PDF - Chaosradio - CCC
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FUCKED UP<br />
Fear, Uncertainty, Consumption,<br />
Knowledge... Und Palladium<br />
von Erdgeist <br />
Wir haben vor allem Möglichen Angst. Ist ja auch nur zu natürlich. Bei allem, was man<br />
immer so liest und hört. Es ist eine schreckliche Welt da draußen und das Einzige, was<br />
uns noch retten kann, ist: viel Geld auszugeben.<br />
Was es genau ist, das uns Angst machen muß? Das ist<br />
von Fall zu Fall natürlich unterschiedlich. Aber generell<br />
sind es zwei Dinge, die sie verursachen: Unwissenheit<br />
und Unsicherheit. Und es gibt genug Leute, die von<br />
deiner Angst leben: Politiker, Polizisten, Anwälte, Versicherungsverteter,<br />
Potenzpillenhersteller, die Presse, die<br />
Rüstungsindustrie, sogar Greenpeace. Also gibt es auch<br />
ein vitales Interesse, dir deine schöne Angst nicht wegzunehmen.<br />
Man sehe sich nur die RTL-Abendnachrichten<br />
an und spiele ein kleines Spiel: versucht einmal,<br />
jeden Beitrag in eine der beiden Kategorien Angst<br />
oder Konsum einzuordnen. Und dann sagt, wo es die<br />
idyllischeren Bilder zu sehen gibt. Und wieviel Hintergrundinformationen<br />
vermittelt wurden. Dann schaue<br />
man sich die darauffolgende Soap an und sage, welche<br />
Gestalten gemeinhin als Sympathieträger oder Identifikationsfiguren<br />
propagiert werden. Wissen und Intelligenz<br />
ist nicht schick, Erfolg nicht mehr Ergebnis von<br />
Fleiß. Daß gerade bei der Bildung gespart wird, wenn<br />
es nicht um die Elite geht, mag Zufall sein. Der Trend<br />
jedoch ist erkennbar: weg vom mündigen Bildungsbürger,<br />
hin zum modernen Konsumbürger mit all seinen<br />
pflegebedürftigen ngsten.<br />
Was uns das als Hacker interessieren muß, die wir doch<br />
größtenteils reflektierte, nicht vom Konsum verblendete<br />
Heroen sind? Wir sind das prototypische Feindbild<br />
des Konsums. Wir schließen uns meist nicht der<br />
Finanzelite an und versuchen nicht einmal, eine berechenbare<br />
Gegenelite zu bilden. Unser erklärtes Ziel ist<br />
es, Herrschaftswissen zu nehmen und dem Beherrschten<br />
zugänglich zu machen, zudem sein privates Wissen<br />
vor der zentralen Erfassung zu schützen. Höchste<br />
Zeit, dem Hacker ein bedrohliches Image zu verpassen<br />
und am besten noch mit dieser neuen Angst Geld<br />
6 6<br />
#80 / viertes quartal 2002<br />
zu verdienen. Hier eine proprietäre Virenscan-Software,<br />
dort eine Closed-Source Firewall, und natürlich im<br />
Fernsehen neben den Bösen, die Bomben auf Unschuldige<br />
werfen, der Hacker, der sich deine Festplatte zum<br />
Ziel genommen hat, so zwischen Überschwemmung,<br />
Lebensmittelvergiftungen und der Werbung. Da, wo<br />
die Komplexität des Systems das Verständnis sprengt<br />
und darüber hinaus magische, fast religiöse Grenzen<br />
ankratzt, findet auch leicht die Überhöhung des<br />
Hackers ins Diabolische statt.<br />
Aber auch wenn man die Angst durch Bildung<br />
bekämpft, bleibt sie nominal oft gleich: Denn hier führt<br />
Beseitigung der Unwissenheit zu einer Zunahme der<br />
eigenen Unsicherheit - die zweite Quelle der Angst.<br />
Wem zum Beispiel vertrauen wir denn in letzter Zeit<br />
unser Weltwissen an? Wir vertrauen darauf, daß in<br />
einem Prozessor, dessen Leiterbahnen wir mit bloßem<br />
Augen nicht mehr erkennen können, sich Elektronen<br />
in gerade der richtigen Anzahl an den richtigen Stellen<br />
zusammensammeln, um bestimmte Schwellenwerte<br />
zu unter- oder überschreiten. Im Optimalfall kommt<br />
dabei die gewünschte Transformation der Daten heraus.<br />
Die Ergebnisse werden in Abermilliarden schnell<br />
flüchtiger Rückkopplungsgattern (üblicherweise Speicher<br />
genannt) abgelegt. Was aufhebenswert erscheint,<br />
wird als mikroskopisch kleine Magnetisierungsinsel auf<br />
schnell rotierende Metallscheiben gebannt, ständig auf<br />
der Furcht vor externen Magnetfeldern. Und wenn<br />
wir ernsthaft an das Konservieren für später denken,<br />
benutzen wir extrem lichtempfindliche Billigstkunststoffscheiben,<br />
in die wir mit starken Lampen Löcher<br />
brennen, diese mit weniger starken Lampen wieder<br />
abtasten, nur um die Daten kurz darauf dem selben<br />
Zyklus zu unterwerfen. (Wie lichtempfindlich die<br />
die datenschleuder