neuzeitliche Hafnerabfälle aus Oberösterreich wurden erst<br />
kürzlich vorgelegt.5<br />
4.3. Gebäude 2 (Werkstattgebäude)<br />
Betritt man von Gebäude 1 den Garten der Liegenschaft,<br />
blickt man über das Areal der vermutlichen Scherbengrube<br />
auf Gebäude 2 (Abb. 3), dessen ehemalige Funktion als<br />
Werkstattgebäude gesichert ist. Am Werkstattgebäude wurde<br />
eine Bauaufnahme in Form einer Zustandsdokumentation<br />
vorgenommen, ohne in den Baubestand einzugreifen.<br />
Das niedrige, annähernd rechteckige Gebäude steht an<br />
der östlichen Grenze des Gr<strong>und</strong>stücks 18/1. Alle heutigen<br />
Tür- <strong>und</strong> Fensteröffnungen befinden sich in der Westmauer,<br />
die das Gebäude zum Garten hin abgrenzt. Ob beziehungsweise<br />
wie weit das Gebäude unterkellert ist oder war,<br />
ist noch zu klären. Das Erdgeschoß besteht aus drei Räumen,<br />
darüber liegt ein einziger Dachbodenraum unter ei-<br />
Abb. 3 Pulkau. Parzelle 18/1 (Hauptplatz 13), Gebäude 2 (Blick von<br />
Nordwesten).<br />
nem ziegelgedeckten, hohen Satteldach6, überragt von einem<br />
hohen Kamin. Der Zugang zum Dachboden über eine<br />
Treppe befindet sich unmittelbar südlich des Eingangs in<br />
das Werkstattgebäude. In diesem Dachbodenraum befanden<br />
sich bei der ersten Begehung neben allerlei Gerümpel<br />
vor allem die Drehscheibe der Werkstatt sowie zahlreiche<br />
Gipsmodel, teilweise eingewickelt in Kleidungsstücke,<br />
4 St. Pölten: Scharrer-Liška <strong>und</strong> Scherrer 2010, 90. – Tulln:<br />
Kreitner u. a. 2005. – Regensburg: Endres <strong>und</strong> Loers 1981. –<br />
Straubing: z. B. Endres 1994.<br />
5 Kaltenberger 2009, 561.<br />
6 Binding 1987, 176.<br />
299<br />
vorwiegend der Zeit zwischen dem Ende des 1. Weltkrieges<br />
<strong>und</strong> den 1930er-Jahren.<br />
Man betritt das Erdgeschoß (Abb. 4) durch einen schmalen<br />
Flur (Raum 2), von dem aus man durch je eine Türöffnung<br />
nach links (Norden) in Raum 1 <strong>und</strong> nach rechts (Süden)<br />
in Raum 3 gelangt. Raum 2 <strong>und</strong> 3 weisen partiell<br />
Ziegelboden <strong>und</strong> gestampften Lehmboden auf, während in<br />
Raum 1 – soweit erkennbar – nur ein Lehmboden aufgebracht<br />
wurde. Die Wände aller drei Räume sind (mehrfach)<br />
verputzt, wobei der Verputz vor allem in Raum 1 bereits<br />
großflächig abgefallen ist. Besonders an diesen Stellen ist<br />
die Mauerbeschaffenheit gut erkennbar.<br />
4.3.1. Raum 1 (Werkstatt)<br />
Raum 1 ist annähernd trapezförmig <strong>und</strong> weist im Gr<strong>und</strong>riss<br />
Seitenlängen von 4,40, 4,60, 3,65 <strong>und</strong> 4,70 m auf<br />
(Abb. 4). Soweit es unter dem Verputz erkennbar ist, bestehen<br />
die Mauern 1.2 (Nordmauer), 1.3 (Ostmauer), <strong>und</strong><br />
1.4 (Südmauer)7 im unteren Bereich aus Bruchsteinen, darüber<br />
vorwiegend aus Lehmziegeln. Besonders an den<br />
Mauern 1.2 <strong>und</strong> 1.3 ist in den obersten 40 bis 50 cm eine<br />
Aufmauerung aus gebrannten Ziegeln erkennbar. Ausbesserungsarbeiten<br />
wurden offenbar ebenfalls mit gebrannten<br />
Ziegeln durchgeführt. Mauer 1.1 hingegen scheint bis in die<br />
obersten Bereiche eine Bruchsteinmauer zu sein. Eine Baufuge,<br />
die zwischen Mauer 1.1 <strong>und</strong> 1.4 besonders in deren<br />
oberem Bereich deutlich erkennbar ist, lässt darauf schließen,<br />
dass Mauer 1.1 älter <strong>und</strong> Mauer 1.4. später angefügt<br />
worden ist.<br />
Mauer 1.1 (Westmauer) weist zwei Fensteröffnungen in<br />
den Garten auf, deren nördliche zugemauert ist. Die Fensterlaibungen<br />
sind zu einem nicht unwesentlichen Teil aus<br />
gebrannten Ziegeln konstruiert. Dies lässt darauf schließen,<br />
dass diese Maueröffnungen erst nachträglich erfolgt sind.<br />
Beide Fensteröffnungen liegen in annähernd rechteckigen<br />
Nischen, die oben mit einem Segmentbogen abschließen.<br />
Möglicherweise hat es sich dabei – besonders im Fall<br />
des nördlichen Fensters – ursprünglich um Türöffnungen<br />
gehandelt, die später zu Fenstern reduziert wurden. Unter<br />
der südlichen Fensteröffnung deutet sich möglicherweise<br />
die Kontur eines Rechteckportals an. Diese Kontur ist<br />
mit gebrannten Ziegeln vermauert <strong>und</strong> könnte ein Hinweis<br />
auf eine mögliche Unterkellerung des Gebäudes sein.<br />
Durch Mauer 1.4 führt eine (im Vergleich zu den anderen<br />
Türen des Gebäudes) groß dimensionierte Türöffnung zu<br />
Raum 2.<br />
Interieur ist in Raum 1 kaum erhalten. Lediglich parallel<br />
zur Ostmauer (Mauer 1.3) verläuft ein in Mauer 1.2 <strong>und</strong><br />
1.4 verankerter Holzbalken (Abb. 5). Ein weiterer Holzbalken<br />
ist nicht erhalten, kann jedoch durch zwei weitere<br />
Balkenlöcher auf gleicher Höhe <strong>und</strong> westlich des ersten<br />
Balkens als gesichert gelten. Bei diesen beiden Balken<br />
handelt es sich höchstwahrscheinlich um die Reste eines<br />
7 Die Wände jeden Raumes wurden jeweils ausgehend von der Westmauer<br />
im Uhrzeigersinn beginnend mit „1“ fortlaufend nummeriert.
Abb. 4 Pulkau. Parzelle 18/1 (Hauptplatz 13), Gebäude 2<br />
(Gr<strong>und</strong>rissplan).<br />
Trocknungsgestells für die aus Ton geformten Rohlinge,<br />
die vor dem Brand getrocknet werden müssen. Derartige<br />
Trocknungsgestelle sind funktional bestimmt <strong>und</strong> weit verbreitet.<br />
Sie sind heute noch in traditionell arbeitenden Hafnerwerkstätten<br />
Rumäniens (Abb. 6) zu finden <strong>und</strong> haben<br />
sich beispielsweise auch in der ehemaligen Hafnerei Tschuden<br />
in Wels8 erhalten. Ebenso sind sie aus Stoob (Burgenland)<br />
bekannt, wobei dort die Trocknungsgestelle im Winter<br />
in Innenräumen aufgebaut <strong>und</strong> im Sommer vor dem<br />
Haus unter der Dachtraufe9 errichtet wurden.<br />
Eine r<strong>und</strong>e Ofenrohröffnung befindet sich in Mauer<br />
1.4 zwischen den Balkenlöchern für das Trocknungsgestell.<br />
Diese Öffnung führt in den Kamin des Gebäudes. Vermutlich<br />
stand hier ein Ofen, um den Raum bei Bedarf zu<br />
beheizen <strong>und</strong> eventuell auch den Trocknungsprozess zu<br />
unterstützen.<br />
An einer Stelle des gestampften Lehmbodens in Raum 1<br />
findet sich ein etwa 1 m 2 großes Betonf<strong>und</strong>ament, darüber,<br />
in der Decke, eine Aufhängevorrichtung. In einer Ecke des<br />
Raumes lag ein Mahlstein. Diese Indizien sind möglicherweise<br />
als Hinweise für die Existenz einer Glasurmühle zu<br />
8 Kaltenberger 2009, 790.<br />
9 Payer 1979, 142.<br />
Gabriele Scharrer-Liška, <strong>Wien</strong><br />
300<br />
Abb. 5 Pulkau. Parzelle 18/1 (Hauptplatz 13), Gebäude 2. Raum 1,<br />
Mauer 1.3 mit Resten des Trocknungsgestells.<br />
Abb. 6 Horezu (Rumänien). Trocknungsgestelle im Werkstattgebäude<br />
der Hafnerwerkstatt Mischiu.<br />
werten.10 Darüber hinaus ist anzunehmen, dass sich in diesem<br />
Raum ursprünglich die Drehscheibe befand <strong>und</strong> hier<br />
die Rohlinge hergestellt wurden.<br />
4.3.2. Raum 2 (Flur)<br />
Raum 2 weist im Gr<strong>und</strong>riss Seitenlängen von 4,35 ×<br />
1,40 m auf (Abb. 4). Durch die Türöffnung in Mauer 2.1<br />
(Westmauer) ist Gebäude 2 zu betreten. Wie bereits in<br />
Raum 1 ist auch in Raum 2 teilweise unter Verputz zu erkennen,<br />
dass die Mauern 2.2 (Nordmauer) <strong>und</strong> 2.4 (Südmauer)<br />
im unteren Bereich aus Bruchsteinen, darüber vorwiegend<br />
aus Lehmziegeln bestehen. Gleichzeitig mit der<br />
Errichtung der Lehmziegelmauern dürfte auch der heutige<br />
Zugang in das Gebäude geschaffen worden sein. Während<br />
die Türlaibung vorwiegend aus Bruchsteinen gebildet wird,<br />
liegen über dem hölzernen Türsturz ausschließlich Lehmziegel.<br />
Geringe Ausbesserungsarbeiten an der unteren,<br />
nördlichen Laibung wurden mit gebrannten Ziegeln vorgenommen.<br />
Etwa 2,75 m östlich gegenüber dem Eingang<br />
10 Fre<strong>und</strong>licher Hinweis von Günter Unteidig (Leipzig).
Erste Untersuchungsergebnisse zur Hafnerei Hehl aus der Zeit um 1900 in Pulkau<br />
befinden sich der Zugang zur Beschickungsöffnung des<br />
Brennofens (Abb. 7) <strong>und</strong> darüber der Kamin des Gebäudes.<br />
Der Mauer 2.2 (=Mauer 1.4), die (wie in Raum 1 erkennbar)<br />
im unteren Bereich aus Bruchsteinen mit einer darüberliegenden<br />
Lehmziegellage besteht, ist hier eine Mauer<br />
aus gebrannten Ziegeln vorgemauert. Analoges ist für<br />
Mauer 2.3 (Ostmauer) anzunehmen. Vermutlich ebenfalls<br />
gleichzeitig mit der Errichtung der Lehmziegelmauern ist<br />
die Türöffnung zu Raum 3 entstanden. Soweit erkennbar,<br />
ist sie weitgehend mit Lehmziegeln umrahmt, nur im unteren<br />
Bereich sind Ausbesserungsarbeiten aus gebrannten<br />
Ziegeln feststellbar.<br />
4.3.3. Raum 3 (Brennofenraum)<br />
Raum 3 ist wie Raum 1 annähernd trapezförmig <strong>und</strong> weist<br />
im Gr<strong>und</strong>riss Seitenlängen von r<strong>und</strong> 6,00, 5,20, 4,70 <strong>und</strong><br />
4,90 m auf (Abb. 4). Mauer 3.1 (Westmauer) besteht (analog<br />
zu Mauer 1.1) aus Bruchsteinen. Zu Mauer 3.4 (Südmauer)<br />
hin ist eine Baufuge sichtbar, die zeigt, dass Mauer 3.4 an<br />
Mauer 3.1 angebaut worden ist, was darauf schließen lässt,<br />
dass Mauer 3.1 älter als 3.4 ist. In die Bruchsteinmauer 3.1<br />
wurden nachträglich zwei rechteckige Fensteröffnungen<br />
gebrochen, deren Laibungen vorwiegend mit Lehmziegeln<br />
umrahmt sind. Vermutlich wurden die Fenster gleichzeitig<br />
mit der Errichtung der Mauern zwischen<br />
den Räumen 1, 2 <strong>und</strong> 3 (Lehmziegelphase)<br />
durchgebrochen. Zu einem<br />
späteren Zeitpunkt wurde das<br />
südliche der beiden Fenster mit gebrannten<br />
Ziegeln wieder zugemauert.<br />
Wenige Ausbesserungsarbeiten wurden<br />
ebenfalls mit gebrannten Ziegeln<br />
durchgeführt.<br />
Mauer 3.4 weist an ihrem westlichen<br />
Ende eine zugemauerte Türöffnung<br />
auf, die nach oben hin mit einem<br />
Segmentbogen abschließt <strong>und</strong> unten<br />
auf einer Bruchsteinschwelle aufsitzt.<br />
Die Laibung dieser Türöffnung besteht<br />
an ihrer westlichen Seite aus Spolien<br />
<strong>und</strong> gebrannten Ziegeln, an ihrer östlichen<br />
Seite nur aus gebrannten Ziegeln.<br />
Bis auf die erwähnte Bruchsteinschwelle<br />
besteht die Mauer – soweit<br />
unter dem Verputz erkennbar – ausschließlich<br />
aus gebrannten Ziegeln.<br />
Die Mauern 3.6 <strong>und</strong> 3.7 umschließen<br />
den Treppenraum, der zum Dachboden des Gebäudes<br />
führt. Mauer 3.7 besteht im unteren Bereich vorwiegend<br />
aus Lehmziegeln, im oberen aus gebrannten Ziegeln. Ähnliches<br />
trifft auf Mauer 3.6 zu. Nachträglich wurde in Mauer<br />
3.6 unter die Treppe zum Dachboden eine Nische aus<br />
gebrannten Ziegeln eingebaut. Diese Nische hat nach oben<br />
hin einen halbr<strong>und</strong>en Abschluss, wobei ein Metallbügel als<br />
Überlager dient. Vom oberen Ende dieser Nische zeigt sich<br />
im darüberliegenden Verputz die Position eines Ofenrohres,<br />
301<br />
Abb. 7 Pulkau. Parzelle 18/1 (Hauptplatz 13), Gebäude 2. Raum 2,<br />
Einfüllöffnung des Brennofens.<br />
Abb. 8 Pulkau. Parzelle 18/1 (Hauptplatz 13), Gebäude 2. Raum 3, Blick in den Brennofen.<br />
das durch die Türöffnung in Raum 2 <strong>und</strong> weiter in den Kamin<br />
führte. Die Existenz einer Feuerstelle in diesem Bereich<br />
kann also als gesichert gelten.11<br />
11 Ob hier ein kleiner Ofen zur Beheizung der Werkstatt stand oder<br />
möglicherweise Fritteglasur hergestellt wurde, ist zu verifizieren.<br />
Die erste Möglichkeit scheint insofern weniger wahrscheinlich, als<br />
sich ein solcher Ofen in Raum 3 mit dem Brennofen bef<strong>und</strong>en<br />
hätte. Sinnvoller wäre ein solcher Ofen in Raum 1, worauf auch die<br />
Ofenrohröffnung in Mauer 1.4 hinweist.
Raum 3 enthält deutlich mehr Werkstattinterieur als die<br />
Räume 1 <strong>und</strong> 2. Der Brennofen befindet sich eingemauert<br />
an der Ostseite von Raum 3. Parallel zu Mauer 3.4 befinden<br />
sich wie in Raum 1 die Reste eines Trocknungsgestells<br />
in Form eines Holzbalkens <strong>und</strong> zweier leerer Balkenlöcher.<br />
Zwischen dem Ofen <strong>und</strong> den Fensteröffnungen befinden<br />
sich eine Glasurmühle sowie eine Ausnehmung im Boden,<br />
vermutlich eine Halterung für einen Mörser. In diesem Bereich<br />
befanden sich auch Kleingeräte wie Glasurschüsseln,<br />
Glasurkellen <strong>und</strong> Glasursiebe.<br />
4.3.4. Vorläufige Bauphasengliederung von<br />
Gebäude 2<br />
Das Gebäude weist nach derzeitigen Erkenntnissen mehrere<br />
(vermutlich mindestens vier) Hauptbauphasen auf.<br />
Möglicherweise existierte in Bauphase 1 lediglich die<br />
aus Bruchsteinen bestehende Westmauer des Gebäudes. Es<br />
könnte sich dabei um eine Gr<strong>und</strong>stücksmauer gehandelt<br />
haben, <strong>und</strong> das eigentliche Gebäude wurde erst später angebaut.<br />
In Bauphase 2 wurde vermutlich das erste Gebäude<br />
an dieser Stelle errichtet. Die neu errichteten Gebäudeteile<br />
bestehen in ihren unteren Bereichen aus Bruchsteinmauerwerk;<br />
darauf wurde eine Lehmziegelmauer gesetzt. Dabei<br />
entstand das heutige Raumgefüge, indem die Ost-West verlaufenden<br />
Mauern 1.4 beziehungsweise 2.2 <strong>und</strong> 2.4 beziehungsweise<br />
3.2 sowie die Mauern des Treppenraumes, der<br />
zum Dachboden führt, eingezogen wurden. Ebenso wurde<br />
der heutige Gebäudezugang geschaffen. In diese Phase fällt<br />
wohl auch die Durchfensterung der Westmauer in Raum 3.<br />
Möglicherweise war das Gebäude ursprünglich größer als<br />
heute <strong>und</strong> ein Zugang befand sich auch im Bereich des<br />
Nordfensters des heutigen Raumes 1. Eventuell gab es einen<br />
Kellerraum unter dem Werkstattgebäude <strong>und</strong> einen<br />
Zugang zu diesem unter dem heutigen südlichen Fenster<br />
in Raum 1.<br />
Bauphase 3 fällt wahrscheinlich mit der Errichtung der<br />
Töpferwerkstatt zusammen. Der vermutliche Zugang zum<br />
Gebäude durch Raum 1 wird spätestens jetzt geschlossen,<br />
ebenso der vermutliche Kellerzugang; dafür werden an diesen<br />
Stellen zwei Fenster eingesetzt. Diese Befensterung ist<br />
durch den Einsatz von gebranntem Ziegelmaterial gekennzeichnet.<br />
Gleiches gilt für diverse Ausbesserungsarbeiten,<br />
den Einbau der Nische in Raum 3 unter der Dachbodentreppe<br />
sowie den Brennofen.<br />
In Bauphase 4 fällt die Vermauerung von je einer Fensteröffnung<br />
in Raum 1 <strong>und</strong> 3, die vermutlich bereits nach<br />
Ende der Gebäudenutzung als Werkstatt anzusetzen ist.<br />
5. Werkstattinterieur<br />
Im Werkstattgebäude der Hafnerei Hehl haben sich zahlreiche<br />
bewegliche <strong>und</strong> unbewegliche Einrichtungsgegenstände<br />
der Töpferwerkstatt erhalten. Dazu zählen neben<br />
dem Brennofen vor allem eine (oder zwei) Glasurmühle(n),<br />
eine Drehscheibe sowie zahlreiche Kleingeräte <strong>und</strong> Model.<br />
Gabriele Scharrer-Liška, <strong>Wien</strong><br />
302<br />
Abb. 9 Pulkau. Parzelle 18/1 (Hauptplatz 13), Gebäude 2. Raum 3,<br />
Glasurmühle.<br />
5.1. Brennofen<br />
Der Brennofen ist in der Osthälfte von Raum 3 eingebaut.<br />
Er weist einen annähernd rechteckigen Gr<strong>und</strong>riss mit Innenmaßen<br />
von r<strong>und</strong> 4,40 × 1,50 m auf. Von Norden nach<br />
Süden sind die Beschickungsöffnung (Abb. 7), der Brennraum,<br />
der Heizraum <strong>und</strong> die Feuerungsgrube hintereinander<br />
angeordnet. Der Brennraum misst innen etwa 3 ×<br />
1,50 m, erreicht eine maximale Höhe von r<strong>und</strong> 1,20 m<br />
<strong>und</strong> weist somit ein Volumen von r<strong>und</strong> 5,5 m 3 auf. Brenn-<br />
<strong>und</strong> Heizraum werden durch ein aus versetzt angeordneten<br />
Ziegeln konstruiertes Feuergitter voneinander getrennt<br />
(Abb. 8). Der Heizraum12 misst etwa 1,60 × 0,75 m <strong>und</strong><br />
ist durch eine Ziegelmauer mit nur einer kleinen Beschickungsöffnung<br />
am Boden von der Feuerungsgrube getrennt.<br />
Der Ofen wird von einem aus Ziegeln konstruierten<br />
Gewölbe überspannt, das oben wiederum mit waagrecht<br />
angeordneten (Bodenfliesen-?)Ziegeln abgedeckt ist.<br />
12 Der Heizraum weist einige Konstruktionsdetails auf, welche die<br />
Vermutung nahelegen, dass sich hier ursprünglich ein älterer Ofen<br />
bef<strong>und</strong>en hat (fre<strong>und</strong>licher Hinweis von Johannes Klett-Drechsel,<br />
Fredesloh). Diese Vermutung ist jedoch nur durch <strong>arch</strong>äologische<br />
Grabungen <strong>und</strong> nähere Maueruntersuchungen zu klären.
Erste Untersuchungsergebnisse zur Hafnerei Hehl aus der Zeit um 1900 in Pulkau<br />
Der Ofen zählt zum Typ der<br />
liegenden Öfen, bei welchen<br />
die Ofenräume annähernd<br />
auf einer Ebene hintereinander<br />
angeordnet sind. Die<br />
nächstgelegenen, bekannten<br />
vergleichbaren <strong>und</strong> erhaltenen<br />
Öfen befinden sich<br />
Richtung Osten in Stoob <strong>und</strong><br />
Richtung Westen in Braunau<br />
oder Oberlandshaag (Oberösterreich).<br />
Bereits 1901 untersuchte<br />
der Ethnograf Joseph<br />
Bünker die Stoober Öfen.13<br />
Sie befanden sich im Gegensatz<br />
zu dem hier in Pulkau<br />
befindlichen Ofen im freien<br />
Gelände. Gr<strong>und</strong> für diese<br />
Lage waren vermutlich günstige<br />
klimatische Bedingungen<br />
(kontinentales Klima), aber<br />
auch die Feuergefährlichkeit.<br />
Die deshalb bevorzugte<br />
räumliche Trennung von Wohngebäuden oder beispielsweise<br />
auch Lager- <strong>und</strong> Verkaufsräumlichkeiten findet sich jedoch<br />
auch in Pulkau durch die Lage des Ofens in einem<br />
vom restlichen Baubestand isolierten Gebäude. Vergleichbare<br />
Anordnungen von Wohn- <strong>und</strong> Verkaufsräumen einerseits<br />
<strong>und</strong> Werkstattgebäuden mit Ofen andererseits finden<br />
sich heute noch im Rahmen des traditionellen Töpferhandwerks<br />
in der rumänischen Walachei.14<br />
Im Fall der Vergleichsbeispiele aus Braunau <strong>und</strong> Oberlandshaag15<br />
sind die Öfen wie in Pulkau in ein Gebäude<br />
eingemauert. Sie entsprechen ebenfalls dem Typ des liegenden<br />
Ofens <strong>und</strong> wurden aus Ziegeln errichtet. Der Ofen<br />
in Oberlandshaag konnte aufgr<strong>und</strong> seiner Verfüllung mit<br />
Schutt nicht näher untersucht werden. Hingegen ließen<br />
sich am Ofen in Braunau auch die Innenmaße bestimmen,<br />
die fast exakt jenen in Pulkau entsprechen. Auch die Konstruktion<br />
des Feuergitters zur Trennung von Brenn- <strong>und</strong><br />
Heizraum ist in beiden Fällen gleich.<br />
5.2. Drehscheibe<br />
Wie erwähnt, ist zu vermuten, dass in Raum 1 des Werkstattgebäudes<br />
die Herstellung der Rohlinge auf der Drehscheibe<br />
erfolgte. Die Drehscheibe wurde auf dem darüberliegenden<br />
Dachboden aufgef<strong>und</strong>en. Es handelt sich um<br />
eine Spindelscheibe. Eine Rahmenkonstruktion ist nicht<br />
mehr erhalten, deshalb ist nicht feststellbar, ob es sich um<br />
eine linksseitige oder eine zentrierte Drehscheibe handelte.<br />
13 Bünker 1903, 330–333.<br />
14 Beispielsweise in Horezu (Rumänien), beobachtet auf einer<br />
Studienreise 2006.<br />
15 Braunau: Kaltenberger 2009, 769. – Oberlandshaag: Kaltenberger<br />
2009, 788.<br />
Abb. 10 Pulkau. Parzelle 18/1 (Hauptplatz 13). Glasursiebe <strong>und</strong> Glasurkellen.<br />
303<br />
Aufgr<strong>und</strong> von Analogien beziehungsweise regionalen Mustern16<br />
ist allerdings von Letzterem auszugehen.<br />
5.3. Glasurmühle(n) <strong>und</strong> Mörser<br />
Raum 3 des Werkstattgebäudes beherbergt eine Glasurmühle<br />
(Abb. 9) sowie eine in den Boden eingelassene Vertiefung,<br />
vermutlich für einen Mörser. Ein solcher Mörser<br />
aus Eisen (mit dazugehörendem Stößel), der exakt in diese<br />
Vertiefung passt, wurde in Raum 1 aufgef<strong>und</strong>en. Mörser<br />
wurden in vergleichbaren Hafnerwerkstätten für die erste<br />
Zerkleinerung sehr groben Glasurmaterials verwendet.17<br />
Die Glasurmühle in Raum 3 sitzt in einem Holzrahmen<br />
auf einem aus gebrannten Ziegeln bestehenden Sockel.<br />
Das Mahlwerk wurde über ein Zahnrad mit großer<br />
Übersetzung handbetrieben.18 Diese Glasurmühle scheint<br />
für das Mahlen grober Glasurbestandteile geeignet.<br />
In Raum 1 befinden sich zudem, wie bereits erwähnt,<br />
an einer Stelle des Bodens ein etwa 1 m 2 großes Betonf<strong>und</strong>ament<br />
<strong>und</strong> in der Decke darüber eine Aufhängevorrichtung.<br />
In einer Ecke des Raumes fand sich ein Mahlstein,<br />
der allerdings zu klein für die Glasurmühle in Raum 3 ist.<br />
Möglicherweise befand sich hier also eine zweite, kleinere<br />
Glasurmühle, deren Mahlwerk über ein Gestänge betrieben<br />
wurde. Vergleichbare handbetriebene Glasurmühlen waren<br />
weit verbreitet <strong>und</strong> finden sich von Rumänien über Ungarn<br />
bis nach Kärnten.19<br />
16 Peschel-Wacha 2000, 176.<br />
17 Kaltenberger 2009, 224.<br />
18 Im Unterschied dazu gibt es auch wasserbetriebene Glasurmühlen,<br />
z. B. in Osttirol: Stadler 2002, 91–110.<br />
19 Rumänien: ASTRA 1995, 250. – Ungarn: z. B. im Töpfermuseum<br />
Magyarszombatfa. – Kärnten: z. B. im Volksk<strong>und</strong>emuseum Spittal an<br />
der Drau.
5.4. Kleingeräte<br />
In Raum 3 wurden mehrere Glasursiebe (Abb. 10) beziehungsweise<br />
deren Reste vorgef<strong>und</strong>en. Dabei handelt es sich<br />
um niedrige zylindrische Holzrahmen mit engmaschigem<br />
Metallgitter. Derartige Glasursiebe sind beispielsweise auch<br />
aus zeitgleichen Hafnerwerkstatt-Inventaren aus Oberösterreich20<br />
bekannt. Sie dienten zum Aussieben grober Partikel<br />
aus der gemahlenen Glasur.<br />
Im Werkstattgebäude befanden sich <strong>Keramik</strong>schüsseln<br />
beziehungsweise Fragmente solcher, die innen Rückstände<br />
noch zu analysierender Substanzen enthielten. Aufgr<strong>und</strong><br />
der Farbe dieser Rückstände wird derzeit vermutet, dass es<br />
sich dabei um Reste von Mennige21 handelt, einer Bleiverbindung,<br />
die bei der Herstellung von Bleiglasuren eingesetzt<br />
wurde. Töpfe oder Schüsseln mit optisch vergleichbaren<br />
Rückständen sind beispielsweise aus Frankenburg<br />
(Oberösterreich)22 bekannt.<br />
Unter den Resten des Werkstattinventars wurden auch<br />
mehrere Schöpfkellen (Abb. 10) aus Metall mit langem geradem<br />
Stiel <strong>und</strong> halbkugeligem Ende gef<strong>und</strong>en. Derartige<br />
Kellen dienten zum Auftragen der Glasursuspension auf<br />
den Rohling oder den geschrühten Scherben <strong>und</strong> sind bereits<br />
andernorts zahlreich bekannt, so beispielsweise in Abfaltersbach<br />
(Osttirol).23 Dort konnte noch ein Hafner über<br />
den Glasurvorgang befragt werden. Demnach wurde mit<br />
Hilfe einer Kelle der Glasurbrei aus einer Schüssel in beziehungsweise<br />
auf den Rohling gegossen. Ein Eintauchen des<br />
Rohlings in den Glasurbrei, wie es andernorts durchaus üblich<br />
war <strong>und</strong> ist, sei verpönt gewesen.<br />
5.5. Model<br />
Auf dem Dachboden über der Hafnerwerkstatt wurden<br />
vom gegenwärtigen Besitzer zahlreiche Gipsmodel gef<strong>und</strong>en.<br />
Darunter befanden sich etliche zur Herstellung von<br />
einfachen Blumentöpfen, aber auch solche zur Herstellung<br />
von Zierkeramik. Die Model könnten darauf hinweisen,<br />
dass möglicherweise neben der Formung auf der<br />
Drehscheibe Rohlinge auch durch Gießen <strong>und</strong> Pressen<br />
in Model hergestellt wurden. Diese Hypothese ist allerdings<br />
noch durch weitere Forschungen zu verifizieren oder<br />
falsifizieren.<br />
20 Kaltenberger 2009, 833.<br />
21 Mämpel 1994, 27. – Kaltenberger 2009, 222.<br />
22 Kaltenberger 2009, Abb. 330, Abb. 816b.<br />
23 Stadler 2002, 142.<br />
Gabriele Scharrer-Liška, <strong>Wien</strong><br />
304<br />
6. Produktions- <strong>und</strong> Verkaufsschienen der<br />
Werkstatt Hehl<br />
Aufgr<strong>und</strong> der derzeit bekannten überlieferten Bildquellen<br />
<strong>und</strong> Realien fuhr die Werkstatt Hehl vermutlich mehrere<br />
Produktionsschienen. In der Werkstatt wurde einerseits<br />
Gebrauchs- <strong>und</strong> Baukeramik in Form von (glasierter) Irdenware<br />
hergestellt. Ob die Model zur Herstellung von<br />
Zierkeramik ebenfalls in der Werkstatt Hehl in der <strong>Keramik</strong>produktion<br />
Verwendung fanden oder ihre Anwesenheit<br />
hier anders zu erklären ist, ist durch weitere Forschungen<br />
zu eruieren.<br />
Auf dem zeitgenössischen Foto (Abb. 1) des Hafnereibetriebes<br />
werden in der darauf abgebildeten Preisliste auch<br />
Produkte aus Porzellan angeboten. Dieses kann nicht in der<br />
Hafnerei Hehl selbst hergestellt worden sein. Der Brennofen<br />
ist für die Porzellanherstellung ungeeignet. Offenbar<br />
hat der Betrieb aber auch Ware aus Fremdproduktion zum<br />
Verkauf angeboten.<br />
7. Ausblick<br />
Die „Konservierung“ der Hafnerwerkstatt Hehl aus der<br />
Zeit um 1900 ist ein seltener Glücksfall, wie er kultur- <strong>und</strong><br />
wirtschaftshistorisch arbeitenden Wissenschaften nur selten<br />
begegnet. Neben der Überlieferung der Werkstatt-, Wohn-<br />
<strong>und</strong> Verkaufsräume sind auch Drehscheibe, Brennofen,<br />
Glasurmühle <strong>und</strong> zahlreiche Kleingeräte sowie ein Teil der<br />
Hafnerei(halbfertig)produkte vorhanden. Gr<strong>und</strong>stücksakten<br />
<strong>und</strong> Einwohnerlisten von Pulkau, die bis in das 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
zurück erhalten sind, sollten die Rekonstruktion<br />
der für die Hafnerei Hehl relevanten Besitzgeschichte des<br />
Gr<strong>und</strong>stücks ermöglichen. Der vorliegende Bericht stellt<br />
erste Ergebnisse der Untersuchungen zur Hafnerwerkstatt<br />
Hehl vor, zeigt aber gleichzeitig zahlreiche Arbeiten (detaillierte<br />
Bauanalyse, Auswertung von Schriftquellen, Aufnahme<br />
<strong>und</strong> Auswertung der Realien) auf, die bis zu einer<br />
vollständigen wissenschaftlichen Aufarbeitung <strong>und</strong> Analyse<br />
noch erforderlich sind.
Literatur<br />
Erste Untersuchungsergebnisse zur Hafnerei Hehl aus der Zeit um 1900 in Pulkau<br />
ASTRA 1995<br />
Tausendjährige rumänische Zivilisation im „ASTRA“-Museum<br />
Sibiu, Sibiu 1995.<br />
Binding 1987<br />
Günther Binding, Architektonische Formenlehre 2 , Darmstadt<br />
1987.<br />
Bünker 1903<br />
Josef Bünker, Die Hafneröfen in Stoob. Mitteilungen der Anthropologischen<br />
Gesellschaft in <strong>Wien</strong> 33, <strong>Wien</strong> 1903, 329–335.<br />
Endres 1994<br />
Werner Endres, Straubinger <strong>Keramik</strong> um 1600. Der F<strong>und</strong>komplex<br />
„vorm obern tor“. Vorbericht 8: Die Ofenkeramik<br />
aus den Objekten 34 <strong>und</strong> 37 des sogenannten „Arco“-Komplexes,<br />
Straubing, Alburger Weg. Jahresbericht des Historischen<br />
Vereins für Straubing <strong>und</strong> Umgebung 96, Straubing<br />
1994, 161–142.<br />
Endres <strong>und</strong> Loers 1981<br />
Werner Endres <strong>und</strong> Veit Loers, Spätmittelalterliche <strong>Keramik</strong><br />
aus Regensburg. Neuf<strong>und</strong>e in Prebrunn, Regensburg 1981.<br />
Kaltenberger 2009<br />
Alice Kaltenberger, <strong>Keramik</strong> des Mittelalters <strong>und</strong> der Neuzeit<br />
in Oberösterreich 1: Gr<strong>und</strong>lagen. Studien zur Kulturgeschichte<br />
von Oberösterreich 23, Linz 2009.<br />
Kreitner u. a. 2005<br />
Thomas Kreitner, Wolfgang Breibert, Melitta Perc, Mariela<br />
Stoilova <strong>und</strong> Roswitha Thomas, KG Tulln. F<strong>und</strong>berichte<br />
aus Österreich 44, 2005, <strong>Wien</strong> 2006, 34–35.<br />
Mämpel 1994<br />
Uwe Mämpel, Die Bleiglasur in der <strong>Keramik</strong>. Deutsche keramische<br />
Gesellschaft Fachausschussbericht 31, Erlangen 1994.<br />
305<br />
Payer 1979<br />
Johann Payer, Ein Beitrag zur Geschichte des Hafnerhandwerks<br />
in Stoob. In: 750 Jahre Stoob 1229–1979, Eisenstadt<br />
1979, 128–149.<br />
Peschel-Wacha 2000<br />
Claudia Peschel-Wacha, Zeitgenössische Töpfer in Kärnten<br />
<strong>und</strong> der Südsteiermark. U. a. auch über die Herstellung<br />
von „Bixn“ <strong>und</strong> die Verwendung der „linksseitigen Töpferscheibe<br />
mit schrägem Sitzbrett“. In: Uwe Mämpel <strong>und</strong> Werner<br />
Endres (Hrsg.), Der keramische Brand. Beiträge zum<br />
32. Internationalen Hafnerei-Symposion des Arbeitskreises<br />
für <strong>Keramik</strong>forschung in Bremen vom 27. September bis zum<br />
3. Oktober 1999, Höhr-Grenzhausen 2000, 171–178.<br />
Puschnik <strong>und</strong> Puschnik 1998<br />
Herbert Puschnik <strong>und</strong> Herta Puschnik, Pulkau. Stadtgeschicht<br />
– Kunst – Kultur, Horn 1998.<br />
Scharrer-Liška <strong>und</strong> Scherrer 2010<br />
Gabriele Scharrer-Liška <strong>und</strong> Peter Scherrer, Hafner,<br />
Händler, Franziskaner. Archäologische Untersuchungen zum<br />
Mittelalter in St. Pölten, Niederösterreich. Beiträge zur Mittelalter<strong>arch</strong>äologie<br />
in Österreich, Beiheft 8, <strong>Wien</strong> 2010.<br />
Stadler 2002<br />
Harald Stadler, Untersuchungen zur neuzeitlichen <strong>Keramik</strong>produktion<br />
im Pustertal am Beispiel der Hafnerei Höfer-<br />
Troger-Steger in Abfaltersbach, Osttirol. Ne<strong>arch</strong>os 11, Innsbruck<br />
2002.<br />
Abbildungsnachweis<br />
Abb. 1: Privatbesitz Gerhard Bauer<br />
Abb. 2–9: Gabriele Scharrer-Liška<br />
Abb. 10: Rudi Huber<br />
Dr. Gabriele Scharrer-Liška<br />
<strong>VIAS</strong>, <strong>Universität</strong> <strong>Wien</strong><br />
Franz-Klein-Gasse 1<br />
A-1190 <strong>Wien</strong><br />
gabriele.scharrer@univie.ac.at