Kanzleizeitung 01/03/10
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Seite 2<br />
<strong>Kanzleizeitung</strong> vom 1.<strong>03</strong>.2<strong>01</strong>0<br />
Der EuGH hatte sich mit der Frage<br />
zu befassen, ob das deutsche Apothekengesetz<br />
gegen Europarecht,<br />
insbesondere die Niederlassungsfreiheit,<br />
verstößt. Und die Luxemburger<br />
Richter schafften Klarheit: Das<br />
Fremdbesitzverbot ist europarechtskonform.<br />
Apothekengesetz<br />
Die Beschränkungen des deutschen<br />
Apothekengesetzes lassen sich nach<br />
der Argumentation des EuGH mit<br />
dem Ziel rechtfertigen, eine sichere<br />
und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung<br />
der Bevölkerung<br />
sicherzustellen. Wenn eine Ungewissheit<br />
hinsichtlich des Vorliegens<br />
oder der Bedeutung von Gefahren<br />
für die menschliche Gesundheit<br />
bleibt - so die luxemburgischen Richter<br />
- muss ein Mitgliedstaat Schutzmaßnahmen<br />
treffen können, ohne<br />
warten zu müssen, bis der Beweis<br />
für das tatsächliche Bestehen dieser<br />
Gefahren vollständig erbracht ist.<br />
Die Gesundheit der Bevölkerung hat<br />
Vorrang. Zudem könne der Mitgliedstaat<br />
diejenigen Maßnahmen treffen,<br />
die eine Gefahr für die Gesundheit<br />
der Bevölkerung, wozu im Einzelnen<br />
eine Gefahr für die sichere und<br />
qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung<br />
der Bevölkerung gehört,<br />
weitestmöglich verringern. In diesem<br />
Zusammenhang betont der Gerichtshof<br />
den ganz besonderen Charakter<br />
der Arzneimittel, deren therapeutische<br />
Wirkungen sie substantiell<br />
von den übrigen Waren unterscheiden<br />
würden. Nichtapotheker<br />
unterscheiden sich von Apothekern<br />
dadurch, dass sie definitionsgemäß<br />
keine derjenigen der Apotheker entsprechende<br />
Ausbildung, Erfahrung<br />
und Verantwortung haben. Demnach<br />
bieten sie nicht die gleichen Garantien<br />
wie Apotheker.<br />
Es ging bei der Entscheidung des<br />
EuGH auch um die Frage, ob nicht<br />
mildere Mittel denkbar wären, welche<br />
den gleichen Schutzzweck erreichen<br />
könnten. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />
dass jeder deutsche<br />
Apotheker auch gleichzeitig ein<br />
Kleinunternehmer ist, dem es natürlich<br />
darum geht, neben der Gesund-<br />
powered by<br />
Medizinrecht - DocMorris<br />
Der Europäische Gerichthof (EuGH) sorgt<br />
für klare Verhältnisse.<br />
heitsversorgung auch Gewinne zu<br />
erzielen.<br />
Arzneimittelversorgung<br />
Dieses Argument ließ der EuGH<br />
nicht gelten. Es sei nicht erwiesen,<br />
dass eine weniger beschränkende<br />
Maßnahme als der Ausschluss von<br />
Nichtapothekern es erlauben würde,<br />
ebenso wirksam das sich aus der<br />
Anwendung dieser Regel ergebende<br />
Niveau der Sicherheit und Qualität<br />
der Versorgung der Bevölkerung mit<br />
Arzneimitteln sicherzustellen.<br />
Aufgrund seines Wertungsspielraums<br />
kann ein Mitgliedstaat der<br />
Ansicht sein, dass die Gefahr besteht,<br />
dass in der Praxis gegen weni-<br />
ger beschränkende Regeln zur Sicherstellung<br />
der beruflichen Unabhängigkeit<br />
der Apotheker, wie etwa ein<br />
Kontroll- und Sanktionssystem, verstoßen<br />
wird, weil das Interesse eines<br />
Nichtapothekers an der Erzielung<br />
von Gewinnen nicht entsprechend<br />
dem der selbständigen Apotheker<br />
gemäßigt würde. Die Unterstellung<br />
von Apothekern als Angestellte<br />
eines Betreibers könnte es für<br />
sie schwierig machen, sich den von<br />
diesem Betreiber erteilten Anweisungen<br />
zu widersetzen.<br />
Die Bedeutung des EuGH-Urteils<br />
beschränkt sich keineswegs auf<br />
Deutschland sondern geht über Ländergrenzen<br />
hinweg. So existieren<br />
Fremdbesitzverbote für Apotheken<br />
in insgesamt 15 europäischen Mit-<br />
gliedstaaten. Die EU-Kommission<br />
hatte gegen Italien ein Vertragsverletzungsverfahren<br />
eingeleitet, über<br />
welches im gleichen Zuge wie im Fall<br />
DocMorris entschieden wurde - zugunsten<br />
der italienischen Regelung<br />
betreffend des Fremdbesitzverbotes.<br />
Frankreich und Spanien wurden<br />
zwar nicht verklagt, jedoch besteht<br />
auch dort ein Fremdbesitzverbot, so<br />
dass ein negatives Urteil des EuGH<br />
sich in diesen Ländern in gleichem<br />
Maße ausgewirkt hätte.<br />
Franchiseunternehmen<br />
Keine Auswirkung hat das luxemburgische<br />
Urteil übrigens für die<br />
deutschen Franchisenehmer, welche<br />
das Logo des Unternehmens Doc-<br />
Morris verwenden. Denn deren<br />
Apotheken werden von approbierten<br />
Inhabern betrieben. Wirtschaftlich<br />
und pharmazeutisch gelten diese<br />
Apotheken als unabhängig von<br />
DocMorris und dem Mehrheitseigner<br />
Celesio.<br />
Während viele Apotheker nach dem<br />
Urteil des EuGH aufatmen, stehen<br />
die Patienten auch weiterhin vor dem<br />
Problem, Medikamente zu niedrigen<br />
Preisen unmittelbar in der Apotheke<br />
zu bekommen. Am derzeitigen<br />
status quo wird sich nach der EuGH-<br />
Entscheidung jedenfalls nichts ändern.<br />
Autor: RA Sebastian Bansi LL.M. Eur.,<br />
Wiesbaden<br />
Mietrecht -<br />
Lüften<br />
Übermäßiges Lüften ist<br />
keine Mieterpflicht.<br />
Tritt in einer Mietwohnung Schimmelbefall<br />
auf, so entbrennt oft ein<br />
Streit zwischen Mieter und Vermieter<br />
über die Frage, wer für die Beseitigung<br />
des Schimmels, beziehungsweise<br />
der hierdurch entstandenen<br />
Feuchtigkeitsschäden verantwortlich<br />
ist. Hierbei wird im Regelfall von<br />
Mieterseite behauptet, der Schimmelbefall<br />
sei baubedingt. Die Vermieterseite<br />
argumentiert hingegen<br />
gewöhnlich, die Mieterseite habe<br />
falsch, beziehungsweise unzureichend<br />
gelüftet und geheizt.<br />
Schimmel<br />
Endet diese Streitigkeit vor Gericht,<br />
wird normalerweise ein Sachverständiger<br />
beauftragt, um die Ursache des<br />
Schimmelbefalls zu klären. Führt die<br />
Einholung des Gutachtens zu dem<br />
Ergebnis, der Schimmel ist allein auf<br />
nutzerbedingtes Fehlverhalten zurück<br />
zu führen, so ist regelmäßig die<br />
Mieterseite für die Beseitigung des<br />
Schimmels verantwortlich.<br />
In dem vom Landgericht Dortmund<br />
(Urteil vom 20. November 2007,<br />
Aktenzeichen 1 S 49/07) zu entscheidenden<br />
Fall stellte sich durch<br />
Einholung eines Gutachtens heraus,<br />
dass der Schimmelbefall durch ein<br />
anderes Lüftungsverhalten und Heizen<br />
der Mieter hätte verhindert werden<br />
können. Dennoch verurteilte das<br />
Gericht die Mieterseite nicht zur<br />
Beseitigung der entstandenen Feuchtigkeitsschäden.<br />
Grund hierfür war,<br />
dass die Schimmelbildung laut Sachverständigengutachten<br />
nur bei sehr<br />
häufigem Lüften, nämlich bis zu sieben<br />
Mal täglich, zu verhindern gewesen<br />
wäre.<br />
Ein solch häufiger Luftwechsel wurde<br />
durch das Gericht als unzumutbar<br />
angesehen und damit ein nutzerbedingtes<br />
Fehlverhalten verneint. Von<br />
Mietern könne nur ein übliches<br />
Wohnverhalten gefordert werden.<br />
Dieses sei nicht mehr gegeben, wenn<br />
ein übermäßiges Wechseln der Raumluft<br />
verlangt werde. Die hier geforderte<br />
Anzahl der Lüftungen sei jedenfalls<br />
als übersteigert und nicht<br />
mehr als üblich und hinnehmbar anzusehen.<br />
Autor: RA Andreas Felten, Bonn