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Jürgen Nettekoven<br />

Herzfrequenzmessung<br />

im Ausdauersport<br />

Möglichkeiten und Grenzen<br />

<strong>de</strong>r Aussagefähigkeit


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Möglichkeiten und Grenzen <strong>de</strong>r Aussagefähigkeit<br />

Jürgen Nettekoven<br />

Statistiken führen zu Pauschalen, Pauschalen zum<br />

Schubla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nken. Wissen, welches blind übernommen und nicht<br />

hinterfragt wird, führt zu Dogmen.<br />

Schubla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nken und Dogmen sind die Todfein<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Individualität.


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Alle Rechte <strong>de</strong>r Übersetzung, <strong>de</strong>r Vervielfältigung und Verbreitung, <strong>de</strong>r<br />

Fotokopie, <strong>de</strong>r digitalen Form und <strong>de</strong>s auszugsweisen Nachdrucks liegen<br />

grundsätzlich beim Autor. Die PDF-Version ist Freeware, ich hege keinerlei<br />

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Bildnachweis: Alle in diesem Buch vorkommen<strong>de</strong>n Fotos wur<strong>de</strong>n als<br />

lizenzfreie Fotos gekauft, vom Autor selbst gemacht, stammen aus einer<br />

Grafik-Software o<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n freundlicherweise vom Urheber zur Verfügung<br />

gestellt (teilweise kennzeichnungspflichtig). Fotos, welche vom Urheber für<br />

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mit <strong>de</strong>m Inhalt dieser Seiten zu tun haben. Ich gehe davon aus, dass alle,<br />

welche diese Literatur lesen und die Informationen dann für ihr Training<br />

nutzen, gesund sind und ggf. ihre Gesundheit von einem Arzt überprüfen<br />

lassen. Trotz sorgfältiger Prüfung kann ich keine Haftung für die Inhalte<br />

externer Links übernehmen. Für <strong>de</strong>n Inhalt solcher Seiten sind<br />

ausschließlich <strong>de</strong>ren Betreiber verantwortlich.<br />

Rechtschreibung und Grammatik wur<strong>de</strong>n mit Version 8.0 überprüft. Aus Kostengrün<strong>de</strong>n ist<br />

ein professionelles Lektorat lei<strong>de</strong>r nicht möglich. Die diesbezügliche<br />

Qualität ist hoffentlich <strong>de</strong>nnoch ansehnlich. Manche Fachbezeichnungen,<br />

wie , usw., wer<strong>de</strong>n von<br />

mir als Eigennamen dargestellt und <strong>de</strong>shalb groß geschrieben.<br />

Aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Vereinfachung wird hier in <strong>de</strong>r Regel die männliche, als<br />

neutral gedachte Anre<strong>de</strong>form gewählt.<br />

- 3 -<br />

Version 3.0.2 – Januar 2013 – © Jürgen Nettekoven<br />

E-Mail: <strong>jn</strong>-ausdauertraining@unitybox.<strong>de</strong><br />

Web: www.ausdauertraining-<strong>jn</strong>.<strong>de</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhalt<br />

Vorwort / Einleitung ……………………………………………………………………… 7<br />

KAPITEL 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz 16<br />

Das Herz im Sport …………………………………………………………………………… 17<br />

Das Herz ………………………………………………………………………………………… 17<br />

Das Herz und Trainingsbelastungen ……………………………………………… 18<br />

Das Herz und <strong>de</strong>r Sauerstoff ………………………………………………………… 20<br />

Das Herz und die Arbeitsmuskulatur …………………………………………… 22<br />

Die Herzfrequenz als Parameter zur Trainingssteuerung ……… 25<br />

Herzfrequenzbezeichnungen ………………………………………………………… 30<br />

Die Pulsfrequenz …………………………………………………………………………… 31<br />

Die Herz(schlag)frequenz ……………………………………………………………… 29<br />

Die Ruhe-Herzfrequenz ………………………………………………………………… 30<br />

Die Maximale Herzfrequenz …………………………………………………………… 34<br />

Die Vorbelastungs- / Vorstart-Herzfrequenz ………………………………… 37<br />

Die Belastungs-Herzfrequenz und Herzfrequenzreserve ……………… 37<br />

Die Nachbelastungs-Herzfrequenz ………………………………………………… 39<br />

Die Herzratenvarianz (HRV) ………………………………………………………… 41<br />

Einflussfaktoren auf das Herzfrequenzverhalten ……………………… 49<br />

Einflussfaktoren in <strong>de</strong>r Analyse ……………………………………………………… 51<br />

- 4 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

KAPITEL 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe 68<br />

Die Maximale Herzfrequenz als Maßstab …………………………………… 69<br />

Die Interpretation <strong>de</strong>s Herzfrequenzverhaltens ……………………… 75<br />

- 5 -<br />

Die Herzfrequenz und die Anaerobe Schwelle ……………………………… 75<br />

Der Hoch- und Niedrigpulser ………………………………………………………… 81<br />

Das Herzfrequenzverhalten bei Frauen ………………………………………… 84<br />

Das Herzfrequenzverhalten bei Sportanfängern …………………………… 87<br />

Das Herzfrequenzverhalten bei Kin<strong>de</strong>rn und Senioren ………………… 93<br />

Das Herzfrequenzverhalten bei Schwangeren ……………………………… 94<br />

Das Herzfrequenzverhalten bei Hitze …………………………………………… 95<br />

Das Herzfrequenzverhalten bei unterschiedlichen Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong>n… 99<br />

Die Interpretation von Herzfrequenzleistungskurven ………………… 114<br />

Fallbeispiele …………………………………………………………………………………… 156<br />

Die Herzfrequenz als sehr vager Anhaltspunkt ………………………… 188<br />

Was ist Intensität? ………………………………………………………………………… 188<br />

Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Ursache-Wirkungs-Kette ……………………… 191<br />

Die Herzfrequenz und an<strong>de</strong>re Messgrößen als Variable ……………… 195<br />

KAPITEL 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis 212<br />

Anwendungsphilosophien ……………………………………………………………… 213<br />

Die Herzfrequenz und Ausdauertests …………………………………………… 213<br />

Die Herzfrequenz und Fitnesssport ……………………………………………… 224<br />

Die Herzfrequenz und Nordic-/Walken ………………………………………… 229<br />

Die Herzfrequenz im Fitnessstudio ……………………………………………… 231<br />

Die Herzfrequenz und Gewichtsreduktion …………………………………… 240<br />

Ausdauersportarten ……………………………………………………………………… 243


Inhalt<br />

Die Herzfrequenz im Training und Wettkampf ………………………… 253<br />

Die Herzfrequenz im Training ……………………………………………………… 253<br />

Die Herzfrequenz im Wettkampf …………………………………………………… 261<br />

Das Herzfrequenzverhalten während einer Leistungsentwicklung 265<br />

Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Anwendung …………………………………………… 267<br />

Pro und Kontra ……………………………………………………………………………… 267<br />

Häufig gestellte Fragen ………………………………………………………………… 269<br />

Das Herzfrequenzmessgerät ………………………………………………………… 273<br />

Die Herzfrequenz-Trainingszonen ………………………………………………… 279<br />

Variieren<strong>de</strong> Intensität als Bedingung für eine Leistungssteigerung 279<br />

Die verschie<strong>de</strong>nen Intensitätsbereiche ………………………………………… 280<br />

Metho<strong>de</strong>n zur Berechnung <strong>de</strong>r Intensitätsbereiche ……………………… 285<br />

Die Bandbreite <strong>de</strong>r Intensitätsbereiche ………………………………………… 285<br />

Arbeitsweise <strong>de</strong>s Autors ………………………………………………………………… 290<br />

Leistungsdiagnostik ……………………………………………………………………… 311<br />

KAPITEL 4 – Herzfrequenzmessung –<br />

……………….. Ein Fazit <strong>de</strong>s Autors 318<br />

Wie wichtig ist die HF-Messung überhaupt? ……………………………… 319<br />

Der Mensch am Gängelband <strong>de</strong>r Technik ……………………………………… 319<br />

Neigen wir zur methodischen Übertreibung? ……………………………… 320<br />

In <strong>de</strong>n Fängen von Marketing ……………………………………………………… 323<br />

Beratungsgespräche ……………………………………………………………………… 327<br />

Weg mit <strong>de</strong>m Tunnelblick ……………………………………………………………… 329<br />

Anhang ……………………………………………………………………………………………… 332<br />

Literatur ………………………………………………………………………………………… 335<br />

- 6 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Vorwort / Einleitung<br />

Über mich<br />

Aus einer eigentlich völlig unsportlichen<br />

Familie kommend, bin ich seit meinem<br />

16. Lebensjahr vom „Ausdauersport-<br />

Virus“ infiziert. Begonnen habe ich 1984<br />

mit <strong>de</strong>m Radsport. Nach ein paar Jahren<br />

habe ich dann aber zum Laufsport<br />

gewechselt, da dort mein Talent <strong>de</strong>utlich<br />

größer war und wo ich Anfang <strong>de</strong>r 90er<br />

auch meine beste Zeit hatte. Eine Weile<br />

war ich auch im Duathlon aktiv.<br />

Muskuläre Beschwer<strong>de</strong>n zwangen mich<br />

dann lei<strong>de</strong>r für einige Jahre zur nahezu völligen Aufgabe <strong>de</strong>s<br />

Ausdauersports, weshalb ich mich nach einiger Zeit dazu entschloss,<br />

(damals noch voller Vorurteile) ein Fitnessstudio in unseren Ort<br />

aufzusuchen, um mich alternativ sportlich zu betätigen. Dadurch ergab es<br />

sich dann, dass ich (eigentlich aus <strong>de</strong>m Handwerk kommend) auf <strong>de</strong>n<br />

beruflichen Weg eines Trainers abgebogen bin. Seit bald zwei Jahrzehnten<br />

bin ich dabei im Gesundheits-, Fitness- und Breitensport tätig. Die<br />

Erfahrung und das Wissen, welche ich im Leistungssport gesammelt habe,<br />

setzte ich entsprechend auch in meinem Beruf ein.<br />

Im Laufe <strong>de</strong>r Zeit war wie<strong>de</strong>r ein leistungsorientiertes <strong>Ausdauertraining</strong><br />

möglich und seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1990er Jahre bin ich wie<strong>de</strong>r aktiver Läufer.<br />

Zuerst an 10 km bis Halbmarathon orientiert, und seit 2007 auf Ultraläufe<br />

spezialisiert. Als Ultraläufer sind meine sportlichen Ambitionen nicht mehr<br />

auf Zielzeiten ausgerichtet, diese spielen keine Rolle mehr. Statt<strong>de</strong>ssen ist<br />

<strong>de</strong>r Weg das Ziel, bei <strong>de</strong>nen Dauer und Streckenprofil die Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

darstellen. Bestzeiten sind irrelevant.<br />

Aus <strong>de</strong>r Verknüpfung Sport als Aktiver und Sport als Trainer hat sich die<br />

Freu<strong>de</strong> an literarischer Tätigkeit entwickelt, und es ist im Laufe <strong>de</strong>r Jahre<br />

sehr viel Text bzw. Literatur entstan<strong>de</strong>n, woraus auch dieses Buch<br />

resultiert.<br />

- 7 -


Eine kleine Vorgeschichte<br />

Vorwort / Einleitung<br />

Irgendwann Mitte <strong>de</strong>r 1990er Jahre: Ich experimentiere seit ein paar<br />

Wochen mit meinem herum, ein Herzfrequenzmessgerät, für<br />

das ich satte 350,- DM auf <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>ntisch gelegt hatte. Dazu kaufte ich mir<br />

auch ein Buch über Pulsmessung, in <strong>de</strong>m schön über die Effektivität eines<br />

solchen Gerätes geschrieben wird, inklusive Anleitung, wie man damit<br />

trainieren könne. Erstaunt muss ich nun bei meinen Läufen immer<br />

feststellen, dass mein Puls irgendwie viel zu hoch ist, obwohl ich mich sehr<br />

gut dabei fühle. Ich muss mich heftig ausbremsen, um die empfohlenen<br />

Pulswerte einzuhalten. Ich beschließe nun erst mal die hohen Werte zu<br />

akzeptieren, irgendwann wer<strong>de</strong>n die schon sinken.<br />

Szenenwechsel: In <strong>de</strong>r Fitnessanlage, in<br />

<strong>de</strong>r ich als Trainer tätig bin, wird nun auch<br />

mit Pulsmessung gearbeitet. Voll motiviert,<br />

nun einigen Ausdauerinteressierten<br />

effektivere Trainingsvorgaben geben zu<br />

können, kritzele ich mit Lineal und Bleistift<br />

Vorlagen für Trainingsprogramme (für ein<br />

Training auf <strong>de</strong>m Fahrra<strong>de</strong>rgometer). Es<br />

sind auch Programme dabei, bei <strong>de</strong>nen im<br />

Abstand von 5-15 min die Intensität<br />

gewechselt wer<strong>de</strong>n soll – natürlich<br />

gesteuert über <strong>de</strong>n Puls, <strong>de</strong>r dann als<br />

Maßstab dienen muss. Doch dummerweise<br />

funktioniert die praktische Umsetzung<br />

einfach nicht. Die Proban<strong>de</strong>n haben<br />

chronisch ein Problem damit, die<br />

Pulsvorgaben halbwegs stabil zu halten,<br />

ohne ständig alle 10-30 Sekun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n<br />

Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>utlich verän<strong>de</strong>rn zu müssen.<br />

Zeitweise muss die Watt-Zahl <strong>de</strong>s<br />

Ra<strong>de</strong>rgometers so weit reduziert wer<strong>de</strong>n,<br />

dass die Trainieren<strong>de</strong>n ins Leere treten,<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand ist überfor<strong>de</strong>rnd hoch,<br />

obwohl <strong>de</strong>r Puls noch im „grünen Bereich“ liegt. Kurzum: Es funktioniert<br />

hinten und vorne nicht - eine sinnvolle Struktur ist bei solchen<br />

Trainingsprogrammen nicht einhaltbar. Und ich stehe da, mit einem großen<br />

Fragezeichen über meinem Kopf.<br />

- 8 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Dies waren zwei Schlüsselerlebnisse für mich, welche das Thema<br />

Herzfrequenzmessung im Laufe <strong>de</strong>r Jahre zu meinem liebsten wer<strong>de</strong>n<br />

lassen sollten. Die Schubla<strong>de</strong> hat sich in mehr als 15 Jahren<br />

danach sehr gefüllt. Heutzutage mache vieles beim Umgang mit <strong>de</strong>r<br />

Herzfrequenzmesserei an<strong>de</strong>rs und <strong>de</strong>nke schmunzelnd an die<br />

Anfangszeiten zurück.<br />

Herzfrequenz und Halbwahrheiten<br />

Anfang <strong>de</strong>r 1990er war HF-Messung quasi ein noch sehr junges Thema in<br />

<strong>de</strong>r Ausdauersport-Szene. Die ersten Messgeräte waren sehr teuer und nur<br />

wenige arbeiteten damit. Die Erfahrungen damit steckten noch in<br />

Kin<strong>de</strong>rschuhen.<br />

Die Skepsis gegenüber <strong>de</strong>r<br />

Suggestion, dass ein HF-<br />

Messer so einfach und<br />

revolutionär <strong>de</strong>n Körper<br />

berechenbar macht,<br />

verstärkte sich zunehmend,<br />

als ich als Trainer immer mehr<br />

im Bereich Ausdauer gefragt<br />

war. So manche<br />

methodischen<br />

Vorgehensweisen ließen sich<br />

über reine HF-Messungen<br />

einfach nicht umsetzen und praktizieren. Irgendwie konnte da einiges nicht<br />

stimmen. Bei <strong>de</strong>n Seminaren, ihm Rahmen meiner Trainerausbildung,<br />

wur<strong>de</strong> auch standardgemäß sehr pauschal mit <strong>de</strong>r Thematik umgegangen<br />

(die Seminarleiter – grundsätzlich sehr kompetente Fachleute – waren<br />

übrigens selber keine Ausdauersportler). Und ich war immer wie<strong>de</strong>r<br />

erstaunt, wie chronisch Kolleginnen und Kollegen in <strong>de</strong>r Fitnessbranche<br />

blind und dogmatisch an <strong>de</strong>r HF-Messung festhielten, wenn es darum ging,<br />

<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n auf Kardio-Geräten „gezielt“ trainieren zu lassen. Obwohl es<br />

oftmals mehr als offensichtlich war, dass die (wie auch immer) ermittelten<br />

HF-Vorgaben einfach nicht passen konnten (ein Umstand, welcher sich bis<br />

heute nicht geän<strong>de</strong>rt hat). Dies brachte mich dazu, im Laufe <strong>de</strong>r Jahre<br />

intensiver über die Thematik zu recherchieren und die simplen Pulsparolen<br />

und gebetsmühlenartigen Standard-Phrasen zu hinterfragen. Und mit<br />

zunehmen<strong>de</strong>r Recherche wur<strong>de</strong>n viele Dinge immer klarer.<br />

- 9 -


Vorwort / Einleitung<br />

Es gibt Unmengen von Literatur zum<br />

Thema <strong>Ausdauertraining</strong>, egal ob<br />

Internet o<strong>de</strong>r Bücher und Magazine.<br />

Lei<strong>de</strong>r wird dabei aber nur relativ<br />

beiläufig über Herzfrequenzmessung<br />

(folgend abgekürzt als HF)<br />

geschrieben. Bisher scheint noch kein<br />

Fachbuch, kein Fachmagazin, o<strong>de</strong>r<br />

sonstige Veröffentlichung zu diesem<br />

Thema sichtbar zu sein, <strong>de</strong>ren Inhalt<br />

als ausreichend umfangreich<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n kann. Zumin<strong>de</strong>st<br />

aus meiner Sicht. Die verbreiteten<br />

Informationen sind meist sehr<br />

lückenhaft und einseitig, entsprechen<br />

oft nur Halbwahrheiten. Und selbst<br />

erfahrene Sportler, Trainer und Ärzte<br />

wissen dadurch oft nur relativ wenig<br />

über diese Materie. Es ist viel<br />

Recherche notwendig, um zu diesem<br />

Thema umfangreiche Informationen zu bekommen. Informationen, welche<br />

über das oft oberflächliche Standardwissen hinausgehen. Puzzlestückchen<br />

für Puzzlestückchen muss da zusammengesucht wer<strong>de</strong>n.<br />

So ist es dann auch häufig so, dass die Aussagefähigkeit <strong>de</strong>s Parameters<br />

Herzfrequenz völlig überbewertet wird - mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n negativen<br />

Folgen, wenn es um ein sinnvolles <strong>Ausdauertraining</strong> gehen soll. Dabei ist es<br />

erstaunlich, dass diese Thematik so mangelhaft behan<strong>de</strong>lt wird. Obwohl<br />

durchaus einige Bücher auf <strong>de</strong>m Markt sind, welche sich eigens mit dieser<br />

Angelegenheit befassen. Einmal das zu Beginn erwähnte. Es stammt (1.<br />

Auflage) von 1992, zu <strong>de</strong>r Zeit, als die Herzfrequenzmessung auch im<br />

Breitensport langsam anfing Fuß zu fassen und vermarkten wer<strong>de</strong>n sollte.<br />

Ich habe es auch interessiert gelesen und anfangs auch (wie angemerkt)<br />

nach <strong>de</strong>n dortigen Empfehlungen gearbeitet (bei mir und an an<strong>de</strong>ren<br />

Sportlern). Heute hat dieses Buch keinen Wert mehr für mich, weil ich die<br />

Sache aus ganz an<strong>de</strong>ren Blickwinkeln sehe. Dieses erwähnte Buch ist<br />

veraltet, befasst sich nicht neutral und differenziert genug mit <strong>de</strong>r<br />

Thematik und ist letztendlich reine Produktwerbung eines führen<strong>de</strong>n<br />

Herstellers für HF-Geräte, welcher sehr offensichtlich an <strong>de</strong>r Verwirklichung<br />

<strong>de</strong>s Buchs beteiligt war.<br />

- 10 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 11 -<br />

Ein weiteres (grundsätzlich sehr gutes)<br />

Buch, von einem hochkarätigen<br />

Ausdauersportexperten geschrieben und<br />

wesentlich aktueller, schwächelt auch<br />

massiv daran, dass einige<br />

Aussagefähigkeitsgrenzen bei <strong>de</strong>r HF-<br />

Messung zwar kurz erwähnt – aber<br />

ansonsten vieles verschleiert und unter<br />

<strong>de</strong>n Teppich gekehrt wird (obwohl es „auf<br />

alle Fragen eine kompetente Antwort“<br />

geben will). Auch hierbei gab es<br />

offensichtlich eine Unterstützung <strong>de</strong>r<br />

erwähnten Firma. Generell hat wohl die<br />

besagte Firma starkes Interesse solche<br />

„Pro–HF-Bücher“ mit zu vermarkten,<br />

<strong>de</strong>nn ihr Logo schmückt sehr <strong>de</strong>utlich so<br />

manche Literatur diverser Autoren. Dies<br />

soll nicht als Vorwurf verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n,<br />

aber ein neutrales und unabhängiges<br />

Angehen <strong>de</strong>r Materie ist damit nicht<br />

gewährleistet und eine daraus<br />

resultieren<strong>de</strong>, sehr einseitige Darstellung<br />

ist für Anwen<strong>de</strong>r nicht hilfreich.<br />

Dogmen, Pauschalen und<br />

Schubla<strong>de</strong>n<br />

Vieles im Sport, was sich teilweise schon<br />

auf Jahrzehnte alte Weisheiten stützt,<br />

wird als Dogma hingestellt, ohne dass es noch mal jemand infrage stellt.<br />

Vieles wird einfach pauschalisiert, ohne die individuellen Gegebenheiten zu<br />

berücksichtigen. Vieles macht man so, weil man es so macht und weil es so<br />

üblich ist. Vieles hat sich eingebürgert und wird vorschnell als „richtig“ o<strong>de</strong>r<br />

„falsch“ dargestellt, ohne dass es noch ernsthaft begrün<strong>de</strong>t wird (o<strong>de</strong>r<br />

wer<strong>de</strong>n kann) und ohne <strong>de</strong>n individuellen Fall zu betrachten.<br />

„Das ist so, weil es so in Büchern steht und weil ich es so gelernt habe.“<br />

Wissen wird zu oft blind übernommen und ebenso blind weitergegeben,<br />

ohne es zu hinterfragen.


Im Sport wird immer wie<strong>de</strong>r versucht, gewisse<br />

Standards und Normen zu erstellen, welche sich<br />

überwiegend auf statistische Werte berufen – was<br />

aber zwangsläufig auf Kosten <strong>de</strong>r Individualität<br />

geht. Dadurch wird man aber schnell resistent<br />

gegenüber <strong>de</strong>r Fähigkeit Fehlinterpretation zu<br />

erkennen. O<strong>de</strong>r man vermutet einen Fehler, weiß<br />

aber nicht, wo die Ursache liegt.<br />

Es wer<strong>de</strong>n viele Metho<strong>de</strong>n und Arbeitsweisen<br />

propagiert, aber oft ohne o<strong>de</strong>r nur unzureichend die<br />

Schwächen und Ungenauigkeiten zu erwähnen und<br />

darzulegen – die je<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong> hat. Etwas, was<br />

mich immens nervt. Dadurch wird die<br />

Aussagefähigkeit so mancher Metho<strong>de</strong> überbewertet<br />

und ein falsches o<strong>de</strong>r einseitiges Bild suggeriert.<br />

Dies gilt insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r ganzen<br />

„Pulsmesserei“.<br />

Vorwort / Einleitung<br />

Die Intention dieses Buchs ist es, diesen Mangel zu<br />

reduzieren, ohne natürlich für sich in Anspruch nehmen zu wollen,<br />

vollständig zu sein. Dabei geht es vor allem darum, die Grenzen <strong>de</strong>r<br />

Aussagefähigkeit <strong>de</strong>s Maßstabs Herzfrequenz und die daraus resultieren<strong>de</strong>n<br />

Probleme in <strong>de</strong>r Trainingspraxis zu ver<strong>de</strong>utlichen. Es soll klar gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n, dass die HF kein Patentrezept zur Trainingssteuerung darstellt, in<br />

<strong>de</strong>m sie (so weit es mir möglich ist) in möglichst vielen Facetten<br />

durchleuchtet wird.<br />

Eine Sache <strong>de</strong>s Blickwinkels<br />

Viele Leser wer<strong>de</strong>n hier etliches über die HF-Messung erfahren, welches<br />

ihnen bisher (so) nicht zugetragen wur<strong>de</strong>, und es sollte ihnen ermöglichen,<br />

das Herzschlagverhalten aus an<strong>de</strong>ren Perspektiven zu betrachten. Viele<br />

von ihnen wer<strong>de</strong>n vielleicht sehr irritiert sein, weil ihnen die HF bisher als<br />

ein einfacher und genauer Gradmesser dargestellt wur<strong>de</strong>, über diesen sich<br />

ein <strong>Ausdauertraining</strong> scheinbar so leicht steuern lässt – was sich nun als<br />

Irrtum herausstellen wird. Doch diese sollten auch die Möglichkeiten sehen,<br />

welche die HF bieten kann, nämlich einen interessanten Einblick in ihren<br />

Körper, <strong>de</strong>r mehr als nur einen potenziellen Gradmesser <strong>de</strong>r körperlichen<br />

Belastung wi<strong>de</strong>rspiegelt. Auch wenn die Thematik lei<strong>de</strong>r sehr komplex ist.<br />

- 12 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

So manch ein Leser mag vielleicht <strong>de</strong>n Kopf darüber schütteln, wie ich dazu<br />

komme, Dinge zu kritisieren, infrage zu stellen und auf eine Art und Weise<br />

darzulegen, wie es viele namhafte Experten oft nicht tun und er (<strong>de</strong>r Leser)<br />

etliches von <strong>de</strong>m hier Geschriebenen bisher noch nie (so) gelesen hat.<br />

Diesem sei versichert, dass ich mir nichts an <strong>de</strong>n Haaren herbeigezogen<br />

habe und es nicht auf meinem Mist gewachsen ist, son<strong>de</strong>rn dass das<br />

Wissen aus entsprechen<strong>de</strong>n Recherchen resultiert. Hier geschriebene<br />

Thesen und Aussagen sind sachlich begrün<strong>de</strong>t und auch in an<strong>de</strong>rer<br />

Literatur nachzulesen. Es bedarf aber (wie erwähnt) recht umfangreicher<br />

Informationsbeschaffung, um ein wirklich umfangreiches Bild über die<br />

Angelegenheit zu bekommen. Unbeschei<strong>de</strong>nerweise schreibe ich mir<br />

allerdings auf die Fahnen, dass ich mich mit einem Umfang und einer Art<br />

<strong>de</strong>r Thematik widme, wie es scheinbar bis dato in keiner an<strong>de</strong>ren<br />

<strong>de</strong>utschsprachigen Literatur gegeben ist.<br />

Ich nehme mir auch das Recht heraus, Fehler machen zu dürfen.<br />

Demgemäß bin ich auch offen für sachliche Kritik und entsprechend bereit,<br />

Aussagen zu korrigieren, wenn ich es für<br />

notwendig halte.<br />

Wenn ich auch selber keine wissenschaftlichen<br />

Experimente, Studien und <strong>de</strong>r Gleichen<br />

durchführen kann, so kann ich vieles anhand<br />

meiner langjährigen praktischen Erfahrung<br />

nachvollziehen. Und wenn die Kernaussage dieses<br />

Buches ist, dass die HF als Orientierungsgröße im<br />

Ausdauersport lange nicht so aussagefähig ist, wie<br />

häufig suggeriert und gepredigt wird, dann<br />

erwächst dies auch aus mittlerweile fast 30 Jahren<br />

Praxis im Ausdauersport (als Aktiver und als<br />

Trainer). Und wenn ich zu <strong>de</strong>m Schluss gekommen<br />

bin, dass man die Aussagefähigkeit <strong>de</strong>r<br />

Herzfrequenz mit sehr viel Skepsis betrachten<br />

sollte und stark relativieren muss, so sehr habe ich<br />

sie <strong>de</strong>nnoch – und gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>swegen - auch zu<br />

schätzen gelernt. Denn jetzt weiß ich sie viel<br />

besser zu interpretieren, und selbst nach so vielen<br />

Jahren kann ich immer noch etwas über meinen<br />

Körper lernen.<br />

Es gibt mich übrigens auch ohne Laufkappe, wie man sieht.<br />

- 13 -


Allgemeines<br />

Vorwort / Einleitung<br />

Die hier aufgeführte Thematik wird von mir<br />

grundsätzlich neutral und sachlich behan<strong>de</strong>lt,<br />

ohne etwas pauschal schlecht re<strong>de</strong>n zu wollen.<br />

Dennoch gönne ich mir <strong>de</strong>n ein o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

<strong>de</strong>utlichen und bissigen Kommentar, <strong>de</strong>ssen<br />

Intentionen es aber nicht ist, Leute angreifen<br />

zu wollen. Emotionalere Formulierungen<br />

sollten bitte nicht missverstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, sie<br />

sollen nur verschärfter das angesprochene<br />

Problem ver<strong>de</strong>utlichen!<br />

Ich wünsche ein Wissensdurst befriedigen<strong>de</strong>s Lesen und ein erfolgreiches<br />

Training (mit <strong>de</strong>m Herzfrequenzmesser ;-).<br />

Danksagung<br />

Ich möchte mich herzlich bedanken, bei all <strong>de</strong>n netten Menschen, welche<br />

mir im Speziellen bzw. welche im Allgemeinen kostenlos hochwertige Fotos<br />

im Netz anbieten. Dies verhilft solchen Projekten wie meinem zu einer<br />

erheblichen optischen Qualitätssteigerung. Einen großen Wust an<br />

unübersichtlichem Text mag ich gar nicht. Mein beson<strong>de</strong>rer Dank gilt:<br />

Dieter Mo<strong>de</strong>rsitzki vom


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

„Wenn Sie wie ein Champion trainieren wollen,<br />

dann lassen Sie Ihren Herzfrequenzmonitor zu Hause<br />

und hören auf die Signale Ihres Körpers.“<br />

- 15 -<br />

(Haile Gebrselassie – einer <strong>de</strong>r bisher weltbesten<br />

Langstreckenläufer)<br />

?


KAPITEL 1<br />

Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Foto: Shutterstock.com<br />

„Nach<strong>de</strong>m die Pulsfrequenzmessung im Breitensport schon lange<br />

propagiert wird und nun auch die Herzfrequenzmesser mit großem<br />

Aufwand […] angepriesen wer<strong>de</strong>n, müssen wir uns davor hüten,<br />

Pulsneurotiker zu produzieren … “<br />

(Dieter Kleinmann – Internist, Sportmediziner, Langstreckenläufer)<br />

- 16 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

1.1 Das Herz im Sport<br />

1.1.1 Das Herz<br />

Herzvolumen = Die Größe <strong>de</strong>s Herzmuskels<br />

- 17 -<br />

Foto: iStockfotos.com - cosmin4000<br />

... ist ein etwa faustgroßer, um die<br />

300 g wiegen<strong>de</strong>r Hohlmuskel,<br />

welcher durch seine beson<strong>de</strong>re<br />

Konstruktion als Druck- und<br />

Ansaugpumpe <strong>de</strong>s Kreislaufsystems<br />

dient. Das Herz för<strong>de</strong>rt das Blut<br />

durch <strong>de</strong>n ganzen Körper. Das Herz<br />

schlägt vollkommen autonom und<br />

versorgt sich selbst mit Blut<br />

(Herzkranzgefäße). Die<br />

Kontraktionsphase <strong>de</strong>s Herzens wird<br />

als Systole bezeichnet und die<br />

Erschlaffungsphase als Diastole. Die<br />

dabei entstehen<strong>de</strong>n Geräusche<br />

können als Herztöne wahrgenommen wer<strong>de</strong>n – bzw. diese Herzaktionen<br />

können über ein Elektrokardiogramm gemessen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Herzvolumina<br />

Es gibt drei be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Herzvolumina. Diese wer<strong>de</strong>n im folgen<strong>de</strong>n<br />

Schaubild beschrieben.<br />

Herzvolumina<br />

Herzschlagvolumen = Die Menge an Blut welche das Herz pro Schlag<br />

auswerfen kann<br />

Herzminutenvolumen = Die Menge an Blut welche das Herz pro<br />

Minute auswerfen kann


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Das Herzminutenvolumen (För<strong>de</strong>rleistung) ergibt sich aus <strong>de</strong>m Verhältnis<br />

zwischen Herzfrequenz und Herzschlagvolumen (Herzfrequenz x<br />

Herzschlagvolumen = Herzminutenvolumen) und steht im linearen<br />

Zusammenhang zur Sauerstoffaufnahme. Eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Einen führt<br />

direkt auch zur Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s An<strong>de</strong>ren.<br />

Auch durch intensives <strong>Ausdauertraining</strong> lässt sich die maximal mögliche<br />

Herzfrequenz (künftig abgekürzt als HF) nicht erhöhen; eine <strong>de</strong>utliche<br />

Erhöhung <strong>de</strong>s Herzminutenvolumens ergibt sich <strong>de</strong>shalb verstärkt aus <strong>de</strong>r<br />

Erhöhung <strong>de</strong>s Herzschlagvolumens. Größere Menschen haben größere<br />

Herzen mit einem höheren Schlagvolumen als kleinere Menschen und<br />

Kin<strong>de</strong>r. Das Schlagvolumen ist abhängig von <strong>de</strong>m Füllungsdruck, mit <strong>de</strong>m<br />

das Herz (bzw. die entsprechen<strong>de</strong> Herzkammer) gefüllt wird und damit von<br />

<strong>de</strong>r Menge an Blut, welche durch die Venen zum Herzen zurückströmt.<br />

Weiterhin hat <strong>de</strong>r Sympathikus (vegetatives Nervensystem) Einfluss auf<br />

das Schlagvolumen, da er die Kraft und Geschwindigkeit <strong>de</strong>r<br />

Herzmuskelkontraktion steuert. Als zusätzlicher Faktor spielt eine Rolle, wie<br />

viel Wi<strong>de</strong>rstand das Gefäßsystem <strong>de</strong>m Blut entgegnet. Nimmt <strong>de</strong>r<br />

Wi<strong>de</strong>rstand ab, z. B. durch eine <strong>de</strong>utliche Gefäßerweiterung bei steigen<strong>de</strong>r<br />

Körpertemperatur, so wird <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Herzkammer weniger Blut<br />

zugeführt und das Schlagvolumen sinkt (und die HF muss steigen).<br />

Foto: Francesco Santalucia – iStockfotos.com<br />

1.1.2 Das Herz und<br />

Trainingsbelastungen<br />

Das Herz-Kreislauf-System wird durch<br />

Ausdauerbelastungen stark<br />

beansprucht. Der für <strong>de</strong>n<br />

Energiestoffwechsel <strong>de</strong>s Menschen<br />

benötigte Nähr- und Sauerstoff wird<br />

über das Blut zu <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Körperbereichen transportiert. Der<br />

Blutstrom wird angetrieben vom<br />

Herzmuskel. Unterschiedliche<br />

Belastungsintensitäten verän<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n<br />

Energie- und Nährstoffbedarf <strong>de</strong>s Körpers und die Herzarbeit bzw. die<br />

För<strong>de</strong>rleistung <strong>de</strong>s Herzens passt sich entsprechend an.<br />

- 18 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Herzleistung<br />

(während einer Belastung) macht sich<br />

primär durch eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r HF<br />

bemerkbar. Die HF ist dadurch eine<br />

praktikable Messgröße zur Beurteilung<br />

<strong>de</strong>r kardialen Beanspruchung. Die<br />

Beanspruchung <strong>de</strong>s Herz-Kreislauf-<br />

Systems ist abhängig von <strong>de</strong>r<br />

Leistungsstruktur <strong>de</strong>r<br />

Ausdauersportarten und kann<br />

unterschiedlich hoch ausfallen.<br />

Ein regelmäßiges, sehr intensives <strong>Ausdauertraining</strong> führt zu verschie<strong>de</strong>nen<br />

Anpassungserscheinungen <strong>de</strong>s Herzens bezüglich seiner Form und<br />

Funktion, welche als Sportherz bekannt ist. Das Ausmaß <strong>de</strong>r Anpassung ist<br />

abhängig von verschie<strong>de</strong>nen Faktoren wie Alter, Geschlecht,<br />

Belastungsumfang und Intensität. Ein Sportherz zeigt eine Vergrößerung<br />

<strong>de</strong>r Herzkammern, <strong>de</strong>r Vorhöfe, mit gleichzeitiger Zunahme <strong>de</strong>r<br />

Herzwanddicke. Die Vergrößerung von Herzkammern und Vorhöfen<br />

ermöglicht eine erhöhte Blutaufnahme mit einhergehen<strong>de</strong>m höheren<br />

Herzschlagvolumen.<br />

Als weitere Begleiterscheinung erhöht sich das Gesamt-Blutvolumen<br />

(gesamte Menge an Blut im Körper).<br />

Foto oben und unten: julien Tromeur –<br />

iStockfoto.com<br />

- 19 -<br />

Arbeit ohne Pause<br />

Das Herz schlägt im Laufe<br />

eines Lebens mehrere<br />

Milliar<strong>de</strong>n mal. Ein<br />

regelmäßiges<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> reduziert<br />

die HF in relativer Ruhe und<br />

bei Alltagsbelastungen<br />

<strong>de</strong>utlich, wodurch das Herz<br />

nach einigen Jahren ein<br />

ganzes Jahr an Arbeit<br />

einsparen kann. Der<br />

möglichen Lebensdauer <strong>de</strong>s<br />

Herzens kommt dies zugute.


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

1.1.3 Das Herz und <strong>de</strong>r Sauerstoff<br />

Ohne Sauerstoff kann <strong>de</strong>r Mensch nicht leben; praktisch alle Funktionen<br />

<strong>de</strong>s Körpers wer<strong>de</strong>n erst durch die Aufnahme und Verwertung von<br />

Sauerstoff möglich.<br />

Unter <strong>de</strong>r (VO²<br />

max.) versteht man das Maß <strong>de</strong>r<br />

Sauerstoffzufuhr (Atmung), <strong>de</strong>n<br />

Sauerstofftransport (Herz-Kreislauf)<br />

und die Sauerstoffverwertung<br />

(Muskelzelle) im Ausbelastungszustand<br />

<strong>de</strong>s Organismus. Sie ist gewissermaßen<br />

das Bruttokriterium für die aerobe<br />

Ausdauer. Wer seine VO² max. erhöht,<br />

besitzt die physiologische Basis für eine<br />

Leistungsverbesserung.<br />

Foto: Aaliya Landholt - iStockfotos.com<br />

Die VO² max. ist ein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Parameter bei aufwendigen<br />

leistungsdiagnostischen Untersuchungen. Anhand dieses Grenzwertes<br />

wer<strong>de</strong>n oft Trainingsvorgaben abgeleitet. Die Funktion <strong>de</strong>s Herzens als<br />

Versorgungsorgan (gera<strong>de</strong> auch für Sauerstoff) und <strong>de</strong>ssen Arbeit, machen<br />

die HF zu einem wichtigen Indikator. Der größte Teil <strong>de</strong>r beim Atmen vom<br />

Blut aufgenommenen Sauerstoffmenge wird für die Energieerzeugung in<br />

<strong>de</strong>r Arbeitsmuskulatur verbraucht. Die Fähigkeit <strong>de</strong>s Körpers, große<br />

Mengen an Sauerstoff aufzunehmen, zu transportieren und zu verarbeiten,<br />

ist entschei<strong>de</strong>nd für die Leistungsfähigkeit auf langen Distanzen bzw. bei<br />

langer Beanspruchungsdauer.<br />

Bei <strong>de</strong>r VO² max. unterschei<strong>de</strong>t man zwischen <strong>de</strong>r absoluten und <strong>de</strong>r<br />

relativen VO² max. Bei <strong>de</strong>r relativen VO² max. wird (im Gegensatz zur<br />

absoluten VO² max.) das Körpergewicht berücksichtigt. Der Wert <strong>de</strong>r<br />

absoluten VO² max. (l/min) wird dabei durch das Körpergewicht dividiert<br />

(VO² max. ml/min/kg). Die Grün<strong>de</strong> für diese Unterscheidung wer<strong>de</strong>n hier<br />

aber nicht erläutert, da es für das Thema dieses Buches nicht relevant ist.<br />

- 20 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Einflussfaktoren <strong>de</strong>r VO² max.<br />

Interne Einfluss-Faktoren<br />

- Lungenvolumen<br />

- Lungenvolumen<br />

Lungenkapazität<br />

- Lungenkapazität<br />

Herzvolumen / Herzmuskelgröße<br />

- Herzvolumen Herzminutenvolumen / Herzmuskelgröße<br />

- Herzminutenvolumen<br />

Herzschlagvolumen<br />

- Muskelfaserzusammensetzung<br />

- Herzschlagvolumen<br />

- Sauerstofftransportkapazität <strong>de</strong>s Blutes<br />

- Muskelfaserzusammensetzung<br />

- Sauerstofftransportkapazität <strong>de</strong>s<br />

Blutes Externe Einfluss-Faktoren<br />

- Höhe <strong>de</strong>r Anaeroben Schwelle<br />

- Menge <strong>de</strong>r aktiven Muskelmasse<br />

- Körperposition<br />

Externe - Klima Einfluss-Faktoren<br />

- Menge <strong>de</strong>r aktiven Muskelmasse<br />

- Körperposition<br />

In <strong>de</strong>r oberen Abbildung ist dargestellt, welchen Einflussfaktoren die VO²<br />

- Klima<br />

max. unterliegt. Diese gelten allerdings nicht nur für max. Werte, son<strong>de</strong>rn<br />

generell für die Sauerstoffaufnahme, egal bei welcher Intensität.<br />

Die Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>s Herzmuskels spielt bei <strong>de</strong>r Sauerstoffversorgung<br />

<strong>de</strong>s Körpers eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle.<br />

- 21 -<br />

Foto:<br />

Aaliya Landholt -<br />

iStockfoto.com


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

1.1.4 Das Herz und die Arbeitsmuskulatur<br />

Das Herz und seine Tätigkeit ist nicht das alleinige Maß <strong>de</strong>r Dinge, wenn es<br />

um die Beurteilung einer Ausdauerbelastung und <strong>de</strong>ren Auswirkung geht.<br />

Die Arbeitsmuskulatur<br />

Das größte Organ im Körper stellt die Muskulatur dar, welche bei<br />

Normalgewichtigen etwa 50-60 % <strong>de</strong>s Körpergewichts ausmacht. Bei<br />

Ausdauerbelastungen wer<strong>de</strong>n viele große Muskelgruppen involviert. Es liegt<br />

Die verschie<strong>de</strong>nen Muskelfasern<br />

Ausdauerfasern<br />

(Slow Twitch-Fasern = ST-Fasern)<br />

(Schnell-)Kraftfasern<br />

(Fast Twitch-Fasern = FTG-Fasern)*<br />

Muskelfasern von Zwischentyp<br />

(FTO- /Intermediär-Fasern)*<br />

*Diese bei<strong>de</strong>n Muskelfasertypen<br />

bezeichnet man (Oberkategorie) als<br />

FT-Fasern.<br />

in <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>s Muskels, dass<br />

er ständig belastet wer<strong>de</strong>n<br />

muss, um seine Funktionen<br />

erhalten zu können. Ein<br />

Nichtgebrauch führt zur<br />

Atrophie (Schwund) mit<br />

<strong>de</strong>utlichem Kraft- und damit<br />

Leistungsverlust. Prinzipiell<br />

unterteilt man innerhalb <strong>de</strong>s<br />

Muskels die Muskelfasern in<br />

verschie<strong>de</strong>ne Typen (siehe<br />

linke Abbildung), welche sich<br />

bezüglich ihrer<br />

Kontraktionseigenschaften<br />

voneinan<strong>de</strong>r unterschei<strong>de</strong>n.<br />

Wenn die Verteilung und die<br />

prozentualen Anteile <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Fasertypen auch genetisch<br />

<strong>de</strong>terminiert und durch Training nicht bzw. nur begrenzt beeinflussbar sind,<br />

die Art <strong>de</strong>r Beanspruchung entschei<strong>de</strong>t maßgeblich über <strong>de</strong>ren Fähigkeiten.<br />

Die Arbeitsmuskulatur spricht auf Schnelligkeits-, Kraft- und<br />

Ausdauerbeanspruchungen auf spezifische Weise an. Die jeweiligen<br />

Fähigkeiten sind trainierbar. Hierbei ist nicht nur ein Training <strong>de</strong>s<br />

Energiestoffwechsels be<strong>de</strong>utsam, son<strong>de</strong>rn auch die nervale Ansteuerung<br />

<strong>de</strong>r Muskulatur. Entsprechen<strong>de</strong> Anpassungen vollziehen sich in <strong>de</strong>r<br />

motorisch-koordinativen Funktion und im Energiepotenzial. Die Art <strong>de</strong>r<br />

Trainingsbelastung und ihre Häufigkeit bestimmen damit langfristig die<br />

Fähigkeiten <strong>de</strong>r Arbeitsmuskulatur und diese ist die Grundlage für die<br />

angestrebte spezifische Leistungsfähigkeit.<br />

- 22 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 23 -<br />

Foto: Scott Betts – iStockfoto.com<br />

Der Art und Weise <strong>de</strong>r Beanspruchung <strong>de</strong>r<br />

Arbeitsmuskulatur spielt bei einem<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> eine – um nicht zu sagen<br />

die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle. Sie hat<br />

fundamentalen Einfluss auf die Wirkung<br />

eines Trainings!<br />

Die Kräfte, welche auf <strong>de</strong>n Muskel<br />

einwirken, seine Art <strong>de</strong>r Beanspruchung<br />

<strong>de</strong>finieren und ihn ihm leistungssteigern<strong>de</strong><br />

Anpassungserscheinungen hervorrufen, sind physikalischer Art. Die<br />

Bewegungsökonomie <strong>de</strong>s Sportlers (Bewegungstechnik,<br />

Bewegungsfrequenz und Wahl <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s) bestimmen die<br />

einwirken<strong>de</strong>n Kräfte, genauso wie geografische (Bo<strong>de</strong>nverhältnisse,<br />

Streckenprofil) und klimatische (Wind).<br />

Dies ist von sehr großer Be<strong>de</strong>utung, wenn es um die Steuerung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Ausdauertraining</strong>s geht. Denn die biologische Größe HF hat keinen Einfluss<br />

auf diese Kräfte und kann diese auch nicht beurteilen bzw. wi<strong>de</strong>rspiegeln!<br />

Wie im Laufe dieses Buches noch mehrfach beschrieben wird (z. B. Kap.<br />

2.2.8), verschleiert eine zu starke Orientierung auf die HF aber diese<br />

Tatsache. In <strong>de</strong>r Praxis wird sehr oft vernachlässigt, wie eine Leistung<br />

zustan<strong>de</strong> kommt, im Bezug auf die einwirken<strong>de</strong>n Kräfte. Nahezu alle<br />

leistungssteigern<strong>de</strong>n Anpassungsvorgänge im Körper resultieren nämlich<br />

daraus! Dies rückt die Orientierungsgröße HF, als scheinbar so<br />

aussagefähigen und wichtigen Parameter, in ein ganz an<strong>de</strong>res Licht.<br />

Das Herz als Versorgungsorgan <strong>de</strong>r Arbeitsmuskulatur<br />

Gerne wird das menschliche Herz von Fachleuten als Motor (<strong>de</strong>s Körpers)<br />

bezeichnet bzw. mit einem solchen verglichen, was aber sowohl<br />

physiologisch als auch physikalisch nicht korrekt ist. In gewisser Weise<br />

kann man das Herz als eine Art Drehzahlmesser ansehen, <strong>de</strong>ren Tätigkeit<br />

eng an die Arbeit <strong>de</strong>s gesamten Körpers gekoppelt ist, aber ansonsten nur<br />

eine (wenn auch überlebenswichtige) Versorgungspumpe <strong>de</strong>s Organismus<br />

darstellt.


Fotos rechts und unten: Vartan Nersisian –<br />

iStockfoto.com<br />

Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Vergleicht man <strong>de</strong>n menschlichen<br />

Körper mit einem Auto, so wäre die<br />

Arbeitsmuskulatur gleichzusetzen mit<br />

Zylin<strong>de</strong>r und Kolben. Dort fin<strong>de</strong>t die<br />

Verbrennung statt, wird chemische in<br />

mechanische Energie freigesetzt<br />

(Bewegung durch Muskelkontraktion).<br />

Diese sind grundlegen<strong>de</strong> Komponenten,<br />

welche einen Motor <strong>de</strong>finieren und<br />

somit ist auch nur die Arbeitsmuskulatur (bzw. die „Energiekraftwerke“ <strong>de</strong>s<br />

Muskels, die Mitochondrien) als ein solcher anzusehen bzw. damit zu<br />

vergleichen!<br />

Das Herz erfüllt diese Funktion nicht! Das Herz wäre im Auto mit einem<br />

universellen Versorgungsaggregat gleichzusetzen, welchen <strong>de</strong>n Motor mit<br />

Öl, Luft, Treibstoff, Kühlwasser usw. versorgt. Ohne dieses Aggregat wäre<br />

<strong>de</strong>r Motor zwar nicht funktionsfähig – es <strong>de</strong>finiert sich in diesem Vergleich<br />

<strong>de</strong>shalb aber in keiner Weise als Motor. Und das Herz kann in seinem<br />

Schlagverhalten nur begrenzt wi<strong>de</strong>rspiegeln, wie (hoch) <strong>de</strong>r (eigentliche)<br />

Motor beansprucht wird.<br />

Der Fehlschluss ist oft ein grundlegen<strong>de</strong>r Gedankenfehler,<br />

welcher die Basis für ein falsches bzw. lückenhaftes und unzureichen<strong>de</strong>s<br />

Bild über das Herz im Zusammenhang mit einem <strong>Ausdauertraining</strong> und<br />

<strong>de</strong>ssen Steuerung liefert.<br />

Dieser gedankliche Irrtum ist dann<br />

häufig auch an <strong>de</strong>n erheblichen<br />

trainingsmethodischen Fehler<br />

gekoppelt, die Art und Weise <strong>de</strong>r<br />

muskulären Beanspruchung<br />

unzureichend bis gar nicht zu<br />

berücksichtigen.<br />

- 24 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

1.2 Die Herzfrequenz als Parameter zur<br />

……Trainingssteuerung<br />

Die Ausdauer Foto: JN<br />

... stellt neben Kraft,<br />

Schnelligkeit, Koordination und<br />

Beweglichkeit eine grundlegen<strong>de</strong><br />

motorische Fähigkeit dar. Je<strong>de</strong><br />

einzelne Sportart erfor<strong>de</strong>rt und<br />

trainiert diese Grundfertigkeiten<br />

in unterschiedlichem Maß. Der<br />

trainierte Ausdauersportler<br />

zeichnet sich nicht bzw. weniger<br />

durch eine beson<strong>de</strong>rs stark<br />

ausgeprägte Skelettmuskulatur,<br />

son<strong>de</strong>rn durch ein leistungsfähiges Herz-Kreislauf-System und eine gut<br />

entwickelte sportspezifische lokal muskuläre Ausdauerleistungsfähigkeit<br />

aus.<br />

Da die Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>s Herzens begrenzt ist und auch dadurch nur<br />

eine begrenzte Sauerstoffaufnahme ermöglicht wird, stellt die HF<br />

grundsätzlich einen aussagefähigen Maßstab zur Beurteilung <strong>de</strong>s<br />

Belastungsgra<strong>de</strong>s bei einem Menschen dar. Die biologische Messgröße HF<br />

ermöglicht indirekt gewisse Einblicke in Vorgänge <strong>de</strong>s Organismus, etwas,<br />

was eine physikalische Größe wie Watt o<strong>de</strong>r Geschwindigkeit nicht bzw. nur<br />

in <strong>de</strong>utlich geringerem Rahmen zulässt. Über solch einen biologischen<br />

Maßstab können Intensität einer Belastung und ihre Reizwirksamkeit<br />

zusätzlich beurteilt wer<strong>de</strong>n, was wie<strong>de</strong>rum die Sicherheit einer korrekten<br />

Beurteilung <strong>de</strong>r Situation erhöht. Dadurch hat die HF als Parameter zur<br />

Trainingssteuerung seit Jahren einen sehr hohen Stellenwert im<br />

Ausdauersport. Die Einführung, <strong>de</strong>r für je<strong>de</strong>n erschwinglichen HF-<br />

Messgeräte, hat die Trainings- und Leistungssteuerung schon etwas<br />

revolutioniert.<br />

In <strong>de</strong>r Trainingslehre verwen<strong>de</strong>t man die Begriffe und<br />

, welche untrennbar aneinan<strong>de</strong>r gekoppelt sind<br />

(siehe folgen<strong>de</strong> Abbildung).<br />

- 25 -


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Ausdauer- und Herz-Kreislauf-Training<br />

Herz-Kreislauf-Training = Training <strong>de</strong>r Herz- und Lungenfunktion,<br />

unter <strong>de</strong>r Verwendung konditioneller Fähigkeiten, bei einer<br />

Beanspruchung von min<strong>de</strong>stens 1/6 <strong>de</strong>r gesamten Muskelmasse. Wobei<br />

<strong>de</strong>r Ausdaueranteil <strong>de</strong>utlich höher ist als <strong>de</strong>r Kraftanteil und so eine<br />

Belastungsdauer von zehn Minuten bis viele Stun<strong>de</strong>n ermöglicht.<br />

Ausdauer = Die physische und psychische Fähigkeit, möglichst lange<br />

einer Belastung zu wi<strong>de</strong>rstehen und sich anschließend schnell wie<strong>de</strong>r<br />

davon zu erholen.<br />

Die Inanspruchnahme <strong>de</strong>s Herz-Kreislaufsystems ist Abhängigkeit von <strong>de</strong>r<br />

Belastungs- und Leistungsstruktur <strong>de</strong>r Ausdauersportart und ist<br />

unterschiedlich hoch.<br />

Ein <strong>Ausdauertraining</strong> beinhaltet automatisch auch ein Training <strong>de</strong>s Herz-<br />

Kreislauf-Systems bzw. umgekehrt, ein Herz-Kreislauf-Training wird nur<br />

über ein <strong>Ausdauertraining</strong> ermöglicht. Diese untrennbare Kopplung bei<strong>de</strong>r<br />

Komponenten verbirgt aber schnell, dass sich bei<strong>de</strong> unterschiedlich<br />

<strong>de</strong>finieren (lassen) und damit auch differenzierter Betrachtungsweisen<br />

bedürfen. Bei vorschneller Überlegung könnte man eine Unterscheidung als<br />

haarspalterische Feinheit abtun, welche nur rhetorischer Natur ist und für<br />

die Praxis nicht relevant erscheint. Eine / diese Differenzierung ist aber<br />

höchst relevant, <strong>de</strong>nn während quasi eine alleinige<br />

Fokussierung auf die HF zulässt, bedarf es bei noch<br />

zahlreicher an<strong>de</strong>rer zu berücksichtigen<strong>de</strong>r Kriterien - welche HFunabhängig<br />

sind.<br />

Und es geht um ein Training <strong>de</strong>r Ausdauer!<br />

Ein Training <strong>de</strong>s Herz-Kreislauf-Systems ist<br />

„nur“ ein (wenn auch äußerst<br />

be<strong>de</strong>utsamer!) Teil <strong>de</strong>r Komponente<br />

. Nicht umgekehrt!<br />

Foto: iStockfotos.com – Palto<br />

- 26 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Eine Nichtberücksichtigung <strong>de</strong>ssen, und <strong>de</strong>r Mangel an differenzierter<br />

Betrachtung <strong>de</strong>r Begriffe und bil<strong>de</strong>t ein<br />

weiteres Fundament für Irrtümer, Fehlinterpretationen und daraus<br />

resultieren<strong>de</strong>m fehlerhaften Umgang mit <strong>de</strong>r Thematik<br />

Herzfrequenzmessung.<br />

Die HF ermöglicht ein unverzichtbares Biofeedback über Körper:<br />

Biofeedback HF<br />

Regenerationszustand, Tagesform<br />

Eine unzureichen<strong>de</strong> Regeneration kann zu einem <strong>de</strong>utlichen Anstieg <strong>de</strong>r<br />

HF in Ruhe und bei Belastung führen. Eine chronisch hohe HF kann ein<br />

Indiz für ein Übertraining sein, ebenso wenn die HF bei Belastung nicht<br />

mehr auf gewohnte Werte ansteigt.<br />

Leistungsentwicklung<br />

Bei einer Erhöhung <strong>de</strong>r Ausdauerleistungsfähigkeit wird bei gleicher<br />

physikalischer Leistung (Watt, Geschwindigkeit) die HF geringer<br />

ausfallen. Die HF ist dadurch <strong>de</strong>r beste Indikator in <strong>de</strong>r Trainingspraxis,<br />

um eine Leistungsverbesserung zu erkennen.<br />

Krankheiten (erhöhte HF, Unregelmäßigkeiten im<br />

Herzrhythmus)<br />

Krankheiten, insbeson<strong>de</strong>re grippale Infekte bewirken meist einen<br />

Anstieg <strong>de</strong>r HF in Ruhe und auch bei Belastung. Weiterhin können<br />

Unregelmäßigkeiten im Herzrhythmus auftreten, welches zu <strong>de</strong>utlich<br />

sichtbaren Fehlmessungen führt. Ein Training sollte spätestens dann<br />

absolut tabu sein!<br />

Vorgänge im Körper bei Dauerbelastung<br />

Bei Trainingseinheiten und im Wettkampf kann eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

HF ten<strong>de</strong>nziell Informationen über die Vorgänge im Körper geben (z. B.<br />

ansteigen<strong>de</strong> Müdigkeit, Stoffwechselän<strong>de</strong>rung,<br />

Körpertemperaturän<strong>de</strong>rungen).<br />

- 27 -


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Um HF-Vorgaben für ein Training zu ermöglichen, sind gewisse<br />

physiologische Grenzwerte bzw. Parameter notwendig, anhand <strong>de</strong>rer sich<br />

einzelne (HF-) Grenzwerte berechnen lassen. Diese müssen durch<br />

Testverfahren ermittelt wer<strong>de</strong>n (Kap. 3.5). Abgeleitet von einem o<strong>de</strong>r<br />

mehreren Grenzwerten wird dann eine Aufteilung <strong>de</strong>r HF-Bandbreite in<br />

verschie<strong>de</strong>ne Trainings- bzw. Intensitätszonen vorgenommen, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

Sportler sich dann im Training aufhalten soll. Der größte Vorteil <strong>de</strong>r HF-<br />

Messgeräte besteht vor allem darin, dass hiermit eine einfache und<br />

permanent messbare Kontrollmöglichkeit gegeben ist. Diese scheinbare<br />

Einfachheit suggeriert dann auch eine simple Möglichkeit für eine gezielte<br />

Steuerung <strong>de</strong>s Trainings. Allerdings sind die Vorgänge im menschlichen<br />

Organismus viel zu umfangreich und komplex, um diese mit so einer<br />

einfachen Mess-Apparatur wirklich erfassen zu können (Kap. 1.4 / 2.3.2).<br />

Trimming 130<br />

„Trimming 130“ lautete mal die<br />

Formel für gesun<strong>de</strong>s Sporttreiben<br />

(130 Pulsschläge pro Minute<br />

während <strong>de</strong>r Ausdauerbelastung),<br />

ins Leben gerufen, 1983 durch <strong>de</strong>n<br />

(<strong>de</strong>r Ursprung <strong>de</strong>r<br />

„Trimm Dich Welle“ liegt im Jahr<br />

1970).<br />

Obwohl völlig unindividuell und<br />

damit auch völlig überholt, stecken<br />

niedrige Pauschalwerte immer noch<br />

in vielen Köpfen so mancher<br />

„Fachleute“. Bewertungen von HF-<br />

Werten bezüglich „hoch“ und<br />

„niedrig“ wer<strong>de</strong>n sehr häufig<br />

vorgenommen, ohne einen wirklich<br />

aussagefähigen Maßstab zu haben.<br />

So wer<strong>de</strong>n HF-Werte von 150-160<br />

S/min gerne pauschal als „hoch“<br />

bezeichnet, obwohl diese bei vielen<br />

Menschen (insbeson<strong>de</strong>re Frauen)<br />

ggf. nur eine geringe bis mittlere<br />

Intensität darstellen können.<br />

Gezielt die Ausdauer zu<br />

trainieren ist mehr, viel mehr,<br />

als nur ein paar Pulswerte im<br />

Auge zu behalten. Das Herz-<br />

Kreislauf-System bzw. <strong>de</strong>ssen<br />

Beanspruchung ist als<br />

alleiniges Bezugssystem<br />

unzureichend aussagefähig.<br />

Da die technischen<br />

Möglichkeiten weiter<br />

fortgeschritten sind, haben<br />

auch verstärkt Geräte Einzug in<br />

die trainingsmethodische<br />

Vorgehensweise gefun<strong>de</strong>n,<br />

welche eine physikalische<br />

Größe wie Watt o<strong>de</strong>r Tempo<br />

messen und <strong>de</strong>m Stellenwert<br />

<strong>de</strong>r Herzfrequenz zunehmend<br />

<strong>de</strong>n Rang ablaufen, sie<br />

allerdings nicht vollständig<br />

ersetzen können.<br />

- 28 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Rechts: Laufsensor, welcher über die<br />

Beschleunigungskräfte beim Laufen das<br />

Tempo und absolvierte Kilometer misst.<br />

Foto: Polar<br />

Läufer und Stoppuhr<br />

Unabhängig von GPS und Laufsensor: Der Läufer trainiert schon seit<br />

Jahrzehnten mit <strong>de</strong>m Parameter „Tempo“ (über Stoppuhr und<br />

vermessene Streckenabschnitte), da es von elementarer Be<strong>de</strong>utung für<br />

die Trainingssteuerung ist. Die neuen Messtechniken, wenn auch nicht<br />

immer ausreichend präzise, stellen eine sehr gute Ergänzung dar.<br />

- 29 -<br />

Links: spezielles Kurbelsystem für<br />

Radsportler, welches sehr genau<br />

über das Verhältnis von<br />

einwirken<strong>de</strong>r Kraft und<br />

Trittfrequenz die Leistung (Watt)<br />

messen und anzeigen kann.<br />

Foto: srm.<strong>de</strong><br />

Unten: Trainingscomputer-System mit GPS-Funktion und <strong>de</strong>r Möglichkeit<br />

einer umfangreichen Auswertung über <strong>de</strong>n PC.<br />

Foto: JN


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

1.3 Herzfrequenzbezeichnungen<br />

1.3.1 Die Pulsfrequenz (PF)<br />

Die vom Herzschlag durch das<br />

Arteriensystem getriebene, pulsieren<strong>de</strong><br />

Blutwelle an <strong>de</strong>n Gefäßwän<strong>de</strong>n, bezeichnet<br />

<strong>de</strong>n Puls. Dieser, bzw. <strong>de</strong>ssen Frequenz,<br />

lässt beson<strong>de</strong>rs gut über <strong>de</strong>r Arterie am<br />

Handgelenk zu fühlen. Sie beruht auf <strong>de</strong>r<br />

diskontinuierlichen Beschleunigung <strong>de</strong>s<br />

Blutes durch das Herz. Unter Pulsqualität<br />

versteht man die zum Teil schon durch<br />

Pulsfühlen feststellbare Beschaffenheit (z. B.<br />

rascher, langsamer, harter, weicher Puls)<br />

<strong>de</strong>s arteriellen Pulses, aus <strong>de</strong>r Rückschlüsse<br />

auf <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>s Herz-Kreislauf-Systems<br />

gezogen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Foto: Russell Shively – iStockfoto.com<br />

Die Geschwindigkeit <strong>de</strong>r Pulswelle<br />

(Pulswellengeschwindigkeit), die als Laufzeit entlang einer Arterienstrecke<br />

gemessen wird, ist vom Blutdruck und von <strong>de</strong>r Beschaffenheit <strong>de</strong>r<br />

Gefäßwand abhängig. Sie beträgt im Bereich <strong>de</strong>r Aorta 50-60 m/s, in <strong>de</strong>n<br />

Unterschenkelarterien etwa 10 m/s.<br />

Die Messung <strong>de</strong>r Pulsfrequenz mit <strong>de</strong>r Hand o<strong>de</strong>r per Messgerät ist für ein<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> unbrauchbar, da sie während <strong>de</strong>r Belastung vom<br />

Trainieren<strong>de</strong>n selber schlecht vorgenommen wer<strong>de</strong>n kann. Weiterhin ist bei<br />

höheren Frequenzen ein genaues Zählen kaum möglich und eine<br />

Unterbrechung <strong>de</strong>r Bewegung lässt die HF zu schnell sinken, um<br />

brauchbare Werte zu ermitteln.<br />

Auch eine Messung am Ohr ist nur von begrenzter Genauigkeit. Über einen<br />

Ohrclip wird dabei das Ohrläppchen durchleuchtet. Der Puls <strong>de</strong>s Herzens<br />

verursacht eine Lichtmodulation, welche von einem Infrarotlichtsensor<br />

aufgenommen und in einem Display als Pulsfrequenz angezeigt wird. Bei<br />

höheren Frequenzen wird eine korrekte Signalaufnahme problematisch.<br />

- 30 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

1.3.2 Die Herz(schlag)frequenz (HF)<br />

Als HF bezeichnet man die Anzahl<br />

<strong>de</strong>r Herzaktionen (Erfassung über<br />

das Elektrokardiogramm). Die HF<br />

ist unter mehreren Messgrößen ein<br />

beson<strong>de</strong>rs gut geeigneter<br />

Parameter für die Beurteilung <strong>de</strong>s<br />

Aktivitätszustan<strong>de</strong>s<br />

(Beanspruchung) <strong>de</strong>s Kreislaufs.<br />

Ihre messtechnisch relativ<br />

problemarme Zugänglichkeit<br />

ermöglicht ihre Erfassung sowohl<br />

im medizinisch-diagnostischen<br />

Bereich als auch unter Labor- o<strong>de</strong>r<br />

Feldbedingungen.<br />

- 31 -<br />

Feinheiten<br />

Die Herzfrequenz wird häufig<br />

auch als Puls (-frequenz)<br />

bezeichnet, was aber genau<br />

genommen (wie beschrieben)<br />

nicht korrekt ist. Die HF und die<br />

PF müssen (messtechnisch) nicht<br />

immer übereinstimmen. Und die<br />

PF ist, gera<strong>de</strong> bei höheren<br />

Belastungen, ein recht ungenauer<br />

Anhaltspunkt. In <strong>de</strong>r Praxis ist<br />

diese sprachliche Feinheit aber<br />

selten relevant.<br />

Die Sicherheit, die HF unter Belastung auch EKG-genau zu erfassen, geben<br />

nur HF-Messgeräte, welche nach <strong>de</strong>m EKG-Prinzip funktionieren, was einen<br />

Sen<strong>de</strong>gurt mit entsprechen<strong>de</strong>n Mess-Elektro<strong>de</strong>n erfor<strong>de</strong>rlich macht.<br />

Im Breitensport fin<strong>de</strong>n sich sehr viele Menschen, welche ein HF-Messgerät nutzen.<br />

Foto: Simone Engler - pixelio.<strong>de</strong>


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

1.3.3 Die Ruhe-Herzfrequenz<br />

Als Ruheherzfrequenz (RHF) bezeichnet<br />

man die HF bei körperlicher Ruhe und<br />

einem mental entspannten Zustand. Den<br />

genauesten Wert erzielt man, wenn dieser<br />

morgens vor <strong>de</strong>m Aufstehen gemessen<br />

wird. Die RHF kann wichtige<br />

Informationen über <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>s<br />

Organismus liefern und sollte <strong>de</strong>shalb<br />

regelmäßig gemessen wer<strong>de</strong>n, im<br />

Optimalfall sogar je<strong>de</strong>n Morgen.<br />

Tiefschlag<br />

Der niedrigste <strong>de</strong>m Autor<br />

bekannte RHF-Wert<br />

stammt von einem<br />

Radrennfahrer (Miguel<br />

Indurain, einer <strong>de</strong>r<br />

Weltbesten seiner Zeit):<br />

28 S/min, gemessen beim<br />

Eingangscheck <strong>de</strong>r .<br />

Im Gegensatz zur MHF ist die RHF durch <strong>Ausdauertraining</strong> verän<strong>de</strong>rbar, sie<br />

sinkt nämlich mit zunehmen<strong>de</strong>m Leistungsniveau.<br />

Untrainierte Menschen haben in <strong>de</strong>r Regel eine RHF von ca. 65-85 S/min<br />

(wobei Frauen im Durchschnitt eine höhere RHF aufweisen als Männer,<br />

bedingt durch einen kleineren Herzmuskel). Bei gut trainierten<br />

Ausdauersportlern liegt diese oft bei ca. 45-55 S/min und kann bei<br />

Spitzensportlern sogar <strong>de</strong>utlich unter 40 S/min liegen. Die Verringerung<br />

<strong>de</strong>r RHF ist bedingt durch die Anpassungserscheinungen <strong>de</strong>s Herz-<br />

Kreislauf-Systems (Erhöhung <strong>de</strong>r Lungenkapazität,<br />

Herzmuskelvergrößerung, Erhöhung <strong>de</strong>s Herzminutenvolumens und <strong>de</strong>s<br />

Herzschlagvolumens, Ökonomisierung <strong>de</strong>r Stoffwechselvorgänge, usw.)<br />

Eine Verbesserung bzw. Erhöhung <strong>de</strong>r<br />

Ausdauerleistungsfähigkeit spiegelt sich also<br />

auch durch eine Verringerung <strong>de</strong>r RHF wie<strong>de</strong>r<br />

– und umgekehrt.<br />

Allerdings lässt die RHF keine absoluten<br />

Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit zu,<br />

da sie unter an<strong>de</strong>rem auch von genetischen<br />

Faktoren abhängt. Eine (relativ) niedrige RHF<br />

zu haben muss also nicht automatisch<br />

be<strong>de</strong>uten, dass eine hohe<br />

Ausdauerleistungsfähigkeit gegeben ist.<br />

- 32 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Und die Ausdauersportler mit <strong>de</strong>r höchsten Leistungsfähigkeit müssen nicht<br />

zwangsläufig die niedrigsten RHF-Werte aufweisen. Dies ist insbeson<strong>de</strong>re<br />

zu berücksichtigen, wenn im Freizeit- und Breitensport HF-Vorgaben über<br />

Faustformeln gegeben wer<strong>de</strong>n sollen. Die Einbeziehung <strong>de</strong>r RHF in eine<br />

Faustformel (zur Berechnung von Trainingsvorgaben) erhöht zwar ggf. die<br />

statistische Wahrscheinlichkeit präziserer Vorgaben, aber eine Faustformel<br />

bleibt <strong>de</strong>nnoch eine Faustformel.<br />

Ein signifikanter Anstieg <strong>de</strong>r RHF über mehrere Tage kann als Indiz für eine<br />

Krankheit o<strong>de</strong>r unzureichen<strong>de</strong> Regeneration in Betracht gezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Diagramm: HF-Verhalten während eines 6stündigen Nachtschlafs. Die Bandbreite<br />

reicht von 45-85 S/min.<br />

© Polar<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

- 33 -


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

1.3.4 Die Maximale Herzfrequenz<br />

Die Maximale Herzfrequenz (MHF) ist die höchstmögliche Schlagzahl <strong>de</strong>s<br />

Herzmuskels, welche bei höchster Belastung erreichbar ist. Die MHF ist nur<br />

kurzzeitig erreichbar, da eine rasch ansteigen<strong>de</strong> Laktatkonzentration eine<br />

Herabsetzung <strong>de</strong>r Belastung erzwingt. Sie wird meist (auf <strong>de</strong>m letzten<br />

Kilometer) im Wettkampf erreicht.<br />

Die MHF ist sehr individuell, genetisch bedingt festgelegt, und nicht durch<br />

Training verän<strong>de</strong>rbar (zumin<strong>de</strong>st nicht nennenswert).<br />

Sie nimmt aber theoretisch mit zunehmen<strong>de</strong>m Alter ab (etwa ab <strong>de</strong>m 22.-<br />

25. Lebensjahr). Wobei bei langjährigem <strong>Ausdauertraining</strong> diese auch über<br />

viele Jahre unverän<strong>de</strong>rt sein kann (beim Autor ist diese z. B. seit über 15<br />

Jahren gleich geblieben). Zwei Menschen mit gleichem Alter, gleichem<br />

Gewicht, gleicher Körpergröße usw. können eine Abweichung <strong>de</strong>r MHF von<br />

20-30 (und mehr) Schlägen aufweisen. Die MHF zeigt auch<br />

geschlechtsspezifische Unterschie<strong>de</strong>. So haben Frauen, bedingt durch einen<br />

im Mittel kleineren Herzmuskel, gegenüber einem Mann im Durchschnitt<br />

eine höhere MHF.<br />

Die MHF zeigt (teilweise erhebliche) sportartspezifische Unterschie<strong>de</strong>. Ein<br />

Läufer ist beispielsweise kaum in <strong>de</strong>r Lage, die MHF beim Laufen auch beim<br />

Radfahren zu erreichen, es sei <strong>de</strong>nn, er wäre auch ein gut trainierter<br />

Radfahrer. Der Unterschied kann sogar so groß sein, dass beim Laufen die<br />

10-km-Wettkampf-HF höher ist als die MHF beim Radfahren (beim Autor<br />

<strong>de</strong>r Fall). Auch bei ein und <strong>de</strong>rselben Sportart können Unterschie<strong>de</strong><br />

auftreten, wenn dabei die<br />

Menge <strong>de</strong>r beanspruchten<br />

Muskelmasse stark variiert.<br />

Fährt man im Sitzen Rad, so<br />

wird man eventuell nicht die<br />

gleiche MHF erreichen, als<br />

wenn man im „Stehen“ fährt,<br />

unter verstärktem Einsatz <strong>de</strong>r<br />

nahezu gesamten<br />

Oberkörpermuskulatur.<br />

Diese bei<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n ihre MHF erreicht haben.<br />

- 34 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

MHF und Faustformel<br />

Es ist nicht möglich, die MHF einfach anhand von Faustformeln korrekt<br />

zu errechnen (wie etwa bei <strong>de</strong>n berühmten 220-Lebensalter). Auch<br />

wenn dies immer noch zu häufig propagiert wird – die die<br />

Fehlertoleranz bzw. Fehlerquote ist dabei extrem hoch. Mit einer<br />

Wahrscheinlichkeit von ca. 50 % darf man davon ausgehen, dass die<br />

tatsächliche MHF 10-30 S/min (in Einzelfällen noch <strong>de</strong>utlich höher, laut<br />

einer Untersuchung <strong>de</strong>r Uni Tübingen) von <strong>de</strong>m Faustformel-Ergebnis<br />

abweicht. Der Entwickler gibt eine Fehlertoleranzen von +/- 15-20<br />

S/min an. Bei trainierten Ausdauersportlern berechnen Faustformeln<br />

die MHF chronisch zu niedrig.<br />

- 35 -<br />

Man muss also unterschei<strong>de</strong>n<br />

zwischen absoluter und<br />

sportartspezifischer MHF. Die<br />

korrekte MHF muss<br />

sportartspezifisch (!) durch<br />

einen Test ermittelt wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Unterschied zwischen<br />

absoluter und<br />

sportartspezifischer MHF kann<br />

schnell zu Unstimmigkeiten<br />

und Fehlern bei <strong>de</strong>n<br />

Berechnungen <strong>de</strong>r Trainings-<br />

Herzfrequenzen führen (Kap.<br />

2.1).<br />

Je<strong>de</strong>r ambitionierte und leistungsorientierte Sportler sollte wissen, wie hoch<br />

seine MHF ist, da sie eine wichtige Größe darstellt. Die MHF ist <strong>de</strong>r am<br />

meisten genutzte Parameter, welcher im Breitensport zur<br />

Trainingssteuerung angewen<strong>de</strong>t wird, da <strong>de</strong>ssen Ermittlung keines<br />

aufwendigen Testverfahrens bedarf und von je<strong>de</strong>m selber durchgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Diese Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Trainingssteuerung hat aber massive<br />

Schwächen, auf die noch ausgiebig eingegangen wird (Kap. 2.1 / 3.5).


Kommentar<br />

Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Das Alter eines Menschen sagt genau so viel über seine MHF aus wie<br />

die Größe seiner Füße - nämlich gar nichts. Für ein effektives und<br />

gezieltes <strong>Ausdauertraining</strong> sind Faustformeln zur Berechnung <strong>de</strong>r MHF<br />

absolut unbrauchbar. Diese über eine Faustformel zu errechnen ist<br />

physiologischer Unsinn, <strong>de</strong>nn außer durch eine reale Ermittlung gibt es<br />

keine körperlichen Merkmale, welche eine korrekte Abschätzung <strong>de</strong>r<br />

MHF ermöglicht. Es ist ein Unding, dass heutzutage tatsächlich immer<br />

noch mit solch fossilen Metho<strong>de</strong>n gearbeitet wird (selbst in <strong>de</strong>r Medizin,<br />

bei kranken Menschen!). Die Fehlerquote ist unakzeptabel hoch und hat<br />

<strong>de</strong>n Charakter von Kaffeesatzlesen. Und es ist gera<strong>de</strong>zu paradox, die<br />

Wichtigkeit <strong>de</strong>r HF-Steuerung zu propagieren, aber dann vollkommen<br />

fehlerhafte Formeln heranzuziehen. Da kann man auf eine HF-Messung<br />

gleich verzichten.<br />

Mit Vorsicht zu genießen ist auch ein vorschneller Umgang mit üblichen<br />

Prozentformeln, welche die HF-Intensitätsbereiche anhand <strong>de</strong>r MHF<br />

ermitteln wollen.<br />

Solche Formeln sind rein statistischer Natur und entsprechen sehr häufig<br />

nicht <strong>de</strong>n tatsächlichen physiologischen Gegebenheiten eines Sportlers.<br />

So liegen die in <strong>de</strong>r nächsten Abbildung gezeigten Werte 5-10 % über <strong>de</strong>n<br />

in so mancher Literatur philosophierten Angaben. Ein Thema, auf welches<br />

im nächsten Kapitel 2 eingegangen<br />

wird.<br />

Trainings-HF-Werte abgeleitet von <strong>de</strong>r MHF<br />

Werte <strong>de</strong>s Autors (Laufen)<br />

MHF: 200 S/min (100 %)<br />

Wettkampf-HF 3-10 km: 196-197 S/min (98 %)<br />

Wettkampf-HF Halbmarathon: 188-190 S/min (94 %)*<br />

Wettkampfbelastung Marathon: 175-178 S/min (88 %)<br />

Mehrstündiges Fettstoffwechselt.: 140-155 S/min (70-77 %)**<br />

*Zone Anaerobe Schwelle **nach ca. 2-2,5 h weiter ansteigend<br />

- 36 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

1.3.5 Die Vorbelastungs- / Vorstart-Herzfrequenz<br />

Diese bezeichnet eine <strong>de</strong>utliche HF-Erhöhung, welches <strong>de</strong>n Körper auf eine<br />

bevorstehen<strong>de</strong> physische und psychische Belastung einstellt, obwohl man<br />

sich körperlich noch gar nicht for<strong>de</strong>rt. Alleine die Vorstellung an die<br />

bevorstehen<strong>de</strong> Aufgabe kann eine Erhöhung <strong>de</strong>r HF bewirken. Die häufig<br />

als unangenehm empfun<strong>de</strong>ne Aufregung stellt eine wichtige Funktion dar,<br />

welche einen schnellen Wechsel von relativer Ruhe auf Belastung<br />

ermöglicht.<br />

Wer kennt es<br />

nicht? Vor <strong>de</strong>m<br />

Start kann die HF<br />

schnell dreistellig<br />

wer<strong>de</strong>n, obwohl<br />

man sich nicht<br />

nennenswert<br />

bewegt.<br />

- 37 -<br />

Foto: JN<br />

1.3.6 Die Belastungs-Herzfrequenz und<br />

………Herzfrequenzreserve<br />

Die Belastungs-HF bezeichnet, wie <strong>de</strong>r Name schon sagt, die HF bei einer<br />

körperlichen Belastung bzw. Beanspruchung, gibt also im Prinzip <strong>de</strong>n<br />

Bereich zwischen <strong>de</strong>r RHF und <strong>de</strong>r MHF wie<strong>de</strong>r. Diese Bandbreite wird als<br />

Herzfrequenzreserve bezeichnet und kann bei trainierten Ausdauersportlern<br />

150 S/min und mehr betragen. Die HF-Reserve fällt um so niedriger aus, je<br />

höher die RHF und <strong>de</strong>sto niedriger die MHF ausfällt. Und umgekehrt: je<br />

niedriger die RHF und <strong>de</strong>sto höher die MHF, <strong>de</strong>sto größer die HF-Reserve.<br />

Trainingswirksame HF-Werte liegen allerdings <strong>de</strong>utlich oberhalb <strong>de</strong>r RHF,<br />

sodass dann die Trainings-HF-Bandbreite etwa einen Bereich von 60-80<br />

S/min ausmacht. Dadurch kann nur eine sehr niedrige HF-Reserve<br />

leistungseinschränkend wirken.


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Die Höhe <strong>de</strong>r / einer möglichen Belastungs-HF (im Verhältnis zur MHF)<br />

ergibt sich auch aus <strong>de</strong>r Leistungskapazität bzw. <strong>de</strong>r Leistungsreserve.<br />

Letztere erhöhen sich durch ein <strong>Ausdauertraining</strong>. Hinzu kommt die<br />

Fähigkeit, seine Leistungsreserven auch willentlich ausschöpfen zu können,<br />

welche sich aus <strong>de</strong>r ergibt. Siehe folgen<strong>de</strong><br />

Abbildung (nach Marées und Hollmann / Hettinger):<br />

Mobilisationsschwellen / Maximal abrufbare Leistungsfähigkeit<br />

100 % Willentlich nicht erreichbare Reserven<br />

90-95 % Leistungsreserve <strong>de</strong>s sehr gut trainierten Sportlers<br />

Ca. 70 % Leistungsreserve <strong>de</strong>s Untrainierten<br />

Ca. 60 % Leistungsbereitschaft <strong>de</strong>s arbeiten<strong>de</strong>n Menschen<br />

< 40 % Automatisierte Leistungen<br />

(ohne nennenswerte Willensanstrengungen)<br />

Die Leistungsreserven oberhalb <strong>de</strong>r physiologischen Leistungsbereitschaft<br />

von etwa 60 % sind nur mit hoher bis höchster Willensanstrengung zu<br />

erschließen. Bei Untrainierten liegt die Obergrenze dafür recht niedrig (ca.<br />

70 %). Ein sehr gut trainierter Sportler hat durch jahrelanges Training<br />

seine Mobilisationsschwelle weiter angehoben (bis zu 90-95 %). Der<br />

verbleiben<strong>de</strong> Rest <strong>de</strong>r potenziellen Leistungskapazität ist <strong>de</strong>r<br />

Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r lebenswichtigen Körperfunktionen vorbehalten<br />

(autonome Reserve) und kann nur durch Ausnahmesituationen wie<br />

To<strong>de</strong>sangst, Drogen, Doping (?) erschlossen wer<strong>de</strong>n. Ohne die genannten<br />

extremen Ausnahmesituationen verhin<strong>de</strong>rt diese autonome Reserve eine<br />

Schädigung o<strong>de</strong>r sogar eine lebensgefährliche Überlastung <strong>de</strong>s Körpers.<br />

Ein gesun<strong>de</strong>s Herz lässt sich <strong>de</strong>shalb selbst durch eine noch so hohe<br />

Belastung nicht schädigen!<br />

Hoch belasten<strong>de</strong> Ausdauerbeanspruchungen stellen selbst im Breitensport<br />

grundsätzlich keine gesundheitlich be<strong>de</strong>nklichen Umstän<strong>de</strong> dar.<br />

- 38 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Herzversagen bei Ausdauerbelastungen<br />

Wenn es bei Ausdauersportlern während hoher Belastung zum<br />

Herzversagen kommt, z. B. bei einer Marathonveranstaltung (was dann<br />

gerne von <strong>de</strong>r Presse aufgenommen wird), dann liegt immer eine (oft<br />

bis dato unerkannte) Vorschädigung <strong>de</strong>s Herzens vor. Des Weiteren ist<br />

es statistisch unausweichlich, dass bei einer größeren Ansammlung von<br />

Menschen irgendwann jemand dabei sein wird, <strong>de</strong>r an Herzversagen<br />

stirbt – egal ob eine Laufveranstaltung, Fußballspiel, Konzert usw., egal<br />

wie körperlich aktiv die Menschen dabei sind. Krass gesprochen:<br />

Irgendwann ist jemand fällig - dies lässt sich nicht verhin<strong>de</strong>rn. Eine<br />

Ausdauerbelastung kann bei einem gesun<strong>de</strong>n Menschen niemals die<br />

Ursache für ein Herzversagen sein, son<strong>de</strong>rn allenfalls <strong>de</strong>r Auslöser!<br />

Bei gutem Trainingszustand und hoher Leistungsbereitschaft kann die max.<br />

Belastungs-HF bei kürzeren Langzeitausdauerdisziplinen sehr nah an <strong>de</strong>r<br />

MHF liegen. So ist es nicht selten, dass sich gute Läufer in einem 5-10 km<br />

Wettkampf über die volle Distanz mit bis zu 98 % <strong>de</strong>r MHF belasten<br />

können. Neben einer hohen Laktattoleranz und Laktateliminationsrate<br />

spielt hierbei auch die Höhe <strong>de</strong>r Anaeroben Schwelle (AS) eine große Rolle.<br />

Während diese im Durchschnitt bei ca. 85-90 % <strong>de</strong>r (sportartspezifischen!)<br />

MHF liegt, kann diese durch entsprechen<strong>de</strong> Adaption auch darüber liegen,<br />

sodass zwischen AS-HF und MHF nur eine relativ geringe Bandbreite<br />

gegeben ist. Bei so hohen Belastungsherzfrequenzen führen dann weitere<br />

Anstiege von Belastungsstufen nicht mehr zu einem weiteren Anstieg <strong>de</strong>r<br />

HF. So wird etwa ein solcher Läufer Distanzen von 3000 m, 5000 m o<strong>de</strong>r<br />

10000 m quasi alle mit <strong>de</strong>r gleichen HF laufen – trotz unterschiedlicher<br />

Tempi.<br />

1.3.7 Die Nachbelastungs-Herzfrequenz<br />

Einen Anhaltspunkt über die Qualität <strong>de</strong>r Grundlagenausdauer und die<br />

Erholungsfähigkeit kann die HF-Messung nach einer kurzfristigen<br />

Maximalbelastung geben. Je besser <strong>Ausdauertraining</strong>szustand und<br />

Erholungsfähigkeit sind, <strong>de</strong>sto schneller wird die HF nach einer Belastung<br />

wie<strong>de</strong>r sinken (siehe nachfolgen<strong>de</strong> Tabelle – nach Bömer). Bei diesen<br />

Tabellenwerten ist aber zu be<strong>de</strong>nken, dass die individuellen HF-<br />

Belastungswerte (wie MHF und die HF an <strong>de</strong>r Anaeroben Schwelle) nicht<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n können.<br />

- 39 -


HF 5 min nach Belastungsen<strong>de</strong><br />

Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Über 130 S/min Schlecht<br />

130-120 S/min Ausreichend<br />

120-115 S/min Befriedigend<br />

115-105 S/min Gut<br />

105-100 S/min Seht gut<br />

Unter 100 S/min Hochleistungssport<br />

Eine Person mit geringen<br />

Belastungs-Herzfrequenzen<br />

wird die angegebenen<br />

Sinkwerte einfacher und<br />

schneller erreichen als<br />

jemand mit höheren<br />

Belastungs-Herzfrequenzen.<br />

Aussagefähiger sind dabei<br />

Beurteilungen über <strong>de</strong>n<br />

prozentualen Abfall <strong>de</strong>r<br />

Nachbelastungs-HF. Dennoch sollte ein guter Trainingszustand ein Sinken<br />

<strong>de</strong>r HF auf Werte unter 120-100 S/min ermöglichen. Nach <strong>de</strong>r ersten<br />

Erholungsminute sollte die HF um mind. 50 S/min sinken können. Nach<br />

längeren Ausdauerbelastungen erfolgt die größte Abnahme in <strong>de</strong>n ersten<br />

Minuten, die RHF ist dann aber noch über viele Stun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlich erhöht.<br />

Der Körper arbeitet noch auf Hochtouren (erhöhte Stoffwechseltätigkeit,<br />

Einleitung regenerativer Prozesse usw.)<br />

Nach einem Marathon<br />

wird die HF noch<br />

viele Stun<strong>de</strong>n erhöht<br />

sein. Foto: JN<br />

Das Diagramm links zeigt<br />

die Leistungsentwicklung<br />

einer Läuferin anhand dreier<br />

Mehrstufentests auf <strong>de</strong>m<br />

Laufband. Die letzten<br />

Punkte je<strong>de</strong>r HF-Kurve<br />

geben die HF 1 min nach<br />

Belastungsen<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r. Mit<br />

zunehmen<strong>de</strong>r<br />

Leistungssteigerung sank<br />

auch die Nachbelastungs-HF<br />

immer mehr, erst um 13,<br />

dann um 23 und beim 3.<br />

Test um 31 %.<br />

- 40 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

1.3.8 Die Herzratenvarianz (HRV)<br />

Das Herz schlägt niemals völlig gleichmäßig. Selbst bei völliger Ruhe und<br />

ohne jegliche Störfaktoren wird immer eine minimale, nicht spürbare und<br />

nur durch spezielle Messgeräte feststellbare Abweichung vorhan<strong>de</strong>n sein.<br />

Misst man etwa in Ruhe 60 S/min, so wird das Herz dabei nicht exakt im<br />

Abstand von einer Sekun<strong>de</strong> schlagen, son<strong>de</strong>rn es wird Abweichungen im<br />

Millisekun<strong>de</strong>n-Bereich geben. D. h.: Die Abstän<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Herzschlägen wer<strong>de</strong>n mal kürzer und mal länger ausfallen (variieren).<br />

Diese Abweichung vom Mittelwert (Standardabweichung) bezeichnet man<br />

als Herzraten- bzw. Herzfrequenz-Varianz (bzw. –Variation o<strong>de</strong>r –<br />

Variabilität).<br />

Dies wird bedingt durch zahlreiche physiologische und psychologische<br />

Einflussfaktoren wie: Schlafverhalten, körperliche Fitness, Alkohol, Nikotin,<br />

Koffein, Krankheiten wie etwa ein grippaler Infekt, Stress, Aufregung,<br />

innere Unruhe o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>pressive Stimmung.<br />

Nach hohen Trainings- und Wettkampfbelastungen, wenn die Regeneration<br />

noch nicht abgeschlossen ist, nimmt die HFV ab (ggf. bei gleichzeitiger<br />

Erhöhung <strong>de</strong>r Herzfrequenz). Eine Trainingsverbesserung und gute<br />

Regeneration hingegen zeigt sich in einer erhöhten HRV.<br />

Für einen ambitionierten Ausdauersportler bietet sich theoretisch damit die<br />

Möglichkeit, die Effektivität seines Trainings zu überprüfen. Steht ein<br />

entsprechen<strong>de</strong>s Messgerät<br />

zur Verfügung, können<br />

theoretisch regelmäßige<br />

Messungen ggf.<br />

Missverhältnisse zwischen<br />

Belastung (Training) und<br />

Regeneration auf<strong>de</strong>cken. Die<br />

Gefahr eines Übertrainings<br />

wür<strong>de</strong> dadurch verringert<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

- 41 -<br />

Foto: Georgios Alexandris /<br />

Shutterstock.com


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Jedoch darf man die Aussagefähigkeit <strong>de</strong>r HRV in Verbindung mit<br />

Ausdauersport nicht überschätzen.<br />

So unterliegt die HRV eben zahlreichen Einflussfaktoren – auch durch nicht<br />

trainingsbedingter, und eine geringere HRV ist nicht zwangsläufig als etwas<br />

Negatives anzusehen. Voreilig gezogene (falsche) Rückschlüsse sind<br />

dadurch schnell möglich.<br />

Zu beachten ist auch, dass solche Messungen eine Momentaufnahme<br />

darstellen, welche sich manchmal innerhalb von Minuten än<strong>de</strong>rn können.<br />

Längerfristige Untersuchungen an Ausdauersportlern während einer Saison<br />

zeigen auch, dass die HRV alleine völlig unzureichend ist, um klare<br />

Rückschlüsse auf die körperliche Verfassung eines Sportlers zu ziehen und<br />

ggf. nur bei genauer individueller Betrachtung und Beurteilung im Einzelfall<br />

funktionieren kann. Das HRV-Verhalten zeigt ein zu unterschiedliches<br />

Reaktionsmuster auf. Es lassen sich keine generellen Aussagen für die<br />

Anwendung <strong>de</strong>r HRV zur Beurteilung <strong>de</strong>s Regenerationszustan<strong>de</strong>s ableiten,<br />

was die Brauchbarkeit <strong>de</strong>r HRV infrage stellt, Überbelastungen im Training<br />

frühzeitig zu erkennen – wenn man sich zu sehr darauf stützt.<br />

Das (autonome) vegetative Nervensystem<br />

Das vegetative Nervensystem fasst die Nerven zusammen, die<br />

unbewusste, „automatische“ und willentlich nicht beeinflussbare<br />

Reaktionen <strong>de</strong>s Körpers steuern – wie etwa die Tätigkeit <strong>de</strong>r Organe,<br />

Blutgefäße, Reflexe usw. Es wird in zwei Gruppen geglie<strong>de</strong>rt:<br />

Der Sympathikus steuert die körperlichen Aktivitäten <strong>de</strong>s<br />

Organismus.<br />

Der Parasympathikus wirkt <strong>de</strong>m Sympathikus entgegen und<br />

sorgt generell für die Erholung <strong>de</strong>s Organismus.<br />

Bei<strong>de</strong> Systeme sind in ihrer Funktion voneinan<strong>de</strong>r abhängig; ihre<br />

Wirkungen sind ausbalanciert und <strong>de</strong>r jeweiligen Situation angepasst.<br />

So überwiegt in Phasen <strong>de</strong>r Angst, Anstrengung o<strong>de</strong>r bei Stress das<br />

sympathische, im Schlaf jedoch das parasympathische Nervensystem.<br />

Bei<strong>de</strong> Systeme sind <strong>de</strong>mentsprechend auch von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung<br />

für ein sportliches Training.<br />

- 42 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Folgen<strong>de</strong> Diagramme zeigen die HRV <strong>de</strong>s Autors unter unterschiedlichen<br />

Rahmenbedingungen. Je größer die Streuung <strong>de</strong>r Messwerte (Abweichung<br />

von <strong>de</strong>r diagonalen Mittelachse, gemessen in Millisekun<strong>de</strong>n), <strong>de</strong>sto höher<br />

fällt die HRV aus. (Diagramme © Polar)<br />

- 43 -<br />

Links: die HRV<br />

während eines 10km-Wettkampfs.<br />

Es<br />

ist quasi keine<br />

Streuung gegeben,<br />

als Zeichen einer sehr<br />

niedrigen HRV. Der<br />

sympathische Teil <strong>de</strong>s<br />

vegetativen<br />

Nervensystems hat<br />

massiven Einfluss.<br />

Links: die HRV einen<br />

Tag nach <strong>de</strong>r<br />

Belastung. Eine<br />

minimale Erhöhung<br />

<strong>de</strong>r HRV ist sichtbar,<br />

die Regeneration aber<br />

noch längst nicht<br />

abgeschlossen. Der<br />

Einfluss <strong>de</strong>s<br />

Sympathikus<br />

überwiegt noch.


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Links: die HRV während<br />

einer sechsstündigen<br />

Nachtschlafphase. Eine<br />

hohe Variabilität ist<br />

teilweise gegeben.<br />

Wobei diese auch häufig<br />

gering ausfällt, sichtbar<br />

an einer starken<br />

Konzentration von<br />

Messwerten auf <strong>de</strong>r<br />

Mittelachse. Dies wäre<br />

dadurch erklärbar, dass<br />

immer wie<strong>de</strong>r gewisse<br />

Anspannungszustän<strong>de</strong><br />

herrschen, welche in <strong>de</strong>r<br />

aktiven REM-Phase <strong>de</strong>s<br />

Schlafs auftreten.<br />

Demgemäß schwankte auch die HF sehr <strong>de</strong>utlich, im Bereich von 45-85<br />

S/min.<br />

Der Boxer im Herz<br />

Es erscheint paradox, wenn die HFV bei entspanntem Zustand<br />

zunimmt; eine unregelmäßige Herzrate hört sich nicht positiv an.<br />

Jedoch ermöglicht diese erhöhte Unregelmäßigkeit eine schnellere<br />

Reaktion <strong>de</strong>s Herzens auf geän<strong>de</strong>rte Situationen im Körper.<br />

Vergleichbar ist dies mit einem Boxer. Ist er noch ausgeruht, tänzelt er<br />

mit lockerer Beinarbeit im Ring, um möglichst schnell auf die Aktionen<br />

seines Gegners reagieren bzw. selber schnell Aktionen durchführen zu<br />

können. Mit zunehmen<strong>de</strong>r Ermüdung wird seine Beinarbeit weniger,<br />

Aktion und Reaktion träger.<br />

Der Polar RS800CX ermöglicht die Aufzeichnung <strong>de</strong>r HRV.<br />

Foto: JN<br />

- 44 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Die HRV als Maßstab zur Trainingssteuerung<br />

Nicht nur in körperlicher Ruhe unterliegt die HRV <strong>de</strong>n beschriebenen<br />

Schwankungen, auch eine physische Belastung hat Einfluss auf diese. So<br />

nimmt die HRV mit steigen<strong>de</strong>r Belastung ab, als Zeichen eines erhöhten<br />

(zunehmen<strong>de</strong>n) Einfluss <strong>de</strong>s Sympathikus. Bei ca. 60-70 % <strong>de</strong>r MHF<br />

erreicht sie <strong>de</strong>n niedrigsten Wert bzw. die Herzrate verläuft konstant und<br />

es ist keine Varianz mehr gegeben. Dadurch ist es theoretisch möglich,<br />

anhand dieses „Nullpunktes“ die Belastungsintensität abzuschätzen, ebenso<br />

die MHF. Dies wird im folgen<strong>de</strong>n Diagramm dargestellt.<br />

Die HRV in Abhängigkeit <strong>de</strong>r HF. Die Unregelmäßigkeit <strong>de</strong>r Herzrate wird mit<br />

zunehmen<strong>de</strong>r Belastung und HF immer geringer. Bei etwa 60-70 % <strong>de</strong>r MHF tendiert<br />

sie gegen NULL.<br />

Der bekannte finnische Hersteller hat sich diese physiologische<br />

Gegebenheit zunutze gemacht und in etlicher ihrer HF-Messgeräte mit<br />

einer Funktion ausgestattet, welche anhand eines kleinen Tests <strong>de</strong>n Punkt,<br />

an (ab) <strong>de</strong>m keine HRV mehr vorliegt, ermittelt. Die daraus ermittelten HF-<br />

Trainingszonen wer<strong>de</strong>n dabei als bezeichnet. Die besagte<br />

Firma hat sich diese Verfahren patentieren lassen.<br />

Dieses Verfahren ist für <strong>de</strong>n Fitnesssport gedacht und hat zwei wesentliche<br />

Vorteile: Es ist ggf. genauer als Faustformeln (zur Berechnung <strong>de</strong>r MHF)<br />

und zum an<strong>de</strong>ren ist bei diesem Test (zur Ermittlung <strong>de</strong>r OwnZone®) keine<br />

stark belasten<strong>de</strong> Beanspruchung notwendig.<br />

- 45 -


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Letzteres ist gera<strong>de</strong> im Fitnesssport ein nicht unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>s Argument.<br />

Des Weiteren wird bei diesem Verfahren auch empfohlen, die OwnZone®<br />

vor je<strong>de</strong>m Training neu zu ermitteln. Dadurch können, so die Theorie,<br />

individuelle Schwankungen <strong>de</strong>r Tagesform berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. So<br />

wür<strong>de</strong>n die HF-Vorgaben, <strong>de</strong>r Tagesfitness angepasst, immer im optimalen<br />

Bereich ausfallen. Negative Einflussfaktoren, welche eine schlechtere<br />

Tagesform suggerieren und die HRV schon in relativer Ruhe niedriger<br />

ausfallen lassen, könnten so erkannt und bei <strong>de</strong>n HF-Vorgaben beachtet<br />

wer<strong>de</strong>n. D. h.: Die HF-Vorgaben (die OwnZone®) fallen dann geringer aus,<br />

weil auch <strong>de</strong>r „HRV-Nullpunkt" bei einer geringeren HF gemessen wird.<br />

Wenn auch physiologisch<br />

und wissenschaftlich<br />

begründbar, so sind bei<br />

diesem sicherlich<br />

interessanten Verfahren<br />

kritische Hinterfragungen<br />

angebracht.<br />

Foto: iStockfoto.com –<br />

mediaphotos<br />

So ist die These, dass hiermit ohne Auslastung die MHF ermittelt wer<strong>de</strong>n<br />

kann, zu relativieren. Wenn eine schwanken<strong>de</strong> HRV automatisch<br />

unterschiedliche HF-Vorgaben erfor<strong>de</strong>rlich machen wür<strong>de</strong>, so wür<strong>de</strong> dies<br />

suggerieren, dass dann auch die MHF entsprechen<strong>de</strong>n Schwankungen<br />

unterliegt (<strong>de</strong>r niedrigste Wert <strong>de</strong>r HRV soll ja bei etwa 60-70 % <strong>de</strong>r MHF<br />

liegen). Dies ist natürlich nicht so. Nur <strong>de</strong>r „Nullpunkt“ hat sich verschoben<br />

– zu an<strong>de</strong>ren HF-Werten hin, weil beispielsweise eine schlechtere<br />

Tagesverfassung die HRV bei Belastung eher sinken lässt.<br />

Die Tatsache, dass die HRV vielen Einflussfaktoren unterliegt, welche nicht<br />

automatisch von trainingsmethodischer Relevanz sind und <strong>de</strong>shalb nicht<br />

zwangsläufig mit <strong>de</strong>r tatsächlichen Tagesverfassung (Leistungsfähigkeit) im<br />

Zusammenhang stehen muss, macht diese Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Trainingssteuerung<br />

auch nicht so genau, wie es Glauben machen lässt.<br />

- 46 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

In <strong>de</strong>r Theorie liest und hört sich<br />

dies sehr gut an, doch muss man<br />

auch fragen, inwieweit ein<br />

Nichteinhalten <strong>de</strong>r OwnZone® <strong>de</strong>n<br />

Körper negativ beeinflusst<br />

bezüglich Entwicklung <strong>de</strong>r Fitness,<br />

Stressabbau, Gesundheit usw.<br />

Der Autor selber hat einige Jahre<br />

lang anhand eines medizinischen<br />

Vierkanal-EKG-Gerätes an<br />

Fitnesssportlern die HRV in Ruhe<br />

gemessen, sowohl vor als auch<br />

nach einem Training. Es war kein<br />

klarer Zusammenhang zu<br />

erkennen zwischen <strong>de</strong>r HRV-Höhe<br />

vor und nach einem Training und<br />

<strong>de</strong>r Intensität, mit welcher das<br />

Training absolviert wur<strong>de</strong>. So<br />

konnte eine stark verringerte HRV<br />

vor <strong>de</strong>m Training, welches<br />

angeblich einen geringen<br />

Belastungsgrad empfehlenswert machen sollte, nach einem sehr harten<br />

Training <strong>de</strong>utlich erhöht sein. Während umgekehrt eine hohe HRV vor <strong>de</strong>m<br />

Training im Anschluss an diesem <strong>de</strong>utlich abnehmen konnte, wenn dieses<br />

recht mo<strong>de</strong>rat durchgeführt wur<strong>de</strong>. Sprich: Es konnte nicht vorausgesagt<br />

wer<strong>de</strong>n, wie sich die Höhe einer Trainingsbelastung bzw. <strong>de</strong>ren Intensität<br />

auf die HRV auswirkte. Anhand <strong>de</strong>r HRV, positiv hoch o<strong>de</strong>r negativ gering,<br />

war nicht klar abzusehen, welche Trainingsintensitäten für <strong>de</strong>n<br />

Trainieren<strong>de</strong>n „optimal“ waren. Dies musste individuell entschie<strong>de</strong>n und<br />

auch subjektives Empfin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Person berücksichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die HRV ist ein sehr nützlicher Indikator, auf <strong>de</strong>m man aber auch nicht zu<br />

blind starren sollte. Auch ein Trainer sollte nicht mit Tunnelblick stur dieser<br />

Metho<strong>de</strong> vertrauen und die Trainingsvorgabe für eine Person pauschal<br />

daran festnageln.<br />

Foto: IStockfoto.com – Ben Blankenburg<br />

- 47 -


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Auch hier besteht schnell die Gefahr, dass durch Technikhörigkeit ein<br />

Trainieren<strong>de</strong>r am Gängelband von statistischen Näherungen hängt. Aus <strong>de</strong>n<br />

Augen darf man auch nicht verlieren, dass es in <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r Sache liegt,<br />

dass ein kommerziell ausgerichteter Hersteller für solche Geräte immer<br />

wie<strong>de</strong>r neue Funktionen entwickeln muss, um seine Position auf <strong>de</strong>m Markt<br />

zu behaupten. Gewinnorientierung und Wahrheit konkurrieren dann schnell<br />

miteinan<strong>de</strong>r, sodass Werbeversprechen zu hinterfragen sind.<br />

Für <strong>de</strong>n Fitnesssport ggf. nicht ungeeignet, so stößt diese Metho<strong>de</strong><br />

spätestens dann an ihre Grenzen, wenn eine gezielte Trainingsplanung<br />

erfor<strong>de</strong>rlich ist bzw. angepeilt wird. Eine systematische Trainingssteuerung<br />

mit entsprechen<strong>de</strong>m Leistungsaufbau ist unmöglich, wenn die Trainings-<br />

HF-Werte nur durch ein Messgerät relativ kurzfristig vorgegeben wer<strong>de</strong>n.<br />

Ein planvolles Training kann durch solch eine Funktion nicht ersetzt<br />

wer<strong>de</strong>n!<br />

Aus diesem Grund spielt solch eine Funktion im ambitionierten o<strong>de</strong>r gar<br />

leistungsorientierten Ausdauersport quasi keine Rolle.<br />

Für ein systematisches <strong>Ausdauertraining</strong> ist die OwnZone® unbrauchbar.<br />

Foto: Ronald Westerhei<strong>de</strong> - rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/<br />

- 48 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

1.4 Einflussfaktoren auf das<br />

……Herzfrequenzverhalten<br />

Immer wie<strong>de</strong>r kann es vorkommen, dass die HF ein scheinbar<br />

ungewöhnliches Verhalten aufweist, obwohl man sich nicht an<strong>de</strong>rs belastet<br />

als sonst auch. Solange dies nicht häufig <strong>de</strong>r Fall ist, han<strong>de</strong>lt es sich meist<br />

um völlig harmlose Erscheinungen, <strong>de</strong>ren Ursachen sich häufig nicht genau<br />

ermitteln lassen. Dies kann aber bei unerfahrenen Ausdauersportlern<br />

schnell zu einer fehlerhaften Interpretation führen.<br />

Die HF unterliegt zahlreichen Einflussfaktoren und reagiert hochsensibel auf<br />

diese. Und viele dieser beeinflussen<strong>de</strong>n Elemente resultieren nicht aus<br />

einer geän<strong>de</strong>rten Belastungsintensität.<br />

- 49 -<br />

Konsequent eine vorgegebene HF einzuhalten,<br />

muss nicht immer be<strong>de</strong>uten, dass dabei immer<br />

die gleiche Intensität gegeben ist o<strong>de</strong>r das Ziel<br />

<strong>de</strong>r Trainingseinheit(en) optimal erreicht<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Umgekehrt, eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r HF muss<br />

nicht immer gleichbe<strong>de</strong>utend mit einer<br />

Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Belastungsintensität sein. Ein<br />

verän<strong>de</strong>rtes HF-Verhalten, we<strong>de</strong>r während<br />

einer Trainingseinheit, noch im Vergleich zu<br />

vorausgegangenen Trainingseinheiten, muss<br />

<strong>de</strong>shalb nicht sofort ein Grund liefern<br />

trainingsmethodisch eingreifen bzw. das<br />

Trainingsverhalten än<strong>de</strong>rn zu müssen. Die<br />

richtige Interpretation <strong>de</strong>s HF-Verhaltens ist<br />

allerdings nicht so einfach und nur mit viel<br />

Erfahrung, aber nie mit völliger Sicherheit<br />

möglich. Das folgen<strong>de</strong> Schaubild zeigt die<br />

Vielzahl <strong>de</strong>r Einflüsse (die teilweise miteinan<strong>de</strong>r<br />

wechselwirken), welchen die HF unterliegt, die<br />

dann auf <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n Seiten näher<br />

betrachtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Foto: JN


Einflussfaktoren auf die HF<br />

Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Belastungsintensität und -Dauer Blutvolumen<br />

Physikalische Leistung Herzschlagvolumen<br />

Kraftanteil Herzgröße<br />

Bo<strong>de</strong>nverhältnisse und Streckenprofil Genetische Veranlagung<br />

Menge <strong>de</strong>r aktiven Muskelmasse Lebensalter<br />

Körperposition Sympathikus<br />

Trainingszustand Psychologische Faktoren<br />

Wirkungsgrad Lärm<br />

Energieverbrauch Alkohol<br />

Stoffwechsellage Medikamente<br />

Ernährungsverhalten Gesundheitszustand<br />

Circadianer Rhythmus Schlafdauer / Regeneration<br />

Sauerstoffbedarf Schwangerschaft<br />

Wasserhaushalt Trägheitsverhalten<br />

Klima Körpertemperatur<br />

Atmung<br />

Standardgemäße physiologische Schwankung<br />

Foto: JN<br />

- 50 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

1.4.1 Einflussfaktoren in <strong>de</strong>r Analyse<br />

Belastungsintensität und Belastungsdauer Foto: shutterstock.com<br />

Je höher die Belastungsintensität,<br />

<strong>de</strong>sto höher ist <strong>de</strong>r Energie- und<br />

Sauerstoffbedarf, was sich in einer<br />

erhöhten HF wi<strong>de</strong>rspiegelt. Die HF<br />

zeigt innerhalb bestimmter Grenzen<br />

eine lineare Zunahme in<br />

Abhängigkeit von <strong>de</strong>r<br />

Arbeitsintensität (Belastung), dies<br />

heißt: Steigt die<br />

Belastungsintensität und auch die<br />

physikalische Leistung gleichmäßig<br />

an, dann wird auch die HF einen<br />

gleichmäßigen Anstieg aufweisen.<br />

Ausnahmen hierbei sind sehr<br />

geringe und sehr hohe Belastungen,<br />

dort fällt die HF-Kurve <strong>de</strong>utlich<br />

flacher aus. Durch <strong>de</strong>n nur noch<br />

geringen HF-Anstieg bei hohen bis<br />

sehr hohen Intensitäten lassen sich<br />

verschie<strong>de</strong>ne Belastungsbereiche anhand <strong>de</strong>r HF dort nicht mehr<br />

unterschei<strong>de</strong>n.<br />

Bei einer leichten Belastung mit konstanter Leistung erreicht die HF<br />

innerhalb von ca. 10 min einen annähernd gleich bleiben<strong>de</strong>n<br />

Durchschnittswert (Steady-State), <strong>de</strong>r prinzipiell bis zum Arbeitsen<strong>de</strong>, also<br />

über mehrere Stun<strong>de</strong>n, beibehalten wer<strong>de</strong>n kann. Bei sehr langen<br />

Dauerbelastungen ist aber auch dabei kein dauerhaftes HF-Steady-State<br />

möglich, irgendwann wird eine Ermüdung unausweichlich einen HF-Anstieg<br />

for<strong>de</strong>rn. Bei körperlicher Belastung wird ein solcher Gleichgewichtszustand<br />

also nicht dauerhaft erreicht. Es kommt zum sogenannten<br />

Ermüdungsanstieg (kardiovaskulärer Drift, "Ermüdungspuls"). Solche<br />

Arbeiten führen umso eher zum Abbruch, je intensiver die Belastung ist.<br />

Weitere Faktoren spielen hierbei noch eine Rolle, welche noch beschrieben<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

- 51 -


Physikalische Leistung<br />

Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Die Watt-Leistung o<strong>de</strong>r Geschwindigkeit, welche die physikalische Leistung<br />

bzw. eine physikalische Größe bestimmt und welche bei einer Belastung<br />

erbracht wird, hat – als einziger Faktor (!) – immer direkten Einfluss auf<br />

die Belastungsintensität. D. h.: Erhöht o<strong>de</strong>r verringert man (z. B. beim<br />

Laufen) die Geschwindigkeit, so erhöht bzw.<br />

verringert sich auch unmittelbar die<br />

Belastungsintensität. Solange diese<br />

physikalische Leistung aber konstant bleibt<br />

(bei gleichen äußeren Bedingungen -<br />

Streckenprofil, Bo<strong>de</strong>n- und<br />

Klimaverhältnissen usw.), bleibt<br />

grundsätzlich auch die Belastungsintensität<br />

unverän<strong>de</strong>rt – unabhängig davon, welches<br />

Verhalten die HF aufweist. Es kann sich<br />

dabei niemals nur einer <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Faktoren<br />

än<strong>de</strong>rn. Dadurch ist eine solche<br />

physikalische Größe das einzige direkte Maß<br />

zur Beurteilung <strong>de</strong>r Belastungsintensität!<br />

Kraftanteil<br />

Je höher <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r einzusetzen<strong>de</strong>n Kraft, <strong>de</strong>sto eher (bezogen auf die<br />

HF) wird man seine Leistungsgrenze erreichen und umgekehrt, je geringer<br />

<strong>de</strong>r Kraftanteil, <strong>de</strong>sto höher wird die HF an <strong>de</strong>r Leistungsgrenze (und auch<br />

bei allen an<strong>de</strong>ren Belastungsbereichen) ausfallen (Kap. 2.2.8).<br />

Bo<strong>de</strong>nverhältnisse und Streckenprofil<br />

Foto: Dieter Mo<strong>de</strong>rsitzki – speedteam-freiburg.<strong>de</strong><br />

Steigungen o<strong>de</strong>r weicher und unebener Untergrund erhöhen die<br />

Kraftbelastung, was bei gleicher Belastungsintensität zu niedrigeren HF-<br />

Werten führt als umgekehrt, wenn das Streckenprofil flach, eben und fest<br />

ist. (Gilt ganz beson<strong>de</strong>rs für Sportarten, bei <strong>de</strong>nen die Beine das eigene<br />

Körpergewicht tragen müssen – wie Laufen, Ski-Langlauf usw. - siehe<br />

vorherigen Punkt: ).<br />

- 52 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 53 -<br />

Be<strong>de</strong>utungsvolle Kraft<br />

Der Kraftanteil bei einer<br />

Ausdauerbelastung hat<br />

elementaren Einfluss auf das HF-<br />

Verhalten. Jedoch wird dies so gut<br />

wie gar nicht publiziert, sodass<br />

dies vielen Ausdauersportlern<br />

überhaupt nicht bewusst ist.<br />

Um dies zu ver<strong>de</strong>utlichen, wird in<br />

einem späteren Unterkapitel<br />

Körperposition<br />

ausführlich auf diese Thematik<br />

eingegangen (Kap. 2.2.8).<br />

Auch die Körperposition<br />

beeinflusst das HF-Verhalten. So<br />

kann etwa bei einer sehr gedrungenen (aerodynamischen) Haltung auf <strong>de</strong>m<br />

Rennrad bei gleicher Belastungs-Intensität die HF etwas niedriger ausfallen<br />

als bei aufrechter Körperhaltung. Allerdings kann eine gedrungene<br />

Körperhaltung wie<strong>de</strong>rum eine höhere Muskelbeanspruchung <strong>de</strong>r<br />

Oberkörpermuskulatur erfor<strong>de</strong>rlich machen, da diese eine verstärkte Stützund<br />

Haltefunktion leisten muss. Dies wie<strong>de</strong>rum wür<strong>de</strong> eher zu einem<br />

Anstieg <strong>de</strong>r HF führen. Weiterhin kann die Körperposition auch das<br />

Herzschlagvolumen<br />

beeinflussen.<br />

Foto rechts: Peter Weber -<br />

Shutterstock.com<br />

Menge <strong>de</strong>r aktiven<br />

Muskelmasse<br />

Je geringer die Menge <strong>de</strong>r<br />

aktiv beanspruchten<br />

Muskelmasse, <strong>de</strong>sto<br />

niedriger ist die HF – bei gleicher Belastungsintensität und umgekehrt, je<br />

höher die Menge <strong>de</strong>r beanspruchten Muskelmasse, <strong>de</strong>sto höher ist die HF.<br />

Eine große Menge an beanspruchter Muskulatur muss entsprechend mit<br />

Sauerstoff versorgt wer<strong>de</strong>n, solange dabei die einzelnen lokalen Muskeln<br />

aber nicht stärker belastet wer<strong>de</strong>n, bleibt die Belastungsintensität gleich<br />

(und auch die Laktatkonzentration wird sich nicht erhöhen).


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Dies ist von beson<strong>de</strong>rer<br />

Be<strong>de</strong>utung bei Sportarten, bei<br />

<strong>de</strong>nen die Menge <strong>de</strong>r<br />

beanspruchten Muskelmasse<br />

variiert, wie etwa im Radsport.<br />

Durch die häufig variieren<strong>de</strong><br />

Sitzposition, Trittfrequenz-<br />

/Übersetzungsverhältnis hat diese<br />

wechseln<strong>de</strong> Beanspruchung<br />

wesentlich höheren Einfluss auf<br />

die HF als die tatsächliche<br />

Belastungsintensität. Dadurch<br />

müssen dort die HF-Vorgaben (<strong>de</strong>r einzelnen Intensitätszonen) <strong>de</strong>utlich<br />

großzügiger ausgelegt wer<strong>de</strong>n, als es beispielsweise beim Laufsport<br />

möglich ist, wo Bewegungsablauf, Körperposition und <strong>de</strong>r Einsatz <strong>de</strong>r<br />

aktiven Muskelmasse immer nahezu gleich bleiben. Im Radsport ist<br />

dadurch das Laktatempfin<strong>de</strong>n von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung. Vergleichbares<br />

gilt für <strong>de</strong>n Ski-Langlauf. Auch dort müssen die HF-Vorgaben breitbandiger<br />

ausgelegt wer<strong>de</strong>n, da auch hier in Abhängigkeit <strong>de</strong>r Lauftechnik die Menge<br />

<strong>de</strong>r aktiv arbeiten<strong>de</strong>n Muskelmasse unterschiedlich ausfällt.<br />

Fotos: JN<br />

- 54 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Trainingszustand<br />

Mit zunehmen<strong>de</strong>r Ausdauerleistungsfähigkeit sinkt die HF bei gleicher<br />

physikalischer Leistung. Bezüglich <strong>de</strong>r HF an <strong>de</strong>r AS, kann es dabei zu einer<br />

<strong>de</strong>utlichen Rechtsverschiebung kommen. D. h.: Die AS-HF verschiebt sich<br />

Richtung MHF, wodurch sich die Dauerleistungsgrenze und damit<br />

verbun<strong>de</strong>n auch alle an<strong>de</strong>ren Intensitätsbereiche zu höheren HF-Bereichen<br />

verschieben. Dementsprechend müssen die HF-Vorgaben angepasst<br />

wer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Sportler muss dann auch mit höheren (!) HF-Werten als<br />

zuvor trainieren (um <strong>de</strong>n gleichen Belastungsgrad zu erreichen).<br />

In einer Phase hoher<br />

Trainingsbelastungen können die HF-<br />

Werte teilweise etwas niedriger ausfallen<br />

– ähnlich wie bei einem<br />

Übertrainingszustand.<br />

Bei einem Untrainierten ökonomisieren<br />

sich die Herz-Kreislaufvorgänge erst nach<br />

mehreren Wochen, weshalb bis dahin die<br />

HF als Anhaltspunkt wenig sinnvoll ist, da<br />

die HF dann noch nicht realistisch die<br />

Belastungsintensität wi<strong>de</strong>rspiegeln kann.<br />

Die HF reagiert bei Sportanfängern meist<br />

überschießend.<br />

Wirkungsgrad<br />

- 55 -<br />

Foto: JN<br />

Der Wirkungsgrad gibt allgemein das Verhältnis von abgegebener Leistung<br />

zur zugeführten Leistung bzw. erbrachter Energie und zugeführter Energie<br />

an. Aus <strong>de</strong>r Summe all <strong>de</strong>r komplexen Vorgänge im Körper, welche eine<br />

Erhöhung <strong>de</strong>r Ausdauerleistung hervorrufen, ergibt sich ein höherer<br />

Wirkungsgrad <strong>de</strong>s Ausdauersportlers. Ausdauerleistungsfähiger zu wer<strong>de</strong>n<br />

be<strong>de</strong>utet im Prinzip nichts an<strong>de</strong>res, als eine Verbesserung <strong>de</strong>s<br />

Wirkungsgra<strong>de</strong>s, wodurch bei gleicher Intensität mehr Leistung (Watt,<br />

Geschwindigkeit) erbracht wer<strong>de</strong>n kann. Bei längeren, ermü<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Ausdauerbelastungen verschlechtert sich – bei gleicher Leistung – <strong>de</strong>r<br />

Wirkungsgrad, was zu einem höheren Sauerstoffbedarf und dadurch<br />

ansteigen<strong>de</strong>r HF führt.


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Energieverbrauch Foto: JN<br />

An <strong>de</strong>n (einen Punkt zuvor aufgeführten)<br />

Wirkungsgrad ist <strong>de</strong>r Energieverbrauch<br />

gekoppelt. Je geringer <strong>de</strong>r<br />

Wirkungsgrad, <strong>de</strong>sto höher <strong>de</strong>r<br />

Energieverbrauch. Mit zunehmen<strong>de</strong>n<br />

Ermüdungsgrad bei längeren<br />

Ausdauerbelastungen verringert sich die Arbeitsökonomie <strong>de</strong>s Organismus,<br />

was wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>n Wirkungsgrad verringert. Der Sauerstoffbedarf steigt<br />

und damit auch die HF – aber nicht automatisch auch die<br />

Belastungsintensität.<br />

Stoffwechsellage<br />

Mit zunehmen<strong>de</strong>r Entleerung <strong>de</strong>r Glykogenspeicher ist <strong>de</strong>r Organismus<br />

gezwungen, immer mehr Energie aus <strong>de</strong>m körpereigenen Fett zu<br />

gewinnen. Zur Fettverbrennung wird aber mehr Sauerstoff benötigt als zur<br />

Glykogen- bzw. Kohlenhydratverbrennung, wodurch die HF (bei gleicher<br />

Belastungsintensität) ansteigt. Das Verhältnis zwischen HF uns<br />

Stoffwechsellage ist extrem variabel, weshalb die HF kein direktes Maß zur<br />

Beurteilung <strong>de</strong>s Stoffwechsels darstellt.<br />

Der Wechsel <strong>de</strong>s Stoffwechsels<br />

Beim Marathonlauf o<strong>de</strong>r bei einem langen (3h) Lauf zur<br />

Marathonvorbereitung (Fettstoffwechseltraining), wenn im Laufe <strong>de</strong>r<br />

Zeit die Kohlenhydratspeicher <strong>de</strong>utlich entleeren und <strong>de</strong>r Organismus<br />

gezwungen ist, <strong>de</strong>n Energiebedarf verstärkt über <strong>de</strong>n Fettstoffwechsel<br />

zu <strong>de</strong>cken, steigt die HF an. Solange das Lauftempo aber unverän<strong>de</strong>rt<br />

ist, kann auch hier nicht die Belastungsintensität steigen – und es<br />

besteht keine Notwendigkeit, langsamer zu laufen. Die erhöhte<br />

Herzfrequenz ist hierbei ein Zeichen für eine erhöhte<br />

Fettstoffwechseltätigkeit und nicht für eine erhöhte<br />

Belastungsintensität.<br />

Dies zeigt auch, wie unsinnig Thesen sind, welche pauschal niedrige<br />

HF-Werte mit hoher Fettverbrennungsrate gleichsetzen, bzw.<br />

umgekehrt eine erhöhte o<strong>de</strong>r ansteigen<strong>de</strong> HF mit „keine<br />

Fettverbrennung“ zu bewerten.<br />

- 56 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Ernährungsverhalten<br />

Eine Ernährung, welche eher arm an Kohlenhydraten ist, führt – bei<br />

gleicher Belastungsintensität – zu erhöhten HF-Werten, da durch <strong>de</strong>n<br />

stärker gefor<strong>de</strong>rten Fettstoffwechsel ein höherer Sauerstoffbedarf gegeben<br />

ist (siehe vorherigen Punkt: ).<br />

Circadianer Rhythmus<br />

Die HF unterliegt – wie auch an<strong>de</strong>re physiologische, biochemische u. a.<br />

Parameter – einem variieren<strong>de</strong>n Tagesgang (circadianer Rhythmus), <strong>de</strong>r<br />

jedoch durch die körperlichen und geistigen Aktivitäten in erheblichem Maß<br />

über<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n kann. Auch hierdurch wird das HF-Verhalten (auch bei<br />

Belastung) beeinflusst. So kann man beispielsweise bei manchen Sportlern<br />

beobachten, dass bei einem Training am frühen Morgen, relativ kurz nach<br />

<strong>de</strong>m Aufstehen, wenn das Herz-Kreislaufsystem noch nicht sehr aktiv ist,<br />

die HF-Werte <strong>de</strong>utlich niedriger liegen, als bei gleicher Belastung am<br />

Nachmittag (dies ist oft beim Autor <strong>de</strong>r Fall).<br />

Wasserhaushalt<br />

Ein stärkerer Wasserverlust (Dehydration)<br />

führt auch zu einem Anstieg <strong>de</strong>r HF und<br />

<strong>de</strong>s Sauerstoffbedarfs, da <strong>de</strong>r Organismus<br />

gezwungen ist (mangels<br />

„Schwitzwasser“), eine entsprechen<strong>de</strong><br />

Wärmeabgabe durch eine verstärkte<br />

Gefäßdurchblutung zu ermöglichen. Bis zu<br />

einem gewissen Grad kommt es dabei<br />

nicht zu einer erhöhten<br />

Belastungsintensität. Bei <strong>de</strong>utlicher<br />

Dehydration aber schon (siehe auch<br />

und ).<br />

Hierbei kann eine <strong>de</strong>utlich erhöhte HF ein<br />

wichtiger Warnhinweis sein, bei welcher<br />

eine Belastung unbedingt reduziert o<strong>de</strong>r<br />

gar abgebrochen wer<strong>de</strong>n sollte. Foto: Siegfried Fries - pixelio.<strong>de</strong><br />

- 57 -


Klima<br />

Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Hohe Luftfeuchtigkeit und<br />

Lufttemperatur können zu einem<br />

<strong>de</strong>utlichen HF-Anstieg führen. Eine<br />

Wärmeabgabe erfolgt nicht nur<br />

über entsprechen<strong>de</strong>s Schwitzen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch über das Blut, durch<br />

die Erweiterung <strong>de</strong>r Blutgefäße <strong>de</strong>r<br />

oberen Hautschichten. Die<br />

Durchblutung wird dort (Anstieg <strong>de</strong>r HF) erhöht (was dann auch eine<br />

vermin<strong>de</strong>rte Durchblutung <strong>de</strong>r tiefen Muskulatur mit sich bringen kann).<br />

Bis zu einer gewissen Grenze muss sich dabei die Belastungsintensität nicht<br />

än<strong>de</strong>rn. Bei starker Hitze kommt es aber zu einem Anstieg <strong>de</strong>r Blut-<br />

Laktatkonzentration. Und die enorme Belastung <strong>de</strong>s Herz-Kreislauf-<br />

Systems darf nicht ignoriert wer<strong>de</strong>n. Dies gilt im Prinzip auch beim Anstieg<br />

<strong>de</strong>r Körpertemperatur durch zu viel Bekleidung. Diese klimatischen<br />

Faktoren führen auch dazu, dass im Durchschnitt die HF-Werte im Sommer<br />

etwas höher liegen als im Winter. Der Sauerstoffgehalt in <strong>de</strong>r Luft spielt<br />

auch eine große Rolle. Ein sinken<strong>de</strong>r Sauerstoffwert (z. B.: in <strong>de</strong>r Höhe),<br />

führt (bei gleicher Arbeitsleistung) zu einem HF- und Belastungsanstieg.<br />

Körpertemperatur<br />

Foto: iStockphoto.com - Darren Stevenson<br />

Siehe hierzu auch . Bei längeren Dauerbelastungen o<strong>de</strong>r Hitze<br />

steigt die Körpertemperatur an (Hyperthermie). Resultierend daraus<br />

erweitern sich die Blutgefäße <strong>de</strong>r Haut, mit einer Verlagerung <strong>de</strong>r<br />

Blutmenge aus <strong>de</strong>m Zentrum in die Peripherie. Diese Verlagerung bewirkt,<br />

dass ein Teil <strong>de</strong>s Blutvolumens <strong>de</strong>n zentralen Kreislaufabschnitten entzogen<br />

wird. Dadurch kommt es unter ansonsten gleichen Belastungsbedingungen<br />

zum Absinken <strong>de</strong>s Herzschlagvolumens und analog zu einem Anstieg <strong>de</strong>r<br />

Herzfrequenz. Auch hierbei muss die tatsächliche Belastungsintensität also<br />

nicht als erhöht angesehen wer<strong>de</strong>n. Dies kann aber gegeben sein, wenn<br />

durch eine geringere Blutversorgung <strong>de</strong>r Arbeitsmuskulatur diese<br />

gezwungen ist, früher als unter Normaltemperaturbedingungen einen Teil<br />

<strong>de</strong>r von ihm zu leisten<strong>de</strong>n Arbeit auf <strong>de</strong>m Wege anaerober<br />

Energiebereitstellung zu erbringen (Laktatanstieg). So kann bei starker<br />

Hitze eine erhöhte HF durchaus aus einer erhöhten Intensität resultieren.<br />

- 58 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Herzschlagvolumen<br />

Die Sauerstoffversorgung bezüglich <strong>de</strong>r<br />

Herzarbeit hängt nicht nur von <strong>de</strong>r HF ab,<br />

son<strong>de</strong>rn auch vom Herzschlagvolumen (Kap.<br />

1.1.1). Bei einer Dauerbelastung verringert sich<br />

früher o<strong>de</strong>r später das HSV, was durch eine<br />

höhere HF ausgeglichen wer<strong>de</strong>n muss, da sonst<br />

das Herzminutenvolumen sinken wür<strong>de</strong> (Kap.<br />

1.1.1). Bei gleicher Sauerstoffaufnahme kann<br />

alleine dadurch die HF um die 10 S/min<br />

ansteigen – ohne dass eine erhöhte<br />

Belastungsintensität gegeben ist (siehe hierzu<br />

auch ). Umgekehrt kann<br />

das HSV auch zunehmen, was wie<strong>de</strong>rum die HF<br />

senken kann (siehe hierzu auch: ).<br />

Eine Erhöhung <strong>de</strong>r Ausdauerleistungsfähigkeit führt allgemein auch zur<br />

Erhöhung <strong>de</strong>s HSV, was dann (bei gleicher Sauerstoffaufnahme und<br />

Belastungsintensität) mit einer niedrigeren HF einhergeht (siehe auch<br />

).<br />

Vorgetäuschte Leistungssteigerung durch ein erhöhtes<br />

Herzschlagvolumen?<br />

Dies be<strong>de</strong>utet aber auch, dass eine sich verringern<strong>de</strong> HF (im Laufe<br />

einer längeren Trainingsphase), bei gleicher physikalischer<br />

Leistung/Größe (Wattleistung, Geschwindigkeit), zwar eine positive<br />

Anpassung darstellt, aber nicht automatisch im gleichen Maße eine<br />

Verringerung <strong>de</strong>r Belastungsintensität wi<strong>de</strong>rspiegeln muss. So könnte<br />

ein entsprechen<strong>de</strong>s HF-Verhalten theoretisch auch ausschließlich durch<br />

die Erhöhung eines HSV bedingt sein und damit eine geringere<br />

Intensität nur vortäuschen. In <strong>de</strong>r Praxis dürfte so ein Extremfall aber<br />

kaum auftreten, <strong>de</strong>nn es wer<strong>de</strong>n dabei immer auch Trainingseffekte<br />

erscheinen, welche mit einer geringeren Intensität einhergehen.<br />

Inwieweit ein höheres HSV aber einen möglichen Anteil <strong>de</strong>r Nicht-<br />

Intensitätsverringerung verschleiern kann, darüber scheinen keine<br />

genauen Untersuchungen vorhan<strong>de</strong>n zu sein.<br />

- 59 -


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Blutvolumen Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

Großen Anteil an <strong>de</strong>r Erhöhung <strong>de</strong>r Ausdauerleistungsfähigkeit hat die<br />

Zunahme <strong>de</strong>s Gesamt-Blutvolumens (die gesamte Blutmenge <strong>de</strong>s<br />

Organismus), welches sich bei Ausdauertrainierten um 40-60 % erhöhen<br />

kann. Die größere Blutmenge kann durch eine vermehrte Blutgefäßbildung<br />

und durch eine Weitung <strong>de</strong>rselben aufgenommen wer<strong>de</strong>n. Letzteres<br />

be<strong>de</strong>utet, dass sich <strong>de</strong>r Querschnitt und damit das Volumen <strong>de</strong>r Blutgefäße<br />

vergrößert und sich dadurch bei gleicher Länge dort mehr Blut pro<br />

Gefäßabschnitt befin<strong>de</strong>t. Dies bedingt wie<strong>de</strong>rum eine höhere Füllung und<br />

damit einen höheren Auswurf an Blut aus <strong>de</strong>n Herzkammern – das HSV<br />

erhöht sich. Wie erwähnt resultiert aus einem höheren HSV eine niedrige<br />

HF, da für die gleiche ausgeworfene Blutmenge weniger Herzschläge nötig<br />

sind. Ein größeres Blutvolumen führt auch zu einer besseren<br />

Thermoregulierung <strong>de</strong>s Körpers - ohne zusätzliche Erhöhung <strong>de</strong>r HF.<br />

Herzgröße<br />

Ein <strong>Ausdauertraining</strong> kann zu einer Vergrößerung <strong>de</strong>s Herzens führen, als<br />

Anpassungserscheinung an die körperlichen Beanspruchungen. Ein solches<br />

Sportherz führt zu einem höheren HSV, wodurch die HF sinkt.<br />

- 60 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Atmung Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

Bei <strong>de</strong>r Ausatmung sinkt die HF<br />

etwas und bei <strong>de</strong>r Einatmung steigt<br />

die HF etwas an. Auch die Tiefe<br />

und die Frequenz <strong>de</strong>r Atmung hat<br />

Einfluss auf das HF-Verhalten. Eine<br />

flache Atmung mit hoher<br />

Atemfrequenz führt zu einer<br />

höheren HF als eine tiefe Atmung<br />

mit geringerer Atemfrequenz. So<br />

erhöht sich bei tiefer Atmung das<br />

Herzschlagvolumen (erhöhter<br />

Druck <strong>de</strong>r Atemmuskeln auf die<br />

Blutgefäße), wodurch die HF sinken<br />

kann (bei flacher Atmung ist es umgekehrt). Bei ansteigen<strong>de</strong>r<br />

Körpertemperatur (wie etwa bei Hitze) flacht die Atmung zwecks besserer<br />

Thermoregulation ab. Auch die Art und Weise wie die Atemmuskulatur<br />

beansprucht wird, wirkt sich also auf das HF-Verhalten aus – ohne dass<br />

sich <strong>de</strong>shalb die Lage für Arbeitsmuskeln (z. B. die <strong>de</strong>r Beine) und<br />

tatsächlicher Belastungsintensität än<strong>de</strong>rn müssen. Denn je nach<br />

Atmungstiefe wird auch die Atemmuskulatur unterschiedlich beansprucht.<br />

Genetische Veranlagung<br />

Pauschale Beurteilungen eines HF-Verhaltens können genetische Faktoren<br />

nicht berücksichtigen, welche auch entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Einfluss haben. So gibt<br />

es eben Menschen, die genetisch bedingt überdurchschnittlich hohe o<strong>de</strong>r<br />

niedrige HF-Werte aufweisen – ohne dass dies in irgen<strong>de</strong>iner Weise<br />

be<strong>de</strong>nklich wäre (Stichwort „Hoch- und Niedrigpulser“ – Kap. 2.2.2). Die<br />

Physiologie <strong>de</strong>s menschlichen Körpers ist nicht genormt.<br />

Lebensalter<br />

Mit zunehmen<strong>de</strong>m Lebensalter sinkt irgendwann die MHF und AS-HF - und<br />

es müssen alle HF-Bereiche entsprechend niedriger eingestuft wer<strong>de</strong>n. Bei<br />

trainierten Ausdauersportlern kann die MHF allerdings Jahrzehnte<br />

unverän<strong>de</strong>rt sein.<br />

- 61 -


Geschlecht<br />

Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Die Frau hat im Durchschnitt eine<br />

geringere Herzmuskelgröße als ein<br />

Mann, was wie<strong>de</strong>rum durch eine (im<br />

Durchschnitt 5-8 %) höhere<br />

Herzschlagfrequenz ausgeglichen wird.<br />

Bei (gesun<strong>de</strong>n) jungen Frauen kommt<br />

es dadurch auch häufig vor (und dies ist<br />

– im Gegensatz zu üblichen statistischen<br />

Pauschalaussagen – völlig normal und<br />

unbe<strong>de</strong>nklich), dass selbst bei geringen<br />

Belastungsintensitäten schon „hohe“ HF-<br />

Werte erreicht wer<strong>de</strong>n. Das Verhältnis<br />

zwischen HSV und HF zeigt in <strong>de</strong>r Regel<br />

geschlechtsspezifische Unterschie<strong>de</strong> auf<br />

– welches auch zu unterschiedlichem<br />

HF-Verhalten zwischen Männern und<br />

Frauen führt (Kap. 2.2.3).<br />

Standardgemäße, physiologische<br />

Schwankung<br />

Das HF-Verhalten zeigt natürliche<br />

Schwankungen, die aus kleinsten<br />

Verän<strong>de</strong>rungen und Vorgängen in<br />

unserem Körper resultieren, weshalb sie<br />

nie einem konstanten Wert entspricht.<br />

Schwankungen von +/- 2-5 Schläge/min<br />

sind quasi immer gegeben. Auch <strong>de</strong>shalb<br />

müssen HF-Vorgaben immer<br />

entsprechend großzügig ausgelegt und<br />

können nie auf wenige S/min eingehalten<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Foto: JN<br />

- 62 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Sympathikus<br />

Jegliche Aktivität <strong>de</strong>s sympathischen Nervensystems beeinflusst auf das<br />

HF-Verhalten. Resultiert dies nicht direkt aus <strong>de</strong>r körperlichen Belastung,<br />

so stellt eine mögliche HF-Erhöhung keine höhere Belastungsintensität dar.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re psychologische Faktoren zu einer (zusätzlich) höheren<br />

Aktivität <strong>de</strong>s Sympathikus (Kap. 1.3.8) führen, welches mit einer höheren<br />

HF eingeht (siehe nächsten Punkt: ). Aber auch<br />

an<strong>de</strong>re, nicht belastungsbedingte Komponenten (wie Lärm, Alkohol,<br />

Medikamente, Krankheiten) können <strong>de</strong>n Sympathikus in einen zusätzlichen<br />

Erregungszustand setzen.<br />

Psychologische Faktoren<br />

Sämtliche psychische Faktoren (wie Aufregung, Depression, Stress) können<br />

das HF-Verhalten ganz massiv beeinflussen und zu einer falschen<br />

Beurteilung <strong>de</strong>r Belastungsintensität führen. Selbst einfache<br />

Gedankengänge haben signifikanten Einfluss auf<br />

das HF-Verhalten, bedingt durch eine zusätzliche<br />

Erregung <strong>de</strong>s Sympathikus (Kap. 1.3.8).<br />

Inwieweit bei solchem Einfluss psychologischer<br />

Faktoren trainingsmethodisch gehan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n<br />

muss, das muss individuell beurteilt und<br />

entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Lärm<br />

Längerer <strong>de</strong>utlicher Lärm ist auch ein<br />

Stressfaktor, welches das HF-Verhalten<br />

beeinflussen kann. Bei einem längeren erhöhten<br />

Lärmpegel kann die HF ansteigen.<br />

Schwangerschaft Foto: JN<br />

Eine Schwangerschaft zeigt vergleichbare<br />

Begleiterscheinungen, wie ein <strong>Ausdauertraining</strong>:<br />

es erhöht sich das Blut- und Herzschlagvolumen<br />

und die HF sinkt.<br />

- 63 -


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Alkohol<br />

Alkoholkonsum führt zu einer<br />

Erweiterung <strong>de</strong>r Blutgefäße, mit einer<br />

teilweise <strong>de</strong>utlichen Erhöhung <strong>de</strong>r HF. Da<br />

im Gegenzug das Herzschlagvolumen<br />

abnimmt, be<strong>de</strong>utet eine Erhöhung <strong>de</strong>r HF<br />

dabei nicht automatisch, dass eine<br />

erhöhte Belastungsintensität vorliegt.<br />

Medikamente<br />

Medikamente wie Psychopharmaka und<br />

Betablocker (Herzfrequenz senken<strong>de</strong>s<br />

Medikament) können das HF-Verhalten<br />

<strong>de</strong>utlich beeinflussen. Insbeson<strong>de</strong>re<br />

Betablocker senken die HF be<strong>de</strong>utend<br />

bzw. diese steigt (je nach Dosierung)<br />

selbst bei <strong>de</strong>utlichem Belastungsanstieg<br />

kaum. Die Einnahme von Medikamenten<br />

in Verbindung mit sportlichen<br />

Belastungen muss unbedingt mit einem<br />

Arzt besprochen wer<strong>de</strong>n. Weiterhin können auch pflanzliche Produkte wie<br />

Baldrian o<strong>de</strong>r Johanniskraut zu einer Senkung <strong>de</strong>r HF in Ruhe und bei<br />

Belastung führen. Dies muss bei <strong>de</strong>r Einnahme solcher Präparate bei <strong>de</strong>r<br />

Trainingssteuerung eventuell berücksichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Gesundheitszustand / Krankheiten<br />

Sämtliche Abweichungen vom „normalen“ Gesundheitszustand können<br />

Einfluss auf das Herzfrequenzverhalten (in Ruhe und bei Belastung)<br />

ausüben – und das teilweise <strong>de</strong>utlich. Hierfür kann die HF ein wertvoller<br />

Kontrollparameter sein. Eine <strong>de</strong>utlich erhöhte (beson<strong>de</strong>rs über mehrere<br />

Tage) Ruhe- und Belastungs-HF kann so etwa ein Anzeichen für einen<br />

grippalen Virus sein, bei <strong>de</strong>m von einem Training unbedingt abgesehen<br />

wer<strong>de</strong>n sollte. Das Gleiche gilt auch für Entzündungsher<strong>de</strong> jeglicher Art im<br />

Körper.<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

- 64 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Sauerstoffbedarf<br />

Die meisten <strong>de</strong>r bisher aufgeführten Einflussfaktoren erhöhen <strong>de</strong>n<br />

Sauerstoffbedarf <strong>de</strong>s Organismus. Ein erhöhter Sauerstoffbedarf muss<br />

durch eine entsprechen<strong>de</strong> Erhöhung HF ge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n. Eine sich<br />

verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> HF ist grundsätzlich ein Zeichen für einen verän<strong>de</strong>rten<br />

Sauerstoffbedarf. Dieser muss dann aber nicht zwangsläufig aus einer<br />

verän<strong>de</strong>rten Belastungsintensität resultieren – stellt aber eine erhöhte<br />

Herz-Kreislauf-Belastung dar. Diese kann durchaus ein entsprechen<strong>de</strong>s<br />

Han<strong>de</strong>ln erfor<strong>de</strong>rlich machen - muss es aber nicht zwangsläufig.<br />

Trägheitsverhalten<br />

- 65 -<br />

Foto:<br />

Dieter<br />

Schütz -<br />

pixelio.<strong>de</strong><br />

Die HF zeigt ein <strong>de</strong>utliches Trägheitsverhalten. Während sich eine<br />

physikalische Größe (Watt, Geschwindigkeit) unmittelbar (und <strong>de</strong>utlich)<br />

verän<strong>de</strong>rn lässt, reagiert die HF dabei mit <strong>de</strong>utlicher Verzögerung von etwa<br />

10-30 Sekun<strong>de</strong>n. Dadurch wird die HF bei speziellen Trainingsmetho<strong>de</strong>n<br />

(wie etwa: Intervalltraining, Fahrtspiel) als Anhaltspunkt sehr<br />

problematisch o<strong>de</strong>r sogar unbrauchbar. Bei je<strong>de</strong>r Art von<br />

Belastungswechsel hinkt die HF <strong>de</strong>r Leistung quasi immer zeitverzögert<br />

hinterher. Auch beim Aufwärmen zu Beginn einer Trainingseinheit (Warmup)<br />

ist diese HF-Trägheit zu berücksichtigen.


Kapitel 1 – Die Physiologie <strong>de</strong>r Herzfrequenz<br />

Dynamischer Läufer und träge HF<br />

Man muss beachten, dass die HF ggf. 5-10<br />

min benötigt kann, bis sie sich auf<br />

aussagefähige Werte einpen<strong>de</strong>lt. Selbst nach<br />

20 min kann man noch mit einem Anstieg<br />

<strong>de</strong>r Körpertemperatur rechnen, welcher dann<br />

auch zu einem HF-Anstieg führt – ohne dass<br />

es die Belastungsintensität tangiert.<br />

Die Trägheit <strong>de</strong>r HF bei Belastungswechseln<br />

mag verwun<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>nn die HF ist<br />

erfahrungsgemäß durchaus in <strong>de</strong>r Lage, sehr<br />

schnell zu reagieren und ihr Verhalten<br />

anzupassen. Die HF passt sich dabei <strong>de</strong>m<br />

Sauerstoffbedarf an, welcher maßgeblich aus<br />

<strong>de</strong>m Energiebedarf resultiert. Je kürzer die<br />

Zeitabschnitte zwischen <strong>de</strong>n Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />

Arbeitsleistung ausfallen, <strong>de</strong>sto stärker schwankt auch ständig <strong>de</strong>r Energie-<br />

und damit Sauerstoffbedarf. Die HF ist dann irgendwann kaum noch in <strong>de</strong>r<br />

Lage, <strong>de</strong>n Schwankungen <strong>de</strong>r Leistung zu folgen.<br />

Foto: iStockfoto.com - Byron Moore<br />

Ein Läufer soll ein Intervalltraining durchführen, bei <strong>de</strong>m er 10 x 400 m<br />

mit einem Tempo laufen soll, welches im Bereich <strong>de</strong>s 5000 m<br />

Wettkampftempos liegt. Dazwischen sollte eine 200 m lange Pause (mit<br />

sehr geringer Intensität) eingelegt wer<strong>de</strong>n. Innerhalb weniger Meter<br />

kann <strong>de</strong>r Läufer entsprechen<strong>de</strong> Laufgeschwindigkeit erreichen, aber die<br />

HF wird <strong>de</strong>utlich langsamer reagieren.<br />

Gera<strong>de</strong> am Anfang <strong>de</strong>r Trainingseinheit, wo noch kein starker<br />

Ermüdungsgrad vorliegt, kann die Dauer <strong>de</strong>s Intervalls sogar zu kurz<br />

sein, um die entsprechen<strong>de</strong> HF zu erreichen. Wür<strong>de</strong> sich <strong>de</strong>r Läufer<br />

nach <strong>de</strong>r HF orientieren, dann müsste er – um möglichst schnell die die<br />

HF-Vorgabe zu erreichen – ein Anfangstempo laufen, welches <strong>de</strong>utlich<br />

zu hoch ist. Dies mit <strong>de</strong>r Folge, dass die Laktatkonzentration im Muskel<br />

zu schnell ansteigt und die Vorgaben nicht eingehalten wer<strong>de</strong>n können.<br />

Die Vorgaben können hierbei nur über die Geschwindigkeit gegeben<br />

und kontrolliert wer<strong>de</strong>n. Allenfalls bei relativ langen Intervallen (ca. ><br />

4-5 min) mit etwas geringerer Belastungsintensität (extensive<br />

Intervalle) kann ggf. die HF als eine gewisse Orientierung dienen.<br />

- 66 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Kommentar<br />

Ist einem bewusst, welch großer Anzahl von Einflussfaktoren die HF<br />

unterliegt (wenn auch nicht alle trainingsrelevant sind) und dass viele<br />

davon eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Belastungsgra<strong>de</strong>s vortäuschen können, sollte<br />

je<strong>de</strong>m auch schnell die Sinnfreiheit dogmatischer „Pulsvorgaben“ klar<br />

wer<strong>de</strong>n. Begriffe wie „optimaler Trainingspuls“, „Fettverbrennungspuls“<br />

und an<strong>de</strong>re Floskeln erscheinen dann eher wie Makulatur, ein blin<strong>de</strong>s<br />

Starren auf HF-Werte nur sehr begrenzt praktikabel.<br />

Die HF als Parameter zur Trainingssteuerung ist also längst nicht so<br />

genau wie häufig dargestellt. Sie ist aber durchaus sehr wertvoll - wenn<br />

man ihr Verhalten auch richtig zu interpretieren in <strong>de</strong>r Lage ist.<br />

Diesbezügliche weitere Problematiken wer<strong>de</strong>n im nächsten Kapitel<br />

beschrieben.<br />

Foto: Ecke – pixelio.<strong>de</strong><br />

- 67 -


KAPITEL 2<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Foto: Sergey I - Shutterstock.com<br />

„Es gibt Menschen, die haben einen hohen Puls, weil sie sich darüber<br />

aufregen, dass sie so einen hohen Puls haben.“<br />

(Dr. Med. Kai Röcker – Sportmediziner)<br />

- 68 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

2.1 Die Maximale Herzfrequenz als Maßstab<br />

Foto: JN<br />

Die im Breitensport weit verbreitete,<br />

prinzipiell sehr erfolgreiche und einfache,<br />

für je<strong>de</strong>n anwendbare, Metho<strong>de</strong> zur<br />

Ermittlung bzw. Einteilung <strong>de</strong>r<br />

verschie<strong>de</strong>nen Intensitätsbereiche, ist die<br />

Orientierung anhand <strong>de</strong>r MHF (Kap. 1.3.4).<br />

So liegen dann z. B. beim Laufen in <strong>de</strong>r<br />

Regel die Vorgaben für die unteren<br />

Intensitätszonen (KOM / GA1) im Bereich<br />

von ca. 70 % <strong>de</strong>r MHF. Die weiteren<br />

(höheren) Intensitätsbereiche liegen dann<br />

bei ca. 75 %, 80 %, 85 % und 90 % (und<br />

höher) <strong>de</strong>r MHF. Bei an<strong>de</strong>ren<br />

Ausdauersportarten können diese Werte<br />

an<strong>de</strong>rs ausfallen, wie etwa beim Radsport.<br />

Dort liegen die Angaben etwa 10 %<br />

niedriger, da dort <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r aktiven<br />

Muskelmasse geringer und <strong>de</strong>r Kraftanteil höher ist.<br />

Die Orientierung anhand <strong>de</strong>r MHF, so sehr sich diese Metho<strong>de</strong> auch<br />

bewährt hat, bringt aber be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Schwierigkeiten mit sich, welche zu<br />

ungenauen und fehlerhaften Trainingsvorgaben führen können.<br />

So ist die Grundvoraussetzung für diese Metho<strong>de</strong>, dass die MHF auch<br />

tatsächlich bekannt ist, also durch einen entsprechen<strong>de</strong>n Test ermittelt<br />

wur<strong>de</strong>. Die Berechnung <strong>de</strong>r MHF anhand von Faustformeln (typisch z. B.<br />

220-Lebensalter) ist für eine gezielte Trainingssteuerung viel zu ungenau.<br />

Die Feststellung <strong>de</strong>r MHF anhand eines speziellen Tests ist zwar bei<br />

gesun<strong>de</strong>n Menschen (mit einer minimalen Trainingsgrundlage)<br />

gesundheitlich unbe<strong>de</strong>nklich, wird aber in vielen Fällen (um doch eventuelle<br />

Risiken zu vermei<strong>de</strong>n, beispielsweise im Betrieb eines Fitnessstudios)<br />

abgelehnt. Außer<strong>de</strong>m sind viele Proban<strong>de</strong>n (insbeson<strong>de</strong>re Wenigtrainierte)<br />

psychisch nicht in <strong>de</strong>r Lage (erst recht nicht auf einem Ergometer) sich so<br />

auszulasten, dass sie die MHF auch erreichen.<br />

- 69 -


Sportartspezifische MHF-Werte<br />

Mittelstreckenläufer*<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

MHF Laufen: 210 S/min<br />

MHF Ra<strong>de</strong>rgometer: 198 S/min<br />

MHF Kajakergometer: 166 S/min<br />

Kajakfahrer*<br />

MHF Laufen: 174 S/min<br />

MHF Ra<strong>de</strong>rgometer: 168 S/min<br />

MHF Kajakergometer: 188 S/min<br />

Werte <strong>de</strong>s Autors<br />

MHF Laufen: 200 S/min<br />

MHF Radfahren: 185 S/min<br />

(*nach Hollmann / Hettinger)<br />

Unterschei<strong>de</strong>n muss man<br />

hier auch die absolute MHF<br />

und die sportartspezifische<br />

MHF.<br />

Die absolute MHF ist<br />

grundsätzlich nur bei<br />

Belastungen erreichbar, bei<br />

<strong>de</strong>r eine große Menge an<br />

Muskulatur beansprucht<br />

wird (wie etwa Laufen). Die<br />

sportartspezifische MHF<br />

kann an<strong>de</strong>rs ausfallen,<br />

wenn gewisse<br />

Gegebenheiten vorliegen.<br />

Die Anpassung <strong>de</strong>s<br />

Organismus an die<br />

spezifische Belastung ist<br />

aber auch entschei<strong>de</strong>nd, wie<br />

in <strong>de</strong>r Abbildung links<br />

gezeigt wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Die Tabelle zeigt, dass sich<br />

die besten Werte bei einer sportartspezifischen Belastung ergeben können.<br />

Der angegebene Kajakfahrer hat bei seiner sportartspezifischen Belastung<br />

sogar die höchste MHF erreicht, obwohl dabei weniger Muskeln<br />

beansprucht wer<strong>de</strong>n als beim Laufen (wo man diesbezüglich theoretisch die<br />

höchsten Werte erwarten könnte).<br />

Bei dieser Thematik tut sich wie<strong>de</strong>r ein weiteres Problem auf. Wie erwähnt,<br />

wer<strong>de</strong>n beispielsweise im Radsport niedrigere HF-Vorgaben gegeben als<br />

beim Laufen, da beim Radfahren in <strong>de</strong>r Regel die Leistungsgrenzen bei<br />

geringeren HF-Werten liegen. Niedrigere Prozentwerte sind dann aber nur<br />

methodisch korrekt, wenn sich dabei auf die absolute MHF bezogen wird,<br />

welche aber unter Umstän<strong>de</strong>n beim Radfahren nicht erreicht wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Die absolute MHF müsste dann theoretisch in einer frem<strong>de</strong>n Sportart<br />

ermittelt wer<strong>de</strong>n – was aber unüblich ist, weil physiologisch falsch.<br />

- 70 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Bei sportartspezifischen Tests verliert eine Unterscheidung <strong>de</strong>r abgeleiteten<br />

Prozentvorgaben anhand <strong>de</strong>r Sportart ihren Sinn! Unterschiedliche<br />

Prozentwerte, für die Berechnung von HF-Werten in unterschiedlichen<br />

Sportarten, müssen also nicht immer notwendig sein.<br />

Dieses wird in <strong>de</strong>r<br />

Literatur aber meist nicht<br />

ein<strong>de</strong>utig geklärt bzw.<br />

beschrieben. Diese nicht<br />

zu unterschätzen<strong>de</strong><br />

Problematik wird in <strong>de</strong>r<br />

rechten Abbildung noch<br />

mal ver<strong>de</strong>utlicht, anhand<br />

<strong>de</strong>r Werte <strong>de</strong>s Autors.<br />

- 71 -<br />

Absolute und sportartspezifische MHF<br />

Ein Sportler soll Rad fahren und laufen,<br />

bei<strong>de</strong>s mit gleicher Intensität. Beim<br />

Laufen soll diese bei 70% und beim<br />

Radfahren bei 60% <strong>de</strong>r MHF liegen (unter<br />

<strong>de</strong>r Berücksichtigung, dass beim Laufen,<br />

bei gleicher Intensität, die HF etwa 10%<br />

höher liegt als beim Radfahren). Der<br />

Sportler weist folgen<strong>de</strong> MHF Werte auf:<br />

MHF Lauf: 200 S/min<br />

MHF Rad: 185 S/min<br />

Diese Berechnungsmöglichkeiten bieten<br />

sich dann an:<br />

HF Lauf (70% <strong>de</strong>r MHF Lauf): 140 S/min<br />

HF Rad (60% <strong>de</strong>r MHF Lauf): 120 S/min<br />

HF Rad (60% <strong>de</strong>r MHF Rad): 111 S/min<br />

HF Rad (70% <strong>de</strong>r MHF Rad): 130 S/min<br />

Wie an diesem Beispiel ersichtlich ist, können <strong>de</strong>utliche Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />

Ergebnissen auftreten. Der Unterschied zwischen Punkt 1 und Punkt 2 liegt<br />

durchaus im üblichen Rahmen, eine Reduzierung <strong>de</strong>r HF-Vorgaben von<br />

üblichen 10 % (Radfahren gegenüber Laufen) wur<strong>de</strong> berücksichtigt. Bei<br />

Punkt 3 ist die HF-Reduzierung aber überzogen – <strong>de</strong>nn sie beträgt real nur<br />

55 % <strong>de</strong>r absoluten MHF und ist damit nicht im Sinne <strong>de</strong>r eigentlich<br />

vorgesehenen Vorgaben! Wählt man, unter Berücksichtigung einer<br />

sportartspezifischen MHF-Ermittlung, die gleichen Prozentwerte beim<br />

Radfahren wie beim Laufen (70 %), so wür<strong>de</strong> dies (Punkt 4) eine HF von<br />

130 S/min ergeben. Dies wäre nur noch 5 % (statt 10 %) geringer als die<br />

HF beim Laufen (Punkt 1).


Unüberlegt<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Fotos:<br />

JN<br />

Dies erscheint dann nicht richtig, wenn laut Pauschale die HF beim<br />

Radfahren ca. 10 % niedriger wäre als vergleichsweise beim Laufen.<br />

Dennoch wird die HF-Vorgabe bei Punkt 4 realistischer sein, <strong>de</strong>nn ein<br />

sportartspezifisches Testing berücksichtigt die Anpassung <strong>de</strong>s Organismus<br />

eben an diese sportartspezifische Belastung, dies vermag eine pauschale<br />

Umrechnung nicht. Eine Pauschale ist nur eine Pauschale bzw. eine<br />

Faustformel. Die Sportart, die Art, wie die MHF ermittelt wur<strong>de</strong> und die<br />

sportartspezifische Leistungsfähigkeit spielen also eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Rolle.<br />

Wird also die MHF als Berechnungsgrundlage gewählt, so macht nur eine<br />

Orientierung an <strong>de</strong>r sportartspezifischen MHF Sinn (im Optimalfall unter<br />

Feldbedingungen ermittelt). Und bei <strong>de</strong>n Berechnungen sollten dann –<br />

unabhängig <strong>de</strong>r ausgeübten Sportart – die gleichen Prozentwerte als<br />

Berechnungsgrundlage dienen.<br />

Ein sportartspezifischer Test berücksichtigt bereits schon eventuelle<br />

Unterschie<strong>de</strong>! Ansonsten führt dies schnell zu einer doppelten Reduzierung<br />

von HF-Werten, welches physiologisch aber dann nicht korrekt ist.<br />

Bei aufwendigeren leistungsdiagnostischen Untersuchungen<br />

(Laktatmessung, Spiroergometrie, Conconi-Test u. Ä.), welche<br />

sportartspezifisch durchgeführt wer<strong>de</strong>n und anhand <strong>de</strong>rer man dann<br />

prozentuale HF-Vorgaben ableitet, wer<strong>de</strong>n niemals Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />

Prozentwerten gemacht – egal welche Ausdauersportart <strong>de</strong>r Proband<br />

ausübt! Dies, weil die Spezifischkeit <strong>de</strong>s Testverfahrens an sich schon<br />

eventuelle physiologische Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Person berücksichtigt. Nur<br />

bei <strong>de</strong>r Berechnung über die MHF wird häufig <strong>de</strong>r Fehler gemacht, so<br />

etwas nicht zu be<strong>de</strong>nken.<br />

- 72 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Da die MHF einen prinzipiell fixen Maßstab darstellt, beinhaltet jene noch<br />

eine erheblichere Schwäche. Übliche prozentuale Berechnungen stützen<br />

sich oft darauf, dass die (AS) (nächstes Kap. 2.2.1)<br />

im Durchschnitt bei ca. 85-90 % <strong>de</strong>r sportartspezifischen MHF liegt. Bei<br />

Ausdauersportlern mit geringer Leistungsfähigkeit kann die AS ggf. <strong>de</strong>utlich<br />

niedriger liegen, und diese wer<strong>de</strong>n dann zu hohe HF-Vorgaben erhalten,<br />

während die AS bei Guttrainierten oft <strong>de</strong>utlich höher liegt, und diese<br />

wer<strong>de</strong>n dann zu geringe HF-Vorgaben bekommen. Außer<strong>de</strong>m kann eine<br />

Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r AS (Anhebung Richtung MHF, bei <strong>de</strong>utlicher<br />

Leistungsverbesserung – (Kap. 2.2.1) dabei nicht erkannt wer<strong>de</strong>n. Solange<br />

sich altersbedingt die MHF nicht verän<strong>de</strong>rt, wird <strong>de</strong>r Sportler – unabhängig<br />

von seiner Leistungsentwicklung – immer nach <strong>de</strong>nselben HF-Vorgaben<br />

trainieren müssen. Dies ist trainingsmethodisch und physiologisch falsch!<br />

Es sei hier noch mal <strong>de</strong>utlich darauf hingewiesen, dass sich Prozentwerte (-<br />

Formeln), abgeleitet von <strong>de</strong>r MHF, so erfolgreich sie auch meist sein<br />

mögen, letztendlich nur grobe Näherungen und Faustformeln darstellen,<br />

welche sich ausschließlich auf statistische Durchschnittswerte stützen!<br />

Trainer und Sportler sollten sich davor hüten, Trainingsvorgaben nur stur<br />

und mit Tunnelblick nach dieser Methodik auszuarbeiten bzw. das<br />

Trainingsverhalten danach zu beurteilen. Die Selbstverständlichkeit, mit<br />

<strong>de</strong>r häufig auf MHF und Prozentformeln beharrt wird, ohne <strong>de</strong>n Blickwinkel<br />

zu erweitern, ist frappierend. Es wird zu oft aus <strong>de</strong>n Augen verloren, dass<br />

es nicht ohne Grund aufwendige und teure leistungsdiagnostische<br />

Testverfahren gibt, welche die Vorgänge im Körper breitbandiger<br />

offenlegen, statt nur einen simplen Grenzwert ermitteln.<br />

- 73 -<br />

Foto: JN


Kommentar<br />

Die MHF ...<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Es erscheint wi<strong>de</strong>rsprüchlich, wenn die MHF als Parameter zur<br />

Trainingssteuerung, als eigentlich sehr vager Anhaltspunkt, aber auch<br />

sehr erfolgreich ist (als die am weitesten angewandte Metho<strong>de</strong> im<br />

Breitensport). Viele Ausdauersportler steigern damit ihr<br />

Leistungsniveau über Jahre hinweg ganz erheblich. Wie kann das sein?<br />

Im Laufsport schwanken die in <strong>de</strong>r Literatur gegebenen HF-Vorgaben<br />

für die langen, langsamen Läufe (Fettstoffwechseltraining;<br />

Marathonvorbereitung) von unter 60 % bis zu 75 % <strong>de</strong>r MHF. Hierbei<br />

re<strong>de</strong>n wir von HF-Unterschie<strong>de</strong>n von bis zu 30 S/min (und mehr) – bei<br />

ein und <strong>de</strong>rselben Person wohlgemerkt. Und <strong>de</strong>nnoch sind alle diese<br />

Vorgaben scheinbar erfolgreich. Generell unterschei<strong>de</strong>n sich die HF-<br />

Vorgaben je nach Autor und <strong>de</strong>ssen Philosophie (bei gleicher Sportart)<br />

teilweise erheblich. Warum funktioniert es <strong>de</strong>nnoch?<br />

Die Erklärung ist einfach: Der Maßstab MHF fin<strong>de</strong>t überwiegend nur in<br />

<strong>de</strong>n unteren bis mittleren Leistungsklassen <strong>de</strong>s Breitensports<br />

Anwendung (bei <strong>de</strong>n höheren Leistungsklassen kommen eher „echte“<br />

leistungsdiagnostische Tests zum Einsatz). Im Gegensatz zum<br />

Leistungssport, wo Feinheiten im Training die Sekun<strong>de</strong>n im Wettkampf<br />

bringen (die die dort entschei<strong>de</strong>nd sein können), hat beim reinen<br />

Breitensportler ein abwechslungsreiches Training, bei <strong>de</strong>m Umfang und<br />

Intensität variieren und die Trainingsbelastung langsam angehoben<br />

wird, erheblich höheren Einfluss auf die Leistungsentwicklung, als<br />

irgendwelche genau eingehaltenen HF-Werte. Bleiben wir bei <strong>de</strong>n<br />

Läufern: Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n unteren Leistungskategorien gibt es viele,<br />

welche bei <strong>de</strong>n unteren Intensitätsbereichen die HF-Vorgaben<br />

unmöglich einhalten zu können, ohne ständig gehen zu müssen. So<br />

laufen diese oft halt mit <strong>de</strong>utlich höheren HF-Werten (als vorgegeben).<br />

Nach ihren Läufen sind diese aber meist nicht mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />

ermü<strong>de</strong>t wie die vielen (leistungsfähigeren) Läufer, welche ihre<br />

Vorgaben einhalten können. Und sie laufen trotz<strong>de</strong>m ihren Marathon in<br />

ihrer möglichen Zeit und erfahren auch langfristig eine <strong>de</strong>utliche<br />

Leistungssteigerung. Man sollte diesbezüglich also nicht methodisch<br />

übertreiben und zu engstirnig nach Lehrbuch leben und arbeiten.<br />

- 74 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

2.2 Die Interpretation <strong>de</strong>s<br />

……Herzfrequenzverhaltens<br />

2.2.1 Die Herzfrequenz und die Anaerobe Schwelle<br />

Für einen Ausdauersportler ist die<br />

Anaerobe Schwelle (AS) von großer<br />

Be<strong>de</strong>utung. Ein entsprechen<strong>de</strong>s Training<br />

kann sich die AS mit zunehmen<strong>de</strong>r<br />

Ausdauerleistungsfähigkeit Richtung<br />

maximale Herzfrequenz verschieben.<br />

Während diese bei extrem Untrainierten<br />

30-40 S/min unterhalb <strong>de</strong>r MHF liegen<br />

kann, vermag sie sich mit zunehmen<strong>de</strong>r<br />

Leistungsentwicklung auf bis zu 10<br />

Schläge/min <strong>de</strong>r MHF nähern. Man spricht<br />

dabei von einer Anhebung <strong>de</strong>r AS und,<br />

bezogen auf HF-Diagramme, von einer<br />

- 75 -<br />

Hinweis<br />

Der Begriff Anaerobe<br />

Schwelle, im Sinne eines<br />

maximalen Laktat-Steady-<br />

State (Max-LaSS / max.<br />

Gleichgewicht zwischen<br />

Laktatproduktion und<br />

Laktatelimination) wird<br />

hier nachfolgend immer<br />

mit abgekürzt.<br />

Rechtsverschiebung. Der Sportler kann dann – bei gleicher<br />

Muskelbeanspruchung und metabolischer (stoffwechselbezogener)<br />

Beanspruchung und damit bei gleicher realer Belastungsintensität – eine<br />

<strong>de</strong>utlich höherer HF ansteuern. Dies weil <strong>de</strong>m Organismus entsprechend<br />

mehr Sauerstoff zur Verfügung steht und erst <strong>de</strong>utlich später ein Max-LaSS<br />

überschreitet. An<strong>de</strong>rsrum be<strong>de</strong>utet dies, dass bei gleicher HF bzw. Herz-<br />

Kreislauf-Belastung die Intensität sinkt, was wie<strong>de</strong>rum be<strong>de</strong>utet: eine<br />

<strong>de</strong>utlich höhere Ausdauer-Leistungsfähigkeit (siehe nächstes Diagramm).<br />

Die AS ist einer <strong>de</strong>r wichtigsten Parameter zur Trainingssteuerung bei<br />

einem Langzeitausdauersportler.<br />

Bei einem ausgewachsenen Menschen kann kaum keine physiologische<br />

Verän<strong>de</strong>rung im Organismus so eine <strong>de</strong>utliche Erhöhung <strong>de</strong>r<br />

Ausdauerleistungsfähigkeit bewirken, wie eine signifikante Anhebung <strong>de</strong>r<br />

AS (bezogen auf die HF). Dies ist beson<strong>de</strong>rs für ambitionierte<br />

Späteinsteiger von Be<strong>de</strong>utung. Siehe hierzu das folgen<strong>de</strong> Diagramm auf<br />

<strong>de</strong>r nächsten Seite.


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

In diesem Beispiel ist eine mögliche Rechtsverschiebung <strong>de</strong>r HF an<br />

<strong>de</strong>r AS dargestellt. Ein Sportler mit einer MHF von 200 S/min hat<br />

als Anfänger eine AS-HF von 170 S/min. Nach<strong>de</strong>m er einige Jahre<br />

ein leistungsorientiertes <strong>Ausdauertraining</strong> absolviert hat, hat sich<br />

die AS - und damit auch die Dauerleistungsgrenze - um 15 S/min<br />

nach rechts, Richtung MHF verschoben. Er kann sich nun (bei<br />

gleicher Belastungsintensität) 15 S/min höher belasten - ohne<br />

zunehmen<strong>de</strong> Laktatproduktion.<br />

Ist eine solche Anhebung erfolgt, so ist die trainingsmethodische<br />

Konsequenz daraus, dass die HF-Vorgaben nach oben korrigiert wer<strong>de</strong>n<br />

bzw. (grundsätzlich im gleichen Maß) angehoben wer<strong>de</strong>n müssen!<br />

Höhere Leistungsfähigkeit und geringere Intensität –<br />

trotz höherer HF<br />

Da die MHF grundsätzlich eine starre, die AS-HF aber eine verän<strong>de</strong>rbare<br />

Größe darstellt, sind auch <strong>de</strong>swegen HF-Vergleiche zwischen verschie<strong>de</strong>nen<br />

Sportlern nicht einfach beurteilbar, da verschie<strong>de</strong>ne HF-Werte gleiche, o<strong>de</strong>r<br />

umgekehrt, gleiche HF-Werte verschie<strong>de</strong>ne Belastungsgra<strong>de</strong> und<br />

Leistungsvermögen be<strong>de</strong>uten können (siehe nächstes Diagramm).<br />

- 76 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 77 -<br />

Zwei Sportler laufen mit gleicher Geschwindigkeit und bei<strong>de</strong><br />

weisen <strong>de</strong>utlich unterschiedliche Herzfrequenzen auf. Dies muss<br />

dann nicht heißen, dass <strong>de</strong>r Sportler mit <strong>de</strong>r höheren HF, sich<br />

höher belastet, als <strong>de</strong>r, mit <strong>de</strong>r niedrigeren HF, son<strong>de</strong>rn es kann<br />

genau umgekehrt sein. Diese Läufer können dabei auch durchaus<br />

das gleiche Körpergewicht, die gleiche Körpergröße, das gleiche<br />

Alter usw. aufweisen. Ob eine HF niedrig o<strong>de</strong>r hoch ist, ist relativ.<br />

Das Diagramm im oben aufgeführten Beispiel zeigt, dass sich Läufer 2, bei<br />

gleicher Laufgeschwindigkeit und <strong>de</strong>utlich geringerer HF, wesentlich höher<br />

belasten muss als Läufer 1. Während Läufer 1 sich noch 10 HF-Schläge<br />

unterhalb <strong>de</strong>r AS befin<strong>de</strong>t (und noch je<strong>de</strong> Menge Reserven hat), belastet<br />

sich Läufer 2 (unter entsprechen<strong>de</strong>r Anstrengung) schon im Bereich seiner<br />

Dauerleistungsgrenze. Dies ist dadurch bedingt, dass Läufer 2 eine<br />

geringere MHF aufweist und die AS niedriger<br />

liegt als bei Läufer 1. Letzterer hat<br />

<strong>de</strong>mentsprechend auch die höhere<br />

Ausdauerleistungsfähigkeit. Ohne die<br />

Berücksichtigung bzw. das Kennen <strong>de</strong>r<br />

individuellen Werte MHF und vor allem AS-HF<br />

haben die HF-Werte <strong>de</strong>r Läufer als Vergleich<br />

keinerlei Aussagewert! Selbst wenn bei<strong>de</strong> die<br />

gleiche MHF hätten, wären ihre HF-Werte in<br />

<strong>de</strong>n darunter liegen<strong>de</strong>n Intensitätsbereichen<br />

unterschiedlich.<br />

Foto: JN Der Teufel steckt oft im Detail …


Schwacher Maßstab<br />

Dieses Beispiel zeigt auch<br />

wie<strong>de</strong>r, wie wenig sich die MHF<br />

eigentlich als Maßstab zur<br />

Trainingssteuerung eignet, da<br />

diese keine Hinweise über die<br />

Lage o<strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r AS<br />

geben kann.<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Foto: iStockfoto.com - Mikhail Mishchenko<br />

Die Dauerleistungsgrenze als Maßstab zur Beurteilung <strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>r<br />

Anaeroben Schwelle und <strong>de</strong>ren Lageverän<strong>de</strong>rung<br />

Da die AS eine be<strong>de</strong>utsame Begrenzung <strong>de</strong>r Dauerleistungsgrenze (DLG)<br />

darstellen kann, be<strong>de</strong>utet dies umgekehrt, dass bekannte o<strong>de</strong>r ermittelte<br />

Dauerleistungsgrenzen eines Sportlers (mit <strong>de</strong>n dazugehörigen HF-Werten<br />

– DLG-HF) sehr genaue Hinweise über die Lage <strong>de</strong>r AS zulässt – und auch<br />

über eine mögliche Anhebung dieser. So wird z. B. bei einem gut<br />

trainierten Läufer, welcher einen Halbmarathon unter 90 min laufen kann,<br />

das max. mögliche Tempo und die dazugehörige HF im Mittel recht exakt<br />

<strong>de</strong>r AS entsprechen. Einen Wettkampf über 10 km wird dieser mit einem<br />

Tempo laufen, welches ca. 10-15 Sekun<strong>de</strong>n/km und ca. 5-8 S/min über <strong>de</strong>r<br />

AS liegt. Dies wird also zu einem stetigen Anstieg<br />

<strong>de</strong>r Laktatkonzentration führen. Je geringer aber<br />

das Leistungsniveau eines Sportlers, <strong>de</strong>sto kürzer<br />

muss die Belastungsdauer gewählt wer<strong>de</strong>n,<br />

welche als Maßstab dienen soll, da die physische<br />

und psychische Belastungsverträglichkeit in <strong>de</strong>n<br />

unteren Leistungsklassen abnimmt (Stichwort<br />

Mobilisationsschwelle - Kap. 1.3.6).<br />

Eine Anhebung <strong>de</strong>r AS (bezogen auf die HF) zieht<br />

immer auch eine Erhöhung <strong>de</strong>r DLG-HF mit sich.<br />

Umgekehrt: Eine Erhöhung <strong>de</strong>r DLG-HF kann<br />

<strong>de</strong>shalb ein <strong>de</strong>utliches Indiz dafür sein, dass hier<br />

auch eine Anhebung <strong>de</strong>r AS vorliegt.<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

- 78 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Die Dauerleistungsgrenze<br />

Der Begriff Dauerleistungsgrenze wird unterschiedlich <strong>de</strong>finiert. Oft<br />

spricht man aber dabei von <strong>de</strong>r höchsten Belastung, welche man über<br />

längeren Zeitraum halten kann (daran orientiert sich auch <strong>de</strong>r Autor).<br />

Wobei dabei wie<strong>de</strong>rum nicht <strong>de</strong>finiert wird, wie lang dieser Zeitraum<br />

sein sollte, an welchen man sich orientieren kann. Je länger dieser<br />

Zeitraum ist, <strong>de</strong>sto geringer wird ein biologischer und physikalischer<br />

Messwert ausfallen (z. B. HF und Wattleistung) – und je kürzer <strong>de</strong>r<br />

Zeitraum ist, <strong>de</strong>sto höher wer<strong>de</strong>n solche Messwerte ausfallen.<br />

Hierbei orientiert sich <strong>de</strong>r Autor an einem Zeitraum, welcher eine<br />

Belastung nah an <strong>de</strong>r AS ermöglicht bzw. vermuten lässt, d. h.<br />

ziemlich exakt an bzw. knapp oberhalb <strong>de</strong>r AS. In Abhängigkeit <strong>de</strong>s<br />

Leistungsniveaus <strong>de</strong>s Sportlers bezieht sich dieser Zeitraum auf einen<br />

Bereich auf bis zu 90 min. Wobei dann berücksichtigt wird, dass ein<br />

dauerhaftes Laktat-Steady-State (LASS) ggf. nicht gehalten wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Die Lage <strong>de</strong>r AS beeinflusst <strong>de</strong>mgemäß entschei<strong>de</strong>nd die HF und<br />

ihr Verhältnis zur DLG. Wie diese DLG zur Berechnung von HF-Werten<br />

genutzt wer<strong>de</strong>n kann, wird im (Kap. 3.5) beschrieben.<br />

Bei einem Wettkampf offenbart sich die Dauerleistungsgrenze gera<strong>de</strong> zu perfekt.<br />

- 79 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Eine Belastung oberhalb <strong>de</strong>r AS nur kurze Zeit haltbar?<br />

Immer wie<strong>de</strong>r wird suggeriert (meist von Fachleuten, welche selber<br />

keine Ausdauersportler sind), dass eine Beanspruchung oberhalb <strong>de</strong>r<br />

AS nur recht kurz haltbar wäre, da eine rasch ansteigen<strong>de</strong><br />

Laktatkonzentration schnell eine Rücknahme <strong>de</strong>r Belastung erzwänge.<br />

Dies ist nicht korrekt. Es ist grundsätzlich durchaus machbar sich<br />

relativ lange oberhalb <strong>de</strong>r AS aufzuhalten. Entschei<strong>de</strong>nd ist neben <strong>de</strong>r<br />

antrainierten Laktattoleranz und Laktateliminationsrate insbeson<strong>de</strong>re<br />

wie weit oberhalb <strong>de</strong>r AS sich ein Sportler beansprucht.<br />

Die AS <strong>de</strong>s Autors lag in seinen letzten Jahren als Halbmarathon-<br />

Spezialist bei knapp 15 km/h. Bei max. Tempo auf 400 m erzwangen<br />

nach gut einer Minute, also relativ schnell, erhöhte Laktatwerte einen<br />

Belastungsabbruch. Nun lag dabei die Laufgeschwindigkeit bei über<br />

22 km/h – also erheblich über <strong>de</strong>m AS-Tempo. Wur<strong>de</strong> aber eine<br />

Geschwindigkeit gewählt, welche bei 15,2-16 km/h lag, also relativ<br />

knapp oberhalb <strong>de</strong>s AS-Tempos, so stieg die Laktatkonzentration<br />

entsprechend langsamer an, sodass diese Geschwindigkeit etwa 30-55<br />

min lang gehalten wer<strong>de</strong>n konnte (z. B. bei Wettkämpfen um 10 km).<br />

Kommentar<br />

Meine Dauerleistungsgrenze<br />

Meine beste Zeit als Läufer ist zwar schon lange vorbei, aber eines ist<br />

mir aus meiner Leistungssportzeit noch geblieben und hat sich im<br />

Laufe von knapp 20 Jahren nicht geän<strong>de</strong>rt: Meine Anaerobe Schwelle<br />

ist immer noch <strong>de</strong>utlich angehoben bzw. überdurchschnittlich hoch und<br />

liegt bei ca. 94 % meiner MHF. Bei einer MHF von 200 S/min – welche<br />

übrigens auch seit über 15 Jahren unverän<strong>de</strong>rt ist – laufe ich bei einer<br />

HF von 189/190 genau an meiner „Schwelle“. Dies entspricht exakt<br />

Halbmarathon-Belastung bzw. –Tempo. Zum Vergleich: Bei einem 5-10<br />

km Wettkampf belaste ich mich mit 98 % meiner MHF – 196/197<br />

S/min. Anhand jahrelanger Erfahrung und eines entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Körpergefühls kenne ich meinen AS-Bereich ganz genau. Und die DLG,<br />

bezogen auf diverse Distanzen, ist für mich <strong>de</strong>r Para<strong>de</strong>maßstab zur<br />

Beurteilung <strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>r AS – da kann keine aufwendige<br />

Leistungsdiagnostik mithalten.<br />

- 80 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

2.2.2 Der Hoch- und Niedrigpulser<br />

Wie bereits ange<strong>de</strong>utet, haben genetische Voraussetzungen erheblichen<br />

Einfluss auf das HF-Verhalten, wodurch Statistiken bei vielen Menschen<br />

unbrauchbar sind.<br />

Der Hochpulser<br />

Ein typischer weist genetisch bedingt (!)<br />

überdurchschnittlich hohe HF-Werte auf, bei Belastung und oft auch in<br />

Bezug seiner MHF.<br />

Er erreicht leicht, selbst bei gering- bis mittelintensiven Belastungen HF-<br />

Werte von 160-170 S/min (und höher) - ohne sich dabei annähernd<br />

überfor<strong>de</strong>rt zu fühlen. Im Gegenteil, er kann hierbei die Belastung oft noch<br />

erheblich steigern, wobei dann die HF manchmal nur noch einen relativ<br />

geringen Anstiegswert aufweist.<br />

Bei solch einem Typen sind<br />

auch entsprechend (<strong>de</strong>utlich)<br />

höhere HF-Vorgaben<br />

notwendig, um ein effektives<br />

Training zu ermöglichen.<br />

Bei auf Statistik beruhen<strong>de</strong>n<br />

Ausdauertestverfahren (Kap.<br />

3.1.1) können solche (nicht<br />

<strong>de</strong>m Durchschnitt<br />

entsprechen<strong>de</strong>n) Umstän<strong>de</strong><br />

aber nicht berücksichtigt<br />

- 81 -<br />

Kleines Herz mit großer Wirkung<br />

Der Autor kannte mal eine<br />

Breitensport-Triathletin, welche bei<br />

langsamem Lauftempo und noch<br />

ruhiger Atmung spielend eine HF<br />

von 180 S/min erreichte. Eine<br />

medizinische Untersuchung ergab,<br />

dass dies einfach ihrer individuellen<br />

Physis entsprach und unbe<strong>de</strong>nklich<br />

war.<br />

wer<strong>de</strong>n. Hierbei wird dann unkorrekterweise eine viel zu niedrige<br />

Leistungsfähigkeit prognostiziert, <strong>de</strong>m Proban<strong>de</strong>n schnell einen "viel zu<br />

hohen Puls" bescheinigt und ihm wer<strong>de</strong>n dann häufig Trainingsvorgaben<br />

gegeben, welche ihn völlig unterfor<strong>de</strong>rn. Eine „hohe“ HF allein ist allerdings<br />

noch kein Beleg für solch einen Fall. Wenn ein Proband schon nach wenigen<br />

Belastungsstufen <strong>de</strong>n Test abbrechen muss, weil er seine Leistungsgrenze<br />

erreicht hat, dann wer<strong>de</strong>n "hohe" HF-Werte eher durch die geringe<br />

Leistungsfähigkeit und eine dadurch noch sehr unökonomisch arbeiten<strong>de</strong><br />

Herz-Kreislauf- und Stoffwechseltätigkeit bedingt sein.


Der Niedrigpulser<br />

Ein typischer hat<br />

genetisch bedingt (!)<br />

unterdurchschnittlich geringe HF-<br />

Werte, bei Belastung bzw. auch in<br />

Bezug seiner MHF.<br />

Er erreicht nur schwer (unter<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Anstrengung) o<strong>de</strong>r<br />

gar nicht HF-Zielvorgaben eines<br />

typischen (auf Statistik bauen<strong>de</strong>n)<br />

Ausdauertests (Kap. 3.1.1). Hierbei<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Medizinische Abklärung<br />

Bei außergewöhnlichen<br />

niedrigen o<strong>de</strong>r hohen HF-<br />

Werten sollte ein<br />

krankheitsbedingter Befund<br />

ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n, was<br />

von einem Arzt überprüft<br />

wer<strong>de</strong>n muss.<br />

wird dann schnell eine zu hohe Leistungsfähigkeit prognostiziert und <strong>de</strong>m<br />

Proban<strong>de</strong>n dann häufig Trainingsvorgaben gemacht, welche ihn völlig<br />

überfor<strong>de</strong>rn.<br />

Bei solch einem Typen sind auch entsprechend (<strong>de</strong>utlich) niedrigere HF-<br />

Vorgaben notwendig, um ein effektives Training zu ermöglichen.<br />

Das HF-Verhalten ist wie die Kleidung: manchmal gleich, oft sehr individuell.<br />

Foto: JN<br />

- 82 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Kommentar<br />

Gera<strong>de</strong> die Typen von Hochpulser, die sich dadurch auszeichnen, dass<br />

sie bei geringen Belastungsintensitäten schon mit recht hohen HF-<br />

Werten „einsteigen“, <strong>de</strong>ren MHF aber gar nicht überdurchschnittlich<br />

hoch ist, wer<strong>de</strong>n (nach üblichen Standards ermittelt) ihr Sportlerleben<br />

lang HF-Vorgaben bekommen, die sie niemals einhalten können. Dies<br />

gilt gera<strong>de</strong> für die unteren Intensitätsbereiche. Deren HF-<br />

Leistungskurve (Kap. 2.2.9 ) verläuft viel flacher als „üblich“. Dadurch<br />

wird bei ihm die Bandbreite <strong>de</strong>r Intensitätsbereiche <strong>de</strong>utlich geringer.<br />

Teilweise so gering, dass eine feine Abstufung von 4-5<br />

Trainingsbereichen über die HF quasi nicht möglich ist, da diese anhand<br />

<strong>de</strong>r HF gar nicht auseinan<strong>de</strong>rgehalten wer<strong>de</strong>n können.<br />

Das Dumme ist, dass übliche leistungsdiagnostische Testverfahren<br />

praktisch nicht in <strong>de</strong>r Lage sind, solche Hochpulser zu erkennen, da die<br />

Belastungsstufen viel zu kurz sind, sodass sich die HF gar nicht auf<br />

aussagefähige Werte einpen<strong>de</strong>ln kann. Auch die MHF als<br />

Ausgangsparameter zur Berechnung <strong>de</strong>r Trainingsbereiche ist hier<br />

völlig nutzlos. Noch dümmer ist, dass viele Leistungsdiagnostiker - im<br />

blin<strong>de</strong>n Vertrauen auf das „wissenschaftliche“ Testverfahren -<br />

überhaupt nicht auf die I<strong>de</strong>e kommen, solch eine Problematik in<br />

Betracht zu ziehen, wenn <strong>de</strong>r Trainieren<strong>de</strong> die Vorgaben nicht<br />

annähernd einhalten kann.<br />

Übrigens gehören Frauen sehr häufig dieser Kategorie <br />

an. Und ich habe kein Problem damit, solchen Leuten - "wi<strong>de</strong>r besseren<br />

Wissens“ * (so mancher Fachleute) - einfach höhere HF-Werte zu<br />

verordnen. Sie erreichen ihre Ziele <strong>de</strong>nnoch - und überfor<strong>de</strong>rt hat sich<br />

dabei noch keiner.<br />

* Was sich inzwischen erledigt hat (siehe folgen<strong>de</strong>s Unterkapitel).<br />

- 83 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

2.2.3 Das Herzfrequenzverhalten bei Frauen<br />

Dass Frauen im Mittel höhere HF-Werte<br />

aufweisen als Männer ist seit Längerem<br />

bekannt. So weisen Frauen im Vergleich<br />

zum Mann im Mittel einen kleineren<br />

Herzmuskel (und dadurch bedingt ein<br />

geringeres Schlagvolumen), ein geringeres<br />

Lungenvolumen und eine geringere<br />

Sauerstoffaufnahme-Kapazität <strong>de</strong>s Blutes<br />

(durch einen geringeren Hämoglobingehalt)<br />

auf.<br />

Die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit ist bei <strong>de</strong>r Frau dadurch<br />

maßgeblich reduziert. Dies kann durch ein im Durchschnitt geringeres<br />

Körpergewicht nicht ausgeglichen wer<strong>de</strong>n, da dieses im entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Maß aus einem <strong>de</strong>utlich geringeren Muskelanteil resultiert (ein Mann hat<br />

ca. 10-25 % mehr Muskelmasse als eine Frau).<br />

Dieser Umstand macht es erfor<strong>de</strong>rlich, dass das Herz einer Frau <strong>de</strong>utlich<br />

höher schlagen muss als das eines Mannes – und dies bei gleicher<br />

Belastungsintensität.<br />

Nicht selten hat eine Frau auch eine höhere MHF als ein Mann, sodass<br />

Leistungstests (zumin<strong>de</strong>st theoretisch) automatisch höhere HF-Werte<br />

anzeigen sollten. Demgemäß wur<strong>de</strong>n fast zwei Jahrzehnte lang (seit<strong>de</strong>m<br />

HF-Messung im Ausdauersport zum Thema wur<strong>de</strong>) für Männer und Frauen<br />

gleiche prozentuale Vorgaben für die HF-Werte gegeben. Was völlig falsch<br />

war bzw. ist, da diese nur für Männer geeignet sind, wie sich nach einer<br />

Untersuchung eines im Ausdauersport bekannten Professors (K. Hottenrott)<br />

herausstellte.<br />

Frau hat ggf. häufig jahrelang falsch<br />

trainiert!<br />

- 84 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Das HF-Verhalten einer Frau ist an<strong>de</strong>rsartiger, als man bis dahin glaubte zu<br />

wissen. So hat die Frau in <strong>de</strong>r Regel einen HF-Leistungskurven-Verlauf, <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>m einer bestimmten Art von entspricht (wie im vorherigen<br />

Kapitel beschrieben). Ihre HF-Kurve (Linie) verläuft flacher - das heißt: Im<br />

Durchschnitt hat eine Frau im geringen Intensitätsbereich <strong>de</strong>utlich höherer<br />

HF-Werte als ein Mann. Mit zunehmen<strong>de</strong>r Belastungsintensität wird dieser<br />

Unterschied aber immer geringer, sodass sich die HF-Kurve dann immer<br />

mehr angleicht und so beispielsweise die MHF sogar nahezu i<strong>de</strong>ntisch sein<br />

kann (siehe folgen<strong>de</strong>s Diagramm).<br />

- 85 -<br />

Beispiel: Eine Frau und ein Mann können die gleiche MHF<br />

aufweisen - <strong>de</strong>r HF-Kurven-Verlauf kann aber erheblich<br />

unterschiedlich ausfallen. Die Kurve einer Frau verläuft in <strong>de</strong>r<br />

Regel <strong>de</strong>utlich flacher; die HF bei extensiver Belastung ist<br />

wesentlich höher.<br />

Dies ist dadurch begrün<strong>de</strong>t, dass sich in <strong>de</strong>r Regel bei einer Frau, bei<br />

steigen<strong>de</strong>r Belastung im niedrigen Intensitätsbereich, nur die HF erhöht,<br />

aber nicht das HSV (Herzschlagvolumen) (HSV x HF x 1 min =<br />

Herzminutenvolumen). Erst bei höherer Belastung erhöht sich Letzteres.<br />

Bei einem Mann hingegen erhöht sich normalerweise von Beginn an bei<strong>de</strong>s.<br />

Da bei<strong>de</strong> Faktoren aber maßgeblich die Blut- und damit<br />

Sauerstoffversorgung beeinflussen, muss ein fehlen<strong>de</strong>r bzw. nur niedriger<br />

Anstieg <strong>de</strong>s HSV bei einer Frau durch eine entsprechend höhere HF<br />

ausgeglichen wer<strong>de</strong>n.


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Bei gleicher Intensität und bei gleicher MHF kann so eine Frau bei einer<br />

extensiven Belastung bis zu 5-10 % höhere HF aufweisen als ein Mann. Zu<br />

höheren Intensitäten hin nimmt dann auch bei <strong>de</strong>r Frau das<br />

Herzschlagvolumen zu und die HF-Werte können sich dann zunehmend<br />

angleichen.<br />

Frauen benötigen also grundsätzlich ganz an<strong>de</strong>re HF-Berechnungsformeln<br />

als Männer! Allerdings sollte in <strong>de</strong>r Praxis individuell entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>n nicht je<strong>de</strong> Frau muss hierbei erhebliche Abweichungen im Vergleich<br />

zum Mann aufweisen.<br />

Herzminutenvolumen relevanter als HF<br />

Inwieweit das Herz <strong>de</strong>n Körper versorgt, hängt auch maßgeblich vom<br />

HSV ab – was mündlicher Überlieferung praktisch nie angemerkt wird<br />

(und was viele gar nicht wissen). Ein HF-Messgerät kann dies bzw. das<br />

Herzminutenvolumen aber nicht erfassen, son<strong>de</strong>rn eben nur die HF!<br />

Ein großer Schwachpunkt, <strong>de</strong>n dann kaum jemand be<strong>de</strong>nkt. Auch wenn<br />

die Schlagfrequenz <strong>de</strong>s Herzens relevanter ist als sein Schlagvolumen,<br />

so ist <strong>de</strong>r Einfluss <strong>de</strong>s Schlagvolumens nicht vernachlässigbar gering.<br />

Dass das HSV bei Dauerbelastungen abnehmen kann, liest man in<br />

je<strong>de</strong>m besseren Buch über Sportmedizin. In Literatur über<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> scheint dies chronisch unerwähnt zu sein. Warum?<br />

Foto unten: iStockfoto.com - Russell Shively<br />

Frauen „ticken“<br />

an<strong>de</strong>rs als Männer -<br />

völlig an<strong>de</strong>rs als<br />

lange Zeit gedacht.<br />

Eine Erkenntnis, die<br />

noch recht jung ist.<br />

- 86 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Kommentar<br />

Als ich 2008 die Veröffentlichung <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Untersuchung<br />

las, welche zeigte, dass Frauen einen an<strong>de</strong>ren (flacheren) HF-<br />

Leistungskurven-Verlauf aufweisen als Männer, war ich nicht<br />

überrascht. Jetzt, wo sich diese Tatsache langsam aber sicher<br />

informativ verbreitet und <strong>de</strong>mgemäß zum Um<strong>de</strong>nken und an<strong>de</strong>rer<br />

Vorgehensweise aufruft, wun<strong>de</strong>re ich mich, dass dies nicht schon viel<br />

früher erkannt und erforscht wur<strong>de</strong>. Ich beobachte dieses HF-Verhalten<br />

bei Frauen schon seit Jahren, die genaue Ursache war mir aber nicht<br />

bekannt. Ich habe es pauschal als genetische Veranlagung begrün<strong>de</strong>t<br />

(was es ja auch ist). Aus diesem Grund habe ich bis dato Frauen auch<br />

nie standardgemäß höhere HF-Vorgaben errechnet als Männern,<br />

son<strong>de</strong>rn nur im Einzelfall entschie<strong>de</strong>n – wenn auch langfristig die HF-<br />

Vorgaben nicht einhaltbar waren – diese <strong>de</strong>utlich höher anzusetzen. Da<br />

nun auch eine klare wissenschaftliche Grundlage gegeben ist, berechne<br />

ich Frauen ggf. von vorneherein <strong>de</strong>utlich höhere HF-Vorgaben, sobald<br />

einige Indizien dafür sprechen.<br />

Warum hat es so viele Jahre gedauert, bis jemand mal auf die I<strong>de</strong>e<br />

kam, das Pulsdogma zu hinterfragen? Wenn man be<strong>de</strong>nkt, wie viele<br />

Frauen seit Jahren gefrustet „ausgebremst“ wur<strong>de</strong>n ...<br />

2.2.4 Das Herzfrequenzverhalten bei Sportanfängern<br />

Eine HF-Messung fin<strong>de</strong>t oft auch bei Sportanfängern standardgemäße<br />

Anwendung. Und dies nicht nur zur allgemeinen Kontrolle, son<strong>de</strong>rn sehr<br />

häufig auch als ganz klare Richtlinie zur Trainingssteuerung.<br />

Hierbei wird dann schnell <strong>de</strong>r grundlegen<strong>de</strong> Fehler begangen, die gleichen<br />

Maßstäbe zur Beurteilung <strong>de</strong>r Belastung zu setzen, wie bei trainierten<br />

Sportlern, <strong>de</strong>r solchen Menschen dann nicht selten ein völlig<br />

unterschwelliges und uneffektives Trainingsverhalten aufzwingt.<br />

Es immer wie<strong>de</strong>r vor, dass bei Sportanfängern mit geringer<br />

Leistungsfähigkeit die HF bei einer Ausdauerbelastung schnell einen<br />

<strong>de</strong>utlichen Anstieg aufweist.<br />

- 87 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Irrtümlicherweise wird dies aber<br />

häufig (auch von eigentlich<br />

kompetenten Fachleuten)<br />

vorschnell als eine zu hohe und<br />

kritische Belastung interpretiert.<br />

Wobei <strong>de</strong>m Sportler suggeriert<br />

wird, er müsse die Belastung<br />

(Tempo, Wattleistung,<br />

Wi<strong>de</strong>rstandsstufe) herabsetzen,<br />

obwohl er sich dann unter Umstän<strong>de</strong>n völlig unterfor<strong>de</strong>rt fühlt (weil er<br />

beispielsweise auf <strong>de</strong>m Ra<strong>de</strong>rgometer keinen Wi<strong>de</strong>rstand hat, nur um die<br />

HF-Vorgabe einhalten zu können). Hier wird häufig ein Problem gesehen,<br />

welches gar keines sein muss. Dieses Herzfrequenzverhalten ist prinzipiell<br />

normal und unbe<strong>de</strong>nklich bei solchen Menschen.<br />

Die Stoffwechsel- und Herz-Kreislaufvorgänge bei Wenig- bzw.<br />

Untrainierten sind noch nicht ausreichend ökonomisiert und noch nicht <strong>de</strong>r<br />

tatsächlichen Belastungsintensität angepasst, was zu einem<br />

überschießen<strong>de</strong>n Anstieg <strong>de</strong>r HF führt. Auch temporär erhöhte Laktatwerte<br />

sind bei ihm physiologisch normal und unproblematisch.<br />

Der Wirkungsgrad während einer Dauerbelastung verringert sich bei im<br />

schneller als beim trainierten Sportler (ansteigen<strong>de</strong>r Energieverbrauch =<br />

höherer Sauerstoffbedarf = höhere HF), die Erregung <strong>de</strong>s sympathischen<br />

Teils <strong>de</strong>s vegetativen Nervensystems (Kap. 1.3.8) fällt bei ihm höher aus,<br />

das Herzschlagvolumen ist noch relativ gering. Eine erhöhte HF ist dann<br />

zwar ein Zeichen für eine noch geringe Ausdauerleistungsfähigkeit – aber<br />

nicht automatisch ein Zeichen für eine be<strong>de</strong>nklich zu hohe<br />

Belastungsintensität.<br />

Die Atmung macht’s.<br />

Ein untrainierter Sportanfänger, <strong>de</strong>r sich bei einer Ausdauerbelastung<br />

noch problemlos unterhalten kann, wird sich – genau wie je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Sportler – niemals überfor<strong>de</strong>rn. Bei einer Belastung sehr nah an <strong>de</strong>r AS<br />

o<strong>de</strong>r gar darüber, wäre die zur Verfügung stehen<strong>de</strong> Menge an<br />

Sauerstoff zu gering, um eine Unterhaltung mit längeren,<br />

zusammenhängen Sätzen zu ermöglichen. Dies wäre / ist physiologisch<br />

unmöglich. Ein Trainer sollte ein gewissen Gespür entwickeln und in<br />

keiner von bei<strong>de</strong>n Richtungen dogmatisch und unbedacht han<strong>de</strong>ln.<br />

- 88 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 89 -<br />

Die HF eines Untrainierten hat noch keinen<br />

so aussagefähigen Wert bezüglich <strong>de</strong>r<br />

tatsächlichen Belastungsintensität bzw.<br />

muss an<strong>de</strong>rs interpretiert wer<strong>de</strong>n als bei<br />

einem trainierten Ausdauersportler! Der<br />

biologische Aufwand eines Sportanfängers<br />

ist unausweichlich höher als es meist<br />

typische Trainingsempfehlungen<br />

berücksichtigen. Dies scha<strong>de</strong>t nicht, wenn<br />

es durch eine ausreichen<strong>de</strong> Anzahl von<br />

Ruhetagen kompensiert wird.<br />

Foto: Via-Tirol- pixelio.<strong>de</strong><br />

Durch die noch fehlen<strong>de</strong> Grundleistung sind<br />

allgemeine Steuerungsempfehlungen für<br />

<strong>de</strong>n Untrainierten sonst oft nicht umsetzbar. Bei einem gesun<strong>de</strong>n Menschen<br />

kann hierbei nur eine physikalische Größe wie Wattleistung o<strong>de</strong>r<br />

Geschwindigkeit eine sinnvolle Orientierung darstellen. Erst, wenn die<br />

Person in <strong>de</strong>r Lage ist, sich ca. 30 min ausdauernd zu beanspruchen und<br />

dabei halbwegs stabile HF-Werte aufweist, ist eine zusätzliche Steuerung<br />

<strong>de</strong>s Trainings über die HF-Messung sinnvoll und praktikabel. Wichtig ist<br />

dabei aber, dass überschwellige Trainingsreize zuerst (ggf. über einen<br />

Zeitraum von etlichen Wochen) über <strong>de</strong>n Umfang gesetzt wer<strong>de</strong>n – nicht<br />

über die Intensität. Wi<strong>de</strong>rstand / Tempo muss dabei möglichst gering<br />

gewählt (aber spürbar sein!) und die Dauer in kleinen Schritten gesteigert<br />

wer<strong>de</strong>n. Bei sehr geringem Leistungsniveau müssen ggf. kurze Pausen<br />

Berücksichtigung fin<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>r Zeit wer<strong>de</strong>n trainingswirksame<br />

Anpassungen eintreten, welche automatische eine Reduzierung <strong>de</strong>r HF<br />

herbeiführen.<br />

Selbstverständlich darf die HF bei einem Sportanfänger trotz <strong>de</strong>r<br />

begrenzten Aussagefähigkeit nicht völlig ignoriert wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn hohe<br />

Werte könnten durchaus auf eine Überfor<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st noch nicht<br />

angebrachte Belastung hinweisen. Dies kann z. B. geschehen, wenn die<br />

Trainingsdauer in zu großen Schritten, zu schnell gesteigert wird. Ist dann<br />

<strong>de</strong>r Ermüdungsgrad zu hoch, wird die HF nach <strong>de</strong>r Belastung nur sehr<br />

langsam sinken bzw. noch lange <strong>de</strong>utlich erhöht sein. Dabei lassen sich<br />

beim Trainieren<strong>de</strong>n aber schon vorab Anzeichen erkennen. So wird er<br />

entsprechend angespannt sein und das Bedürfnis einer Unterhaltung<br />

abnehmen.


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Wirkt die Person aber noch sichtbar unangestrengt,<br />

dann ist ein ansteigen<strong>de</strong>s HF-Verhalten in <strong>de</strong>r Regel<br />

unproblematisch und die HF wird auch ausreichend<br />

schnell wie<strong>de</strong>r sinken. Kleine Pausen, zwecks<br />

Überprüfung <strong>de</strong>s HF-Sinkverhaltens können als<br />

brauchbares Indiz dienen.<br />

Und wie<strong>de</strong>r das Herzschlagvolumen<br />

Foto: JN<br />

Der nicht unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Einfluss <strong>de</strong>s HSV sei hier<br />

noch mal unterstrichen. Eine Erhöhung <strong>de</strong>s HSV<br />

be<strong>de</strong>utet nicht nur, dass bei gleicher HF mehr<br />

Sauerstoff aufgenommen bzw. transportiert<br />

wer<strong>de</strong>n kann (durch mehr Blut im Herzmuskel,<br />

welches ausgestoßen wird). Es be<strong>de</strong>utet auch,<br />

dass bei gleicher Belastungsintensität und<br />

gleichem Sauerstoffbedarf das Herz weniger<br />

schlagen muss. Umgekehrt be<strong>de</strong>utet dies nichts<br />

an<strong>de</strong>res, als dass bei einem Sportanfänger eine<br />

noch nicht <strong>de</strong>utlich erhöhtes HSV durch eine<br />

höherer HF ausgeglichen wer<strong>de</strong>n muss – bei<br />

gleichem Herzminutenvolumen, gleicher<br />

Sauerstoffversorgung und gleicher<br />

Belastungsintensität!<br />

Bezüglich <strong>de</strong>r HF macht es also keinen Sinn, bei<br />

einem Anfänger pauschal und dogmatisch die<br />

gleichen Bewertungsmaßstäbe zu setzen wie bei<br />

einem Guttrainierten! Soundso viel Prozent <strong>de</strong>r<br />

MHF können so etwa bei noch geringem<br />

Trainingszustand eine ganz an<strong>de</strong>re Intensität<br />

be<strong>de</strong>uten, als im (späteren) gut trainierten<br />

Zustand - bei ein und <strong>de</strong>rselben Person<br />

wohlgemerkt. Die Komplexität <strong>de</strong>s<br />

Herzschlagverhaltens zeigt, dass die Messung <strong>de</strong>r<br />

reinen Frequenz hierbei auch nur von begrenztem<br />

Nutzen ist.<br />

- 90 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Kommentar<br />

Der Laufanfänger in <strong>de</strong>r Krise<br />

Typisch bei Laufanfängern: Da hat man nun über Wochen gezielt mit<br />

Gehpausen gearbeitet, hat es nun geschafft – man kann ohne<br />

Anstrengung locker 30-40 min ohne Pause laufen – und nun taucht ein<br />

frustrieren<strong>de</strong>s Problem auf. Wo beim eine HF-Messung unwichtig war, bekommt man nun<br />

erstmals diesbezügliche Vorgaben. Es ist aber kaum möglich, diese<br />

einzuhalten. Selbst bei <strong>de</strong>m langsamsten Lauftempo kann man<br />

(während einer Trainingseinheit) die HF-Vorgabe nur eine begrenzte<br />

Zeit lang halten, dann steigt sie <strong>de</strong>utlich an. Der Anstieg kann nicht<br />

selten 15-20 S/min betragen. Erster Gedanke: „Ich trainiere nicht mehr<br />

effektiv.“ / „Ich überfor<strong>de</strong>re mich.“ – was einem dann auch oft von<br />

Fachleuten suggeriert wird. Gehpausen könnten die HF wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich<br />

senken, dummerweise ist es aber meist so, das jeglicher neuer Versuch<br />

wie<strong>de</strong>r ein Stück zu laufen, die HF ganz schnell wie<strong>de</strong>r erneut nach<br />

oben schießen lässt. Dies wür<strong>de</strong> nun wie<strong>de</strong>r permanentes be<strong>de</strong>uten.<br />

Trainingsmethodisch wäre dies ein Rückschritt, wenn nun wie<strong>de</strong>r bei<br />

je<strong>de</strong>r Trainingseinheit viele Gehpausen eingelegt wür<strong>de</strong>n, da solche<br />

Reize unterschwellig wären (man konnte ja bereits 30 min locker ohne<br />

Pause laufen). Das läuferische Leistungsvermögen wür<strong>de</strong> dann nicht<br />

weiter ansteigen, son<strong>de</strong>rn sich eher wie<strong>de</strong>r verringern. Dies ist nicht<br />

nur frustrierend, da man doch gera<strong>de</strong> sein erstes großes Ziel (30 min<br />

ohne Pause laufen) erreicht hat, son<strong>de</strong>rn steht auch im Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

zum Sinn <strong>de</strong>s Begriffs Training.<br />

Was heißt dies nun für das oben genannte Beispiel (für einen noch nicht<br />

so gut trainierten Läufer)? Weiterlaufen – aber so langsam wie möglich.<br />

Solange man sich nicht stärker beansprucht o<strong>de</strong>r überfor<strong>de</strong>rt fühlt,<br />

besteht keinerlei Notwendigkeit wie<strong>de</strong>r permanent Gehpausen<br />

einzulegen – man kann sich <strong>de</strong>shalb nicht überfor<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r uneffektiv<br />

trainieren. Eine solche HF-Erhöhung wird rein subjektiv normalerweise<br />

kaum wahrgenommen, bzw. umgekehrt, wür<strong>de</strong> eine <strong>de</strong>utliche<br />

Erhöhung <strong>de</strong>r HF auch zu einer solchen Erhöhung <strong>de</strong>r<br />

Belastungsintensität führen, wäre dies auch ein<strong>de</strong>utig zu spüren.<br />

- 91 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Sollte allerdings jemand das Gefühl haben, dass es <strong>de</strong>utlich<br />

anstrengen<strong>de</strong>r wird und es nicht mehr relativ locker „läuft“, dann ist es<br />

selbstverständlich sinnvoll, ab und zu eine Gehpause einzulegen.<br />

Das Problem <strong>de</strong>r überschießen<strong>de</strong>n HF verschwin<strong>de</strong>t nach einer Weile<br />

von allein. Bei <strong>de</strong>m Einen dauert es ein bisschen länger, bei <strong>de</strong>m<br />

An<strong>de</strong>ren geht’s schneller. Manchmal legt es sich auch von heute auf<br />

morgen. Dieses Problem betrifft nicht nur Läufer, son<strong>de</strong>rn ist generell<br />

sehr häufig bei Sportanfängern zu fin<strong>de</strong>n. Hinzu kommt dann noch,<br />

dass in unserer heutigen durch Bewegungsmangel geprägte<br />

Gesellschaft die Leistungsgrenzen häufig <strong>de</strong>rmaßen niedrig sind, dass in<br />

<strong>de</strong>r Anfängerphase dann nur eine ganz geringe Bandbreite für<br />

Trainingsvorgaben zur Verfügung steht – wodurch auch aus diesem<br />

Grund eine dogmatische HF-Steuerung fragwürdig ist.<br />

Anfänge ohne Gängelband<br />

Ich habe es regelmäßig mit sehr untrainierten Frauen zu tun, welche<br />

bei einer Leistung (Ra<strong>de</strong>rgometer) von 75 Watt schon Probleme haben<br />

und überfor<strong>de</strong>rt sind. Eine Leistung unter 45/50 Watt stellt für diese –<br />

wie für die meisten Menschen – allerdings eine Unterfor<strong>de</strong>rung dar, weil<br />

dann praktisch kein Wi<strong>de</strong>rstand mehr vorhan<strong>de</strong>n ist (man tritt ins<br />

Leere). Solch eine Beanspruchung wäre dann geringer als eine beim<br />

normalen Gehen – und damit unterschwellig und uneffektiv. Für die<br />

ersten Wochen <strong>de</strong>s Trainings bleibt dann nur eine effektive<br />

Belastungsbandbreite von ca. 20-25 Watt, weshalb hier vorläufig die<br />

physikalische Größe <strong>de</strong>r einzig sinnvolle und auch beste Anhaltspunkt<br />

ist, um das Training auf einen Ra<strong>de</strong>rgometer zu steuern. HF-Vorgaben<br />

könnten nur dazu führen, dass die Watt-Leistung (um die HF-Vorgaben<br />

einhalten zu können) schnell zu hoch o<strong>de</strong>r niedrig ausfällt.<br />

Bei besagten Laufeinsteigern können aber auch weiterhin – gezielt<br />

eingesetzte – (Geh-)Pausen durchaus Erfolg bringen,, welche aber nicht<br />

bei je<strong>de</strong>r Trainingseinheit gemacht wer<strong>de</strong>n müssen und welche sich<br />

nach Zeitvorgaben richten (und nicht nach <strong>de</strong>m HF-Verhalten).<br />

- 92 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

2.2.5 Das Herzfrequenzverhalten bei Kin<strong>de</strong>rn und<br />

………Senioren<br />

Kin<strong>de</strong>r über die HF zu trainieren ist nicht praktikabel. Kin<strong>de</strong>r haben in<br />

Ruhe schon recht hohe HF-Werte und Belastungsherzfrequenzen von<br />

200 S/min und darüber sind normal. In <strong>de</strong>r Regel müssen sogar Werte ab<br />

170 S/min angesteuert wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>utliche Anpassungserscheinungen zu<br />

erreichen. Im Allgemeinen ist die Belastungsintensität bei Kin<strong>de</strong>rn schwer<br />

über die HF zu beurteilen, da sich die HF-Höhe zwischen Trainierten und<br />

Untrainierten kaum unterschei<strong>de</strong>t. Weiterhin sind bei ihnen oft erhebliche<br />

Intensitätssteigerungen möglich, ohne dass die HF dabei einen weiteren<br />

(<strong>de</strong>utlichen) Anstieg aufweist.<br />

- 93 -<br />

Mündige Kin<strong>de</strong>r!<br />

Kin<strong>de</strong>r, welche sich ohne<br />

psychologischen Druck und Vorgaben<br />

körperlich beanspruchen, wer<strong>de</strong>n sich<br />

niemals überfor<strong>de</strong>rn. Wenn es für sie<br />

zu anstrengend wird, wer<strong>de</strong>n sie<br />

instinktiv eine Pause machen.<br />

Lasst sie laufen … Foto: JN<br />

Senioren bzw. ältere Menschen sind prinzipiell nicht so belastbar wie<br />

jüngere Menschen, ihre HF-Werte sinken im Laufe <strong>de</strong>s Alters auch. Jedoch<br />

sollte man sich davor hüten, einen älteren Menschen bezüglich seiner<br />

Physiologie <strong>de</strong>shalb voreilig in eine Schubla<strong>de</strong> zu stecken. Gera<strong>de</strong> solche<br />

Seniorensportler, welche oft seit Jahrzehnten intensiv Ausdauersport<br />

betrieben haben, können bis ins höhere Alter noch HF-Werte und ein<br />

Leistungsniveau aufweisen,<br />

welche weit über Norm von<br />

irgendwelchen Statistiken liegen.<br />

Nicht selten noch so hoch, wie<br />

man sie sonst bei Menschen<br />

vorfin<strong>de</strong>t, welche Jahrzehnte<br />

jünger sind.<br />

Man unterschätze die „Alten“ nicht.<br />

Foto: iStockfoto.com - Stefan Schurr


Unmündige Omas und Opas?<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Es ist sehr schwer, einem durch Hörensagen und Fitnessblättchen<br />

geschulten Laien zu vermitteln, dass Senioren nicht pauschale<br />

Tattergreise sind, mit <strong>de</strong>nen man automatisch behutsam umgehen<br />

muss. So bekam <strong>de</strong>r Autor, während seiner Trainerzeit in einer großen<br />

Fitnessanlage, immer wie<strong>de</strong>r kopfschütteln<strong>de</strong> und verständnislose<br />

Blicke von Fitnesssportlern zu spüren, als er bei Leistungstests auf <strong>de</strong>m<br />

Laufband auch mal ältere Läufer bis an gewisse Leistungsgrenzen trieb.<br />

Das ein kalendarisches Alter nichts über das biologische aussagt, dass<br />

solche „Alten“ teilweise erheblich fitter und belastbarer sein können als<br />

viele 20jährige, dass im Seniorensport auch noch leistungsorientiert<br />

trainiert wird – und wer<strong>de</strong>n kann, entsprach nicht ihrem Bild, welches<br />

sie über „alte Leute“ hatten. Typischer O-Ton: „Na, ob das Mal so gut<br />

ist … in <strong>de</strong>m Alter“. Solche Äußerungen kommen typischerweise von<br />

Menschen, für die alles, was über „simplen“ Fitnesssport hinaus geht,<br />

eine völlig frem<strong>de</strong> Welt darstellt.<br />

2.2.6 Das Herzfrequenzverhalten bei Schwangeren<br />

Eine Schwangerschaft stellt einen physiologischen Reiz dar, <strong>de</strong>r potenziell<br />

die Ausdauerleistungsfähigkeit verbessern kann. Die<br />

Anpassungserscheinungen ähneln <strong>de</strong>m eines körperlichen Trainings:<br />

Herzschlag- und Blutvolumen erhöhen sich und damit auch die VO² max.<br />

In gewisser Weise löst eine Schwangerschaft Trainingseffekte im Körper<br />

aus. Doch inwieweit während einer Schwangerschaft trainiert wer<strong>de</strong>n darf,<br />

darüber wird noch kontrovers diskutiert. Einigkeit herrscht mittlerweile<br />

aber darüber, dass ein angepasstes <strong>Ausdauertraining</strong> keine Gefahr für das<br />

ungeborene Kind darstellt (sofern keine Risikoschwangerschaft vorliegt).<br />

Empfohlen wird in <strong>de</strong>r Regel ein Training im aeroben bzw. im geringen bis<br />

max. mittleren Intensitätsbereich. Skeptisch betrachten sollte man auch<br />

typisch pauschale HF-Vorgaben, welche gerne gegeben wer<strong>de</strong>n, aber oft<br />

nur statistischer Natur sind.<br />

Auch hierbei gilt: HF-Werte sind etwas Individuelles und müssen individuell<br />

gegeben wer<strong>de</strong>n - auch bei schwangeren Frauen.<br />

- 94 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

2.2.7 Das Herzfrequenzverhalten bei Hitze<br />

Auch <strong>de</strong>r menschliche<br />

Organismus unterliegt <strong>de</strong>n<br />

Gesetzen <strong>de</strong>r<br />

Thermodynamik. Die<br />

Erbringung einer<br />

körperlichen Leistung setzt<br />

die Umwandlung <strong>de</strong>r im<br />

Körper gespeicherten<br />

chemischen Energiereserven<br />

in mechanische Energie<br />

voraus. Hierbei existieren<br />

erhebliche individuelle Unterschie<strong>de</strong> im Wirkungsgrad (die Beziehung<br />

zwischen <strong>de</strong>r aufgewandten Leistung und <strong>de</strong>m Nutzen einer Maschine =<br />

Effektivität). Der mechanische Wirkungsgrad <strong>de</strong>r „Maschine Mensch“ ist<br />

sehr gering – nur max. 25 % <strong>de</strong>r zugeführten Energie können tatsächlich<br />

verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n (bei höheren Intensitäten unter 5-10 %). 75-97 %<br />

verpuffen als Wärme! Neben <strong>de</strong>r Temperatur <strong>de</strong>s Muskels und <strong>de</strong>r<br />

Körperschale kommt es auch zu einem Anstieg <strong>de</strong>r Körperkerntemperatur.<br />

Es entsteht ein belastungsbedingter Wärmestau (Hyperthermie). Die<br />

daraus resultieren<strong>de</strong> Problematik einer drohen<strong>de</strong>n Überhitzung wird bei<br />

sehr warmem Klima (ggf. mit erhöhter Luftfeuchtigkeit) o<strong>de</strong>r zu warmer<br />

(ggf. nicht atmungsaktiver) Kleidung noch verstärkt. Die Thermoregulation<br />

<strong>de</strong>s Körpers, zur Verhin<strong>de</strong>rung einer Überhitzung, benötigt selber viel<br />

Energie und Sauerstoff, welches dann mit einer erhöhten HF und<br />

Atemfrequenz einhergeht.<br />

- 95 -<br />

Hatten keine Probleme mit<br />

zu hohen Temperaturen …<br />

Foto links JN<br />

Foto oben: iStockfoto.com -<br />

Jim Parkin


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Solange sich die zunehmen<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen an die Thermoregulation <strong>de</strong>s<br />

Körpers (mit erhöhter Herz-Kreislauf-Belastung) noch in Grenzen halten, ist<br />

<strong>de</strong>r Anstieg <strong>de</strong>r HF nicht als Anstieg <strong>de</strong>r Belastungsintensität zu bewerten.<br />

Denn neben gleicher Muskelbelastung bleiben ggf. auch die metabolischen<br />

Vorgänge unverän<strong>de</strong>rt (siehe nächste Abbildung).<br />

Dieses Diagramm gibt eine Untersuchung (nach Heck et al.)<br />

wie<strong>de</strong>r. Ein Läufer absolviert einen Mehrstufentest auf <strong>de</strong>r Bahn,<br />

einmal bei Trockenheit, einmal bei Regen. Bei nahezu gleicher<br />

Laktatkonzentration (<strong>de</strong>r Einfachheit wird nur eine<br />

Laktatleistungskurve dargestellt) sorgt <strong>de</strong>r kühlen<strong>de</strong> Effekt <strong>de</strong>s<br />

Regens im unteren Tempobereich für eine bis 6 S/min niedrigere<br />

HF.<br />

Wird die Thermoregulation <strong>de</strong>s Körpers allerdings zu sehr gefor<strong>de</strong>rt, kommt<br />

es zu einer größeren Blutverschiebung aus <strong>de</strong>r arbeiten<strong>de</strong>n<br />

Skelettmuskulatur in <strong>de</strong>n peripheren Bereich <strong>de</strong>r Haut. Durch die geringere<br />

Versorgung <strong>de</strong>r Arbeitsmuskulatur mit Blut wird dieser weniger Sauerstoff<br />

zugeführt, welches eine zusätzliche Entstehung von Laktat begünstigt.<br />

Hinzu kommt eine vermehrte Schweißproduktion mit verstärktem Wasser-<br />

und Mineralstoffverlust (welches beim Wenigtrainierten allerdings<br />

ausgeprägter ist, als beim Guttrainierten).<br />

- 96 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 97 -<br />

- Starkes Schwitzen<br />

- Deutlich ansteigen<strong>de</strong> HF<br />

- Leistungseinbruch<br />

- Druckgefühl im Kopf<br />

- Kopfschmerzen<br />

- Schwin<strong>de</strong>l<br />

- Übelkeit<br />

- Muskelkrämpfe<br />

Diese und weitere Faktoren schränken<br />

das Leistungsvermögen erheblich ein,<br />

die Belastungsintensität ist höher als<br />

üblich (bei gleicher physikalischer<br />

Leistung) und im Extremfall, wenn<br />

Thermoregulationsfähigkeit <strong>de</strong>s<br />

Organismus ihre Grenze erreicht hat,<br />

droht ein Kollaps wegen Überhitzung.<br />

Bei Hitze umso wichtiger … Foto: iStockfoto.com - Vladimirs Poplavskis<br />

Bei <strong>de</strong>r Beanspruchung <strong>de</strong>s Körpers unter sehr warmen Bedingungen ist<br />

<strong>de</strong>r Sportler gefor<strong>de</strong>rt, durch geeignete Maßnahmen das Risiko einer<br />

gesundheitlichen Beeinträchtigung zu minimieren. So ist es vor allem<br />

wichtig, ggf. die Geschwindigkeit, welche ja maßgeblichen Einfluss auf die<br />

Intensität hat, von Anfang an entsprechend (reduzierend) anzupassen. Der<br />

Sportler sollte sich im Klaren sein, dass unter Hitzebedingungen nicht die<br />

gleiche Leistung erbracht wer<strong>de</strong>n kann wie bei angemessenen<br />

Temperaturen – dies gilt selbst für solche, welche (subjektiv) gut mit Hitze<br />

zurechtkommen. Während <strong>de</strong>r Belastung ist auf eine beson<strong>de</strong>rs ausgiebige<br />

und regelmäßige Flüssigkeitszufuhr zu achten – bevor man Durst<br />

bekommt. Auch ein zusätzliches Befeuchten <strong>de</strong>s Körpers, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s<br />

Kopfes, mit Wasser, ist unverzichtbar und kann die Körpertemperatur<br />

maßgeblich im leistungsfähigen und insbeson<strong>de</strong>re gesun<strong>de</strong>n Rahmen<br />

halten. Als erfahrener Ausdauersportler wird man über sein HF-Verhalten<br />

die Lage gut einschätzen und entsprechend agieren können. Das<br />

Biofeedback eines HF-Messers ist hierbei äußerst wertvoll. Kennt <strong>de</strong>r<br />

Sportler seinen Körper gut, wird er genau wissen bis, zu welcher Höhe er<br />

einen HF-Anstieg tolerieren kann, ohne dass es kritisch wird.<br />

Anzeichen einer Überhitzung<br />

Hitze-Pauschale<br />

Unter sehr warmen<br />

Bedingungen darf in <strong>de</strong>n<br />

unteren Intensitätsbereichen<br />

ein Anstieg <strong>de</strong>r HF um die 5-10<br />

S/min als Nichtanstieg <strong>de</strong>r<br />

Belastungsintensität bewertet<br />

wer<strong>de</strong>n.


Kommentar<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Bei Volkslauf-Veranstaltungen mit Wettkampf-Charakter bin ich (wie so<br />

viele Menschen) chronisch aufgeregt. Wenn ich mich dabei mit geringer<br />

bis mittlerer Intensität belaste, kommt es zu einer <strong>de</strong>utlich erhöhten HF<br />

über die volle Distanz, welche dann eine <strong>de</strong>utlich höhere Intensität<br />

vorgaukelt, als tatsächlich <strong>de</strong>r Fall ist (wie sehr dies zu einer<br />

Fehlinterpretation führen kann, darauf wird später noch genauer<br />

eingegangen).<br />

Am Köln-Marathon 2011 habe ich mit <strong>de</strong>m Ziel teilgenommen, diesen<br />

als Trainingslauf zu absolvieren (Intensität GA1), als Vorbereitung für<br />

einen Ultralauf vier Wochen später. Wie üblich hätte ich die HF<br />

normalerweise (wegen <strong>de</strong>m „Aufregungsfaktor“) nicht zur Orientierung<br />

genommen, son<strong>de</strong>rn mich nur nach <strong>de</strong>m Tempo gerichtet. Nun war es<br />

bei <strong>de</strong>m Marathon ab mittags sehr warm (25-26°C.), was<br />

entsprechen<strong>de</strong> Auswirkung auf das Herz-Kreislauf-System hatte.<br />

Unter kühlen klimatischen Bedingungen und max. möglichem<br />

Marathontempo liegt meine HF bei 175 bis knapp an die 180 S/min<br />

(oberer Bereich GA1/2 bzw. Grenzbereich zu GA2). Diese HF erreiche<br />

ich auch bei <strong>de</strong>utlich niedrigerem Lauftempo (oberer GA1 Bereich) -<br />

wenn es dabei zu warm ist. Aus Erfahrung weiß ich, dass die HK-<br />

Belastung dann ab HF 180 S/min eine kritische Zone erreicht, welche<br />

Schwin<strong>de</strong>l, Kopfschmerzen und weitere gesundheitlich be<strong>de</strong>nkliche<br />

Erscheinungen herbeiführen wür<strong>de</strong>n (wenn ich mich länger in diesem<br />

HF-Bereich aufhielte).<br />

Aus diesem Grund habe ich ausnahmsweise auch ständig die HF im<br />

Auge behalten. Ich hatte mir eine Grenze von 170 S/min festgelegt,<br />

welche ich bis ca. Km 35/36 nicht bzw. allenfalls kurzeitig überschreiten<br />

wollte, damit ich noch einen sichern Spielraum nach oben hätte. Durch<br />

häufiges Trinken und Begießen <strong>de</strong>s Körpers mit Wasser konnte ich<br />

meine Vorgabe auch einhalten, ohne Abstriche am geplanten Tempo<br />

machen. Die Thermoregulation meines Körpers funktionierte sehr gut<br />

und ich fühlte mich gut und nie überhitzt. So konnte ich die letzten 5-6<br />

m noch ein gutes Stück beschleunigen, ohne dass die HF massiv<br />

anstieg und <strong>de</strong>r Kreislauf überfor<strong>de</strong>rt war. Die HF hat mir hierbei ein<br />

wun<strong>de</strong>rbares und sehr wertvolles Biofeedback gegeben.<br />

- 98 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

2.2.8 Das Herzfrequenzverhalten bei<br />

………unterschiedlichen Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong>n<br />

Trainingsmethodisch unterschei<strong>de</strong>t man zwar zwischen Kraft- und<br />

<strong>Ausdauertraining</strong>, jedoch sind die bei<strong>de</strong>n Komponenten und<br />

untrennbar miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n, sie lassen sich nicht klar<br />

trennen. Bei je<strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r körperlichen Beanspruchung wer<strong>de</strong>n immer<br />

bei<strong>de</strong> Elemente benötigt, nur <strong>de</strong>ren Anteile können stark variieren.<br />

Gegebenenfalls spricht man auch von <strong>de</strong>r . Siehe hierzu<br />

folgen<strong>de</strong> Abbildung.<br />

Definition und im Sport<br />

Ausdauer = Die physische und psychische Fähigkeit, möglichst lange<br />

einer Belastung zu wi<strong>de</strong>rstehen, <strong>de</strong>ren Intensität und Dauer<br />

letztendlich zu einer unüberwindbaren Ermüdung führt. Und die<br />

Fähigkeit sich anschließend schnell wie<strong>de</strong>r davon zu erholen.<br />

Kraft (physikalisch) = Masse x Beschleunigung<br />

Kraft (biologisch) = Die Fähigkeit <strong>de</strong>s Nerven-Muskelsystems, mit<br />

Muskelkontraktionen Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> zu überwin<strong>de</strong>n (konzentrische<br />

Arbeit), ihnen entgegenzuwirken (exzentrische Arbeit), o<strong>de</strong>r sie zu<br />

halten (isometrische Arbeit).<br />

Kraftausdauer = Ermüdungswi<strong>de</strong>rstandsfähigkeit bei Belastungen mit<br />

hohen Kraftanfor<strong>de</strong>rungen.<br />

- 99 -<br />

Je höher die Belastungsintensität,<br />

<strong>de</strong>sto höher <strong>de</strong>r Kraftanteil und<br />

<strong>de</strong>sto kürzer die mögliche<br />

Belastungsdauer. Je geringer die<br />

Belastungsintensität, <strong>de</strong>sto höher<br />

<strong>de</strong>r Ausdaueranteil und <strong>de</strong>sto<br />

länger fällt die mögliche<br />

Belastungsdauer aus.


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Man kann <strong>de</strong>mentsprechend keine scharfe Trennlinie ziehen zwischen Kraft<br />

und Ausdauer – <strong>de</strong>r Übergang ist fließend. Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n, wie bereits<br />

angemerkt, immer bei<strong>de</strong> Faktoren benötigt.<br />

Eine reine Kraftbelastung und eine reine Ausdauerbelastung gibt es nur<br />

theoretisch. 100 % Kraftbelastung wäre gegeben bei unendlich hoher<br />

Intensität und BELASTUNGSDAUER = NULL. 100 % Ausdauerbelastung<br />

wäre gegeben bei BELASTUNGSINTENSITÄT = NULL und einer möglichen<br />

Belastungsdauer, die dann unendlich lang sein könnte (siehe nächstes<br />

Schaubild).<br />

Hierbei ist insbeson<strong>de</strong>re die physiologische Auswirkung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

Komponenten be<strong>de</strong>utsam, welche sich aus <strong>de</strong>m Verhältnis zwischen Höhe<br />

<strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Bewegungsfrequenz – bei gleicher physikalischer<br />

Leistung – ergeben. Denn diese haben maßgeblichen Einfluss auf <strong>de</strong>n Reiz,<br />

welcher auf <strong>de</strong>n Muskel wirkt und damit auf die gesamte<br />

Leistungsentwicklung <strong>de</strong>s Sportlers (Kap. 1.1.4)! Auch <strong>de</strong>r Einfluss auf das<br />

HF-Verhalten ist hochsignifikant!<br />

Verhältnis / / /<br />

<br />

Mögliche Belastungsdauer<br />

- 100 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Der Ausdauersportler hat es immer wie<strong>de</strong>r mit variieren<strong>de</strong>n Kraftanteilen<br />

zu tun, bedingt durch Streckenprofil, Bo<strong>de</strong>nbelag Bewegungsfrequenzen<br />

o<strong>de</strong>r mechanisch einstellbaren Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong>n an entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Ausdauersportgeräten. Dies hat erheblichen Einfluss auf das Verhalten <strong>de</strong>r<br />

HF. Mit zunehmen<strong>de</strong>r Kraftbelastung kommt es zu einer mechanischen<br />

Kompression in <strong>de</strong>r Muskulatur. Blutgefäße (Kapillaren) wer<strong>de</strong>n eingeengt,<br />

<strong>de</strong>ren Querschnitt verkleinern sich. Die Durchblutung und damit auch die<br />

Sauerstoffversorgung <strong>de</strong>r Arbeitsmuskulatur verringert sich – es entstehen<br />

schneller, höhere Laktatwerte. Der Muskel ermü<strong>de</strong>t dadurch rascher. Bei<br />

gleicher Belastungsintensität wird dabei die HF niedriger ausfallen als bei<br />

weniger kraftbetonten Belastungen!<br />

Je höher <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r einzusetzen<strong>de</strong>n Kraft ausfällt (bei gleicher<br />

Leistung), <strong>de</strong>sto eher (bezogen auf die HF) wird man seine Leistungsgrenze<br />

erreichen. Und umgekehrt, je geringer <strong>de</strong>r Kraftanteil ausfällt (bei gleicher<br />

Leistung), <strong>de</strong>sto höher wird die HF an <strong>de</strong>r Leistungsgrenze (und auch bei<br />

allen an<strong>de</strong>ren Intensitätsbereichen) ausfallen.<br />

Metabolisch be<strong>de</strong>utet dies: Je höher <strong>de</strong>r Kraftanteil (bei gleicher Leistung<br />

und HF), <strong>de</strong>sto schneller bil<strong>de</strong>t sich Laktat bzw. <strong>de</strong>sto höher fällt es aus!<br />

So können sich eng begrenzte HF-Vorgaben nicht gleichzeitig auf sehr<br />

kraftbetonte und wenig kraftbetonte (Ausdauer-) Belastungen beziehen –<br />

auch nicht innerhalb einer Sportart! Ein Läufer muss beispielsweise bei<br />

längeren Anstiegen (teilweise erheblich) geringere HF-Werte als<br />

Orientierung nehmen, als die, welche er üblicherweise auf flachem Terrain<br />

wählt, wenn<br />

die Intensität<br />

gleich bleiben<br />

soll.<br />

- 101 -<br />

Foto: JN


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Beim Radfahrer gilt dies für die<br />

gewählte Übersetzung. Bei<br />

gleicher Belastungsintensität<br />

(!) liegt die HF beim Fahren<br />

mit (sehr kraftbetonter) hoher<br />

Übersetzung und geringere<br />

Trittfrequenz niedriger, als<br />

beim Fahren mit (sehr<br />

ausdauerbetonter) kleiner<br />

Übersetzung mit hoher<br />

Trittfrequenz. Allein die<br />

unterschiedliche Wahl <strong>de</strong>s Verhältnisses von Trittfrequenz, Übersetzung<br />

und Krafteinsatz beim Radfahrer und starke Anstiege und tiefer/weicher<br />

Bo<strong>de</strong>nbelag beim Läufer wird / wer<strong>de</strong>n die HF an <strong>de</strong>r AS schnell um 5-30<br />

S/min an<strong>de</strong>rs ausfallen bzw. variieren lassen!<br />

Bei gleicher metabolischer Beanspruchung (max. Laktat-Steady-State -<br />

Max-LaSS) liegt <strong>de</strong>mgemäß auch eine variieren<strong>de</strong> Sauerstoffaufnahme vor.<br />

Dies bedarf auch beson<strong>de</strong>rer Erwähnung, da die max.<br />

Sauerstoffaufnahmefähig und die Ableitung von Intensitätsbereichen von<br />

dieser in <strong>de</strong>r Leistungsdiagnostik von großer Be<strong>de</strong>utung ist. Bei <strong>de</strong>r<br />

Laktatleistungsdiagnostik wird wie<strong>de</strong>rum versucht, ein Max-LaSS zu<br />

bestimmen und Leistung bzw. Geschwindigkeit und HF an diesem wird als<br />

Maßstab genommen. Solche ermittelten Werte können aber niemals fixe<br />

Maßstäbe darstellen, welche universelle Gültigkeit besitzt und einfach auf<br />

alle Rahmenbedingungen übertragbar sind. We<strong>de</strong>r die oft hochgepriesene<br />

Laktatmessung noch die als „die“ Referenz gelten<strong>de</strong> Sauerstoffaufnahme<br />

(Stichwort Spiroergometrie) sind grenzenlos aussagefähig und praktikabel.<br />

Genauso wie die HF im Bereich eines Max-LaSS variieren kann (bedingt<br />

durch verän<strong>de</strong>rliche Rahmenbedingungen), so schwankend ist hierbei auch<br />

das Verhältnis von Sauerstoffaufnahme und Max-LaSS. Denn bei gleichem<br />

Herzschlagvolumen ist die Sauerstoffaufnahme umso niedriger, je geringer<br />

die HF ausfällt.<br />

Foto: Ronald Westerhei<strong>de</strong> – rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/<br />

- 102 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Kraft und Sauerstoffaufnahme<br />

Es könnte jetzt <strong>de</strong>r falsche Eindruck entstehen, dass ein erhöhter<br />

Kraftanteil generell die Sauerstoffaufnahme verringert. Dem ist nicht<br />

so. Unter Dauerbelastung führt ein hoher Kraftanteil aber aus<br />

genannten Grün<strong>de</strong>n dazu, dass die Belastungs-HF niedriger ausfällt,<br />

welches sich (bei gleichem Herzschlagvolumen) entsprechend<br />

verringernd auf das Herzminutenvolumen auswirkt. Letzteres hat<br />

wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>utlichen Einfluss auf die Sauerstoffaufnahme.<br />

Bei relativ kurzer Belastungsdauer kann die max. VO² durchaus höher<br />

ausfallen. So haben Laufbanduntersuchungen ergeben, dass bei einer<br />

eingestellten Steigung höhere max. VO²-Werte erreicht wer<strong>de</strong>n<br />

können. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich aber um relativ kurze<br />

Spitzenbelastungen (bzw. –Ausbelastungen), mit max. Laktat- und HF-<br />

Werten – und eben um die max. VO²!<br />

Dies be<strong>de</strong>utet: „Genau“ ermittelte Orientierungsgrößen bei<br />

leistungsdiagnostischen Tests sind alleine <strong>de</strong>shalb immer zu relativieren.<br />

Teure und aufwendige Testverfahren, wenn auch durchgeführt in<br />

kompetenten Einrichtungen, verschleiern schnell, dass solche Verfahren<br />

nicht annähernd die Vielfalt möglicher Rahmenbedingungen simulieren<br />

können, welche im Training und Wettkampf auftreten.<br />

Die Abbildung auf <strong>de</strong>r nächsten Seite soll ver<strong>de</strong>utlichen, wie gravierend <strong>de</strong>r<br />

Anteil <strong>de</strong>r Kraft die<br />

HF bzw. Laktat<br />

beeinflussen kann.<br />

- 103 -<br />

Foto: DDD -<br />

pixelio.<strong>de</strong>


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Unterschiedliche Kraftanteile und die Auswirkung auf die HF an <strong>de</strong>r<br />

AS (Werte <strong>de</strong>s Autors / Laufen)<br />

A MHF<br />

B HF an <strong>de</strong>r AS (flacher, fester Bo<strong>de</strong>n)<br />

C max. HF-Bereich* an <strong>de</strong>r AS bei erhöhtem Kraftanteil<br />

(Anstieg ~ 10 %)<br />

D max. HF-Bereich* an <strong>de</strong>r AS bei erhöhtem Kraftanteil<br />

(steile, lange Treppe – 2 Stufen/Schritt)<br />

HM HF Halbmarathon (flacher, fester Bo<strong>de</strong>n)<br />

MT HF Marathon (flacher, fester Bo<strong>de</strong>n)<br />

UL HF-Bereich Ultralauf über 5-7 Stun<strong>de</strong>n<br />

(flacher, fester Bo<strong>de</strong>n)<br />

*mit einer Toleranz von +/- 5 S/min –<br />

je nach vorliegen<strong>de</strong>n Rahmenbedingungen<br />

Das Kraft- / Laktatverhältnis hat massiven Einfluss auf die HF!<br />

- 104 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Während auf einer flachen Strecke, mit festem Bo<strong>de</strong>nbelag (z. B. Asphalt)<br />

bis zu 90 min lang (Bereich Halbmarathon) eine HF von 188-190 S/min<br />

gehalten wer<strong>de</strong>n kann, bei Einhaltung eines Laktat-Steady-States (die<br />

dann eintreten<strong>de</strong> Glykogenspeicher-Entleerung wird dabei zum<br />

limitieren<strong>de</strong>n Faktor), stellt bei einem langen Anstieg über mehrere<br />

Kilometer (teilweise mit schwer zu laufen<strong>de</strong>m Sandbo<strong>de</strong>n) eine HF von ca.<br />

170 S/min ein Grenzbereich dar. Eine Überschreitung dieser führt zu einer<br />

zunehmen<strong>de</strong>n Azidose <strong>de</strong>r Arbeitsmuskulatur. Die HF liegt hierbei noch<br />

unterhalb <strong>de</strong>r Marathon-HF (auf flachem Terrain – Dauer ~ 3:10 h:min).<br />

Bei einem sehr starken Anstieg, über welchen eine steile Treppe führt (es<br />

wer<strong>de</strong>n dabei 2 Stufen/Schritt genommen), ist die Kraftbelastung so hoch,<br />

dass bei einer HF von um die 150 S/min (weit unterhalb <strong>de</strong>r „Standard-<br />

Schwelle“ von 190 S/min) ein Max-LaSS nicht bzw. kaum gehalten wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Selbst bei einem Ultralauf über viele Stun<strong>de</strong>n kann eine höhere<br />

Durchschnitts-HF gewählt wer<strong>de</strong>n (die dann noch <strong>de</strong>utlich unterhalb eines<br />

Max-LaSS liegt), als bei solch einem Anstieg.<br />

Bei so einem Treppengehen (an Laufen über eine längere Strecke wäre gar<br />

nicht zu <strong>de</strong>nken) tendiert diese Art <strong>de</strong>r Beanspruchung zu <strong>de</strong>r eines<br />

Krafttrainings – wie zum Beispiel einer Variante von Kniebeugen.<br />

Foto: iStockfoto.com - gimletup<br />

- 105 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Berücksichtigung fin<strong>de</strong>n muss hierbei aber noch, dass ggf. eine geringere<br />

Menge an aktiver Muskelmasse ihren Anteil an <strong>de</strong>r HF-Reduzierung hat. So<br />

führt ein steiler Anstieg zwangsläufig zu einer <strong>de</strong>utlichen Reduzierung <strong>de</strong>s<br />

Tempos, was wie<strong>de</strong>rum die Arbeit <strong>de</strong>s Oberkörpers verringert (weniger<br />

Armschwung).<br />

Bei einem Training auf einem Stepper (Kardiogerät, welches man<br />

typischerweise in Fitnessstudios fin<strong>de</strong>t) hängt bei gleicher HF die Höhe <strong>de</strong>r<br />

Laktatkonzentration auch maßgeblich vom Verhältnis Schrittlänge<br />

(Kniehub) und Schrittfrequenz ab. Während beim Autor bei einer HF um die<br />

150 S/min und geringer<br />

Schrittlänge, mit geringem<br />

Kniehub und relativ geringem<br />

Kraftanteil, eine theoretisch<br />

stun<strong>de</strong>nlange Belastungsdauer<br />

möglich wäre, so sieht dies bei<br />

großer Schrittlänge ganz<br />

an<strong>de</strong>rs aus. Wird bei gleich<br />

eingestellter Wi<strong>de</strong>rstandsstufe<br />

die Schrittlänge auf das max.<br />

Mögliche erhöht (sehr hoher<br />

Kniehub mit <strong>de</strong>utlicher<br />

Erhöhung <strong>de</strong>s Kraftanteils),<br />

mit einer entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Reduzierung <strong>de</strong>r Frequenz, so<br />

kommt es bei gleicher HF zu<br />

einem starken Anstieg <strong>de</strong>r<br />

Laktatkonzentration. Ein Max-<br />

LaSS ist so <strong>de</strong>utlich<br />

überschritten, dass dabei die<br />

Belastung nur etwa 5-10<br />

Minuten gehalten wer<strong>de</strong>n<br />

kann!<br />

Auf solch einem Trainingsgerät offenbart sich<br />

sehr <strong>de</strong>utlich, wie groß die Diskrepanz<br />

zwischen HF und Laktat ausfallen kann.<br />

Foto: iStockfoto.com –<br />

EXTREME-PHOTOGRAPHER<br />

- 106 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Als ein weiteres Praxis-Beispiel soll eine ambitionierte Läuferin dienen. Im<br />

Rahmen eines extensiven Lauftrainings auf <strong>de</strong>m Laufband baute diese eine<br />

zehnminütige Phase ein, während <strong>de</strong>r sie bei 5 km/h und 15 % Steigung<br />

ging. Dabei wur<strong>de</strong>n ihre Beine zunehmend mü<strong>de</strong> und „schwer“, als Resultat<br />

einer entsprechen<strong>de</strong>n Wirkung <strong>de</strong>s Faktors Laktat. Nach diesen 10 min<br />

brach sie das Training wegen relativer Erschöpfung <strong>de</strong>r Beine ab. Ihre HF<br />

lag während dieser Belastungsphase bei 150-155 S/min. Zwei Tage später<br />

absolvierte sie im Freien einen gleichmäßigen Dauerlauf (flaches Terrain)<br />

über 90 min, bei einer durchschnittlichen HF von 155-160 S/min. Subjektiv<br />

empfand sie diesen Lauf als weniger anstrengend bzw. belastend. Sie<br />

spürte zwar eine höhere Herz-Kreislauf-Belastung, aber ihre Beinmuskeln<br />

wur<strong>de</strong>n erheblich geringer gefor<strong>de</strong>rt. Objektiv spricht <strong>de</strong>r Vergleich HF-<br />

Verhalten und mögliche Belastungsdauer bei bei<strong>de</strong>n Trainingsvarianten für<br />

sich.<br />

Es ist irrig, zu glauben, man hätte mit <strong>de</strong>r HF eine einfache Kontrolle über<br />

die Laktate in <strong>de</strong>r Arbeitsmuskulatur. Es besteht kein fixer Zusammenhang<br />

zwischen HF und Max-LaSS – auch nicht innerhalb einer Sportart!<br />

Tritttechnik im Radsport<br />

- 107 -<br />

Foto: Ronald Westerhei<strong>de</strong> – rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/<br />

Nicht erst seit <strong>de</strong>n Kämpfen zwischen Jan Ullrich und Lance Armstrong<br />

während <strong>de</strong>r Tour <strong>de</strong> France sind die unterschiedlichen Trittfrequenzen im<br />

Radsport ein Thema. Diese Thematik ist so alt wie <strong>de</strong>r Radsport selber und<br />

Gegenstand in je<strong>de</strong>m Radsport-Lehrbuch. Dabei geht es um das Fin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

besten Verhältnisses zwischen möglichst geringem Energieaufwand und<br />

höchstmöglicher Geschwindigkeit, wenn eine Strecke schnellstmöglich<br />

zurückgelegt wer<strong>de</strong>n soll. Dies zeigt sich insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n<br />

Radsportdisziplinen, in <strong>de</strong>nen maximale Geschwindigkeiten über längere<br />

Zeit gefragt sind. So<br />

wer<strong>de</strong>n / wur<strong>de</strong>n in<br />

Zeitfahren sowohl als<br />

Einzel- als auch im<br />

Mannschaftsfahren, bei<br />

Stun<strong>de</strong>nweltrekor<strong>de</strong>n usw.<br />

überwiegend Frequenzen<br />

gewählt, welche auf<br />

flachem Terrain 100-115<br />

U/min betragen (Straße).


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Leistung / Bewegungsfrequenz / Kraft<br />

Die physikalische Leistung ergibt sich beim Radfahren einfach<br />

dargestellt aus:<br />

Leistung = Kraft x Trittfrequenz<br />

Reduziert ein Radfahrer beispielsweise eine Trittfrequenz von<br />

120 U/min auf 60 U/min, so muss er – bei gleicher Leistung /<br />

Geschwindigkeit – die eingesetzte Kraft verdoppeln.<br />

Bei einem Läufer wür<strong>de</strong> eine Halbierung <strong>de</strong>r Schrittfrequenz – bei<br />

gleichem Tempo – auch mit einer entsprechen<strong>de</strong>n Erhöhung <strong>de</strong>s<br />

Kraftanteils einhergehen. Am gravierendsten macht sich diese<br />

Gesetzmäßigkeit an einem Anstieg bemerkbar.<br />

Im Bahnradsport bei <strong>de</strong>n Verfolgern sogar 120-130 U/min. Bei Anstiegen<br />

bzw. am Berg, wo zwangsläufig mehr Kraft gefor<strong>de</strong>rt ist, halten<br />

Bergspezialisten Frequenzen von über 80/85 U/min aufrecht.<br />

Interessant sind auch Untersuchungen über Leistungsvergleiche zwischen<br />

Triathleten und Radsportlern bei Zeitfahren, welche in <strong>de</strong>n 1990ern Jahren<br />

gemacht wur<strong>de</strong>n. Das die Radsportler als Spezialisten auf <strong>de</strong>m Rad (mit<br />

30-50 % mehr Rad-Kilometern und erheblich höherer Anzahl von<br />

Wettkampf-Kilometern) im Mittel <strong>de</strong>utlich höhere Geschwindigkeiten fahren<br />

konnten war zwar nicht überraschend. Be<strong>de</strong>utsam war aber dabei, dass die<br />

durchschnittlichen Trittfrequenzen bei <strong>de</strong>n Radsportlern um 10-15 U/min<br />

höher lagen, als die <strong>de</strong>r Triathleten. Letztere waren physiologisch /<br />

technisch nicht in <strong>de</strong>r Lage, hochfrequent zu fahren und mussten einen<br />

unökonomischeren Weg mit höherem Kraftanteil wählen.<br />

Der Vorteil einer höher gewählten Frequenz wur<strong>de</strong> bereits beschrieben: Da<br />

während <strong>de</strong>r Kontraktionsphase <strong>de</strong>r Blutfluss in <strong>de</strong>r belasteten Muskulatur<br />

maßgeblich vom Krafteinsatz abhängt, kommt es zu einer besseren<br />

Versorgung <strong>de</strong>r Muskulatur mit Sauerstoff und Nährstoffen und zu einem<br />

schnelleren Abtransport von Stoffwechselendprodukten, wenn dieser<br />

(Krafteinsatz) möglichst gering gehalten wird. Weiterhin verkürzen sich<br />

dadurch auch die Regenerationszeiten.<br />

- 108 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Der theoretische Nachteil <strong>de</strong>utlich höherer Trittfrequenzen liegt in <strong>de</strong>r<br />

höheren Belastung <strong>de</strong>s Herz-Kreislauf-Systems (höhere HF). Für eine<br />

entsprechen<strong>de</strong> Anpassung an die höheren Belastungen sind ggf. viele<br />

Stun<strong>de</strong>n Training nötig, insbeson<strong>de</strong>re dann, wenn zuvor über Jahre hinweg<br />

ein Fahren mit chronisch zu großen Gängen praktiziert wur<strong>de</strong>. Gleiches gilt<br />

für die motorisch-koordinativen Fähigkeiten. Auch diese müssen dann erst<br />

mühsam antrainiert wer<strong>de</strong>n, wenn nicht in jungen Jahren bereits ein<br />

ausreichen<strong>de</strong>r Grundstein bezüglich Tritttechnik gelegt wur<strong>de</strong>.<br />

Hierbei sollte man aber auch nicht einem Dogma verfallen. Inwieweit<br />

welche Trittfrequenzen die besten sind, dies muss auch individuell ermittelt<br />

wer<strong>de</strong>n - eine allgemeingültige optimale Trittfrequenz gibt es nicht.<br />

Innerhalb gewisser Grenzen, welche biomechanisch durchaus als faktisch<br />

„richtig“ o<strong>de</strong>r unökonomisch „falsch“ bezeichnet wer<strong>de</strong>n dürfen, spielen<br />

auch Faktoren eine Rolle, welche rein technisch nicht erfasst wer<strong>de</strong>n<br />

können. So wird es selbst in <strong>de</strong>r Weltspitze immer wie<strong>de</strong>r Fahrer geben,<br />

welche außerhalb <strong>de</strong>r Norm aus <strong>de</strong>r Reihe fallen. So wie ein Jan Ulrich,<br />

welcher bekannt dafür war, immer etwas „zu dick“ zu treten, o<strong>de</strong>r das<br />

krasse Gegenteil, ein Lance Amstrong, <strong>de</strong>r selbst am Berg mit <strong>de</strong>r Frequenz<br />

einer Nähmaschine in die Pedale trat.<br />

Eine ökonomische Bewegungstechnik spielt auch im Schwimmen eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Rolle. Ist diese schlecht, ist <strong>de</strong>r Wasserwi<strong>de</strong>rstand und damit <strong>de</strong>r Faktor Kraft zu<br />

hoch, ermü<strong>de</strong>t die Muskulatur schneller, obwohl die Herz-Kreislaufbelastung niedriger<br />

ist. Foto: Ronald Westerhei<strong>de</strong> – rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/<br />

- 109 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Bedingt durch <strong>de</strong>n Einfluss von Verhältnis Bewegungsfrequenz und<br />

gewählten Wi<strong>de</strong>rstand (bei gleicher Leistung) auf die muskuläre<br />

Beanspruchung und <strong>de</strong>n Metabolismus, bedarf es beim Parameter (Watt-)<br />

Leistung - als prinzipiell aussagefähigste Orientierungsgröße - auch (wie<br />

bei allen Messgrößen) einer sehr differenzierter bzw. relativieren<strong>de</strong>r<br />

Betrachtung. Da sich <strong>de</strong>r Kraftanteil bei zunehmen<strong>de</strong>m Wi<strong>de</strong>rstand erhöht,<br />

wenn die Bewegungsfrequenz reduziert wird, wird die tatsächliche<br />

Belastungsintensität auch dadurch <strong>de</strong>utlich beeinflusst. Der Wirkung dieser<br />

Gesetzmäßigkeit ist erheblich, eine gleichmäßig erbrachte (gemessene)<br />

Wattleistung kann aber schnell darüber hinwegtäuschen. Von großer<br />

Relevanz ist dabei, wie sie bewegungstechnisch zustan<strong>de</strong> kommt.<br />

Probetraining / Selbstversuch<br />

Radfahrer:<br />

Fahre auf flachem Terrain, mit Rückenwind und einer hohen<br />

Trittfrequenz von 100-110 U/m (und damit relativ geringer<br />

Kraftbelastung) das höchstmögliche Tempo, welches über längere Zeit<br />

haltbar ist, ohne dass eine spürbare, schnell ansteigen<strong>de</strong><br />

Laktatkonzentration einen vorzeitigen Abbruch erzwingt. Die HF wird<br />

sich auf einen relativ gleichmäßigen Wert einpen<strong>de</strong>ln.<br />

Versuche mit <strong>de</strong>r gleichen HF einen langen, stärkeren Anstieg hinauf zu<br />

fahren, mit einer Trittfrequenz von unter 70 U/min (<strong>de</strong>utlich höherer<br />

Kraftanteil). Es wird unmöglich sein, diese Belastung auch nur<br />

annähernd so lange aufrecht zu halten, wie die auf flachem Terrain –<br />

die Beine machen ganz schnell „zu“.<br />

Läufer:<br />

Wähle eine HF einer sehr hohen Belastungsintensität, welche Du<br />

längere Zeit auf „Anschlag“ laufen kannst (z. B. die eines 5-10 km<br />

Wettkampfs – auf flachem Terrain / relativ geringe Kraftbelastung).<br />

Versuche mit <strong>de</strong>r gleichen HF einen langen, mehrere Kilometer langen<br />

(<strong>de</strong>utlichen) Anstieg raufzulaufen (<strong>de</strong>utlich höhere Kraftbelastung). Es<br />

wird unmöglich sein, diese Belastung auch nur annähernd so lange<br />

aufrecht zu halten, wie auf flachem Terrain. Es dauert nicht lange, und<br />

„die Säure steht bis zum Hals“.<br />

- 110 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Vor Augen halten sollte man sich <strong>de</strong>shalb immer, dass ein <strong>de</strong>utliches<br />

Variieren <strong>de</strong>r Anteile von Kraft und Ausdauer zu erheblichen Unterschie<strong>de</strong>n<br />

in <strong>de</strong>r muskulären Beanspruchung führen. Mag die HF dabei noch so<br />

konstant ausfallen, es kann dabei keine gleichbleiben<strong>de</strong><br />

Belastungsintensität vorliegen – dies ist eine physiologische Unmöglichkeit.<br />

Die Trainingswirkung wird primär an <strong>de</strong>m Organ Arbeitsmuskel gemessen<br />

bzw. beurteilt (Kap. 1.1.4) und ergibt sich daraus, wie diese Muskulatur<br />

beansprucht wird. Die HF ist nicht in <strong>de</strong>r Lage, diese Reizwirkung auf <strong>de</strong>n<br />

Muskel ein<strong>de</strong>utig zu messen bzw. wi<strong>de</strong>rzuspiegeln (Kap. 2.3.2 / 2.3.2). Der<br />

Faktor hat enorm hohen Einfluss auf die HF (bei gleicher<br />

Intensität)!<br />

Bei <strong>de</strong>m oft vorherrschen<strong>de</strong>n Puls-Dogmatismus wird dies quasi<br />

vollkommen ignoriert, weil gar nicht wahrgenommen. Trainiert ein Sportler<br />

im stark profilierten Gelän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r variiert er<br />

<strong>de</strong>utlich seine Bewegungsfrequenzen, so<br />

entspricht das konstante Einhalten eines engen<br />

vorgegebenen HF-Bereichs nicht <strong>de</strong>r<br />

Einhaltung <strong>de</strong>r gewünschten bzw.<br />

vorgegebenen Belastungsintensität. Ein<br />

erhöhter Kraftanteil kann dann schnell zu einer<br />

unerwünscht hohen Belastung führen, obwohl<br />

genau dies ggf. mit <strong>de</strong>r HF als Kontrolle<br />

eigentlich verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Bergan heißt Tempo runter. Bei gleicher Belastungsintensität gilt dies auch für die HF:<br />

Je mehr Kraft man einsetzen muss, <strong>de</strong>sto niedriger fällt die HF aus. Unter solchen<br />

Rahmenbedingungen muss die HF völlig an<strong>de</strong>rs interpretiert wer<strong>de</strong>n, als auf flachem<br />

Terrain. Foto: JN<br />

Bewegungsökonomie allgemein<br />

Unabhängig vom Verhalten <strong>de</strong>r HF: Da ein erhöhter Kraftanteil die<br />

Sauerstoffversorgung <strong>de</strong>r Arbeitsmuskulatur einschränkt, sollte man als<br />

Ausdauersportler immer hinterfragen, ob ggf. ein Mehr an Kraftaufwand<br />

unausweichlich ist (so etwa an einem Anstieg, dort ist es zwangsläufig<br />

gegeben), o<strong>de</strong>r ob er verhin<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st reduziert wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Letzteres kann maßgeblich durch eine gute Bewegungsökonomie<br />

ermöglicht wer<strong>de</strong>n, gekennzeichnet durch effektive Bewegungsfrequenzen.<br />

- 111 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Im Breitensport ist oft das Gegenteil gegeben. So sieht man bei Hobby-<br />

Radsportlern nicht selten ein unökonomisches „Herumwürgen“ und<br />

„Drücken“ von zu großen Übersetzungen, mit zu geringer Trittfrequenz,<br />

statt umgekehrt. Läufer wählen am Anstieg nicht selten eine zu große<br />

Schrittlänge mit zu geringer Schrittfrequenz. Effektiver wäre eine <strong>de</strong>utliche<br />

Erhöhung <strong>de</strong>r Schrittfrequenz bei nur recht kurzer Schrittlänge, da die<br />

Kraftbelastung dann erheblich geringer ausfällt.<br />

Je höher man die HF wählen kann, wenn die Rahmenbedingungen einen<br />

höheren Kraftanteil erzwingen, <strong>de</strong>sto mehr Sauerstoff kann aufgenommen<br />

wer<strong>de</strong>n, ohne dass die Muskulatur übersäuert. Dies kann dann wie<strong>de</strong>r ein<br />

höheres Tempo ermöglichen. Den Kraftanteil durch eine effektive<br />

Bewegungsfrequenz zu verringern be<strong>de</strong>utet auch, dass sich automatisch<br />

die mögliche Belastungsdauer verlängert, da die muskuläre Ermüdung<br />

später eintritt. Bei<strong>de</strong>s auch entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Faktoren im Wettkampf und<br />

auch im Training, da die Versorgung <strong>de</strong>r Muskulatur mit Sauerstoff und<br />

Nährstoffen ein limitieren<strong>de</strong>r Faktor ist. Siehe hierzu auch folgen<strong>de</strong><br />

Abbildung.<br />

Verhältnis von Kraft und Bewegungsfrequenz und <strong>de</strong>ren Auswirkung<br />

auf physiologische Parameter bei gleicher Leistung<br />

- 112 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

.<br />

Treppenhaus <strong>de</strong>r Erkenntnis<br />

2.2.9 So mancher Die Interpretation Sportler ist verwun<strong>de</strong>rt, von wenn <strong>de</strong>r Fachmann ihm nicht so<br />

Herzfrequenzleistungskurven<br />

große Gänge (Radfahrer) bzw. nicht so lange Schritte (Läufer)<br />

empfiehlt. Schnelleres Treten bzw. eine schnellere Schrittabfolge<br />

Der suggeriert Darstellung doch <strong>de</strong>s eine HF-Verlaufs höhere Anstrengung. während einer Dass Dauerbelastung hierbei aber in noch einem<br />

Diagramm an<strong>de</strong>re Gesetzmäßigkeiten wird als HF-Leistungskurve eine Rolle bezeichnet. spielen, Über ist erst solch mal eine nicht Kurve<br />

(welche offensichtlich. nicht immer So ist kurvenförmig es auch ein verlaufen Mythos, dass muss, Läufer son<strong>de</strong>rn mit auch längeren einer<br />

relativ Beinen gera<strong>de</strong>n bevorteilt Linie sind, entsprechen weil sie weniger kann) lässt Schritte sich ggf. machen einiges müssen. herauslesen. Dies<br />

Dies kann setzt mit einem allerdings einfachen entsprechen<strong>de</strong> Gedanken-Experiment Erfahrung ver<strong>de</strong>utlicht voraus wer<strong>de</strong>n, und die<br />

Berücksichtigung welches je<strong>de</strong>r aus Erfahrung <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n nachvollziehen Rahmenbedingungen. kann:<br />

Auch<br />

ausreichen<strong>de</strong> Kenntnisse über die entsprechen<strong>de</strong> Person sind von Vorteil,<br />

<strong>de</strong>nn Zwei je<strong>de</strong>r gleich Mensch fitte ist Leute ein Individuum.<br />

sollen mit gleichem Tempo eine sehr lange<br />

Treppe raufgehen. Der Eine wählt eine relativ zügige Schrittfrequenz<br />

Zunächst und nimmt wer<strong>de</strong>n Stufe mögliche für Stufe. HF-Leistungskurven Der An<strong>de</strong>re will schlau einfacher sein und Mehrstufentests<br />

wählt eine<br />

dargestellt. <strong>de</strong>utlich geringere Die Interpretationen Schrittfrequenz sollten und als nimmt mögliche drei Stufen Indizien auf angesehen einmal.<br />

wer<strong>de</strong>n Er glaubt, – nicht es als sich Fakt! einfacher zu machen, da er ja weniger Schritte<br />

machen muss. Einer von <strong>de</strong>n Bei<strong>de</strong>n wird massive Probleme<br />

bekommen. Welcher wohl? Stichwort .<br />

Die Physik lässt sich nicht überlisten.<br />

- 113 -<br />

Foto: berlin-pics - pixelio.<strong>de</strong>


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

2.2.9 Die Interpretation von<br />

………Herzfrequenzleistungskurven<br />

Der Darstellung <strong>de</strong>s HF-Verlaufs während einer Dauerbelastung in einem<br />

Diagramm wird als HF-Leistungskurve bezeichnet. Über solch eine Kurve<br />

(welche nicht immer kurvenförmig verlaufen muss, son<strong>de</strong>rn auch einer<br />

relativ gera<strong>de</strong>n Linie entsprechen kann) lässt sich ggf. einiges herauslesen.<br />

Dies setzt allerdings entsprechen<strong>de</strong> Erfahrung voraus und die<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Rahmenbedingungen. Auch<br />

ausreichen<strong>de</strong> Kenntnisse über die entsprechen<strong>de</strong> Person sind von Vorteil,<br />

<strong>de</strong>nn je<strong>de</strong>r Mensch ist ein Individuum.<br />

Zunächst wer<strong>de</strong>n mögliche HF-Leistungskurven einfacher Mehrstufentests<br />

dargestellt. Die Interpretationen sollten als mögliche Indizien angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n – nicht als Fakt!<br />

Bei gleichmäßigem Belastungsanstieg verläuft die HF-Kurve sehr linear,<br />

weshalb sich <strong>de</strong>r nächsthöhere HF-Wert meist schon voraussagen lässt.<br />

Ausnahme hierbei sind allerdings sehr niedrige und sehr hohe Belastungen,<br />

dort verläuft die HF-Kurve flacher. Sind die ersten Belastungsstufen zu<br />

niedrig angesetzt (man tritt z. B. beim Ra<strong>de</strong>rgometer fast ins Leere), so<br />

stellt <strong>de</strong>r erste Stufenanstieg keine nennenswerte Anfor<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>n<br />

Organismus. Der Energie- und damit auch <strong>de</strong>r Sauerstoffbedarf erhöht sich<br />

kaum, <strong>de</strong>mgemäß steigt die HF kaum an. Bei einer Grenzbelastung wird<br />

spätestens in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r VO² max. und <strong>de</strong>r MHF die HF kaum noch<br />

ansteigen können – trotz einer weiteren Erhöhung <strong>de</strong>r Belastung.<br />

- 114 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Wenn bei Erreichen einer sehr hohen Belastung die HF-Kurve abflacht –<br />

einen Knickpunkt (Deflektionspunkt) aufweist – so kann dies ein Hinweis<br />

für das Erreichen bzw. Überschreiten <strong>de</strong>r AS und Dauerleistungsgrenze<br />

sein. Auf diesem Prinzip beruht die Conconi-Schwelle. Allerdings ist dabei<br />

zu berücksichtigen, dass die Ermittlung <strong>de</strong>r Conconi-Schwelle eines völlig<br />

an<strong>de</strong>ren Testprotokolls bedarf, als das eines üblichen Stufen-Tests. Beim<br />

Conconi-Test sind die einzelnen Belastungsstufen sehr kurz und <strong>de</strong>r<br />

Belastungsanstieg recht gering, um <strong>de</strong>n Deflektionspunkt möglichst genau<br />

zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Ein sehr unlinearer HF-Verlauf entspricht nicht <strong>de</strong>n tatsächlichen<br />

physiologischen Vorgängen und ist in <strong>de</strong>r Regel die Ursache von<br />

Messfehlern, weshalb die HF-Kurve bzw. die HF-Werte korrigiert wer<strong>de</strong>n<br />

können, um die Kurve etwas zu glätten.<br />

- 115 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Ist die HF bei einem Nachfolge-Test <strong>de</strong>utlich rechtsverschoben (hin zu einer<br />

höheren Geschwindigkeit bzw. physikalischen Leistung), so belegt dies eine<br />

signifikante Verbesserung <strong>de</strong>r Ausdauerleistungsfähigkeit. Umgekehrt<br />

be<strong>de</strong>utet eine Linksverschiebung <strong>de</strong>r HF eine Verschlechterung bzw. eine<br />

nicht verschobene HF eine Stagnierung <strong>de</strong>r Ausdauerleistungsfähigkeit.<br />

Verläuft dabei die HF-Kurve <strong>de</strong>utlich flacher (blau), so ist dies ein Zeichen<br />

für eine Verbesserung <strong>de</strong>r Grundlagenausdauer. Kann <strong>de</strong>r Proband dabei<br />

noch eine <strong>de</strong>utlich höhere HF erreichen, so ist dies ein Zeichen für eine<br />

höhere Belastbarkeit o<strong>de</strong>r sogar für eine Rechtsverschiebung <strong>de</strong>r AS<br />

(bezogen auf die HF) in Richtung MHF. Sind die zwei Kurven annähernd<br />

<strong>de</strong>ckungsgleich, aber beim 2. Test wur<strong>de</strong> trotz<strong>de</strong>m eine höhere Endleistung<br />

erbracht, so ist dies <strong>de</strong>nnoch als eine Verbesserung zu <strong>de</strong>uten. Selbst wenn<br />

beim 2. Test die HF-Werte insgesamt höher sein sollten.<br />

- 116 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Verläuft die HF-Kurve bei einem Nachfolge-Test flacher (rot), die maximale<br />

Leistung ist aber gleich, so kann dies auf eine Verschlechterung <strong>de</strong>r<br />

Grundlagenausdauer hinweisen, wobei die max. Leistung aber unverän<strong>de</strong>rt<br />

ist. Dies kommt z. B. vor, wenn ein Sportler <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>s Trainings<br />

reduziert, aber die durchschnittliche Intensität beibehält. Umgekehrt:<br />

Verläuft die Kurve im unteren Bereich steiler (blau), als bei einem Test<br />

zuvor, so hat sich ggf. die Grundlagenausdauer verbessert, die maximale<br />

Leistung ist aber gleich. Dies kann bedingt sein, durch nahezu<br />

ausschließliches Training mit geringen Intensitäten. Eine sehr flach<br />

verlaufen<strong>de</strong> HF-Kurve kann aber auch ein Zeichen für eine Art „Hochpulser“<br />

sein (Kap. 2.2.2).<br />

Foto: JN<br />

- 117 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Die nachfolgen<strong>de</strong>n Diagramme zeigen aufgezeichnete HF-Leistungskurven<br />

<strong>de</strong>s Autors beim Laufen, gemessen bei Dauerbelastungen im Training und<br />

Wettkampf. Diese Diagramme stammen alle aus <strong>de</strong>r . Zur besseren Ver<strong>de</strong>utlichung und Erklärung <strong>de</strong>r Ansicht ist<br />

folgen<strong>de</strong> Abbildung stark vergrößert dargestellt. Die anschließen<strong>de</strong>n<br />

Diagramme fallen aus Platzgrün<strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong> klein aus.<br />

HF-Achse<br />

Schwarze Linie: Höhenprofil<br />

Rote Linie: HF-Leistungskurve<br />

Zeitachse<br />

Die farbigen Zonen zeigen die verschie<strong>de</strong>nen Intensitätsbereiche (HF):<br />

WSA (Wettkampfspezifische Ausdauer / Hohe bis sehr hohe Intensität)<br />

GA2 (Grundlagenausdauer 2 / Hohe Intensität)<br />

GA1/2 (Grundlagenausdauer 1/2 / Mittlere Intensität)<br />

GA1 (Grundlagenausdauer 1 / Geringe Intensität)<br />

KOM (Kompensationsbereich / Sehr geringe Intensität<br />

Im Grenzbereich von GA2 zu WSA liegt die AS. Die Obergrenze von KOM<br />

stellt prinzipiell auch die Grenze für ein Fettstoffwechseltraining dar.<br />

- 118 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Verzerrungen<br />

Zu beachten ist, dass je nach Belastungsdauer die HF-Linie<br />

unterschiedlich stark gestreckt wird, sodass sie bei kurzer Dauer<br />

glatter verläuft als bei langer Dauer. Dies ergibt sich zwangsläufig<br />

dadurch, dass alle HF-Diagramme die gleiche Breite haben. Je mehr<br />

Messpunkte vorhan<strong>de</strong>n sind, <strong>de</strong>sto mehr muss die HF-Linie gestaucht<br />

wer<strong>de</strong>n. Das Messgerät hat übrigens alle 2 Sekun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n HF-Wert<br />

aufgezeichnet.<br />

Massive, spitze Peaks <strong>de</strong>r HF-Kurven nach unten resultieren (wenn<br />

nicht an<strong>de</strong>rs angegeben) von kurzen Pausen bzw. Unterbrechungen<br />

<strong>de</strong>r Einheiten. Sehr spitze, kurze Peaks nach oben resultieren (wenn<br />

nicht an<strong>de</strong>rs angegeben) aus Messfehlern, welche z. B. durch<br />

elektromagnetische Störquellen verursacht wer<strong>de</strong>n können.<br />

Intervallmetho<strong>de</strong><br />

Zunächst wird sich mit <strong>de</strong>r Analyse von<br />

Trainingseinheiten (folgend abgekürzt als<br />

TE) befasst, durchgeführt nach <strong>de</strong>r<br />

. Diese<br />

Trainingsmetho<strong>de</strong> zeichnet sich durch<br />

einen systematischen Wechsel zwischen<br />

Belastungsabschnitten mit hoher bis sehr<br />

hoher Intensität aus, unterbrochen von<br />

Pausen mit sehr geringer Intensität.<br />

Diagramm 1a – HF-Verhalten bei Intervallbelastungen<br />

Der Kern <strong>de</strong>r dargestellten TE stellt ein Intervalltraining (auf <strong>de</strong>r Bahn) dar,<br />

bei <strong>de</strong>r 1x 1000 m und 1x 2000 m an <strong>de</strong>r AS gelaufen wur<strong>de</strong>n. Danach<br />

wur<strong>de</strong>n 4x 400 m gelaufen, mit einem Tempo <strong>de</strong>utlich oberhalb <strong>de</strong>r AS. Die<br />

HF, an <strong>de</strong>r AS liegt im Bereich 189-190 S/min. Durch ein entsprechen<strong>de</strong>s<br />

Trägheitsverhalten erreichte die HF aber erst nach ein paar Hun<strong>de</strong>rt Metern<br />

die zugehörigen Werte. Die HF-Werte bei <strong>de</strong>n Intervallen über 400 m lagen<br />

nur wenig darüber – obwohl das Tempo <strong>de</strong>utlich höher war!<br />

- 119 -


Aufwärmphase<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Intervalle 1 bzw. 2 km<br />

Intervalle 4x 400 m<br />

Diagramm 1b – HF-Verhalten beim Intervalltraining am Anstieg<br />

(Hügelläufe)<br />

Intensives Intervalltraining, 4x 800 m an einem Anstieg (ca. 5-8 %<br />

Steigung). Man kann gut erkennen, wie schnell die HF beim Intervallbeginn<br />

zuerst ansteigt, dann in ihrem Verlauf aber abflacht und erst am<br />

Intervallen<strong>de</strong> ihren höchsten Wert erreicht. Dann folgte eine kurze<br />

Gehpause, bei <strong>de</strong>r die HF sofort erheblich sank (bei Untrainierten wäre dies<br />

nicht ansatzweise so <strong>de</strong>utlich <strong>de</strong>r Fall). Es folgte ein lockeres Laufen<br />

bergab, bis nach ein paar Meter <strong>de</strong>s Gehens wie<strong>de</strong>r das nächste Intervall<br />

folgte. Man beachte auch die relative Deckungsgleichheit <strong>de</strong>r einzelnen<br />

Abschnitte.<br />

- 120 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

- 121 -<br />

Diagramm 5c-e – Trägheitsverhalten <strong>de</strong>r HF<br />

beim Intervalltraining<br />

Die nächsten Diagramme 1c-e zeigen<br />

verschie<strong>de</strong>ne Intervalltrainingseinheiten, 6x<br />

800 m, 10x 400 m und 20x 200 m (in dieser<br />

Reihenfolge). Das Lauftempo <strong>de</strong>r einzelnen TE lag<br />

umso höher, je kürzer die Intervalle ausfielen. Die<br />

HF verhielt sich genau umgekehrt – die<br />

Spitzenwerte waren umso geringer, je kürzer die<br />

Intervalle waren, obwohl dabei schneller gelaufen<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Bei <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n Diagrammen lässt sich<br />

auch schön das Trägheitsverhalten <strong>de</strong>r HF<br />

erkennen. Und generell: Der höchste Wert wur<strong>de</strong><br />

immer erst am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s jeweiligen Intervalls<br />

erreicht.<br />

Foto: JN


Diagramm 1c (6x 800m)<br />

Aufwärmphase<br />

Diagramm 1d (10x 400m)<br />

Diagramm 1e (20x 200m)<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

- 122 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

An <strong>de</strong>n Diagrammen 1c-e zeigt sich <strong>de</strong>utlich:<br />

Nur eine Orientierung anhand <strong>de</strong>s Tempos (Stoppuhr) ermöglicht ein<br />

wirklich kontrolliertes und systematisches Einhalten <strong>de</strong>r Trainingsmethodik<br />

.<br />

Zur Analyse ist das HF-Verhalten allerdings durchaus geeignet. Bei einem<br />

Intervalltraining sollte die Pausenlänge nicht zu kurz ausfallen (zu schnell<br />

fortschreiten<strong>de</strong> Ermüdung mit Leistungseinbruch) aber auch nicht zu lang<br />

(eine aufstocken<strong>de</strong> Ermüdung muss gegeben sein, um die vorgesehene<br />

Effektivität dieser Trainingsmetho<strong>de</strong> zu erreichen). Der HF-Abfall in <strong>de</strong>n<br />

Pausen muss (im Mittel) min<strong>de</strong>stens gleich bzw. von Intervall zu Intervall<br />

ten<strong>de</strong>nziell geringer ausfallen. Letzteres ist in Diagramm 1b gut zu<br />

erkennen. Ist <strong>de</strong>r HF-Abfall im Laufe <strong>de</strong>r TE zu gering bzw. wird immer<br />

geringer, waren die Pausen zu kurz. Dies wür<strong>de</strong> sich dadurch bestätigen,<br />

wenn parallel dazu die Geschwindigkeit signifikant sinkt. Betrachtet man<br />

hier noch mal Diagramm 1e, erkennt man, dass teilweise in <strong>de</strong>r zweiten<br />

Hälfte <strong>de</strong>r TE sowohl Belastungs- als auch Erholungs-HF immer wie<strong>de</strong>r<br />

etwas abfielen. Dort wur<strong>de</strong> etwas zu langsam gelaufen.<br />

- 123 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Diagramm 1f – HF-Verhalten bei sehr kurzen Intervallen<br />

Hier wur<strong>de</strong>n sehr kurze Intervalle absolviert. 27x ca. 120 m, mit nur<br />

kurzen Gehpausen dazwischen. Durch <strong>de</strong>n kurzen Belastungswechsel zeigt<br />

die HF in bei<strong>de</strong>n Richtungen ein erhebliches Trägheitsverhalten, welches<br />

nicht ansatzweise die <strong>de</strong>utliche Tempovariierung wi<strong>de</strong>rspiegelte. Die HF<br />

pen<strong>de</strong>lte immer nur in einem Bereich von ca. 10 S/min. Schön zu erkennen<br />

ist aber, dass die Ermüdung langsam zunahm: Im Mittel zeigt die HF einen<br />

kontinuierlichen Anstieg.<br />

Der ungewöhnliche Verlauf<br />

<strong>de</strong>r HF in <strong>de</strong>r Aufwärmphase<br />

war übrigens ein Resultat<br />

von Messfehlern, welche<br />

auftraten, weil <strong>de</strong>r Autor<br />

vergessen hatte, die Mess-<br />

Elektro<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s HF-Sen<strong>de</strong>rs<br />

zuvor anzufeuchten. Dadurch<br />

war eine Zeit lang keine<br />

korrekte Messung machbar,<br />

bis <strong>de</strong>r eigene Körperschweiß<br />

dies ermöglichte.<br />

Foto: JN<br />

- 124 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Diagramm 1g – HF-Verhalten bei längeren Intervallen<br />

4x 2000 m im Intensitätsbereich GA2 mit 200 m Gehpause wur<strong>de</strong>n hier<br />

abgeleistet. Die TE fand auf einem Laufband statt. Interessant ist auch hier<br />

das träge Verhalten <strong>de</strong>r HF, bei <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n Intervallen lag diese<br />

jeweils erst nach einem Kilometer signifikant im Bereich GA2.<br />

Erst bei längeren Intervallabschnitten besteht die Möglichkeit, dass sich die<br />

HF (nach ihrer trägen Anstiegs-Phase) einen Abschnitt lang auf einen<br />

relativ konstanten Wert einpen<strong>de</strong>lt. Theoretisch ist dann die HF dabei als<br />

Orientierungsmaß eher anwendbar. So lag die Dauer <strong>de</strong>r einzelnen 2000m-Belastungsabschnitte<br />

(Diagramm 1e) bei je ca. 8 min.<br />

Trainingsmethodisch tendieren solche TE aber auch in Richtung (wenn die Pausenabschnitte <strong>de</strong>utlich länger wären).<br />

In <strong>de</strong>r Regel zeigt sich bei einem Intervalltraining aber auch wie<strong>de</strong>r, dass<br />

die höchsten HF-Werte erst am En<strong>de</strong>, quasi kurz vor <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Pause<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n! Ein Ansteuern <strong>de</strong>r Intensität über die HF ist alleine<br />

dadurch schon nicht möglich.<br />

Dies macht es auch viel schwerer, ein Intervalltraining über die Zeit zu<br />

gestalten, statt über die Strecke. Deshalb ist es für einen<br />

leistungsorientierten Ausdauersportler von Be<strong>de</strong>utung, wenn ihm<br />

entsprechend vermessene Strecken zur Verfügung stehen.<br />

- 125 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

HF-Verhalten Indoor Foto: JN<br />

Die bei <strong>de</strong>n Diagrammen 1a-f gezeigten TE wur<strong>de</strong>n<br />

unter Feldbedingungen durchgeführt. Der<br />

Sauerstoffanteil in <strong>de</strong>r Luft war <strong>de</strong>mgemäß hoch. In<br />

geschlossenen Räumen ist die Versorgung mit<br />

Sauerstoff oft schwieriger, weiterhin fehlt dabei ein<br />

ggf. kühlen<strong>de</strong>r Wind. Diese Umstän<strong>de</strong> haben<br />

Einfluss auf die HF. Anhand <strong>de</strong>s nächsten Beispiels<br />

soll dies dargestellt wer<strong>de</strong>n. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich<br />

allerdings nicht um ein Intervalltraining.<br />

Diagramm 2 – HF-Verhalten Indoor<br />

Vier stufenförmige Belastungsanstiege á 10 min in<br />

Form halber Pyrami<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n hier auf einem<br />

Laufband absolviert. Alle vier Abschnitte wur<strong>de</strong>n<br />

jeweils mit <strong>de</strong>m gleichen Tempo gelaufen. Es ist gut<br />

zu erkennen, dass mit je<strong>de</strong>m Abschnitt die HF am<br />

En<strong>de</strong> jeweils mehr anstieg.<br />

Das Laufband befand sich in einem Fitnessstudio, in <strong>de</strong>m noch etliche<br />

an<strong>de</strong>re Trainieren<strong>de</strong>n vor sich hin schwitzten. Die Luft war schlechter<br />

(ärmer an Sauerstoff), die Luftfeuchtigkeit höher und es war wärmer als<br />

outdoor. Mit zunehmen<strong>de</strong>r Dauer for<strong>de</strong>rte die Thermoregulation <strong>de</strong>s<br />

Körpers immer mehr Tribut, was sich über einem (im Mittel) zunehmen<strong>de</strong>n<br />

HF-Anstieg bemerkbar machte.<br />

- 126 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Fahrtspielmetho<strong>de</strong><br />

Diese Trainingsvariante zeichnet sich durch einen unsystematischen<br />

Wechsel <strong>de</strong>r Intensität bzw. <strong>de</strong>s Tempos aus. Auch dabei ist bezeichnend,<br />

dass die HF <strong>de</strong>r Leistung ständig (erheblich) hinterherhinkt.<br />

Diagramm 3a-c – HF-Verhalten bei <strong>de</strong>r <br />

Die nächsten drei Diagramme zeigen unterschiedliche, nach <strong>de</strong>r<br />

durchgeführte TE. Die Einheit <strong>de</strong>s ersten Diagramms<br />

(3a) wur<strong>de</strong> im stark hügeligen Gelän<strong>de</strong> durchgeführt, die zweite (3b) auf<br />

flachem Terrain. Bei bei<strong>de</strong>n TE wur<strong>de</strong> das Tempo in relativ kurzen<br />

Abstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlich variiert, wobei ein <strong>de</strong>utlicher Wechsel <strong>de</strong>r Intensität im<br />

ersten Beispiel (3a) primär durch das wellige Streckenprofil bedingt war.<br />

Dieses anspruchsvolle Streckenprofil, mit entsprechend hohen<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen bezüglich Faktor Kraft, machte diese TE auch belasten<strong>de</strong>r<br />

als diese im zweiten Beispiel – obwohl dort (3b) die HF im Mittel und in <strong>de</strong>n<br />

Belastungsspitzen höher war.<br />

Der HF-Verlauf im Diagramm 3a gaukelt auch vor, dass die hochintensiven<br />

Bereiche GA2 und WSA gar nicht angesteuert wur<strong>de</strong>n. Dies war aber <strong>de</strong>r<br />

Fall und entsprechend hohe Laktatwerte wur<strong>de</strong>n auch erreicht. Die kurze<br />

Dauer <strong>de</strong>r Belastungsspitzen war aber zu gering, um <strong>de</strong>r trägen HF zu<br />

ermöglichen entsprechend zu steigen.<br />

- 127 -


Diagramm 3b<br />

Diagramm 3c<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Die TE erscheint laut HF gar nicht als , son<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong><br />

man ohne nähere Informationen schnell als interpretieren. Tatsächlich variierte dabei das Tempo aber<br />

auch ganz erheblich. Dieses HF-Profil ergab sich daraus, dass die einzelnen<br />

Abschnitte, in <strong>de</strong>nen das Tempo variiert wur<strong>de</strong>, recht lang waren, wodurch<br />

die HF nach <strong>de</strong>n intensiven Passagen nicht so <strong>de</strong>utlich sinken konnte.<br />

Weiterhin wur<strong>de</strong> das Tempo dabei auch nicht so massiv reduziert wie in<br />

<strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n Beispielen. Demgemäß konnte keine so schnelle<br />

Erholung stattfin<strong>de</strong>n und die HF lag permanent relativ hoch.<br />

- 128 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Diese Art <strong>de</strong>s HF-Verlaufs im Diagramm 3c lässt sich auch über die<br />

erreichen, mit relativ gleichmäßigem<br />

Tempo. Physiologisch wür<strong>de</strong>n sich bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>nnoch ganz erheblich<br />

unterschei<strong>de</strong>n. Physikalische Leistung, Muskelbeanspruchung,<br />

Stoffwechselvorgänge – und damit auch Belastungsintensität und<br />

Trainingseffekte wären dann unterschiedlich zu bewerten!<br />

Die auftreten<strong>de</strong> Problematik bei HF und Intervall- und Fahrtspielmethodik<br />

und <strong>de</strong>r kaum gegebenen Tauglichkeit <strong>de</strong>r HF zur Steuerung dieser<br />

Metho<strong>de</strong>n sollte anhand <strong>de</strong>r gezeigten Diagramme mehr als <strong>de</strong>utlich sein.<br />

Kontinuierliche Dauermetho<strong>de</strong><br />

Diese klassische Trainingsvariante bietet die prinzipiell beste Möglichkeit,<br />

die HF als Orientierungsgröße zu wählen, hat aber auch ihre Tücken, je<br />

nach <strong>de</strong>m, welche Rahmenbedingungen vorliegen.<br />

Diagramm 4a-b - <br />

Diese Diagramme zeigen TE, bei <strong>de</strong>nen HF sehr aussagefähig ist, da dabei<br />

recht standardisierte Rahmenbedingungen gegeben waren. Bei diesen<br />

bei<strong>de</strong>n Beispielen spiegelte die HF grundsätzlich auch die tatsächliche<br />

Belastungsintensität wi<strong>de</strong>r. 4a war ein 30minütiger, regenerativer<br />

Dauerlauf. Bei 4b wur<strong>de</strong> im extensiven Bereich GA1 absolviert, wobei die<br />

ersten 10 min und die letzten 5 min bewusst langsamer gelaufen wur<strong>de</strong>n.<br />

Diagramm 4a<br />

- 129 -


Diagramm 4b<br />

Diagramm 4c – <br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Trainingswettkampf als : 10 km an <strong>de</strong>r AS (diese liegt<br />

bei 187-190 S/min). Die ersten Kilometer wur<strong>de</strong>n etwas behutsamer<br />

angegangen, dann genau bis zur „Schwelle“ beschleunigt. Auch hier<br />

spiegelt die HF die reale Belastung sehr gut wi<strong>de</strong>r.<br />

Sehr lange Ausdauerbelastungen führen unausweichlich zu einem Anstieg<br />

<strong>de</strong>r HF, welches die nächsten Diagramme anzeigen.<br />

- 130 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Diagramm 4d – HF-Anstieg bei einem Fettstoffwechseltraining<br />

Bei dieser Trainingseinheit han<strong>de</strong>lte es sich um ein Fettstoffwechseltraining<br />

über 3:20 h:m, auf flachem Terrain. Dabei wur<strong>de</strong> ein gleichmäßiges Tempo<br />

gehalten (um die 5:45 min/km). Während die ersten bei<strong>de</strong>n Stun<strong>de</strong>n die<br />

HF recht konstant blieb, stieg diese ab da immer weiter an. Bedingt wur<strong>de</strong><br />

dies durch eine zunehmen<strong>de</strong> Entleerung <strong>de</strong>r Kohlenhydratspeicher und<br />

vermehrter Fettstoffwechseltätigkeit (mit erhöhtem Sauerstoffbedarf).<br />

Weiterhin muss dabei eine Verringerung <strong>de</strong>s Herzschlagvolumens in<br />

Betracht gezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Diagramm 4e – HF-Anstieg bei einem Fettstoffwechseltraining<br />

Auch hierbei han<strong>de</strong>lte es sich um ein Fettstoffwechseltraining, allerdings<br />

über 4 h. Auch hier zeigte die HF nach ca. 2 h zu einem kontinuierlichen<br />

Anstieg, <strong>de</strong>r aber für etwa 1 h unterbrochen wur<strong>de</strong> (im Bereich von 2,5-<br />

3,5 h verläuft die HF-Kurve wie<strong>de</strong>r flach), bis sie weiter anstieg.<br />

Solch ein eher untypischer HF-Verlauf ließe sich damit erklären, dass recht<br />

genau nach 2,5 h Nahrung in Form eines Energiegels zugeführt wur<strong>de</strong> (was<br />

<strong>de</strong>r Autor normalerweise bei einem Fettstoffwechseltraining nicht macht, es<br />

sei <strong>de</strong>nn, es geht dabei über die Dauer von 3,5 h hinaus). Dadurch war die<br />

Notwendigkeit, durch kontinuierlich schwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Glykogenreserven immer<br />

mehr <strong>de</strong>n Fettstoffwechsel einzubeziehen, vorübergehend nicht mehr<br />

gegeben, bis diese zugeführte Energie dann auch verbraucht war. In <strong>de</strong>n<br />

letzten 30 min stieg die HF dann wie<strong>de</strong>r an.<br />

- 131 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Diagramm 4f – HF-Verhalten bei einem Ultralauf<br />

Diagramm 4 zeigt <strong>de</strong>n HF-Verlauf bei einem , welcher<br />

auf einem 2,5 km langen Rundkurs stattfand (die Höhenangabe wur<strong>de</strong><br />

dabei aber unkorrekt angezeigt; die Strecke war nahezu flach). Trotz<br />

nahezu konstantem Lauftempo gab es immer wie<strong>de</strong>r längere Abschnitte,<br />

bei <strong>de</strong>nen die HF im Verlauf <strong>de</strong>utliche Unterschie<strong>de</strong> aufwies. Dies lag unter<br />

an<strong>de</strong>rem auch daran, dass es bedingt durch <strong>de</strong>n Wechsel von Sonnen- und<br />

Regenabschnitten immer wie<strong>de</strong>r zu Temperaturän<strong>de</strong>rungen kam. Auch<br />

solch eine Veranstaltung wird nicht nach HF gelaufen. Um solch eine<br />

Belastung zu überstehen, muss man vor allem ein recht gleichmäßiges<br />

Tempo wählen und Erfahrung und Körpergefühl sind die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Kriterien – nicht die HF.<br />

- 132 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Diagramm 4g – HF-Verhalten bei einem Marathon<br />

Hier <strong>de</strong>r HF-Verlauf bei einem Marathon. Die HF war bedingt durch<br />

Euphorie und Aufregung die ersten 20 min <strong>de</strong>utlich erhöht, sank dann aber<br />

schnell. Nach<strong>de</strong>m sich die HF dann immer wie<strong>de</strong>r über längere Phasen im<br />

Mittel auf konstante Werte einpen<strong>de</strong>lte, zeigt <strong>de</strong>r Verlauf doch ten<strong>de</strong>nziell<br />

einen Anstieg auf – trotz eines relativ gleichmäßigen Tempos um die 5:00<br />

min/km. Anstieg <strong>de</strong>r Körpertemperatur und eine sich än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />

Stoffwechsellage können als Ursache angesehen wer<strong>de</strong>n. Nach ca. 2:45<br />

h:m wur<strong>de</strong> das Tempo erhöht, wodurch <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utliche und sehr schnelle HF-<br />

Anstieg resultierte.<br />

Diagramm 4h – HF-Verhalten bei einem Marathon<br />

Dieses zeigt <strong>de</strong>n gleichen Marathon (zwei Jahre später). Dieser wur<strong>de</strong> bis<br />

etwa 2:30 h:min mit nahezu gleichem Tempo gelaufen wie <strong>de</strong>r bei<br />

Diagramm 4g dargestellte. Die HF zeigte durchgehend erheblich höhere<br />

Werte an – trotz grundsätzlich gleicher Intensität. Der Grund lag auch bei<br />

Herz-Kreislauf-Problemen, welche von Beginn an für eine <strong>de</strong>utlich erhöhte<br />

HF sorgten und sich nach ca. 2,5 Stun<strong>de</strong>n massiv bemerkbar machten. Bis<br />

dahin lag subjektiv noch keine körperliche Einschränkung vor, aber als die<br />

HF dann irgendwann bis auf Werte von über 180 S/min anstieg, gab ein<br />

auftreten<strong>de</strong>s Schwin<strong>de</strong>lgefühl ein Zeichen für eine gesundheitlich<br />

be<strong>de</strong>nkliche Herz-Kreislauf-Belastung. Diese erzwang dann eine<br />

Reduzierung <strong>de</strong>s Tempos und immer wie<strong>de</strong>r Gehpausen (an <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlichen<br />

HF-Peaks nach unten gut zu sehen). Die massiv erhöhten HF-Werte zeigten<br />

aber auch hier nicht die wahre Intensität, <strong>de</strong>nn die Arbeitsmuskulatur<br />

(Beine) waren nicht entsprechend belastet.<br />

- 133 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Im Gegenteil, sie signalisierten, dass sie <strong>de</strong>utlich schneller laufen könnten.<br />

In diesem Fall war die HF aber ein wichtiger Indikator für gesundheitlich<br />

be<strong>de</strong>nkliche Probleme.<br />

Die Ursache <strong>de</strong>r Kreislaufprobleme lag übrigens an einem <strong>de</strong>utlichen<br />

Temperaturwechsel innerhalb von zwei Tagen. Während die bei<strong>de</strong>n Wochen<br />

vor <strong>de</strong>m Marathon eine recht kühle, teilweise schon relativ kalte Witterung<br />

vorlag, stieg am Wochenen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Marathons die Temperatur bis zu 25°C<br />

an. Nicht je<strong>de</strong>r Körper verkraftet dies so einfach. So mussten an diesem<br />

Tag viele Marathonläufer einen entsprechen<strong>de</strong>n Tribut zollen.<br />

Ist <strong>de</strong>r „Kreislauf“ ein Problem?<br />

In Anbetracht <strong>de</strong>ssen, dass bei so mancher intensiven Trainingseinheit<br />

und kürzeren Wettkampfdistanzen problemlos die gleichen o<strong>de</strong>r sogar<br />

noch <strong>de</strong>utlich höhere HF-Werte erreicht wer<strong>de</strong>n, stellt sich die Frage,<br />

warum es bei diesem Marathon gesundheitlich be<strong>de</strong>nklich war. Die<br />

Antwort: Die erhöhte HK-Belastung war nicht das Problem, son<strong>de</strong>rn die<br />

Ursache, welche <strong>de</strong>n Körper zu einer erhöhten KH-Tätigkeit zwang. In<br />

diesem Fall vertrug <strong>de</strong>r Körper diesen Klimaumschwung nicht, er war<br />

überfor<strong>de</strong>rt. Die erhöhte HK-Tätigkeit ist in solch einer (o<strong>de</strong>r<br />

vergleichbaren) Situation nur eine Anpassung an die erhöhten<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Organismus. Eine <strong>de</strong>utlich erhöhte HF darf dabei<br />

nicht isoliert als (gesundheitlich) be<strong>de</strong>nklich betrachtet wer<strong>de</strong>n. Sie<br />

stellt nur eine Reaktion dar – nicht die Ursache.<br />

- 134 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Neben gesundheitlichen Indikationen haben auch psychologische Faktoren<br />

ganz erheblichen Einfluss auf das HF-Verhalten und können eine Intensität<br />

vorgaukeln, welche tatsächlich gar nicht gegeben ist. Das folgen<strong>de</strong> Beispiel<br />

soll dies zeigen.<br />

Diagramm 4i – HF und „Aufregung“<br />

Kleiner Volkslauf, große Wirkung. Obwohl über die Strecke von 10 km ein<br />

Tempo im Bereich KOM gelaufen wur<strong>de</strong>, suggerierte die HF einen<br />

Intensitätsbereich höher (GA1). Eine solche, 10-15 S/min höhere HF liegt<br />

beim Autor im normalerweise im Training nur bei signifikant höherem<br />

Tempo vor. Der Grund war ein psychologisch bedingter „Aufregungsfaktor“,<br />

bei <strong>de</strong>r eher als „Spaß-Lauf“ gedachten Volkslaufveranstaltung. Unter<br />

„euphorielosen“ Trainingsbedingungen wäre die HF <strong>de</strong>utlich niedriger<br />

ausgefallen.<br />

Wäre beim genannten Beispiel tatsächlich eine höhere Belastungsintensität<br />

gegeben, so wäre es <strong>de</strong>m Autor unmöglich dieses Tempo so lange<br />

aufrechtzuerhalten wie im Training bei geringerer HF. Das Gegenteil ist<br />

aber sogar <strong>de</strong>r Fall – durch die höhere Motivation, welche unter<br />

Volkslaufbedingungen vorliegen, kann / könnte eine <strong>de</strong>utlich längere<br />

Strecke zurückgelegt wer<strong>de</strong>n. Umgekehrt be<strong>de</strong>utet dies, dass unter<br />

„normalen“ Trainingsbedingungen bei gleicher HF erheblich schneller eine<br />

Ermüdung auftreten wird, da das Lauftempo – und damit die Intensität –<br />

<strong>de</strong>utlich höher ausfällt. Die HF muss auch hierbei an<strong>de</strong>rs interpretiert<br />

wer<strong>de</strong>n!<br />

- 135 -


.<br />

Harmlose Laufpsychose<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Solche <strong>de</strong>utlich erhöhten HF-Werte bei Volksläufen mit Trainingstempo<br />

(also <strong>de</strong>utlich unter <strong>de</strong>m eigentlichen Leistungsniveau <strong>de</strong>r max.<br />

möglichen Wettkampfbelastung) sind beim Autor quasi Standard und<br />

ver<strong>de</strong>utlichen sehr gut, wie immens groß psychologische Faktoren die<br />

HF beeinflussen können. Es liegt hierbei in gewisser Weise eine<br />

ständige Vorstart-HF vor (Kap. 1.3.5). Der Autor stellt hier übrigens<br />

kein Einzelfall dar, hört man sich in Ausdauersportkreisen um, so wird<br />

man etliche Leute fin<strong>de</strong>n, welche unter solchen Bedingungen eine<br />

<strong>de</strong>utliche HF-Erhöhung aufweisen. Mit zunehmen<strong>de</strong>r Intensität wird <strong>de</strong>r<br />

Einfluss entsprechen<strong>de</strong>r „Störfaktoren“ aber immer geringer. Bei<br />

höherer Intensität, insbeson<strong>de</strong>re dann, wenn sich dann auch die<br />

Ermüdung schneller bemerkbar macht, engt sich das<br />

Wahrnehmungsfeld zunehmend ein und <strong>de</strong>r psychologische Fokus liegt<br />

mehr auf <strong>de</strong>m simplen Vorgang <strong>de</strong>s Vorwärtskommens. Da bleibt nicht<br />

mehr viel Platz für bewusste o<strong>de</strong>r unbewusste Aufregung. Dies erklärt,<br />

warum sich die HF-Überhöhung mit zunehmen<strong>de</strong>r Intensität immer<br />

weniger bemerkbar macht, bzw. ein <strong>de</strong>utlicher Anstieg <strong>de</strong>r<br />

Belastungsstufe nicht im gleichen Maße die HF anhebt.<br />

Eine sich aus HF und unterschiedlichen Lauf-Tempi ergeben<strong>de</strong> HF-<br />

Leistungskurve eines Mehrstufentests wür<strong>de</strong> im „aufgeregten“ Zustand<br />

einen flacheren Verlauf aufweisen als im psychisch „entspannten“<br />

Zustand. Im geringen Intensitätsbereich steigt man quasi mit höheren<br />

HF-Werten ein als üblich. Mit zunehmen<strong>de</strong>r Belastung relativiert sich<br />

dies aber zusehends; <strong>de</strong>r HF-Anstieg bei steigen<strong>de</strong>m Tempo fällt<br />

geringer aus als sonst.<br />

Sehr gelassen o<strong>de</strong>r<br />

aufgedreht…<br />

Fotos: JN<br />

- 136 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Diagramm 4j – Schwere Beine / schlechte Tagesform / zu warme<br />

Bekleidung<br />

An diesem Trainingstag stand ein Lauf mit sehr geringer Intensität auf <strong>de</strong>m<br />

Programm (Tempo ca. 5:50 min/km – theoretisch Bereich KOM). Zwei<br />

beson<strong>de</strong>re Faktoren sorgten hierbei für eine HF, welche im Durchschnitt um<br />

15 S/min höher lag als sonst üblich. Zwei Tage zuvor wur<strong>de</strong> eine recht<br />

intensive Einheit über ca. 11 km im Bereich GA2 absolviert, wodurch die<br />

Beine noch spürbar ermü<strong>de</strong>t waren. Des Weiteren war <strong>de</strong>r Autor etwas zu<br />

warm angezogen. Generell fühlte sich <strong>de</strong>r Autor an diesem Tag nicht so fit.<br />

Ein Teil <strong>de</strong>s HF-Anstiegs resultierte also von einer erhöhten<br />

Thermoregulation und hätte nicht zwangsläufig als höhere Intensität<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n müssen. Trotz <strong>de</strong>s geringen Tempos war aber <strong>de</strong>nnoch<br />

auch eine höhere Belastungsintensität gegeben (höher als üblich). Das<br />

Körpergefühl <strong>de</strong>s Autors signalisierte dies ein<strong>de</strong>utig. Bei dieser TE gab das<br />

Tempo ein falsches Bild wie<strong>de</strong>r. Ins Trainingstagebuch wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r HF<br />

entsprechend eingetragen.<br />

Variable Dauermetho<strong>de</strong><br />

Ein (relativ) systematischer Wechsel <strong>de</strong>r Belastungsintensität kennzeichnet<br />

diese Trainingsmetho<strong>de</strong>. Wobei hier auch ein variieren<strong>de</strong>s Streckenprofil<br />

einen Intensitätswechsel bedingen kann. Die HF <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />

Diagramme repräsentiert wie<strong>de</strong>r sehr gut die vorliegen<strong>de</strong> Belastung.<br />

- 137 -


Diagramm 5a – KOM bis GA1/2<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Im mittleren Teil <strong>de</strong>r TE wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Intensitätsbereich GA1/2 angesteuert.<br />

Hierbei ist nur eine gewisse Trägheit <strong>de</strong>r HF zu beobachten, bevor diese<br />

<strong>de</strong>n Bereich GA1/2 wi<strong>de</strong>rspiegelt. Allerdings wur<strong>de</strong> das Tempo auch nur<br />

langsam gesteigert.<br />

Diagramm 5b – GA1 bis GA2<br />

Durchführung: 5 km GA1; 12km GA1/2; 3km GA2; 2km GA1. Am<br />

stabilsten (bezüglich HF) wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bereich GA1/2 gehalten. Die ersten 5<br />

km wur<strong>de</strong> das Tempo langsam gesteigert; im Bereich GA2 resultierte <strong>de</strong>r<br />

HF-Anstieg aus <strong>de</strong>r Vorermüdung; die HF am En<strong>de</strong> war auch durch<br />

Ermüdung geprägt und <strong>de</strong>shalb erhöht.<br />

- 138 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Diagramm 5c – HF und „Aufregung“ / HF und zunehmen<strong>de</strong><br />

Ermüdung<br />

Hierbei han<strong>de</strong>lte es sich um eine lange TE, welche im Rahmen eines<br />

Volkslaufs absolviert wur<strong>de</strong>. Es wur<strong>de</strong> zuerst an einem 10-km-Lauf<br />

teilgenommen, bei <strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Läuferin begleitet wur<strong>de</strong>, um dann<br />

anschließend an einem Halbmarathon teilzunehmen, sodass ca. 31 km<br />

zusammenkamen. Hier spielte <strong>de</strong>r besagte „Aufregungsfaktor“ eine sehr,<br />

die HF beeinflussen<strong>de</strong> Rolle (siehe Diagramm 4i). So lag das Tempo bei<br />

<strong>de</strong>m 10-km-Lauf nur bei ca. 5:50-5:40 min/km, was im normalen Training<br />

mit einer HF von ca. 145-150 S/min einhergeht (Diagramm 4a gibt dies<br />

genau wi<strong>de</strong>r). Während <strong>de</strong>s Volkslaufes lag die HF aber mit 155-165 S/min<br />

im Mittel etwa 10-15 S/min erheblich über „normal“.<br />

Die erste Hälfte <strong>de</strong>s dann folgen<strong>de</strong>n Halbmarathons wur<strong>de</strong> mit einem<br />

Tempo um die 5:00 min/km gelaufen. Die HF lag hier im Mittel um die 170<br />

S/min und damit etwa 5-10 S/min höher, als üblicherweise im Training.<br />

In <strong>de</strong>r zweiten Hälfte <strong>de</strong>s Halbmarathons lag das Tempo bei ca. 4:50 –<br />

4:40 min/km. Die HF erreichte einen Bereich, <strong>de</strong>r eigentlich an die Zone<br />

<strong>de</strong>r AS heranreicht. Trotz <strong>de</strong>r spürbaren Ermüdung war das AS-Tempo aber<br />

noch längst nicht erreicht, auch wenn dies nach gut 20 km nicht mehr so<br />

hoch gewesen wäre, wie im nicht ermü<strong>de</strong>ten Zustand. Dieser ansteigen<strong>de</strong><br />

Ermüdungsgrad wird hier dann auch größeren Einfluss auf die HF gehabt<br />

haben als <strong>de</strong>r psychologische Faktor.<br />

- 139 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

Die nächsten Beispiele ver<strong>de</strong>utlichen <strong>de</strong>n enormen Einfluss <strong>de</strong>s Faktors<br />

auf HF und Laktat bzw. Max-LaSS (Kap. 2.2.8) und wie<br />

dieser zu einer völligen Fehlinterpretation einer Auswertung führen kann.<br />

Diagramm 5d – HF-Verhalten bei erhöhtem Kraftanteil<br />

Bei dieser TE wur<strong>de</strong>n lange Anstiege einbezogen (3-4km Länge; 5-20 %<br />

Steigung – die schwarze Linie gibt das Höhenprofil wie<strong>de</strong>r). Nimmt man<br />

stur die HF-Werte als Maßstab, um die Höhe <strong>de</strong>r Belastung zu beurteilen,<br />

so ergibt sich hierbei ein völlig falsches Bild. Denn die HF-Kurve zeigt<br />

Werte an, nach<strong>de</strong>m die Intensität <strong>de</strong>utlich unter <strong>de</strong>r AS lag. Tatsächlich<br />

wur<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n langen Anstiegen durchaus die AS erreicht – bedingt durch<br />

die <strong>de</strong>utlich höhere Kraftbelastung fiel hierbei die HF an <strong>de</strong>r AS aber 15-20<br />

S/min niedriger aus! Ohne diese Berücksichtigung könnte man diese TE<br />

bzw. <strong>de</strong>ssen Durchführung schnell völlig an<strong>de</strong>rs bzw. falsch (im Sinne <strong>de</strong>r<br />

Zielsetzung) interpretieren.<br />

- 140 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Diagramm 5e – HF-Verhalten bei erhöhtem Kraftanteil<br />

Hier eine TE, bei <strong>de</strong>r (bedingt durch eine anspruchsvolle Trainingswoche<br />

zuvor) die Beine anfangs noch etwas „schwer“ waren. Dadurch konnte nur<br />

ein geringeres Tempo (als üblich) an <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n Anstiegen gewählt<br />

wer<strong>de</strong>n, um ein Max-LaSS nicht zu überschreiten. Die HF lag hierbei mit 5-<br />

10 S/min signifikant niedriger als sonst. Erst bei <strong>de</strong>r dritten Bewältigung<br />

<strong>de</strong>s Anstiegs lief alles wie<strong>de</strong>r im „normalen“ Rahmen.<br />

D. h.: Dadurch, dass die Beine bei <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n Anstiegen noch nicht<br />

locker waren, viel die HF im Bereich <strong>de</strong>s Max-LaSS dabei sichtbar niedriger<br />

aus, als beim dritten Anstieg – welcher sich (trotz <strong>de</strong>r Vorbelastung) am<br />

einfachsten lief. Das Tempo beim dritten Anstieg war zwar etwas höher –<br />

aber während bei <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n ersten Anstiegen das gleiche Tempo und die<br />

gleiche HF wie beim dritten Anstieg zu einer Überschreitung <strong>de</strong>s Max-LaSS<br />

geführt hätten, war dies beim dritten Anstieg problemlos möglich.<br />

Der Anstieg <strong>de</strong>r HF beim dritten Bergauflaufen lässt sich natürlich auch als<br />

Resultat fortgeschrittener Ermüdung <strong>de</strong>uten. Allerdings ist es in <strong>de</strong>r Regel<br />

beim Autor so, dass ein fortschreiten<strong>de</strong>r Ermüdungsgrad bei einem solchen<br />

Bergtraining eher dazu führt, dass spätere Anstiege mit niedrigerer HF<br />

gelaufen wer<strong>de</strong>n müssen. Die Beinmuskulatur wird dann irgendwann zu<br />

mü<strong>de</strong>, sodass <strong>de</strong>r anfängliche HF-Bereich dann nicht mehr gehalten wer<strong>de</strong>n<br />

kann, ohne zu übersäuern.<br />

Körpergefühl ist hierbei ein ganz entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Faktor!<br />

- 141 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Diagramm 5f – HF-Verhalten bei erhöhtem Kraftanteil<br />

Hier wie<strong>de</strong>rum an<strong>de</strong>re Rahmenbedingungen. Die Anstiege waren Teil einer<br />

Laufveranstaltung über 28 km. Durch <strong>de</strong>n psychologischen Faktor<br />

„Aufregung“ (siehe Diagramm 4i) lag die HF durchgehend (<strong>de</strong>utlich) höher<br />

als unter Trainingsbedingungen üblich. Bei <strong>de</strong>n Anstiegen lag die Max-<br />

LaSS-Grenze bei einer HF von 180 S/min, ein Wert, <strong>de</strong>r im Training dort<br />

niemals gewählt wer<strong>de</strong>n könnte, ohne recht schnell und <strong>de</strong>utlich die<br />

Beinmuskeln zu übersäuern.<br />

Übrigens: Die rote, gestrichelte Linie in <strong>de</strong>n Diagrammen 5d-f markieren<br />

komplett bzw. in Teilstrecken <strong>de</strong>nselben Anstieg, am selben Berg.<br />

Die Diagramme 5d-f zeigen <strong>de</strong>utlich, dass unterschiedliche<br />

Rahmenbedingungen die HF im Bereich eines Max-LaSS erheblich variieren<br />

lässt.<br />

Dadurch ist eine genaue Bestimmung <strong>de</strong>r HF an <strong>de</strong>r AS nicht möglich!<br />

Tests (wie eine Laktatleistungsdiagnostik), welche diese bestimmen wollen,<br />

können sich immer nur auf die Rahmenbedingungen <strong>de</strong>s Tests und <strong>de</strong>n<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r Messung beziehen (Momentaufnahme). Eine einfache<br />

Übertragung auf alle möglichen im Training und Wettkampf vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Rahmenbedingungen ist unmöglich. Lei<strong>de</strong>r wird in <strong>de</strong>r Praxis so gut wie nie<br />

darauf hingewiesen, statt<strong>de</strong>ssen wird <strong>de</strong>r Trainieren<strong>de</strong> meist darauf gepolt<br />

„aerob“ und „anaerob“ über die HF zu beurteilen und kontrollieren.<br />

- 142 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Diagramm 5g – HF-Verhalten bei einem Ultralauf mit ständig<br />

variieren<strong>de</strong>n Bedingungen<br />

Kommentar<br />

Viele Stun<strong>de</strong>n durch ein Mittelgebirge: Kein HF-Messer dieser Welt kann<br />

mir anzeigen, wie gut meine Beine dabei sind, wie schnell ich die<br />

Anstiege hinauf laufen kann, o<strong>de</strong>r wann ich gehen sollte. Kein HF-<br />

Messer kann mir zeigen, ab wann meine Beine schwer wer<strong>de</strong>n und wie<br />

lange ich dann mein Durchschnitts-Tempo halten kann. Solch ein<br />

Messgerät versagt hier völlig. Natürlich wird sich ein <strong>de</strong>utlich zu hohes<br />

durchschnittliches Tempo auch in einer <strong>de</strong>utlich erhöhten HF<br />

wi<strong>de</strong>rspiegeln, aber dafür ist keine HF-Messung notwendig, die<br />

Erfahrung sagt mir, dass ich entsprechend langsam laufen muss.<br />

- 143 -<br />

Foto: JN<br />

Bergauf, bergab. Sonne und Schatten. Immer wie<strong>de</strong>r variieren<strong>de</strong><br />

Bo<strong>de</strong>nbeläge … bei diesem 50-km-Lauf durch <strong>de</strong>n Westerwald lagen<br />

ständig wechseln<strong>de</strong> Rahmenbedingungen vor, sodass die HF als<br />

Orientierungsgröße auch hierbei vollkommen unbrauchbar war. Nur<br />

Körpergefühl und Erfahrung waren hier gefragt.


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

Bei <strong>de</strong>n nächsten Beispielen geht es um<br />

gesundheitliche Faktoren, welche sich im HF-<br />

Verhalten wi<strong>de</strong>rspiegeln.<br />

Diagramm 5h – HF-Verhalten bei<br />

eingeschränktem Befin<strong>de</strong>n<br />

Die TE wur<strong>de</strong> gezielt als in Form extensiver Hügelläufe<br />

durchgeführt. Hierbei wur<strong>de</strong> über einen Berg<br />

abwechselnd auf bei<strong>de</strong>n Seiten auf und ab<br />

gelaufen (eine Seite 800 m, die an<strong>de</strong>re 500m).<br />

Bergauf im Bereich GA1/2, bergab dann mit<br />

<strong>de</strong>utlich geringerer Intensität. Hierbei ist wie<strong>de</strong>r<br />

zu beachten, dass durch die höhere<br />

Kraftbelastung die HF an<strong>de</strong>rs zu interpretieren<br />

ist, sodass die HF-Kurve bergan überwiegend im<br />

grünen GA1-Bereich liegt, aber als Bereich<br />

GA1/2 zu bewerten ist. Die HF zeigt im Mittel<br />

einen nahezu kontinuierlichen Anstieg, was normalerweise so nicht<br />

gegeben ist. Die Tagesform war nicht so gut und es lag ein leichtes<br />

Druckgefühl im Kopf vor, die Atmung von Beginn an leicht beschleunigt.<br />

Nach 12 gelaufenen Anstiegen, als die HF Richtung 180 S/min tendierte,<br />

wur<strong>de</strong> die TE vorzeitig abgebrochen.<br />

- 144 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Diagramm 5i – HF-Verhalten bei gutem Befin<strong>de</strong>n<br />

Zum Vergleich eine Trainingseinheit nach <strong>de</strong>mselben Prinzip, gelaufen am<br />

selben Berg (es wur<strong>de</strong> aber nur die lange Seite gelaufen). Die Tagesform<br />

war normal; die HF blieb im Mittel konstant.<br />

Das nächste Diagramm stellt einen außergewöhnlichen Fall dar, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

Autor noch nie erlebt hatte. Dieser stand vermutlich noch in irgen<strong>de</strong>iner<br />

Weise mit einer gesundheitlichen Einschränkung zusammen, welcher<br />

Wochen zuvor gegeben war und im nächsten Kapitel 2.2.10<br />

( / ) beschrieben wird.<br />

Diagramm 5j – HF-Verhalten – bei seltsamem Schwin<strong>de</strong>l<br />

Genau wie beim Beispiel Diagramm 5c wur<strong>de</strong> hier bei einer<br />

Volkslaufveranstaltung zuerst ein 10-km-Lauf und anschließend ein<br />

Halbmarathon gelaufen. Am Vortag lag beim Autor eine Art leichter<br />

Schin<strong>de</strong>l vor, vergleichbar mit einem leicht alkoholisierten Zustand. Am Tag<br />

<strong>de</strong>r Veranstaltung war dieser noch stärker ausgeprägt. Damit rechnend,<br />

dass die HF erhöht sein wür<strong>de</strong>, beschloss <strong>de</strong>r Autor <strong>de</strong>nnoch erst mal bei<br />

<strong>de</strong>n 10 km zu starten und abzuwarten, wie es ihm dabei erging.<br />

Bei <strong>de</strong>m 10-km-Lauf war die HF auch <strong>de</strong>utlich erhöht und verlief laut<br />

Diagramm immer mehr in Richtung GA1/2, obwohl das Tempo knapp unter<br />

GA1 lag. Bezüglich Atmung und Beingefühl war aber alles in Ordnung.<br />

- 145 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Diesbezüglich konnte die Intensität auch nicht als erhöht angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n. Während <strong>de</strong>s Laufs war <strong>de</strong>r Schwin<strong>de</strong>l vorhan<strong>de</strong>n, aber erträglich<br />

und nicht sehr unangenehm. Störend war nur, dass physisch spürbare<br />

Gefühl, dass irgendwas nicht stimmte mit <strong>de</strong>m Körper. Als <strong>de</strong>r 10-km-Lauf<br />

been<strong>de</strong>t war, war die Frage, wie <strong>de</strong>r Körper in <strong>de</strong>r kurzen Pause bis zum<br />

Halbmarathon reagieren wür<strong>de</strong>. Seltsamerweise war <strong>de</strong>r Schwin<strong>de</strong>l mit<br />

einem Mal weg. Bei Start <strong>de</strong>s Halbmarathons fühlte sich <strong>de</strong>r Autor wie<strong>de</strong>r<br />

völlig normal und auch die HF sank signifikant auf normale Werte. Dabei ist<br />

zu berücksichtigen, dass die ersten 8 km <strong>de</strong>s Halbmarathons mit höherem<br />

Tempo gelaufen wur<strong>de</strong>n, als die <strong>de</strong>s vorherigen 10-km-Laufs! Die<br />

restlichen Kilometer <strong>de</strong>s Halbmarathons wur<strong>de</strong>n dann gezielt im Bereich<br />

GA1/2 (und höher) gelaufen.<br />

10-km-Lauf Erste 8 km HM<br />

Dieses seltsame Geschehen im Körper zeigte auch wie<strong>de</strong>r, dass die HF<br />

nicht so einfach als Maßstab dienen kann, um die Belastung zu beurteilen.<br />

Muskulär bestand zu keinem Zeitpunkt <strong>de</strong>s Schwin<strong>de</strong>ls mit erhöhter HF<br />

eine Einschränkung, welche ein Herabsetzen <strong>de</strong>s Tempos erfor<strong>de</strong>rlich<br />

gemacht hätte. Trotz <strong>de</strong>s höheren Tempos in <strong>de</strong>r ersten Phase <strong>de</strong>s<br />

Halbmarathons stieg die HF nach <strong>de</strong>m vorausgegangenen 10-km-Lauf nicht<br />

an und war in Relation dazu sogar niedriger. Es ließe sich physiologisch<br />

nicht erklären, wie sich dabei die reale Intensität einfach so von jetzt auf<br />

gleich hätte än<strong>de</strong>rn können (Tempoanstieg ohne HF-Anstieg o<strong>de</strong>r Abfallen<br />

<strong>de</strong>r HF bei gleichem Tempo).<br />

Die erhöhte HF war nicht intensitätsbedingt!<br />

- 146 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Die Diagramme auf <strong>de</strong>n<br />

nächsten Seiten zeigen HF-<br />

Kurven, welche nicht vom<br />

Autor stammen, son<strong>de</strong>rn<br />

von Fitnesssportlern. Die<br />

Intensitätsbereiche sind<br />

dabei aber zu ignorieren, da<br />

die Software diesbezüglich<br />

nicht auf die Personen<br />

konfiguriert war.<br />

Foto: Bigid Keil - cyclingstars.<strong>de</strong><br />

Dauermetho<strong>de</strong> bei einem Laufeinsteiger<br />

Diagramm 6 – HF-Anstieg bei einem Laufeinsteiger<br />

Die HF zeigte bei diesem gleichmäßigem Dauerlauf über 45 min (bei<br />

8,5 km/h auf einem Laufband) einen kontinuierlichen Anstieg. Der Proband<br />

begann bis dato erst wenige Wochen zuvor mit einem Lauftraining und hier<br />

das erste Mal über diese Dauer. Er fühlte sich gut dabei, nicht überfor<strong>de</strong>rt.<br />

Dieser Verlauf <strong>de</strong>r HF ist typisch für einen noch relativ untrainierten<br />

Menschen. Entsprechen<strong>de</strong> Vorgänge im Körper haben sich noch nicht<br />

ökonomisiert, <strong>de</strong>r Sauerstoffbedarf steigt permanent an und dadurch<br />

bedingt die HF. Einige Wochen gezieltes Lauftraining und <strong>de</strong>r HF-Verlauf<br />

sieht ganz an<strong>de</strong>rs aus.<br />

- 147 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Unregelmäßigkeiten im Herzrhythmus<br />

Die nächsten Beispiele<br />

befassen sich mit typischen<br />

Messfehlern, die durch<br />

Unregelmäßigkeiten im<br />

Herzrhythmus auftreten<br />

können. Solche Messfehler<br />

können sehr gering<br />

ausfallen, sodass sie kaum<br />

zu erkennen bzw. leicht zu<br />

übersehen sind. Diese<br />

können aber auch sehr<br />

massiv ausfallen.<br />

Diagramm 7a - Artefakte<br />

Foto: Dieter Mo<strong>de</strong>rsitzki – speedteam-freiburg.<strong>de</strong><br />

Bei dieser Person wur<strong>de</strong> ein Mehrstufentest auf einem Ra<strong>de</strong>rgometer<br />

durchgeführt. Bis zur 15. Minute verlief die HF-Leistungskurve nicht<br />

ungewöhnlich. Ab da zeigt diese aber ein unphysiologisches Profil, in Form<br />

von „hochfrequenten Mikro-Schwankungen“ <strong>de</strong>r HF. Die Ursache konnte<br />

nicht geklärt wer<strong>de</strong>n und hatte <strong>de</strong>r Autor bisher auch nie so erlebt.<br />

Scheinbar lag eine Störquelle vor. Erstaunlich ist aber, dass die Messfehler<br />

dann nicht massiver ausgefallen sind.<br />

Messfehler?<br />

- 148 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Diagramm 7b – Falsch eingestellter Herzschrittmacher<br />

Hierbei han<strong>de</strong>lte es sich um einen etwa 45 jährigen Mann, <strong>de</strong>ren<br />

Herzschlag über einen Schrittmacher eingestellt wur<strong>de</strong>. Dieser sollte bis zu<br />

einer HF von 130 S/min die Herzrate regeln, ab da sollte <strong>de</strong>r Sinusknoten<br />

(als natürlicher Taktgeber) seine Aufgabe verrichten. Sein Herzproblem war<br />

kein schwerwiegen<strong>de</strong>s, er war normal belastbar und durfte<br />

uneingeschränkt Sport betreiben. Nun klagte er aber darüber, dass exakt<br />

ab 130 S/min sein Herz spürbar und unangenehm zu „stolpern“ anfing und<br />

dabei auch massive Messfehler bei seinem HF-Messgerät auftraten.<br />

Bei einer ca. 30minütigen extensiven Dauerbelastung auf einem<br />

Fahrra<strong>de</strong>rgometer wur<strong>de</strong> die HF aufgezeichnet („Beat-to-Beat“ – je<strong>de</strong>r<br />

einzelne Schlag). Seine Vermutung wur<strong>de</strong> bestätigt: Solange er unter einer<br />

HF von 130 S/min blieb, war alles in Ordnung. Sobald jedoch diese HF-<br />

Grenze erreicht bzw. überschritten wur<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r Herzschrittmacher<br />

seinen Dienst einstellte, kam es zu <strong>de</strong>utlichen unregelmäßigen im<br />

Herzschlag und die HF-Leistungskurve im Diagramm brach ein und zeigte<br />

falsche Werte an. Zwecks Reproduzierbarkeit wur<strong>de</strong> eine HF von 130 S/min<br />

zweimal angesteuert. Dieses Diagramm nahm <strong>de</strong>r Proband mit zu seinem<br />

Kardiologen. Dort wur<strong>de</strong> nach einem Belastungs-EKG <strong>de</strong>r Schrittmacher<br />

neu eingestellt.<br />

Übrigens hatte erst dieser Test und die aufgezeichnete HF-Kurve das<br />

medizinische Personal davon überzeugt, dass <strong>de</strong>r Herzschrittmacher neu<br />

eingestellt er<strong>de</strong>n musste. Vorherige Hinweise <strong>de</strong>s Mannes, dass mit <strong>de</strong>r<br />

Einstellung etwas nicht stimme, entgegnete man mit „kann nicht ein“.<br />

- 149 -<br />

Massive Messfehler


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Diagramm 7c-d – Zeitweilige Störungen im Herzrhythmus<br />

Diese Frau hatte zeitweise in Ruhe und Belastung hier und da ein heftiges<br />

„Herzstolpern“. Es lag kein krankhafter Befund vor, die Ursache war nicht<br />

genau bekannt, aber es konnte ein Zusammenhang mit Stresssituationen<br />

gesehen wer<strong>de</strong>n. Die bei<strong>de</strong>n nächsten Diagramme zeigen ihr HF-Verhalten<br />

bei einer Ausdauerbelastung in Form eines Laufeinsteiger-Programms,<br />

welches sich durch gezielten Wechsel zwischen Lauf- und Gehpassgen<br />

kennzeichnete.<br />

Im ersten Diagramm ist in <strong>de</strong>m ersten „HF-Hügel“ (Laufabschnitt) eine<br />

<strong>de</strong>utliche Abflachung (Plateaubildung) in <strong>de</strong>r HF-Kurve zu erkennen. Diese<br />

ist unphysiologisch und bedingt durch Messfehler, welche wahrscheinlich<br />

durch besagte Herzrhythmusunregelmäßigkeiten bedingt waren. Subjektiv<br />

hat diese Frau es auch so wahrgenommen. Der weitere Verlauf <strong>de</strong>r HF-<br />

Kurve erscheint normal. Eine weitere TE nach dieser Trainingsmethodik<br />

zeigte ein ähnliches Bild. Wie<strong>de</strong>r verlief die HF beim ersten und zweiten<br />

Laufintervall unphysiologisch, welches sich durch die Senken abzeichnet.<br />

Plateau<br />

Senken<br />

- 150 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Foto: Dieter Mo<strong>de</strong>rsitzki – speedteam-freiburg.<strong>de</strong><br />

Diagramm 7e-f – Seltsame Störungen<br />

Hier wer<strong>de</strong>n die HF-Verläufe zweier Trainingseinheiten dargestellt (welche<br />

diesmal wie<strong>de</strong>r vom Autor stammen). Diese Einheiten wur<strong>de</strong>n mit einem<br />

Tag Pause dazwischen absolviert und bei bei<strong>de</strong>n traten etwa im letzten<br />

Drittel chronische Messfehler auf. Da eine nicht mehr genügend<br />

leistungsfähige Batterie und andauern<strong>de</strong> Störquellen auszuschließen waren,<br />

mussten erst mal Unregelmäßigkeiten im Herzrhythmus in Betracht<br />

gezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Im Diagramm 7e sind die Fehlmessungen sehr massiv – waren jedoch beim<br />

Training selber merkwürdigerweise gar nicht aufgefallen. In Anbetracht<br />

<strong>de</strong>ssen, dass beim Autor quasi ein Automatismus vorliegt, regelmäßig auf<br />

das HF-Messgerät zu schauen, war es erstaunlich, dass dies erst bei <strong>de</strong>r<br />

Auswertung über die Software bemerkt wur<strong>de</strong>. Beim Diagramm 7f, wäre<br />

dies erklärbar, da die Fehlmessungen bei dieser Einheit nur selten und kurz<br />

ausfielen, also im Training leicht übersehbar gewesen wären.<br />

- 151 -


Diagramm 7e<br />

Diagramm 7f<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Da bei nachfolgen<strong>de</strong>n Trainingseinheiten diesbezüglich wie<strong>de</strong>r alles normal<br />

war, hat <strong>de</strong>r Autor eine ärztliche Abklärung nicht als notwendig erachtet<br />

(welche ansonsten <strong>de</strong>finitiv sinnig gewesen wäre!). Eine Fehlfunktion <strong>de</strong>r<br />

Software beim Auslesen <strong>de</strong>r Uhr war auch nicht unwahrscheinlich (wenn<br />

auch ungewöhnlich). So hätte die fehlerhafte Anzeige <strong>de</strong>r HF (Diagramm<br />

7e) im Training unmöglich übersehen wer<strong>de</strong>n können. Weiterhin wur<strong>de</strong> bei<br />

<strong>de</strong>r Einheit im Diagramm 7f eine <strong>de</strong>utlich zu hohe Trainingsdauer<br />

angegeben (etwa 30 Minuten zu viel).<br />

- 152 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Mit ausreichen<strong>de</strong>r Erfahrung lassen sich messfehlerbedingte<br />

Unstimmigkeiten in einer HF-Leistungskurve, wie sie zuvor dargestellt<br />

wur<strong>de</strong>n, relativ leicht erkennen. Manchmal muss aber schon genau<br />

hinschauen, um diese zu bemerken.<br />

Auf <strong>de</strong>n ersten Blick sind im folgen<strong>de</strong>n Diagramm nicht unbedingt<br />

Ungewöhnlichkeiten in <strong>de</strong>r HF-Leistungskurve zu erkennen. Betrachtet man<br />

diese jedoch näher, so sieht man etliche kleine Plateaus, bei <strong>de</strong>nen die HF<br />

scheinbar immer wie<strong>de</strong>r 15-30 Sekun<strong>de</strong>n unverän<strong>de</strong>rt blieb. Sind<br />

technische Probleme auszuschließen, so kann diese fehlerhafte Anzeige ein<br />

Indiz für irgen<strong>de</strong>ine Art von Unregelmäßigkeiten im Herzschlagverhalten<br />

sein und es sollte sicherheitshalber ärztlich abgeklärt wer<strong>de</strong>n, wenn es<br />

chronisch auftritt.<br />

Foto oben und nächste Seite: JN<br />

- 153 -<br />

Dieses Beispiel stammt von einem Radsportler, bei <strong>de</strong>m<br />

tatsächlich gelegentliche (und gesundheitlich<br />

unbe<strong>de</strong>nkliche) Unregelmäßigkeiten im Herzrhythmus<br />

auftraten (ärztlich abgeklärt).<br />

Solche Unregelmäßigkeiten können so gering sein,<br />

dass sie eine HF-Messung zulassen, ohne die HF-<br />

Kurve durch massive Messfehler völlig zu<br />

„zerschießen“ (Diagramm 7e). Oberflächlich<br />

betrachtet ist es eine übliche und normale HF-<br />

Leistungs-Kurve, wie bei je<strong>de</strong>m Menschen, wodurch<br />

solche Messfehler schnell zu übersehen sind.


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Die physiologisch nicht<br />

korrekte Darstellung <strong>de</strong>s HF-<br />

Verhaltens ergibt sich daraus,<br />

weil die HF allenfalls nur<br />

wenige Sekun<strong>de</strong>n völlig<br />

gleichmäßig schlägt, bevor sie<br />

wie<strong>de</strong>r steigt o<strong>de</strong>r sinkt. Selbst<br />

bei noch so gleichmäßiger<br />

Beanspruchung und Atmung<br />

wird diese geringfügig<br />

variieren und wenn auch nur<br />

minimal um +/- 1-2 S/min. Die<br />

Anzahl <strong>de</strong>r im Körper<br />

ablaufen<strong>de</strong>n Funktionen und<br />

Prozesse, welche Sauerstoff<br />

benötigen, sind so zahlreich,<br />

dass <strong>de</strong>r Sauerstoffbedarf<br />

mikrofeinen Schwankungen<br />

unterliegt. Genauso fein reagiert die HF darauf. Deshalb wäre es<br />

unphysiologisch, dass die HF immer wie<strong>de</strong>r länger als etwa 10-20<br />

Sekun<strong>de</strong>n vollkommen konstant ausfällt.<br />

Dass solche Plateaus o<strong>de</strong>r auch typische kurze Peaks in HF-Kurven<br />

<strong>de</strong>nnoch bei je<strong>de</strong>m Menschen vereinzelt zu sichten sind – ohne dass<br />

medizinisch etwas vorliegen muss, ist normal. Harmlose „Störungen“ wie<br />

ein einfacher Huster, ein Räuspern o<strong>de</strong>r eine kurze Unterbrechung <strong>de</strong>s<br />

gleichmäßigen Atemrhythmus, bedingen dies. Dadurch wird kurzzeitig das<br />

Herzschlagverhalten beeinflussen, welches zu <strong>de</strong>r einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Extrasystole o<strong>de</strong>r längerem Abstand zwischen diesen führen kann.<br />

Zu beachten ist bei einer Analyse <strong>de</strong>r HF-Leistungskurve allerdings auch<br />

<strong>de</strong>r zeitliche Abstand zwischen <strong>de</strong>n einzelnen Messpunkten. Ist das<br />

Messgerät so eingestellt, dass es im Anstand von 5-10 Schlägen die HF-<br />

Werte aufzeichnet, kann es standardgemäß zu Plateaubildungen kommen,<br />

wenn zufällig bei je<strong>de</strong>m Messpunkt tatsächlich ein gleicher HF-Wert vorliegt<br />

und geringfügige Schwankungen dazwischen durch <strong>de</strong>n großen<br />

Messabstand nicht erfasst wer<strong>de</strong>n können. Da <strong>de</strong>r Datenspeicher solcher<br />

Geräte aber in <strong>de</strong>r Regel groß genug ist, empfiehlt <strong>de</strong>r Autor eine Messung<br />

im 2-Schläge-Takt. Eine Messung im 1-Schlag-Takt („Beat-to-Beat“) sollte<br />

nur zu medizinischen Zwecken notwendig sein.<br />

- 154 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Unabhängig davon, wo die Ursache möglicher Messfehler liegt, es zeigt<br />

sich, wie dienlich die HF-Messung ist. Sollten bei einem Ausdauersportler<br />

mit einem Mal immer wie<strong>de</strong>r Herzrhythmusstörungen auftreten, so wären<br />

diese ggf. ohne solch ein Gerät nicht zu erkennen. Und diese kann<br />

entsprechen<strong>de</strong> medizinische und gesundheitliche Risiken mit sich bringen.<br />

Die gezeigten Diagramme belegen auch eindrucksvoll, welcher<br />

Interpretierungsspielraum gegeben ist, wenn HF-Leistungskurven mit<br />

Trainingsvorgaben verglichen wer<strong>de</strong>n sollen. Es belegt auch, wie wertvoll<br />

die Möglichkeit einer HF-Aufzeichnung und Auswertung per Software ist. Es<br />

ermöglicht Erkenntnisse, welche flüchtige Blicke auf ein HF-Messgerät<br />

während <strong>de</strong>s Trainings niemals bieten können.<br />

Zur Analyse von<br />

Training und Wettkampf<br />

reicht eine HF-<br />

Leistungskurve alleine<br />

allerdings längst nicht<br />

aus. Diese muss immer<br />

im Zusammenhang mit<br />

an<strong>de</strong>ren Profilen<br />

(Tempo, Streckenprofil,<br />

Wetterverhältnisse<br />

usw.) betrachten<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

„Ist mein Puls so gut?“<br />

Diese Frage wird <strong>de</strong>m Autor regelmäßig gestellt, von Fitnesssportlern,<br />

die auf Kardio-Geräten trainieren. Die Antwort <strong>de</strong>s Autors: „Dies kann<br />

ich Dir nicht sagen. Dies ist zu individuell. Um dies beurteilen zu<br />

können, muss ich individuelle Grenzwerte von Dir kennen.“ Diese<br />

Antwort hinterlässt häufig irritierte Blicke, <strong>de</strong>nn es „muss“ doch<br />

aussagefähige Richtlinien geben, <strong>de</strong>nn irgendwo hatte man doch mal<br />

was gelesen …<br />

- 155 -<br />

Foto: Albrecht, E .Arnold - pixelio.<strong>de</strong>


2.2.10 Fallbeispiele<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Neben <strong>de</strong>n gezeigten HF-Diagrammen wer<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Seiten<br />

weitere Fallbeilspiele beschrieben, welche <strong>de</strong>r Autor erlebt hat. Diese sollen<br />

noch mal darlegen, wie schnell es zu einer falschen Auslegung <strong>de</strong>s HF-<br />

Verhaltens kommen kann, bzw. was für Schwierigkeiten auftreten können.<br />

Die Komplexität <strong>de</strong>r Vorgänge im Körper macht eine Interpretation nicht<br />

immer einfach. Weiterhin sollen auch Situationen aufgezeigt wer<strong>de</strong>n, bei<br />

<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r gebannte Blick auf <strong>de</strong>n HF-Messer fehl am Platz ist.<br />

Eine Weitung <strong>de</strong>s Blickwinkels ist wichtig, wenn <strong>de</strong>r Laie bzw. Trainieren<strong>de</strong><br />

sinnvoll beraten wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Speicher leer<br />

Foto: JN<br />

Eine ca. 30jährige Frau nahm<br />

regelmäßig im Fitnessstudio an einem<br />

teil (für Unwissen<strong>de</strong>:<br />

Radfahren in <strong>de</strong>r Gruppe und mit<br />

Musik). Dieser war ein so genannter<br />

, bei welchen die HF<br />

auf niedrigem Niveau gehalten wer<strong>de</strong>n<br />

sollte. Die HF-Vorgaben lagen bei dieser<br />

Frau bei ca. 130-140 S/min. Das<br />

Problem: Sie war absolut nicht in <strong>de</strong>r<br />

Lage diese HF-Vorgabe einzuhalten. Sie<br />

brauchte nur etwas in die Pedale treten,<br />

und die HF stieg <strong>de</strong>utlich über die<br />

Vorgaben hinaus an – sie fühlte sich<br />

aber keineswegs überfor<strong>de</strong>rt. Da sich die<br />

Auswertung <strong>de</strong>s Testverfahrens, mit<br />

welcher ihre HF-Vorgaben berechnet<br />

wur<strong>de</strong>n, zu 100 % auf Statistik berief,<br />

war meine erste (naheliegen<strong>de</strong>) Vermutung, dass diese Vorgaben einfach<br />

nicht ihren individuellen Werten entsprachen und zu niedrig ausgelegt<br />

wur<strong>de</strong>n. Ein weiterer (anspruchsvollerer) Test, welchen ich dann mit ihr<br />

machte, sollte genauere Informationen liefern.<br />

- 156 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 157 -<br />

Dabei war mir auch bekannt, dass ihre<br />

Dauerleistungsgrenze bei einer HF von ca. 170-175<br />

S/min lag und ihre MHF min<strong>de</strong>stens 190 S/min<br />

betrug. Das Ergebnis war, dass diese zuvor<br />

errechneten HF-Werte keinesfalls zu niedrig waren<br />

und sie diese, auch unter Berücksichtigung ihrer<br />

fortgeschrittenen Ausdauerleistungsfähigkeit (sie<br />

joggte regelmäßig und fuhr viel Fahrrad), eigentlich<br />

problemlos hätte einhalten müssen.<br />

Bei <strong>de</strong>m geringen Wi<strong>de</strong>rstand, welchen sie sich am<br />

Spin-Bike eingestellt hatte, konnte die<br />

Belastungsintensität <strong>de</strong>shalb auch unmöglich zu<br />

hoch sein. Die Ursache für die erhöhte HF musste<br />

also ganz woan<strong>de</strong>rs liegen. Nach<strong>de</strong>m ich mich über<br />

ihre Lebensgewohnheiten informiert hatte, war die<br />

Ursache schnell gefun<strong>de</strong>n. Ihr Ernährungsverhalten war alles an<strong>de</strong>re als<br />

optimal. Ihre Nahrungszufuhr bestand in <strong>de</strong>r Regel nur aus einem<br />

Mittagessen, <strong>de</strong>n restlichen Tag aß sie meisten<br />

nichts. Ihre (Kohlenhydratspeicher waren also<br />

die meiste Zeit stark entleert, zumal zwischen<br />

<strong>de</strong>m Mittagessen und <strong>de</strong>m Spinningkurs<br />

min<strong>de</strong>stens sechs Stun<strong>de</strong>n lagen. Da ihr<br />

Organismus gezwungen war, die benötigte<br />

Energie überwiegend über die Fette zu<br />

beziehen, wofür vermehrt Sauerstoff benötigt<br />

wur<strong>de</strong>, stieg die HF entsprechend an. Die<br />

erhöhte HF war also nur ein Zeichen für eine<br />

erhöhte Fettstoffwechseltätigkeit und leere<br />

Kohlenhydratspeicher, nicht für eine<br />

entsprechend erhöhte Belastungsintensität. Rein<br />

trainingsmethodisch hätte die HF toleriert<br />

wer<strong>de</strong>n können, aber aus <strong>de</strong>m gesundheitlichen<br />

Aspekt war dies (das Ernährungsverhalten)<br />

natürlich nicht als gut zu betrachten. Nach<strong>de</strong>m<br />

die Frau ihre Ernährungsweise entsprechend<br />

geän<strong>de</strong>rt hatte, konnte sie die HF-Vorgaben<br />

problemlos einhalten.<br />

Fotos oben und rechts: JN


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Heilkraut Foto oben: JN / unten: Siegfried Fries - pixelio.<strong>de</strong><br />

Ein beson<strong>de</strong>rer Problemfall: Eine<br />

leistungsorientierte Läuferin war<br />

verunsichert, weil phasenweise<br />

ihre HF-Werte im Training im<br />

Durchschnitt um 10-15 S/min<br />

höher waren als „normal“. Diese<br />

Phasen kamen und gingen<br />

sozusagen von heute auf morgen,<br />

ohne dass man es mit irgen<strong>de</strong>iner<br />

bestimmten Situation in<br />

Verbindung bringen konnte. Ein<br />

ausgiebiges Analysieren ihres Trainingsverhaltens ergab keine<br />

Anhaltspunkte. Es lag in diesen Phasen auch keine vermin<strong>de</strong>rte<br />

Leistungsfähigkeit vor, weshalb man eine zu hohe Trainingsbelastung mit<br />

zu geringer Regeneration ausschließen konnte, was man in einer solchen<br />

Situation als Erstes vermuten wür<strong>de</strong>. Sie fühlte sich in diesen Phasen<br />

physisch und psychisch nicht besser und nicht schlechter als sonst. Die<br />

erhöhte HF wirkte sich nicht negativ auf ihr Leistungsvermögen aus! Der<br />

einzige naheliegen<strong>de</strong> Hinweis lag in ihrer beruflichen Tätigkeit, bei <strong>de</strong>r sie<br />

sehr viel Stress ausgesetzt war, ein Umstand, welcher sich <strong>de</strong>utlich auf das<br />

HF-Verhalten auswirken kann. Merkwürdigerweise gab es aber auch immer<br />

Phasen, wo ihr HF-Verhalten – trotz Stress – völlig normal war. Es hat<br />

lange gedauert, bis die Ursache gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>.<br />

Die Lösung fan<strong>de</strong>n wir in Form kleiner Johanniskraut-Pillen. Diese wur<strong>de</strong>n<br />

normalerweise regelmäßig von <strong>de</strong>r Läuferin eingenommen, da sie eine<br />

vergleichbare Wirkung haben wie<br />

Baldrian (beruhigen<strong>de</strong> Wirkung auf das<br />

vegetative Nervensystem – Kap.<br />

1.3.8). Es gab aber immer mal Phasen,<br />

in <strong>de</strong>nen sie dieses Präparat nicht<br />

einnahm – und genau dann zeigte ihr<br />

gesamtes HF-Verhalten wie<strong>de</strong>r eine<br />

erhöhte Ten<strong>de</strong>nz. Umgekehrt, sobald<br />

sie dieses Präparat wie<strong>de</strong>r regelmäßig<br />

einnahm, zeigte ihr HF-Verhalten<br />

wie<strong>de</strong>r sinken<strong>de</strong> Ten<strong>de</strong>nz.<br />

- 158 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 159 -<br />

Psychische Faktoren haben einen enormen<br />

Einfluss auf das HF-Verhalten. In diesem Beispiel<br />

gab die HF ein völlig falsches Bild <strong>de</strong>r<br />

körperlichen Belastung wie<strong>de</strong>r, bzw. in solch<br />

einer Situation ist es sehr schwer, die<br />

tatsächliche Belastung einzuschätzen und<br />

<strong>de</strong>mentsprechend das Training über die HF zu<br />

steuern. Eine blin<strong>de</strong> Fixierung auf die HF hätte<br />

sie unterschwellig trainieren lassen – <strong>de</strong>utlich<br />

unter ihrem eigentlichen Leistungsniveau. In<br />

solch einem Fall ist auch die physikalische<br />

Leistung (in <strong>de</strong>m Fall die Laufgeschwindigkeit)<br />

und das Körpergefühl <strong>de</strong>s Sportlers ein enorm<br />

wichtiger Parameter.<br />

Foto: JN<br />

Die Kurven einer Frau<br />

Eine Läuferin, welche schon eine Weile nach<br />

meinen Trainingsplänen trainierte, klagte, dass<br />

sie Probleme mit <strong>de</strong>m Tempo-Bereich von ca.<br />

9km/h hatte (ihr Halbmarathon-Tempo). Es viel<br />

ihr irgendwie immer recht schwer. Bis dato<br />

konnte ich ihr nur HF-Vorgaben geben, welche<br />

ich über einen einfachen Mehrstufen-Test<br />

ermittelt hatte – in Wettkämpfen trug sie nie ein HF-Messgerät. Nach<strong>de</strong>m<br />

sie dabei dann doch mal die HF gemessen hatte, wur<strong>de</strong> schnell klar, warum<br />

sie mit <strong>de</strong>n besagten 9 km/h solche Schwierigkeiten hatte: Sie trainierte<br />

praktisch nie in diesem Tempo-Bereich, weil die Trainingsvorgaben dies<br />

nicht ermöglicht haben. Ihr 10-km-Wettkampf-Tempo lag bei ca. 10,5<br />

km/h (HF um. 167 S/min). Das max. Tempo, welches sie über mehrere<br />

Minuten halten konnte, lag bei ca. 11,5 km/h (MHF 176 S/min) und im<br />

Halbmarathon lief sie um 9 km/h (HF um 163 S/min). Vergleicht man nun<br />

die Tempi mit <strong>de</strong>n HF-Werten, so erkennt man schnell, dass im Bereich 9-<br />

11,5 km/h (was für einen Läufer eine hohe Bandbreite darstellt) die HF nur<br />

einen sehr geringen Anstieg aufweist, welches sich dort in einer nur sehr<br />

flachen HF-Leistungskurve abzeichnet. Diese Abflachung ist aber nur<br />

anhand entsprechen<strong>de</strong>r Dauerbelastung ersichtlich – und nur begrenzt in<br />

einem Mehrstufentest zu erkennen (siehe nächstes Diagramm).


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Die bei<strong>de</strong>n roten Linien zeigen die HF-Leistungskurven zweier<br />

Mehrstufentests, welche im Abstand von einem Jahr durchgeführt<br />

wur<strong>de</strong>n. In bei<strong>de</strong>n Fällen sind Abflachungen <strong>de</strong>r HF zu erkennen.<br />

Unter Dauerbelastung zeigt die HF diesbezüglich ein noch<br />

(un)<strong>de</strong>utlicheres Verhalten, sodass die HF bei 9 km/h noch etwas<br />

höher liegt, als <strong>de</strong>r Test es zeigen kann. Dadurch ist es kaum<br />

möglich, die Tempobereiche ab dieser Geschwindigkeit über die HF<br />

zu unterschei<strong>de</strong>n bzw. anzusteuern.<br />

Und genau aus diesem Grund hatte sie praktisch nie das 9-km/h-Tempo<br />

trainieren können, weil ihr GA2/WSA Bereich über Tempovorgaben<br />

gesteuert wur<strong>de</strong> (meist als Intervalltraining um 10 km/h) und <strong>de</strong>r Bereich<br />

GA1/2 über die HF. Dort musste sie dann <strong>de</strong>utlich unter 9 km/h bleiben,<br />

um diese HF-Vorgaben einhalten zu können. Nun zeigte ihr HF-Verhalten<br />

aber, dass spätestens ab einem Tempo von 9 km/h die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Tempobereiche anhand <strong>de</strong>r HF nicht<br />

zu unterschei<strong>de</strong>n bzw. trennen<br />

möglich sind und <strong>de</strong>shalb in diesem<br />

Bereich nur Tempo und Gefühl als<br />

Orientierung sinnvoll ist, um effektiv<br />

trainieren zu können. Ihr ganzes HF-<br />

Verhalten liegt übrigens außerhalb<br />

irgendwelcher Durchschnittswerte.<br />

Foto: JN<br />

- 160 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Im Bezug auf ihre MHF (176 S/min) ist sie ein Niedrigpulser, im Bezug auf<br />

ihre HF bei sehr geringem Lauftempo (6,5-7 km/h – HF ca. 140/145 S/min,<br />

entspricht ca. Aerobe Schwelle, per Spiroergometrie bestätigt) ein<br />

Hochpulser. Ihre ganze Bandbreite effektiver und sinnvoller HF-Werte liegt<br />

dadurch bei gera<strong>de</strong> so im Bereich bei 30-35 S/min. Durch die Abflachung<br />

<strong>de</strong>r HF-Leistungskurve ab spätesten 160 S/min, ist eine sinnvolle HF-<br />

Messung nur bis zum oberen GA1-Bereich möglich. Ein schöne Beispiel<br />

auch, wie problematisch es sein kann, HF-Vorgaben nur dogmatisch nach<br />

irgendwelchen Ausdauertests zu machen, welche keine Dauerleistung<br />

simulieren (können).<br />

Junger Opa<br />

Ein 64jähriger Mann joggte regelmäßig auf <strong>de</strong>m Laufband. Ich fragte ihn,<br />

ob er nicht für einen 10-km-Volkslauf trainieren möchte, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mnächst bei<br />

uns vor Ort stattfin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Er war interessiert und erzählte mir, dass er<br />

eigentlich nie sehr sportlich war und nur etwas lief, weil sein Arzt ihm „ein<br />

Herz und eine Lunge wie ein Pferd“ bescheinigte und ihm verordnete, sein<br />

Herz-Kreislauf-System regelmäßig gut zu for<strong>de</strong>rn. Ich machte ihm einen<br />

kleinen Trainingsplan und fortan nahm er Jahr für Jahr an diesem Volkslauf<br />

teil. Und mit 67 Jahren ist er die 10 km dort immer noch unter 50 min<br />

gelaufen! Ich hatte mit ihm auch eine Leistungsdiagnostik per<br />

Spiroergometrie gemacht. Er hatte eine max. Sauerstoffaufnahmefähigkeit,<br />

welche weit über <strong>de</strong>m Sollwert eines 20jährigen lag. Ich habe ihn auch<br />

entsprechend anspruchsvolle Trainingseinheiten durchführen lassen und ihn<br />

nicht mit Samthandschuhen angefasst. Übrigens wur<strong>de</strong> ich immer wie<strong>de</strong>r<br />

von an<strong>de</strong>ren angesprochen: „Schau mal, nach <strong>de</strong>m älteren Herren da auf<br />

<strong>de</strong>m Laufband. Der<br />

strengt sich doch viel<br />

zu sehr an für sein<br />

Alter.“ Dieses<br />

gedacht als indirekte<br />

Auffor<strong>de</strong>rung, gemäß<br />

meiner Funktion als<br />

Trainer, diesen zu<br />

bremsen.<br />

- 161 -<br />

Foto: JN


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Vorbelastet<br />

Hierbei möchte ich mal meine<br />

Wenigkeit als Beispiel nehmen<br />

und aufzeigen, dass es auch<br />

das Problem einer „zu<br />

niedrigen“ HF geben kann. Zu<br />

Zeiten, an <strong>de</strong>nen ich teilweise<br />

zwei Trainingseinheiten pro<br />

Tag absolvierte (vormittags<br />

und abends), kam es immer<br />

zu einer Merkwürdigkeit <strong>de</strong>s<br />

HF-Verhaltens. Wenn ich<br />

beispielsweise am Vormittag<br />

einen Trainingslauf machte,<br />

mit gleichmäßigem Tempo, so hatte ich dann auch eine entsprechen<strong>de</strong><br />

(relativ) gleichmäßige HF. Lief ich abends die gleiche Strecke noch mal, mit<br />

<strong>de</strong>m gleichen Tempo wie am Vormittag, so war dabei die HF meist 10-15<br />

S/min niedriger – und das, obwohl ich die erste Trainingseinheit noch gut<br />

spürte und meine Beinmuskulatur dadurch nicht so locker und frisch war<br />

wie am Vormittag. Das Merkwürdige daran: Wenn keine Trainingseinheit<br />

am Vormittag gegeben war, dann war meine HF beim Nachmittagstraining<br />

auch im üblichen („höheren“) Bereich.<br />

Hätte ich mich dabei voll auf die HF konzentriert,<br />

so wäre ich am Abend viel schneller laufen, als es<br />

mir mein Trainingsprogramm vorgab. Und hätte<br />

ich am Vormittag eine sehr intensive und harte<br />

Trainingseinheit absolviert und wollte am Abend<br />

nur einen eher regenerativen Lauf, mit geringer<br />

Intensität ausführen, so wäre ich dann viel zu<br />

schnell und mit ganz <strong>de</strong>utlicher Muskelermüdung<br />

gelaufen (was alles an<strong>de</strong>re als regenerativ wäre) –<br />

trotz geringer HF. Ich habe keinerlei Erklärung<br />

dafür (vermutlich war das Herzschlagvolumen aus<br />

irgen<strong>de</strong>inem Grund höher), aber in so einer<br />

Situation war die HF als Anhaltspunkt nicht<br />

brauchbar.<br />

- 162 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Grundlagentraining nicht mehr angesagt<br />

Meine langjährige Laufpartnerin lief bis 2006 noch sehr leistungsorientiert<br />

und nahm an Wettkämpfen teil. Wegen Zeitmangel läuft sie seit <strong>de</strong>m aber<br />

nur noch aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Fitness. Der Umfang ihres Trainings hat sich<br />

<strong>de</strong>utlich reduziert (phasenweise läuft sie nur 1-2x Woche) und die<br />

intensiven Inhalte sind praktisch ganz gestrichen, <strong>de</strong>mgemäß ist ihr<br />

Leistungsniveau auch <strong>de</strong>utlich zurückgegangen. Am Wochenen<strong>de</strong> macht sie<br />

aber noch regelmäßig einen langen Lauf über 1:30 bis 2:00 Stun<strong>de</strong>n.<br />

Hierbei läuft sie nicht sehr viel langsamer als zu ihren besten Zeiten –<br />

obwohl nun ihre HF dabei 10-15 S/min höher ist. Sie läuft nun einen<br />

Intensitätsbereich höher als damals und es entspricht nun nicht mehr<br />

einem extensiven Grundlagentraining (KOM-GA1), son<strong>de</strong>rn geht manchmal<br />

in <strong>de</strong>n mittleren Intensitätsbereich GA1/2 hinein.<br />

- 163 -<br />

Foto: JN<br />

Streng genommen<br />

trainiert sie falsch,<br />

zumal sie auch bei<br />

kürzeren Einheiten nie<br />

langsamer läuft, also<br />

quasi nie im unteren<br />

Belastungsbereich<br />

trainiert, geschweige<br />

<strong>de</strong>nn überhaupt auf eine<br />

bestimmte Aufteilung<br />

<strong>de</strong>r Intensitätsbereiche<br />

achtet. Nun läuft sie<br />

nicht langsamer, da sie dieses Tempo von früher gewohnt ist. Mit einem<br />

Tempo <strong>de</strong>utlich darunter kommt sie nicht zurecht, da sie dann nicht mehr<br />

„rund“ läuft. Dieses Tempo, was früher ihr Min<strong>de</strong>sttempo war, hat sich über<br />

viele Jahre manifestiert, <strong>de</strong>r Bewegungsablauf ist so in Fleisch und Blut<br />

übergegangen, dass eine <strong>de</strong>utliche Reduzierung ihren Rhythmus stört und<br />

auch die Laufökonomie. (Übrigens habe ich auch eine Tempountergrenze,<br />

bei <strong>de</strong>ren Unterschreitung es quasi hakelt und ich schon fast über meine<br />

eigenen Füße stolpere, weil es bewegungstechnisch unökonomisch wird).


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Wenn die Trainingslehre auch was<br />

an<strong>de</strong>res verlangt und so mancher<br />

Experte bei ihrem Laufverhalten die<br />

Nase rümpft, so frage ich: „Wo ist<br />

das Problem?“ Es gibt keins! Sie<br />

fühlt sich wohl dabei, überfor<strong>de</strong>rt<br />

sich nicht, und sie trainiert nicht auf<br />

ein bestimmtes Ziel, welches eine<br />

recht exakte trainingsmethodische<br />

Vorgehensweise erfor<strong>de</strong>rlich macht.<br />

Die etwas höhere Belastung<br />

(gegenüber damals) <strong>de</strong>r langen<br />

Trainingseinheiten bedarf längerer Regenrationszeiten, welche durch die<br />

vielen Ruhetage bei ihr gegeben sind. Und gera<strong>de</strong> weil sie nicht mehr<br />

regelmäßig 3 x/Woche läuft, sie also theoretisch zu viele Ruhetage hat, um<br />

eine ansehnliche Form zu erhalten, verhilft ihr gera<strong>de</strong> dieses „falsche“<br />

Trainingsverhalten dazu, dass sie immer noch eine ansehnliche<br />

Langzeitausdauer hat. Ihre höheren HF-Werte sind auch nicht zwangsläufig<br />

als ausschließliche Erhöhung <strong>de</strong>r Intensität zu bewerten, <strong>de</strong>nn hierbei kann<br />

auch ein verän<strong>de</strong>rtes Verhältnis zwischen HF und Herzschlagvolumen in<br />

Betracht gezogen wer<strong>de</strong>n. Durch ihren Leistungsrückgang wird sich<br />

Letzteres reduziert haben, wodurch im Gegenzug die HF höher ausfallen<br />

muss, ohne dass im gleichen Maße die Intensität steigt. Sie kann sich<br />

übrigens bei <strong>de</strong>n langen Läufen immer noch recht locker unterhalten –<br />

ähnlich wie früher. Auch dies als Beispiel, dass ein sturer Lehrbuch-<br />

Gedanke ggf. obsolet sein kann.<br />

Foto oben:<br />

Robert Köhn -<br />

pixelio.<strong>de</strong><br />

Foto rechts:<br />

P. Kirchhoff -<br />

pixelio.<strong>de</strong><br />

- 164 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Paradoxie Foto: JN<br />

Eine Frau fragte mich mal<br />

verzweifelt um Rat. Diese<br />

Frau joggte seit ca. einem<br />

Jahr regelmäßig 2-3<br />

x/Woche, nur just for fun,<br />

einfach nur, um sich fit zu<br />

halten. Sie lief dabei immer<br />

30-60 min, fühlte sich sehr<br />

wohl dabei, nie überfor<strong>de</strong>rt.<br />

Das Laufen hat ihr eine<br />

Menge Spaß gemacht und<br />

sie konnte dabei gut<br />

abschalten vom Alltag,<br />

weshalb sie eine richtige<br />

Liebe für „ihren“ Sport<br />

entwickelte. Sie lief dabei<br />

immer ohne HF-Messgerät,<br />

weil sie es nicht für nötig<br />

hielt, zumal ihr Arzt ihr eine<br />

sehr gute gesundheitliche<br />

Verfassung bescheinigte. In<br />

einem Fitnessstudio, wo sie<br />

seit kurzem Mitglied war,<br />

wur<strong>de</strong> ihr geraten, nur mit<br />

einem HF-Gerät zu<br />

trainieren. Daraufhin kaufte sie sich solch ein Gerät und stellte fest, dass<br />

ihre Trainingsherzfrequenzen beim Laufen oft im Bereich um die 170 S/min<br />

lagen.<br />

In ihrem Fitnessstudio bescheinigte man ihr, dass diese HF-Werte viel zu<br />

hoch wären und nicht gesund. Die HF-Empfehlungen, welche ihr dort<br />

gegeben wur<strong>de</strong>n, lagen <strong>de</strong>utlich niedriger. Die Frau war nun völlig<br />

verunsichert, da sie ja angeblich bisher völlig falsch trainiert, sich<br />

an<strong>de</strong>rerseits aber nie überfor<strong>de</strong>rt gefühlt hatte und sich ihre Fitness durch<br />

das Laufen <strong>de</strong>utlich verbesserte. Weiterhin war sie völlig frustriert, weil sie<br />

die ihr vorgegebenen HF-Werte unmöglich einhalten konnte – es sei <strong>de</strong>nn<br />

sie wür<strong>de</strong> gehen statt laufen. Der Spaß am Laufen wur<strong>de</strong> ihr (ungewollt<br />

natürlich) völlig genommen.<br />

- 165 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Ich empfahl ihr, sich nicht verunsichern und nicht dogmatisch auf solche<br />

Messwerte fixieren zu lassen, son<strong>de</strong>rn wie<strong>de</strong>r so zu laufen, dass sie sich<br />

wohl dabei fühlt und Spaß daran hat. Die Tatsache, dass sich ihre<br />

körperliche Verfassung durch das Laufen <strong>de</strong>utlich verbessert hat (was auch<br />

medizinisch festgestellt wur<strong>de</strong>), sie nie „fertig“ ist nach <strong>de</strong>m Laufen und sie<br />

sich dabei richtig gut fühlt, führt je<strong>de</strong> Behauptung, sie wür<strong>de</strong> sich dabei<br />

scha<strong>de</strong>n, ad absurdum. Wie die (sicherlich gut gemeinten) HF-<br />

Empfehlungen bei ihr ermittelt wur<strong>de</strong>n, konnte ich nicht in Erfahrung<br />

bringen. Ich habe darauf verzichtet, ihr irgendwelche HF-Empfehlungen zu<br />

geben, da sie gesund war und keine Zielsetzungen hatte, welche eine<br />

beson<strong>de</strong>re trainingsmethodische Vorgehensweise erfor<strong>de</strong>rlich machten.<br />

Kommentar<br />

Wo sind die Schubla<strong>de</strong>n?<br />

Im Bereich <strong>de</strong>s Gesundheitssports und in kommerziellen Fitnesssport-<br />

Einrichtungen orientiert man sich häufig an Statistik-, Durchschnitts-<br />

und Tabellenwerten, wenn es darum geht, die HF zu beurteilen. So wird<br />

auch meist ganz pauschal von (zu) hohen und niedrigen HF-Werten<br />

gesprochen, ohne die individuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen –<br />

o<strong>de</strong>r gar zu kennen. Beson<strong>de</strong>rs wenn es um die Beurteilung <strong>de</strong>r<br />

Leistungsfähigkeit geht, wer<strong>de</strong>n – selbst von kompetenten Medizinern<br />

und Trainern – oft die unsinnigsten und haarsträubendsten<br />

Beurteilungen vorgenommen.<br />

Eine typische statistische und in vielen Köpfen existieren<strong>de</strong><br />

psychologische Schwelle ist etwa eine HF von 170. Werte in o<strong>de</strong>r gar<br />

über diesem Bereich wer<strong>de</strong>n gerne ganz pauschal als „viel zu hoch“,<br />

„schädlich“ usw. abgetan. – und das ohne die Berücksichtigung <strong>de</strong>r<br />

individuellen Gegebenheiten. Beurteilungen wie: „Ihr Puls ist zu hoch“<br />

o<strong>de</strong>r „Bei dieser Belastung sollte <strong>de</strong>r Puls niedriger sein“ o<strong>de</strong>r „Ab so<br />

einem Puls wird es gefährlich“ u. Ä. sind dann typisch, ohne es wirklich<br />

begrün<strong>de</strong>n zu können. Es ist nicht so einfach, diese eingemeißelte<br />

Denkweise aus <strong>de</strong>n Köpfen solcher Leute zu bekommen, die dann<br />

häufig auch gar keine Sachkenntnis haben und gar nicht wissen, was<br />

sie da re<strong>de</strong>n. Was mir da im Laufe <strong>de</strong>r Jahre schon an Behauptungen<br />

entgegnete … Es ist manchmal unerträglich.<br />

- 166 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Körpergefühl vor Lehrbuch<br />

Ein männliches Mitglied bekam von mir (auf Wunsch) ein Trainingsplan mit<br />

HF-Vorgaben, für ein <strong>Ausdauertraining</strong> auf <strong>de</strong>m Ra<strong>de</strong>rgometer. Der Mann<br />

war körperlich gesund, litt aber an zeitweiligen psychologischen Problemen<br />

(Depressionen), welche sich <strong>de</strong>mgemäß auch auf seine physische<br />

Leistungsfähigkeit auswirkten. Nach einigen Wochen sprach er mich an und<br />

gestand mir, dass er sich nicht mehr an die HF-Vorgaben hielt, son<strong>de</strong>rn<br />

sich nur nach seinem Wohlbefin<strong>de</strong>n richtete. An Tagen, wo er sich<br />

psychisch nicht gut fühlte, waren ihm die HF-Vorgaben zu hoch, und er<br />

beanspruchte sich mit niedrigerer HF. An Tagen, wo er in sehr guter<br />

psychischer Verfassung war, fühlte er sich durch die HF-Vorgaben<br />

unterfor<strong>de</strong>rt und er beanspruchte sich höher. Ich sagte ihm, dass dies<br />

vollkommen richtig sei. Ich hätte ihm seine Vorgehensweise niemals<br />

auszure<strong>de</strong>n versucht.<br />

Nichtabnehmen durch Nichtlaufen<br />

- 167 -<br />

Foto: JN<br />

Ein Mann bat mich um Rat, weil er bei <strong>de</strong>m Ziel Gewichtsreduktion anfangs<br />

Erfolg hatte, dann aber nach relativ kurzer Zeit stagnierte. Er ging auf <strong>de</strong>m<br />

Laufband. Ich empfahl ihm, mit <strong>de</strong>m Laufen anzufangen, ggf. mit einem<br />

systematisch aufgebauten Anfängerprogramm. Er schaute mich irritiert an<br />

und sagte: „Dann wer<strong>de</strong> ich aber über meinem optimalen<br />

Fettverbrennungspuls liegen.“ „Vergiss <strong>de</strong>n Unsinn“, sagte ich ihm und<br />

erklärte, dass seine Zielsetzung nicht von speziellen Pulswerten abhängt<br />

und er mit Laufen <strong>de</strong>n Energieverbrauch <strong>de</strong>utlich anheben wür<strong>de</strong>. Er folgte<br />

meinem Rat und nach einer Woche sagte er mir freu<strong>de</strong>strahlend, dass<br />

seine Waage und Bekleidung wie<strong>de</strong>r Fortschritte anzeigt.


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Hohe HF als Mittel gegen zu hohe HF<br />

Ich hatte es mal mit einer Frau zu tun, welche etwas übergewichtig war<br />

und seit ca. einem Jahr regelmäßig 2-3 x/Woche 40-60 min lief. Doch<br />

selbst nach solch einer Zeit hatte sie immer noch das Problem, dass ihre<br />

HF-Werte nicht <strong>de</strong>utlich sanken. Selbst bei langsamstem Lauftempo<br />

beanspruchte sie sich mit einer mittleren bis hohen Intensität (bei einer HF<br />

um 170 S/min), welches auf Dauer schon recht hoch war, allerdings immer<br />

noch unterhalb <strong>de</strong>r AS lag (sonst hätte sie nicht so lange laufen können).<br />

Wirklich überfor<strong>de</strong>rt hatte sie sich nicht, und sie fühlte sich auch nicht<br />

schlecht, aber auch nicht gera<strong>de</strong> entspannt und locker. Dieser Zustand<br />

sollte schon geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Nun hätten ständige Gehpausen zu einem<br />

unterschwelligen Training geführt – und dies wäre für sie auch nicht gera<strong>de</strong><br />

motivierend gewesen, zumal sie nach einem Jahr Lauftraining alles an<strong>de</strong>re<br />

als untrainiert war.<br />

Sie bekam dann von mir einen<br />

Trainingsplan erstellt, bei<br />

welchem sie 1 x/Woche 30min ihr<br />

Tempo durchlaufen konnte. Für<br />

eine Verbesserung <strong>de</strong>r<br />

Grundlagenausdauer bzw.<br />

Langzeitausdauer habe ich eine<br />

Trainingseinheit pro Woche<br />

stufenweise auf 90 min erhöht –<br />

aber sie sollte dabei alle 5min<br />

eine Gehpause von 1-2 min<br />

einlegen, damit die HF immer<br />

wie<strong>de</strong>r sinken konnte. Um eine <strong>de</strong>utliche Reduzierung <strong>de</strong>r HF zu erreichen,<br />

musste auch die generelle Ausdauerleistung einen <strong>de</strong>utlichen Schub<br />

bekommen. Erreicht wer<strong>de</strong>n sollte dies durch ein intensives Intervall-<br />

Training, welches in einem relativ hochintensiven Bereich gehen sollte. Da<br />

sie halt nicht die perfekte Läufer-Figur hatte, welches orthopädisch nicht<br />

unproblematisch gewesen wäre, habe ich sie das Intervall-Training an<br />

einen ca. 200m langen Anstieg machen lassen, welches trotz höherer<br />

Belastungsintensität nur ein geringes Tempo zuließ. Zuerst sollte sie die<br />

Anzahl <strong>de</strong>r Intervalle von 3 auf bis zu 6 erhöhen, dann wie<strong>de</strong>r mit 3<br />

Intervallen anfangen, aber dabei die Intervalllänge um 100 m verlängert.<br />

Nach ca. 6 Wochen hatten sich ihre HF-Werte um ca. 10 s/min gesenkt.<br />

Foto Mitte: JN<br />

- 168 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 169 -<br />

Foto links und unten: JN<br />

Diese Freizeitläuferin<br />

hatte in 6 Wochen etwas<br />

erreicht, was zuvor in<br />

Jahren nicht möglich<br />

war. Eine typische<br />

Vorgehensweise eines so<br />

manchen „Fitness-<br />

Fachmanns“ wäre<br />

gewesen, ihre zu hohen Pulswerte dadurch zu vermei<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m sie zum<br />

Walken verurteilt wor<strong>de</strong>n wäre. Dann hätte sie zwar brav im „gesun<strong>de</strong>n<br />

Bereich“ trainiert - aber ihre Zielsetzung weit verfehlt. Im Gegenteil, ihre<br />

Leistungsfähigkeit hätte sich verschlechtert, <strong>de</strong>nn egal wie „falsch“ sie bis<br />

dato auch trainiert hatte, sie war dadurch in <strong>de</strong>r Lage, eine Stun<strong>de</strong> ohne<br />

Pause zu laufen und diese Fähigkeit wäre durch reines Gehtraining verloren<br />

gegangen.<br />

Blin<strong>de</strong>r Arzt<br />

Eine Frau mit Bluthochdruck wur<strong>de</strong> von<br />

ihrem behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Arzt einer<br />

spiroergometrischen Untersuchung<br />

unterzogen. Nebenbei hat er ihr auch<br />

HF-Empfehlungen für ein<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> gegeben (aus <strong>de</strong>m<br />

Test ermittelt). Mit diesen Vorgaben<br />

kam sie allerdings überhaupt nicht klar.<br />

Als sie mir die Auswertung zeigte, wäre<br />

ich bald vom Stuhl gefallen. Dem Arzt<br />

war wohl nicht bekannt, dass die Anaerobe Schwelle bei <strong>de</strong>r<br />

Spiroergometrie nicht <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r Laktatleistungsdiagnostik entspricht und<br />

<strong>de</strong>mgemäß nicht gleichzusetzen ist mit einem max. Laktat-Steady-State.<br />

So hat er dann die eigentliche Aerobe Schwelle als Grenzbereich<br />

genommen für GA2 / WSA (<strong>de</strong>r ja <strong>de</strong>utlich höher liegt). Hinzu kam noch<br />

<strong>de</strong>r dicke Fauxpas, dass bei dieser Frau während <strong>de</strong>s ganzen Tests massive<br />

Messfehler bei <strong>de</strong>r HF-Messung auftraten, sodass ihre HF-Leistungskurve<br />

ständig extreme Auslenkungen zeigte, <strong>de</strong>r Arzt dies aber nicht beachtete.<br />

Und ausgerechnet bei <strong>de</strong>r (spiroergometrischen) Anaeroben Schwelle<br />

zeigte die HF-Kurve einen (fehlerhaften) extremen Peak nach unten.


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Foto: JN<br />

Mir ist völlig unverständlich, dass <strong>de</strong>m<br />

Arzt dies nicht aufgefallen ist. Laut<br />

Ergebnis war sie dann bei einer HF von<br />

ca. 93-103 im Intensitätsbereich WSA,<br />

welche sie dann schon bei<br />

Spazierengehen erreicht hätte. Ihre<br />

max. erreichte HF lag übrigens mit<br />

157 S/min extrem weit über <strong>de</strong>m<br />

prognostizierten Grenzbereich zu WSA.<br />

Ein völliges Unding - solche miesen<br />

Werte hat selbst <strong>de</strong>r untrainierteste<br />

Mensch nicht! Ach ja, ihre<br />

Grundlagenausdauer hätte sie bei<br />

einer HF von 72-82 S/min trainieren<br />

müssen - als quasi beim<br />

bewegungslosen Sitzen. Mir fehlten<br />

kurzzeitig die Worte. Gemäß <strong>de</strong>r wenigen Messdaten, welche die Frau in<br />

ihren Unterlagen mitbekam, habe ich so gut wie es überhaupt ging die HF-<br />

Vorgaben korrigiert.<br />

Dieser Arzt mag ein guter Mediziner sein – aber <strong>Ausdauertraining</strong> ist für ihn<br />

ein<strong>de</strong>utig eine völlig frem<strong>de</strong> Welt. Er überließ die Auswertung blind alleine<br />

<strong>de</strong>r Software, ohne ansatzweise darüber nachzu<strong>de</strong>nken, was da für ein<br />

unbrauchbarer Nonsens auf <strong>de</strong>m Ausdruck stand. Ich habe mit <strong>de</strong>n Jahren<br />

meiner beruflichen Tätigkeit und als Ausdauersportler so einiges erlebt,<br />

aber dies war so ziemlich das Heftigste.<br />

Die HF als Bremse<br />

Eine etwa 40jährige Freizeitläuferin wollte das erste Mal für einen Marathon<br />

trainieren, und bekam von mir einen Trainingsplan. Als die ersten etwas<br />

intensiveren Trainingseinheiten auf <strong>de</strong>m Programm stan<strong>de</strong>n, hatte sie ein<br />

ernsthaftes psychologisches Problem damit, eine HF von 150 S/min zu<br />

überschreiten. Irgen<strong>de</strong>ine , irgendwo<br />

aufgeschnappt, schwirrte ihr im Kopf herum. Höhere HF-Werte<br />

suggerierten ihr ständig eine kritische Belastung.<br />

Es dauerte eine Weile, bis diese Sperre im Kopf verschwand.<br />

- 170 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Ein etwa 45jähriger<br />

Freizeitläufer trainierte<br />

das erste Mal für einen<br />

Marathon. Bis dato war er<br />

schon gewohnt<br />

regelmäßig Läufe von 2,5<br />

Stun<strong>de</strong>n zu absolvieren,<br />

allerdings war danach<br />

immer „völlig platt“. Es<br />

stellte sich heraus, dass<br />

er bei diesen Läufen<br />

chronisch zu schnell lief,<br />

seine Kohlenhydratspeicher schnell entleerte und <strong>de</strong>n Fettstoffwechsel nicht<br />

trainierte (die Spiroergometrie-Leistungsdiagnostik, welche ich mit ihm<br />

durchführte, bescheinigte ihm einen sehr schlechten Fettstoffwechsel). So<br />

könne er <strong>de</strong>n Marathon niemals bewältigen, sagte ich ihm. Ich gab ihm für<br />

seine langen Läufe eine strickte HF-Obergrenze, welche er die ersten 1,5<br />

Stun<strong>de</strong>n, ein paar Wochen später 2 Stun<strong>de</strong>n nicht überschreiten sollte. Er<br />

hielt sich brav daran; sein Fettstoffwechsel verbesserte sich <strong>de</strong>utlich.<br />

Bei<strong>de</strong> haben übrigens ihren Marathon erfolgreich absolviert.<br />

Externe Ansicht<br />

In irgen<strong>de</strong>inem <strong>de</strong>r großen Privat-TV-Sen<strong>de</strong>r: ein kleiner Bericht über<br />

Fitnesstraining und „Abnehmen“. Ein „Klischee-Fitnesstrainer“ (Muskelshirt<br />

und Sonnenbrille auf <strong>de</strong>m Kopf steckend) führt Mutter und Tochter zu ihren<br />

erstem <strong>Ausdauertraining</strong> im Kardiobereich <strong>de</strong>r Fitnessanlage. Trainer vor<br />

<strong>de</strong>r Kamera: „Bei einem Puls von ca. 120 S/min wird am meisten Fett<br />

verbrannt.“ Nun wer<strong>de</strong>n diverse Kardiogeräte abgeklappert. Crosstrainer,<br />

Stepper, Laufband – eine HF in diesem Bereich kann aber nicht eingehalten<br />

wer<strong>de</strong>n, selbst bei niedrigster Belastungsstufe ist diese „zu hoch“. Mit <strong>de</strong>m<br />

Fahrra<strong>de</strong>rgometer wur<strong>de</strong> dann das „richtige“ Gerät gefun<strong>de</strong>n. Langsam vor<br />

sich hin tretend, grinsten die bei<strong>de</strong>n Frauen in die Kamera. Dieser<br />

„Kompetenz-Clip“, <strong>de</strong>ren Aussage vom Laien natürlich schnell geglaubt<br />

wird, entbehrt jeglichem Sachverstand und soll hier nur mit<br />

„haarsträubend“ kommentiert wer<strong>de</strong>n.<br />

- 171 -


Kurbelkrise<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Ein Radsportler bat mich um Rat. Er trainierte nach Vorgaben eines<br />

Radsportmagazins und versuchte, die ihm gegebenen HF-Vorgaben brav<br />

einzuhalten. Bei längeren Trainingseinheiten (, GA1-Training mit geringer Intensität), welche er im leicht<br />

bergigen Terrain absolvierte, bekam er chronisch Probleme diese „locker“<br />

durchzuziehen, obwohl die vorgegebene Intensität sehr gering war. Nicht<br />

dass er die HF-Vorgaben nicht einhalten konnte, dies war nicht die<br />

Schwierigkeit. Sein Problem war die muskuläre Belastung seiner Beine,<br />

diese suggerierten ihm, dass die Belastung nicht so gering war wie<br />

vorgesehen. Ich machte ihm darauf aufmerksam, dass die Ursache <strong>de</strong>s<br />

Problems in einer zu starken Fixierung auf die HF lag. Er dürfe an stärkeren<br />

Anstiegen nicht die gleichen HF-Werte als Maßstab nehmen wie auf flachem<br />

Gebiet, da die erhöhte Kraftbelastung die Muskulatur schneller ermü<strong>de</strong>n<br />

lässt und dabei trotz nicht ansteigen<strong>de</strong>r HF eine höhere Belastung bzw.<br />

Intensität gegeben ist.<br />

Foto: querschnitt - pixelio.<strong>de</strong><br />

- 172 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Ich empfahl ihm, versuchsweise an solchen Anstiegen die HF pauschal um<br />

10 S/min geringer zu wählen und dann zu schauen, wie er damit<br />

klarkommt. Er sollte auch lernen, so sagte ich ihm, ein Gefühl dafür zu<br />

entwickeln, die Lage auch ohne HF einschätzen zu können. Er solle dabei<br />

ein vergleichbares Gefühl in <strong>de</strong>n Beinen haben wie auf flachem Terrain und<br />

schauen, wie sich dann die HF verhält. Er folgte diesem Rat und kam ab da<br />

viel besser im Training zurecht.<br />

Über Falschsager<br />

- 173 -<br />

Foto: JN<br />

Ich lief im Fitnessstudio auf einem Laufband,<br />

als sich auf <strong>de</strong>m Nachbarlaufband ein (bis<br />

dato mir frem<strong>de</strong>r) etwas älterer Herr mit<br />

sichtbarem Bauchansatz zu mir gesellte. Er<br />

äugte ständig rüber, bis er irgendwann sagte:<br />

„Du trainierst falsch, Dein Puls ist viel zu<br />

hoch.“<br />

Grinsend und dummstellend fragte ich:<br />

„Warum?“<br />

Darauf erfolgte ein gefühlter fünfminütiger Monolog, <strong>de</strong>r (recht antiquiert<br />

anmutend) „richtiges“ Laufen und „richtigen“ Puls erklären wollte und mit<br />

<strong>de</strong>m Spruch en<strong>de</strong>te: „Ich bin übrigens Übungsleiter.“ Ich entgegnete<br />

höflich, dass es kein pauschal „richtig“ o<strong>de</strong>r „falsch“ gäbe, son<strong>de</strong>rn dass<br />

man immer beurteilen müsse, mit wem man es zu tun hat, was das Ziel ist<br />

und was für individuelle Rahmenbedingungen vorliegen. Informationen,<br />

welche ihm fehlten, und ohne dieser er ohne wil<strong>de</strong> Spekulation gar nicht<br />

urteilen könne. Dies sollte er als Übungsleiter eigentlich wissen. Er war<br />

leicht pikiert; weitere Kommentare habe ich mir verkniffen.<br />

Der Übungsleiter entpuppte sich übrigens als Schulsportlehrer, <strong>de</strong>r nie<br />

ernsthaft Ausdauersport betrieben hatte. Seine Intention war ja positiv,<br />

aber man kann schon etwas emotional wer<strong>de</strong>n, wenn Pauschaläußerungen<br />

von jeman<strong>de</strong>m kommen, welcher eigentlich gar nicht weiß, wovon er da<br />

re<strong>de</strong>t. Den dümmsten Fehler, <strong>de</strong>n man als Trainer (o. ä.) machen kann, ist,<br />

einem Sportler zu sagen, er trainiere falsch, ohne ausreichen<strong>de</strong><br />

Informationen über diesen zu haben.


Scheuklappen<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Eine Breitensportläuferin nahm an einem „Abnehmkurs“ teil. Dieser<br />

bestand aus einer Mischung zwischen Kraft- und <strong>Ausdauertraining</strong> (auf <strong>de</strong>m<br />

Ergometer), meist durchgeführt als Zirkeltraining. Hierfür wur<strong>de</strong>n ihr HF-<br />

Vorgaben gegeben, ermittelt durch ein Testverfahren, welches zwar<br />

wissenschaftlich gestützt, aber nichts<strong>de</strong>stotrotz ein rein auf Statistik<br />

wurzeln<strong>de</strong>s Verfahren darstellt (für Insi<strong>de</strong>r: ). Diese<br />

HF sollte sie während <strong>de</strong>s ganzen Trainings halten. Diese Frau passte lei<strong>de</strong>r<br />

nicht in das statistische Raster <strong>de</strong>s Testverfahrens, sodass sie damit völlig<br />

überfor<strong>de</strong>rt war, sie ging sprichwörtlich auf <strong>de</strong>m Zahnfleisch, als die<br />

Trainingseinheit been<strong>de</strong>t war. Sie wies <strong>de</strong>n Trainer mehrmals darauf hin –<br />

doch dieser bestand auf die Einhaltung <strong>de</strong>r HF-Vorgaben, schließlich war<br />

das Testverfahren ja wissenschaftlich anerkannt und er ein Verfechter<br />

eines solchen. Die Frau mel<strong>de</strong>te sich daraufhin krank, sie konnte einfach<br />

nicht mehr und war fix und fertig. Sie traute sich <strong>de</strong>m Trainer aber nicht zu<br />

sagen, was <strong>de</strong>r wirkliche Grund ihrer Trainingspause war.<br />

Der Trainer, alles an<strong>de</strong>re als inkompetent, war kein Ausdauersportler.<br />

Dennoch hätte er erkennen müssen, dass da was nicht stimmt. Doch ein<br />

blin<strong>de</strong>s Starren auf eine Computerauswertung hatte ihn wohl geblen<strong>de</strong>t.<br />

Foto: Dieter Mo<strong>de</strong>rsitzki – speedteam-freiburg.<strong>de</strong><br />

- 174 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Übertragungsfehler Foto: Robyn Golding – iStockfoto.com<br />

Mutter und Tochter machten gemeinsam ein<br />

Fitnesstraining, unter an<strong>de</strong>rem wollten sie auch<br />

etwas laufen. Der Hausarzt ihres Vertrauens (ich<br />

kannte ihn – ein sehr guter Arzt, aber von<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> verstand er nichts) arbeitete<br />

nebenbei auch mit Laktatmessung. Dieser Arzt<br />

wur<strong>de</strong> zurate gezogen zwecks Pulsvorgaben. Er<br />

führte mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n einen Laktattest auf <strong>de</strong>m<br />

Ra<strong>de</strong>rgometer durch. Ich hatte keine Ahnung,<br />

warum, aber dieser Arzt war tatsächlich <strong>de</strong>r<br />

Meinung, man könne die HF- und Laktatwerte und<br />

damit auch die AS 1:1 auf alle Ausdauersportarten<br />

übertragen, so auch auf das Laufen. Demgemäß<br />

haben die bei<strong>de</strong>n Frauen HF-Werte bekommen,<br />

welche für ein Lauftraining vollkommen ungeeignet waren. Diese bei<strong>de</strong>n<br />

aber davon zu überzeugen, dass dies so nicht funktioniere, war nahezu<br />

unmöglich, <strong>de</strong>nn ich war nur ein unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Trainer und ihr Arzt ein<br />

Gott in Weiß (überspitzte Darstellung, es soll <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n keine Böswilligkeit<br />

unterstellt wer<strong>de</strong>n). Sie waren sehr irritiert, als ich ihnen sagen musste,<br />

dass ich so, anhand dieser Werte, lei<strong>de</strong>r nicht in <strong>de</strong>r Lage wäre, ihnen<br />

effektive Trainingsvorgaben geben zu können und dies entsprechend<br />

verweigerte.<br />

In Ausdauersportkreisen ist<br />

das Problem bezüglich<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> und nicht<br />

kompetenten Medizinern ein<br />

altbekanntes. Lei<strong>de</strong>r ist es in<br />

<strong>de</strong>r Regel (nicht immer!)<br />

unmöglich mit solchen Ärzten<br />

über sportspezifische Themen<br />

zu diskutieren, da sie sich auf<br />

<strong>de</strong>n Schlips getreten fühlen,<br />

wenn man ihre<br />

Vorgehensweise hinterfragt.<br />

Schließlich sind sie ja langjährig studierte Mediziner und ein Trainer ein<br />

Niemand.<br />

Foto: brutel - pixelio.<strong>de</strong><br />

- 175 -


Über Karies und zu viele Zähne<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

En<strong>de</strong> Oktober 2010, eine völlig neue Erfahrung musste ich machen, wie ein<br />

scheinbar kleines Problem massiv mein HF-Verhalten<br />

durcheinan<strong>de</strong>rbrachte. Ich startete mit guter Form beim <br />

(ein Ultralauf über 63 km durch ein Mittelgebirge). Nach <strong>de</strong>m die ersten<br />

10 km alles normal erschien, bemerkte ich zunehmend, dass etwas nicht<br />

stimmte. Meine durchschnittliche HF tendierte immer mehr zu „höher als<br />

normal“ und ich hatte einen leichten Schwin<strong>de</strong>l, <strong>de</strong>r sich insbeson<strong>de</strong>re<br />

während <strong>de</strong>r Trinkpausen zeigte. Es war kein Drehschwin<strong>de</strong>l, aber ich<br />

fühlte mich wie leicht betrunken. Nach <strong>de</strong>m ersten Drittel <strong>de</strong>r Distanz war<br />

die HF ein<strong>de</strong>utig zu hoch und mir war klar, dass es gesundheitlich nicht<br />

angebracht wäre, die volle Distanz zu laufen. Zu diesem Zeitpunkt bin ich<br />

aber noch von <strong>de</strong>r Marathondistanz ausgegangen, welche ich erreichen<br />

wür<strong>de</strong>.<br />

Foto: Dieter Mo<strong>de</strong>rsitzki –<br />

speedteam-freiburg.<strong>de</strong><br />

Bei <strong>de</strong>r nächsten<br />

Verpflegungsstation war<br />

das Schwin<strong>de</strong>lgefühl aber<br />

so heftig und kaum<br />

möglich im Stehen die HF<br />

auf unter 150 S/min zu<br />

bekommen, sodass ich die<br />

Startnummer abnahm und<br />

schweren Herzens nach <strong>de</strong>r Hälfte <strong>de</strong>r Distanz <strong>de</strong>n Lauf abbrach. Die<br />

Ursache schien schnell gefun<strong>de</strong>n zu sein: Tage zuvor hatte ich mal heftige<br />

Zahnschmerzen. Diese traten einen Tag nach <strong>de</strong>r Laufveranstaltung wie<strong>de</strong>r<br />

auf. Demgemäß ging ich von einer Entzündung als Ursache für die<br />

Probleme beim Laufen aus, was naheliegend war. Bei <strong>de</strong>r zahnärztlichen<br />

Untersuchung stellte sich heraus, dass eine versteckte, nur auf einem<br />

Röntgenbild erkennbare, Karies vorlag. Weiterhin mussten auch noch die<br />

Wurzelreste zweier weiterer Zähne entfernt wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Schwin<strong>de</strong>lgefühl war inzwischen (die Woche darauf) chronisch<br />

vorhan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Intensität schwankte ständig. Dazu kam noch ein<br />

<strong>de</strong>utliches, sehr unangenehmes Druckgefühl im Kopf und Brustkorb,<br />

begleitet von starker innerer Unruhe.<br />

- 176 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Letzteres war am Wochenen<strong>de</strong> darauf so stark und unangenehm, dass ich<br />

<strong>de</strong>n notärztlichen Dienst <strong>de</strong>s Krankenhauses aufsuchte, da ich von massiv<br />

erhöhtem Blutdruck ausging. Diesen hatte ich zuvor gemessen, und er<br />

zeigte Werte jenseits von Gut und Böse an (allerdings mit einem<br />

ungenauen Handgelenkgerät, welche völlig falsche Werte anzeigte, wie sich<br />

später bestätigte). Im Krankenhaus wur<strong>de</strong>n völlig normale Blutdruckwerte<br />

gemessen, aber ein kleines EKG zeigte Abweichungen an. Mit <strong>de</strong>m<br />

Verdacht auf Herzmuskelentzündung (!) bin ich dann an die innere<br />

Abteilung verwiesen wor<strong>de</strong>n. Weitere Untersuchungen gaben keine<br />

Hinweise auf eine Vorstufe zum Herzinfarkt und auch nicht auf eine<br />

Herzmuskelentzündung. Erleichtert nach <strong>de</strong>m Schock (es könnte etwas<br />

Gravieren<strong>de</strong>s am Herzen vorliegen), aber immer noch verunsichert, ging<br />

ich nach Hause.<br />

Da mit meinem Herz alles in Ordnung zu sein schien, trainierte ich vorerst<br />

weiter, aber nur im untersten Intensitätsbereich. Wenn auch <strong>de</strong>r Schwin<strong>de</strong>l<br />

beim Laufen erträglich war, so war das Problem <strong>de</strong>r stark erhöhten HF<br />

immer noch vorhan<strong>de</strong>n. Auch wenn die Leistungsfähigkeit meiner<br />

Beinmuskulatur nicht im Geringsten beeinträchtigt war, so lag die HF<br />

chronisch 15 S/min höher als sonst (bei dieser Laufgeschwindigkeit).<br />

- 177 -<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Foto: JN<br />

Und sobald sie länger bei<br />

170 S/min (und höher)<br />

lag, litt mein<br />

Wohlbefin<strong>de</strong>n erheblich<br />

und mein Körper<br />

suggerierte mir<br />

ein<strong>de</strong>utig: „Genug jetzt.“<br />

Diese gesundheitliche<br />

Beeinträchtigung zog sich<br />

über mehrere Wochen hin und belastete mich auch massiv im Alltag. Nicht<br />

allzu lange Läufe mit geringem Tempo empfand ich aber als wohltuend.<br />

Der behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Zahnarzt sah keinen Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n<br />

Zahnproblemen und <strong>de</strong>r Kreislaufgeschichte, da kein massiver<br />

Entzündungsherd erkennbar war. Weitere medizinische Untersuchung<br />

(Ultraschall, Belastungs-EKG und Blutuntersuchung) zeigten perfekte<br />

Herzfunktionen und völlig normale Schilddrüsenwerte. Eine sehr kuriose<br />

Situation. Der nächste Schritt wäre gewesen, einen Orthopä<strong>de</strong>n<br />

aufzusuchen, um meine Wirbelsäule (HWS-BWS) untersuchen zu lassen.<br />

Die Wen<strong>de</strong> kam aber sehr schnell, als ich die letzte Zahnbehandlung hinter<br />

mir hatte (die Wurzel eines Weisheitszahns wur<strong>de</strong> gezogen). Noch am<br />

selben Tag fühlte ich mich, als hätte jemand einen Schalter umgelegt und<br />

es ging mir spürbar besser. Einen Tag später, bei einem lockeren Lauf,<br />

waren die HF-Werte erheblich niedriger. Nach drei Tagen war das Problem<br />

vollständig verschwun<strong>de</strong>n und meine HF-Werte wie<strong>de</strong>r absolut im normalen<br />

Bereich. Einen wirklichen Beleg für einen Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n<br />

Zähnen und <strong>de</strong>n beschriebenen Problemen gibt es nicht, aber es wäre ein<br />

erstaunlicher Zufall, wenn dies nicht so gewesen wäre. Gera<strong>de</strong> im Bereich<br />

<strong>de</strong>s Kopfes gibt es ein sehr massives Geflecht von empfindlichen Nerven.<br />

Warum diese Geschichte? Ich habe bereits kurz ange<strong>de</strong>utet, dass mich<br />

dieses Ereignis muskulär in keiner Weise eingeschränkt hatte. Meine<br />

Laufleistung war nicht beeinträchtigt. Ich hätte alle Tempobereiche wie<br />

gewohnt ansteuern können. Die erhöhte HF war kein Zeichen für eine<br />

ebenso erhöhte Belastungsintensität. Die HF-Erhöhung habe ich subjektiv<br />

auch nur gering wahrgenommen. So wahr meine Atmung auch nicht in<br />

vergleichbarer Weise beschleunigt und diesbezüglich fühlte ich mich fast<br />

genau so wie sonst.<br />

- 178 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Der erhebliche Anstieg <strong>de</strong>r HF bei Belastung resultierte daraus, dass <strong>de</strong>r<br />

Körper quasi an zwei Fronten zu kämpfen hatte. Einmal musste er <strong>de</strong>n<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Laufbelastung gerecht wer<strong>de</strong>n und zusätzlich noch mit<br />

<strong>de</strong>n negativen Begleiterscheinungen <strong>de</strong>r ungesun<strong>de</strong>n Zähne zurecht<br />

kommen. Der Sympathikus war verstärkt involviert (Kap. 1.3.8)<br />

Demgemäß war ab einem gewissen Grad Körper und Herz-Kreislauf-<br />

System überfor<strong>de</strong>rt. Indirekt hat mich dies natürlich ausgebremst, da die<br />

Beine zwar wollten und konnten, an<strong>de</strong>re Bereiche <strong>de</strong>s Körpers aber nicht.<br />

Aus diesem Grund habe ich selbstverständlich mein Lauftraining angepasst<br />

(ein Allgemeinmediziner und ein Kardiologe hatten keine Be<strong>de</strong>nken) – aber<br />

nach Gefühl und nicht nach <strong>de</strong>r HF. Ich bin so gelaufen, wie ich mich<br />

wohlgefühlt habe und das hieß: nur im gewohnten Fettstoffwechsel-Tempo,<br />

nicht schneller. Das die HF dabei eben ca. 15 S/min höher war störte mich<br />

nicht. Eine Anpassung <strong>de</strong>s Lauftempos an die HF, um meine sonst übliche<br />

HF zu halten, sah ich nicht als notwendig an. Mein Wohlbefin<strong>de</strong>n<br />

suggerierte mir: „Bis dahin kommt Dein Körper damit klar.“<br />

Foto: JN<br />

- 179 -


Kommentar<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Als ich im Krankenhaus von <strong>de</strong>r ersten Ärztin untersucht wur<strong>de</strong> und ihr<br />

von <strong>de</strong>r vorzeitig abgebrochenen Laufveranstaltung erzählte und dass<br />

eben dabei meine HF zu hoch war, fragte sie mich nach <strong>de</strong>r Höhe<br />

dieser. Die von mir beschriebenen 160-165 S/min kommentierte sie<br />

direkt mit „… eigentlich viel zu hoch für einen trainierten Läufer.“ Ich<br />

ging nicht darauf ein, aber im Nachhinein zerriss es mich förmlich –<br />

<strong>de</strong>nn diese Frau hatte keinerlei Informationen über meine<br />

physiologischen Werte und auch nicht über die Art <strong>de</strong>r Lauf-<br />

Veranstaltung. Wie konnte sie da meine HF bewerten? Es hätte sich um<br />

einen Halbmarathon o<strong>de</strong>r 10 km Wettkampf han<strong>de</strong>ln können (mit<br />

entsprechend hoher Belastung und HF). Erwartet diese Ärztin (wie so<br />

viele an<strong>de</strong>re Mediziner), dass ein „guter Läufer“ chronisch mit einem<br />

Puls von 120-130 S/min rumrennt? Es scheint nicht wenige Leute zu<br />

geben, die nicht verstehen, dass zwar die HF bei gleicher physikalischer<br />

Leistung mit zunehmen<strong>de</strong>r Ausdauerleistungsfähigkeit geringer wird,<br />

aber sich <strong>de</strong>shalb die Trainingsherzfrequenzwerte nicht verringern<br />

dürfen. Diese bleiben min<strong>de</strong>stens gleich und die physikalische Leistung<br />

muss entsprechend angehoben wer<strong>de</strong>n – damit auch Intensität und HF<br />

gleich bleiben. Nichts gegen die nette Ärztin, und in meinem Fall bzw.<br />

bei meinem Problem war dies auch nicht relevant. Aber je nach<strong>de</strong>m mit<br />

was für einem Problem man zu einem Arzt geht, ist man als<br />

Ausdauersport-Patient verraten und verkauft, wenn dieser Arzt nichts<br />

von (Ausdauer-)Sport versteht.<br />

Foto: Bigid Keil -<br />

cyclingstars.<strong>de</strong><br />

- 180 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Herzstolpern<br />

Ein Läufer verspürte bei einem<br />

Intervalltraining immer wie<strong>de</strong>r mal ein<br />

kurzes, <strong>de</strong>utliches und unangenehmes<br />

Herzstolpern, was ihn beunruhigte. Er<br />

suchte einen Arzt auf, welcher ihm ein<br />

Belastungs-EKG unterzog. Dieses EKG<br />

zeigte keinen Befund. Auch ein 24-<br />

Stun<strong>de</strong>n-EKG zeigte keine auffälligen<br />

Werte.<br />

Als dieser mit seiner Geschichte zu mir<br />

kam, hatte ich sofort eine Vermutung.<br />

Das gleiche „Problem“ hatte ich<br />

nämlich auch schon mal. Und es<br />

bestätigte sich auch bei ihm.<br />

Die Erklärung: Bei einem sehr<br />

intensiven Intervalltraining ist auch die<br />

Atemfrequenz entsprechend hoch.<br />

Während <strong>de</strong>r Belastungspausen wird<br />

ein gut trainierter Ausdauersportler<br />

schon nach wenigen Sekun<strong>de</strong>n eine<br />

erste <strong>de</strong>utliche Erholung aufweisen,<br />

wodurch dann <strong>de</strong>r Sauerstoffbedarf sehr schnell sinkt. Die Atmung passt<br />

sich automatisch entsprechend an. Nach einigen Sekun<strong>de</strong>n sehr intensiver<br />

Atmung wird dann die Atemfrequenz schlagartig reduziert und die<br />

Atemzugtiefe erhöht. Das Herz reagiert eben so schnell und innerhalb von<br />

1-2 Sekun<strong>de</strong>n fällt diese <strong>de</strong>utlich ab. Und genau zu diesem Zeitpunkt, wo<br />

das Herz seine Frequenz <strong>de</strong>utlich reduziert, kann man dann ggf. einen<br />

„Herzstolperer“ verspüren. Dieser ist zwar unangenehm – aber<br />

unbe<strong>de</strong>nklich. Dies ist dann oft auch gut über das blinken<strong>de</strong> Herzsymbol<br />

am HF-Messgerät zu erkennen, welches einen kurzen „Aussetzer“ aufweist.<br />

Verhin<strong>de</strong>rn kann man dies, in<strong>de</strong>m man genauer auf seine Atmung achtet<br />

und diese etwas sanfter reduziert. Der besagte Läufer hat dies so gemacht<br />

und das Problem war gelöst.<br />

- 181 -<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Ferndiagnose Foto: JN<br />

Im Forum einer großen Internetseite für<br />

Läufer: Eine Frau fragte verunsichert<br />

wegen ihrer „hohen“ Pulswerte nach. Sie<br />

begann vor Monaten mit <strong>de</strong>m Laufen,<br />

anfangs mit Gehpausen. Nun ist sie bei<br />

einer Stun<strong>de</strong> angelangt und kann diese<br />

ohne Mühe laufen. Es ist ihr auch<br />

problemlos möglich, dabei eine<br />

Unterhaltung zu führen. Sie fühlt sich gut<br />

und es ist alles o. k. so weit. Allerdings<br />

bescheinigen ihr „diverse Berechnungen“,<br />

dass ihre HF, welche bei ihren Läufen<br />

standardgemäß bei 155-160 S/min liegt,<br />

zu hoch sei. Ihr Hausarzt bestätigte, dass<br />

es theoretisch so sein mag, aber dass dies<br />

letztendlich eine sehr individuelle Sache<br />

sei und er einen aussagefähigen Test<br />

durchführen müsse, um klare Aussagen<br />

machen zu können. Wichtig sei, dass sie sich wohlfühlt, was offensichtlich<br />

so war. Er empfahl ihr, <strong>de</strong>n „Pulsmesser wegzuschmeißen“. Dennoch war<br />

die Frau verunsichert und fragte <strong>de</strong>shalb in <strong>de</strong>m besagten Forum nach.<br />

Die erste Antwort, die sie bekam, war, dass „Ihre Eckdaten dafür<br />

sprachen“, dass die HF zu hoch war – selbst für einen potenziellen<br />

Hochpulser. Und sie wür<strong>de</strong> sich immer im anaeroben Bereich aufhalten.<br />

Dann gab es Trainingstipps.<br />

Nichts gegen die Person, welche <strong>de</strong>r Läuferin nur helfen wollte – aber solch<br />

eine Ferndiagnose ist nichts an<strong>de</strong>res als wil<strong>de</strong> Spekulation. Und es ist<br />

mitnichten so, dass eine HF um die 160 S/min selbst für einen Hochpulser<br />

zu hoch wäre. Im Gegenteil, solche Werte sind dabei ein gewisser<br />

Standard. Und was be<strong>de</strong>utet „anaerober Bereich“? Es ist nicht<br />

unwahrscheinlich, dass sich die Läuferin oberhalb <strong>de</strong>r aeroben (nicht<br />

anaeroben) Schwelle aufhält, also im aerob / anaeroben Mischstoffwechsel.<br />

Dabei wür<strong>de</strong>n also geringanteilige anaerobe Stoffwechselvorgänge<br />

ablaufen. Und … was ist daran schlimm? Oberhalb <strong>de</strong>r AS wird sie sich aber<br />

nicht aufhalten, dies wäre ihr eine Stun<strong>de</strong> lang niemals möglich und<br />

unterhalten könnte sie sich dabei schon gar nicht.<br />

- 182 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Foto: JN<br />

Das HF-Messgerät „wegzuschmeißen“, so radikal wür<strong>de</strong> ich nicht vorgehen.<br />

Aber diese Läuferin sollte sich nicht verrückt machen, solange kein<br />

medizinisch be<strong>de</strong>nklicher Befund vorhan<strong>de</strong>n ist. (Übrigens Gratulation an<br />

<strong>de</strong>n Arzt. Es hat schon einen gewissen Seltenheitswert, wenn ein Mediziner<br />

dies so locker sieht, ohne sich durch Dogmen blen<strong>de</strong>n zu lassen).<br />

Sie hat keine hoch angestrebten sportlichen Ziele. Wenn sie mit dieser HF<br />

läuft, wird ihr nichts, absolut gar nichts Schlimmes passieren! Sie wird<br />

dadurch nicht krank wer<strong>de</strong>n, keinen Herzscha<strong>de</strong>n bekommen o<strong>de</strong>r sonstige<br />

gesundheitliche Probleme.<br />

Wann lernt die Sportwelt es endlich, dass reine Trainingsmethodik eine<br />

Erfindung <strong>de</strong>s Menschen ist und keine naturgegebene Notwendigkeit?<br />

Warum muss immer alles streng methodisiert wer<strong>de</strong>n? Das ist<br />

wi<strong>de</strong>rnatürlich.<br />

- 183 -


Marathontraining ohne Pulsmesser<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Eine ca. 35jährige Frau spielt auf Breitensport-Niveau Volleyball, besucht<br />

ab und zu einen Aerobic-Kurs (bzw. gibt selber einen) und läuft ab und zu.<br />

Dies ist seit Jahren ihre sportliche Basis. Das Laufen betrieb sie nie<br />

leistungsorientiert und auch nicht konsequent und wirklich regelmäßig.<br />

Dennoch nahm sie an <strong>de</strong>m einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Volkslauf teil. Zuerst über 5<br />

und 10 km, später auch mal einen Halbmarathon. Irgendwann kam sie auf<br />

die „verrückte“ I<strong>de</strong>e, sich beim Berlin-Marathon (2012) anzumel<strong>de</strong>n.<br />

Wegen langer Arbeitszeiten, Urlaub und diverser an<strong>de</strong>rer Umstän<strong>de</strong>, gab es<br />

immer wie<strong>de</strong>r Lücken in ihrer Vorbereitung, sodass sie im Mittel auf keine 3<br />

x/Woche Lauftraining kam. Glücklicher- und erstaunlicherweise kam sie mit<br />

<strong>de</strong>n wichtigen langen Läufen <strong>de</strong>nnoch sehr gut klar. Sie trainierte nie nach<br />

HF. Es lagen auch keine HF-Trainingszonen vor, an welchen sie sich<br />

orientieren konnte. Sie lief in <strong>de</strong>r Regel einfach mit geringem Tempo und<br />

steigerte die Länge <strong>de</strong>r Trainingseinheiten Stück für Stück. Als ich ihr für<br />

die letzten Wochen ihrer Vorbereitung noch explizite Vorgaben machte,<br />

waren mir HF-Werte auch egal. Bei <strong>de</strong>n langsamen Läufen sollte sie einfach<br />

„langsam“ laufen und ein bisschen Intervalltraining sollte sie nach Gefühl<br />

absolvieren.<br />

Trotz genau genommen nicht optimaler Vorbereitung und ohne strenge<br />

Methodik finishte sie glücklich und zufrie<strong>de</strong>n, ohne nennenswerte Probleme<br />

und recht locker bei ihrem ersten Marathon in guten 5 Stun<strong>de</strong>n.<br />

Wer glaubt, dass dies nur in Ausnahmefällen möglich sei, <strong>de</strong>r irrt. Wenn es<br />

dabei nur um „Ankommen“ geht, können so manche trainingsmethodischen<br />

Gesetze relativiert wer<strong>de</strong>n.<br />

- 184 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 185 -<br />

Natürlich ist ein stärker methodisch<br />

orientierter Weg grundsätzlich<br />

sinnvoller, diesbezüglich möchte ich<br />

nicht missverstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Aber<br />

man sollte auch mal etwas über<br />

<strong>de</strong>n Tellerrand hinaus schauen.<br />

Wie problemlos ich (als Trainer)<br />

auch auf HF-Messung verzichten<br />

kann, möchte ich anhand eines<br />

weiteren Beispiels aufzeigen. Vor<br />

Jahren brachte ich eine 63jährige Fitnesssportlerin dazu, für einen<br />

Marathon zu trainieren. Bis dato lief sie max. 10 km am Stück und fuhr<br />

Rennrad. Alles nur zwecks einer gesun<strong>de</strong>n Fitness. Sie mochte aber nicht<br />

„so ein Band“ an ihrem Brustkorb und frage mich, ob eine HF-Messung<br />

unbedingt vonnöten sie. Ich winkte ab und sagte: „Kein Problem, dass<br />

kriegen wir auch ohne hin“.<br />

Als Maßstab für ihre Trainingsvorgaben nahm ich ihren ersten Volkslauf<br />

über 10 km. Diesen (und weitere später) lief sie in ca. 60 min und damit<br />

mit einem Tempo von ca. 10 km/h. Diese 10 km/h for<strong>de</strong>rten sie spürbar<br />

und ich nahm diese (und leicht darüber) als Obergrenze für ihr<br />

Intervalltraining. Mehr als 2 km am Stück lief sie dieses Tempo im Training<br />

nie. Demgemäß konnte dies bei halbwegs normaler Tagesform nie<br />

überfor<strong>de</strong>rnd o<strong>de</strong>r sonst irgendwie gesundheitlich be<strong>de</strong>nklich für sie sein.<br />

Für die langen Läufe wählte ich ein Tempo von 7-8 km/h, ein<br />

Tempobereich, <strong>de</strong>n sie auch im Marathon wählen musste, um innerhalb <strong>de</strong>r<br />

Karenzzeit zu sein. Außer<strong>de</strong>m wäre bei < 7 km/h ein „run<strong>de</strong>s“ Laufen bei<br />

ihr nicht möglich gewesen (sie war ca. 175 cm groß und kam mit<br />

langsamerem Laufen gar nicht klar), dann hätte sie gehen müssen. Aber<br />

durch Geh-Training kann man keinen Marathon laufen. Als „mittleren“<br />

Intensitätsbereich wählte ich einfach pauschal 9 km/h.<br />

Ob diese Tempovorgaben trainingsmethodisch genau waren und sich mit<br />

Ergebnissen hochkarätiger leistungsdiagnostischer Testverfahren <strong>de</strong>cken<br />

wür<strong>de</strong>n, interessierte mich nicht die Bohne. Diese Frau kam mit <strong>de</strong>r<br />

Vorbereitung wun<strong>de</strong>rbar zurecht und fühlte sich während dieser Zeit so fit<br />

und gut wie nie zuvor. Und <strong>de</strong>n Marathon schaffte sie ohne Quälerei!<br />

Foto: by-mike_baird_piqs_<strong>de</strong>-AMGEN bike race 21feb2008 Morro Bay


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

So einfach kann das funktionieren, ohne strenges Berechnungs- und<br />

Auswertungsgetue. Wer mir dabei einen falschen Weg bescheinigen wür<strong>de</strong>,<br />

<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong> ich auf die Paradoxie dieser Behauptung hinweisen. Ein falscher<br />

Weg kann nicht zum Ziel führen. Ein Weg, <strong>de</strong>r zum Ziel führt, kann nie<br />

falsch sein!<br />

Schubla<strong>de</strong> Fitnesssportler<br />

In <strong>de</strong>r Zeit, wo ich in einer<br />

großen Fitnessanlage als<br />

Trainer tätig war, gab es im<br />

Frühjahr bis Herbst einen<br />

kleinen Lauftreff. An diesem<br />

nahmen auch reine<br />

„Fitnessläufer“ teil, welche im Winter nie draußen liefen. Demgemäß hatten<br />

sie in <strong>de</strong>n ersten Wochen <strong>de</strong>s Outdoor-Trainings „nicht viel drauf“, um es<br />

im Ausdauersport-Jargon auszudrücken. Die ersten Wochen lief ich mit<br />

ihnen <strong>de</strong>shalb im flachen Terrain. Später wählte ich aber auch Strecken,<br />

mit welligem Profil, welche sich durch kurze aber „bissige“ Steigungen<br />

auszeichneten. Sie sollten (und wollten) dort auch hoch laufen (nicht<br />

gehen). Anfangs war dies für sie mit or<strong>de</strong>ntlicher Anstrengung verbun<strong>de</strong>n.<br />

Die Laktate machten sich bemerkbar, HF und Atmung schossen nach oben.<br />

Nach <strong>de</strong>n Steigungen war dann erst mal „gehen“ angesagt, zwecks<br />

Erholung. Nach weiteren Wochen lief es immer besser, die Anstiege<br />

konnten leichter bewältigt und die Gehpausen danach weggelassen wer<strong>de</strong>n.<br />

Diese kurzen aber recht harten Belastungsspitzen zeigten<br />

trainingsmethodisch entsprechen<strong>de</strong> Wirkung: Die HF-Werte sanken im<br />

Mittel und die Laktattoleranz verbesserte sich. Bei<strong>de</strong>s positive<br />

Anpassungserscheinungen.<br />

Etliche „Fitness-Experten“ wür<strong>de</strong>n dabei die Stirn runzeln. Einfache Fitness-<br />

und Gesundheitssportler so intensiv zu belasten, dies wäre bei vielen<br />

solcher Leute verpönt und wür<strong>de</strong> als „falsch“ und „überfor<strong>de</strong>rnd“<br />

abgekanzelt. Physiologisch ist solch ein stereotypisches Schubla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nken<br />

für mich ein Witz. Unter natürlichen Lebensbedingungen wären solche bzw.<br />

vergleichbaren Belastungen normal.<br />

Foto: by-jake_rome_piqs.<strong>de</strong> - The Operation Jack Marathon<br />

- 186 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Über Atmungstricks<br />

Ein Fitnesssportler, welcher regelmäßig an Indoor-Cycling-Kursen teilnahm,<br />

erzählte mir, wie gut er mit seiner Atemtechnik und Körperposition die HF<br />

beeinflussen kann. Dies wur<strong>de</strong> ihm so beigebracht und damit auch<br />

suggeriert, dass wenn dadurch die HF niedriger ausfällt, die Muskulatur<br />

mehr Sauerstoff bekommt und die Intensität als niedriger einzustufen ist.<br />

Dadurch könnte dann auch <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand erhöht wer<strong>de</strong>n. O<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>rsrum: Der Muskulatur wür<strong>de</strong> Sauerstoff entzogen, wenn durch nicht<br />

so optimierte Vorgehensweise die HF höher ausfällt. Ich erklärte ihm, dass<br />

dies nur bedingt korrekt und eine Milchmädchenrechnung sei.<br />

Solange man sich noch nicht nahe an <strong>de</strong>r maximalen<br />

Sauerstoffaufnahmefähigkeit (VO² max.) bzw. <strong>de</strong>r AS aufhält, wird <strong>de</strong>r<br />

(Haupt-)Arbeitsmuskulatur (im <strong>de</strong>m Fall die involvierte Bein- und<br />

Hüftmuskulatur) grundsätzlich immer die Menge an Sauerstoff zugeführt,<br />

die sie benötigt. Steigt <strong>de</strong>r Sauerstoffbedarf durch Umstän<strong>de</strong>, welche nicht<br />

direkt durch die Beanspruchung <strong>de</strong>r Arbeitsmuskulatur bedingt sind, so<br />

verhin<strong>de</strong>rt eine beschleunigte Atmung und ein Anstieg <strong>de</strong>r HF ja einen<br />

Sauerstoffentzug <strong>de</strong>r Muskulatur. Nur ohne diese Reaktion <strong>de</strong>s Körpers<br />

müsste <strong>de</strong>r Arbeitsmuskulatur Sauerstoff entzogen wer<strong>de</strong>n, um diesen für<br />

an<strong>de</strong>re Bereiche zu nutzen. Es sind im Bereich einer geringen bis mittleren<br />

Belastungsintensität nach „oben“ aber noch genügend Reserven<br />

vorhan<strong>de</strong>n, um fehlen<strong>de</strong>n Sauerstoff aufzunehmen. An<strong>de</strong>rsherum: Warum<br />

sollte <strong>de</strong>r arbeiten<strong>de</strong>n Muskulatur mehr Sauerstoff zugeführt wer<strong>de</strong>n, wenn<br />

sie diese gar nicht benötigt?<br />

Eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r HF resultiert in diesem Fall prinzipiell aus einem<br />

geän<strong>de</strong>rten Sauerstoffbedarf in an<strong>de</strong>ren Bereichen <strong>de</strong>s Körpers, wie die <strong>de</strong>r<br />

Atemmuskeln o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rer, die je nach Köperposition unterschiedliche<br />

Haltearbeit leisten müssen. Für die Arbeitsmuskulatur än<strong>de</strong>rt sich bezüglich<br />

ihrer Belastung also nicht zwangsläufig etwas – sie muss weiterhin die<br />

gleiche Leistung erbringen bzw. gegen <strong>de</strong>nselben Wi<strong>de</strong>rstand andrücken.<br />

Aus <strong>de</strong>m gleichen Grund muss eine Unterhaltung bei einer geringintensiven<br />

Ausdauerbelastung auch nicht sauerstoffentziehend wirken. Die<br />

Atemökonomie lei<strong>de</strong>t selbstverständlich und <strong>de</strong>r Arbeitsaufwand, die<br />

Arbeitsmuskulatur mit Sauerstoff zu versorgen, erhöht sich (höherer<br />

Energieverbrauch). Aber <strong>de</strong>shalb besteht nicht automatisch eine geringere<br />

Sauerstoffversorgung, welche sich trickreich beeinflussen ließe.<br />

- 187 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

2.3 Die Herzfrequenz als sehr vager<br />

……Anhaltspunkt<br />

2.3.1 Was ist Intensität?<br />

Die Höhe eines Belastungsreizes,<br />

gemessen an <strong>de</strong>m Anteil eines<br />

bestimmten Grenzwertes bzw. einer<br />

maximalen Leistung, <strong>de</strong>finiert die<br />

Intensität (im Sport). So zum<br />

Beispiel x % einer maximalen<br />

Wattleistung, Streckenbestleistung, max. Sauerstoffaufnahme, eines<br />

Laktatwertes o<strong>de</strong>r eben einer max. Herz-Kreislauf-Belastung<br />

(Herzfrequenz). Demgemäß scheint die Beurteilung <strong>de</strong>r<br />

Belastungsintensität bei einer Ausdauerbelastung recht einfach zu sein. In<br />

<strong>de</strong>r Praxis ist dies aber erheblich komplexer als es <strong>de</strong>n Anschein hat, <strong>de</strong>nn<br />

die ermittelten Werte <strong>de</strong>r unterschiedlichen Maßstäbe und das Verhältnis<br />

<strong>de</strong>rer zueinan<strong>de</strong>r variieren stark. Der Grad <strong>de</strong>r / einer Herz-Kreislauf-<br />

Belastung spiegelt somit nicht automatisch parallel die wirkliche<br />

Belastungsintensität wi<strong>de</strong>r und ist nicht pauschal damit gleichzusetzen!<br />

Die tatsächliche Belastungsintensität ist ein Resultat zahlreicher komplexer<br />

Vorgänge im Körper, welche sich mit einer einzigen Messgröße nicht<br />

annähernd ausreichend erfassen lassen! Ein Prozentwert kann sich immer<br />

nur auf die jeweilige Messgröße beziehen und nicht universell alle Vorgänge<br />

im Körper repräsentieren. Die HF pauschal mit Belastungsintensität<br />

gleichzusetzen ist grundfalsch!<br />

Die HF ist ein Parameter, welcher hochsensibel vielen Einflussfaktoren<br />

unterliegt und entsprechend reagiert. Je geringer die Belastungsintensität,<br />

umso sensibler reagiert die HF auf solche „Störfaktoren“. Nur mit<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Erfahrung und <strong>de</strong>r Kenntnis und Berücksichtigung <strong>de</strong>r<br />

Rahmenbedingungen ist eine richtige Interpretation <strong>de</strong>s HF-Verhaltens<br />

möglich. Es wird oft nicht bedacht, dass es bei einem <strong>Ausdauertraining</strong><br />

nicht darauf ankommt, mit einer bestimmten HF bzw. Herz-Kreislauf-<br />

Leistung zu trainieren, son<strong>de</strong>rn mit einer bestimmten Belastungsintensität<br />

– was eben längst nicht immer ein und dasselbe ist!<br />

- 188 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Die HF spiegelt im Wesentlichen <strong>de</strong>n momentanen Sauerstoffbedarf wi<strong>de</strong>r.<br />

Dieser ist zwar wie<strong>de</strong>rum eng an die Belastungsintensität gekoppelt, aber<br />

auch ein verän<strong>de</strong>rter Sauerstoffbedarf resultiert nicht auch automatisch<br />

aus einer verän<strong>de</strong>rten Belastungsintensität. Und eine ansteigen<strong>de</strong> HF ist<br />

nicht automatisch ein Resultat einer ansteigen<strong>de</strong>n Sauerstoffaufnahme.<br />

Die Herz-Kreislauftätigkeit reagiert auf zahlreiche Vorgänge im Körper,<br />

welche wie<strong>de</strong>rum maßgeblich aus <strong>de</strong>r Beanspruchung <strong>de</strong>r<br />

Arbeitsmuskulatur resultieren - nicht umgekehrt! Die HF hat grundsätzlich<br />

keinen Einfluss auf trainingsmethodisch relevante Vorgänge im Körper,<br />

son<strong>de</strong>rn umgekehrt – sie resultiert daraus!<br />

Die Herz-Kreislauftätigkeit ist damit nur indirekter Anhaltspunkt. Die<br />

Ursache-Wirkungs-Kette wird hierbei aber meist verdreht. Die HF wird<br />

massiv (!) durch Faktoren beeinflusst, welche nicht die Belastungsintensität<br />

wi<strong>de</strong>rspiegeln bzw. nicht, o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st nicht nur aus einer verän<strong>de</strong>rten<br />

Belastungsintensität resultieren.<br />

- 189 -<br />

Foto:<br />

bennobuschmann – pixelo.<strong>de</strong><br />

Der Aussagefähigkeit <strong>de</strong>r<br />

HF sind dadurch <strong>de</strong>utliche<br />

Grenzen gesetzt, weshalb<br />

bei <strong>de</strong>r Trainingssteuerung<br />

eines Ausdauersportlers <strong>de</strong>r<br />

Parameter physikalische<br />

Größe / Leistung und<br />

Körpergefühl (wie etwa<br />

Laktatempfin<strong>de</strong>n) oft einen<br />

min<strong>de</strong>stens genauso hohen<br />

(manchmal auch höheren) Stellenwert einnimmt wie (als) die HF. Eine<br />

Nichtberücksichtigung <strong>de</strong>r oben genannten Umstän<strong>de</strong> wird immer wie<strong>de</strong>r<br />

zu einer fehlerhaften Beurteilung <strong>de</strong>r tatsächlichen Situation und falschem<br />

Han<strong>de</strong>ln führen. Ein Ausdauersportler, welcher gezielt nach einem<br />

Programm trainieren soll, kann so seine Trainingsplanvorgabe schnell<br />

verfehlen. Die Vorgänge im menschlichen Organismus sind sehr komplex<br />

und oft unberechenbar. Metho<strong>de</strong>n und Arbeitsweisen zur<br />

Trainingssteuerung können immer nur Näherungen darstellen, welchen<br />

man nicht immer blind vertrauen kann und sollte.


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Gera<strong>de</strong> im Fitness- und<br />

Gesundheitssport-Bereich ist man<br />

aber sehr häufig völlig auf ein<br />

reines HF gesteuertes Training<br />

fokussiert, wodurch die<br />

Trainieren<strong>de</strong>n dann in einen Käfig<br />

gesperrt wer<strong>de</strong>n, welcher kaum<br />

Bewegungsfreiheit bietet.<br />

Die genannten Einflussfaktoren<br />

machen es auch grundsätzlich<br />

nicht möglich, die AS o<strong>de</strong>r<br />

irgen<strong>de</strong>ine an<strong>de</strong>re physiologische<br />

Schwelle punktuell zu bestimmen.<br />

We<strong>de</strong>r bezogen auf die HF noch<br />

auf die physikalische Größe<br />

Leistung, welche ja (neben <strong>de</strong>m<br />

Körpergefühl) die Anhaltspunkte<br />

für <strong>de</strong>n Ausdauersportler in <strong>de</strong>r Trainingspraxis zur Steuerung / Kontrolle<br />

darstellen.<br />

Foto: JN<br />

Selbst wenn bei einem Testverfahren die AS (o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Grenzwerte)<br />

tatsächlich nahezu punktgenau richtig ermittelt wor<strong>de</strong>n sind, so gelten<br />

diese ermittelten Werte nur unter Bedingungen, welche 100 % genau mit<br />

<strong>de</strong>n Testbedingungen übereinstimmen (zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Messung). Dies<br />

wird in <strong>de</strong>r Praxis aus <strong>de</strong>n bereits beschriebenen Grün<strong>de</strong>n nie ständig bzw.<br />

überwiegend <strong>de</strong>r Fall sein. Man kann die AS und an<strong>de</strong>re Bereiche <strong>de</strong>shalb<br />

nur mit einer gewissen Toleranz auf einen Bereich (Zone) beziehen, also<br />

eher von einer Schwellenzone o<strong>de</strong>r von einem Schwellenbereich re<strong>de</strong>n. Die<br />

genannten Einflussfaktoren zeigen auch, dass eine (oft im Fitness- und<br />

Gesundheitssport übliche) Methodik, welche die HF-Vorgaben auf einen<br />

gern genannten „optimalen“ und möglichst eng begrenzten Bereich zu<br />

reduzieren versucht, trainingsmethodisch völlig unrealistisch und unsinnig<br />

ist. Man sollte bezüglich <strong>de</strong>s HF-Verhaltens keine pauschalen und<br />

vorschnellen Urteile fällen o<strong>de</strong>r Bewertungen vornehmen, ohne gewisse<br />

individuelle Gegebenheiten und die entsprechen<strong>de</strong>n Einflussfaktoren<br />

einzubeziehen. Ohne diese Berücksichtigung hat die HF grundsätzlich<br />

keinen aussagefähigen Wert!<br />

- 190 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Eine dogmatische Fixierung auf festgelegte HF-Werte lässt die<br />

Einbeziehung zahlreicher, stark beeinflussen<strong>de</strong>r, variieren<strong>de</strong>r<br />

Rahmenbedingungen nicht zu und ist somit physiologisch /<br />

trainingsmethodisch falsch!<br />

Durch diese Tatsachen darf <strong>de</strong>r gerne angepriesene hohe Stellenwert <strong>de</strong>r<br />

HF bei <strong>de</strong>r Trainingssteuerung nicht überbewertet und muss stark<br />

relativiert wer<strong>de</strong>n.<br />

- 191 -<br />

Foto: JN<br />

2.3.2 Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Ursache-Wirkungs-<br />

……….Kette<br />

In <strong>de</strong>m Schaubild auf <strong>de</strong>r nächsten Seite soll nochmals ansatzweise<br />

veranschaulicht wer<strong>de</strong>n, welchen zahlreichen Einflussfaktoren die HF<br />

unterliegt und eine Verdrehung <strong>de</strong>r Ursache-Wirkungs-Kette zur<br />

Fehlinterpretation <strong>de</strong>s HF-Verhaltens führt. Wobei dieses Schaubild nicht<br />

für sich in Anspruch nimmt, die Komplexität vollständig wie<strong>de</strong>rzugeben.<br />

Während eine aktive Handlung (wie ein <strong>Ausdauertraining</strong>), mit einer<br />

physikalischen Leistung und Belastungsintensität (welche untrennbar<br />

miteinan<strong>de</strong>r verknüpft sind), eine Aktion darstellt, stellt die HF in erster<br />

Linie nur eine Reaktion auf diese Handlung (Aktion) dar. Wobei genau<br />

genommen noch <strong>de</strong>r Sauerstoffbedarf dazwischen steht (und die<br />

Sauerstoffaufnahme auch kein alleiniges Maß zur Beurteilung <strong>de</strong>r<br />

Belastungsintensität bil<strong>de</strong>t). Die HF selber stellt aber keine Aktion dar,<br />

welche rückwirkend die Belastungsintensität beeinflusst – die letztendlich<br />

entschei<strong>de</strong>nd ist! Die HF lässt somit nur indirekt Rückschlüsse auf<br />

Vorgänge im Körper zu.<br />

Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um sehr komplexe Kausalbeziehungen, welche sich<br />

mit nur einer Messgröße (wie eben <strong>de</strong>r HF-Messung) niemals ausreichend<br />

interpretieren lassen.


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Ursache-Wirkungs-Kette<br />

Leistung (physikalisch)<br />

Intensität (physiologisch)<br />

Aktion / Ursache<br />

Krankheiten<br />

Lärm<br />

Psychologische<br />

Faktoren<br />

Alkohol<br />

Wasserhaushalt<br />

Herzfrequenz<br />

Reaktion / Wirkung<br />

Einfluss auf die HF nur indirekt über die an<strong>de</strong>ren Faktoren<br />

Erheblicher Einfluss auf HF während einer Ausdauerbelastung<br />

(bei gleicher Intensität)<br />

* Einfluss auf Herzschlagvolumen unter Fragezeichen<br />

Grafik Läufer: iStockfotos.com – Jana Blašková<br />

Füllungsgrad KH-Speicher<br />

Belastungsdauer Ernährungsverhalten<br />

Koffein<br />

Herzschlagvolumen<br />

Medikamente<br />

Stoffwechsellage<br />

Menge aktiver<br />

Muskelmasse<br />

Klima<br />

Kraft-Anteil<br />

Streckenprofil<br />

Bo<strong>de</strong>nbelag<br />

Körpertemperatur<br />

Körperposition<br />

Atmung<br />

Tageszeit / Biorhythmus*<br />

- 192 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Noch mal: Herzfrequenz bzw. Herz-Kreislauf-Belastung ist also nicht<br />

einfach und pauschal gleichzusetzen mit Belastungsintensität und / o<strong>de</strong>r<br />

Stoffwechsellage! Thesen, die das Gegenteil suggerieren, sind<br />

physiologisch nicht haltbar.<br />

Und …<br />

- Wäre die Herz-Kreislauf-Belastung das Maß aller Dinge, wäre nur<br />

die absolute MHF relevant und egal welche Ausdauersportart ein<br />

Sportler ausüben wür<strong>de</strong>, er wür<strong>de</strong> immer die gleichen HF-Werte<br />

als Orientierung nehmen müssen. Sportartspezifische<br />

Unterschie<strong>de</strong> wür<strong>de</strong> / dürfte es nicht geben.<br />

- Wäre alleine die Herz-Kreislauf-Belastung maßgebend, so wären<br />

Faktoren wie Aerobe Schwelle o<strong>de</strong>r gar Anaerobe Schwelle nicht<br />

o<strong>de</strong>r kaum relevant. Entsprechen<strong>de</strong> aufwendige Testverfahren,<br />

diese zu ermitteln, um daraus Trainingsvorgaben abzuleiten,<br />

wären quasi nutzlos.<br />

- Lange Dauerbelastungen, mit konstanter Leistung /<br />

Geschwindigkeit wären unmöglich durchführbar, da ein<br />

unausweichlicher HF-Anstieg – als angebliches Zeichen erhöhter<br />

Intensität – eine ständige Reduzierung dieser Leistung erzwingen<br />

wür<strong>de</strong>.<br />

- Eine HF als alleiniger Maßstab wür<strong>de</strong> be<strong>de</strong>uten, dass auf eine<br />

relativ konstante Einhaltung einer physikalischen Leistung keine<br />

Rücksicht genommen wer<strong>de</strong>n muss. Bei vielen Trainingseinheiten<br />

wür<strong>de</strong> es, je nach Struktur <strong>de</strong>r Methodik, dann ggf. zu <strong>de</strong>utlichen,<br />

unrhythmischen und unsystematischen Temposchwankungen und<br />

Kraftanteilen kommen. Eine daraus resultieren<strong>de</strong> ständige<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Stoffwechsellage, durch die entstehen<strong>de</strong><br />

variieren<strong>de</strong> Muskelbelastung wäre auch nicht relevant.<br />

Dies wären die unausweichlichen Konsequenzen, wenn die HF „<strong>de</strong>n“<br />

Anhaltspunkt darstellen wür<strong>de</strong>. Diese Konsequenzen wären<br />

trainingsmethodisch nicht tragbar. Ein zu blin<strong>de</strong>s Starren auf die HF<br />

kollidiert dann zwangsläufig mit trainingsmethodischen Gesetzmäßigkeiten,<br />

welche man mit <strong>de</strong>r HF ja eigentlich besser eingehalten sehen möchte.<br />

- 193 -


.<br />

Logiklücken<br />

Situation 1<br />

Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Ein Proband fährt mit 150 Watt auf <strong>de</strong>m Fahrra<strong>de</strong>rgometer bei einer HF<br />

von 135 S/min. Nach einer Weile steigt die HF bis auf 150 S/min an.<br />

These: Die HF sollte bei ihm bei 135 S/min liegen. Da die HF aber<br />

<strong>de</strong>utlich ansteigt, muss die Wattleistung entsprechend angepasst, also<br />

verringert wer<strong>de</strong>n, damit die HF stabil gehalten wer<strong>de</strong>n kann. Der<br />

Proband fährt nun mit 100 Watt und die HF ist wie<strong>de</strong>r bei 135 S/min.<br />

Situation 2<br />

Der selbe Proband joggt auf <strong>de</strong>m Laufband bei einer HF von<br />

150 S/min.<br />

These: Die HF ist in Ordnung, da sie beim Laufen ja höher liegt als<br />

beim Radfahren.<br />

Fragen: Wie lässt sich in die Herz-Kreislauf-Belastung<br />

bzw. die HF als gleichmäßige Intensität erklären, wenn Watt-Leistung<br />

und damit auch Muskelbeanspruchung <strong>de</strong>utlich reduziert wer<strong>de</strong>n? Wie<br />

lassen sich physiologisch und physikalisch 100 Watt und 150 Watt als<br />

gleiche Intensität erklären, wenn sich 100 Watt faktisch leichter<br />

„treten“ lassen als 150 Watt?<br />

Und wieso ist die ansteigen<strong>de</strong> bzw. höhere Herz-Kreislauf-<br />

Beanspruchung bei problematisch, wenn sie bei<br />

(permanent gegeben!) unproblematisch ist?<br />

Die wahre Belastungsintensität kann nicht so einfach anhand <strong>de</strong>r<br />

isolierten Betrachtung eines HF-Wertes korrekt beurteilt wer<strong>de</strong>n!<br />

Nun ist bis hier umfangreich dargelegt wor<strong>de</strong>n, wo die Schwächen <strong>de</strong>r HF<br />

liegen. Doch diesbezüglich steht die Orientierungsgröße HF nicht alleine<br />

dar. Auch die an<strong>de</strong>ren möglichen Maßstäbe schwächeln signifikant. Dies<br />

wird im folgen<strong>de</strong>n Unterkapitel beschrieben.<br />

- 194 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Birgid Keil - cyclingstars.<strong>de</strong><br />

2.3.3 Die Herzfrequenz und an<strong>de</strong>re Messgrößen als<br />

……….Variable<br />

Nicht nur die HF ist keine Konstante, son<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong>r Parameter, welcher als<br />

Messgröße zur Trainingssteuerung Anwendung fin<strong>de</strong>t, zeichnet sich als sehr<br />

schwanken<strong>de</strong> Größe aus. Die folgen<strong>de</strong> Tabelle soll (noch mal) aufzeigen,<br />

wie unterschiedliche Rahmenbedingungen das Verhältnis solcher Messwerte<br />

stark beeinflussen können.<br />

Beispiel: Ein Sportler läuft auf einer asphaltierten und flachen Strecke, bei<br />

Windstille und konstanter Lufttemperatur. Er ist ausgeruht und regeneriert<br />

und seine Glykogenspeicher (Kohlenhydratspeicher) sind im ausreichen<strong>de</strong>n<br />

Maß gefüllt. Er läuft ein konstantes Tempo (physikalische Größe). Er wird<br />

bei diesem Lauf <strong>de</strong>mentsprechend eine bestimmte relativ konstante HF,<br />

Laktatkonzentration und Belastungsintensität aufweisen. Durch Än<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Bedingungen können dann beispielsweise folgen<strong>de</strong> Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />

Parameterverhältnisse auftreten:<br />

- 195 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Trainingsparameter als variable Größe<br />

Ausgangs-<br />

Situation<br />

Verän<strong>de</strong>rte Rahmen-Bedingung und daraus resultieren<strong>de</strong> Variation <strong>de</strong>r<br />

Parameterwerte<br />

Bedingung<br />

KH-Speicher<br />

entleert<br />

KH-Speicher<br />

entleert<br />

Luft-<br />

Temperatur<br />

hoch<br />

Luft-<br />

Temperatur<br />

hoch<br />

Erhöhter<br />

Kraftanteil*<br />

Erhöhter<br />

Kraftanteil*<br />

Erhöhter<br />

Kraftanteil*<br />

Psychologische<br />

Faktoren<br />

Verringerung<br />

Herzschlag-<br />

Volumen<br />

Reale<br />

Intensität<br />

x<br />

HF Laktat Tempo<br />

160<br />

S/min<br />

3 mmol/l<br />

4:30<br />

min/km<br />

Gleich Höher Niedriger Gleich<br />

Niedriger Gleich Niedriger Niedriger<br />

Gleich bis<br />

höher<br />

Höher<br />

Niedriger Gleich<br />

Gleich<br />

bis<br />

höher<br />

Etwa<br />

gleich<br />

Gleich<br />

Niedriger<br />

Höher Höher Höher Gleich<br />

Gleich Niedriger<br />

* Weicher, tiefer Bo<strong>de</strong>nbelag und / o<strong>de</strong>r Steigung<br />

KH = Kohlenhydrate<br />

Etwa<br />

gleich<br />

Niedriger<br />

Höher Gleich Höher Niedriger<br />

Gleich Höher Gleich Gleich<br />

Gleich Höher Gleich Gleich<br />

- 196 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Die Tabelle zeigt nur einige wenige von vielen möglichen Varianten und<br />

Situationen, die vergleichsweise für alle Ausdauersportarten gelten. Das<br />

nächste reale Beispiel zeigt spiroergometrische Messungen unter<br />

Dauerbelastung.<br />

Beim Proban<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> (vom Autor) eine Spiroergometrie durchgeführt.<br />

Der Proband war ein Kraftsportler, mit sehr guter Muskelentwicklung (ca.<br />

90 kg – und niedriger Körperfettanteil), welcher relativ regelmäßig ca. 30-<br />

60 min läuft. Bei diesem Test wur<strong>de</strong> mit einer konstanten Geschwindigkeit<br />

von 10 km/h gelaufen. Gemessen wur<strong>de</strong>n hierbei das Verhalten von HF,<br />

O²-HF, VO² und RQ bzw. Stoffwechsellage (Erklärungen folgen). Diese<br />

10km/h entsprachen etwa einer mittleren Belastungsintensität, <strong>de</strong>r<br />

Ermüdungsgrad am En<strong>de</strong> war recht hoch.<br />

Die HF (rote Line) zeigte im Mittel einen kontinuierlichen Anstieg auf - von<br />

140 bis 170 S/min. Die Fettstoffwechselrate (lila Kurve) blieb im Mittel<br />

recht konstant, die Kohlenhydrat-Stoffwechselrate stieg im letzten Viertel<br />

etwas an (wobei hierbei aber auch die Fettstoffwechselrate etwas höher<br />

war als im ersten Drittel - <strong>de</strong>r Energieverbrauch ist insgesamt gestiegen).<br />

Man sieht, dass die Stoffwechselvorgänge – trotz konstantem Lauftempo –<br />

ständigen Schwankungen unterliegen. Bedingt ist dies dadurch, dass selbst<br />

kleinste Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Rahmenbedingungen, wie Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

Atemverhaltens, <strong>de</strong>r Körperhaltung, Gedankengänge usw. auch ständig <strong>de</strong>n<br />

Sauerstoffbedarf än<strong>de</strong>rn, welches wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>n Stoffwechsel beeinflusst.<br />

Be<strong>de</strong>utend ist hierbei, dass trotz <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich ansteigen<strong>de</strong>n HF, <strong>de</strong>r<br />

Fettstoffwechselanteil gleich bleibt bzw. sogar noch leicht ansteigt. Die HF<br />

lässt keinerlei Rückschlüsse über die Stoffwechsellage zu (was ja sehr<br />

häufig gepredigt wird - Stichwort „Fettverbrennungspuls“)!<br />

- 197 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Parallel dazu im folgen<strong>de</strong>n Diagramm die Sauerstoffaufnahme (VO² -<br />

relativ und absolut -blaue Linien im oberen Diagrammbereich) und<br />

Sauerstoffpuls (O²-HF - die Menge an Sauerstoff, welche das Herz pro<br />

Schlag transportiert, gemessen in ml/Herzschlag -blaue Linie im unteren<br />

Diagrammbereich). Die Sauerstoffaufnahme zeigt im Mittel parallel zur HF<br />

einen kontinuierlichen Anstieg auf.<br />

Be<strong>de</strong>utend ist hierbei aber, dass in einigen Teilbereichen die<br />

Sauerstoffaufnahme im Mittel konstant blieb, die HF aber weiter signifikant<br />

anstieg. Gleichzeitig sank dabei <strong>de</strong>r Sauerstoffpuls. Dieser verläuft in <strong>de</strong>n<br />

ersten bei<strong>de</strong>n Dritteln signifikant gegenläufig zur HF! Die Ursache dafür ist<br />

einfach: Es reduzierte sich das Herzschlagvolumen. Da sich dann auch die<br />

pro Herzschlag ausgeworfene Menge an Blut reduzierte, sank <strong>de</strong>r<br />

Sauerstoffpuls und die HF musste ansteigen, um <strong>de</strong>n Sauerstoffbedarf<br />

weiterhin <strong>de</strong>cken zu können.<br />

Gehört zu <strong>de</strong>n aussagefähigsten<br />

Testverfahren: Atemgasanalyse per<br />

Spiroergometrie.<br />

Foto: JN<br />

- 198 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Betrachtet man jetzt noch mal die Stoffwechsellage anhand <strong>de</strong>s<br />

(schwarze Linie) (Verhältnis zwischen <strong>de</strong>r<br />

Kohlendioxidabgabe bei <strong>de</strong>r Ausatmung und <strong>de</strong>r Sauerstoffaufnahme bei<br />

<strong>de</strong>r Einatmung), so verläuft dieser während <strong>de</strong>s ganzen Tests signifikant<br />

konstant (um die 0,9). Da <strong>de</strong>r RQ metabolisch beeinflusst wird, woraus<br />

wie<strong>de</strong>rum die Laktatproduktion resultiert, kann hierbei auch eine recht<br />

konstante Laktatkonzentration als gegeben angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

Physiologische Messgrößen weisen eine große Dynamik auf, genau wie Radrennen.<br />

Foto: Bigid Keil - cyclingstars.<strong>de</strong><br />

- 199 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Aus <strong>de</strong>r gleichbleiben<strong>de</strong>n physikalischen Größe und <strong>de</strong>n metabolischen<br />

Gegebenheiten abgeleitet, ist die HF zu keinem Zeitpunkt zwingend als<br />

realer Anstieg <strong>de</strong>r Belastungsintensität anzusehen. Der HF-Anstieg<br />

resultiert aus einer Verringerung <strong>de</strong>s Herzschlagvolumens, ansteigen<strong>de</strong>n<br />

Energieverbrauchs und an<strong>de</strong>ren in Betracht zu ziehen<strong>de</strong>n Gegebenheiten,<br />

welche messtechnisch hierbei nicht alle erfasst wer<strong>de</strong>n konnten.<br />

Der Respiratorische Quotient (RQ)<br />

Der RQ ist eine dimensionslose Größe und ergibt sich aus <strong>de</strong>r Formel:<br />

CO² Ausscheidung (ml/min)<br />

RQ= --------------------------------------<br />

O² Aufnahme (ml/min)<br />

Bei <strong>de</strong>r Spiroergometrie dient <strong>de</strong>r RQ zur Beurteilung <strong>de</strong>r<br />

Ausbelastung. Weiterhin lässt <strong>de</strong>r RQ theoretisch Rückschlüsse auf die<br />

Stoffwechselvorgänge zu, in Ruhe und auch bei Belastung. Dies hängt<br />

damit zusammen, dass beim Stoffwechsel Energieträger (wie Fette<br />

und Kohlenhydrate) O² verbrauchen und dabei CO² entsteht. Das<br />

Verhältnis von O²-Verbrauch und CO²-Entstehung ist bei diesen<br />

Energieträgern unterschiedlich. Bei <strong>de</strong>r Kohlenhydrat-Verbrennung<br />

entsteht genau so viel CO² wie O² verbraucht wird, bei <strong>de</strong>r<br />

Fettverbrennung entsteht weniger CO² als bei <strong>de</strong>r Kohlenhydrat-<br />

Verbrennung bzw. es wird mehr O² verbraucht als CO² entsteht.<br />

Daraus ergeben sich folgen<strong>de</strong> RQ-Werte:<br />

KH-Verbrennung: RQ 1<br />

F-Verbrennung: RQ 0,7<br />

Werte dazwischen ergeben sich aus einem Mischstoffwechsel zwischen<br />

Kohlenhydrat- und Fettverbrennung (eine Verstoffwechselung von<br />

Proteinen hier nicht berücksichtigt, da dieser nur in<br />

Ausnahmesituationen von beson<strong>de</strong>rer Relevanz ist). Bei <strong>de</strong>r<br />

Überschreitung <strong>de</strong>r AS wird vermehrt Laktat verstoffwechselt und noch<br />

mehr CO² produziert. Dann steigt <strong>de</strong>r RQ auf Werte über 1 an.<br />

Eine Auslastung bei solch einem Testverfahren erfor<strong>de</strong>rt RQ-Werte >1.<br />

- 200 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

So ist davon auszugehen, dass bedingt durch die Laborbedingungen<br />

(geschlossener Raum mit begrenzter Kühlmöglichkeit und einer Temperatur<br />

über 20 °C), ein zunehmen<strong>de</strong>r Anstieg <strong>de</strong>r Körpertemperatur vorlag,<br />

welches die Thermoregulation <strong>de</strong>s Körpers entsprechend for<strong>de</strong>rte.<br />

Weiterhin han<strong>de</strong>lte es sich bei <strong>de</strong>r Testperson nicht um einen gut<br />

trainierten Ausdauersportler (Ermüdungsfaktor) und auch seine<br />

Bewegungsökonomie war suboptimal, welches sich <strong>de</strong>mgemäß auf <strong>de</strong>n<br />

Wirkungsgrad auswirkte(e). Es sei auch erwähnt, dass die Person eine sehr<br />

unökonomische Atmung aufwies, welches im nächsten Diagramm<br />

dargestellt wird.<br />

Die hellgrüne Linie gibt das Atemzugvolumen (Atemzugtiefe) und die<br />

dunkelgrüne die Atemfrequenz wie<strong>de</strong>r. Die Atmung ist <strong>de</strong>shalb als<br />

unökonomisch zu bewerten, da im Mittel kontinuierlich die Atemfrequenz<br />

erhöht wur<strong>de</strong>, bei paralleler Verringerung <strong>de</strong>r Atemzugtiefe.<br />

Bei ökonomischer Atmung wür<strong>de</strong> die Atemzugtiefe relativ konstant bleiben<br />

(zumin<strong>de</strong>st solange keine <strong>de</strong>utliche Ermüdung auftritt) und <strong>de</strong>r Bedarf an<br />

Sauerstoff primär durch diese ge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n. Statt<strong>de</strong>ssen lag eine Art<br />

Hyperventilation vor. Diese kann zu einem vermehrten CO²-Ausstoß führen<br />

und damit <strong>de</strong>n RQ (aus <strong>de</strong>m wie<strong>de</strong>rum die Stoffwechsellage angezeigt<br />

wird) beeinflussen und damit das Ergebnis verfälschen. D. h.: Es wür<strong>de</strong><br />

dann eine Stoffwechsellage angezeigt, die nicht korrekt ist (höhere<br />

Kohlenhydratverbrennung). Bei ökonomischer Atmung wäre ein Sinken <strong>de</strong>s<br />

RQ im Laufe <strong>de</strong>r Dauerbelastung, bedingt durch eine zunehmen<strong>de</strong><br />

Glykogenspeicher-Entleerung und damit verbun<strong>de</strong>ner erhöhter bzw.<br />

ansteigen<strong>de</strong>r Fettstoffwechselrate nicht unwahrscheinlich gewesen.<br />

- 201 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Eine unzureichen<strong>de</strong> Atemzugtiefe führt auch dazu, dass ein Großteil <strong>de</strong>r<br />

ausgeatmeten sauerstoffarmen Luft nicht mehr ausreichend abgeatmet und<br />

bei <strong>de</strong>r nächsten Einatmung wie<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Lunge aufgenommen wird. Ein<br />

Teil <strong>de</strong>r sauerstoffarmen Luft wird quasi zwischen Lunge und Mundraum<br />

(Totraumvolumen) nur hin und her geschoben, was die Aufnahme von<br />

Sauerstoff erschwert. Atemfrequenz und HF steigen an.<br />

Foto: Bigid Keil - cyclingstars.<strong>de</strong><br />

Betrachtet man typische Messgrößen unter längeren, gleichmäßigen<br />

Dauerbelastungen, so ergibt sich standardgemäß das Bild, dass kein<br />

physiologischer bzw. biologischer Parameter in <strong>de</strong>r Lage ist, bei je<strong>de</strong>r Art<br />

einer Ausdauerbelastung dauerhaft ein Steady-State zu bil<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>r<br />

einzelne Messwert unterliegt früher o<strong>de</strong>r später signifikanten<br />

Schwankungen bzw. Verän<strong>de</strong>rungen, da auch die inneren und äußeren<br />

Rahmenbedingungen immer wie<strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rungen unterliegen.<br />

- 202 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

So kann es dann auch zu <strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsprüchlich erscheinen<strong>de</strong>n Gegebenheit<br />

kommen, dass bei einer Dauerbelastung die HF irgendwann <strong>de</strong>utlich<br />

ansteigt (Ermüdung, Reduzierung <strong>de</strong>s Herzschlagvolumens,<br />

Glykogenspeicher-Entleerung), im Gegenzug die Laktatkonzentration im<br />

Blut aber sinkt (vermehrtes Laktat erfor<strong>de</strong>rt die Verstoffwechselung von<br />

Glykogen) – und dies bei gleicher Muskelarbeit und physikalischer Leistung<br />

(z. B. Laufgeschwindigkeit). Isoliert betrachtet wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Anstieg <strong>de</strong>r HF<br />

aber auf eine Erhöhung <strong>de</strong>r Belastungsintensität hinweisen, eine niedrigere<br />

Laktatkonzentration aber auf eine Verringerung dieser. Bei<strong>de</strong>s gleichzeitig<br />

kann aber nicht gegeben sein. Erst unter Betrachtung <strong>de</strong>r<br />

Laufgeschwindigkeit kristallisiert sich klares (Gesamt-) Bild <strong>de</strong>r Sachlage<br />

heraus. Denn <strong>de</strong>r Anfang in <strong>de</strong>r Ursache-Wirkungs-Kette muss primär<br />

betrachtet wer<strong>de</strong>n. Und diese beginnt mit <strong>de</strong>r Muskelbeanspruchung (eng<br />

gekoppelt an die physikalische Leistung), ohne <strong>de</strong>ren Betrachtung<br />

Stoffwechsellage und HF irreführen<strong>de</strong> Hinweise geben wür<strong>de</strong>n.<br />

Man darf <strong>de</strong>shalb einzelne Messgrößen nicht isoliert bewerten. Ein Anstieg<br />

<strong>de</strong>r HF stellt in zwar gewisser Weise eine Erhöhung <strong>de</strong>r Intensität dar –<br />

aber erst mal nur in Bezug auf die Herz-Kreislauf-Belastung. Eine<br />

Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Laktatkonzentration kennzeichnet gewissermaßen auch<br />

eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Intensität – aber erst mal nur in Bezug auf <strong>de</strong>n<br />

Metabolismus (also auf <strong>de</strong>n Stoffwechsel bezogen). Das Gleiche gilt für die<br />

Sauerstoffaufnahme, einen physikalischen Parameter wie Watt bzw.<br />

Geschwindigkeit und sonstige Messgrößen.<br />

All solche Größen müssen im Zusammenhang gesehen und beurteilt<br />

wer<strong>de</strong>n. Keiner solcher Parameter thront als absolute Größe über allen<br />

an<strong>de</strong>ren. Da es physiologisch, physikalisch und logisch nicht begründbar<br />

ist, bestimmte Rahmenbedingungen als pauschal „richtig“ o<strong>de</strong>r „normal“ zu<br />

kennzeichnen, kann es auch keine pauschal favorisierten<br />

Rahmenbedingungen geben, aus <strong>de</strong>nen sich „DIE RICHTIGEN“, klar<br />

abgrenzbaren Parameterwerte für<br />

Trainingsvorgaben ergeben können.<br />

- 203 -<br />

So wertvoll und hilfreich die Herzfrequenz<br />

auch ist, die Aussagefähigkeit solcher<br />

Messungen hat auch ihre Grenzen.<br />

Foto: JN


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Für einen Ausdauersportler ist eine Steigung ebenso „normal“ und<br />

„Standard“ wie ebenes Terrain, genau so wie warme und kalte<br />

Temperaturen, ausgeruhter und ermü<strong>de</strong>ter Zustand, Gegenwind und<br />

Rückenwind usw. Es ist wi<strong>de</strong>rsinnig, standardisierte Rahmenbedingungen<br />

eines Ausdauertests pauschal als „richtige“ Referenzbedingungen<br />

anzusehen und zu glauben, aus diesem Test heraus einfach eine sichere<br />

Referenz-Orientierungsgröße ableiten und universell anwen<strong>de</strong>n zu können.<br />

Eine Orientierungsgröße, anhand <strong>de</strong>r man dann einfach kontrolliert wer<strong>de</strong>n<br />

soll, ob die „inneren“ (körperbezogenen) Rahmenbedingungen gegeben<br />

sind, welche die Belastungsintensität <strong>de</strong>finieren sollen.<br />

Än<strong>de</strong>rt sich während eines <strong>Ausdauertraining</strong>s die Höhe <strong>de</strong>r<br />

Orientierungsgröße (wie etwa die HF) und man han<strong>de</strong>lt entsprechend, um<br />

diesen Parameter wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n gefor<strong>de</strong>rten Wert zu lenken<br />

(Tempoverän<strong>de</strong>rung), so be<strong>de</strong>utet es mitnichten, dass automatisch <strong>de</strong>r<br />

vorherige innere Zustand <strong>de</strong>s Körpers wie<strong>de</strong>r hergestellt wird. Und es heißt<br />

auch nicht, dass dann die Vorgänge im Körper zwangsläufig mit <strong>de</strong>nen<br />

übereinstimmen, welche bei <strong>de</strong>r Momentaufnahme eines Ausdauertests<br />

vorlagen – we<strong>de</strong>r zu Beginn <strong>de</strong>s Trainings noch im Laufe <strong>de</strong>r<br />

Trainingseinheit.<br />

Tritt bei einer gleichmäßigen Dauerbelastung eine Verän<strong>de</strong>rung innerer<br />

Rahmenbedingungen ein, was ab einer gewissen Dauer unausweichlich ist,<br />

so kann eine dogmatische Einhaltung eines Parameterwertes dies nicht<br />

einfach än<strong>de</strong>rn bzw. rückgängig machen. An<strong>de</strong>re Rahmenbedingungen<br />

erfor<strong>de</strong>rn dann grundsätzlich immer eine an<strong>de</strong>re Interpretation <strong>de</strong>r Lage.<br />

Zu meinen, dies wäre nicht notwendig, da eine (einzelne!) bestimmte<br />

Orientierungsgröße ja gleich bleibt, ist schon rein physikalisch unhaltbar.<br />

Dieser Umstand ist geltend für<br />

je<strong>de</strong> Orientierungsgröße, welche<br />

<strong>de</strong>m Ausdauersportler zur<br />

Verfügung steht!<br />

Vieles, was absolut erscheint, ist bei<br />

genauer Betrachtung äußerst relativ.<br />

- 204 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Kommentar<br />

Gebetsmühle<br />

So, jetzt nerve ich und kaue das Ganze noch mal durch, damit dies<br />

auch wirklich klar wird. Betrachten wir die sich auftuen<strong>de</strong> Schwierigkeit<br />

aus <strong>de</strong>r Praxis eines Läufers: Es ging eine umfangreiche<br />

Leistungsdiagnostik voraus, mit allerlei möglichen Messungen. Die<br />

Rahmenbedingungen wur<strong>de</strong>n dabei möglichst optimiert und aus diesen<br />

„Referenzbedingungen“ wur<strong>de</strong>n die Höhen <strong>de</strong>r einzelnen<br />

Orientierungsgrößen ermittelt, anhand <strong>de</strong>r wir im Training die<br />

Belastung steuern sollen. Nun starten wir eine Trainingseinheit. Der<br />

Einfachheit halber wählen wir hierbei eine relativ extensive<br />

. Um effektiv, gemäß <strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m<br />

Ausdauertest resultieren<strong>de</strong>n Vorgaben zu trainieren, stehen wir nun vor<br />

<strong>de</strong>r Aufgabe, möglichst ausreichend (ständig) für die „inneren“<br />

Rahmenbedingungen <strong>de</strong>s Tests zu sorgen. D. h.: Stoffwechsellage,<br />

Laktat, Sauerstoffaufnahme sollten in <strong>de</strong>m Rahmen bleiben, welche die<br />

vorgegebene Intensität <strong>de</strong>finiert, die uns <strong>de</strong>r Test bescheinigt hat. Nun<br />

haben wir das Problem, dass wir die äußeren Rahmenbedingungen<br />

(Klima, Bo<strong>de</strong>nbelag, Streckenprofil) nur begrenzt beeinflussen können.<br />

Diese wer<strong>de</strong>n zwangläufig immer wie<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Testbedingungen<br />

abweichen – ja müssen es sogar, um effektive Reize setzen zu können.<br />

Nun wissen wir, dies bedarf wohl keiner Diskussion, dass bei gleichem<br />

Tempo eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r äußeren Rahmenbedingungen immer<br />

auch zu Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r inneren Rahmenbedingungen führt. Dass<br />

also Reaktionen im Körper ausgelöst wer<strong>de</strong>n, welche ggf. ein Eingreifen<br />

notwendig machen könnten, damit die vorgegebene<br />

Belastungsintensität eingehalten wird. Die äußeren Bedingungen<br />

müssen wir nicht messtechnisch erfassen, diese sind sichtbar und<br />

spürbar. Eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bo<strong>de</strong>nbelags, eine Steigung, ein<br />

Temperaturwechsel, ein Variieren <strong>de</strong>r Windstärke … solche Faktoren<br />

sind ohne technische Hilfsmittel erfassbar. Doch wie wollen wir jetzt<br />

sicher kontrollieren, was für Reaktionen und Verän<strong>de</strong>rungen in unserem<br />

Körper vonstattengehen, sei es eben durch äußere Bedingungen o<strong>de</strong>r<br />

einfach durch innere Vorgänge bedingt, welche eine längere<br />

Dauerbelastung nun mal mit sich bringen?<br />

- 205 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Die Laufgeschwindigkeit fällt weg. Das Körpergefühl kann klare<br />

Hinweise geben, dass sich innere Faktoren geän<strong>de</strong>rt haben. So sind<br />

Än<strong>de</strong>rungen von Atmung und Beingefühl spürbar. Dann noch die HF.<br />

Da diese hochsensibel reagiert, ist eine Verän<strong>de</strong>rung dieser immer,<br />

wirklich immer ein Hinweis dafür, dass im Körper etwas an<strong>de</strong>rs ist, als<br />

vor <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r HF. Aber was passiert dann genau in unserem<br />

Körper? Wann ist ein Eingreifen erfor<strong>de</strong>rlich? Ist es überhaupt<br />

erfor<strong>de</strong>rlich? Tatsache ist: Wenn wir bei <strong>de</strong>r besagten Trainingseinheit<br />

eine bestimmte HF recht konstant halten, be<strong>de</strong>utet dies nicht<br />

automatisch, dass die inneren Bedingungen <strong>de</strong>nen entsprechen, welche<br />

bei gleicher HF beim Ausdauertest vorlagen!<br />

Nehmen wir jetzt mal eine physische Verfassung und äußere<br />

Bedingungen an, welche vergleichbar sind mit <strong>de</strong>nen beim<br />

Ausdauertest, so dürfen wir dann aber mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

davon ausgehen, dass die HF tatsächlich <strong>de</strong>n Belastungsgrad<br />

wi<strong>de</strong>rspiegelt, welcher beim Test vorlag und wir die richtige,<br />

vorgesehene Intensität einhalten („Referenzbedingungen“).<br />

Nun laufen wir eine Weile mit recht konstanter HF und auch das<br />

Lauftempo bleibt parallel dazu relativ konstant. Dann stellen wir<br />

irgendwann fest, dass bei diesem Tempo die HF eine <strong>de</strong>utliche<br />

Verän<strong>de</strong>rung aufweist. Die Fragen, die sich uns jetzt stellen sind: Was<br />

hat diese HF-Verän<strong>de</strong>rung bewirkt und was passiert, wenn wir fix<br />

darauf reagieren und das Tempo so anpassen, dass die HF wie<strong>de</strong>r ihren<br />

ursprünglichen Wert erreicht?<br />

Der Kraftanteil wird höher<br />

Wir laufen einen langen Anstieg hinauf und wir senken das<br />

Tempo so, dass die Laktate nicht spürbar nach oben schießen.<br />

Wir versuchen jetzt mal subjektiv ein Gefühl in <strong>de</strong>n Beinen zu<br />

behalten, welches sich nicht anstrengen<strong>de</strong>r anfühlt, als auf<br />

<strong>de</strong>m flachen Terrain zuvor. Wir wer<strong>de</strong>n feststellen, dass die HF<br />

dabei sinkt. Haben wir die „Referenzbedingungen“ nun<br />

verlassen? Ja! Beanspruchen uns jetzt zu gering? Nein! Denn<br />

wür<strong>de</strong>n wir die HF einhalten, dann wäre eine <strong>de</strong>utlich höhere<br />

Muskelbeanspruchung gegeben und die Laktate wür<strong>de</strong>n<br />

ansteigen, <strong>de</strong>r Stoffwechsel also auch an<strong>de</strong>rs arbeiten.<br />

- 206 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 207 -<br />

Das Herzschlagvolumen reduziert sich<br />

Messtechnisch gar nicht erfassbar, nur indirekt durch eine<br />

ansteigen<strong>de</strong> HF zu vermuten! Wür<strong>de</strong> eine Reduzierung <strong>de</strong>s<br />

Tempos, zur Einhaltung <strong>de</strong>r HF, <strong>de</strong>n Zustand wie<strong>de</strong>r<br />

herstellen? Mitnichten, <strong>de</strong>nn das Herzschlagvolumen wird sich<br />

dadurch nicht wie<strong>de</strong>r erhöhen. Aber die Muskelbeanspruchung<br />

wird geringer, ebenso die Sauerstoffaufnahme (da dann das<br />

Herzminutenvolumen sinkt!) und <strong>de</strong>r Stoffwechsel arbeitet<br />

an<strong>de</strong>rs durch eine Än<strong>de</strong>rung (Verringerung!) <strong>de</strong>r Intensität.<br />

Ebenso kann dann <strong>de</strong>r Laktatwert sinken. Die<br />

„Referenzbedingungen“ wer<strong>de</strong>n durch eine Temporücknahme<br />

(trotz gleicher HF) nicht wie<strong>de</strong>r hergestellt.<br />

Die Glykogenspeicher sind stark geleert<br />

Die HF steigt <strong>de</strong>utlich an, <strong>de</strong>r Laktatwert im Blut sinkt.<br />

Erreichen wir hierbei durch eine Reduzierung <strong>de</strong>s Tempos<br />

wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n vorherigen Ausgangszustand, wenn wir dadurch die<br />

HF konstant halten? Mitnichten, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Laktatwert wür<strong>de</strong><br />

weiter sinken, ebenso wür<strong>de</strong> die Muskulatur (ggf. erheblich)<br />

weniger beansprucht.. Allerdings könnte man dann die<br />

Sauerstoffaufnahme wie<strong>de</strong>r ins vorherige Lot bringen. Die<br />

„Referenzbedingungen“ sind aber nicht mehr herstellbar.<br />

Der Ermüdungsgrad steigt an<br />

Der Wirkungsgrad <strong>de</strong>r Maschine Mensch wird dann schlechter<br />

und wegen <strong>de</strong>s steigen<strong>de</strong>n Sauerstoffbedarfs steigt auch die<br />

HF an. Bei einem schlecht eingestellten Verbrennungsmotor<br />

erhöht sich <strong>de</strong>r Energieverbrauch und diverse Zusatz-<br />

Aggregate müssen „an<strong>de</strong>rs“ bzw. mehr arbeiten und zeigen<br />

<strong>de</strong>mgemäß an<strong>de</strong>re Messwerte an. Deshalb muss <strong>de</strong>r Motor<br />

selber aber nicht stärker arbeiten bzw. wird nicht mit höherer<br />

„Intensität“ belastet. Ebenso ist es bei unserem Körper. Eine<br />

Verringerung <strong>de</strong>s Tempos sorgt dann ebenso wenig zur<br />

Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r „Referenzbedingungen“ – auch wenn<br />

dadurch die HF stur eingehalten wird.


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

Dies waren jetzt nur ein paar <strong>de</strong>r möglichen, bereits zuvor ausführlich<br />

beschriebenen Gegebenheiten. Natürlich gibt es auch Varianten, welche<br />

ein Eingreifen notwendig machen und ein fixes Einhalten eines<br />

Messwertes bzw. <strong>de</strong>r HF das Geschehen im Lot hält. So wird<br />

beispielsweise ein Ansteigen <strong>de</strong>r HF ein Zeichen für eine steigen<strong>de</strong><br />

Intensität sein, wenn wir mit einem Mal heftigen Gegenwind haben, das<br />

Tempo aber nicht angepasst reduzieren.<br />

Doch wenn wir wissen, dass in etlichen Situationen die<br />

„Referenzbedingungen“ nicht wie<strong>de</strong>rherstellbar sind, wie können wir<br />

dann noch „richtig“ trainieren? Nur weil wir eine vorgegebene HF<br />

einhalten? Wie will man logisch begrün<strong>de</strong>n, dass die HF <strong>de</strong>r richtige<br />

Intensitäts-Wegweiser ist, wenn (trotz gleicher HF) die inneren<br />

Rahmenbedingungen überhaupt nicht mehr <strong>de</strong>n „Referenzbedingungen“<br />

entsprechen, aus <strong>de</strong>nen die HF-Vorgaben ja erst abgeleitet wur<strong>de</strong>n?<br />

Wenn die „Referenzbedingungen“ „die richtigen“ Bedingungen sind, aus<br />

<strong>de</strong>nen sich „die richtigen“ Intensitäten ergeben, dann wür<strong>de</strong> dies<br />

be<strong>de</strong>uten, dass ab <strong>de</strong>m Moment, wo sich die inneren<br />

Rahmenbedingungen unumkehrbar än<strong>de</strong>rn, nicht mehr „richtig“<br />

trainiert wer<strong>de</strong>n kann. Denn per Definition wäre dann die<br />

Kausalbeziehung <strong>de</strong>s Begriffs und <strong>de</strong>r Zustand, aus <strong>de</strong>m<br />

diese resultiert, nicht mehr gegeben. Die Trainingseinheit müsste<br />

dann, streng genommen, abgebrochen wer<strong>de</strong>n.<br />

Denken wir nun beim Training immer wie<strong>de</strong>r mal über die Komplexität<br />

<strong>de</strong>s inneren Körpergeschehens nach, so sollte sich uns irgendwann<br />

bewusst wer<strong>de</strong>n, wenn wir wie<strong>de</strong>r auf unser HF-Gerät schauen: „So<br />

einfach und klar ist es nicht. Definitiv nicht!“ Es gibt nur einen Vorgang<br />

im Köper, welcher sich über die HF ein<strong>de</strong>utig kontrollieren lässt,<br />

nämlich die Herzarbeit selber. Diese ist aber nun mal an zahlreiche<br />

Vorgänge im Körper gekoppelt – und kann <strong>de</strong>shalb niemals ein<br />

Gesamtbild liefern. Die inneren Rahmenbedingungen än<strong>de</strong>rn sich ggf.<br />

während einer (zumin<strong>de</strong>st längeren) Dauerbelastung und sind dann je<br />

nach Ursache (während <strong>de</strong>r weiteren Belastung) nicht wie<strong>de</strong>r<br />

herstellbar. Selbst eine peinlich genaue Kontrolle über die HF o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re Parameter kann dies nicht än<strong>de</strong>rn. Es ist unausweichlich und<br />

gehört bei einem <strong>Ausdauertraining</strong> dazu. Sind die<br />

„Referenzbedingungen“ dann nicht mehr gegeben bzw. einhaltbar,<br />

dann muss die Situation auch neu bedacht und beurteilt wer<strong>de</strong>n.<br />

- 208 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Es liegen dann quasi neue bzw. an<strong>de</strong>re „Referenzbedingungen“ vor (die<br />

nicht „falsch“ sein können), welche ein eingreifen<strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>ln<br />

erfor<strong>de</strong>rlich machen könnten – aber längst nicht müssen. Wir können<br />

we<strong>de</strong>r die Vorgänge in unserem Körper, noch die daraus resultieren<strong>de</strong><br />

Trainingsbelastung, anhand einer einzigen Größe genau steuern und<br />

kontrollieren! Wir können nur anhand von Erfahrungen (Fachwissen,<br />

Körpergefühl, Beobachtung) abschätzen, OB bzw. WANN eine<br />

Messgröße WIE aussagefähig ist. Wir können nur mit<br />

situationsabhängigen Wahrscheinlichkeiten jonglieren und hoffen, dass<br />

wir unter <strong>de</strong>m Strich richtig han<strong>de</strong>ln.<br />

Diese faktischen Gegebenheiten haben sich bei vielen Fachleuten aber<br />

nicht genügend manifestiert und scheint sich <strong>de</strong>ren Bewusstsein<br />

chronisch zu entziehen. Doch dies ist nicht nur ein Problem bei starken<br />

Verfechtern von HF gesteuertem Training. Auch bei Fachleuten, welche<br />

die Schwächen <strong>de</strong>r HF anprangern, kommt dies vor. So gibt es in <strong>de</strong>r<br />

Laufsportszene die einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren „Gurus“, welche die HF als<br />

zusätzlichen Anhaltspunkt aus Prinzip verschmähen und<br />

Trainingsvorgaben ausschließlich über das Tempo geben. Diese sind<br />

meist älteren Semesters, die als Sportler nie mit HF-Messung<br />

aufgewachsen sind. Sie erkennen dabei nicht, dass sie ihr Verhalten im<br />

Prinzip das gleiche ist, wie das <strong>de</strong>r „Pulsfetischisten“. Bei<strong>de</strong> stützen sich<br />

quasi nur auf eine Messgröße, <strong>de</strong>ren Aussagefähigkeit für genaue<br />

Vorgaben alleine vollkommen unzureichend ist.<br />

Ich fin<strong>de</strong> es trainingsmethodisch katastrophal, wie leichtfertig Fachleute<br />

mit „richtigen“ Intensitätsvorgaben um sich werfen und weniger<br />

Bewan<strong>de</strong>rten eine Genauigkeit für ihr Training suggerieren und<br />

weismachen, welche physiologisch so pauschal gar nicht möglich ist.<br />

Krönend ist dann noch, wenn die Trainieren<strong>de</strong>n aufgefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />

sich peinlichst genau an die vorgegebenen Werte zu halten – ohne dies<br />

unter <strong>de</strong>r Berücksichtigung potenziell variieren<strong>de</strong>r Rahmenbedingungen<br />

zu relativieren. Es sollte jetzt auch ein<strong>de</strong>utig klar sein, wie wertlos<br />

letztendlich <strong>de</strong>r absolute Maßstab ist, <strong>de</strong>nn dieser sagt<br />

grundsätzlich gar nichts darüber aus, was in unserem Körper unterhalb<br />

dieses Grenzwertes vorgeht. Während eine Leistungsdiagnostik<br />

wenigstens ein brauchbares Abbild bezogen auf gewisse<br />

Standardbedingungen liefern kann, lässt sich dies anhand <strong>de</strong>r max. HF<br />

nur spekulativ vermuten.<br />

- 209 -


Kapitel 2 – Die Herzfrequenz unter <strong>de</strong>r Lupe<br />

HF, Laktat und Leistungsdiagnostik<br />

Und auch dies sei wie<strong>de</strong>rholt: Es ist ein Mythos, dass die HF klare<br />

Rückschlüsse auf die Laktatkonzentration im Muskel / Blut ermöglicht.<br />

Die Ableitung von Trainings-HF-Werten anhand von Laktattests stellt<br />

keine allmächtige Referenzmetho<strong>de</strong> dar.<br />

Merke<br />

- Die tatsächliche Belastungsintensität ist ein Resultat<br />

zahlreicher komplexer, variieren<strong>de</strong>r Vorgänge im Körper,<br />

welche sich mit einer einzigen Messgröße nicht annähernd<br />

ausreichend erfassen lassen!<br />

- „Die richtige Intensität“, ausschließlich bezogen auf ein<br />

fixes Verhältnis bestimmter Parameterwerte, gibt es nicht.<br />

- Je<strong>de</strong> Orientierungsgröße zur Trainingssteuerung ist eine<br />

verän<strong>de</strong>rliche Größe, welche – bei gleicher realer<br />

Belastungsintensität – von <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Rahmenbedingungen abhängig ist! Dies gilt insbeson<strong>de</strong>re<br />

für das Verhältnis dieser Parameter untereinan<strong>de</strong>r.<br />

- Es gibt keinen Parameter, welcher alleine in <strong>de</strong>r Lage ist,<br />

immer korrekt bzw. ein<strong>de</strong>utig die tatsächliche<br />

Belastungsintensität o<strong>de</strong>r Stoffwechsellage<br />

wi<strong>de</strong>rzuspiegeln!<br />

- Je gezielter ein <strong>Ausdauertraining</strong> durchgeführt wer<strong>de</strong>n<br />

soll, <strong>de</strong>sto wichtiger ist es, sich anhand mehrerer<br />

Parameter zu orientieren und das Gesamtbild zu<br />

betrachten.<br />

- Es ist nicht möglich, <strong>de</strong>n einzelnen Intensitätsbereichen<br />

klare Parameterwerte zuzuordnen, da variieren<strong>de</strong><br />

Rahmenbedingungen dies unmöglich machen. Vorgegebene<br />

Werte können immer nur grobe Näherungen darstellen!<br />

- 210 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Kommentar<br />

Diese Merksätze bil<strong>de</strong>n die Kernaussage dieses Buches. Darum dreht<br />

sich im Prinzip alles in diesem Buch. Diese Merksätze stellen die<br />

kleinstmögliche Zusammenfassung dar, welche ich mit <strong>de</strong>m Sinn dieses<br />

Buches verfolge. Diese Merksätze beschreiben elementare Grundregeln,<br />

welche beachtet wer<strong>de</strong>n müssen, wenn ein <strong>Ausdauertraining</strong> wirklich<br />

effektiv und „richtig“ gesteuert wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Diese zeigen aber auch <strong>de</strong>utlich, was für ein Optimierungspotential<br />

noch gegeben ist, wenn wir technisch in <strong>de</strong>r Lage wären, einfach und<br />

kontinuierlich alle körperrelevanten Daten zu erfassen, elektronisch<br />

auszuwerten und uns als „wahre“ Intensität anzeigen zu lassen.<br />

Irgendwann in <strong>de</strong>r Zukunft wird es vielleicht Geräte geben, welche mit<br />

<strong>de</strong>r Größe einer Armbanduhr in <strong>de</strong>r Lage sind, dies zu ermöglichen.<br />

- 211 -<br />

Foto: Ronald Westerhei<strong>de</strong> – rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/


KAPITEL 3<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Foto: Tupungato / Shutterstock.com<br />

"Wer viel misst, misst Mist."<br />

(Sprichwort)<br />

- 212 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

3.1 Anwendungsphilosophien<br />

3.1.1 Die Herzfrequenz und Ausdauertests<br />

In <strong>de</strong>r Fitness- und Gesundheitsbranche<br />

bzw. bei ärztlichen Untersuchungen<br />

(welche auch oft bei Einstellungstests<br />

durchgeführt wer<strong>de</strong>n) wer<strong>de</strong>n meist<br />

Testverfahren angewandt, welche nahezu<br />

o<strong>de</strong>r zu 100 % auf statistischen<br />

Auswertungen beruhen. Die<br />

Aussagefähigkeit solcher Verfahren ist aber<br />

<strong>de</strong>mentsprechend sehr vage, auch wenn es<br />

von so manchen Verfechtern solcher<br />

Metho<strong>de</strong>n gerne abgestritten wird.<br />

Tatsache ist, dass je<strong>de</strong>s Einbeziehen von<br />

statistischen Werten auf Kosten <strong>de</strong>r<br />

Individualität geht und die Fehlerquote<br />

erhöht.<br />

Verfahren und Metho<strong>de</strong>n, welche sich in sehr hohem Maß auf statistische<br />

Werte beziehen, haben <strong>de</strong>mentsprechend zwangsläufig die höchsten<br />

Fehlerquoten.<br />

Solche Testverfahren führen schnell zu einer völligen Fehlinterpretation <strong>de</strong>s<br />

Ergebnisses und absur<strong>de</strong>n Beurteilung <strong>de</strong>r Leistungsfähigkeit und an<strong>de</strong>rer<br />

physiologischer Werte. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man mit<br />

solchen Verfahren arbeitet. Diese Testverfahren sind allenfalls nur für reine<br />

Fitnesssportler geeignet, welche minimale Zielsetzungen haben und bei<br />

<strong>de</strong>nen ein Trainingsplan nicht notwendig bzw. sinnlos ist.<br />

Bei überwiegend auf Statistik beruhen<strong>de</strong>n Ausdauertests wird oft anhand<br />

von Erfahrungswerten (die sich hauptsächlich an Alter, Geschlecht und<br />

Körpergewicht orientieren) von vornherein festgelegt, wie das Verhältnis<br />

von Herzfrequenz zur physikalischen Leistung sein muss (z. B. <strong>de</strong>r<br />

klassische PWC-Test – siehe Abbildung/Tabelle auf <strong>de</strong>r nächsten Seite).<br />

Foto oben: Alexan<strong>de</strong>r Raths – iStockphoto.com<br />

- 213 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Entspricht das Verhältnis <strong>de</strong>r erreichten physikalischen Leistung (meistens<br />

Watt-Leistung) und Herzfrequenz nicht min<strong>de</strong>stens <strong>de</strong>n – rein auf<br />

statistischen Durchschnittswerten beruhen<strong>de</strong>n – Vorgaben, wird die<br />

Leistungsfähigkeit entsprechend negativ ausfallen. D. h.: Ist bei einer<br />

bestimmten Watt-Leistung die Herzfrequenz höher als vorgegeben, bzw.<br />

umgekehrt, wird bei einer bestimmten Herzfrequenz nicht eine bestimmte<br />

Min<strong>de</strong>st-Watt-Leistung erbracht, fällt das Ergebnis schlechter aus, als es<br />

(laut Vorgaben) sein sollte. Solche Bewertungskriterien sind aber<br />

unrealistisch, reine Spekulation und kommen sehr oft zu völlig unkorrekten<br />

Beurteilungen!<br />

Bei <strong>de</strong>r reinen Beurteilung <strong>de</strong>s Leistungsvermögens anhand eines<br />

Leistungstests zählt ausschließlich die physikalische Leistung / Größe,<br />

welche die Person bzw. <strong>de</strong>r Sportler (Letzterer bei seiner Sportart und<br />

Disziplin!) erbringen kann. An<strong>de</strong>re, biologische Größen, können nur<br />

erklären, wie die Leistung physiologisch zustan<strong>de</strong> kommt!<br />

Normwerte PWC Ausdauertest (Min<strong>de</strong>stwerte)<br />

PWC steht für physical work capacity = Herz-Kreislauf-Arbeitskapazität.<br />

Dieser bezieht sich auf <strong>de</strong>n fixen vorgegebenen HF-Wert von PWC 170<br />

- wobei hier eine ergänzen<strong>de</strong> Variante weit verbreitet ist: PWC 130<br />

(Personen ab 40 Jahre). PWC 150 (< 40 Jahre) und PWC 170 (für<br />

Sportler bzw. gut Trainierte). Bei einem Laborstufentest auf <strong>de</strong>m<br />

Ra<strong>de</strong>rgometer wird die Belastung so lange erhöht, bis die Ziel-HF<br />

erreicht ist (die Belastungsstufe wird dabei zu En<strong>de</strong> gefahren). Die<br />

dazugehörige Watt-Leistung wird durch das Körpergewicht dividiert und<br />

dient dann als Beurteilung <strong>de</strong>r Leistungsfähigkeit. Als Normwerte<br />

(Min<strong>de</strong>stwerte!) gelten dann folgen<strong>de</strong> Standards zur Bewertung <strong>de</strong>r<br />

Leistungsfähigkeit:<br />

Frauen (Watt/kg) Männer (Watt/kg)<br />

PWC 130: 1,25 1,5<br />

PWC 150: 1,6 2,0<br />

PWC 170: 2,0 2,5<br />

- 214 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Ein typisches (konstruiertes) Beispiel für eine Fehlinterpretation<br />

beim PWC-Ausdauertest (welcher auch für manche Berufe, die eine sehr<br />

gute körperliche Verfassung erfor<strong>de</strong>rn, als Eignungstest zur Beurteilung <strong>de</strong>r<br />

Leistungsfähigkeit genommen wird):<br />

An zwei männliche Personen wird dieser Ausdauertest durchgeführt. Diese<br />

Proban<strong>de</strong>n weisen prinzipiell die gleichen physiologischen Voraussetzungen<br />

(Alter, Geschlecht, Gewicht (80 kg) usw.) auf, mit Ausnahme von einem<br />

Unterschied: Proband 1 kennzeichnet eine überdurchschnittlich hohe MHF<br />

aus und damit generell höhere Belastungs-HF-Werte (genetisch bedingt).<br />

Sein HF-Verhalten ist <strong>de</strong>utlich höher als bei Proband 2, <strong>de</strong>r eine <strong>de</strong>utlich<br />

geringe MHF aufweist, mit entsprechend niedrigen HF-Werten bei<br />

Belastung.<br />

Der PWC-Test wird mit einer Ziel-HF von 170 S/min durchgeführt. Bei<strong>de</strong><br />

müssen, weil es dieser Standardtest vorschreibt, bei gleicher Ziel-HF-<br />

Vorgabe die gleiche Min<strong>de</strong>stwattleistung erbringen, damit <strong>de</strong>r Test als<br />

bestan<strong>de</strong>n gilt. Da dieser Test an eine Aufnahmeprüfung gekoppelt ist,<br />

wer<strong>de</strong>n an bei<strong>de</strong>n Proban<strong>de</strong>n höhere Anfor<strong>de</strong>rungen gestellt als die<br />

Normwerte (siehe PWC-Normwert-Tabelle) – es wird min<strong>de</strong>sten 3<br />

Watt/kg/Körpergewicht erwartet. Je<strong>de</strong> Person muss also bei einer HF von<br />

170 S/min min<strong>de</strong>stens 240 Watt leisten können. Der mögliche Verlauf <strong>de</strong>r<br />

Tests (die einzelnen Belastungsstufen mit Watt und HF) wird bei <strong>de</strong>n<br />

nächsten bei<strong>de</strong>n Abbildungen dargelegt. In diesem fiktiven Beispiel fahren<br />

bei<strong>de</strong> Proban<strong>de</strong>n bis zur Auslastung.<br />

- 215 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Proband 2 besteht <strong>de</strong>n Test, da er als recht spät eine hohe HF und damit<br />

auch eine hohe Wattleistung erreicht, obwohl er dabei bis an seine<br />

Leistungsgrenze gehen muss. Bei einer HF von knapp 170 S/min liegt er<br />

etwas über <strong>de</strong>n gefor<strong>de</strong>rten 240 Watt (gelb markierter Bereich). Dann<br />

schafft er noch eine Belastungsstufe (275 Watt) und muss <strong>de</strong>n Test wegen<br />

Erschöpfung abbrechen.<br />

Proband 1 hat als „Hochpulser“ (Kap. 2.2) das Problem, dass seine HF<br />

<strong>de</strong>mentsprechend schnell ansteigt und schon bei niedrigen Wattleistungen<br />

„hoch“ ist, aber ohne dass er sich überfor<strong>de</strong>rt fühlt. Bei einer Leistung von<br />

225 Watt hat er eine HF von 170 S/min überschritten (gelb markierter<br />

Bereich) und somit <strong>de</strong>n Sollwert nicht erreicht. Und dies, obwohl er noch<br />

längst nicht an seine Leistungsgrenze gehen muss – und sogar eine höhere<br />

max. Wattleistung erbringen kann als Proband 2. Denn sein Leistungslimit<br />

erreicht er erst bei 325 Watt (und damit ist er <strong>de</strong>finitiv leistungsfähiger!).<br />

Aber er besteht diesen Test nicht, da sein Puls ja angeblich viel zu hoch ist.<br />

Auch wenn dies nur ein konstruiertes Beispiel darstellt, es dient nur <strong>de</strong>r<br />

besseren Ver<strong>de</strong>utlichung, solche Situationen stellen keine Einzelfälle dar<br />

(dazu später noch mehr). Ohne die Berücksichtigung bzw. das Kennen <strong>de</strong>r<br />

individuellen Werte MHF und vor allem AS-HF haben die HF-Werte bei<strong>de</strong>r<br />

Personen nur spekulativen Aussagewert! Des Weiteren muss man<br />

berücksichtigen, dass solch ein (und an<strong>de</strong>re vergleichbare) Testverfahren<br />

nur auf das Ra<strong>de</strong>rgometer ausgelegt und dadurch für Nichtradfahrer<br />

unspezifisch sind. Auch dies macht dann solch ein Verfahren nicht gera<strong>de</strong><br />

aussagefähig.<br />

- 216 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Es sind diejenigen am leistungsfähigsten, welche am schnellsten<br />

schwimmen, fahren, laufen usw., unabhängig davon, wie an<strong>de</strong>re<br />

Parameter-Werte ausfallen (wie etwa HF o<strong>de</strong>r Laktat). Alleine die erbrachte<br />

(ggf. sportartspezifische und disziplinspezifische) physikalische Leistung<br />

sagt letztendlich etwas über das wirkliche Leistungsvermögen eines<br />

Menschen aus.<br />

An<strong>de</strong>re, zusätzlich gemessenen<br />

Werte sind rein individuelle<br />

Werte, welche bei<br />

verschie<strong>de</strong>nen Menschen völlig<br />

unterschiedlich ausfallen. Dabei<br />

kann nicht einfach pauschal<br />

vorbestimmt wer<strong>de</strong>n, wie diese<br />

auszufallen haben. Deshalb<br />

kann bei einem Ausdauertest<br />

grundsätzlich nur eine<br />

Auslastung <strong>de</strong>s Proban<strong>de</strong>n eine<br />

realistische Beurteilung und<br />

Auswertung möglich machen –<br />

ohne dies im Verhältnis zur HF<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer Werte zu sehen.<br />

- 217 -<br />

Kein Tunnelblick<br />

Ein Trainer, <strong>de</strong>r einen Schützling hat,<br />

welchem es große Probleme bereitet,<br />

seine HF-Vorgaben einzuhalten,<br />

sollte nicht blind darauf beharren,<br />

dass er sie einhält, son<strong>de</strong>rn auch<br />

<strong>de</strong>n Mut haben, das Test- bzw.<br />

Ermittlungsverfahren zu<br />

hinterfragen. Man muss ein<br />

Verfahren <strong>de</strong>shalb nicht generell<br />

kritisieren bzw. infrage stellen, aber<br />

es stellt letztendlich immer nur eine<br />

Näherung dar, welche für die<br />

betreffen<strong>de</strong> Person ggf. einfach nicht<br />

zum richtigen Ergebnis kam.<br />

Selbst wenn die physikalische<br />

Leistung im Verhältnis zur<br />

Herzleistung beurteilt wer<strong>de</strong>n soll, so hinkt solch eine Vorgehensweise, da<br />

sich die Herzleistung nicht aus <strong>de</strong>r HF ergibt, son<strong>de</strong>rn aus <strong>de</strong>m Herzzeit-<br />

bzw. Herzminutenvolumen, wo das schon mehrmals erwähnte<br />

Herzschlagvolumen mitentschei<strong>de</strong>nd ist. Bei einem Menschen mit<br />

kleinerem Herzmuskel wird bei gleichem Herzminutenvolumen die HF höher<br />

ausfallen (müssen), als bei einem Menschen mit größerem Herzmuskel. Die<br />

Herzleistung ist dann aber dabei gleich! Solch ein Test wür<strong>de</strong> aber dann<br />

bedingt durch die unterschiedliche Herzarbeit schon unterschiedliche<br />

Leistungsfähigkeiten bescheinigen.<br />

Bei einem auf reiner Statistik beruhen<strong>de</strong>n Testverfahren bzw.<br />

Testauswertung wür<strong>de</strong> in <strong>de</strong>m aufgeführten Beispiel Person 1 eine <strong>de</strong>utlich<br />

geringere Leistungsfähigkeit quittiert als Person 2. Erst bei einer<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Auslastung bei<strong>de</strong>r Proban<strong>de</strong>n wäre <strong>de</strong>r tatsächliche<br />

Leistungsunterschied <strong>de</strong>utlich erkennbar.


Der <br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

… ist ein weiterer, im Gesundheitssportbereich weitverbreitetes<br />

Testverfahren, welches nicht nur die Ausdauerleistung beurteilen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch HF-Vorgaben geben will. Anhand von zusätzlichen<br />

Informationen, wie Ruhe-HF und Trainingsumfang, wird anhand eines<br />

komplexen Formelsystems eine entsprechen<strong>de</strong> Berechnung<br />

vorgenommen. Verschleiert wird hierbei aber auch schnell, dass sich<br />

sowohl die Bewertung <strong>de</strong>s Leistungsvermögens, als auch die HF-<br />

Berechnungen, letztendlich nur auf statistische Werte beziehen. Das<br />

ganze komplexe Formelwerk, welches hinter <strong>de</strong>r Auswertung steckt, ist<br />

nichts an<strong>de</strong>res, als eine Näherung bestehend aus Mittelwerten.<br />

Der Autor hat selber jahrelang im Rahmen seines Berufes mit diesem<br />

Verfahren gearbeitet (es war ein Standard in <strong>de</strong>r Fitnessanlage). Die<br />

Ergebnisse und die HF-Vorgaben waren sehr häufig unrealistisch und<br />

unbrauchbar. Wer nicht in das statistische Raster dieses Verfahrens<br />

passt, wird leistungsmäßig falsch beurteilt und bekommt falsche HF-<br />

Vorgaben. Da hilft dann auch nicht das Argument, dass dieses<br />

Testverfahren „wissenschaftlich gestützt“ ist.<br />

Und <strong>de</strong>shalb ist es bei echten leistungsdiagnostischen<br />

Ausdauertestverfahren, wie sie im Ausdauersport üblich sind, ein völliges<br />

Unding die Höhe <strong>de</strong>r HF in die Bewertung <strong>de</strong>r Leistungsfähigkeit mit<br />

einzubeziehen – und dies wird <strong>de</strong>mgemäß auch nicht gemacht. Wenn eine<br />

HF dabei so ausfällt, wie sie ausfällt, dann ist dies so, wie es ist.<br />

Diesbezüglich kann man nicht anhand von Normwerten durchfallen.<br />

Es gibt Situationen, gera<strong>de</strong> bei Untrainierten, wo man sich stark nach<br />

statistischen Werten richten muss, da belasten<strong>de</strong> Ausdauertests für ihn<br />

ungeeignet sind. Allerdings sollte je<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r mit solchen Testverfahren<br />

arbeitet, bewusst sein, wie vage ein prognostiziertes Ergebnis sein kann<br />

und wie groß die Gefahr ist, jeman<strong>de</strong>n vorschnell zu beurteilen.<br />

Aber auch erheblich aufwendigere und teurere leistungsdiagnostische<br />

Verfahren, wie die Laktatleistungsdiagnostik o<strong>de</strong>r Spiroergometrie, sind<br />

nicht frei von Statistik. So beruhen alle typischen Schwellenkonzepte bei<br />

<strong>de</strong>r Laktatmessung (zur Ermittlung <strong>de</strong>r AS) nur auf statistischen o<strong>de</strong>r<br />

mathematischen Verfahren und nicht auf physiologischen Fakten.<br />

- 218 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Es liegen we<strong>de</strong>r physiologische Gegebenheiten vor, wodurch die AS bei<br />

einem fixen Wert liegen muss (Stichwort 4 mmol/l – <strong>de</strong>r klassische<br />

Maßstab) o<strong>de</strong>r bei einer bestimmten Kurvenkrümmung <strong>de</strong>r<br />

Laktatleistungskurve. Noch kümmern <strong>de</strong>n Körper <strong>de</strong>s Menschen<br />

irgendwelche an<strong>de</strong>ren mathematisch ausgeklügelte Verfahrensweisen.<br />

Solche Testmetho<strong>de</strong>n stellen letztendlich immer nur einen Kompromiss dar<br />

zwischen möglichst geringem Zeit- / Kostenaufwand und ausreichen<strong>de</strong>r<br />

Aussagefähigkeit.<br />

Außer<strong>de</strong>m schwächeln alle Ausdauertestverfahren mit rampen- o<strong>de</strong>r<br />

stufenförmigem Belastungsanstieg chronisch daran, dass sie keine<br />

Dauerbelastungen simulieren. Unter einer Dauerbelastung ergibt sich aber<br />

bezüglich <strong>de</strong>r Parameterverhältnisse ein ganz an<strong>de</strong>res Bild, als während <strong>de</strong>r<br />

Momentaufnahme einer kurzen Belastungsstufe. Solche Testverfahren sind<br />

in dieser Hinsicht immer unzureichend spezifisch, <strong>de</strong>nn längere<br />

Dauerbelastungen stellen die Standardsituation für Ausdauersportler dar.<br />

Deren Stärke (auch die von PWC und IPN) liegt allerdings in <strong>de</strong>r<br />

Beurteilung <strong>de</strong>r Leistungsentwicklung, unter <strong>de</strong>r Berücksichtigung <strong>de</strong>r im<br />

Laufe <strong>de</strong>r Zeit sich verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Messwerte. Die Ableitung und Erstellung<br />

von Intensitätsbereichen anhand solcher Verfahren ist aber immer kritisch<br />

zu betrachten. Ein blin<strong>de</strong>s Starren auf Computerausdrucke führt allzu<br />

schnell zu Scheuklappen.<br />

Streitgespräch<br />

Bei einer kleinen Diskussion zwischen <strong>de</strong>m Autor und einer Kundin<br />

(Arzthelferin) sagte diese: „Ein Puls von 220-Lebensalter darf bei<br />

einem Ausdauertest nicht überschritten wer<strong>de</strong>n.“<br />

Sie hatte es so gelernt, konnte dies aber we<strong>de</strong>r physiologisch<br />

begrün<strong>de</strong>n, noch erklären, was es mit <strong>de</strong>r Faustformel (220-LA)<br />

eigentlich auf sich hat. Außer<strong>de</strong>m waren ihr richtige<br />

leistungsdiagnostische Ausdauertestverfahren fremd und sie war <strong>de</strong>r<br />

Meinung, dass diese Regel generell gilt.<br />

Die Frage ist: Wenn diese Formel doch so schön die MHF darstellen soll<br />

(Kap. 1.3.4), wie könnte diese überhaupt überschritten wer<strong>de</strong>n? Höher<br />

als mit <strong>de</strong>r MHF kann man sich per Definition doch gar nicht belasten.<br />

- 219 -


Kommentar<br />

Statistik als Individualitäts-Killer<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Ich hatte ich es mal mit einem Mann zu tun, welcher bei <strong>de</strong>r freiwilligen<br />

Feuerwehr war und sich einer medizinischen Untersuchung unterziehen<br />

musste, um auch mit schwerem Atemschutzgerät arbeiten zu dürfen.<br />

Zu dieser Untersuchung gehörte auch ein Ausdauertest, welcher nach<br />

besagtem statistischen Schema ablief. Dummerweise war <strong>de</strong>r Mann ein<br />

typischer „Hochpulser“, weshalb seine HF auch <strong>de</strong>mentsprechend<br />

schnell anstieg und wodurch er <strong>de</strong>n Test nicht bestan<strong>de</strong>n hatte, obwohl<br />

er ansonsten in sehr guter körperlicher Verfassung war. Er war bei <strong>de</strong>m<br />

Test auch nicht annähernd ausgelastet. Die HF, welche er bei <strong>de</strong>r Ziel-<br />

Watt-Leistung maximal hätte haben dürfen, war für seine individuellen<br />

physiologischen Voraussetzungen unrealistisch niedrig. Er hat dadurch<br />

praktisch nie die Möglichkeit diesen Test zu bestehen, es sei <strong>de</strong>nn, er<br />

wür<strong>de</strong> ein sehr professionelles und umfangreiches Radsporttraining auf<br />

sich nehmen, wo er wahrscheinlich ein Jahreskilometerumfang im<br />

fünfstelligen Bereich absolvieren müsste. Doch mir ist nicht bekannt,<br />

dass solche Anwärter trainierte Radrennfahrer sein müssen.<br />

Einen ähnlichen Fall hatte ich bei einem Polizisten, welcher sich für die<br />

Aufnahme einer Son<strong>de</strong>reinheit auch eines solchen Tests unterziehen<br />

musste. Er kannte die Problematik und wusste, dass er <strong>de</strong>n Test nur<br />

sehr schwer bestehen konnte. Nicht, weil er nicht gut genug trainiert<br />

war, son<strong>de</strong>rn weil er einfach von Natur aus höhere HF-Werte aufwies.<br />

Er unterzog sich mehrere Monate lang eines gezielten Radtrainings (von<br />

mir erstelltes Trainingsprogramm), mit einem Umfang von 7-9<br />

Stun<strong>de</strong>n/Woche (3-4 Trainingseinheiten zwischen 1-3 Stun<strong>de</strong>n)! Ein mit<br />

ihm befreun<strong>de</strong>ter Arzt verabreichte ihn vor <strong>de</strong>m Test einen leichten<br />

Betablocker, um die HF noch etwas zu reduzieren. Rechtlich gesehen<br />

han<strong>de</strong>lte es sich dabei um Betrug. Moralisch gesehen mag sich <strong>de</strong>r<br />

Leser selber ein Bild über die Legitimation machen. Trotz <strong>de</strong>r gezielten<br />

Vorbereitung und <strong>de</strong>r Einnahme <strong>de</strong>s Betablockers (<strong>de</strong>r nicht zu stark<br />

sein durfte, da es sonst aufgefallen wäre) ist er knapp gescheitert. Dem<br />

absur<strong>de</strong>n Maßstab <strong>de</strong>s Tests konnte er nicht gerecht wer<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r<br />

gewünschten weiteren Polizei-Karriere war es aus.<br />

- 220 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Die absolute Krönung jedoch war ein junger (18jähriger), gesun<strong>de</strong>r,<br />

athletischer Mann, <strong>de</strong>r die 5000 m in 18 min zu laufen in <strong>de</strong>r Lage war<br />

und bei einem Einstellungstest <strong>de</strong>r Polizei (wo er über diese Distanz<br />

laufen musste) nur durchfiel - weil dabei sein Puls zu hoch war (höher<br />

als Richtlinien es zuließen). Und das, obwohl er mit Anstand<br />

leistungsfähiger war, als die meisten an<strong>de</strong>ren Anwärter bei solchen<br />

Tests! Durch eine solche lächerliche und vollkommen inkompetente<br />

pauschale Festlegung von Maßstäben wur<strong>de</strong> hier ein Lebenstraum<br />

zerstört (Polizist zu wer<strong>de</strong>n). Damit das klar ist: Dieser Mensch war<br />

kerngesund!!! Die Luftwaffe <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>swehr hatte mit seinen<br />

Pulswerten allerdings kein Problem, dort wur<strong>de</strong> er genommen.<br />

Wobei dieser Fall fast noch zu toppen ist: Einem 65jährigen Mann, <strong>de</strong>r<br />

seit Jahren regelmäßig Rennrad fuhr, um sich fit zu halten, wur<strong>de</strong> bei<br />

einer hausärztlichen Untersuchung (Belastungs-EKG) bescheinigt, dass<br />

sein Puls zu hoch wäre für sein Alter. Er wur<strong>de</strong> daraufhin auch von<br />

einem Kardiologen untersucht, welcher die gleiche Meinung vertrat. Es<br />

lag aber kein medizinischer Befund vor, we<strong>de</strong>r ein krankes Herz, noch<br />

an<strong>de</strong>re gesundheitlich be<strong>de</strong>nkliche Faktoren ließen sich fin<strong>de</strong>n. Der<br />

einzige Aufhänger war die hohe mögliche Belastungs-HF <strong>de</strong>s Mannes,<br />

welche sich nicht mit statistischen Tabellenwerten vereinbaren ließen.<br />

Folglich hieß die These „Puls zu hoch“ – obwohl <strong>de</strong>m keinerlei<br />

medizinische Indikationen vorausgingen. Die Ärzte waren ratlos, <strong>de</strong>r<br />

Mann so verunsichert, dass er aufhörte, ein <strong>Ausdauertraining</strong> zu<br />

betreiben.<br />

Je<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r gewisse Grundkenntnisse über <strong>Ausdauertraining</strong> besitzt,<br />

dürfte einleuchten, dass da irgen<strong>de</strong>twas nicht stimmen kann. Es ist<br />

kaum fassbar, aber lei<strong>de</strong>r sind solche Praktiken weitverbreiteter<br />

Standard und passieren quasi täglich in medizinischen Einrichtungen.<br />

Und ich mache immer wie<strong>de</strong>r Erfahrung mit Menschen, die Opfer solch<br />

eines Unsinns gewor<strong>de</strong>n sind. Und es sind nicht selten wirklich Opfer,<br />

da an einem solchen Test sehr viel abhängen kann.<br />

Die Höhe von HF-Werten pauschal nach Statistiken und die<br />

Leistungsfähigkeit nach einer vorgegebenen Normwerte-Tabelle<br />

(bezüglich Verhältnis zwischen HF und Watt) zu beurteilen ist<br />

haarsträuben<strong>de</strong>r, übelster Unfug. Ich könnte schreien über so viel<br />

Inkompetenz <strong>de</strong>r Richtlinien-Vorgeber. Kaum etwas beim Thema HF-<br />

Messung regt mich mehr auf als dieser Schwachsinn.<br />

- 221 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Ich selber habe HF-Werte, welche überdurchschnittlich hoch sind. Dies<br />

liegt zum einen an genetischer Veranlagung, aber auch maßgeblich<br />

daran, dass sich bedingt durch mein jahrelanges, intensives<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> meine HF-Grenzwerte nicht verringert haben. Meine<br />

MHF ist mit 200 S/min seit über 15 Jahren unverän<strong>de</strong>rt und 25 S/min<br />

höher als die Statistik es for<strong>de</strong>rt – und dies wird sich die nächsten<br />

Jahre auch noch nicht signifikant än<strong>de</strong>rn. In je<strong>de</strong>r „einfachen“<br />

Hausarztpraxis – ja sogar von Kardiologen, welche das Wort<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> nur vom Lesen her kennen, wür<strong>de</strong> mir ganz schnell<br />

eine zu geringe Leistungsfähigkeit und zu hohe Pulswerte bescheinigt.<br />

Standardgemäß wer<strong>de</strong>n solche Untersuchungen dann auf einem<br />

Fahrra<strong>de</strong>rgometer durchgeführt, welches für mich völlig unspezifisch<br />

wäre; ich könnte mein Leistungsvermögen dabei nicht ansatzweise<br />

umsetzen. So habe ich bei einem typischen Test auf <strong>de</strong>m<br />

Fahrra<strong>de</strong>rgometer schon bei etwa 200 Watt „die Kette ab“. In<br />

Anbetracht meiner noch möglichen Laufleistungen erstaunt dies so<br />

manche Leute vom Fach immer wie<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nn daraus resultieren müsste<br />

auf <strong>de</strong>m Rad <strong>de</strong>utlich mehr leisten können. Doch obwohl ich<br />

ursprünglich vom Radsport her komme, habe ich dabei „nichts mehr<br />

drauf“ und je<strong>de</strong>r trainierte Hobbyfahrer wür<strong>de</strong> mir leicht davonfahren.<br />

Bei so etwas wird oft stur auf das Herz-Kreislauf-System geschielt,<br />

ohne dabei die Arbeitsmuskulatur und wie sie spezifische trainiert wird,<br />

als entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Faktor zu betrachten.<br />

Ich hatte bei dieser Aufnahme eine HF,<br />

die laut Statistik meiner MHF<br />

entsprechen sollte (175 S/min). Sehe<br />

ich dort so aus, als wenn ich mich mit<br />

dieser belastet hätte? Tatsächlich lag ich<br />

25 S/min darunter. Und ich habe keinen<br />

„zu hohen Puls für mein Alter“. Da<br />

genetisch und trainingsphysiologisch<br />

erklärbar ist dieser vollkommen normal!<br />

- 222 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 223 -<br />

Es gibt keine natürlichen<br />

Normen<br />

Es gibt in <strong>de</strong>r Natur keine<br />

Vorgaben, wie hoch die HF,<br />

bei welchem Alter, bei<br />

welcher Belastung sein darf<br />

o<strong>de</strong>r nicht. Die Physiologie<br />

<strong>de</strong>s Menschen unterliegt<br />

keinen Normen. Ein<br />

altersgemäßer, pauschal<br />

beurteilter „zu hoher Puls“<br />

ist physiologischer Blödsinn!<br />

Finisher bei einem Marathon. Kaum zu glauben, aber lächerlicherweise wur<strong>de</strong> so<br />

manch einer von ihnen mangels Statistikkompatibilität bei diversen Pseudotests<br />

durchfallen.<br />

Foto oben: JN<br />

Merke<br />

So manches „genaue“<br />

Testverfahren outet sich<br />

bei genauer Betrachtung<br />

nur als pauschaler<br />

Blen<strong>de</strong>r.<br />

Foto rechts: nyul -<br />

iStockfoto.com<br />

Bei gesun<strong>de</strong>n Menschen gibt es kein „Unnormal“ bezüglich<br />

<strong>de</strong>r HF-Werte! Das Einzige, was dabei normal ist, ist, dass<br />

es kein Normal gibt.


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

3.1.2 Die Herzfrequenz und Fitnesssport<br />

Sind anaerobe Belastungen schädlich?<br />

Der reine Freizeit- und Gesundheitssportler<br />

wird immer wie<strong>de</strong>r vor Belastungen im höheren<br />

bzw. anaeroben Bereich gewarnt, da dies<br />

angeblich gesundheitlich be<strong>de</strong>nklich wäre.<br />

Trainern und Übungsleitern wird dies bei <strong>de</strong>r<br />

Ausbildung oft chronisch vermittelt. Solchen<br />

Belastungen sollten sich nur Leistungssportler<br />

aussetzen, da sie ausreichend trainiert sind, so<br />

wird häufig propagiert. Vermeintlich folgerichtig<br />

wird diesen Sportlern auch meist empfohlen,<br />

entsprechend hohe HF-Werte zu mei<strong>de</strong>n. Solch<br />

eine Pauschalisierung ist sehr<br />

diskussionswürdig und sollte relativiert<br />

betrachtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Anaerobe Stoffwechselvorgänge bzw. höhere Beanspruchungen sind völlig<br />

natürliche Gegebenheiten, scha<strong>de</strong>n grundsätzlich nicht, und es ist für <strong>de</strong>n<br />

Menschen völlig normal und natürlich, diese auch zu nutzen (Kap. 1.3.6).<br />

Ohne diese Fähigkeit wäre die Menschheit auch schon längst ausgestorben,<br />

weil sie sich im harten Überlebenskampf nicht hätte behaupten können.<br />

Auch im heutigen Alltag wird man immer wie<strong>de</strong>r mit Situationen<br />

konfrontiert, welche höhere, teils anaerobe Belastungen for<strong>de</strong>rn. Die<br />

Autobahnbrücke, die sich vor <strong>de</strong>m Alltagsradfahrer auftürmt, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

stürmische Gegenwind, <strong>de</strong>r sich diesem entgegenstemmt. Die tägliche<br />

Treppe in <strong>de</strong>n x-ten Stock, die einem im Weg steht, o<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

anstrengen<strong>de</strong> Lauf über 200 m zum Bus, <strong>de</strong>n man wie<strong>de</strong>r zu verpassen<br />

droht. Standardgemäß wer<strong>de</strong>n täglich Menschen – unabhängig von ihrer<br />

physischen Verfassung - auch anstrengen<strong>de</strong>n Beanspruchungen<br />

ausgesetzt, welche zu höheren HF-Werten bzw. Intensitäten führen. Dies<br />

ist völlig normal und kein Mediziner, Therapeut o<strong>de</strong>r Trainer wür<strong>de</strong> dies<br />

kritisch betrachten. Und vergleichbaren Situationen ist <strong>de</strong>r Mensch<br />

ausgesetzt, seit <strong>de</strong>m er auf unserem Planeten wan<strong>de</strong>lt. Merkwürdigerweise<br />

wird dies von vielen solcher Fachleuten an<strong>de</strong>rs gesehen, wenn die<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Personen „Sport machen“, dann wer<strong>de</strong>n solche<br />

Belastungen schnell dogmatisch abgelehnt.<br />

- 224 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 225 -<br />

Man könnte meinen, dass mit <strong>de</strong>r<br />

Erfindung „Sport“ etwas kreiert wur<strong>de</strong>,<br />

welches sich von <strong>de</strong>n naturgegebenen<br />

Bedingungen völlig unterschei<strong>de</strong>t und<br />

zwingend kontrolliert wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Diese Handlungsweise, stur fixiert auf<br />

das Gelernte, ist logisch nicht<br />

nachvollziehbar und sachlich nicht zu<br />

begrün<strong>de</strong>n (<strong>de</strong>r Körper kann nicht<br />

unterschei<strong>de</strong>n zwischen<br />

Alltagsbelastung und Sport). Natürlich<br />

besteht theoretisch keine wirkliche<br />

Notwendigkeit, einen Freizeitsportler<br />

mit „hohen“ HF-Werten (als Zeichen<br />

von hoher Intensität) trainieren zu lassen, da es für eine ausreichen<strong>de</strong><br />

Fitness entbehrlich ist. Theoretisch – <strong>de</strong>nn an<strong>de</strong>rerseits kann er sich auch<br />

durch gezielte Ansteuerung von höheren Intensitäten auf die<br />

beschriebenen Alltagssituationen vorbereiten, um diese besser bewältigen<br />

zu können. Es wäre trainingsmethodisch somit nicht falsch – ja sogar<br />

eigentlicher Sinn eines Trainings, genau dies zu tun.<br />

Und wenn er gesund ist und ein<br />

Bedürfnis verspürt sich<br />

gelegentlich auch mal stärker zu<br />

for<strong>de</strong>rn, dann gibt es keine<br />

physiologische Begründung,<br />

welche dies verbietet. Nur eine<br />

verfrühte, zu häufige und nicht<br />

<strong>de</strong>m Leistungsvermögen<br />

angepasste Belastung in solchen<br />

Bereichen ist aus gesundheitlichen<br />

Aspekten fragwürdig.<br />

Ausschließlich eine individuelle<br />

Betrachtung <strong>de</strong>r Situation lässt<br />

diesbezüglich eine seriöse<br />

Beurteilung zu. Eine pauschale Beurteilung nur anhand <strong>de</strong>r Leistungsklasse<br />

ist unzureichend und Schubla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nken.<br />

Fotos: JN


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Je<strong>de</strong>r gesun<strong>de</strong> Mensch, egal welcher Leistungsklasse, kann sich<br />

unbe<strong>de</strong>nklich auch höher intensiven, ggf. anaeroben Ausdauerbelastungen<br />

aussetzen - wenn entsprechen<strong>de</strong>n Rahmenbedingungen gegeben sind. Es<br />

entspricht <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>s Menschen, dies zu tun!<br />

Die Frage ist hierbei nicht ob, son<strong>de</strong>rn ab wann und in welchem Umfang<br />

solche Belastungen eingesetzt wer<strong>de</strong>n könnten. Und bei einem weniger<br />

trainierten Menschen be<strong>de</strong>utet dies selbstverständlich, dass <strong>de</strong>r Umfang<br />

und die Häufigkeit höher intensiver Belastungen bei ihm <strong>de</strong>utlich geringer<br />

sind, als in <strong>de</strong>n leistungsorientierten, höheren Leistungsklassen. Und<br />

selbstverständlich sollte immer eine ausreichen<strong>de</strong> Grundlage gegeben sein,<br />

antrainiert über geringe Intensitäten. Das dies bei ihm aber generell ein<br />

Tabu sein sollte ist aus <strong>de</strong>r natürlichen Physiologie und <strong>de</strong>r Betrachtung aus<br />

<strong>de</strong>r eigentlich für <strong>de</strong>n Menschen vorgesehenen Lebensweise nicht haltbar.<br />

Eine mangeln<strong>de</strong> Belastungsverträglichkeit, bedingt durch nur geringe<br />

Belastungsintensitäten, lässt sich nicht damit verbessern, in<strong>de</strong>m man<br />

höhere Intensitäten einfach mei<strong>de</strong>t. Es wird sich auch oft nicht die Mühe<br />

gemacht, <strong>de</strong>n Trainieren<strong>de</strong>n genau zu fragen, was dieser <strong>de</strong>nn persönlich<br />

unter <strong>de</strong>r Zielsetzung „Verbesserung <strong>de</strong>r Ausdauer bzw. Fitness“ genau<br />

versteht. „Prävention“ und „Gesundheitstraining“ dürfen nicht automatisch<br />

gleich zu <strong>de</strong>r Annahme führen, dass einfache und pauschale Beurteilungen<br />

und Trainingsvorgaben ausreichend sind. Weiterhin sollte auch nicht eine<br />

Art Entmündigung entstehen, welche einem Fitnesssportler vorschreibt, wie<br />

hoch er sich grundsätzlich belasten „darf“ und wie hoch nicht.<br />

Die verschie<strong>de</strong>nen Leistungsklassen<br />

„Gesundheitssport“, „Fitnesssport“, „Breitensport“, „Leistungssport“,<br />

„Hochleistungssport“. „Fitnessorientiert“, „ambitioniert“,<br />

„leistungsorientiert“ … Es gibt zahlreiche Bezeichnungen und<br />

Kategorien, für Menschen, die Sport treiben. Es gibt keine Normen für<br />

diese Bezeichnungen und auch keine klaren Grenzen zwischen <strong>de</strong>n<br />

Leistungsklassen. Die Übergänge sind fließend, die Zielsetzungen und<br />

Motivationen, welche Menschen dazu bewegen, sich sportlich zu<br />

betätigen, sehr individuell. Fitnesssportler wer<strong>de</strong>n hier schnell in eine<br />

Schubla<strong>de</strong> gesteckt, wenn es darum geht, ihnen Trainingsvorgaben zu<br />

geben.<br />

- 226 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Kommentar<br />

Kin<strong>de</strong>r, welche noch nicht so sehr für lange Ausdauerbelastungen<br />

geeignet sind, wählen instinktiv Kurzzeitbelastungen. Sie rennen,<br />

spielen Fangen, spielen gerne Fußball usw. Alles Beanspruchungen, bei<br />

<strong>de</strong>nen es immer wie<strong>de</strong>r zu kürzeren, aber hohen Belastungen kommt.<br />

Für sie ist dies völlig natürlich und sogar wichtig für ihre körperliche<br />

Entwicklung. Aber für gesun<strong>de</strong> Erwachsene soll dies plötzlich schädlich<br />

sein – und sie sollen bei Belastungen diesen Bereich grundsätzlich<br />

mei<strong>de</strong>n? Das ist völlig absurd.<br />

Der Übergang vom Hobby- und Breitensport zum Leistungssport ist<br />

(gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r heutigen Zeit) fließend und man kann diese Bereiche<br />

nicht klar trennen. Es gibt viele Freizeitsportler, welche sehr<br />

ambitionierte Zielsetzung verfolgen. Ist dies falsch, nur weil diese nie<br />

so leistungsfähig wer<strong>de</strong>n können wie „echte“ Leistungssportler? Eine<br />

Bestzeitleistung alleine kann nicht entschei<strong>de</strong>n, wie hoch man sich<br />

belasten darf. Außer<strong>de</strong>m wird man ja nicht von heute auf morgen –<br />

einfach so – zum Leistungssportler und hat dann eine entsprechen<strong>de</strong><br />

Leistungsfähigkeit und Belastungsverträglichkeit. Je<strong>de</strong>r<br />

Leistungssportler war auch mal ein Hobbysportler und musste sich<br />

seine Fähigkeiten über Jahre hinweg antrainieren. Hat er dann über<br />

Jahre hinweg schädlich trainiert? Der Mensch ist von Natur aus dafür<br />

gedacht, sich wechseln<strong>de</strong>n Belastungen auszusetzen – auch höheren.<br />

Bei solchen pauschalen Beurteilungen wird auch wie<strong>de</strong>r typischerweise<br />

nur die Belastungsintensität beurteilt – ohne die Berücksichtigung <strong>de</strong>r<br />

Belastungsdauer.<br />

Es entschei<strong>de</strong>t aber das Verhältnis bei<strong>de</strong>r Faktoren über die (Aus-<br />

)Wirkung eines Belastungs- bzw. Trainingsreizes. Eine aerobe<br />

Belastung kann <strong>de</strong>shalb durchaus eher zu einer gewissen<br />

Überfor<strong>de</strong>rung führen als eine anaerobe. So kann beispielsweise eine<br />

ungewohnte, viel zu lange (wenn auch aerobe) Belastungsdauer viel<br />

problematischer <strong>de</strong>n Körper erschöpfen, als eine kurze intensive, an <strong>de</strong>r<br />

AS o<strong>de</strong>r darüber.<br />

- 227 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Ich persönlich habe eine gewisse Abneigung gegen die Bezeichnung<br />

„Gesundheitssportler“, da diese einem suggerieren kann, dass<br />

Trainingsbelastungen, die höher sind, nicht mehr gesund sind – wobei<br />

das genaue Gegenteil <strong>de</strong>r Fall ist. Nichts gegen einen<br />

Gesundheitssportler. Aber man sollte sehen, dass dieser – welcher ja<br />

laut Definition so gesund trainiert – in <strong>de</strong>r vorletzten Leistungsklasse<br />

(direkt vor <strong>de</strong>m Untrainierten) einzustufen ist und ein<br />

Leistungsvermögen besitzt, welches immer noch weit unter <strong>de</strong>m liegt,<br />

welches die Natur eigentlich für ihn vorgesehen hat. Nun ist dies immer<br />

noch weitaus besser, als vorzeitig <strong>de</strong>n Fernsehsessel zu verschleißen.<br />

Aber das Schlimme ist, dass <strong>de</strong>m Gesundheitssportler meist suggeriert<br />

wird, dass die ihm gegebenen Trainingsempfehlungen vollkommen<br />

ausreichen. Und ihm sogar davon abgeraten wird, mehr zu machen,<br />

o<strong>de</strong>r sich gar mal etwas höher zu belasten (ist ja nicht mehr gesund) –<br />

obwohl er es vielleicht gerne möchte. Als Laie muss er dies natürlich<br />

glauben, erst recht, wenn es ihm von einem Mediziner o<strong>de</strong>r Trainer<br />

gesagt wur<strong>de</strong>.<br />

Wenn <strong>de</strong>r Körper eines gesun<strong>de</strong>n Fitnesssportlers, <strong>de</strong>r eine gewisse<br />

Trainingsgrundlage hat, höhere Intensitäten nicht zu tolerieren in <strong>de</strong>r<br />

Lage ist, dann hat er – o<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong> er (!) völlig falsch trainiert!<br />

Unabhängig <strong>de</strong>r<br />

Leistungsklasse:<br />

Wer gesund und fit<br />

ist, darf sich auch<br />

mal richtig for<strong>de</strong>rn.<br />

Dies gehört zum<br />

Naturell <strong>de</strong>s<br />

Menschen.<br />

Foto: bytepark<br />

GmbH –<br />

iStockfoto.com<br />

- 228 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

3.1.3 Die Herzfrequenz und Nordic-/Walken<br />

Auch bei diesen Sportarten ist <strong>de</strong>r Einsatz entsprechen<strong>de</strong>r Messgeräte recht<br />

beliebt und wird in so mancher Literatur und von etlichen Fachleuten<br />

erwartet und gepredigt. Sehr aussichtslos ist dies, wenn dabei ein strenger<br />

Fokus auf solche HF-Werte liegen soll.<br />

In <strong>de</strong>n mit Abstand meisten Fällen wer<strong>de</strong>n bei Walkern die HF-Vorgaben<br />

über irgendwelche, sich rein auf Statistik stützen<strong>de</strong> Faustformeln errechnet<br />

(wirklich aussagefähige Testverfahren fin<strong>de</strong>n praktisch so gut wie nie<br />

Anwendung), welche sehr häufig extrem ungenau sind. Die (angebliche)<br />

Wichtigkeit von HF-gesteuertem Training wird dann schnell durch völlig<br />

unkorrekte HF-Vorgaben ad absurdum geführt.<br />

Beim Gehen ist es kaum möglich, sich zu überfor<strong>de</strong>rn. Schrittlänge und<br />

Schrittfrequenz wer<strong>de</strong>n dabei <strong>de</strong>utlich vor einer (ggf. zu) hohen Herz-<br />

Kreislauf-Belastung zu limitieren<strong>de</strong>n Faktoren. So wird man beim Gehen<br />

auf flachem Terrain niemals so hohe Herz- und Atemfrequenzen,<br />

Laktatwerte o<strong>de</strong>r eine Sauerstoffaufnahme erreichen, wie es beim Laufen<br />

möglich ist, da einem schnell die Unmöglichkeit Schrittlänge und –Frequenz<br />

weiter zu erhöhen ausbremst. Hauptproblem für Anfänger ist <strong>de</strong>shalb in<br />

erster Linie muskulärer Art (Schnelligkeit und Koordination) – und nicht ein<br />

hoher Anstrengungsgrad (Herz-Kreislauf / „hoher Puls“). Letzteres wird<br />

aber gerne pauschal bescheinigt und damit die Wichtigkeit <strong>de</strong>r HF-Messung<br />

begrün<strong>de</strong>t.<br />

Sehr häufig for<strong>de</strong>rn HF-Vorgaben Nordic- /Walkern Gehgeschwindigkeiten<br />

ab, welche sich nicht von ebenso gehen<strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>rern unterschei<strong>de</strong>n. Bei<br />

Letzteren gibt es von Fachleuten aber keine<br />

Stimmen, welche eine HF-kontrollierte<br />

Fortbewegung for<strong>de</strong>rn. Aber diese fallen ja<br />

auch nicht in die Kategorie . Die<br />

Schwierigkeit einer logischen Begründung,<br />

ohne grundsätzlich allen Arten von<br />

Fußgängern eine HF-Kontrolle zu verordnen,<br />

sollte erkennbar sein.<br />

- 229 -<br />

Sportlichere Kleidung und strammerer Schritt -<br />

und schon ist für die Bei<strong>de</strong>n eine strenge HF-<br />

Messung von Nöten?


150.000 Jahre Homo sapiens<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

… und <strong>de</strong>r Mensch soll mit einem Mal seine natürlichste Art <strong>de</strong>r<br />

Fortbewegungsweise, welche er von Kin<strong>de</strong>s Beinen an praktiziert, von<br />

einer Anzeige am Handgelenk abhängig machen? Als begleiten<strong>de</strong><br />

Orientierungsgröße ist dies ohne Einwän<strong>de</strong> akzeptabel. Wer dies<br />

allerdings als notwendiges Gängelband predigt, <strong>de</strong>r sollte sich<br />

ernsthaft Gedanken zum Thema natürliches Bewegungsverhalten<br />

machen und über die fehlen<strong>de</strong> Logik sinnieren, warum bei Fußgängern<br />

und Wan<strong>de</strong>rern (ohne Trainingsbekleidung) HF-Messungen entbehrlich<br />

sind. Denn dort verlangt dies (egal wie schnell und lange diese gehen)<br />

kein Trainer, Mediziner usw.<br />

Kommentar<br />

Ich könnte mir die Haare raufen, wenn ich immer wie<strong>de</strong>r sehe, wie in<br />

Fitnessanlagen auf <strong>de</strong>m Laufband, „Sportler“ mit einem lächerlich<br />

geringen Tempo gehen. Ein Tempo, welches nicht selten geringer ist als<br />

ihr Fußgängertempo im Alltag. Ein halbwegs gesun<strong>de</strong>r und nicht massiv<br />

übergewichtiger Mensch, <strong>de</strong>r bei 4-5 km/h auf <strong>de</strong>m Laufband<br />

schaufensterbummelt – vom Trainer verordnet. Wegen <strong>de</strong>s richtigen<br />

Trainingspulses! Ja … nee … ist klar …<br />

Mit Training und Sport hat dies nichts, absolut nichts zu tun!<br />

Wie absurd dies manchmal ist, spiegelt sich mir immer wie<strong>de</strong>r in einem<br />

Bild wie<strong>de</strong>r, welches ich mal beim Lauftraining erlebt habe. Da kam mir<br />

eine Familie mit Mutter, Vater und Tochter entgegen. Sie in Walking-<br />

Bekleidung und Pulsmesser, zwei Meter dahinter Papa mit Tochter – in<br />

normaler Bekleidung locker hinterhergehend. Die Frage die sich mir<br />

stellt(e): Was hat ihr <strong>de</strong>r HF-Messer gebracht und warum kamen Vater<br />

/ Tochter ohne einen aus?<br />

Wer „Gehen“ zum Zweck einer Minimal-Fitness nutzen möchte, ohne<br />

irgendwelche Ambitionen, <strong>de</strong>r muss als gesun<strong>de</strong>r Mensch keinen HF-<br />

Messer benutzen. Dieses als Notwendigkeit zu predigen ist absurd und<br />

lächerlich. Raus aus <strong>de</strong>r Wohnung und strammen Schrittes die frische<br />

Luft genießen – mehr muss man nicht tun.<br />

- 230 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

3.1.4 Die Herzfrequenz im Fitnessstudio<br />

Automatisch gesteuertes Ergometer-Training Foto: Ergofit<br />

Beim klassischen Fitnesstraining auf einem<br />

Ergometer bzw. Kardiogerät<br />

(Fahrra<strong>de</strong>rgometer, Laufband usw.) gibt es<br />

oft standardmäßig die sogenannten<br />

. Man gibt in <strong>de</strong>n<br />

Computer eine HF-Unter- und -Obergrenze<br />

ein und Laufgeschwindigkeit, Wattleistung<br />

bzw. <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand wird dann automatisch<br />

so geregelt, dass die vorgegebene HF-<br />

Bandbreite nicht über- bzw. unterschritten<br />

wird. Die Möglichkeit, <strong>de</strong>n Trainieren<strong>de</strong>n einer<br />

gleichmäßigen Belastungsintensität<br />

auszusetzen, soll damit vereinfacht o<strong>de</strong>r<br />

sichergestellt wer<strong>de</strong>n. So praktikabel solch<br />

eine Funktion auch zu sein scheint, so schnell<br />

stößt sie auch an die Grenzen zu „trainingsmethodisch fragwürdig“.<br />

Wenn man Leute bei solch einem Training auf einem Fahrra<strong>de</strong>rgometer<br />

beobachtet, so wird man immer wie<strong>de</strong>r feststellen, dass durch die<br />

zahlreichen Einflussfaktoren, eine „vorschriftsmäßig“ eingehaltene HF<br />

chronisch mit gewissen Gesetzmäßigkeiten <strong>de</strong>r Trainingslehre kollidiert. Die<br />

Problematik liegt darin, dass meist eine schwanken<strong>de</strong> HF die Elektronik<br />

dazu veranlasst <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstand immer wie<strong>de</strong>r entsprechend anzupassen.<br />

Diese ständige automatische Verän<strong>de</strong>rung ist häufig sehr stark, wodurch<br />

dann auch <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r einzusetzen<strong>de</strong>n Kraft erheblich variiert. Dadurch<br />

wird <strong>de</strong>r Trainieren<strong>de</strong> auch zwangsläufig immer wie<strong>de</strong>r seine Trittfrequenz<br />

verän<strong>de</strong>rn, welches dieses Wechselspiel zusätzlich beeinflusst.<br />

Ähnliches wird auf einem Laufband passieren. Die Elektronik regelt hierbei<br />

Tempo und nicht selten auch <strong>de</strong>n Steigungsgrad, um die einprogrammierte<br />

HF zu halten. Mal schneller, mal langsamer laufen – teilweise sogar gehen,<br />

ein Resultat daraus. Und dies unsystematisch und unvorhersehbar. Solch<br />

eine Trainingseinheit hat dann schnell <strong>de</strong>n Charakter einer<br />

, entspricht trainingsmethodisch und physiologisch<br />

aber keiner gleichmäßigen Ausdauerbelastung.<br />

- 231 -


Horror-Szenario für je<strong>de</strong>n Trainer<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Frau sitzt mit Zeitung auf <strong>de</strong>m Ra<strong>de</strong>rgometer. Es besteht ein<br />

offensichtlicher Zusammenhang zwischen Unterhaltungsgrad <strong>de</strong>s<br />

Textes und Trittfrequenz. Letztere sinkt umso mehr (bis hin zum<br />

Zeitlupentempo), je mehr Konzentration <strong>de</strong>m Lesen gewidmet wer<strong>de</strong>n<br />

muss. Aber die automatische Pulsregelung sorgt ja dafür, dass dann<br />

<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand schön hoch gestellt wird und <strong>de</strong>r Puls im „optimalen“<br />

Bereich bleibt. Dies ist nicht frauenfeindlich gedacht, son<strong>de</strong>rn<br />

augenzwinkernd / ironisch. Denn nach <strong>de</strong>n Erfahrungen <strong>de</strong>s Autors<br />

betrifft es (wenn) Frauen.<br />

Es hat nichts mit zielgerichtetem Training zu tun, wenn eine angepeilte<br />

zwar über die HF gegeben ist – diese<br />

aber über einen ständig, erheblich schwanken<strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstand erkauft wird!<br />

Dies ist nicht Sinn einer solchen Trainingsmetho<strong>de</strong>.<br />

Die HF gaukelt hierbei einen Trainingseffekt vor, <strong>de</strong>r unzureichend bzw. gar<br />

nicht gegeben ist. Die Grün<strong>de</strong> dafür wur<strong>de</strong>n bereits umfangreich dargelegt<br />

(Kap. 1.1.4 / 2.2.8).<br />

Einem Trainer, welcher im Ausdauermetier tätig ist, wür<strong>de</strong> es nicht in <strong>de</strong>n<br />

Sinn kommen, Ausdauersportler so trainieren zu lassen und ein erfahrener<br />

Ausdauersportler wür<strong>de</strong> so auch niemals trainieren – wenn eine<br />

angestrebt wird. Gera<strong>de</strong> in Fitnessstudios<br />

ist diese Vorgehensweise aber verbreitet und wird dort gerne genutzt. Dort<br />

wird <strong>de</strong>m Laien oft suggeriert – und oft sogar von dortigen Trainern<br />

ein<strong>de</strong>utig vermittelt, dass ein effektives Training gegeben ist, weil es die HF<br />

ja bescheinigt. Der pure Fokus auf die HF sorgt selbst bei Fachleuten<br />

immer wie<strong>de</strong>r für eine getrübte Wahrnehmung, an<strong>de</strong>re begleiten<strong>de</strong><br />

Faktoren zu erkennen.<br />

Selbstverständlich vermag solche eine elektronische Hilfe bei etlichen<br />

Fitnesssportlern durchaus brauchbar funktionieren. Allerdings sollte ein<br />

betreuen<strong>de</strong>r Trainer einschreiten, wenn ein solches zuvor beschriebenes<br />

Szenario eintritt, statt nur blind auf die HF zu achten. Wenn bei einem<br />

Trainieren<strong>de</strong>n die physikalische Leistung erheblich variiert, sollte <strong>de</strong>r Sinn<br />

<strong>de</strong>r Trainingseinheit infrage gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

- 232 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Kommentar<br />

Typisches Szenario:<br />

Ein Fitnesssportler beginnt mit <strong>de</strong>m Training auf einem<br />

Fahrra<strong>de</strong>rgometer. Er stellt ein ein. Als<br />

Startbelastung wählt er eine recht geringe Watt-Zahl. Da das Herz-<br />

Kreislauf-System noch nicht richtig auf „Touren“ ist und die HF dadurch<br />

noch recht träge reagiert, ist die HF entsprechend niedrig (<strong>de</strong>utlich<br />

unterhalb <strong>de</strong>s Sollbereichs). Die Elektronik greift ein und in relativ<br />

kurzen Abstän<strong>de</strong>n wird <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand Stück für Stück um jeweils 5<br />

Watt erhöht. Die HF kommt nicht schnell genug nach und irgendwann<br />

ist <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand viel zu hoch. Dieser, zu schnell ansteigen<strong>de</strong><br />

Wi<strong>de</strong>rstand, erzwingt eine ständige Reduzierung <strong>de</strong>r Trittfrequenz,<br />

weshalb <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand noch höher wird und die HF erst recht<br />

verzögert reagiert (während die Laktate <strong>de</strong>utlich in die Höhe<br />

schießen!). Irgendwann steigt die HF dann auf „zu hoch“ und die<br />

Elektronik regelt <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstand soweit nach unten, dass dieser quasi<br />

seinem Namen nicht mehr gerecht wird, <strong>de</strong>r Fitnesssportler also in<br />

Leere tritt. Dies wegen unzureichen<strong>de</strong>r Erholungsfähigkeit (die HF sinkt<br />

dann nicht schnell genug). Dadurch bleibt <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand dann so<br />

gering o<strong>de</strong>r es beginnt ein ständiges Wechselspiel bezüglich Wi<strong>de</strong>rstand<br />

und HF.<br />

Auf <strong>de</strong>m Laufband mühen sich Leute ab, ihren Rhythmus zu fin<strong>de</strong>n, was<br />

aber nicht funktioniert, da Tempo und Steigungsgrad ständig<br />

Verän<strong>de</strong>rungen unterliegen.<br />

Die I<strong>de</strong>e hinter einer solchen Automatik (ggf. einen Fitnesssportler vor<br />

Überfor<strong>de</strong>rung zu schützen) ist nicht verkehrt. Es funktioniert aber<br />

nicht so einfach, und es ist ein großer Irrtum, zu meinen, dass man mit<br />

solch einer Funktion ein Training effektiver steuern kann, als bei<br />

manueller Vorgehensweise. Wird diese Automatik-Funktion dann noch<br />

genutzt, um ein Grundlagentraining eines Sporteinsteiger zu gestalten,<br />

ist dies ein grundfalscher Weg, welcher bei diesem eher zu einer<br />

Überfor<strong>de</strong>rung führen kann.<br />

Ein dabei vorliegen<strong>de</strong>r reiner und sturer Blick auf die HF ist ein<br />

trainingsmethodisches Unding.<br />

- 233 -


Spinning®-Kurse<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Diese Kurse sind nicht nur bei Fitnesssportlern sehr beliebt, son<strong>de</strong>rn stellen<br />

für viele Radsportler und Triathleten eine Alternative zum Straßentraining<br />

dar. Insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r kalten und oft vom schlechten Wetter geprägten<br />

Herbst- und Winterzeit wird diese Möglichkeit <strong>de</strong>s Trainings geschätzt.<br />

Beim Indoorcycling ist HF-Messung obligatorisch. Für die Instruktoren<br />

besteht oft eine Pflicht, diese in ihren Kursen anzuwen<strong>de</strong>n, zumal die dafür<br />

verwen<strong>de</strong>ten speziellen Fahrrä<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Regel keine Leistungsmessung<br />

(Watt-Angabe) zulassen und einfach über einen stufenlos regelbaren<br />

Schleifwi<strong>de</strong>rstand eingestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die HF-Vorgaben wer<strong>de</strong>n über Faustformeln gegeben, die<br />

Intervallbelastungen wer<strong>de</strong>n über die HF gesteuert. Lastwechsel (Stehen,<br />

Sitzen, hohe und niedrige Trittfrequenzen und Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong>) wer<strong>de</strong>n<br />

bezüglich <strong>de</strong>r HF immer aus <strong>de</strong>m gleichen Blickwinkel betrachtet,<br />

sauerstoffarme Luft ohne kühlen<strong>de</strong>n Fahrtwind wird nicht als Einflussfaktor<br />

berücksichtigt … Der Fokus liegt streng darauf, die Zahl am Handgelenk im<br />

Auge zu behalten und die „richtigen“ Pulsvorgaben einzuhalten. So sieht<br />

sehr häufig aus in solchen Kursen.<br />

Foto: © kzenon –Istockfoto.com<br />

- 234 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Zum einen hat <strong>de</strong>r Kursleiter oft das Problem, dass er immer wie<strong>de</strong>r neue<br />

Kun<strong>de</strong>n in seinen Kursen bekommt. Gegebenenfalls hat er es immer wie<strong>de</strong>r<br />

mit gemischten Gruppen zu tun, bei <strong>de</strong>nen Leistungsniveau,<br />

Körperempfin<strong>de</strong>n, Erfahrung und Selbsteinschätzung stark variieren und<br />

die er nicht ständig einzeln im Auge behalten kann. Und irgendwelche<br />

Anhaltspunkte muss er ja haben und anwen<strong>de</strong>n. Zum an<strong>de</strong>ren ist es aber<br />

auch oft so, dass Kursleiter selber keine aktiven Radsportler sind und<br />

<strong>de</strong>shalb zwangsläufig ein entsprechen<strong>de</strong>r Bezug zur Materie fehlt, sodass<br />

sie nur auf das Gelernte aus <strong>de</strong>r Ausbildung angewiesen sind. Während es<br />

für so manchen Fitnesssportler relativ egal ist, ob die HF ihn ausreichend<br />

genug (effektiv) steuert - seine Fitness wird er verbessern und Spaß<br />

machen wird es ihm auch - kann dies für einen ambitionierteren Sportler<br />

schon an<strong>de</strong>rs aussehen. In <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n Kapiteln wur<strong>de</strong> ausgiebig<br />

beschrieben, wie die Grenzen <strong>de</strong>r Aussagefähigkeit bei <strong>de</strong>r HF aussehen.<br />

Grenzen, die gera<strong>de</strong> auch in solchen Kursen voll zutage kommen können,<br />

aber selten gesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

Zirkeltraining<br />

- 235 -<br />

Foto: JN<br />

Bei einem Zirkeltraining, bestehend aus einem<br />

gemischten Parcours zwischen Kraft- und<br />

Ausdauerstationen, wird ggf. auch gerne die HF<br />

als Orientierungsgröße eingesetzt. So ist es<br />

auch schon mal üblich, dass ein HF-Bereich<br />

vorgegeben wird, welcher möglichst konstant<br />

über alle Stationen hinweg eingehalten wer<strong>de</strong>n<br />

soll. Die Sinnigkeit einer solchen Vorgehensweise ist sehr fragwürdig, <strong>de</strong>nn<br />

was soll damit eigentlich kontrolliert wer<strong>de</strong>n? We<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Belastungsgrad<br />

noch die Stoffwechsellage lässt sich damit beurteilen; die Herz-Kreislauf-<br />

Beanspruchung alleine ist nicht relevant bei solch einer Trainingsform. Eine<br />

erwünschte aerobe Belastung ist über die HF auch nicht einhaltbar, da an<br />

<strong>de</strong>n Kraftstationen unausweichlich anaerob trainiert wird (sonst wür<strong>de</strong> ein<br />

Krafttraining auch nicht funktionieren). Kraftanteil und Menge <strong>de</strong>r aktiven<br />

Muskelmasse variieren ständig, ein und dieselbe HF be<strong>de</strong>utend dadurch<br />

nicht gleicher Belastungsgrad. Man müsste also hingehen und für je<strong>de</strong><br />

Station eine eigene HF ausrechnen. Von <strong>de</strong>m unmöglichen Arbeitsaufwand<br />

abgesehen, wäre dies dann auch nicht praktikabel, <strong>de</strong>nn durch die Trägheit<br />

<strong>de</strong>s HF-Verhaltens und die kurze Dauer an <strong>de</strong>n einzelnen Stationen <strong>de</strong>s<br />

Zirkels, wür<strong>de</strong> die HF auch dann als Orientierung unbrauchbar.


Abnehmkurs<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Der Autor hat mal erlebt, wie in einem kommerziell angelegten Kurs<br />

zur Gewichtsreduktion die Teilnehmer 2 x/Woche an so einem<br />

besagten Kraft-Ausdauerzirkel teilgenommen haben. Sie bekamen alle<br />

eine strikte Pulsvorgabe zur „optimalen Fettverbrennung“ – ermittelt<br />

über einen Test per Laktatmessung auf einem Fahrra<strong>de</strong>rgometer!<br />

Dabei wur<strong>de</strong>n fälschlicherweise HF und Stoffwechsellage als<br />

konstantes Zusammenspiel gesehen – unabhängig davon, wie die HF<br />

bei <strong>de</strong>r Belastung überhaupt zustan<strong>de</strong> kam und was für verschie<strong>de</strong>ne<br />

Bedingungen an <strong>de</strong>n einzelnen Stationen vorlagen. Schon alleine die<br />

Tatsache, dass bei einer anaeroben Kraftbelastung die HF irrelevant<br />

ist, geschweige <strong>de</strong>nn überhaupt eine Fettverbrennung stattfin<strong>de</strong>t,<br />

macht diese Vorgehensweise äußerst seltsam. Erfolg hatten die<br />

Teilnehmer durchaus – dieser war aber nicht durch diese spezielle<br />

Methodik bedingt, son<strong>de</strong>rn alleine durch die körperliche<br />

Beanspruchung in Verbindung mit entsprechen<strong>de</strong>r Ernährung.<br />

Die Kursleiter, ein Mediziner und ein Trainer (grundsätzlich sehr<br />

kompetente Fachleute!) waren selber keine Ausdauersportler.<br />

170 S/min<br />

sind keine Seltenheit). Da hierbei <strong>de</strong>r<br />

choreografierte Spaß in <strong>de</strong>r Gruppe im<br />

Vor<strong>de</strong>rgrund steht, wird dabei eine HF-Messung<br />

nicht vorgenommen und wäre nicht praktikabel.<br />

- 236 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Kommentar<br />

Kompetenz und Kommerz in <strong>de</strong>r Fitnessbranche<br />

Beim Thema Aerobic offenbart sich auch schön die unlogische<br />

Argumentationsschwäche so mancher Pulsfetischisten in <strong>de</strong>r<br />

Fitnessbranche. Wenn beim Indoorcycling, Training auf Kardio-Geräten,<br />

beim Walking usw. aus gesundheitlichen Grün<strong>de</strong>n HF-Messung Pflicht<br />

sein sollte, warum darf dies beim Aerobic & Co. dann entbehrlich sein?<br />

Wie lässt sich das sachlich begrün<strong>de</strong>n?<br />

Die Kompetenzen im Bereich <strong>Ausdauertraining</strong> sind in <strong>de</strong>r<br />

kommerziellen Fitnessbranche, so etwa in Fitnessstudios, nur sehr<br />

begrenzt. Das Personal ist relativ selten selber sehr aktiv im<br />

Ausdauersport, wodurch dann zwangsläufig ein tieferes Verständnis für<br />

die Materie fehlt (Feststellung, kein Vorwurf!). Dann sind solche<br />

Anlagen natürlich auch nicht darauf spezialisiert und ausgelegt<br />

Ausdauersportler zu betreuen. So habe ich in <strong>de</strong>n vielen Jahren als<br />

Trainer in <strong>de</strong>r Branche entsprechen<strong>de</strong> Erfahrungen gemacht, wie<br />

oberflächlich das Wissen darüber ist (auch dies ist kein Vorwurf!). Eine<br />

kleine Anekdote als Sinnbild dafür:<br />

Ehemalige Kollegin von mir (sinngemäß): „Ja, aber bei <strong>de</strong>r Polar-<br />

Schulung* wur<strong>de</strong> gesagt …“ (Seminar über HF-Messung für Trainer,<br />

durchgeführt von <strong>de</strong>r besagten Firma.)<br />

Ich: „Du kannst bei <strong>de</strong>n Schulungen dieser Firma nicht erwarten, dass<br />

diese rein sachlich und neutral argumentieren. Sinn <strong>de</strong>s Seminars ist es<br />

grundsätzlich, ihre Produkte zu verkaufen, <strong>de</strong>n Sinn <strong>de</strong>r ganzen<br />

Spielereien <strong>de</strong>r HF-Messgeräte zu rechtfertigen und zu erklären.“<br />

Dieser kleine Ausschnitt eines Meinungsaustauschs ging eine Aktion<br />

voraus, bei <strong>de</strong>r diese Kollegin (gut gemeint und voller Überzeugung)<br />

einer Fitnesssportlerin, welche auf einem Crosstrainer trainierte<br />

(offensichtlich sich nicht überfor<strong>de</strong>rnd!), ausgiebig die Wichtigkeit eines<br />

Pulsmessers bescheinigte. Diese Fitnesssportlerin trug keinen solchen,<br />

trainierte aber auch nur ganz selten, für ca. 20 min, auf solch einem<br />

Gerät, rein zur Entspannung. Normalerweise besuchte sie nur Kurse.<br />

Dennoch war meine damalige Kollegin voll von <strong>de</strong>r Notwendigkeit <strong>de</strong>s<br />

Pulsmessens überzeugt. Ohne, das ginge ja gar nicht.<br />

- 237 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Gera<strong>de</strong> in kommerziellen Fitness-Einrichtungen kann man sich natürlich<br />

durch „wissenschaftliches und HF orientiertes Training“ besser<br />

verkaufen. Wür<strong>de</strong> man dies aber nicht machen, dann wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m durch<br />

Fitness-Blättchen geschulten Laien und bei manchen angeblichen<br />

Experten schnell als unqualifiziert o<strong>de</strong>r unprofessionell angeprangert.<br />

Eine ziemliche Zwickmühle, die aber eine individuelle Vorgehensweise<br />

nicht verhin<strong>de</strong>rt – wenn man diese auch begrün<strong>de</strong>n kann.<br />

Wie beschei<strong>de</strong>n das Wissen über <strong>Ausdauertraining</strong> dort letztendlich ist,<br />

zeigt sich daran, dass man selten in <strong>de</strong>r Lage ist, auch im<br />

Ausdauerbereich echte Trainingskonzepte zu erstellen.<br />

<strong>Ausdauertraining</strong>spläne sind dort ein Fremdwort, wenn einer <strong>de</strong>r<br />

Trainer nicht zufällig selber Ausdauersportler ist. Daran können dann<br />

auch so manche hochkarätig klingen<strong>de</strong> Trainertitel nichts än<strong>de</strong>rn.<br />

Eine chronische Anwendung <strong>de</strong>r HF, aber auch <strong>de</strong>r sehr einfache<br />

Umgang damit, hat noch an<strong>de</strong>re Hintergrün<strong>de</strong>: Das Arbeiten damit<br />

suggeriert <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n eben Kompetenz und höhere Effektivität. Dies<br />

wie<strong>de</strong>rum dient als Rechtfertigung für entsprechen<strong>de</strong> Mitgliedsbeiträge<br />

(unter an<strong>de</strong>rem für Fitnesstests, Eingangschecks usw.) und kann bei<br />

geschulter Verkaufstechnik zusätzlich Geld in die Kasse bringen, wenn<br />

man dann <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n zum Kauf eines HF-Messgerätes animieren kann<br />

(Stichwort „Zusatzverkäufe“).<br />

Wie sehr <strong>de</strong>m ahnungslosen Laien doch im Fitnessstudio die Geldbörse<br />

geöffnet wer<strong>de</strong>n kann, unter <strong>de</strong>m Deckmantel eines effektiveren<br />

Trainings, dargelegt durch einen „kompetenten“ (und<br />

verkaufspsychologisch gut geschulten) Trainer, zeigt sich anhand eines<br />

speziellen Kraft-Ausdauerzirkels, welcher seit Jahren erfolgreich<br />

werbetechnisch angepriesen wird. Dieser Zirkel besteht aus Kraft- und<br />

aus Ausdauerstationen. Die Daten <strong>de</strong>r Person sind in einer Chip-Karte<br />

gespeichert, über welche die Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> automatisch eingestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Nach einer exakten Zeitvorgabe und Reihenfolge muss <strong>de</strong>r<br />

Trainieren<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Parcours durchlaufen. Bei <strong>de</strong>n Geräten <strong>de</strong>r<br />

Ausdauerstationen wird eine Belastungsdauer von ca. 4 min gewählt,<br />

und diese können <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstand automatisch nach <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Chip-<br />

Karte gespeicherten HF-Vorgabe anpassen (die HF-Vorgabe wird von<br />

<strong>de</strong>r dazugehörigen PC-Software übrigens nur über eine Faustformel<br />

errechnet!).<br />

- 238 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Über <strong>de</strong>n kurzen Zeitraum <strong>de</strong>r Ausdauerstationen (unterbrochen von 3-<br />

4 Kraftgeräten), welche keiner Langzeitausdauer entspricht (Zeitraum<br />

ab 10 min – frühestens dann macht eine HF-Messung Sinn), ist diese<br />

HF-Messung so nichtssagend wie leere Worthülsen eines Politikers.<br />

Standardproblem für die meisten o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st viele Trainieren<strong>de</strong>n:<br />

In <strong>de</strong>r ersten Run<strong>de</strong> (noch ausgeruht) reagiert die HF noch viel zu<br />

träge, wodurch automatisch ein richtig schöner, hoher Wi<strong>de</strong>rstand rein<br />

gehauen wird (<strong>de</strong>r Puls ist ja zu niedrig), aber die tatsächliche<br />

Belastung schon überfor<strong>de</strong>rnd sein kann (gera<strong>de</strong> für Einsteiger). In <strong>de</strong>r<br />

zweiten Run<strong>de</strong> ist durch <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlich erhöhten Ermüdungsgrad (auch<br />

durch die Kraftstationen dazwischen) die HF ganz schnell oben, sodass<br />

<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand oft so niedrig ist, dass man quasi gar keinen mehr hat.<br />

Als Trainer zerreißt es mir die Hirnzellen, wenn ich sehe, was für ein<br />

Blödsinn <strong>de</strong>n Trainieren<strong>de</strong>n dabei suggeriert wird und wie<br />

trainingsmethodisch sinnentleert die HF-Messerei dabei ist. Was <strong>de</strong>r<br />

Kun<strong>de</strong> nicht sieht: Hinter diesem Trainingszirkel steht auch ein klares,<br />

gut durchdachtes Verkaufskonzept. Wird die Philosophie vom Entwickler<br />

voll umgesetzt, steht in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s Zirkels ein geschulter Verkäufer,<br />

offiziell betreuen<strong>de</strong>r Trainer genannt, <strong>de</strong>r mit einstudierten,<br />

verkaufspsychologisch sehr wirksamen Standardsätzen die Kun<strong>de</strong>n zu<br />

Zusatzkäufen animiert. So ist seine Aufgabe dann auch möglichst viele<br />

Pulsmesser zu verkaufen. Und es funktioniert: Der „naive“ Laie Kun<strong>de</strong><br />

kauft, im Irrglauben dann effektiver und gesün<strong>de</strong>r trainieren zu<br />

können.<br />

Die in <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Fitnessbranche oft rein auf Gewinnmaximierung<br />

ausgelegte Strategien entziehen ehrlicher und kompetenter Beratung<br />

oft <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n und kollidieren damit. Ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Grund, warum<br />

ich mittlerweile nach vielen Jahren dieser Branche <strong>de</strong>n Rücken gekehrt<br />

habe.<br />

- 239 -<br />

.<br />

Nicht nur diese wer<strong>de</strong>n gerne gemolken.


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

3.1.5 Die Herzfrequenz und Gewichtsreduktion<br />

„Optimale Fettverbrennungszone“, „Fettverbrennungspuls“ – solche und<br />

ähnliche Begriffe wahren lange Zeit die Stichworte beim Thema<br />

Gewichtsreduktion und sind es häufig immer noch. Dies auch zur Freu<strong>de</strong><br />

von Herstellern und Verkäufern <strong>de</strong>r HF-Messgeräte, da dadurch die<br />

Absatzraten solcher Equipments im Fitness- und Breitensport erheblich<br />

anstiegen.<br />

Es besteht keinerlei Zusammenhang zwischen Körpermasse bzw.<br />

Körperzusammensetzung und <strong>de</strong>r HF. Ob jemand abnimmt o<strong>de</strong>r nicht, hat<br />

nichts, gar nichts mit irgendwelchen HF-Werten zu tun!<br />

Deshalb sind Thesen, welche eine bestimmte HF zur „Fettverbrennung“<br />

bzw. Gewichtsreduktion propagieren sowohl physiologisch, mathematisch<br />

als auch physikalisch falsch.<br />

Im Umkehrschluss müsste dies be<strong>de</strong>uten, dass eine Gewichtszunahme<br />

auch aus falschen HF-Werten resultieren kann. Genauso wie eine<br />

unerwünschte Abnahme <strong>de</strong>s Gewichts, was wie<strong>de</strong>rum be<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>,<br />

dass je<strong>de</strong>r Mensch ständig ein HF-Messgerät tragen müsste, um falsche<br />

Körpergewichte zu vermei<strong>de</strong>n bzw. richtige zu erhalten.<br />

Der Energiesatz (Energie-Erhaltungsprinzip)<br />

Dieses physikalische Gesetz bestimmt, dass in einem geschlossenen<br />

System (unser Universum ist ein geschlossenes System) die Menge<br />

<strong>de</strong>r Energie immer gleich ist. Energie kann nicht aus <strong>de</strong>m Nichts<br />

entstehen und nicht künstlich erzeugt wer<strong>de</strong>n, und Energie kann nicht<br />

einfach so verschwin<strong>de</strong>n. Energie kann nur in unterschiedlichen<br />

Formen vorkommen bzw. umgewan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Ein Perpetuum<br />

mobile, das heißt eine Maschine, die mehr Energie abgibt als sie<br />

aufnimmt, ist danach unmöglich.<br />

Die biologische Maschine Mensch unterliegt <strong>de</strong>r gleichen<br />

Gesetzmäßigkeit, weshalb ausschließlich die Energiebilanz<br />

entschei<strong>de</strong>nd ist. Das Herzschlagverhalten hat mit dieser<br />

physikalischen Gegebenheit überhaupt nichts zu tun!<br />

- 240 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Die Merkwürdigkeit solcher<br />

Theorien ergibt sich auch<br />

daraus, dass Übergewicht erst<br />

ein sehr junges Problem ist<br />

(trotz Pulsmesserei) und <strong>de</strong>r<br />

Mensch 150.000 Jahre nichts<br />

von HF-Zonen und <strong>de</strong>r Gleichen<br />

wusste, geschweige <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>r<br />

Lage war diese elektronisch zu<br />

messen. Es hat auch eine<br />

gewisse Ironie und mutet recht<br />

paradox an, dass etwa über <strong>de</strong>n<br />

gleichen Zeitraum wie sich HF-Messgeräte verbreitet haben, ebenso<br />

Übergewicht zunehmend zu einem Problem wur<strong>de</strong>. Und dies, obwohl eine<br />

Pulssteuerung angeblich ja so sinnvoll und wichtig ist, um abzunehmen.<br />

Körperfettabbau resultiert nicht aus irgen<strong>de</strong>iner „Fettverbrennungszone“, in<br />

Verbindung mit einer bestimmten HF. Solche o<strong>de</strong>r ähnliche Begriffe<br />

existieren in <strong>de</strong>r Trainingslehre <strong>de</strong>s Ausdauersports nicht!<br />

Beim Thema Körperfettreduktion ist es prinzipiell auch ohne Be<strong>de</strong>utung,<br />

wie viel Fett man während eines Trainings verbrennt – entschei<strong>de</strong>nd ist<br />

immer die Energiebilanz (Verhältnis zwischen Kalorienzufuhr und<br />

Kalorienverbrauch), welche negativ sein muss (Energie<strong>de</strong>fizit). Das beste<br />

Fettabbautraining ist ein variantenreiches Leistungssteigerungstraining, bei<br />

<strong>de</strong>m Umfang und Intensität variieren!<br />

Bei <strong>de</strong>r Trainingssteuerung fin<strong>de</strong>t<br />

dann auch die HF Anwendung. Die<br />

Auswahl <strong>de</strong>r HF-Bereiche hängt dabei<br />

aber nicht von Abnehmen o<strong>de</strong>r<br />

Nichtabnehmen ab. Im Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

zur „Fettverbrennungszone“ steht<br />

auch die Tatsache, dass die geringsten<br />

Körperfettanteile bei <strong>de</strong>n hart<br />

(regelmäßig mit höheren Intensitäten)<br />

trainieren<strong>de</strong>n Ausdauersportlern zu<br />

fin<strong>de</strong>n sind und nicht bei <strong>de</strong>nen,<br />

welche chronisch an <strong>de</strong>r Kette eines<br />

„Fettverbrennungspuls“ hängen.<br />

- 241 -<br />

Fett am Stiel<br />

… nennt ein in <strong>de</strong>r<br />

Fitnessbranche bekannter<br />

„Abnehm-Guru“ Nordic-<br />

Walker. Nicht als Beleidigung<br />

ist dies gedacht, son<strong>de</strong>rn als<br />

Anspielung auf die angeblich<br />

so effektive Wirkung dieser<br />

„Sportart“, wenn Leute im<br />

„Fettverbrennungspuls“ durch<br />

die Gegend schleichen und<br />

son<strong>de</strong>rbarerweise <strong>de</strong>nnoch<br />

„dick“ bleiben.


Kommentar<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

„Optimale Fettverbrennungszone“ und „Fettverbrennungspuls“ - meine<br />

Lieblings-Hasswörter. Die These, dass es so etwas gibt und man nur<br />

darüber abnehmen kann – physikalisch, physiologisch, mathematisch<br />

und logisch unhaltbar – ist <strong>de</strong>r größte trainingsmethodische Quatsch,<br />

<strong>de</strong>r jemals verbreitet wur<strong>de</strong>. Ich kann nur heftig mit <strong>de</strong>m Kopf<br />

schütteln, wenn ich höre o<strong>de</strong>r lese, wie man Menschen einre<strong>de</strong>t, sie<br />

dürfen nur in einem bestimmten HF-Bereich trainieren („Du darfst nur<br />

in diesem Pulsbereich trainieren, um optimal Fett zu verbrennen.“).<br />

Und sie wür<strong>de</strong>n falsch trainieren und könnten nicht abnehmen, wenn<br />

sie auch (nicht nur!) intensivere Belastungsintensitäten in ihr Training<br />

aufnehmen („Dabei verbrennst du kein Fett, son<strong>de</strong>rn nur<br />

Kohlenhydrate.“). Dass sie dadurch aber ihr Leistungsvermögen und<br />

damit <strong>de</strong>n Energieverbrauch <strong>de</strong>utlich steigern, dass Fettverbrennung<br />

nicht nur etwas ist, was nur innerhalb eines bestimmten Trainings<br />

abläuft, dass man <strong>de</strong>shalb eine einzelne Trainingseinheit nicht isoliert<br />

betrachten darf, son<strong>de</strong>rn dass eine einzelne Trainingseinheit nur ein<br />

Puzzle-Stück eines gesamten, umfangreichen zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />

Vorgangs ist, wird dann einfach nicht gesehen und verstan<strong>de</strong>n. Man<br />

kann nicht durch falsches Training Nichtabnehmen, son<strong>de</strong>rn nur durch<br />

eine falsche Energiebilanz. Je<strong>de</strong> Art <strong>de</strong>r (zusätzlichen) Bewegung<br />

erhöht <strong>de</strong>n Energieverbrauch und unterstützt damit das Erreichen eines<br />

Energie<strong>de</strong>fizits.<br />

Da gehört so manche These hin.<br />

Dies ist wie<strong>de</strong>r ein Para<strong>de</strong>beispiel dafür, wie<br />

eine dogmatische Fixierung auf pauschale<br />

Metho<strong>de</strong>n völlig blind dafür macht, einfache<br />

Zusammenhänge zu erkennen und zu<br />

verstehen. Mir ist völlig unverständlich, dass<br />

eine solche äußerst undurchdachte und völlig<br />

unhaltbare These immer noch häufig<br />

kundgemacht wird. Aber eine Kehrtwen<strong>de</strong> ist<br />

da. Glücklicherweise wird selbst in billigen<br />

Fitness-Blättchen diese überholte These nicht<br />

mehr so häufig verbreitet.<br />

- 242 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Die Jungs kennen keine Gewichtsprobleme. Und das nicht, weil sie ständig mit<br />

irgen<strong>de</strong>inem Fettverbrennungspuls fahren. Son<strong>de</strong>rn weil bei ihnen Energiebedarf bzw.<br />

Energieverbrauch kaum fassbar hoch sind.<br />

Foto: NizamD – Shutterstock.com<br />

3.2 Ausdauersportarten<br />

Die verschie<strong>de</strong>nen Ausdauersportarten unterschei<strong>de</strong>n sich von ihrer<br />

Struktur teilweise ganz erheblich, weshalb nicht alle trainingsmethodischen<br />

Gesetze einfach so bzw. pauschal für alle Ausdauersportarten gelten. Je<strong>de</strong><br />

Sportart hat ihre Beson<strong>de</strong>rheiten, insbeson<strong>de</strong>re was <strong>de</strong>ren Mechanik<br />

betrifft. Einwirken<strong>de</strong> Kräfte wie: Masse (Trägheit, Beschleunigung)<br />

Schwerkraft, Luftwi<strong>de</strong>rstand, Reibung u. Ä. haben unterschiedliche<br />

Be<strong>de</strong>utung bezüglich einer Leistungslimitierung, weshalb dann teilweise<br />

auch <strong>de</strong>utlich unterschiedliche trainingsmethodische Vorgehensweisen<br />

erfor<strong>de</strong>rlich sind. Das Gleiche gilt auch bezüglich <strong>de</strong>r HF und ihr Rang,<br />

sowohl im Training als auch im Wettkampf.<br />

- 243 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Kategorien <strong>de</strong>r Langzeitausdauer (Wettkampf)<br />

Langzeitausdauer I (LZA I): 10-35 min<br />

Langzeitausdauer II (LZA II): 35-90 min<br />

Langzeitausdauer III (LZA III): 90 min – 6 h<br />

Langzeitausdauer IV (LZA IV): >6h<br />

Inline- / Speedskating / Eisschnelllauf<br />

Foto: 36clicks – iStockphoto.com<br />

Inlineskating und Eisschnelllauf<br />

ähneln in ihrer Belastungsart sehr<br />

<strong>de</strong>m Radsport (in Sachen Renntaktik<br />

und Rennverhalten ist Inlineskating<br />

sogar <strong>de</strong>m Radrennsport<br />

gleichzusetzen). Die gleiten<strong>de</strong>n<br />

Bewegungen über die Kufen bzw.<br />

Rollen führen zu sehr geringen<br />

durchschnittlichen Schrittfrequenzen,<br />

welche einen gewissen Ausgleich schaffen zur recht hohen Kraft-<br />

Ausdauerbelastung und dadurch auch eine lange Belastungsdauer bis in<br />

<strong>de</strong>n Langzeitausdauer-III-Bereich ermöglichen. Durch <strong>de</strong>n variieren<strong>de</strong>n<br />

Einsatz <strong>de</strong>r Arme kommt es auch hierbei zu einer unterschiedlichen Menge<br />

aktiver Muskelmasse, welches aber seltener vorkommt als z. B. beim Ski-<br />

Langlauf. Inlineskating im Leistungssportbereich ist (genau wie <strong>de</strong>r<br />

Radsport) eine Mannschaftssportart, bei <strong>de</strong>r das HF-Verhalten einer großen<br />

Dynamik unterliegen kann.<br />

Foto links: Dieter Mo<strong>de</strong>rsitzki –<br />

speedteam-freiburg.<strong>de</strong><br />

- 244 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Skilanglauf / Biathlon<br />

Ski-Langlauf zeichnet sich<br />

durch eine häufig variieren<strong>de</strong><br />

Beanspruchung verschie<strong>de</strong>ner<br />

Muskelgruppen aus, sowohl<br />

was <strong>de</strong>ren Menge betrifft, als<br />

auch <strong>de</strong>ren Intensität. Dies ist<br />

hauptsächlich durch das immer<br />

wie<strong>de</strong>r wechseln<strong>de</strong> Gelän<strong>de</strong><br />

bedingt (Anstiege, Flachstücke und Abfahrten). Dies führt dann – bei<br />

gleicher Belastungsintensität – zu <strong>de</strong>utlich variieren<strong>de</strong>n HF-Werten,<br />

weshalb (genau wie im Radsport) hier die HF-Vorgaben großzügiger<br />

ausgelegt wer<strong>de</strong>n müssen (als z. B. im Laufsport) und wodurch die<br />

Kontrolle <strong>de</strong>r Intensität über die HF erschwert wird. Sehr großen Einfluss<br />

auf eine Sauerstoffersparnis hat hierbei auch ein möglichst ökonomischer<br />

Laufstil – weshalb hierbei auch perfekte koordinativen Fähigkeiten<br />

gefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

Beim Biathlon ist eine Belastungsstruktur gegeben, welche sich <strong>de</strong>utlich<br />

vom Spezialskilanglauf unterschei<strong>de</strong>t, auch wenn dies nicht auf Anhieb<br />

ersichtlich ist. Die Laufunterbrechungen <strong>de</strong>s Schießens erfor<strong>de</strong>rn teilweise<br />

auch eine völlig an<strong>de</strong>re Körperposition (Hocken, Liegen) und eine relativ<br />

schnelle Reduzierung <strong>de</strong>r Atem- und HF-Frequenz (für ein ruhiges<br />

Schießen). Da die Schießpausen meist unter 2 min betragen (und nicht für<br />

eine nennenswerte Erholung ausreichen), kommt es hierbei zu einer<br />

Belastung, welche <strong>de</strong>n Charakter eines Intervalltrainings hat, mit <strong>de</strong>utlicher<br />

Inanspruchnahme anaerober Stoffwechselvorgänge (oberhalb <strong>de</strong>r AS).<br />

Fotos: www.biathlonantholz.it<br />

- 245 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

In bei<strong>de</strong>n Sportarten ist eine große Dynamik <strong>de</strong>r HF im Wettkampf<br />

gegeben. Dies ist auch dadurch erreichbar, weil wegen <strong>de</strong>r gleiten<strong>de</strong>n<br />

Bewegungen auf <strong>de</strong>n Ski immer wie<strong>de</strong>r eine Erholung ohne<br />

Geschwindigkeitsverluste gegeben ist (Abfahrt). Dadurch können so in<br />

Wettkämpfen (ähnlich wie im Radsport) auch immer wie<strong>de</strong>r kurzzeitig<br />

verstärkt anaerobe Belastungen angesteuert wer<strong>de</strong>n. Da die Beinmuskeln<br />

nicht ständigen, stauchen<strong>de</strong>n Stößen ausgesetzt sind (wie beim Laufen)<br />

und durch die möglichen Erholungsphasen während <strong>de</strong>r Belastung, ergeben<br />

sich recht kurze Regenerationsphasen, welche eine hohe Wettkampfdichte<br />

möglich machen. Die Belastungs-HF liegt bei vergleichbarer Intensität etwa<br />

auf gleichem Niveau wie beim Laufen.<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

- 246 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Schwimmen<br />

Die Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s Schwimmens liegt in <strong>de</strong>r horizontalen Körperlage, <strong>de</strong>r<br />

Einflüsse von Wasserdruck (auf das Herz-Kreislauf-System) und <strong>de</strong>r<br />

schwerelosen Beanspruchung <strong>de</strong>s Organismus. Dies beeinflusst teilweise<br />

auch <strong>de</strong>utlichen die Stoffwechseltätigkeiten. Im Vergleich zu zeitlich<br />

ähnlichen Laufbelastungen liegen beim Schwimmen die<br />

Laktatkonzentrationen <strong>de</strong>utlich niedriger – obwohl ein höherer<br />

glykolytischer Energieumsatz erfolgt.<br />

Das Tragen <strong>de</strong>s Organismus durch das Wasser führt zu recht kurzen<br />

Regenerationszeiten, weshalb die durchschnittliche Belastungsintensität im<br />

Training <strong>de</strong>s Schwimmers relativ hoch sein kann. Dies spiegelt sich auch in<br />

einem sehr umfangreichen Intervalltraining und einer recht hohen<br />

möglichen Dichte an Wettkämpfen wi<strong>de</strong>r. Da die Geschwindigkeiten im<br />

Wettkampf sehr gleichmäßig ausfallen (müssen), weist die HF dort keine<br />

hohe Dynamik auf. Die Regulation <strong>de</strong>r HF hängt maßgeblich von <strong>de</strong>r<br />

Schwimmtechnik ab. Bei einem Schwimmer, mit schlechter Technik, wird<br />

die Muskulatur schon ermü<strong>de</strong>n, bevor das Herz-Kreislauf-System<br />

ausgelastet ist. Dadurch können Schwimmer mit sehr guter Technik höhere<br />

HF-Werte erreichen als schlechte Schwimmer ohne ausreichen<strong>de</strong> Technik.<br />

Die Belastungs-HF fällt bei vergleichbarer Intensität etwa 10-15 S/min<br />

niedriger aus<br />

als beim<br />

Laufen.<br />

Foto: Ronald Westerhei<strong>de</strong> – rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/<br />

- 247 -


Laufen<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Der Läufer darf von sich<br />

behaupten, die natürlichste aller<br />

Ausdauersportarten zu betreiben<br />

(neben <strong>de</strong>m Geher, wenn <strong>de</strong>ren<br />

Geh-Stil auch nicht sehr natürlich<br />

wirkt). Er benötigt keine<br />

technischen Hilfsmittel, um<br />

vorwärtszukommen. Bei keiner<br />

an<strong>de</strong>ren Ausdauersportart spielt<br />

<strong>de</strong>r Faktor Kraft so eine geringe Rolle wie beim Langstreckenlauf, welches<br />

sich auch in <strong>de</strong>r Körperkonstitution <strong>de</strong>r typischen (im<br />

Leistungssportbereich) hageren und schlanken Läuferstaturen<br />

wi<strong>de</strong>rspiegelt. Mit seiner niedrigen Bewegungsgeschwindigkeit stellt <strong>de</strong>r<br />

Langstreckenlauf auch keine großen Anfor<strong>de</strong>rungen an die Koordination<br />

und die Muskulatur.<br />

Bei Beanspruchungen unterhalb <strong>de</strong>r AS stellt die größte Belastung <strong>de</strong>r<br />

Muskulatur die Stöße nach je<strong>de</strong>m Schritt dar (die Beine müssen ständig<br />

das eigene Körpergewicht abfangen), welche hauptsächlich zu einer<br />

Ermüdung führen und die mögliche Belastungsdauer stark begrenzen. Dies<br />

führt dann auch zu wesentlich längeren Regenerationszeiten als in an<strong>de</strong>ren<br />

Ausdauersportarten. Die durchschnittliche Belastungsintensität im Training<br />

<strong>de</strong>s Läufers ist <strong>de</strong>shalb auch <strong>de</strong>utlich geringer als die eines je<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

Ausdauersportlers. Das Gleiche gilt auch für die mögliche<br />

Wettkampfhäufigkeit.<br />

Fotos: JN<br />

- 248 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Ein weiterer leistungsbegrenzen<strong>de</strong>r Faktor ist die Schwierigkeit, während<br />

einer hohen Laufbelastung Energie über Nahrung zuzuführen, um <strong>de</strong>n<br />

Glykogen-Verbrauch möglichst lange hinauszuzögern. Im Gegensatz zu<br />

einer Sportart wie <strong>de</strong>m Radsport, dort wird bei sehr langen Rennen<br />

regelmäßig auch feste Nahrung zugeführt, ist man beim Laufen (von sehr<br />

geringen Belastungsintensitäten abgesehen) kaum in <strong>de</strong>r Lage, zugeführte<br />

Nahrung zu verdauen.<br />

Dur das Fehlen eines Sportgerätes, über welches die Fortbewegung erfolgt<br />

(Skates, Ski, Fahrrad usw.), wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Läufer auch erholsame Pausen<br />

verwehrt, die nicht zu einem Tempoverlust führen. So kann er nicht, wie<br />

etwa ein Radfahrer, bergab die Beine mal „hängen“ lassen, ohne gleich<br />

<strong>de</strong>utlich an Geschwindigkeit zu verlieren. Er ist quasi dazu verdammt,<br />

permanent Muskeln und Herz-Kreislauf zu belasten.<br />

Der Läufer erreicht die höchsten individuellen maximalen und Belastungs-<br />

HF-Werte. Die HF ist beim Läufer bei vergleichbarer Intensität etwa 15-20<br />

S/min höher als beim Radfahrer. Im Wettkampf ist <strong>de</strong>r Läufer in <strong>de</strong>r Regel<br />

auf eine recht schmalbandige Belastungsintensität angewiesen, wodurch<br />

dort HF und Tempo keiner großen Dynamik unterliegen.<br />

Foto: Terramara - pixelio.<strong>de</strong><br />

- 249 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Radsport Foto: Bigid Ke il - cyclin gstars.<strong>de</strong><br />

Der Straßen-Radsportler nimmt in<br />

<strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>s Ausdauersports eine<br />

gewisse Son<strong>de</strong>rstellung ein. Er<br />

nimmt Trainings- und<br />

Wettkampfbelastungen auf sich,<br />

welche in keiner an<strong>de</strong>ren Sportart<br />

möglich sind. Bei <strong>de</strong>r verbringt ein Rennfahrer<br />

Leistungen, welche ihres gleichen<br />

suchen. Der Radrennfahrer darf als<br />

König aller Sportler gelten.<br />

Ein Straßenprofi fährt pro Jahr ca. 35.000-40.000 km – und ein Viertel bis<br />

ein Drittel davon unter Wettkampfbedingungen (un<strong>de</strong>nkbar für je<strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren Ausdauersportler). Wettkämpfe – insbeson<strong>de</strong>re längere<br />

Etappenrennen – stellen die wichtigste Trainingsform <strong>de</strong>s Radrennfahrers<br />

dar, was im Ausdauersport auch einmalig ist.<br />

Foto: Ron ald We sterhe i<strong>de</strong> – rowe -sportfoto.<strong>de</strong> /<br />

Die überwiegend sitzen<strong>de</strong><br />

Position, bei <strong>de</strong>r die Beine<br />

das eigene Körpergewicht<br />

nicht tragen müssen,<br />

welches wie<strong>de</strong>rum die<br />

Regenerationszeiten <strong>de</strong>utlich<br />

verkürzt, ermöglicht<br />

Grenzbelastungen, in einer<br />

Länge und Häufigkeit, wie es<br />

auch in keiner an<strong>de</strong>ren<br />

Ausdauersportart möglich<br />

ist. Im Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren Ausdauersportarten ist das<br />

Wettkampfgeschehen im Radrennen sehr durch <strong>de</strong>utlich variieren<strong>de</strong><br />

Belastungen gekennzeichnet, welches wie<strong>de</strong>rum durch taktisches Verhalten<br />

begrün<strong>de</strong>t ist (hauptsächlich durch die Möglichkeit <strong>de</strong>s<br />

Windschattenfahrens). Der Straßenradsport im Profibereich ist auch ein<br />

reiner Mannschafts-Sport, bei <strong>de</strong>m die Renntaktik extrem entschei<strong>de</strong>nd ist<br />

– wodurch er sich auch von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ausdauersportarten<br />

unterschei<strong>de</strong>t.<br />

- 250 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Ein „kompletter“ Fahrer muss ein perfektes Verhältnis von Kraft (Kraft-<br />

Ausdauer), Ausdauer und Schnelligkeit besitzen, in Verbindung mit<br />

umfangreichen taktischen Fähigkeiten. Der Radsport erfor<strong>de</strong>rt auch ein<br />

hohes Maß an korrekter Technik – was für einen Laien gar nicht<br />

offensichtlich erscheint (Radfahren kann schließlich fast je<strong>de</strong>r Mensch). Der<br />

Radrennfahrer muss eine nahezu perfekte Einheit mit <strong>de</strong>r Maschine<br />

Rennrad bil<strong>de</strong>n. Eine lockere und unverkrampfte Sitzposition und /-haltung<br />

verbun<strong>de</strong>n mit einem run<strong>de</strong>n Tritt und perfekter und sicherer Fahrtechnik.<br />

Die häufig variieren<strong>de</strong> Körperposition, mit variieren<strong>de</strong>r Menge aktiv<br />

beanspruchter Muskelmasse und das wechseln<strong>de</strong> Verhältnis von Kraft zu<br />

Ausdauer hat einen höheren Einfluss auf das HF-Verhalten als die<br />

tatsächliche Belastungsintensität. Deshalb ist im Radsport eine<br />

Trainingssteuerung über die HF wesentlich schwieriger als z. B. beim<br />

Laufen, wo das Bewegungsmuster kaum variiert. Dann kommt eben noch<br />

die große Dynamik hinzu, mit <strong>de</strong>r ein Radrennen abläuft. Taktische und an<br />

sich an <strong>de</strong>n Konkurrenten orientieren<strong>de</strong> Erfor<strong>de</strong>rnisse machen dort die HF<br />

im Wettkampf als Steuerungsgröße untauglich.<br />

Die HF ist beim Radfahrer bei vergleichbarer Intensität etwa 15-20 S/min<br />

niedriger als beim Läufer.<br />

Hierbei spielt die HF keine Rolle. Je<strong>de</strong>r muss seine Aufgabe erfüllen. Taktik, das<br />

Kennen <strong>de</strong>r eigenen Grenzen und Reserven sind dabei maßgebend.<br />

Foto: Bigid Keil - cyclingstars.<strong>de</strong><br />

- 251 -


Triathlon<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Durch die Vereinigung dreier klassischer<br />

Ausdauersportarten stellt <strong>de</strong>r Triathlon<br />

beson<strong>de</strong>re Anfor<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>n<br />

Organismus. Je nach Disziplin stellt <strong>de</strong>r<br />

Triathlon eine Kombination<br />

verschie<strong>de</strong>ner Langzeitausdauerarten<br />

dar. So ist <strong>de</strong>r Kurztriathlon (1,5 km,<br />

40 km, 10 km) die Summe von einer<br />

LZA I + LZA II + LZA I und <strong>de</strong>r<br />

Mitteltriathlon (2,5 km, 80 km, 20 km) setzt sich aus einer LZA I + LZA III<br />

+ LZA II Beanspruchung zusammen. Für das Training be<strong>de</strong>utet dies, dass<br />

neben einer entsprechen<strong>de</strong>n allgemeinen Langzeitausdauer auch die<br />

speziellen teildisziplinspezifischen Fähigkeiten isoliert betrachtet und<br />

entsprechend trainiert wer<strong>de</strong>n müssen. Die Kombination von mehr als einer<br />

Einzeldisziplin im Wettkampf (ohne<br />

Pausen), erfor<strong>de</strong>rt auch ein<br />

entsprechen<strong>de</strong>s Kopplungstraining, bei<br />

<strong>de</strong>r auch im Training Teildisziplinen<br />

miteinan<strong>de</strong>r – ohne Pause – kombiniert<br />

(gekoppelt) wer<strong>de</strong>n. Unabhängig<br />

davon, ob zwei bis drei <strong>de</strong>r<br />

Einzeldisziplinen gekoppelt o<strong>de</strong>r an<br />

einem Tag isoliert (mit Pausen)<br />

absolviert wer<strong>de</strong>n, ist hier eine mögliche Auswirkung auf die HF zu<br />

berücksichtigen, welche durch Vorbelastung einer vorausgegangenen<br />

Trainingseinheit ggf. erhöht sein könnte.<br />

Bei <strong>de</strong>r Langdistanz (3,8 km<br />

Schwimmen, 180 km Radfahren, 42,1 km<br />

Laufen) kommt es auf <strong>de</strong>r<br />

Marathonstrecke <strong>de</strong>s Laufens zu einem<br />

zunehmen<strong>de</strong>n (<strong>de</strong>utlichen) Anstieg <strong>de</strong>r<br />

HF, bedingt durch Ermüdung und<br />

Glykogenspeicher-Entleerung.<br />

Foto links / Mitte: Ronald Westerhei<strong>de</strong> –<br />

rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/<br />

- 252 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

3.3 Die Herzfrequenz im Training und ---<br />

……Wettkampf<br />

Nach<strong>de</strong>m hier ausgiebig<br />

ver<strong>de</strong>utlicht wur<strong>de</strong>, wie begrenzt<br />

aussagefähig <strong>de</strong>r Parameter HF ist,<br />

wer<strong>de</strong>n viele verständlicherweise<br />

sehr verunsichert sein und nicht<br />

wissen, wie sie <strong>de</strong>nn jetzt im<br />

Training damit umgehen sollen.<br />

Auch wenn es keine Patentregeln<br />

gibt, so sollen in diesem Kapitel<br />

Tipps gegeben wer<strong>de</strong>n, welche das<br />

Lernen mit <strong>de</strong>m Umgang eines HF-<br />

Messgerätes erleichtern soll.<br />

3.3.1 Die Herzfrequenz im Training<br />

- 253 -<br />

Foto: JN<br />

Um zu lernen, das HF-Verhalten richtig zu interpretieren, bedarf es viel<br />

Erfahrung. Diese zu erlangen erfor<strong>de</strong>rt ein regelmäßiges Tragen eines<br />

solchen Gerätes, in allen möglichen Trainings- und Wettkampf-Situationen.<br />

Hierbei sollten immer Vergleichsparameter vorhan<strong>de</strong>n sein, wie<br />

Wattleistung, Geschwindigkeit, subjektives Empfin<strong>de</strong>n – unter <strong>de</strong>r<br />

Berücksichtigung von Klima, Bo<strong>de</strong>nverhältnissen und Streckenprofil.<br />

Jedoch sind nicht alle Vergleichsparameter für alle Sportler gleich geeignet.<br />

So ist für <strong>de</strong>n Radsportler die Geschwindigkeit kein brauchbarer<br />

Anhaltspunkt, da diese durch das rollen<strong>de</strong> Trainingsgerät Rennrad – bei<br />

gleicher Belastung – extrem variieren kann (Windverhältnisse,<br />

Windschattenfahren, Abfahrt usw.). Beim Läufer sieht dies besser aus, da<br />

keine so hohen Tempounterschie<strong>de</strong> möglich sind. Beim Radfahrer tut sich<br />

das Problem auf, dass die variieren<strong>de</strong>n Trittfrequenzen und verschie<strong>de</strong>ne<br />

Körperpositionen starken Einfluss auf das HF-Verhalten haben, dieses ist<br />

beim Läufer nicht gegeben. Der Radfahrer hat aber theoretisch die<br />

Möglichkeit, die Wattleistung sehr genau zu messen – welche <strong>de</strong>n<br />

genausten Parameter darstellt.


Foto: Ronald Westerhei<strong>de</strong> – rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

In <strong>de</strong>r Regel bleibt dies<br />

allerdings <strong>de</strong>m Leistungssport<br />

vorbehalten, da<br />

diesbezügliche Kurbel- und<br />

Naben-Systeme (welche<br />

einwirken<strong>de</strong> Kräfte messen)<br />

sehr teuer sind.<br />

In <strong>de</strong>r Trainingspraxis wird<br />

man es immer wie<strong>de</strong>r mit<br />

verschie<strong>de</strong>nen<br />

Standardsituationen zu tun haben, welche es ermöglichen, das Verhalten<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Parameterwerte unter gleichen Bedingungen zu sehen. Der<br />

Radfahrer wird feststellen, dass er bei einer typischen Übersetzung,<br />

welcher er gleichmäßig auf flachem Terrain fährt, bei gleicher<br />

Körperposition und geringer Luftbewegung, meist auch das gleiche HF-<br />

Verhalten aufweisen wird. Der Läufer wird bei gleicher HF auf flacher<br />

Standard-Strecke auch immer wie<strong>de</strong>r bemerken, dass er dabei auch ein<br />

gewisses Standard-Tempo laufen wird.<br />

An<strong>de</strong>rerseits wird man dann auch immer wie<strong>de</strong>r typische Situationen<br />

kennenlernen, wo die Rahmenbedingungen so an<strong>de</strong>rs sind, dass die<br />

ansonsten brauchbaren Anhaltspunkte so in <strong>de</strong>r „üblichen“ Art keine o<strong>de</strong>r<br />

nur noch begrenzten Aussagewert haben.<br />

Foto:<br />

JN<br />

Geschwindigkeitsmessung Läufer<br />

Läufer sollten typische Hausrun<strong>de</strong>n,<br />

auf <strong>de</strong>nen sie regelmäßig trainieren,<br />

vermessen, sodass dort je<strong>de</strong>r (o<strong>de</strong>r<br />

zumin<strong>de</strong>st einige) Kilometer irgendwie<br />

markiert wer<strong>de</strong>n können. Dann lässt<br />

sich auch immer wie<strong>de</strong>r das Tempo<br />

(min/km) genau messen. Mittlerweile<br />

gibt es aber auch die Möglichkeit <strong>de</strong>r<br />

Geschwindigkeitsmessung über GPS<br />

o<strong>de</strong>r spezieller Messgeräte am Fuß.<br />

- 254 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Wer also eine ganze<br />

Weile trainiert und<br />

immer in sich<br />

hineinhorcht und<br />

vergleicht (wie fühlen<br />

sich dabei die Beine<br />

an, wie ist die<br />

Atmung, Tritt-,<br />

Schrittfrequenz, HF,<br />

Tempo …), wird<br />

automatisch im Laufe<br />

<strong>de</strong>r Zeit ein<br />

entsprechen<strong>de</strong>s<br />

Gespür bekommen, um die Lage auch besser einschätzen zu können. Man<br />

wird so im Laufe <strong>de</strong>r Zeit lernen, wann die HF als Orientierung sinnvoll und<br />

wann sinnlos ist. Sehr hilfreich kann hierbei auch eine ausführliche<br />

Dokumentation <strong>de</strong>s Trainings (Trainingstagebuch) sein. Auch die<br />

Möglichkeit <strong>de</strong>r HF-Aufzeichnung (mit Auswertung am PC) ist hier sehr von<br />

Vorteil, da dabei immer wie<strong>de</strong>r eine umfangreiche Ansicht <strong>de</strong>s HF-<br />

Verhaltens bei allen möglichen Trainingsstrukturen gegeben ist (solche HF-<br />

Mess-Geräte sind lei<strong>de</strong>r recht teuer). Hat man ausreichend Erfahrung<br />

gesammelt und ein gutes Körpergefühl erlangt, so sollte Letzteres bei <strong>de</strong>r<br />

Trainingssteuerung immer an erster Stelle stehen – und weitere Parameter<br />

immer als (wichtige) Kontrollparameter angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die HF bei Dauerbelastungen<br />

- 255 -<br />

Foto: --ephoto-- iStockphotos.com<br />

Es wur<strong>de</strong> bereits ausgiebig beschrieben, dass die HF bei längeren<br />

Ausdauerbelastungen früher o<strong>de</strong>r später einen <strong>de</strong>utlichen Anstieg aufweist<br />

(Kap. 1.4 / 2.2.9), <strong>de</strong>r nicht zwangsläufig einer Erhöhung <strong>de</strong>r Intensität<br />

entspricht.<br />

Ein Anstieg <strong>de</strong>r HF bei Dauerbelastungen ist ein völlig normaler<br />

physiologischer Vorgang, welcher nicht automatisch einen Handlungsbedarf<br />

erfor<strong>de</strong>rlich macht (Temporeduzierung)! Der biologische Aufwand steigt mit<br />

<strong>de</strong>r Zeit standardgemäß an.<br />

Dennoch muss man berücksichtigen, dass ein <strong>de</strong>utlicher HF-Anstieg auch<br />

auf eine ebenso <strong>de</strong>utlich fortgeschrittene Ermüdung hinweisen kann.


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Ein verfrühter HF-Anstieg<br />

resultiert dann ggf. von einem<br />

zu hoch gewählten Tempo,<br />

mit <strong>de</strong>m dann ein<br />

entsprechend früher<br />

Leistungseinbruch<br />

einhergehen wird. Je später<br />

ein solcher HF-Anstieg erfolgt,<br />

<strong>de</strong>sto größer die Gewähr,<br />

dass man die gewählte<br />

Intensität auch lange aufrechterhalten kann. Bei einem mehrstündigen,<br />

gleichmäßigen <strong>Ausdauertraining</strong> sollte ein HF-Steady-State etwa zwei<br />

Stun<strong>de</strong>n gehalten wer<strong>de</strong>n können. Danach wird in <strong>de</strong>r Regel ein erster,<br />

langsamer Anstieg dieser erfolgen. Bei gutem Trainingszustand sollte ein<br />

<strong>de</strong>utlicher Anstieg von über 10 S/min dann noch eine längere Zeit auf sich<br />

warten lassen. Ist ein HF-Anstieg von 15-20 S/min erreicht und die<br />

geplante Trainingsdauer liegt dann noch <strong>de</strong>utlich über etwa 30 min (grober<br />

Anhaltspunkt), so kann mit einer drastischen Ermüdung am En<strong>de</strong><br />

gerechnet wer<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>r das Verhältnis zwischen gewähltem Tempo und<br />

Dauer ggf. nicht richtig aufeinan<strong>de</strong>r abgestimmt wur<strong>de</strong>.<br />

Bei einem Fettstoffwechseltraining, welches sich bei gut trainierten<br />

Ausdauersportlern ebenfalls über mehrere Stun<strong>de</strong>n erstreckt, wird auch<br />

häufig auf die HF verwiesen und niedrige HF-Werte mit hoher<br />

„Fettverbrennung“ in<br />

Verbindung gebracht. Im<br />

Gegensatz dazu wer<strong>de</strong>n dann<br />

hohe HF-Werte als niedrige<br />

Fettstoffwechselrate mit <strong>de</strong>r<br />

primären Einbeziehung <strong>de</strong>r<br />

Kohlenhydratverbrennung<br />

propagiert. Der Hintergrund<br />

solch einer These ist nicht<br />

falsch, aber irreführend und<br />

mutet paradox an.<br />

Foto oben: tramani_sagrens – „Schnell wie <strong>de</strong>r Wind“ - CC-Lizenz (BY 2.0)<br />

http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/<strong>de</strong>/<strong>de</strong>ed.<strong>de</strong> / www.piqs.<strong>de</strong><br />

Foto unten: lululemon_athletica – NY Marathon 11 - CC-Lizenz (BY 2.0)<br />

http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/<strong>de</strong>/<strong>de</strong>ed.<strong>de</strong> / www.piqs.<strong>de</strong><br />

- 256 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Für ein Verstoffwechseln von Fetten wird mehr Sauerstoff benötigt als für<br />

die Verbrennung von Kohlenhydraten. Die energetische Flussrate <strong>de</strong>s<br />

Fettstoffwechsels ist geringer als die <strong>de</strong>s Kohlenhydratstoffwechsels. Da bei<br />

niedriger HF logischerweise weniger Sauerstoff aufgenommen wird als bei<br />

hoher HF, ergibt sich <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruch, dass bei niedriger HF mehr Fette<br />

verbrannt wer<strong>de</strong>n (können.)<br />

Das <strong>de</strong>r prozentuale Anteil <strong>de</strong>s<br />

Fettstoffwechsels bei niedriger<br />

HF tatsächlich <strong>de</strong>utlich höher<br />

liegen kann als bei hoher HF ist<br />

nicht durch die HF selber<br />

begrün<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn ein Resultat<br />

einer ausreichend niedrigen<br />

Belastungsintensität, welche<br />

sich in einer niedrigen HF wi<strong>de</strong>rspiegelt. Diese niedrige Intensität bietet<br />

eine ausreichen<strong>de</strong> Menge Sauerstoff, um eine hohe Fettverbrennungsrate<br />

(mit geringerer energetischer Flussrate) zu ermöglichen – wobei in <strong>de</strong>r<br />

Regel noch ein nicht unbe<strong>de</strong>utend hoher Anteil <strong>de</strong>r<br />

Kohlenhydratverbrennung vorliegt.<br />

Dass prinzipiell eine hohe Fettstoffwechselrate höhere HF-Werte<br />

erfor<strong>de</strong>rlich macht, wird ersichtlich, wenn bei Dauerbelastungen die<br />

Kohlenhydratvorräte zur Neige gehen und eine vermehrte Verbrennung von<br />

Fettsäuren bedingen. Dann muss die HF ansteigen, um <strong>de</strong>n ansteigen<strong>de</strong>n<br />

Sauerstoffbedarf zu <strong>de</strong>cken. Die HF ist also kein sicheres Maß zur<br />

Beurteilung <strong>de</strong>r Stoffwechsellage und eine pauschale Rechnung falsch.<br />

Fotos: JN<br />

- 257 -


Kommentar<br />

Die Herzfrequenz und ich<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Als Läufer habe ich drei Parameter anhand <strong>de</strong>ssen ich meine<br />

Trainingseinheiten steuern bzw. die Belastungsintensität beurteilen<br />

kann: Körpergefühl, Laufgeschwindigkeit und die HF. Dies ist auch die<br />

Reihenfolge, die diese Größen in meiner Prioritätenliste einnehmen.<br />

Zuerst mein Körpergefühl, was durch nichts zu ersetzen ist, dicht<br />

gefolgt von <strong>de</strong>r Laufgeschwindigkeit und dann – mit Abstand – die HF.<br />

Nur im Bereich GA1 und GA1/2 hat die HF erhöhte Priorität.<br />

Bei meinen langen Fettstoffwechseleinheiten zählen für mich nur Gefühl<br />

und Tempo, das stimmt immer. Ein Anstieg <strong>de</strong>r HF bei sehr langen<br />

Einheiten bis ca. 170 S/min ist ohne Leistungseinbuße möglich (die<br />

ersten bei<strong>de</strong>n Stun<strong>de</strong>n liegt diese in <strong>de</strong>r Regel bei 140-155 S/min). Nur<br />

wenn sich die HF irgendwann in Richtung 175 S/min o<strong>de</strong>r gar höher<br />

bewegt, ist dies ein Zeichen für eine sehr starke Ermüdung, welche<br />

eine Reduzierung <strong>de</strong>s Tempos erzwingt. Dies ist gekoppelt an eine zu<br />

starke Entleerung <strong>de</strong>r Kohlenhydratspeicher. Dies passiert allerdings<br />

selten, da ich bei nur bei Fettstoffwechselläufen bis 3 / 3,5 Stun<strong>de</strong>n auf<br />

Nahrungszufuhr verzichte, geht es darüber hinaus, wird früh genug<br />

etwas gegessen.<br />

Den Bereich GA2-WSA steuere ich in <strong>de</strong>r Regel nur bei <strong>de</strong>r Intervall-<br />

und Fahrtspielmetho<strong>de</strong> an, die HF ist dabei unbrauchbar und es zählt<br />

nur Tempo und Gefühl. Ausnahme sind hier längere Passagen (mehrere<br />

Kilometer) im Bereich <strong>de</strong>r AS, dort nehme ich auch HF als zusätzlichen<br />

Anhaltspunkt.<br />

- 258 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Äußerst wertvoll ist die HF für mich im mittleren<br />

Intensitätsbereich GA1/2. Diesen habe im HF-<br />

Bereich von 165-175 festgelegt. Habe ich in <strong>de</strong>r<br />

Zone eine längere Einheit auf <strong>de</strong>m Programm<br />

stehen (z. B. 15-20 km) und laufe so fix los, dass<br />

ich schon frühzeitig bei 170-175 liege, wird <strong>de</strong>r<br />

Ermüdungsgrad am En<strong>de</strong> recht hoch – höher als es<br />

manchmal sein müsste (was bei einer harten<br />

Trainingswoche von Be<strong>de</strong>utung ist). Laufe ich aber<br />

so los, dass ich die erste Hälfte bei 165-170 liege,<br />

so passt dies vom Tempo her auch voll und ganz. In<br />

<strong>de</strong>r zweiten Hälfte steigt die HF dann auf 170-175<br />

an – aber die Einheit for<strong>de</strong>rt mir nicht so viel ab.<br />

Über das Tempo ist dies nur begrenzt kontrollierbar,<br />

da dieser Geschwindigkeitsbereich eine <strong>de</strong>utlich<br />

geringere Bandbreite aufweist, als <strong>de</strong>r extensive<br />

Bereich, mit niedriger Belastungsintensität und dies<br />

auch von <strong>de</strong>r Tagesform und Windverhältnissen<br />

abhängt. Und eine schlechtere Tagesform kann hier<br />

eher zu einem Anstieg <strong>de</strong>r HF führen, als bei einer<br />

sehr guten Tagesform. Die HF ist mir dann eine sehr<br />

gute Hilfe, das entsprechen<strong>de</strong> Tempo zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Auch wenn ich mich vielleicht nur 30-50 % meines<br />

Trainings nennenswert an <strong>de</strong>r HF orientiere, so wäre<br />

für mich ein völliger Verzicht kaum vorstellbar.<br />

Wenn ich mit meiner Laufpartnerin trainiere (langer<br />

Lauf), versuche ich immer wie<strong>de</strong>r mal anhand ihrer<br />

Atmung ihre HF vorherzusagen. Häufig liege ich<br />

sehr nah dran, aber manchmal auch <strong>de</strong>utlich<br />

daneben. Immer funktioniert dies halt nicht. So<br />

habe ich manchmal Tage, wo ich selbst wie eine alte<br />

Dampflok schnaufe, meine HF gefühlt viel zu hoch<br />

ist, in Wirklichkeit ist sie aber völlig normal.<br />

Manchmal ist es auch umgekehrt, ich fühle mich<br />

top, atme ruhig, aber die HF ist höher als sonst.<br />

- 259 -


Die HF beim Regenerationstraining<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Für ein Training <strong>de</strong>r aktiven Regeneration wer<strong>de</strong>n auch gerne HF-Vorgaben<br />

gegeben. Solche Werte sollten aber nicht als Dogma genommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Hierbei sind die vorausgegangene Höhe <strong>de</strong>r Belastung und <strong>de</strong>r daraus<br />

resultieren<strong>de</strong> Ermüdungsgrad mitentschei<strong>de</strong>nd. Starke Vorbelastungen<br />

erfor<strong>de</strong>rn mehr Sauerstoff für regenerative Prozesse, weshalb eine HF<br />

zwangsläufig erhöht sein kann – ggf. über <strong>de</strong>n theoretischen optimalen<br />

Werten. Drastisch macht sich dies beispielsweise bei einem Läufer kurz<br />

nach einem harten Wettkampf bemerkbar. Beim langsamen Auslaufen ist<br />

die HF noch erheblich erhöht, weit über <strong>de</strong>m eigentlichen Soll. Am En<strong>de</strong><br />

einer intensiveren Trainingseinheit sieht dies ähnlich aus. Dennoch ist<br />

hierbei eine erste regenerative Wirkung gegeben, die Muskulatur wird<br />

wie<strong>de</strong>r etwas lockerer und Laktat wird schneller abgebaut. Bei gut erholtem<br />

Zustand hingegen, wie etwa Tage vor einem Wettkampf, können ermittelte<br />

HF-Werte für eine aktive Regeneration problemlos eingehalten wer<strong>de</strong>n.<br />

Ein erfahrener Ausdauersportler wird ein diesbezügliches Training nicht<br />

nach HF steuern, son<strong>de</strong>rn nach Gefühl und Erfahrung, unter <strong>de</strong>r<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>r Rahmenbedingungen. Denn das Gefühl um die<br />

eigenen Muskeln und die Wirkung eines geringen Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s auf diese,<br />

sagt mehr aus, als ein HF-Wert dies vermag.<br />

Foto: Marcel Jancovic / Shutterstock.com<br />

- 260 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

3.3.2 Die Herzfrequenz im Wettkampf<br />

Ein HF-Messgerät im Wettkampf ist von wesentlich geringerer Be<strong>de</strong>utung<br />

als im Training.<br />

Durch Willen, Ehrgeiz und Motivation (und natürlich entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Leistungsfähigkeit), wird man sich lange Zeit mit einer Intensität belasten<br />

können, wie man es aus <strong>de</strong>n Trainings- und Leistungstestdaten oft nicht für<br />

möglich halten wür<strong>de</strong>. Es ist <strong>de</strong>shalb schwer möglich, genaue HF-Vorgaben<br />

für <strong>de</strong>n WK zu geben. Ein erfahrener Sportler kann – allein durch sein<br />

subjektives Belastungsempfin<strong>de</strong>n und entsprechen<strong>de</strong>s Körpergefühl – die<br />

richtige Intensität fin<strong>de</strong>n. Ein Läufer wird überwiegend anhand <strong>de</strong>r<br />

Kilometermarkierungen sein eingeplantes Lauftempo kontrollieren. Bei sehr<br />

langen Distanzen (wie etwa ein Halbmarathon und Marathon, ein Triathlon<br />

auf <strong>de</strong>r Mittel- und Langdistanz) kann die HF begrenzt als Orientierung<br />

dienen. Aber auch dabei ist zu berücksichtigen, dass in <strong>de</strong>r Endphase einer<br />

solchen Belastung (bei gleicher Belastungsintensität) ein <strong>de</strong>utlicher Anstieg<br />

<strong>de</strong>r HF gegeben sein kann.<br />

Ganz problematisch wird es bei Sportarten, welche sich durch häufige und<br />

sehr <strong>de</strong>utliche Belastungswechsel auszeichnen, wie z. B. <strong>de</strong>r Straßen-<br />

Radsport. Das Tempo wird dort überwiegend durch taktische Maßnahmen<br />

bestimmt. Der Sportler muss sich dabei am Verhalten seiner Mannschaft<br />

und <strong>de</strong>r Konkurrenten orientieren und nicht nach seiner HF.<br />

Foto: Ronald Westerhei<strong>de</strong> – rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/<br />

- 261 -<br />

Tour <strong>de</strong> France und Pulsmesser<br />

Schaut man sich die Bil<strong>de</strong>r einer<br />

Tour <strong>de</strong> France an, wenn die<br />

Rennfahrer die schweren<br />

Bergetappen absolvieren und bei<br />

sengen<strong>de</strong>r Hitze ihr Trikot weit<br />

geöffnet haben, sieht man sehr<br />

viele <strong>de</strong>r Fahrer, welche gar kein<br />

HF-Messgerät tragen.


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Relativ kurze Dauerbelastungen (bis ca. eine Stun<strong>de</strong>) lassen bei<br />

entsprechen<strong>de</strong>m Trainingszustand auch eine Belastung sehr lange bis<br />

permanent knapp oberhalb <strong>de</strong>r AS zu (z. B. 5000-10000-m-Lauf). Dabei<br />

bewegt man sich in Belastungsbereichen, welche oft nur noch zu sehr<br />

geringen HF-Verän<strong>de</strong>rungen führen und <strong>de</strong>mentsprechend anhand <strong>de</strong>r HF<br />

nicht mehr zu unterschei<strong>de</strong>n sind. Auch hier sind Erfahrung, Körpergefühl<br />

und die Kontrolle von Tempo o<strong>de</strong>r Wattleistung von wesentlich größerer<br />

Be<strong>de</strong>utung als die HF.<br />

Zwei weitere Faktoren können Probleme bereiten: Durch Aufregung kann<br />

die HF, schon beim Warm-up, 10-20 Schläge höher sein als im Training.<br />

Allerdings wird im Wettkampf, wenn die Belastungsintensität sehr hoch ist,<br />

<strong>de</strong>r Aufregungsfaktor nach kurzer Zeit be<strong>de</strong>utungslos. Bei einer harten<br />

Grenzbelastung ist kein Platz mehr für Aufregung, und das<br />

Wahrnehmungsfeld und die Konzentrationsfähigkeit engt sich nur noch auf<br />

das Wesentliche ein: möglichst lange diese Belastung durchzustehen.<br />

Radrennen können unmöglich nach HF gefahren wer<strong>de</strong>n.<br />

Foto: Ronen / Shutterstock.com<br />

Trotz<strong>de</strong>m ist es sinnvoll, immer<br />

wie<strong>de</strong>r mal ein HF-Messgerät im<br />

Wettkampf zu tragen, weil<br />

dieser wichtige Informationen<br />

zur Leistungssteuerung/-<br />

Entwicklung gibt bzw. sich <strong>de</strong>r<br />

Wettkampf analysieren lässt.<br />

Dies ist auch <strong>de</strong>r hauptsächliche<br />

Grund, warum Leistungssportler<br />

im Wettkampf solche Geräte<br />

tragen – weniger, um das<br />

Wettkampfverhalten danach<br />

auszurichten. Weltrekor<strong>de</strong> und<br />

Bestzeiten wer<strong>de</strong>n nach<br />

„Marschtabellen“ bzw.<br />

Tempovorgaben absolviert und<br />

nicht nach <strong>de</strong>r HF.<br />

- 262 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Falsch gedacht<br />

Bei einem Vortrag über HF-Messung (Mitte <strong>de</strong>r 1990er Jahre) ging es<br />

darum, <strong>de</strong>n Anwesen<strong>de</strong>n Ausdauersportlern die Sinnigkeit eines HF-<br />

Messgerätes zu vermitteln. Als <strong>de</strong>r Seminarleiter die Wertigkeit eines<br />

solchen Geräts auch im Wettkampf erklären wollte und dann auch ein<br />

Radrennen als Beispiel nahm, sinnierte er dabei über <strong>de</strong>n „roten<br />

Bereich“, <strong>de</strong>n man anhand <strong>de</strong>r HF erkennen wür<strong>de</strong>. Statt z. B. eine<br />

Attacke <strong>de</strong>s Konkurrenten mitzufahren o<strong>de</strong>r gar selber eine zu starten,<br />

könne man sich so kontrolliert zurückhalten, wenn die HF zu hoch<br />

wür<strong>de</strong>. Man könne also damit vermei<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>n anaeroben Bereich zu<br />

gehen. Bei <strong>de</strong>n Radsportkennern im Publikum löste dies Stirnrunzeln<br />

und Grinsen aus.<br />

Dem Seminarleiter waren Ablauf und Dynamik eines Radrennens völlig<br />

fremd.<br />

Allerdings sollte die HF bei sehr langen Dauerbelastungen, welche sich<br />

durch stun<strong>de</strong>nlange gleichmäßige Intensitäten auszeichnen, wie etwa bei<br />

einem Triathlon auf <strong>de</strong>r Langdistanz, durchaus Beachtung fin<strong>de</strong>n. Ein<br />

erfahrener Ausdauersportler wird wissen, in welchem Regulationsbereich<br />

sich die HF bei entsprechen<strong>de</strong>r Dauer aufhalten kann, ohne dass es zum<br />

Leistungsabfall führt. Wie bereits beschrieben wird eine zu früh<br />

ansteigen<strong>de</strong> HF ein sicheres Maß dafür sein, dass das gewählte Tempo zu<br />

hoch ist, was unausweichlich zum Einbruch führen wird. In dieser Hinsicht<br />

kann die HF auch<br />

im Wettkampf<br />

sehr hilfreich sein.<br />

Foto: Bigid Keil -<br />

cyclingstars.<strong>de</strong><br />

- 263 -


Kommentar<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Die Atmung ist auch ein sehr guter Anhaltspunkt. Wenn ich<br />

beispielsweise Läufer im Wettkampf coache, so orientiere ich mich (bei<br />

Distanzen von 5-21,1 km) bei diesen Sportlern sehr stark an <strong>de</strong>ren<br />

Atmung. Hört sie sich nicht „hart“ genug an, so weiß ich, dass diese<br />

noch nicht am Limit laufen und ich for<strong>de</strong>re <strong>de</strong>mgemäß ein höheres<br />

Tempo. Die HF interessiert mich dabei nicht! Es ist auch möglich, mit<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Erfahrung, so ein gutes Feeling zu entwickeln, dass<br />

man verschie<strong>de</strong>ne Tempi sehr gut einschätzen kann, anhand von<br />

Atmung, wie sich die Beine anfühlen, gefühlte Schrittlänge und<br />

Schrittfrequenz usw. „Tempo-Raten“ nenne ich schon mal die Spielerei,<br />

bestimmte Lauf-Tempi anhand <strong>de</strong>s Gefühls einzuschätzen und dies<br />

dann entsprechend zu kontrollieren. So kann ich auch „blind“, ohne HF-<br />

Messer o<strong>de</strong>r Stopp-Uhr, exakt, mit einer Genauigkeit von +/- 1-2<br />

Sekun<strong>de</strong>n/km, an meiner AS laufen. Im entsprechend trainiertem<br />

Zustand heißt dies: Ich weiß bei einem Halbmarathon (flache, schnelle<br />

Strecke) genau, ob ich <strong>de</strong>n angepeilten Km-Schnitt laufe o<strong>de</strong>r nicht<br />

bzw. ich könnte genau das angepeilte Tempo laufen, ohne Stopp-Uhr<br />

(die ich in <strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>nnoch als zusätzliche Kontrolle anwen<strong>de</strong>!).<br />

Ausdauersportlern, welche die Möglichkeit haben, ihre HF-Werte<br />

aufzuzeichnen, sei empfohlen, ab und zu ihren HF-Empfänger während<br />

<strong>de</strong>s Trainings zu „verstecken“, sodass er nicht sichtbar ist. Anhand <strong>de</strong>s<br />

Gefühls wird dann die Belastung gesteuert und versucht, die HF und ihr<br />

Verhalten einzuschätzen. Erst nach <strong>de</strong>m Training wird dann die HF-<br />

Kurve betrachtet und mit <strong>de</strong>m eigenen Gefühl verglichen.<br />

Foto: Ronald<br />

Westerhei<strong>de</strong> – rowesportfoto.<strong>de</strong>/<br />

- 264 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

3.3.3 Das Herzfrequenzverhalten während einer<br />

………Leistungsentwicklung<br />

Eine große Stärke <strong>de</strong>r HF liegt in <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Leistungsentwicklung<br />

<strong>de</strong>s Trainieren<strong>de</strong>n. Die Summe aller Entwicklungen im menschlichen<br />

Organismus, welche eine Erhöhung <strong>de</strong>r Ausdauerleistung mit sich bringen,<br />

ergeben einen höheren Wirkungsgrad. Daraus ergibt sich ein niedriger<br />

Sauerstoff- und Nährstoffbedarf, welches wie<strong>de</strong>rum eine geringere<br />

Herzarbeit erfor<strong>de</strong>rt. Bei gleicher physikalischer Leistung sinkt die HF.<br />

Im Laufe <strong>de</strong>r Ausbildung eines Ausdauersportlers ergeben sich zahlreiche<br />

Möglichkeiten, ein ansteigen<strong>de</strong>s Niveau über das HF-Verhalten zu erkennen<br />

bzw. zu überprüfen. Hierfür ist allerdings eine umfangreiche Protokollierung<br />

von Trainings- und Wettkampfdaten notwendig.<br />

Leistungsentwicklung<br />

einer Läuferin<br />

Die folgen<strong>de</strong>n Daten<br />

stammen von einer Läuferin,<br />

welche 1997 im Alter von 33<br />

Jahren erst mit <strong>de</strong>m Sport<br />

begann. Im Bereich<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> zuerst nur<br />

auf Kardiogeräten im<br />

Fitnessstudio und outdoor<br />

etwas auf <strong>de</strong>m Mountainbike.<br />

Nach ca. einem Jahr begann<br />

sie mit <strong>de</strong>m Laufen. Dabei<br />

entwickelten sich recht leistungsorientierte Zielsetzungen, welche durch<br />

einen systematischen Trainingsaufbau begleitet wur<strong>de</strong>n. Über eine Dauer<br />

von ca. 5 Jahren ergab sich eine <strong>de</strong>utliche Erhöhung <strong>de</strong>r<br />

Ausdauerleistungsfähigkeit, bis sie aus zeitlichen Grün<strong>de</strong>n ihre<br />

leistungsorientierten Zielsetzungen aufgeben musste und nun nur noch<br />

fitnessorientiert läuft.<br />

- 265 -


1<br />

3<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Entwicklung <strong>de</strong>r HF-Werte im Laufe <strong>de</strong>r Jahre<br />

Die HF an <strong>de</strong>r AS erhöhte sich um 10 S/min (Anhebung um 14 %<br />

.abgeleitet von Wettkampfergebnissen - DLG)<br />

Bei einer ihrer „Hausrun<strong>de</strong>n“ (gelaufen in einer Stun<strong>de</strong>) sank die HF<br />

um 30 S/min (21 %)<br />

Beim Lauftempo von 6:20 min/km sank ihre HF um 30 S/min (19 %)<br />

Ihre Ruhe-HF sank um 20 S/min (40 %)<br />

4<br />

Ihre HF bei einem Wettkampf über 10 km lag bei um die 185 S/min. Ihre<br />

Bestzeiten über diese Distanz entwickelten sich von 55 min (nach einem<br />

Jahr Lauftraining) auf 45 min (ca. 2,5 Jahre später).<br />

2<br />

- 266 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

3.4 Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Anwendung<br />

3.4.1 Pro und Kontra<br />

Bewusst sein sollte einem, dass im Prinzip nur bestimmte vorliegen<strong>de</strong><br />

Standardfaktoren ausreichen<strong>de</strong> Rahmenbedingungen schaffen, welche eine<br />

Beurteilung <strong>de</strong>r Belastungshöhe über die HF ermöglichen können. Von<br />

elementarer Be<strong>de</strong>utung sind hierbei:<br />

- Relativ gleichmäßige Dauerbelastung ohne häufige, in recht<br />

- 267 -<br />

kurzen Abstän<strong>de</strong>n erfolgen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Belastung<br />

- Ökonomische Bewegungsfrequenz mit geringem Kraftanteil<br />

- Flaches Terrain und „schneller“ Bo<strong>de</strong>nbelag mit geringem<br />

Kraftanteil<br />

- Mil<strong>de</strong> klimatische Bedingungen (keine Hitze / hohe<br />

Luftfeuchtigkeit)<br />

- Ausreichend gefüllte Glykogenspeicher<br />

- Ein noch nicht <strong>de</strong>utlich fortgeschrittener<br />

Ermüdungsgrad<br />

- Psychische Entspanntheit<br />

Alle diese Faktoren müssen bei einer<br />

Ausdauerbelastung gegeben sein. Weicht nur einer<br />

<strong>de</strong>utlich davon ab, muss das HF-Verhalten an<strong>de</strong>rs<br />

interpretiert wer<strong>de</strong>n, als die HF-Vorgaben es<br />

bescheinigen!<br />

Je<strong>de</strong>m Ausdauersportler sollte klar sein, dass die<br />

oben aufgeführten I<strong>de</strong>al-Bedingungen in <strong>de</strong>r Praxis<br />

sehr häufig nicht gegeben sind (sein können).


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Typische Standard-Situationen - HF Pro und Kontra<br />

HF Pro<br />

- Längere, gleichmäßige Dauerbelastungen (ohne starke<br />

Ermüdung und entleerte Glykogenspeicher), im geringen<br />

bis mittleren (begrenzt im höheren) Intensitätsbereich,<br />

bei gleicher Körperposition und Bewegungsfrequenzen<br />

und relativ gleichbleiben<strong>de</strong>n äußeren Bedingungen<br />

(Klima, Terrain) - , begrenzt <br />

HF Kontra<br />

- Stark variieren<strong>de</strong>s Terrain (Bo<strong>de</strong>nbelag, Streckenprofil)<br />

- Variieren<strong>de</strong> Menge aktiver Muskelmasse.<br />

- Sehr lange Dauerbelastungen.<br />

- , mit sehr<br />

häufigem Belastungswechsel.<br />

- Wettkämpfe im Bereich LZA I<br />

- Radrennen / Speed-Skater-Rennen<br />

Foto:<br />

Ronald Westerhei<strong>de</strong> –<br />

rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/<br />

- 268 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

3.4.2 Häufig gestellte Fragen<br />

Ist mein Puls so gut? (Der Klassiker)<br />

Diese pauschale Frage lässt sich genau so wenig pauschal beantworten,<br />

solange „so gut“ nicht genau <strong>de</strong>finiert wird und die Zielsetzungen,<br />

Rahmenbedingungen und individuellen physiologischen Werte <strong>de</strong>r Person<br />

nicht bekannt sind. Eine „blin<strong>de</strong>“ Stellungnahme zu einer vorliegen<strong>de</strong>n HF<br />

wäre bzw. ist reine Spekulation und unfachmännisch. Ein „Puls“ kann auch<br />

pauschal nicht „ungut“ sein. Er ist, wie er ist, weil die Bedingungen es so<br />

erfor<strong>de</strong>rn.<br />

Bei welchem Puls verbrenne ich Fett? (Noch ein Klassiker)<br />

Es gibt diesbezüglich keine optimale HF, schon gar nicht eine pauschale,<br />

allgemeingültige. Fettabbau und Fettverbrennung hat nichts mit speziellen<br />

HF-Werten zu tun. Außer<strong>de</strong>m lässt die HF keinerlei sicheren Rückschlüsse<br />

auf die Stoffwechsellage zu.<br />

Wie hoch darf ich / man mit <strong>de</strong>m Puls gehen, ohne dass es<br />

gefährlich wird?<br />

Bei einem gesun<strong>de</strong>n Menschen gibt es keine HF-Obergrenze, bei <strong>de</strong>r es<br />

gesundheitsgefähr<strong>de</strong>nd o<strong>de</strong>r gar tödlich en<strong>de</strong>n kann, we<strong>de</strong>r individuell und<br />

erst recht nicht pauschal. HF-Obergrenzen können nur trainingsmethodisch<br />

begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Foto: JN<br />

- 269 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Foto: JN<br />

Ich kann die mir<br />

vorgegebenen HF-<br />

Vorgaben nicht<br />

einhalten, diese ist<br />

häufig zu hoch, obwohl<br />

ich sehr langsam fahre /<br />

laufe. Was soll ich tun?<br />

Bei diesem nicht seltenen<br />

Problem bedarf es einer<br />

genaueren Abklärung, wie<br />

die HF-Vorgaben zustan<strong>de</strong> gekommen sind. War die Berechnungsformel<br />

unpassend? Beruhte die Berechnung o<strong>de</strong>r die Auswertung <strong>de</strong>s<br />

Testverfahrens auf reiner Statistik? Wie ist die Differenz zwischen<br />

Wettkampfleistung und vermeintlich geringen HF-Intensitäten? Solche und<br />

weitere Aspekte sind zu kontrollieren, um eine eventuelle Fehlerquelle zu<br />

enttarnen, welche ggf. <strong>de</strong>m Trainieren<strong>de</strong>n zu niedrige HF-Werte aufzwingt.<br />

Beim Training auf <strong>de</strong>m Ra<strong>de</strong>rgometer muss ich ins Leere treten, um<br />

die Pulsvorgaben einhalten zu können, ist dies richtig?<br />

NEIN! Absolutes NEIN! In diesem Fall sind die HF-Vorgaben falsch, o<strong>de</strong>r<br />

entsprechen<strong>de</strong> Rahmenbedingungen erfor<strong>de</strong>rn eine an<strong>de</strong>re Interpretation<br />

<strong>de</strong>r HF. Solch eine Pseudo-Beanspruchung ist geringer als die beim Gehen<br />

im Alltag. Es können so keinerlei Trainingsreize gesetzt wer<strong>de</strong>n, welche<br />

nicht schon ständig im Alltag vorliegen. Solch ein „Training“ ist völlig<br />

unterschwellig und eine nutzlose Zeitverschwendung.<br />

Mein Puls ist zu hoch, was kann ich dagegen tun?<br />

Warum ist dieser zu hoch? Womit wird dies begrün<strong>de</strong>t? Wie wird „zu hoch“<br />

<strong>de</strong>finiert? Solche Fragen müssen zuerst geklärt wer<strong>de</strong>n, bevor über einen<br />

Handlungsbedarf entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann.<br />

- 270 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 271 -<br />

Foto: Ronald Westerhei<strong>de</strong> – rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/<br />

Obwohl ich meine Pulsvorgaben die ganze Zeit einhalten kann und<br />

ich genug Luft bekomme, wer<strong>de</strong>n meine Beine immer mü<strong>de</strong> und<br />

schwer. Was kann das sein?<br />

Hier sollte die Möglichkeit in Betracht gezogen wer<strong>de</strong>n, dass<br />

unökonomische, zu Kraft betonte Bewegungsfrequenzen die Ursache sind<br />

(zu große Gänge / zu große Schrittlänge), o<strong>de</strong>r das Streckenprofil<br />

(Anstiege) nicht genügend Beachtung fin<strong>de</strong>t.<br />

Welches ist die beste Metho<strong>de</strong>, um meine Pulswerte zu verringern?<br />

Die beste Trainingsmetho<strong>de</strong>, um im Sinne einer Leistungssteigerung bei<br />

gleicher Leistung die HF <strong>de</strong>utlich zu senken, ist ein Intervalltraining mit<br />

entsprechend bzw. ausreichend hoher Intensität. Dieses sollte natürlich nur<br />

bei hinreichend guter Grundlage einbezogen wer<strong>de</strong>n. Generell ist dabei ein<br />

bezüglich Intensität und Dauer variantenreiches und abwechslungsreiches<br />

Training wichtig, ohne chronische Einseitigkeit.


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Mein Arzt hat gesagt, mein Puls wäre zu hoch – und das, obwohl<br />

ich schon lange regelmäßig Ausdauersport betreibe. Was soll ich<br />

tun?<br />

Solange diese Behauptung nicht in Verbindung mit einer medizinischen<br />

Indikation gebracht wur<strong>de</strong>, sind solche Thesen skeptisch zu betrachten und<br />

zu hinterfragen. Die Kompetenzen eines Mediziners bezüglich<br />

sind in <strong>de</strong>r Regel unzureichend. Sieht <strong>de</strong>r Arzt einen<br />

Handlungsbedarf, obwohl keine medizinische Indikation vorliegt (ein nicht<br />

passen in Statistikwerte stellt keine solche Indikation dar!), sollte eine<br />

weitere Meinung eingeholt wer<strong>de</strong>n (insbeson<strong>de</strong>re die eines erfahrenen<br />

Trainers).<br />

Mein Puls ist heute so hoch, ich fühle mich aber gut. Was soll ich<br />

tun?<br />

Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Wenn man sich subjektiv<br />

nicht schlechter fühlt als sonst und die erhöhte HF eigentlich gar nicht<br />

spürt, kann es sich um eine nicht relevante Ursache han<strong>de</strong>ln. Dann ist auch<br />

zu berücksichtigen, wie sehr die HF erhöht ist. 5-10 S/min sind nicht<br />

wenig, aber nicht sofort ein Grund zu han<strong>de</strong>ln, bei 15 S/min und höher<br />

sieht dies schon an<strong>de</strong>rs aus. Die Vorgänge im Körper sind oft nicht so<br />

einfach nachvollziehbar. Dennoch ist eine gewisse Vorsicht geboten, so<br />

könnte sich z. B. eine Krankheit anmel<strong>de</strong>n. Nicht selten sind solche HF-<br />

Kapriolen aber Eintagsfliegen und 1-2 Tage später ist alles wie<strong>de</strong>r normal.<br />

Foto: JN<br />

- 272 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

3.4.3 Das Herzfrequenzmessgerät Foto: JN<br />

HF-Messgeräte funktionieren nach <strong>de</strong>m<br />

Prinzip <strong>de</strong>s EKG (Elektrokardiogramm),<br />

welches auch bei ärztlichen<br />

Untersuchungen angewandt wird. Sie<br />

bestehen aus einer Sen<strong>de</strong>einheit-<br />

(Brustgurt, welche die Herzaktivitäten<br />

misst und sen<strong>de</strong>t) und einem<br />

Empfänger (Uhr am Handgelenk, welche<br />

die gemessenen Daten anzeigt). Die<br />

Übertragung erfolgt dabei kabellos.<br />

Solche Geräte erreichen in <strong>de</strong>r Regel<br />

auch die Genauigkeit <strong>de</strong>s ärztlichen EKG.<br />

Es wer<strong>de</strong>n auch HF-Messgeräte angepriesen, bei <strong>de</strong>nen kein Brustgurt<br />

benötigt wird. Die Messung erfolgt dann durch das Auflegen eines Fingers<br />

auf einen Sensor <strong>de</strong>r Mess-Uhr. Diese wer<strong>de</strong>n vom Hersteller oft auch als<br />

HF-Messgerät mit EKG-Genauigkeit verkauft. Dies ist allerdings völlig<br />

unkorrekt, da es sich hierbei nicht um HF-Messgeräte han<strong>de</strong>lt (han<strong>de</strong>ln<br />

kann), son<strong>de</strong>rn um Pulsmessgeräte, welche nicht in <strong>de</strong>r Lage sind (sein<br />

können), EKG-genaue Messungen durchzuführen.<br />

Wer die Wahl hat, hat die Qual: Die Auswahl an HF-Messgeräten ist sehr<br />

groß. Vor einem Kauf eines HF-Messgerätes sollte man sich sehr gut<br />

überlegen, welche Funktionen man benötigt und welche nur eine Spielerei<br />

sind. Der Hobby- und Breitensportläufer benötigt normalerweise nur<br />

wenige Grundfunktionen: Uhrzeit, Stopp-Uhr, HF-Anzeige, eventuell noch<br />

durchschnittliche HF und MHF im Training. Einstellung <strong>de</strong>r oberen und<br />

unteren Trainings-HF mit Alarm-Ton (Letzteres benötigt allerdings viel<br />

Batteriestrom). Mit ca. 30-50, - Euro ist man dann dabei. Nun gibt es noch<br />

Geräte, welche mit beson<strong>de</strong>ren Funktionen locken, wie z. B. Own Zone®,<br />

Own In<strong>de</strong>x® (bei<strong>de</strong>s Polar®), Kalorienverbrauch, Fettkalorienverbrauch,<br />

Fitness-Test u. Ä. Solche und ähnliche Funktionen treiben <strong>de</strong>n Preis ggf. in<br />

die Höhe und sind ungenau und vage, weshalb <strong>de</strong>ren Nutzen infrage<br />

gestellt wer<strong>de</strong>n kann. Für Ausdauersportarten, bei <strong>de</strong>nen die<br />

Geschwindigkeit in min/km gemessen wird, ist ein HF-Messgerät sehr<br />

sinnvoll, welches die Messung und das Speichern von Run<strong>de</strong>n- bzw.<br />

Zwischenzeiten bietet. Sehr teure Geräte ermöglichen es, eine Auswertung<br />

über <strong>de</strong>n PC vorzunehmen.<br />

- 273 -


Kommentar<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Foto: JN<br />

Auswertungen am PC … nicht mehr nur für<br />

Profis möglich.<br />

Grundvoraussetzung für die richtige<br />

Funktion eines HF-Messers ist das<br />

richtige Anlegen <strong>de</strong>s Mess- bzw.<br />

Sen<strong>de</strong>gurts. Dieser muss unterhalb<br />

<strong>de</strong>r Brust (-muskulatur) sitzen (nicht<br />

auf Bauchhöhe). Der Sen<strong>de</strong>r (<strong>de</strong>r Mittelteil <strong>de</strong>s HF-Messers) muss dabei<br />

auch mittig sitzen, Innen- und Außenseite dürfen nicht vertauscht wer<strong>de</strong>n<br />

– und er sollte nicht auf <strong>de</strong>m Kopf stehen (theoretisch ist dies egal, aber<br />

<strong>de</strong>r Autor hat schon etliche Male die Erfahrung gemacht, dass dann nicht<br />

korrekt gemessen wird). Weiterhin sollten die Mess-Elektro<strong>de</strong>n (<strong>de</strong>r flexible<br />

Teil, welcher sich links und rechts vom<br />

Sen<strong>de</strong>rgehäuse befin<strong>de</strong>t) auf <strong>de</strong>r Innenseite mit<br />

Wasser angefeuchtet wer<strong>de</strong>n, um einen Kontakt<br />

zu gewährleisten (ein Anfeuchten <strong>de</strong>s Sen<strong>de</strong>rs ist<br />

sinnlos!).<br />

Ein korrekt angelegter Sen<strong>de</strong>r…<br />

Gera<strong>de</strong> die Möglichkeit, das HF-Verhalten aufzeichnen und dann am PC<br />

auswerten zu können, hat mir sehr dabei geholfen, dieses zu verstehen<br />

und zu beurteilen. Auch <strong>de</strong>m Breitensportler, <strong>de</strong>r interessiert ist, sich<br />

tiefer mit <strong>de</strong>r Materie zu befassen und in seinen Körper zu schauen,<br />

kann ich sehr empfehlen, tiefer in die Tasche zu greifen, wenn er über<br />

<strong>de</strong>n Kauf eines solchen Gerätes nach<strong>de</strong>nkt. Auch wenn er dadurch<br />

alleine nicht besser wird und er kein Leistungssportler ist, dass<br />

Biofeedback ist sehr wertvoll.<br />

Ich möchte hier nicht gezielt Werbung für die Firma Polar® machen,<br />

doch meiner Meinung nach ist die Software dieser Firma im Bereich HF-<br />

Auswertung und -Darstellung nicht zu toppen.<br />

- 274 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Probleme und mögliche Ursachen<br />

Problem<br />

Trotz gleich bleiben<strong>de</strong>r Belastung bleibt<br />

die angezeigte Herzfrequenz nicht<br />

konstant.<br />

Mögliche Ursache<br />

Geringfügige Schwankungen im Bereich<br />

von +/- 5 Schläge/min sind völlig<br />

normal. Das Herz schlägt nie über längeren Zeitraum konstant, im<br />

Gegenteil, wenn die HF-Anzeige länger als ca. 10-15 Sekun<strong>de</strong>n einen<br />

konstanten Wert anzeigt, dann liegt meist ein Messfühler vor. Die HF<br />

reagiert sehr empfindlich auf kleinste Verän<strong>de</strong>rungen. So können schon<br />

eine kleine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Atemfrequenz, <strong>de</strong>r Körperhaltung, o<strong>de</strong>r einfach<br />

nur die Gedanken die HF beeinflussen. Der Trainingszustand spielt hierbei<br />

auch eine Rolle. Während einer Belastung fallen solche Schwankungen<br />

(man spricht hierbei auch von einer Art Herzfrequenzvariabilität) bei einem<br />

Wenigtrainierten <strong>de</strong>utlicher aus als bei einem Guttrainierten.<br />

Bezüglich <strong>de</strong>r HF in Ruhe ist dies aber umgekehrt, eine (relativ)<br />

unregelmäßige Ruhe-HF kann ein Zeichen für einen entspannten Körper bei<br />

einem guten Trainingszustand sein. Guttrainierte wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>shalb in <strong>de</strong>r<br />

Regel ein ungleichmäßigeres Verhalten <strong>de</strong>r Ruhe-HF aufweisen als<br />

Wenigtrainierte. Diese HF-Variabilität, welche im geringen bis mittleren<br />

Intensitätsbereich recht <strong>de</strong>utlich ist, fällt bei hoher Intensität (im Bereich<br />

<strong>de</strong>r Dauerleistungsgrenze) nur noch sehr gering aus, weshalb sich dann<br />

irgendwann verschie<strong>de</strong>ne Tempobereiche bzw. Belastungsstufen anhand<br />

<strong>de</strong>r HF nicht mehr unterschei<strong>de</strong>n lassen.<br />

Problem<br />

Die HF ist nach <strong>de</strong>m Training über Stun<strong>de</strong>n erhöht.<br />

Mögliche Ursache<br />

- Starke Erschöpfung (regenerative Maßnahmen sind erfor<strong>de</strong>rlich)<br />

- Flüssigkeitsmangel (viel trinken ist angesagt)<br />

- 275 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Problem<br />

Der HF-Messer zeigt trotz geringer Belastung<br />

Werte von über 200 Schläge/min an, obwohl man<br />

sich ganz normal fühlt.<br />

Mögliche Ursache<br />

Keine Panik, eine solch hohe HF wäre <strong>de</strong>utlich zu<br />

spüren. Ein HF-Messgerät reagiert sehr<br />

empfindlich auf elektromagnetische Wellen bzw.<br />

Störquellen (z. B. Hochspannungsmasten o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re Stromquellen), was sich dann als solche<br />

Messfehler bemerkbar macht. Eventuell ist auch die Batterie <strong>de</strong>s Sen<strong>de</strong>rs<br />

zu schwach und muss erneuert wer<strong>de</strong>n.<br />

Problem<br />

HF-Bereiche, in <strong>de</strong>nen man bisher immer ohne Anstrengung trainieren<br />

konnte, sind seit einer Weile nur noch mit großer Anstrengung zu<br />

erreichen. Obwohl man sich in letzter Zeit überhaupt nicht mehr fit fühlt,<br />

ist die HF immer ungewöhnlich niedrig.<br />

Mögliche Ursache<br />

Übertraining (Überlastungssyndrom) – ein Missverhältnis zwischen<br />

Belastung (zu hoch, zu oft, zu lang) und Regeneration (zu wenig, zu kurz)<br />

(eine Trainingspause sollte eingelegt und das Training reduziert wer<strong>de</strong>n.)<br />

Problem<br />

Die Ruhe- und die Belastungs-HF sind stark erhöht.<br />

Mögliche Ursache<br />

- Überbeanspruchung / Übertraining (das Training sollte reduziert bzw. eine<br />

Trainingspause eingelegt wer<strong>de</strong>n.)<br />

- Infekt (unbedingt eine Trainingspause einlegen!)<br />

- 276 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Problem<br />

Trotz gleich bleiben<strong>de</strong>r Belastung zeigt <strong>de</strong>r<br />

HF-Messer enorme und völlig<br />

unrealistische Schwankungen <strong>de</strong>r HF an.<br />

Häufig wer<strong>de</strong>n dabei sehr hohe Werte<br />

angezeigt. O<strong>de</strong>r es ist überhaupt keine<br />

Messung möglich (es wird keine HF<br />

angezeigt), o<strong>de</strong>r die HF-Anzeige bleibt<br />

immer wie<strong>de</strong>r merkwürdigerweise bei<br />

einem Wert „hängen“ (zeigt noch nicht<br />

mal geringfügige Schwankungen an –<br />

siehe ).<br />

Mögliche Ursache<br />

Solche Schwankungen sind keine<br />

<strong>de</strong>utlichen Schwankungen <strong>de</strong>r HF, son<strong>de</strong>rn<br />

sind auf Messfehler zurückzuführen, <strong>de</strong>ren<br />

Ursache meist eine Art<br />

Herzrhythmusstörung ist. Auch wenn man<br />

grundsätzlich nichts mit<br />

Herzrhythmusstörungen zu tun hat, kann<br />

dies gelegentlich auftreten. Solche<br />

sogenannten Extrasystolen können völlig harmlos sein (also keine Panik),<br />

können aber auch durchaus eine genauere Ursachenforschung notwendig<br />

machen. Es gibt mehrere Situationen, bei <strong>de</strong>nen es dazu kommen kann:<br />

Sollte es nur in <strong>de</strong>r Anfangsphase einer Trainingseinheit zu solchen<br />

Unregelmäßigkeiten kommen, welche sich dann im Laufe <strong>de</strong>r<br />

Trainingseinheit geben, so ist dies normalerweise völlig harmlos. Gera<strong>de</strong><br />

bei Untrainierten kommt dies häufig vor, und mit zunehmen<strong>de</strong>m<br />

Trainingszustand verschwin<strong>de</strong>n diese. Aber auch später kann so etwas<br />

immer wie<strong>de</strong>r mal auftreten.<br />

Als kritischer zu beurteilen ist, wenn die HF in <strong>de</strong>r Vorbelastung immer ein<br />

normales Verhalten aufweist, aber sobald man sich halbwegs körperlich<br />

beansprucht, diese dann unaufhörlich solche Kapriolen macht. O<strong>de</strong>r<br />

generell (auch in Ruhe) solche Messfehler eine korrekte Messung<br />

unmöglich machen.<br />

- 277 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Solch eine Situation kann ein Anzeichen für eine noch nicht abgeklungene<br />

grippale Krankheit sein, o<strong>de</strong>r eine sich ankündigen<strong>de</strong> – was in diesem Falle<br />

absolutes Sportverbot be<strong>de</strong>uten sollte (es droht eine lebensgefährliche<br />

Herzmuskelentzündung). Ist eine durch Krankheit bedingte Beeinflussung<br />

auszuschließen und es kommt <strong>de</strong>nnoch immer wie<strong>de</strong>r zu solchen<br />

Zustän<strong>de</strong>n, dann sollte auf je<strong>de</strong>n Fall ein Arzt aufgesucht wer<strong>de</strong>n. Unter<br />

Umstän<strong>de</strong>n liegen hier „echte“ (bisher noch nicht ent<strong>de</strong>ckte)<br />

Herzrhythmusstörungen vor, <strong>de</strong>ren Ursache und Auswirkungen untersucht<br />

wer<strong>de</strong>n müssen. Ähnliches gilt, wenn <strong>de</strong>utliche HF-Unregelmäßigkeiten nur<br />

bei höheren Beanspruchungen auftreten.<br />

Dies kann zwar auch harmlos und unbe<strong>de</strong>nklich sein, sollte aber auch von<br />

einem Arzt überprüft wer<strong>de</strong>n.<br />

Eventuell ist die Batterie <strong>de</strong>s Sen<strong>de</strong>rs auch stark entleert und muss<br />

erneuert wer<strong>de</strong>n. Befin<strong>de</strong>n sich die Mess-Elektro<strong>de</strong>n in einem Textilgurt, so<br />

können die dort enthaltenen Drähte irgendwann auch Scha<strong>de</strong>n nehmen<br />

und dadurch falsche Signale an <strong>de</strong>n Empfänger gesen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Problem<br />

Trotz gleich bleiben<strong>de</strong>r und gleichmäßiger Belastung steigt die HF im Laufe<br />

<strong>de</strong>r Trainingseinheit <strong>de</strong>utlich an.<br />

Mögliche Ursache<br />

- Starker Flüssigkeitsmangel (das Training sollte abgebrochen wer<strong>de</strong>n)<br />

- Entleerung <strong>de</strong>r Kohlenhydratspeicher (unbe<strong>de</strong>nklich bei einer langen<br />

Fettstoffwechsel-Trainingseinheit, kritisch, wenn – durch<br />

Mangelernährung – die Kohlenhydratspeicher chronisch entleert sind)<br />

- Ansteigen<strong>de</strong>r Energieverbrauch (unbe<strong>de</strong>nklich, solange man sich immer<br />

noch wohlfühlt)<br />

- Erhöhung <strong>de</strong>r Körpertemperatur bei gleichzeitiger Verringerung <strong>de</strong>s<br />

Herzschlagvolumens (grundsätzlich unbe<strong>de</strong>nklich; ein völlig normaler<br />

Vorgang im Körper)<br />

- Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Atmung (weniger tief – dafür höhere Atemfrequenz)<br />

- 278 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

3.5 Die Herzfrequenz-Trainingszonen<br />

3.5.1 Variieren<strong>de</strong> Intensität als Bedingung für eine<br />

……….Leistungssteigerung<br />

Ohne Aufgaben und Anfor<strong>de</strong>rungen verkümmern die Funktionen <strong>de</strong>s<br />

menschlichen Organismus – umgekehrt passen sie sich an gesteigerte<br />

äußere Belastungen an, wenn diese bestimmte Bedingungen erfüllen.<br />

Zur gezielten Leistungs- und Trainingssteuerung ist es notwendig, dass<br />

Umfang und Intensität variieren.<br />

Dabei müssen Belastungsintensität und Belastungsumfang bzw.<br />

Belastungsdauer im richtigen Verhältnis zueinan<strong>de</strong>rstehen, um (auch<br />

langfristig) überkompensieren<strong>de</strong> Anpassungsvorgänge im Organismus<br />

hervorzurufen. Hierzu kommt <strong>de</strong>r richtig gewählte Wechsel zwischen<br />

Belastung und Erholung (siehe nächste Abbildung).<br />

Training als biologische Ursache-Wirkungs-Kette<br />

Belastung Störung <strong>de</strong>s biologischen Gleichgewichts<br />

Erhöhter Funktionszustand Regeneration<br />

- 279 -<br />

Anpassung (Adaption)<br />

Herz-Kreislauf-Beanspruchungen von min<strong>de</strong>stens 60-70 % <strong>de</strong>r MHF gelten<br />

als Voraussetzung für signifikante Leistungssteigerungen. Allerdings<br />

vermag ein Augenmerk alleine auf die HF nicht, dass bei <strong>de</strong>r<br />

Trainingsteuerung längerfristig überkompensieren<strong>de</strong> Anpassungsvorgänge<br />

ermöglicht wer<strong>de</strong>n. Dabei sind noch etliche an<strong>de</strong>re Faktoren zu<br />

berücksichtigen, welches sich insbeson<strong>de</strong>re dadurch begrün<strong>de</strong>t, dass die HF<br />

alleine eben nicht in <strong>de</strong>r Lage ist, ein ausreichen<strong>de</strong>s Bild über Art und<br />

Qualität einer Trainingsbelastung zu verschaffen.


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

3.5.2 Die verschie<strong>de</strong>nen Intensitätsbereiche<br />

Voraussetzung für gezielte<br />

Trainingsvorgaben ist hierbei die<br />

Unterteilung <strong>de</strong>r Leistungsbandbreite<br />

in verschie<strong>de</strong>ne Intensitätsbereiche (-<br />

Zonen) bzw. Trainingsbereiche. Ein<br />

Training in diesen unterschiedlichen<br />

Bereichen führt zu unterschiedlichen<br />

Trainingseffekten bzw. Anpassungen<br />

im Organismus. Dies ist notwendig,<br />

da für eine <strong>de</strong>utliche Verbesserung <strong>de</strong>r Ausdauerleistungsfähigkeit auch<br />

verschie<strong>de</strong>ne Fähigkeiten erfor<strong>de</strong>rlich sind, welche teilweise dann auch auf<br />

unterschiedliche Art und Weise antrainiert wer<strong>de</strong>n müssen. Es ist nicht<br />

möglich, optimale Vorgaben (bezüglich <strong>de</strong>r Belastungsintensität) möglichst<br />

eng einzugrenzen und damit universell alle Trainingseffekte zu erzielen.<br />

Demgemäß muss für ein wirksames <strong>Ausdauertraining</strong> eine große<br />

Bandbreite <strong>de</strong>r HF-Reserve genutzt und angesteuert wer<strong>de</strong>n. Die Größe <strong>de</strong>r<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen Bandbreite hängt von <strong>de</strong>r Zielsetzung und <strong>de</strong>m<br />

Leistungsvermögen ab. Bei einem Fitnesssportler reicht teilweise eine<br />

grobe Aufteilung in 3 Bereiche aus, während in <strong>de</strong>r leistungsorientierten<br />

Leistungsklasse, wegen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich komplexeren Arbeitsmethodik, eine<br />

Aufteilung in min<strong>de</strong>stens 4-5 Bereiche erfor<strong>de</strong>rlich ist.<br />

Es gibt keine genormte Bezeichnung für solche verschie<strong>de</strong>nen Trainings-<br />

bzw. Intensitätsbereiche. Diese Bereiche wer<strong>de</strong>n in verschie<strong>de</strong>ner Literatur<br />

(beson<strong>de</strong>rs in Abhängigkeit von <strong>de</strong>r Sportart) oft unterschiedlich benannt.<br />

Manche Autoren wählen<br />

auch, zum besseren<br />

Verständnis für Laien,<br />

eigene und vereinfachte<br />

Ausdrücke.<br />

Fotos: Ronald Westerhei<strong>de</strong> –<br />

rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/<br />

- 280 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Die in <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Abbildung bezeichneten, häufig gewählten und<br />

prinzipiell sportartübergreifen<strong>de</strong>n Begriffe, ermöglichen – ohne weitere<br />

Details – einfach Aufschluss über die entsprechen<strong>de</strong>n Trainingszonen eines<br />

Sportlers.<br />

Intensitätsbereiche im Ausdauersport<br />

WSA<br />

Wettkampfspezifische Ausdauer - hohe bis sehr hohe Intensität<br />

GA2<br />

Grundlagenausdauer 2 - hohe Intensität<br />

GA1/2<br />

Grundlagenausdauer 1/2 - mittlere Intensität<br />

GA1<br />

Grundlagenausdauer 1 - geringe Intensität<br />

KOM*<br />

Kompensationsbereich – sehr geringe bis geringe Intensität<br />

- 281 -<br />

* Bei alten Trainingsplänen <strong>de</strong>s Autors oft bezeichnet als<br />

(regenerativer Bereich)<br />

Die Möglichkeiten und Arbeitsweisen die Trainingsbereiche zu ermitteln und<br />

zu berechnen sind sehr vielseitig. Die Genauigkeit <strong>de</strong>r Vorgaben kann<br />

erheblich variieren. Ursache dafür ist zum einen das gewählte bzw.<br />

mögliche Testverfahren, zum an<strong>de</strong>ren aber auch <strong>de</strong>ren<br />

Auswertungsphilosophie. Denn die Berechnungsmethodik erfolgt nie<br />

ausschließlich über physiologische Fakten, son<strong>de</strong>rn diese unterliegt auch<br />

zwangsläufig einer gewissen Willkür, die sich auf Erfahrungswerte stützt.<br />

Erfahrungswerte, welche sich dann durchaus physiologisch begrün<strong>de</strong>n<br />

lassen. Das ist eine unausweichliche Notwendigkeit, da die Natur keine<br />

Trainingslehre kennt und <strong>de</strong>mgemäß keine klaren Grenzwerte vorgibt.


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Dies ist auch ein Grund, warum sich die Ergebnisse von<br />

Berechnungsmetho<strong>de</strong>n sehr häufig erheblich voneinan<strong>de</strong>r Unterschei<strong>de</strong>n,<br />

selbst wenn diesen theoretisch sehr aussagefähigen Ermittlungsverfahren<br />

vorausgehen. Foto: Gemeinfrei – aus Wikipedia<br />

3.5.3 Die Bandbreite <strong>de</strong>r Intensitätsbereiche<br />

Bei <strong>de</strong>r Konstruierung <strong>de</strong>r HF-Bereiche sollte<br />

auf eine ausreichen<strong>de</strong> Praktikabilität<br />

geachtet wer<strong>de</strong>n, sodass diese nicht zu<br />

schmal- aber auch nicht zu breitbandig<br />

ausfallen. Dies kann vorkommen, wenn bei<br />

<strong>de</strong>r Interpretation eines Testergebnisses nur<br />

metabolische Vorgänge als Orientierung<br />

dienen, physikalische Gegebenheiten (aus<br />

<strong>de</strong>nen maßgeblich die Muskelbeanspruchung<br />

resultiert) aber nicht. So wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r<br />

Laktatleistungsdiagnostik die HF-Bereiche<br />

gerne von fixen Laktat-Grenzwerten<br />

abgeleitet. Je nach Trainingszustand <strong>de</strong>s<br />

Sportlers, wie etwa die Ausprägung seiner<br />

aeroben Ausdauer, vermag die HF-Bandbreite <strong>de</strong>r einzelnen<br />

Intensitätsbereiche dann erhebliche Unterschie<strong>de</strong> aufweisen. Dies ist<br />

physiologisch nicht unkorrekt, kann aber in <strong>de</strong>r Trainingspraxis zu<br />

Problemen in <strong>de</strong>r Umsetzung bis hin zu trainingsmethodischen<br />

Ungereimtheiten führen. Bei einem fiktiven Beispiel könnte dies dann wie in<br />

<strong>de</strong>r nächsten Abbildung aussehen.<br />

Intensitätsbereiche eines Radsportlers (Beispiel)<br />

KOM = < 2 mmol/l < 100 Watt HF < 140 S/min<br />

GA1 = 2-3 mmol/l 100-220 Watt HF 140-165 S/min<br />

GA2 = 3-6 mmol/l 220-270 Watt HF 165-172 S/min<br />

WSA = > 6 mmol/l > 270 Watt HF > 172 S/min<br />

- 282 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Unter <strong>de</strong>r Berücksichtigung einer<br />

gewissen Dynamik <strong>de</strong>s HF-Verhaltens<br />

und möglicher Tagesformschwankungen,<br />

könnte für so einen Radsportler schnell<br />

das Problem entstehen, anhand <strong>de</strong>r HF<br />

<strong>de</strong>n Belastungsbereich GA2 korrekt<br />

anzusteuern, wenn eine genaue Messung<br />

<strong>de</strong>r Wattleistung nicht möglich ist.<br />

Außer<strong>de</strong>m könnte dieser chronisch mit<br />

180-220 Watt fahren und wür<strong>de</strong> (laut HF)<br />

die gleiche Intensität ansteuern (GA1) wie bei einem Training ständig bei<br />

100-140 Watt. Er hält ja jeweils einen Laktatbereich von 2-3 mmol/l und<br />

eine entsprechen<strong>de</strong> HF ein. Nun stellt ein Leistungsbereich von 180-220<br />

Watt aber eine signifikant höhere muskuläre Beanspruchung dar als eine<br />

von 100-150 Watt. Daraus resultierten an<strong>de</strong>re Trainingsreize mit an<strong>de</strong>ren<br />

Ergebnissen im Leistungsaufbau.<br />

Die Leistungsbandbreite in Watt<br />

könnte man durchaus als zu groß<br />

ansehen, um diese nur einem<br />

Intensitätsbereich zuzuordnen –<br />

Laktat hin, Laktat her. Vor Augen<br />

halten sollte man sich auch, dass<br />

diese Laktatwertgrenzen<br />

künstlicher, vom Menschen<br />

festgelegter Natur sind.<br />

Physiologisch gibt es keinen<br />

Grund, solche Werte scharf<br />

abzugrenzen und diese als Dogma festzulegen. Statt <strong>de</strong>ssen ist es sinnvoll,<br />

die ermittelten Bandbreiten <strong>de</strong>r einzelnen HF-Trainingszonen auch mit<br />

physikalischen Komponenten zu vergleichen und die Vorgaben ggf.<br />

anzupassen. In diesem Beispiel könnte dies so aussehen, dass <strong>de</strong>r Bereich<br />

GA2 nach unten hin vergrößert und <strong>de</strong>r Bereich GA1 nach oben hin<br />

verringert wird. Dies wäre durchaus praktikabler und physiologisch nicht<br />

unkorrekter. Wie erwähnt ist dieses Beispiel nur konstruiert, zur<br />

Demonstration, kann aber vergleichsweise in <strong>de</strong>r Praxis ähnlich<br />

vorkommen.<br />

Foto oben: gemeinfrei – aus Wikipedia<br />

Foto unten: Grayskullduggery - flickr.com<br />

- 283 -


Foto: Marco Kröner / pixelio.<strong>de</strong><br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Bei Läufern sind nicht selten<br />

eine recht hohe HF-<br />

Bandbreite innerhalb eines<br />

Intensitätsbereichs zu fin<strong>de</strong>n<br />

(ermittelt nach Laktatwerten)<br />

welches man hinterfragen<br />

könnte. Dies kann<br />

insbeson<strong>de</strong>re dann passieren,<br />

wenn „nur“ mit vier<br />

Intensitätsbereichen<br />

gearbeitet wird, welches automatisch zu einer größeren Bandbreite einer<br />

einzelnen HF-Zone führt.<br />

Aber auch bei fünf Intensitätsbereichen und abgeleitet von Prozent <strong>de</strong>r MHF<br />

kann dies schnell passieren, wenn die Prozentformeln sehr großzügig<br />

ausgelegt sind (50-60 %; 60-70 %; 70-80 %; 80-90 %; 90-100 % <strong>de</strong>r<br />

MHF). Bei Läufern bis zum (min<strong>de</strong>stens) mittleren Alter sind MHF-Werte<br />

von 180-200 S/min schon fast Standard, wodurch sich dann HF-<br />

Bandbreiten von 18-20 S/min für eine Intensitätszone ergeben, aus <strong>de</strong>nen<br />

dann wie<strong>de</strong>rum große Geschwindigkeitsbandbreiten je Zone resultieren.<br />

Eine Geschwindigkeitsbandbreite je Belastungszone von mehr als 2 km/h<br />

ist dann schnell gegeben – was für einen Läufer sehr viel ist. Auch hier ist<br />

ein Infragestellen berechtigt, wenn solche großen Tempospielräume als<br />

eine Belastungsintensität angesehen wer<strong>de</strong>n sollen und über eine<br />

Modifikation <strong>de</strong>r Vorgaben sollte nachgedacht wer<strong>de</strong>n. Wird dies nicht<br />

gemacht, ist verstärkt die<br />

Kompetenz <strong>de</strong>s Sportlers<br />

gefragt, im Training<br />

abzuwägen, wann er wie die<br />

jeweilige HF-Bandbreite<br />

sinnvoll nutzt.<br />

Foto:<br />

Karl-Heinz Liebisch / pixelio.<strong>de</strong><br />

- 284 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Der Autor wählt bei Läufern immer eine<br />

HF-Bandbreite pro Trainingszone von<br />

min<strong>de</strong>stens 5 S/min und maximal<br />

10 S/min (in Ausnahmefällen 12 S/min).<br />

Bei Prozentwerten (von einem HF-<br />

Grenzwert) wird eine Unterteilung von<br />

max. 5 % je Intensitätsbereich gewählt.<br />

Bei Radfahrern ist diese Vorgehensweise<br />

allerdings problematisch, da dort<br />

variieren<strong>de</strong> Körperpositionen und<br />

Bewegungsfrequenzen gegeben sind, welche prinzipiell (wie schon<br />

beschrieben) höhere HF-Bandbreiten erfor<strong>de</strong>rn. Da bei einem Läufer die<br />

Geschwindigkeitsmessung ein wichtiger Parameter zur Trainingssteuerung<br />

bil<strong>de</strong>t, ist er hierbei gegenüber <strong>de</strong>m Radfahrer <strong>de</strong>utlich bevorteilt, da die<br />

Geschwindigkeit beim Radfahrer zu großen externen Einflussfaktoren<br />

unterliegt. Ohne eine Möglichkeit <strong>de</strong>r Leitungsmessung (Watt) wird <strong>de</strong>m<br />

Sportler dann ein Vergleich bzw. Abgleich zwischen HF und daraus<br />

entstehen<strong>de</strong>r Leistung verwehrt.<br />

3.5.4 Metho<strong>de</strong>n zur Berechnung <strong>de</strong>r .<br />

………Intensitätsbereiche<br />

Die folgen<strong>de</strong> Abbildung zeigt gängige Metho<strong>de</strong>n zur Festlegung von<br />

Intensitätszonen. Die gelb markierten Trainingszonen kennzeichnen <strong>de</strong>n<br />

Intensitätsbereich sehr langer Trainingseinheiten bzw. <strong>de</strong>r eines<br />

Fettstoffwechsel- und Grundlagentrainings (bei GA1 nur <strong>de</strong>r untere Anteil).<br />

(1) Nach . Eine verbreitete Metho<strong>de</strong> „fixer“<br />

Festlegung von Schwellen und Trainingsbereichen. 2 mmol/l gilt<br />

hierbei als Aerobe Schwelle und 4 mmol/l meist als Anaerobe<br />

Schwelle.<br />

(2) Methodik mancher Schwellenkonzepte. Bis zu <strong>de</strong>m Bereich, an<br />

<strong>de</strong>m Laktat vollständig im Muskel abgebaut und nicht ins Blut<br />

abgegeben wird (kein Anstieg von Laktat messbar / Aerobe<br />

Schwelle) wird die Obergrenze für ein regeneratives und ein<br />

Fettstoffwechseltraining festgelegt. Die AS wird je nach Konzept<br />

an<strong>de</strong>rs ermittelt und die an<strong>de</strong>ren Trainingszonen anhand bei<strong>de</strong>r<br />

Schwellen berechnet.<br />

- 285 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

(3) Nach . Der Bereich GA1/2<br />

existiert hier nicht, <strong>de</strong>shalb die großzügige Auslegung <strong>de</strong>s Bereich<br />

GA1.<br />

(4) Nach . Die Vorgaben sind in seiner Literatur<br />

unterschiedlich angegeben, <strong>de</strong>shalb die zusätzliche Reihe mit<br />

kursiv formatierten Werten. Für Frauen wer<strong>de</strong>n gemäß ihrer<br />

genetischen Veranlagung höhere Werte berechnet.<br />

(5) Berechnungsformeln aus . Allerdings gibt es dort<br />

nicht die Begriffe KOM bis WSA, diese wur<strong>de</strong>n hier<br />

näherungsweise eingeordnet.<br />

(6) Berechnungsformeln für <strong>de</strong>n . Allerdings weichen<br />

in <strong>de</strong>r Literatur, je nach Autor, die Vorgaben teilweise signifikant<br />

voneinan<strong>de</strong>r ab. (Nähere Informationen über <strong>de</strong>n Conconi-Test<br />

bitte externer Literatur entnehmen.)<br />

Mögliche Berechnung <strong>de</strong>r Intensitätsbereiche<br />

Metho<strong>de</strong> Intensitätsbereiche<br />

Laktat<br />

(1)<br />

Laktat<br />

(2)<br />

KOM GA1 GA1/2 GA2 WSA<br />

< 2<br />

mmol/l<br />

max.<br />

Basis-<br />

Laktat<br />

2-3<br />

mmol/l<br />

3-6<br />

mmol/l<br />

AS-<br />

Bereich<br />

> 6<br />

mmol/l<br />

> AS<br />

MHF (3) 60-70 % 65-80 % 80-90 % > 90%<br />

MHF (4)<br />

< 60 %<br />

60-70 %<br />

60-70 %<br />

65-80 %<br />

Frauen plus ca. 7 %<br />

70-80 %<br />

70-85 %<br />

plus ca.<br />

5 %<br />

80-90 %<br />

plus ca.<br />

2 %<br />

> 90%<br />

MHF (5) < 75 % ~ 75 % 80-85 % 85-90% > 90 %<br />

Conconi<br />

(6)<br />

<<br />

70-80 %<br />

80-85 % 85-92 % 92-97% > 97 %<br />

- 286 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Die Liste möglicher Berechnungsvarianten könnte hier noch <strong>de</strong>utlich<br />

erweitert wer<strong>de</strong>n. Unabhängig <strong>de</strong>r Berechnungsmethodik wird man zwei<br />

Dinge immer wie<strong>de</strong>r feststellen:<br />

- Die Obergrenzen für ein regeneratives Training, für ein<br />

(mehrstündiges) Fettstoffwechseltraining bzw. für sehr lange<br />

extensive Trainingseinheiten liegen relativ nah beieinan<strong>de</strong>r (KOM<br />

bis unterer Bereich GA1.<br />

- Gera<strong>de</strong> bei Prozentformeln weichen die Angaben je nach Autor<br />

ganz erheblich voneinan<strong>de</strong>r ab, sodass sich für ein und dieselbe<br />

Person massive Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n HF-Vorgaben ergeben<br />

können.<br />

Letzteres tritt insbeson<strong>de</strong>re<br />

dann auf, wenn die MHF als<br />

Berechnungsmaßstab gewählt<br />

wird. Wie beschrieben liegt<br />

die Ursache primär darin, dass<br />

es sich bei Prozentformeln nur<br />

um Faustformeln han<strong>de</strong>lt<br />

(Kap. 2.1), <strong>de</strong>ren Auslegung<br />

dann von <strong>de</strong>r Philosophie <strong>de</strong>s<br />

Autors bzw. Anwen<strong>de</strong>rs<br />

abhängt – und nicht aus<br />

physiologischen Fakten.<br />

Obwohl in entsprechen<strong>de</strong>r Literatur noch oft Trainingsangaben in Prozent<br />

maximaler Parameter zu fin<strong>de</strong>n sind (gera<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Breitensportbereich),<br />

sind submaximale Schwellenwerte wesentlich bessere Indikatoren für die<br />

Beurteilung <strong>de</strong>r Leistungsfähigkeit und die Ableitung daraus resultieren<strong>de</strong>r<br />

Trainingsempfehlungen.<br />

Demgemäß sind auch Laktattests und spiroergometrische Untersuchungen<br />

ausgelegt. Doch auch ohne solche relativ aufwendigen und ggf. teuren<br />

Verfahren stehen <strong>de</strong>m insbeson<strong>de</strong>re leistungsorientierten Breitensportler<br />

und auch Trainern sehr aussagefähige Möglichkeiten zur Verfügung, welche<br />

<strong>de</strong>n Schwachpunkt <strong>de</strong>r Orientierungsgröße (Kap. 2.1) ausmerzen.<br />

Foto: Ronald Westerhei<strong>de</strong> – rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/<br />

- 287 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Erstaunlicherweise wird dies aber eher selten gemacht bzw. propagiert.<br />

Statt<strong>de</strong>ssen nehmen nicht selten sehr gut trainierte Breitensportler, <strong>de</strong>ren<br />

Leistungsniveau und Trainingsaufwand durchaus schon als Leistungssport<br />

betrachtet wer<strong>de</strong>n können, die MHF als Maßstab.<br />

Maßstab Foto: JN<br />

Anstelle dieser bietet sich die, eine, bzw.<br />

mehrere ermittelte Dauerleistungsgrenze(n)<br />

(DLG) an (Kap. 2.2.1), da hierbei recht<br />

sichere Informationen über die Lage <strong>de</strong>r AS<br />

gegeben wer<strong>de</strong>n können. Diesbezüglich<br />

wer<strong>de</strong>n ggf. schon Werte vorliegen,<br />

ansonsten spricht bei einem gesun<strong>de</strong>n<br />

Menschen nichts dagegen, sich bei<br />

ausreichen<strong>de</strong>r Trainingsgrundlage eines<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Tests zu unterziehen. Zumal<br />

auch für die Ermittlung <strong>de</strong>r MHF ein sehr<br />

belasten<strong>de</strong>r Test erfor<strong>de</strong>rlich ist, da für ein gezieltes <strong>Ausdauertraining</strong> eine<br />

Berechnung über eine Faustformel wegen <strong>de</strong>r unakzeptablen Fehlertoleranz<br />

nicht in Betracht kommt (Kap. 1.3.4).<br />

Bei <strong>de</strong>r Aussagefähigkeit solcher Tests ist zu beachten, dass hierbei eine<br />

volle bzw. hohe Auslastung, mit gleichmäßiger Beanspruchung gegeben<br />

sein muss. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn Wettkämpfe als Maßstab<br />

genommen wer<strong>de</strong>n. Es bieten sich insbeson<strong>de</strong>re Wettkämpfe als<br />

Orientierung an, da dort die Motivation, sich ausreichend zu belasten,<br />

erheblich höher ist als im Training.<br />

Der Cooper-Test ist ein<br />

Entsprechen<strong>de</strong> Untersuchungen (Weiler) Lauftest, bei <strong>de</strong>m über<br />

gibt es über <strong>de</strong>n Cooper-Test, bei <strong>de</strong>m einen Zeitraum von exakt<br />

festgestellt wur<strong>de</strong>, dass bei 12 min gelaufen wird<br />

Untrainierten die durchschnittliche (ebene Strecke). Die<br />

Belastung in <strong>de</strong>r Regel mit <strong>de</strong>r AS zurückgelegte Distanz wird<br />

i<strong>de</strong>ntisch ist, während entsprechend dann zur Beurteilung <strong>de</strong>s<br />

Trainierte darüber liegen. Weiterhin gibt Leistungsvermögens bzw.<br />

es im Laufsport auch Tabellenwerte, an<br />

<strong>de</strong>nen sich – oft mit einer erstaunlichen<br />

Genauigkeit – das AS-Tempo anhand<br />

<strong>de</strong>r max. VO² genommen.<br />

<strong>de</strong>s Leistungsvermögens über 5, 10 o<strong>de</strong>r 21,1 km ableiten lässt.<br />

- 288 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Ein von J. Friel; R. Frey; R. Cedaro beschriebenes bzw. entwickeltes<br />

Verfahren orientiert sich bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r AS auch an <strong>de</strong>r DLG.<br />

Wobei dort drei Zeiträume zur Auswahl stehen, bei <strong>de</strong>r die<br />

durchschnittliche HF (bei voller Auslastung) als Wert genommen wird. Die<br />

Berechnungen ergeben sich dort wie folgt:<br />

- 289 -<br />

DLG-HF 60 min = 100 % <strong>de</strong>r AS<br />

DLG-HF 30 min = 103 % <strong>de</strong>r AS<br />

DLG-HF 12 min = 107 % <strong>de</strong>r AS<br />

Bei Sportlern mit eher geringem Leistungsniveau dürfen solche Maßstäbe<br />

aber nicht als Orientierung dienen, da sie gemäß ihres Trainingszustands<br />

nicht in <strong>de</strong>r Lage sind sich über solche Zeiträume entsprechend hoch zu<br />

belasten. Beanspruchungen knapp oberhalb eines Max-LaSS sind bei<br />

diesen nur über eine <strong>de</strong>utlich geringerer Dauer möglich. O<strong>de</strong>r bei gleicher<br />

Dauer wird die Intensität niedriger ausfallen (müssen). Es gilt dabei also,<br />

noch anhand <strong>de</strong>r Leistungsfähigkeit zu differenzieren.<br />

Ein perfekter „DLG-Test“<br />

Foto: Ronald Westerhei<strong>de</strong> – rowe-sportfoto.<strong>de</strong>/


3.5.5 Arbeitsweise <strong>de</strong>s Autors<br />

Läufer<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Anhand <strong>de</strong>r beschriebenen Gegebenheiten arbeitet <strong>de</strong>r Autor bei Läufern<br />

mit und empfiehlt folgen<strong>de</strong> Methodik, um die Lage <strong>de</strong>r AS zu ermitteln und<br />

die Intensitätsbereiche davon abzuleiten. Diese hat sich seit vielen Jahren<br />

bewährt.<br />

Läufer (durchschnittliche HF und Tempo)<br />

10 km Wettkampfbelastung (Tempo und HF) = ca. 104 % AS<br />

21,1 Km Wettkampfbelastung (Tempo und HF) = 100 % AS<br />

Gilt für: guter bis sehr guter Trainingszustand; sehr hohe<br />

psychische und physische Belastbarkeit; hohe bis sehr hohe<br />

Laktateliminationsrate und Laktattoleranz; 10 km Bestzeit <strong>de</strong>utlich<br />

unter 60 min; Halbmarathon-Leistung < 90 min.<br />

5 km Wettkampfbelastung (Tempo und HF) = ca. 104 % AS<br />

10 Km Wettkampfbelastung (Tempo und HF) = 100 % AS<br />

Gilt für: geringerer Trainingszustand; keine sehr hohe psychische<br />

und physische Belastbarkeit; nicht sehr hohe<br />

Laktateliminationsrate und Laktattoleranz; 10 km Bestzeit etwa<br />

60 min (und länger); Halbmarathon-Leistung > 120 min.<br />

Gera<strong>de</strong> für Läufer mit relativ hohem Leistungsniveau, wie man sie auch im<br />

leistungsorientierten Breitensport fin<strong>de</strong>t, sind die genannten<br />

Wettkampfleistungen ein hervorragen<strong>de</strong>r Anhaltspunkt. Max. gefüllte<br />

Glykogenspeicher lassen eine Dauerbelastung von bis etwa 90 min an <strong>de</strong>r<br />

AS zu. Bei voller Belastung ist dabei ein durchgehen<strong>de</strong>s Tempo oberhalb<br />

eines Laktat-Steady-State aber nicht möglich.<br />

- 290 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Bei einem Läufer mit einem Halbmarathon-Niveau zwischen 60 und 90 min<br />

wird somit in <strong>de</strong>r Regel HF und Tempo nahezu exakt <strong>de</strong>r AS entsprechen.<br />

Deren Lauftempo auf 10 km wird sich etwa 10-15 Sekun<strong>de</strong>n/km über <strong>de</strong>r<br />

AS befin<strong>de</strong>n, mit entsprechen<strong>de</strong>r HF. Bei niedrigerem Leistungsniveau kann<br />

man sich wie angegeben an kürzeren Distanzen orientieren.<br />

In <strong>de</strong>r Regel wird die HF bei <strong>de</strong>r „überschwelligen“ Wettkampfbelastung<br />

(10 km gegenüber 21,1 km bzw. 5 km gegenüber 10 km, je nach<br />

Leistungsniveau) etwa 5-8 S/min über <strong>de</strong>r AS-Belastung liegen, was bei<br />

einer bei Läufern überwiegend vorliegen<strong>de</strong>n MHF von 180-200 S/min etwa<br />

3-5 % entspricht. Liegen (noch) keine Wettkampfergebnisse vor, so wird<br />

ein Testlauf über 3-5 km empfohlen (am besten auf einer 400-m-<br />

Laufbahn). Allerdings ist dieser psychologisch sehr anspruchsvoll, da es nur<br />

schwer möglich sein wird, hierbei dieselbe Motivation aufzubringen wie in<br />

einem echten Wettkampf.<br />

Als Trainer sind Erfahrung und ein gewisses Gespür gefragt, wenn in <strong>de</strong>n<br />

unteren bis mittleren Leistungsklassen die AS anhand einer DLG<br />

eingeschätzt wer<strong>de</strong>n soll, <strong>de</strong>nn die Fähigkeiten sich zu quälen sind dort oft<br />

recht unterschiedlich ausgeprägt.<br />

Quälfaktor<br />

Die fehlen<strong>de</strong> psychologische Härte, sich während eines „Wettkampfs“<br />

auch physisch richtig zu for<strong>de</strong>rn, zeigt sich gerne bei Volksläufen auf<br />

<strong>de</strong>r 10-km-Strecke. Läufer, welche über diese Distanz mehr als eine<br />

Stun<strong>de</strong> benötigen, empfin<strong>de</strong>n solch einen Lauf durchaus als<br />

anstrengend, doch sind sich diese nicht selten mit ihren<br />

„Lei<strong>de</strong>nsgenossen“ mehr o<strong>de</strong>r weniger am unterhalten. Die Atmung ist<br />

sichtlich beschleunigt, doch längst nicht so hart, wie man es erwarten<br />

könnte, so wie etwa bei einem Läufer, welcher diese Distanz <strong>de</strong>utlich<br />

unter einer Stun<strong>de</strong> läuft. So besteht dann auch nicht selten eine<br />

Diskrepanz zwischen <strong>de</strong>r Wettkampfleistung und <strong>de</strong>n Fähigkeiten beim<br />

Intervalltraining. Über relativ kurze Dauer (Strecke) lässt sich ein<br />

echtes Wettkampftempo durchführen. Doch <strong>de</strong>r Biss, eine harte<br />

Belastung ohne Pause länger durchzuziehen, fehlt und man läuft im<br />

Wettkampf dann unter seinem eigentlichen (physischen) Niveau.<br />

- 291 -


Läufer und Radsportler<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Lässt <strong>de</strong>r Trainingszustand es noch nicht zu, <strong>de</strong>n Sportler einem<br />

belasten<strong>de</strong>n DLG-Test zu unterziehen, o<strong>de</strong>r ist er noch zu unerfahren, so<br />

kann ein (selbstverständlich sportartspezifischer!) Mehrstufentest auf<br />

einem Laufband bei <strong>de</strong>r Einschätzung <strong>de</strong>r DLG hilfreich sein. Hierbei ist zu<br />

beachten, dass <strong>de</strong>r Belastungsanstieg recht flach gewählt wird, sodass sich<br />

die HF auf halbwegs aussagefähige Werte einpen<strong>de</strong>ln kann (Stichwort<br />

Trägheitsverhalten - Kap. 1.4.1) und sich auch die Leistung an dieser feiner<br />

abschätzen lässt. Empfohlen wer<strong>de</strong>n z. B. 0,5 km/h / 2 min auf <strong>de</strong>m<br />

Laufband bzw. 20 Watt / 2min auf <strong>de</strong>m Fahrra<strong>de</strong>rgometer. Hierbei muss<br />

eine ersichtlich starke Belastung am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tests gegeben sein.*<br />

Sind Voraussetzungen gegeben, so darf man in <strong>de</strong>r Regel davon ausgehen,<br />

dass:<br />

Bei <strong>de</strong>n letzten bei<strong>de</strong>n Belastungsstufen ein Laktat-Steady-State <strong>de</strong>utlich<br />

überschritten ist und eine wettkampfspezifische Dauer nicht zulässt.<br />

Eine Leistung 4 Stufen unterhalb <strong>de</strong>r letzten möglichen Belastungsstufe<br />

min<strong>de</strong>stens eine Stun<strong>de</strong> gehalten wer<strong>de</strong>n kann, wodurch ein dabei ein<br />

Laktat-Steady-State gegeben ist.<br />

Eine „harte“, ggf. „überschwellige“ DLG-Belastung wird irgendwo<br />

dazwischen liegen. Ein erfahrener Trainer wird durch Beobachtung <strong>de</strong>s<br />

Proban<strong>de</strong>n – insbeson<strong>de</strong>re über Härte bzw. Intensität seiner Atmung – in<br />

<strong>de</strong>r Regel die DLG<br />

bzw. <strong>de</strong>n AS-Bereich<br />

<strong>de</strong>s Sportlers gut<br />

abschätzen können.<br />

Foto: Dieter Mo<strong>de</strong>rsitzki<br />

– speedteam-freiburg.<strong>de</strong><br />

- 292 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 293 -<br />

Foto: JN<br />

Fallbeispiel - DLG-Test bei<br />

einer Läuferin<br />

Folgen<strong>de</strong>r Fall stammt von<br />

einer Breitensport-Läuferin.<br />

Diese lief bis dato etwa ein<br />

Jahr. Ein „Wettkampfergebnis“<br />

lag vor, ein 10-km-Volkslauf,<br />

bei <strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>utlich über eine<br />

Stun<strong>de</strong> lief. Subjektiv<br />

empfand sie diesen Lauf als<br />

anstrengend, aber objektiv<br />

war sie längst nicht<br />

ausgelastet, wodurch dieser nicht als Maßstab dienen konnte, um daraus<br />

HF-Vorgaben ableiten zu können. Ihr Leistungsniveau war noch zu gering,<br />

um über diese Distanz ihre echte DLG wi<strong>de</strong>rzuspiegeln. Hierfür bedurfte es<br />

einer kürzeren Strecke, wie etwa die über 5 km, welche bei Volksläufen<br />

standardgemäß angeboten wird. Da ein solcher Lauf aber noch nicht zur<br />

Verfügung stand, unterzog sie <strong>de</strong>r Autor eines besagten Mehrstufentest auf<br />

<strong>de</strong>m Laufband. Mit einer Geschwindigkeit von 7 km/h wur<strong>de</strong> begonnen und<br />

alle 2 min wur<strong>de</strong> dieses um 0,5 km/h erhöht. Bei 10,5 km/h wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Test wegen Ermüdung been<strong>de</strong>t (eine volle Auslastung war aber nicht<br />

gegeben). Die einzelnen Messwerte ergaben sich wie folgt:


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Ihre DLG wur<strong>de</strong> nach anhand dieses Tests bei einer Geschwindigkeit von<br />

etwa 9,5 km/h eingeschätzt. Die HF auf etwa 180 S/min – unter <strong>de</strong>r<br />

Berücksichtigung, dass diese bei längerer Dauerbelastung (bei gleicher<br />

Geschwindigkeit) höher ausfällt, als es beim Test gegeben war.<br />

Davon ausgehend, dass ein Laktat-Steady-State und damit die AS hierbei<br />

etwas überschritten war, wur<strong>de</strong> eine Geschwindigkeit von 9,5 km/h und<br />

eine HF von 180 S/min als prognostiziert und daraus die<br />

HF-Intensitätsbereiche errechnet.<br />

Ein paar Wochen später nahm die Läuferin an einem Volkslauf über 5 km<br />

teil. Hier sollte dann auch überprüft wer<strong>de</strong>n, ob Prognose und Realität<br />

übereinstimmten. Den Lauf been<strong>de</strong>te sie in 31:40 m:s und ist damit im<br />

Mittel nahezu exakt mit einer Geschwindigkeit von 9,5 km/h gelaufen. Ihre<br />

durchschnittliche HF lag dabei bei 178 S/min, wobei diese, nach<br />

anfänglichem etwas behutsameren Beginn, ab <strong>de</strong>r zweiten Hälfte fast<br />

chronisch bei min<strong>de</strong>stens 180 S/min lag. Die MHF lag am En<strong>de</strong> bei<br />

187 S/min. Das folgen<strong>de</strong> Diagramm zeigt <strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>r HF-<br />

Leistungskurve (die Peaks nach oben und unten sind Messfehler).<br />

- 294 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Die DLG-HF und <strong>de</strong>r Abstand zur MHF sind mit etwa 10-15 S/min typisch<br />

für einen Läufer beim Wettkampf über solche Distanzen und ein Zeichen für<br />

einen hohen Anstrengungsgrad. Im Vergleich dazu: Die mittlere HF beim<br />

besagten Volkslauf über 10 km lag bei dieser Läuferin mit etwa 165 S/min<br />

signifikant unter <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r 5-km-Strecke. Dies zeigt ein<strong>de</strong>utig, dass sie<br />

bei <strong>de</strong>n 10 km <strong>de</strong>utlich unter ihrem theoretisch möglichen Niveau geblieben<br />

ist. Bei einem sehr belastbaren Läufer ist über bei<strong>de</strong> Strecken in <strong>de</strong>r Regel<br />

kaum bis gar kein Unterschied in <strong>de</strong>r durchschnittlichen HF zu erkennen.<br />

- 295 -<br />

Foto: Petra Bork / pixelio.<strong>de</strong><br />

Bei diesem Beispiel<br />

stimmte die Prognose<br />

sehr gut, wobei nicht<br />

sicher war, ob, inwieweit<br />

bzw. ggf. wie lange bei<br />

diesem 5-km-Lauf die<br />

AS überschritten wur<strong>de</strong>,<br />

dies blieb erst mal<br />

spekulativ.<br />

Der Autor hat im Laufe <strong>de</strong>r Jahre anhand eines einfachen Mehrstufentests<br />

bei vielen Ausdauersportlern die DLG und (und bei Läufern) mögliche<br />

Wettkampfzeiten recht treffsicher prognostiziert. In etwa 80 % <strong>de</strong>r Fälle<br />

funktionierte dies sehr gut. In <strong>de</strong>n verbliebenen ca. 20 % lag er allerdings<br />

völlig daneben. Ist ein Trainieren<strong>de</strong>r physisch und psychisch so weit, dass<br />

er sich um die 30 min hart belasten kann, so ist ein entsprechen<strong>de</strong>r DLG-<br />

Test zu empfehlen.<br />

Bei belastbaren Ausdauersportlern wird die DLG einen erheblich genaueren<br />

Gradmesser darstellen als die MHF.<br />

Die MHF als Maßstab fin<strong>de</strong>t wegen <strong>de</strong>r beschriebenen Problematiken beim<br />

Autor seit mehr als 10 Jahren keine Anwendung mehr!<br />

Anhand <strong>de</strong>r DLG-HF können dann die HF-Bereiche für die einzelnen<br />

Intensitätszonen abgeleitet wer<strong>de</strong>n (wie, wird später noch beschrieben).


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Da die DLG eine echte Leistungsgrenze<br />

darstellt - und „Leistung“ ist hierbei<br />

insbeson<strong>de</strong>re auch physikalisch zu<br />

betrachten – bietet es sich an, generell <strong>de</strong>n<br />

Intensitätsbereichen primär physikalische<br />

Werte zuzuordnen – und dann zu sehen,<br />

welche HF-Bereiche sich daraus ergeben.<br />

D. h.: Anstatt nur die vermeintliche HF im<br />

Bereich <strong>de</strong>r AS zu wählen und von diesem<br />

Referenzwert die an<strong>de</strong>ren HF-Werte<br />

prozentual abzuleiten, welche dann<br />

wie<strong>de</strong>rum Tempo bzw. Wattleistung<br />

bestimmen, wird ein komplett umgekehrter<br />

Weg gewählt. Die HF-Bereiche richten sich<br />

nach <strong>de</strong>r Leistung, nicht die Leistung nach<br />

<strong>de</strong>r HF.<br />

Foto: JN<br />

So ist es nicht unüblich, Intensitäten auch von Prozent einer<br />

Streckenbestleistung abzuleiten, wie etwa :<br />

KOM: 60-75 % Bestleistung<br />

GA1: 75-85 % Bestleistung<br />

GA2: 85-95 % Bestleistung<br />

WSA: > 95 % Bestleistung<br />

Hat ein Läufer beispielsweise eine aktuelle Bestleistung auf 10 km von 40<br />

min stehen (Tempo 4:00 min/km), so wer<strong>de</strong>n z. B. 70-80 % <strong>de</strong>s Tempos<br />

(5:42 min/km bis 5:00 min/km) mit Sicherheit einer relativ extensiven<br />

(niedrig intensiven) Belastung entsprechen – und dies grundsätzlich<br />

unabhängig <strong>de</strong>s HF-Bereichs, welcher dabei vorliegt. Unter <strong>de</strong>r<br />

Berücksichtigung, dass ein Sportler regelmäßig trainiert, stellt <strong>de</strong>r Maßstab<br />

auch keine Größe dar, welcher während <strong>de</strong>r Saison<br />

massiven Schwankungen unterliegt und ständig neu ermittelt wer<strong>de</strong>n<br />

muss. Hinzu kommt, dass Verbesserungen <strong>de</strong>r Streckenbestleistungen<br />

nicht einfach nur daraus resultieren, dass man schneller wird, son<strong>de</strong>rn eine<br />

Entwicklung <strong>de</strong>r Härte, Laktattoleranz und Laktateliminationsrate das<br />

längere Halten <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Intensität ermöglicht.<br />

- 296 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

So kann kein Wettkampftempo, welches am Beginn einer Vorbereitung<br />

nicht so lange gehalten wer<strong>de</strong>n kann wie zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s<br />

Saisonhöhepunktes, <strong>de</strong>nnoch immer nahezu <strong>de</strong>r gleichen Intensität<br />

entsprechen. Dadurch können ggf. die Trainings-Tempi in <strong>de</strong>n<br />

submaximalen Trainingszonen gleich bleiben, solange keine starke<br />

Verän<strong>de</strong>rung einer Wettkampfleistung vorliegt. Erfahrene Läufer trainieren<br />

sehr oft <strong>de</strong>utlich tempoorientiert.<br />

Weiterhin ist es (unabhängig <strong>de</strong>r Sportart) bei leistungsorientierten<br />

Ambitionen unabdingbar, dass regelmäßig gezielt<br />

Wettkampfgeschwindigkeiten (Wettkampfbelastungen) angesteuert<br />

wer<strong>de</strong>n. Die HF ist dabei irrelevant. Ohne diese Vorgehensweise sind<br />

<strong>de</strong>utliche Leistungssteigerungen nicht möglich!<br />

Die Orientierungsgröße Leistung / Geschwindigkeit<br />

ist und bleibt <strong>de</strong>r wichtigste Maßstab bei einem<br />

Leistungstraining. Diese ist <strong>de</strong>r einzige Faktor,<br />

welcher unmittelbaren Einfluss auf die<br />

Belastungsintensität ausübt!<br />

Trotz HF-Messung: Die gute alte Stoppuhr ist für einen<br />

Läufer unverzichtbar.<br />

Berechnungsmetho<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>r DLG<br />

In <strong>de</strong>r Abbildung auf <strong>de</strong>r nächsten Seite sind anhand <strong>de</strong>r Vorgehensweise<br />

<strong>de</strong>s Autors die Berechnungsformeln dargelegt. Diese sollten als Leitfa<strong>de</strong>n<br />

gelten, ohne für sich in Anspruch nehmen zu sollen, mit Sicherheit ein<br />

Optimum darzustellen.<br />

(1) Davon ausgehend, dass die DLG-HF als AS-HF interpretiert wer<strong>de</strong>n<br />

kann, gilt diese als Referenz und die an<strong>de</strong>ren HF-Werte wer<strong>de</strong>n<br />

davon errechnet.<br />

(2) Davon ausgehend, dass die DLG-HF knapp oberhalb <strong>de</strong>r AS liegt<br />

und ein Laktat-Steady-State nicht gehalten wer<strong>de</strong>n kann, also<br />

eine zunehmen<strong>de</strong> Laktatkonzentration am En<strong>de</strong> einen<br />

Belastungsabbruch erzwingt, gilt diese als Referenz und die<br />

an<strong>de</strong>ren HF-Werte wer<strong>de</strong>n davon errechnet.<br />

- 297 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

(3) Hierbei gilt die DLG- bzw. eine Wettkampfgeschwindigkeit als<br />

Maßstab, um die Lage <strong>de</strong>r AS abzuschätzen. Das AS-Tempo, je<br />

nach Art <strong>de</strong>r DLG 100 bzw. 96 % <strong>de</strong>s DLG-Tempos (wie einige<br />

Seiten zuvor beschrieben), sowie die dazugehörige HF, bil<strong>de</strong>n hier<br />

<strong>de</strong>n Maßstab. Anhand <strong>de</strong>s AS-Tempos wer<strong>de</strong>n die Tempobereiche<br />

<strong>de</strong>r Trainingszonen berechnet. Daraus wer<strong>de</strong>n dann erst die<br />

dazugehörigen HF-Zonen ermittelt.<br />

(4)<br />

Intensitätsbereiche nach <strong>de</strong>r DLG-Metho<strong>de</strong><br />

Radsport / Inlineskating / Laufen<br />

Metho<strong>de</strong> Intensitätsbereiche<br />

DLG HF<br />

100 %<br />

(1)<br />

Männer<br />

Frauen<br />

DLG HF<br />

~ 104 %<br />

(2)<br />

Männer<br />

Frauen<br />

Laufen<br />

KOM GA1 GA1/2 GA2 WSA<br />

HF<br />

max.<br />

83 %<br />

90 %<br />

HF<br />

max.<br />

80%<br />

87 %<br />

HF<br />

um<br />

86 %<br />

93 %<br />

HF<br />

max.<br />

83 %<br />

89 %<br />

HF<br />

um<br />

92 %<br />

96 %<br />

HF<br />

max.<br />

88 %<br />

92 %<br />

Metho<strong>de</strong> Intensitätsbereiche<br />

AS-<br />

Tempo<br />

(3)<br />

Männer &<br />

Frauen<br />

HF<br />

um<br />

97 %<br />

99 %<br />

HF<br />

max.<br />

93 %<br />

95 %<br />

HF ab<br />

100 %<br />

HF ab<br />

96 %<br />

KOM GA1 GA1/2 GA2 WSA<br />

HF max.<br />

74 %<br />

AS-<br />

Tempo<br />

HF um<br />

78 %<br />

AS-<br />

Tempo<br />

HF um<br />

86 %<br />

AS-<br />

Tempo<br />

HF ca.<br />

93-99 %<br />

AS-<br />

Tempo<br />

HF ab<br />

100 %<br />

AS-<br />

Tempo<br />

- 298 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Bei <strong>de</strong>r DLG-Metho<strong>de</strong>, welche sich nur anhand <strong>de</strong>r HF orientiert, sollten<br />

Frauen aber nicht zu voreilig höhere HF-Werte zugeordnet wer<strong>de</strong>n als<br />

Männern (Kap. 2.2.3), <strong>de</strong>nn ggf. wer<strong>de</strong>n sie damit überfor<strong>de</strong>rt und können<br />

eigentlich problemlos mit „Männer-Formeln“ trainieren. Dies muss in <strong>de</strong>r<br />

Praxis überprüft wer<strong>de</strong>n. Beim Laufen kann dieses Problem komplett<br />

umgangen wer<strong>de</strong>n, wenn alle Intensitätsbereiche ausschließlich von <strong>de</strong>r<br />

Geschwindigkeit abgeleitet wer<strong>de</strong>n. Dabei muss dann nicht mehr<br />

geschlechtsspezifisch unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und auch das HF-Verhalten<br />

von Hoch- und Niedrigpulsern (Kap. 2.2.2), kann einfach erkannt und<br />

Berücksichtigung fin<strong>de</strong>n.<br />

Zum besseren Verständnis <strong>de</strong>r DLG-Metho<strong>de</strong>n, die sich rein an <strong>de</strong>n<br />

Geschwindigkeiten orientieren, noch mal zwei (fiktive) Beispiele:<br />

Läufer hat eine Halbmarathonleistung von 1:24:20 h:m:s stehen.<br />

Sein Tempo (4:00 min/km) kann ziemlich genau als AS-Tempo angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n. Daraus ergeben sich folgen<strong>de</strong> Werte für seine Intensitätsbereiche:<br />

Der gleiche Läufer hat eine Leistung über 10 km von 38:00 m:s stehen.<br />

Sein Tempo (4:00 min/km) wird ca. 4 % oberhalb <strong>de</strong>r AS liegen. Daraus<br />

ergeben sich folgen<strong>de</strong> Werte für seine Intensitätsbereiche:<br />

- 299 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Läufer steht sinnbildlich für sehr gut trainierte Breitensportler, bei<br />

<strong>de</strong>nen AS-Tempo und das über 5-10 km schon fast standardgemäß in<br />

einem bestimmten Verhältnis steht, nämlich um die 4 % Unterschied.<br />

Dadurch wer<strong>de</strong>n sich je nach gewählter DLG keine signifikanten<br />

Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Berechnungen ergeben. Das nächste Beispiel:<br />

Läufer hat eine Leistung von 47:00 m:s über 10 km stehen. Sein<br />

Tempo (4:42 min/km) wird ca. 4 % oberhalb <strong>de</strong>r AS prognostiziert. Daraus<br />

ergeben sich folgen<strong>de</strong> Werte für seine Intensitätsbereiche:<br />

Läufer hat auch ein sehr ansehnliches Leistungsniveau. Allerdings<br />

lässt seine mögliche Leistung auf 10 km keine Belastung an <strong>de</strong>r AS bei<br />

einem Halbmarathon zu, da er dafür weit über 90 min benötigen wür<strong>de</strong>.<br />

Eine frühzeitige Entleerung <strong>de</strong>r Glykogenspeicher wür<strong>de</strong> zum<br />

Leistungseinbruch führen. Der Halbmarathon kämme für ihn als<br />

Referenzwert also nicht infrage. Auf <strong>de</strong>r 10 km Distanz kann man von ihm<br />

aber eine „überschwellige“ Intensität erwarten (etwa die besagten 104 %<br />

<strong>de</strong>r AS). Wobei bei <strong>de</strong>m leistungsfähigeren Läufer davon ausgegangen<br />

wer<strong>de</strong>n muss, dass bei ihm <strong>de</strong>r Tempounterschied zwischen 10-km-<br />

Belastung und AS etwas größer ausfällt, als bei <strong>de</strong>m weniger<br />

leistungsfähigeren Läufer. Bezüglich <strong>de</strong>r Prozentwerte kann also auch dabei<br />

noch differenziert wer<strong>de</strong>n. Bei Läufern, welche nah an 60 min (und<br />

darüber) für 10 km benötigen, sollte die 5 km Distanz o<strong>de</strong>r ein DLG-Test<br />

über 20-30 min als 104 % <strong>de</strong>r AS nicht unrealistisch sein.<br />

- 300 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Sind die Tempobereiche <strong>de</strong>r Trainingszonen festgelegt, wer<strong>de</strong>n<br />

dazugehörigen die HF-Bereiche ermittelt. Im Bereich KOM-GA1/2 wer<strong>de</strong>n<br />

unter bestimmten Standardbedingungen, wie geringer Wind, flacher und<br />

schneller Bo<strong>de</strong>nbelag, gute („normale“) Tagesform und genügend gefüllte<br />

Glykogenspeicher, etliche Dauerläufe absolviert. Deren Dauer darf aber nur<br />

so lang sein, dass keine <strong>de</strong>utliche Ermüdung eintritt, welche einen HF-<br />

Anstieg för<strong>de</strong>rt (30-60 min Dauer sollte genügen). Das HF-Verhalten wird<br />

dabei analysiert und <strong>de</strong>mgemäß <strong>de</strong>n Tempobereichen zugeordnet.<br />

Bei dieser Methodik ist primär das<br />

Tempo maßgebend, die HF dient<br />

vorrangig nur zur indirekten Kontrolle.<br />

Fazit DLG-Metho<strong>de</strong><br />

Stehen keine aufwendigen<br />

Testverfahren wie Laktatmessung o<strong>de</strong>r<br />

Spiroergometrie zur Verfügung, so stellt<br />

die DLG-Metho<strong>de</strong> eine erheblich<br />

genauere Orientierungsgröße dar als<br />

die MHF – und dies in je<strong>de</strong>r Beziehung!<br />

Kommentar<br />

Ich verstehe nicht, warum die MHF als Maßstab so umfangreich<br />

angewen<strong>de</strong>t wird, obwohl so nichtssagend bezüglich wichtiger Faktoren<br />

wie AS, Leistungsfähigkeit usw. ist. Es gibt schließlich bekannte<br />

Alternativen. Für mich ist die MHF vollkommen unwichtig gewor<strong>de</strong>n. Ich<br />

kann we<strong>de</strong>r als Sportler, noch als Trainer etwas damit anfangen, wenn<br />

es um Trainingsvorgaben geht.<br />

- 301 -<br />

Foto: Gemeinfrei - Wikipedia<br />

Eine sportart- und disziplinspezifisch ermittelte DLG macht als einziges (!)<br />

Verfahren absolute Aussagen über die Leistungsfähigkeit eines Sportlers (in<br />

seinem Sport). Der AS-Bereich lässt sich über die DLG sehr gut<br />

abschätzen. Und ganz wichtig: Eine Verän<strong>de</strong>rung, insbeson<strong>de</strong>re Anhebung<br />

<strong>de</strong>r AS lässt sich erkennen. Bei dieser Methodik bedarf es auch keiner<br />

geschlechtsspezifischen Unterscheidung! Die MHF ist nicht in <strong>de</strong>r Lage,<br />

diese wichtigen Anfor<strong>de</strong>rungen zu erfüllen.


Walking und Nordic-Walking<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Im Kap. 3.1.3 wur<strong>de</strong> bereits beschrieben, dass beim Gehen grundsätzlich<br />

die motorischen Fähigkeiten limitierend wirken – und nicht die Höhe <strong>de</strong>r<br />

Herz-Kreislauf-Belastung bzw. <strong>de</strong>ssen Leistungsfähigkeit. Das Erreichen<br />

einer theoretisch kritischen Intensität mit einhergehen<strong>de</strong>r Überfor<strong>de</strong>rung<br />

ist dadurch schwer möglich.<br />

Die Tatsache, dass für eine ausreichen<strong>de</strong> Trainingseffektivität eine<br />

muskuläre Min<strong>de</strong>stbeanspruchung gegeben sein muss, welche aus <strong>de</strong>m<br />

gewählten Geh-Tempo resultiert (und nicht aus <strong>de</strong>r HF! – Kap. 1.1.4) und<br />

dass ein zu Beginn vorliegen<strong>de</strong>s max. mögliches Tempo ausbaufähig ist<br />

(insbeson<strong>de</strong>re was <strong>de</strong>ssen Dauer betrifft), macht <strong>de</strong>n Parameter<br />

zu einer erheblich effektiveren Orientierungsgröße als<br />

die HF. Die individuelle, maximal mögliche Geschwindigkeit, welche gera<strong>de</strong><br />

noch so „rund“ gegangen wer<strong>de</strong>n kann (V-max), lässt sich relativ einfach<br />

und ohne übermäßige Anstrengung ermitteln. Man hat es dann mit einem<br />

echten leistungslimitieren<strong>de</strong>n Maßstab zu tun, statt mit einem durch<br />

Faustformel ermittelten (wie üblicherweise bei <strong>de</strong>r HF-Messung).<br />

Foto: w.r.wagner - pixelio.<strong>de</strong><br />

- 302 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Das nächste Schaubild zeigt die Leistungen vier verschie<strong>de</strong>ner Fitness-<br />

bzw. Breitensportler beim Walken.<br />

Geh-Tempi von Walkern unterschiedlicher Leistungsklassen<br />

Max.<br />

Dauer<br />

5-15<br />

min*<br />

- 303 -<br />

Walkerin 1 Walkerin 2 Walker 3 Walkerin 4<br />

~ 8,5<br />

km/h*<br />

7,2 km/h* 7 km/h* 6,5 km/h*<br />

Mind. 1 h 8 km/h** 6,2 km/h 6 km/h 5,5 km/h<br />

Mind. 2 h<br />

7,5 km/h<br />

***<br />

5,7 km/h 5 km/h #<br />

Mind. 3 h 7 km/h # # #<br />

6-8 h 6 km/h # # #<br />

* V-max (gera<strong>de</strong> noch so koordinativ gehbar)<br />

** 10 km Wettkampf-Tempo *** Halbmarathon-Tempo<br />

# Nicht getestet bzw. keine Werte vorhan<strong>de</strong>n<br />

Walkerin 1 ist eine ca. 60 jährige, sehr ambitionierte Breitensportlerin,<br />

welche regelmäßig an organisierten Veranstaltungen (mit teilweise<br />

Wettkampfcharakter) teilnimmt, über Distanzen von 5 km bis Marathon<br />

und darüber hinaus.<br />

Walkerin 2 ist eine ca. 50 jährige, sehr ambitionierte Fitnesssportlerin.<br />

Walker 3 ist ein ca. 30 jähriger Fitnesssportler.<br />

Walkerin 4 ist eine ca. 25 jährige Fitnesssportlerin mit starker Adipositas.<br />

Bei ihr kam es bedingt durch ihr Übergewicht im Bereich ihres max.<br />

Tempos durchaus zu einer limitieren<strong>de</strong>n Herz-Kreislauf-Belastung.


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Die Ergebnisse dieser Personen spiegeln repräsentativ die Erfahrungswerte<br />

wi<strong>de</strong>r, welcher <strong>de</strong>r Autor in <strong>de</strong>n vielen Jahren seiner Tätigkeit als Trainer<br />

gemacht hat:<br />

- Von schon sehr gut trainierten Walkern, stark übergewichtigen<br />

Personen und Menschen höheren Alters abgesehen, stellt in <strong>de</strong>r<br />

Regel eine Geschwindigkeit um die 7 km/h eine Obergrenze dar.<br />

- Im Bereich <strong>de</strong>s max. möglichen Gehtempos stößt <strong>de</strong>r<br />

Bewegungsapparat koordinativ an seine Grenzen. Die<br />

Beanspruchung wird durchaus als anstrengend angegeben,<br />

jedoch limitiert hier nicht das Herz-Kreislauf-System (was auch<br />

nicht so empfun<strong>de</strong>n wird)!<br />

- Eine Geschwindigkeit etwa 1 km/h unter <strong>de</strong>r V-max ist bei einem<br />

halbwegs trainierten Menschen mind. eine Stun<strong>de</strong> haltbar.<br />

- Eine Geschwindigkeit etwa 2 km/h unter <strong>de</strong>r V-max ist bei einem<br />

Menschen mit guter Fitness mehrere Stun<strong>de</strong>n haltbar.<br />

- Eine Geschwindigkeit etwa 1,5-2 km/h unter <strong>de</strong>r V-max<br />

entspricht in <strong>de</strong>r Regel mind. <strong>de</strong>m Alltags-Gehtempo <strong>de</strong>r Person<br />

(Ausnahmen sind sehr gut trainierte Walker, dort fällt die<br />

Bandbreite zwischen <strong>de</strong>m Fußgänger-Tempo im Alltag und V-max<br />

<strong>de</strong>utlich größer aus).<br />

Das Tempo bestimmt die Belastung und <strong>de</strong>n Trainingseffekt. Dies ist beim<br />

Gehen nicht an<strong>de</strong>rs als beim Laufen. Foto: sassi - pixelio.<strong>de</strong><br />

- 304 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

- 305 -<br />

Nicht nur <strong>de</strong>s Müllers Lust …<br />

Foto: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt -pixelio.<strong>de</strong><br />

Aus diesen Erkenntnissen ergeben<br />

sich folgen<strong>de</strong> trainingsmethodisch<br />

relevanten Gegebenheiten:<br />

- Die V-max wird im Alltag selten gefor<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>mgemäß ist die<br />

Arbeitsmuskulatur nicht darauf trainiert, solch ein Tempo längere<br />

Zeit halten zu können. Die V-max stellt auch einen Grenzbereich<br />

dar, bei <strong>de</strong>m ein Mensch in <strong>de</strong>r Regel auch eher laufen wür<strong>de</strong>. Die<br />

V-max ist dadurch trainierbar, sowohl was ihre Höhe angeht und<br />

insbeson<strong>de</strong>re was ihre Dauer betrifft. Dies erfor<strong>de</strong>rt allerdings ein<br />

regelmäßiges Ansteuern genau dieses Tempobereichs – welcher<br />

über die HF nicht kontrollierbar ist! Dieses Tempo kann nur<br />

„erfühlt“ wer<strong>de</strong>n (kann man gera<strong>de</strong> noch so „rund“ gehen o<strong>de</strong>r<br />

wird es schon unkoordiniert).<br />

- Von relativ langer Belastungsdauer abgesehen, muss ein Tempo<br />

gewählt wer<strong>de</strong>n, welches signifikant höher ist als das übliche im<br />

Alltag, da es sonst nicht trainingswirksam ist. erfüllt diese Anfor<strong>de</strong>rung. Es liegt signifikant über einem<br />

(individuell) üblichen Alltags-Tempo und <strong>de</strong>utlich unter <strong>de</strong>r V-max<br />

Eine Herz-Kreislauf-Beanspruchung von mind. 60 % <strong>de</strong>r MHF ist<br />

gegeben, als Voraussetzung für eine <strong>de</strong>utliche Verbesserung <strong>de</strong>r<br />

Herz-Kreislauf-Leistungsfähigkeit.<br />

Es sei zum wie<strong>de</strong>rholten Male erwähnt, dass bei <strong>de</strong>r V-max grundsätzlich<br />

keine überfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Herz-Kreislauf-Belastung möglich ist – hierfür müsste<br />

die Person laufen! Selbst wenn ein Walker über eine solche Fitness verfügt,<br />

welche es ihm ermöglicht, bei <strong>de</strong>r V-max die AS zu überschreiten, so kann<br />

er diese Belastung nur wenige Minuten halten – da er muskulär an<br />

koordinative Grenzen stößt. Es ist nicht die Laktatkonzentration die<br />

limitiert! Und ein richtig „strammer“ Fußgängerschritt, wenn auch nur<br />

kurzzeitig gewählt, entspricht einer vollkommen natürlichen<br />

Beanspruchung und kann nicht schädigend wirken.


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Diese Tatsache und aus <strong>de</strong>r trainingsmethodischen Vorgehensweise heraus,<br />

dass die meiste Zeit eh <strong>de</strong>utlich unterhalb <strong>de</strong>r V-max trainiert wer<strong>de</strong>n kann<br />

bzw. sollte, macht eine sture Fixierung auf die HF (aus gesundheitlichen<br />

Aspekten) sehr fragwürdig. Prinzipiell kann ohne HF-Messung nichts<br />

passieren, was nicht auch mit HF-Messung passieren kann.<br />

Es geht hierbei um Fußgänger! Dies sollte man nicht vergessen.<br />

Walking kann ein richtig effektives Training sein und<br />

die Fitness <strong>de</strong>utlich erhöhen – wenn das Tempo<br />

stimmt.<br />

Foto: JN<br />

Die V-max wird vom Autor in <strong>de</strong>r Regel über<br />

einen einfachen Mehrstufentest auf <strong>de</strong>m<br />

Laufband ermittelt. Hierbei wird nach grober<br />

Vorabeinschätzung <strong>de</strong>s Leistungsniveaus mit<br />

5-6 km/h begonnen und das Tempo alle 2 min<br />

um 0,2 km/h erhöht, so lange, bis <strong>de</strong>r<br />

Proband das Tempo nicht mehr halten kann.<br />

Nebenbei kann mit dieser Variante auch eine<br />

HF-Leistungskurve ermittelt und mit Nachfolgetests verglichen wer<strong>de</strong>n<br />

(Stichwort Leistungsentwicklung).<br />

Die V max. wird dann als Maßstab genommen und daraus folgen<strong>de</strong><br />

Trainings-Tempi abgeleitet:<br />

Power-Walken ab = V-max minus 0,3 km/h<br />

Schnelles Gehen ca. = V-max minus 0,5-0,8 km/h<br />

Zügiges Gehen ca. = V-max minus 1-1,5 km/h<br />

Langsames Gehen max. = V-max minus 1,5-2 km/h<br />

Diese Tempobereiche wer<strong>de</strong>n dann im Training regelmäßig angesteuert,<br />

wobei im Training meist nur relativ kurzzeitig über die<br />

Fahrtspiel- und Intervallmetho<strong>de</strong> gewählt wird.<br />

- 306 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Eine typische Trainingswoche eines ambitionierten und trainierten Walkers<br />

sieht dann wie folgt aus:<br />

Foto: jürgen heimerl - pixelio.<strong>de</strong><br />

- 307 -<br />

1. Tag: 30-60 min mit<br />

.<br />

2. Tag: 45-75 min als<br />

, ggf. in<br />

Kombination mit als .<br />

3. Tag: 90-120 min bzw. bei Trekking- o<strong>de</strong>r<br />

Wan<strong>de</strong>rtouren über etliche<br />

Stun<strong>de</strong>n. Die Tempoangaben sind dann als Obergrenze<br />

anzusehen, welche je nach Dauer entsprechend<br />

angepasst (reduziert) wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei dieser angewandten Methodik besteht natürlich durchaus die<br />

Möglichkeit, die HF als zusätzlichen Maßstab zu berücksichtigen. Hierbei<br />

wer<strong>de</strong>n dann, genau wie beim Läufer, die Basis-HF-Werte von diesen<br />

Geschwindigkeiten abgeleitet (und nicht umgekehrt), sodass es unter<br />

günstigen Rahmenbedingungen möglich ist, das passen<strong>de</strong> Tempo über die<br />

HF einzuschätzen.<br />

Der Vergleich zur Spiroergometrie und Laktatmessung<br />

Der Autor hatte auch einige Jahre lang die Möglichkeit, spiroergometrische<br />

Tests an Sportlern und somit auch an Walkern vorzunehmen. Immer lag<br />

die < V-max minus 1-1,5 km/h> im Bereich einer extensiven Belastung,<br />

wobei bei untrainierten Walkern die Aerobe Schwelle (nicht die Anaerobe<br />

Schwelle!) in <strong>de</strong>r Regel noch signifikant unterhalb dieser Geschwindigkeit<br />

lag. Somit wäre dieses Tempo für ein Training <strong>de</strong>r Basisausdauer bzw. <strong>de</strong>s<br />

Fettstoffwechsels ggf. zu hoch berechnet.


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Foto: Verena N. - pixelio.<strong>de</strong><br />

Jedoch ist zu be<strong>de</strong>nken, dass das<br />

Tempo < V-max minus 1-1,5<br />

km/h> prinzipiell als Obergrenze<br />

anzusehen ist. Ferner darf auch<br />

hier die muskuläre Beanspruchung<br />

nicht unberücksichtigt bleiben, die<br />

aus <strong>de</strong>m Tempo resultiert. Denn<br />

ist diese zu gering (eben nur im<br />

Bereich <strong>de</strong>s Alltagsfußgänger-<br />

Tempos <strong>de</strong>r Person), wird bei üblicher „Fitness-Trainingsdauer“ von 30-60<br />

min kein <strong>de</strong>utlicher Anstieg <strong>de</strong>r Fitness bewirkt (wobei „<strong>de</strong>utlich“ natürlich<br />

relativ ist). Hierbei müsste eine Dauer <strong>de</strong>s Trainings gewählt wer<strong>de</strong>n,<br />

welche bei geringer Zielsetzung kaum vom Trainieren<strong>de</strong>n erwünscht ist<br />

bzw. umgesetzt wer<strong>de</strong>n kann. Und auch eine Intensität etwas oberhalb <strong>de</strong>r<br />

Aeroben Schwelle ist noch als eher gering einzustufen und für ein<br />

Grundlagentraining nicht falsch!<br />

Die in <strong>de</strong>n vorherigen Beispielen angegebene unterzog sich<br />

einer kombinierten Leistungsdiagnostik (Mehrstufentest) von<br />

Spiroergometrie und Laktatmessung. Bei 9 km/h wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Test nach 2<br />

min been<strong>de</strong>t, da Sauerstoffaufnahme (auch bedingt durch die<br />

einschränken<strong>de</strong> Maske) und Bewegungsökonomie limitierten. Ihre V-max<br />

war überschritten, bewegungstechnisch war sie nicht mehr in <strong>de</strong>r Lage<br />

dieses Tempo zu halten. Ihre V-max (bezogen auf max. Geschwindigkeit,<br />

welche gera<strong>de</strong> noch koordinativ flüssig erbracht wer<strong>de</strong>n kann) lag<br />

<strong>de</strong>mgemäß etwas unter 9 km/h (schätzungsweise um die 8,6 km/h).<br />

Laut Spiroergometrie lag ihre Aerobe Schwelle bei ca. 6 km/h (höchste<br />

Atemökonomie, bezogen auf die höchste Menge an Sauerstoff, welche bei<br />

<strong>de</strong>r Ventilation von 1 Liter Luft aufgenommen wer<strong>de</strong>n kann), die<br />

Laktatleistungskurve prognostizierte diese bei ca. 6,5 km/h (erster Anstieg<br />

<strong>de</strong>r Laktatkonzentration). Für die Ermittlung <strong>de</strong>r Anaeroben Schwelle wur<strong>de</strong><br />

das Konzept <strong>de</strong>r „fixen“ 4 mmol/l Schwelle gewählt. Die Geschwindigkeit<br />

bei 4 mmol/l (V4) lag bei ca. 7,7 km/h. Das Ergebnis dieser diagnostischen<br />

Untersuchung <strong>de</strong>ckte sich sehr gut mit <strong>de</strong>n Daten aus Training und<br />

Wettkampf.<br />

- 308 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Die Aerobe Schwelle stellt eine gewisse Obergrenze dar, für sehr lange<br />

Dauerbelastungen. Die dafür prognostizierte Geschwindigkeit von 6-<br />

6,5 km/h <strong>de</strong>ckt sich genau mit <strong>de</strong>m Tempo, welches die Walkerin im<br />

Durchschnitt auf Ultradistanzen über eine Dauer von 6-8 Stun<strong>de</strong>n aufweist.<br />

Ein Tempo von 7,9-8 km/h ist sie in <strong>de</strong>r Lage 1-1,5 Stun<strong>de</strong>n lang zu halten<br />

und dieses kann somit nicht oberhalb ihrer AS liegen. Die aus <strong>de</strong>r<br />

Laktatmessung ermittelte AS von 7,7 km/h zeigt hier ein gute<br />

Übereinstimmung und weist<br />

nicht massiv von <strong>de</strong>r Realität<br />

ab.<br />

Das Ergebnis <strong>de</strong>r<br />

Leistungsdiagnostik <strong>de</strong>utet<br />

oberflächlich betrachtet darauf<br />

hin, dass die Metho<strong>de</strong> nicht<br />

passt und das Tempo für ein<br />

extensives Grundlagen- und<br />

Fettstoffwechseltraining dabei<br />

<strong>de</strong>utlich zu hoch berechnet<br />

wür<strong>de</strong> (nämlich im Bereich von 7-7,5 km/h - ). Dies<br />

sollte aber vielschichtiger betrachtet wer<strong>de</strong>n. Zu be<strong>de</strong>nken ist, dass es sich<br />

bei dieser Frau um eine äußerst gut trainierte Walkerin han<strong>de</strong>lt und bei <strong>de</strong>r<br />

Vielzahl von walken<strong>de</strong>n Leuten ein Ausnahmefall darstellt. Diese Frau ist<br />

durch jahrelanges und gezieltes Training in <strong>de</strong>r Lage, ein Tempo über<br />

längere Zeit gehen zu können, bei <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>re Walker (bzw. Fußgänger)<br />

bei ggf. gleicher Intensität schon lange nicht mehr gehen können.<br />

Motorisch sind diese schnell überfor<strong>de</strong>rt und wür<strong>de</strong>n buchstäblich über ihre<br />

eigenen Beine stolpern (selbst <strong>de</strong>r Autor, als ansehnlich trainierter<br />

Ultraläufer, wäre nicht in <strong>de</strong>r Lage, gehen<strong>de</strong>rweise auf einer Distanz von 10<br />

km mit dieser Frau o<strong>de</strong>r vergleichsweise trainierten Walkern mitzuhalten).<br />

Diese Walkerin ist in <strong>de</strong>r Lage, so schnell zu gehen, dass auch das Herz-<br />

Kreislauf-System irgendwann eine gewisse Limitierung aufweist.<br />

Die Tatsache, dass ein Tempo von 7-7,5 km/h ohne große Mühe von dieser<br />

Frau auch schon mehrere Stun<strong>de</strong>n gegangen wer<strong>de</strong>n kann, belegt, dass die<br />

dabei vorliegen<strong>de</strong> Intensität noch als relativ gering einzustufen ist (bei 7<br />

km/h lag <strong>de</strong>r Laktatwert noch bei niedrigen 1,5 mmol/l).<br />

Foto oben: Volker Innig - pixelio.<strong>de</strong> / nächste Seite: Matthias Balzer - pixelio.<strong>de</strong><br />

- 309 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Das theoretisch optimale<br />

Fettstoffwechsel-Tempo<br />

von 6-6,5 km/h wäre für<br />

Trainingseinheiten von<br />

beispielsweise um die 2<br />

Stun<strong>de</strong>n nicht effektiv; bei<br />

ihrem Potenzial (<strong>de</strong>r<br />

Fähigkeit dieses Tempo 6-<br />

8 Stun<strong>de</strong>n gehen zu<br />

können) wäre sie<br />

trainingsmethodisch<br />

unterfor<strong>de</strong>rt. Trainingsreize<br />

können damit nicht gesetzt wer<strong>de</strong>n. Als Vergleich dazu ein Marathonläufer:<br />

Absolviert dieser regelmäßig Läufe von 3 Stun<strong>de</strong>n und länger, so wird das<br />

gleiche Tempo chronisch gewählt auch bei Läufen über etwa 2 Stun<strong>de</strong>n bei<br />

ihm keine leistungssteigern<strong>de</strong>n Reize auslösen. Ausnahme ist<br />

selbstverständlich, wenn aus regenerativen Grün<strong>de</strong>n die Trainingsbelastung<br />

reduziert wer<strong>de</strong>n soll. Bei <strong>de</strong>r besagten Walkerin be<strong>de</strong>utet dies: Nur bei<br />

sehr langen Wan<strong>de</strong>r- bzw. Trekking-Touren, über viele Stun<strong>de</strong>n Dauer (als<br />

Vorbereitung auf einen „Ultra-Walk“), o<strong>de</strong>r eben bei rein regenerativen<br />

Trainingseinheiten, macht das (für sie) geringe Tempo von (Obergrenze) 6-<br />

6,5 km/h Sinn (). Auch hier zeigt sich, dass ein<br />

blin<strong>de</strong>s Starren auf einen Computerausdruck unzureichend ist.<br />

Kommentar<br />

Reine Fitness-Walker, ohne Ambitionen, sind in <strong>de</strong>r Regel eh nur recht<br />

langsam unterwegs. Eine HF-Steuerung ist hierbei vollkommen<br />

sinnentleert und überflüssig wie beim Wan<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r gar im Alltag.<br />

Besteht die Ambition seine Fitness erheblich zu verbessern o<strong>de</strong>r gar an<br />

Veranstaltungen mit Wettkampfcharakter teilzunehmen, so wird eine<br />

primäre Anlehnung an Geschwindigkeiten garantiert <strong>de</strong>utlich höhere<br />

Erfolge mit sich bringen, als die oft übliche verstärkte HF-Orientierung.<br />

Voraussetzung ist natürlich ein entsprechend effektiv gestaltetes<br />

Trainingskonzept.<br />

Ich arbeite seit Jahren nach solchen Verfahren und meine Leute<br />

bewegen sich bezüglich ihrer Fitness in einer ganz an<strong>de</strong>ren Liga, als<br />

viele Walker, die stur nach HF trainieren (trainiert wer<strong>de</strong>n).<br />

- 310 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

3.5.6 Leistungsdiagnostik<br />

Ist eine Leistungsdiagnostik für Breitensportler sinnvoll?<br />

Anspruchsvollere Testverfahren mit Laktatmessung<br />

o<strong>de</strong>r gar per Atemgasanalyse sind im Leistungs-<br />

und Spitzensport unverzichtbar. Da solche<br />

Verfahren aber schon seit vielen Jahren auch<br />

Fitness- und Breitensportlern zugänglich sind und<br />

diese Zielgruppe auch werbetechnisch gezielt<br />

angesprochen wird, stellt sich auch immer wie<strong>de</strong>r<br />

die Frage, ob solche (ggf. recht teure) Diagnostik-<br />

Metho<strong>de</strong>n für solche Leistungsklassen überhaupt<br />

sinnvoll sind. Da diese Thematik auch indirekt mit<br />

<strong>de</strong>r Kern-Thematik dieses Buches zu tun hat, soll<br />

auch hier darauf eingegangen wer<strong>de</strong>n.<br />

Wie bereits mehrmals angemerkt haben alle<br />

Testverfahren ihre Ungenauigkeiten. Die<br />

Hauptproblematiken sind hierbei Statistik und, bei<br />

typischen Labortests, die eingeschränkte<br />

Übertragbarkeit auf Feldbedingungen -<br />

hauptsächlich dadurch bedingt, dass diese keine<br />

Dauerbelastung simulieren. Nun wird sich <strong>de</strong>r<br />

Ausdauersportler zurecht fragen, warum er gutes<br />

Geld für teure und aufwendige<br />

leistungsdiagnostische Untersuchungen ausgeben<br />

soll.<br />

Tatsache ist: Im Breitensport gibt es keine<br />

Zielsetzung, welche grundsätzlich nicht auch ohne<br />

teure Testverfahren erreichbar ist.<br />

Der ambitionierte und leistungsorientierte Breitensportler sollte sich nicht<br />

suggerieren lassen, dass er sich teuren Tests unterziehen muss, um<br />

wirklich effektiv trainieren zu können! Je mehr Informationen aber<br />

vorhan<strong>de</strong>n sind, <strong>de</strong>sto realistischere Vorgaben für ein Training kann man<br />

erwarten bzw. als Trainer geben. Je mehr ermittelte Daten und Werte auf<br />

ein bestimmtes Ergebnis hinweisen, <strong>de</strong>sto mehr spricht für seine<br />

Richtigkeit.<br />

- 311 -


Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

Außer<strong>de</strong>m bieten aufwendigere leistungsdiagnostische Testverfahren noch<br />

sehr wertvolle Zusatzinformationen, welche von sehr großem Nutzen sein<br />

können (insbeson<strong>de</strong>re die Spiroergometrie, welche mehrere Anhaltspunkte<br />

bietet, um Schwellen abzuschätzen und qualitative Aussagen über <strong>de</strong>n<br />

Fettstoffwechsel und die Atemökonomie zulässt).<br />

Deshalb auch die Empfehlung <strong>de</strong>s Autors: Ist es finanziell machbar, sollte<br />

man die Anwendung einer entsprechen<strong>de</strong>n Leistungsdiagnostik in Betracht<br />

ziehen.<br />

Wenn bedacht wird, wie viel Geld ambitionierte Ausdauersportler für Dinge<br />

ausgeben, welche sie für Training und Wettkampf nicht wirklich benötigen<br />

(sehr teure HF-Messgeräte, die teuersten Laufschuhe, immer das beste und<br />

teuerste Material am Rennrad usw.), dann muss eine entsprechen<strong>de</strong><br />

Leistungsdiagnostik nicht als Geldverschwendung angesehen wer<strong>de</strong>n. Der<br />

Körper <strong>de</strong>s Sportlers steht<br />

an erster Stelle, wenn es<br />

darum geht, gewisse<br />

sportliche Ziele zu<br />

erreichen. Demgemäß<br />

sind genauere<br />

Informationen über die<br />

eigene Physis (erst mal)<br />

höher zu bewerten, als<br />

das beste Material.<br />

Wichtig ist nur – und man<br />

kann es gar nicht oft<br />

genug predigen – dass<br />

man äußerst vorsichtig<br />

damit ist, die ermittelten<br />

Werte als Dogma mit absoluter Aussagefähigkeit anzusehen, son<strong>de</strong>rn diese<br />

nur als weitere nützliche Zusatzinformationen ansieht, welche man in sein<br />

Training mit einfließen lässt. Je<strong>de</strong>r sollte im Rahmen seiner Möglichkeiten<br />

das Ergebnis mit seinen Trainingsdaten und Erfahrungen vergleichen und<br />

schauen, ob sich dies damit vereinbaren lässt. Dies gilt für bei<strong>de</strong> Seiten,<br />

<strong>de</strong>n Proban<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Diagnostiker. Prinzipiell ist hierbei die<br />

Einbeziehung aller trainingsmethodisch brauchbaren Daten und Größen<br />

sinnvoll und wichtig.<br />

- 312 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Wo soll man eine Leistungsdiagnostik durchführen lassen?<br />

Gera<strong>de</strong> in Großstädten gibt es eine Fülle von kleineren und größeren<br />

Anbietern für Leistungsdiagnostik, da fällt die Entscheidung oft nicht leicht.<br />

Es gibt drei typische Kategorien von Anbietern:<br />

- 313 -<br />

1. Kliniken bzw. Universitäten mit sportmedizinischer Abteilung.<br />

2. Standard Arzt-Praxen, wo Ärzte nebenbei noch eine<br />

Leistungsdiagnostik anbieten.<br />

3. Sonstige kommerzielle Einrichtungen, die diesbezüglich<br />

spezialisiert sind, o<strong>de</strong>r so etwas in ihrem Angebot haben (z. B.<br />

Fitnessstudios).<br />

1. Vom Papier her haben diese natürlich die besten<br />

Referenzen. Hier sind hochkarätige Sportmediziner am<br />

Werk und häufig wer<strong>de</strong>n dort auch Ka<strong>de</strong>r-Athleten<br />

untersucht. Es weckt natürlich beson<strong>de</strong>res Vertrauen,<br />

sich dort einer Untersuchung unterziehen zu lassen.<br />

Doch die Sache ist nicht ganz unproblematisch: Solche<br />

Einrichtungen unterliegen normalerweise ganz klaren<br />

Richtlinien. Die Vorgehensweise ist genau vorgegeben<br />

und alle dortigen Mediziner bzw. Stu<strong>de</strong>nten müssen auf<br />

<strong>de</strong>r gleichen Schiene fahren. Dies gilt für die<br />

Testdurchführung und auch für die Auswertung. So<br />

wird man sich dort in <strong>de</strong>r Regel voll und ganz auf die<br />

Analyse <strong>de</strong>r Software und <strong>de</strong>r Computerausdrucke<br />

stützen. Eine manuelle Auswertung, unter <strong>de</strong>r<br />

Berücksichtigung gewisser individueller Faktoren, ist<br />

normalerweise nicht gegeben. Der beste<br />

Sportmediziner nützt aber nichts, wenn er sich nur<br />

blind auf ein bestimmtes Verfahren stützt, welches aber<br />

eben auch entsprechen<strong>de</strong> Ungenauigkeiten aufweist<br />

(was dann oft auch unerwähnt bleibt).<br />

Foto: JN


Laktat ist nicht alles<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

An einer in Deutschland bekannten Sporthochschule wur<strong>de</strong> an einer<br />

<strong>de</strong>m Autor bekannten Freizeitläuferin (welche auch an Volksläufen<br />

teilnimmt) ein Ausdauertest mit Laktatmessung durchgeführt. Für ein<br />

Grundlagentraining wur<strong>de</strong> ihr ein „Spaziergang-Tempo“ von 4-<br />

4,5 km/h verordnet. Das Leistungsniveau dieser Läuferin war zwar<br />

recht gering (bei Volksläufen gehörte sie mit ca. 70-75 min zu <strong>de</strong>n<br />

Letzten im Ziel), aber je<strong>de</strong>m erfahrenen Läufer leuchtet ein, dass solch<br />

ein „Schaufensterbummel-Tempo“ nichts mit Training zu tun hat.<br />

Die standardisierte Auswertung <strong>de</strong>r Laktatmessung hat dies aber eben<br />

so angegeben. Und da - Achtung Ironie - Laktatwerte ja so<br />

aussagefähig sind ...<br />

Foto: JN<br />

2. Hier ist auch erst mal eine gewisse Skepsis<br />

angebracht, <strong>de</strong>nn viele Ärzte wen<strong>de</strong>n<br />

leistungsdiagnostische Untersuchungen<br />

grundsätzlich nur zur Beurteilung bzw.<br />

Untersuchung (möglicher) medizinischer<br />

Befun<strong>de</strong> bei Patienten an (Spiroergometrie). Da<br />

eine Auswertungssoftware häufig auch<br />

Auswertungen und Trainingsvorgaben für<br />

Ausdauersportler vornehmen kann, nutzen<br />

viele Ärzte dies auch, um diesbezüglich ihr<br />

Angebot zu erweitern. Hier ist dann sehr häufig<br />

das Problem, dass viele dieser Ärzte - auch<br />

wenn sie sich Sportmediziner nennen (ein Titel,<br />

<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>r Arzt bei einem simplen<br />

Wochenendseminar erwerben kann!) - nicht<br />

wirklich kompetent in Sachen <strong>Ausdauertraining</strong><br />

sind (selber nicht aus diesem Metier kommen)<br />

und sich dann auch wie gehabt nur blind auf<br />

die Software-Auswertung verlassen. Auch hier<br />

kann es dann schnell vollkommen unsinnige<br />

Trainingsvorgaben geben, da diese Ärzte<br />

trainingsmethodisch nicht wirklich wissen, was<br />

sie da eigentlich machen (Kap. 2.2.10).<br />

- 314 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

3. Es gibt kleine Einrichtungen, die kommerziell leistungsdiagnostische<br />

Untersuchung, Trainingsplanung usw. anbieten. Dort sind dann meist<br />

erfahrene Ausdauersportler bzw. Trainer am Werk. Auch hier besteht<br />

prinzipiell die Gefahr <strong>de</strong>r blin<strong>de</strong>n Fixierung auf Standards - aber dort kann<br />

man eher erwarten, dass individueller gearbeitet wird, ohne „Tunnelblick“.<br />

Auch bei Fitnessstudios, welche auch teilweise diesbezügliche Angebote<br />

haben, sollte man sehr vorsichtig sein. Ein Seminar von ein paar Stun<strong>de</strong>n<br />

genügt, um zu wissen, wie eine Laktatmessung korrekt durchgeführt und<br />

dann standardgemäß ausgewertet wird. Ein tiefgreifen<strong>de</strong>s Verständnis für<br />

die Problematiken, die dabei entstehen, kann dadurch jedoch nie vermittelt<br />

wer<strong>de</strong>n - dafür benötigt es oft jahrelanger Erfahrung als trainieren<strong>de</strong>r<br />

Ausdauersportler.<br />

- 315 -<br />

Foto: JN<br />

Im Bereich Spiroergometrie möchten die<br />

Entwickler solcher entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Messgeräte auch ihren Markt ausweiten. So<br />

ist es für diese lukrativ, solche Gerätschaften<br />

auch Fitnessanlagen schmackhaft zu<br />

machen. Damit theoretisch je<strong>de</strong>r dortige<br />

Trainer einfach damit arbeiten kann, gibt es<br />

dann auch eine Auswertungssoftware,<br />

welche recht simpel aufgebaut, <strong>de</strong>m Trainer<br />

die Auswertungsarbeit abnimmt. Sie lässt<br />

keine bzw. kaum Möglichkeiten einer Konfiguration zu und die HF-Vorgaben<br />

lassen sich auch nicht editieren. Dafür ist die Bedienung sehr simpel. Ein<br />

paar Mausklicks, <strong>de</strong>n Test starten und die Auswertung samt HF-Vorgaben<br />

erfolgt automatisch. Wun<strong>de</strong>rbar für solche kommerzielle<br />

Fitnesseinrichtungen. Auch hier wird <strong>de</strong>r Fitnesstrainer prinzipiell dann in<br />

<strong>de</strong>r Lage sein, einen solchen Test korrekt durchzuführen, aber auch ihm<br />

wird sich ein begrenztes Verständnis für die Sache in <strong>de</strong>n Weg stellen,<br />

wenn es selber nicht aus <strong>de</strong>m Metier Ausdauersport kommt. Und diese<br />

Software, welche aus Kostengrün<strong>de</strong>n und erheblich geringerer Komplexität<br />

eher in Fitnessanlagen verbreitet ist, macht wegen ihrer Einfachheit sehr<br />

häufig unbrauchbare bzw. unrealistische Auswertungen bzw. Vorgaben -<br />

was <strong>de</strong>m Trainer dann aber (aus genannten Grün<strong>de</strong>n) nicht bewusst ist.<br />

Und für so was muss <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> dann recht viel Geld bezahlen, voller<br />

Freu<strong>de</strong>, einen so „tollen“ und so „aussagefähigen“ Test gemacht zu haben.


Kommentar<br />

Kapitel 3 – Die Herzfrequenz in <strong>de</strong>r Praxis<br />

In <strong>de</strong>n Jahren, in <strong>de</strong>nen ich die Möglichkeit hatte, mit <strong>de</strong>r<br />

Spiroergometrie arbeiten zu können, stand mir glücklicherweise eine<br />

sehr aufwendige Auswertungssoftware zur Verfügung. Diese ließ<br />

Unmengen von individuellen Einstellungen und Optionen zu. Als<br />

Anwen<strong>de</strong>r hatte ich dort die Möglichkeit, die Software so zu<br />

konfigurieren, dass diese möglichst optimal auf die eigenen Wünsche<br />

und Vorstellungen zugeschnitten war. Weiterhin konnte ich auch die<br />

Auswertung <strong>de</strong>r Schwellen manuell vornehmen. Ich lehne es<br />

vollkommen ab, solch eine Auswertung - auf die sich ja dann auch<br />

meine trainingsmethodischen Vorgaben stützen - alleine einer Software<br />

zu überlassen, welche viele Dinge gar nicht berücksichtigen kann.<br />

Als wichtig betrachte ich, dass Leistungsdiagnostiker selber aktive<br />

Ausdauersportler sind. Man sollte sich als Interessent nicht nur durch<br />

Titel blen<strong>de</strong>n lassen, welches beson<strong>de</strong>re Kompetenz suggeriert.<br />

Und wer leistungsdiagnostische Untersuchungen durchführt, sollte sich<br />

davor hüten, die Testauswertung nur <strong>de</strong>r Kompetenz eines strickten<br />

Testschemas und <strong>de</strong>r automatisierten Berechnung einer Software zu<br />

überlassen. Ansonsten wäre es ausreichend, einen dressierten<br />

Schimpansen vor <strong>de</strong>n Rechner zu setzen, <strong>de</strong>m man beigebracht hat,<br />

einfach nur die richtigen Tasten zu drücken. Ein Trainer wäre dann<br />

überflüssig.<br />

Foto: JN<br />

- 316 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Auswertungsumfang<br />

Ein weiterer Punkt ist <strong>de</strong>r Umfang<br />

<strong>de</strong>r Auswertung, welche man als<br />

Kun<strong>de</strong> bekommt. Wer relativ viel<br />

Geld dafür bezahlt, darf auch eine<br />

ausreichend umfangreiche<br />

Auswertung erwarten. Dies ist aber<br />

nicht immer automatisch gegeben,<br />

man erhält nicht selten nur das<br />

Ergebnis und allgemeine<br />

trainingsmethodische Infos. Dies<br />

steht dann in keinem Verhältnis zur<br />

Qualität, welches ein solches<br />

Verfahren suggerieren soll. Gera<strong>de</strong><br />

ein relativer Laie darf erwarten,<br />

dass das Begleitmaterial so<br />

umfangreich ist, dass er ohne<br />

- 317 -<br />

Laktat ist nicht alles<br />

Der Autor kannte eine<br />

Fitnesssportlerin, die hatte mal<br />

„irgendwo“ für 30,- Euro einen<br />

Laktattest machen lassen. Als<br />

Auswertung hatte sie nur die HF-<br />

Vorgaben bekommen. Auf die<br />

Frage, wie dies nun berechnet<br />

bzw. ausgewertet wur<strong>de</strong>, bekam<br />

sie zur Antwort: "Das verrate ich<br />

nicht." So etwas suggeriert nicht<br />

gera<strong>de</strong> Seriosität, da kann man<br />

nur mit <strong>de</strong>m Kopf schütteln.<br />

Zusatz-Literatur in <strong>de</strong>r Lage ist, halbwegs zu verstehen, was genau<br />

gemacht wor<strong>de</strong>n ist. Test und Auswertung sollten für ihn nachvollziehbar<br />

sein.


Kapitel 4 – Herzfrequenzmessung – Ein Fazit <strong>de</strong>s Autors<br />

KAPITEL 4<br />

Herzfrequenzmessung –<br />

Ein Fazit <strong>de</strong>s Autors<br />

Foto: Dušan Zidar – iStockfotos.com<br />

Drum prüfe, bevor er sich ewig „bin<strong>de</strong>t“, ob er nicht (zusätzlich) was<br />

Besseres fin<strong>de</strong>t.<br />

- 318 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

4.1 Wie wichtig ist die HF-Messung<br />

……überhaupt?<br />

4.1.1 Der Mensch am Gängelband <strong>de</strong>r Technik<br />

Pulsmessung, Pulsmessung, Pulsmessung – überall<br />

liest und hört man davon, wie wichtig es doch<br />

(angeblich) ist. Im Sport – und gera<strong>de</strong> im sogenannten<br />

Gesundheitssport – wird immer schön „effektiv“ nach<br />

Lehrbuch und irgendwelchen Richtlinien gehan<strong>de</strong>lt.<br />

Doch wer macht sich eigentlich noch Gedanken über<br />

ein natürliches Bewegungsverhalten? Der Mensch<br />

unterliegt zwar <strong>de</strong>n gleichen physikalischen Gesetzen<br />

wie je<strong>de</strong>r tote Gegenstand, man sollte aber nicht <strong>de</strong>m<br />

Irrglauben verfallen, dass er sich auch genauso leicht<br />

berechnen und behan<strong>de</strong>ln lässt.<br />

Es gibt <strong>de</strong>n „Puls-Dogmatiker“ und <strong>de</strong>n „Puls-<br />

Neurotiker“. Der Puls-Dogmatiker predigt die ständige<br />

und sture Fixierung auf die HF. Der Puls-Neurotiker<br />

macht sich, beeinflusst vom Puls-Dogmatiker, nahezu<br />

völlig abhängig von solchen Messwerten. Bei<strong>de</strong> haben gemeinsam, dass sie<br />

nicht wirklich wissen, mit was für einem Parameter sie es hierbei eigentlich<br />

zu tun haben. Doch auch innerhalb dieser Extreme ist es sinnvoll, so<br />

manche Vorgehensweise zu hinterfragen.<br />

Bei einem sinnvollen Einsatz eines HF-Messgerätes wird man das Training<br />

sehr effektiv steuern und seine Fitness kontrollieren können. Solche<br />

Messwerte als Dogma zu nehmen und sich blind darauf zu fixieren, macht<br />

aber keinen Sinn und ist wi<strong>de</strong>rnatürlich. Es gibt viele Menschen, die<br />

unnötigerweise starr auf HF-Messgerät fixiert sind. Statt mit trainieren sie<br />

unflexibel nur nach einem solchen Gerät.<br />

Nicht je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r seine Ausdauer trainiert, muss sein Training nach solchen<br />

Messwerten ausrichten und abhängig machen.<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

- 319 -


Kapitel 4 – Herzfrequenzmessung – Ein Fazit <strong>de</strong>s Autors<br />

4.1.2 Neigen wir zur<br />

………methodischen<br />

………Übertreibung?<br />

Im Fitness- und Gesundheits-<br />

Sport, aber auch in weiten Teilen<br />

<strong>de</strong>s Breitensports, <strong>de</strong>r auch einen<br />

enormen Wirtschafts-Faktor<br />

darstellt (gera<strong>de</strong> für kommerzielle<br />

Einrichtungen), wird häufig streng methodisch vorgegangen. Dieses<br />

Bemühen, Untrainierte vor Überlastungen zu schützen, ist zwar einerseits<br />

wichtig und begrüßenswert - aber man neigt immer wie<strong>de</strong>r mal dazu, viel<br />

zu methodisch und wissenschaftlich zu <strong>de</strong>nken und das Vorbild Natur zu<br />

sehr aus <strong>de</strong>n Augen zu verlieren. So manche Vorgehensweise erscheint da<br />

sinnentleert und man muss sich fragen, wie <strong>de</strong>r Mensch es nur geschafft<br />

hat 150000 Jahre zu überleben, so ganz ohne Trainingslehre & Co.<br />

Der menschliche Körper toleriert mehr (ohne Scha<strong>de</strong>n zu nehmen), als<br />

man häufig suggeriert bekommt. Selbst wenn die trainingsmethodische<br />

Arbeitsweise korrekt und effektiv ist (als Anspielung an meine Kritik, an<br />

üblichen pauschalen Vorgehensweisen in <strong>de</strong>r Branche) und kein<br />

kommerzieller Gedanke dahinter steht (Kompetenz und Wissenschaft als<br />

Verkaufsargument), so erscheint es <strong>de</strong>nnoch bei näherer Betrachtung<br />

schon manchmal recht merkwürdig und eigentlich übertrieben und<br />

unangebracht.<br />

Der sportliche Nichtsportler<br />

Bodo Beispiel ist als Kind viel Rollschuh gefahren und hat sich nun (als<br />

Erwachsener) Inline-Skates gekauft. In <strong>de</strong>r Woche fährt er damit<br />

regelmäßig ein Bisschen durch die Gegend. Am Wochenen<strong>de</strong> fährt er mit<br />

seiner Frau mit <strong>de</strong>m Fahrrad, einfach so, als simple Radtour. Sie fahren in<br />

<strong>de</strong>r Regel ca. 2 Stun<strong>de</strong>n. Ab und zu bleiben sie mal stehen, um sich die<br />

Gegend zu betrachten, o<strong>de</strong>r um bei einem Eiscafé zu rasten. Dies ist kein<br />

Sport im üblichen Sinne, weshalb hier auch in keiner Weise<br />

trainingsmethodische Vorgehensweisen erfor<strong>de</strong>rlich sind. B. B. will ja auch<br />

nicht im üblichen Sinne „trainieren“. Es wür<strong>de</strong> auch kein Trainer, Mediziner<br />

o<strong>de</strong>r sonst wer in Betracht ziehen hierbei irgendwelche<br />

trainingsmethodischen Vorgehensweisen (wie eine HF-Messung)<br />

anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

- 320 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Nun … streng trainingsmethodisch betrachtet, kommt es bei solchen<br />

Freizeit-Aktivitäten, welche Millionen Menschen alleine in Deutschland mehr<br />

o<strong>de</strong>r weniger regelmäßig betreiben, immer wie<strong>de</strong>r zu Belastungen, in<br />

Intensitätsbereichen, welche für einen „Gesundheits-Sportler“ angeblich<br />

nicht wirklich gesund wären. Denn dummerweise wird nämlich ein B. B.<br />

immer wie<strong>de</strong>r mit Problemen konfrontiert, welche bei einem Aufhalten in<br />

freier Natur nun mal dazugehören: Wind und Anstiege. Dadurch wird ein B.<br />

B. immer wie<strong>de</strong>r mal genötigt sein, auch über längeren Zeitraum, sich bzw.<br />

seinen Körper ganz or<strong>de</strong>ntlich zu for<strong>de</strong>rn. Und<br />

dies mit all seinen Begleiterscheinungen<br />

(hohe HF, höhere Laktatwerte usw.) – und<br />

dass obwohl er ja nur „Freizeit-Sportler“ ist<br />

(wobei er ja eigentlich gar kein Sportler ist).<br />

Es sei <strong>de</strong>nn, er wür<strong>de</strong> immer wie<strong>de</strong>r vom Rad<br />

absteigen und dieses schieben. Aber wer<br />

wür<strong>de</strong> dies schon machen? Warum auch? Er<br />

wird sich bzw. seiner Gesundheit mit<br />

Sicherheit dadurch nie scha<strong>de</strong>n. Und es<br />

dürfte auch kaum ein Mediziner auf unseren<br />

Planeten auf die I<strong>de</strong>e kommen, daran einen<br />

Gedanken zu verschwen<strong>de</strong>n.<br />

Der sportliche Ex-Nichtsportler<br />

B. B. hat einen Freund, Michael Mustermann. M.M. ist unsportlich und alles<br />

an<strong>de</strong>re als fit. Nun entschließt er sich: „Ich mache jetzt Sport.“ Er geht in<br />

ein Fitnessstudio und bekommt dort Trainingsempfehlungen. Um eine Basis<br />

zu schaffen, trainiert er brav vorerst nur extensiv seine<br />

Grundlagenausdauer. Später nimmt er auch noch an anspruchsvolleren<br />

Indoorcycling-Kursen teil. Alles schön kontrolliert, mit HF-Messung und<br />

Ausdauertests und überhaupt. Eben schön nach Lehrbuch. Unterm Strich<br />

wird sich M.M. nicht mehr und nicht weniger körperlich for<strong>de</strong>rn als B. B.<br />

O<strong>de</strong>r, wenn das Spinning nicht wäre, sein Training wäre vielleicht doch<br />

weniger belastend als die Aktivitäten von B. B. Und B. B. wäre unter<br />

Umstän<strong>de</strong>n dann sogar doch besser trainiert. Egal, ein großer Unterschied<br />

wird bei solchen Beispiel-Personen nicht vorhan<strong>de</strong>n sein. Wir haben es<br />

hierbei mit zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen zu tun: eine relativ<br />

systematische, lehrbuchorientierte und eine (an<strong>de</strong>re), gewissermaßen<br />

natürliche, <strong>de</strong>m Zufall überlassene.<br />

- 321 -


Kapitel 4 – Herzfrequenzmessung – Ein Fazit <strong>de</strong>s Autors<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

Man muss wohl nicht lange überlegen, um<br />

zu erkennen, dass bei solch „niedrigen“<br />

Leistungsklassen und Ambitionen das<br />

Ergebnis am En<strong>de</strong> relativ gleich aussehen<br />

wird und die Lehrbuch-Metho<strong>de</strong> doch<br />

irgendwie umständlicher erscheint. Es<br />

dürfte wohl auch ein Bisschen unlogisch<br />

erscheinen, warum bei Menschen dann (je<br />

nach Situation) ein Mal eine Metho<strong>de</strong> als<br />

falsch und ein Mal als richtig bezeichnet<br />

wird, nur weil einer sich „Sportler“<br />

schimpft, während <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re ja kein<br />

Sportler ist – aber bei<strong>de</strong> unterm Strich das<br />

Gleiche machen und sogar das Ergebnis<br />

vergleichbar sein wird. Gibt es<br />

irgendwelche Studien, die belegen, dass ein reiner „Freizeit-Aktivist“,<br />

welcher sich „unkontrolliert“ körperlich betätigt, weniger leistungsfähig und<br />

weniger gesund ist, als ein reiner Gesundheitssportler, welcher nach einem<br />

kontrollierten Minimal-Programm trainiert? Manchmal macht das<br />

vorbildliche (?) und strenge Vorgehen nach Lehrbuch so manche Dinge<br />

letztendlich komplizierter und umständlicher als sie sein müssten. Wer sich<br />

als Laie informiert, <strong>de</strong>m wird schnell suggeriert (und manche „Experten“<br />

behaupten dies auch), dass ohne HF-Messung ein effektives<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> nicht möglich ist. Dies ist völliger Blödsinn!<br />

Ein rein HF-gesteuertes Training ist wichtig und unverzichtbar, wenn<br />

Menschen aus gesundheitlichen Grün<strong>de</strong>n eine bestimmte HF nicht<br />

überschreiten dürfen (z. B. Bluthochdruck, Herzkrankheit). Ein HForientiertes<br />

(nicht fixiertes!) Training macht Sinn und ist sehr zu<br />

empfehlen, wenn ein gezieltes <strong>Ausdauertraining</strong> absolviert wird, welches<br />

auch noch über einen längeren Zeitraum eine <strong>de</strong>utliche<br />

Leistungsverbesserung ermöglichen soll, o<strong>de</strong>r bei Menschen, die wirklich<br />

dazu neigen, ständig am Limit zu trainieren und sich oft überfor<strong>de</strong>rn (diese<br />

lassen sich durch einen HF-Messer aber lei<strong>de</strong>r oft auch nicht bremsen). Wer<br />

jedoch gesund ist und nur ein geringfügiges <strong>Ausdauertraining</strong> macht, ohne<br />

irgendwelche beson<strong>de</strong>ren Ambitionen, einfach nur um etwas für seine<br />

Fitness und sein Wohlbefin<strong>de</strong>n zu tun, <strong>de</strong>r braucht sein Training nicht stur<br />

nach irgendwelchen HF-Werten ausrichten.<br />

- 322 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Man sollte sich einfach nur (zumin<strong>de</strong>st überwiegend) nach seinem<br />

Wohlbefin<strong>de</strong>n orientieren, einfach schön locker, sodass man sich noch gut<br />

unterhalten kann. Und, wenn man das Bedürfnis hat, mal ein bisschen zu<br />

powern, dann sollte man dies auch ruhig tun – aber alles in Maßen (wie<br />

alles im Leben). Es wird immer so schön von einem „optimalen Training“<br />

und einem „optimalen Puls“ gesprochen. Für jeman<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r keine<br />

erwähnenswerten Ambitionen und Ziele hat, gibt es nichts wirklich zu<br />

optimieren – was soll dieser mit einem Messgerät?<br />

4.1.3 In <strong>de</strong>n Fängen von Marketing<br />

Dass bei dieser Thematik oft wie<strong>de</strong>r mal das Geld (-verdienen) das Han<strong>de</strong>ln<br />

beeinträchtigt, sollte in <strong>de</strong>r heutigen, extrem kapitalistisch geprägten Zeit<br />

auch klar sein und habe ich zwischenzeitlich auch schon ange<strong>de</strong>utet.<br />

Marketingstrategisch geschicktes Vorgehen erhöht die eine<br />

Gewinnmaximierung erheblich. Da wird dann ggf. so manches unter <strong>de</strong>n<br />

Teppich gekehrt und bewusst manipuliert. Es gibt nun mal einen riesigen<br />

Markt, bei <strong>de</strong>m es sich lohnt, auch künstlich Bedarf zu schaffen. Dies gilt<br />

für viele Dinge im Sport – so auch bei <strong>de</strong>m Thema . Da<br />

hängt dann ein Rattenschwanz von umsatzbringen<strong>de</strong>n Möglichkeiten dran:<br />

Bücher, Magazine, professionelle Leistungsdiagnostik, Kurse und Seminare,<br />

kommerzielle Fitnesssport-Einrichtungen – und natürlich die HF-Geräte<br />

selber. Gera<strong>de</strong> die HF-Messgeräte-Hersteller tragen (verständlicherweise)<br />

ihren Teil dazu bei und bieten dann noch alle möglichen (sinnvollen?)<br />

Zusatzfunktionen an, welche die Leute zum Kaufen animieren sollen. Dies<br />

ist an sich natürlich nichts Falsches, sollte aber immer mit einer guten<br />

Portion Skepsis beäugt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn die Maschinerie arbeitet<br />

sehr effektiv und wirksam, ohne dass es<br />

<strong>de</strong>r Zielgruppe bewusst ist.<br />

- 323 -<br />

„Schlipsträger“, hinter <strong>de</strong>n Kulissen arbeitend,<br />

haben häufig keinen wirklichen Bezug zum<br />

Produkt und sehen <strong>de</strong>n potenziellen Kun<strong>de</strong>n nur<br />

als reinen Dukaten-Esel an, <strong>de</strong>r mit allen<br />

möglichen psychologischen Tricks gekö<strong>de</strong>rt wird.


Kapitel 4 – Herzfrequenzmessung – Ein Fazit <strong>de</strong>s Autors<br />

In einer Ausgabe eines bekannten<br />

Mainstream-Magazins, welches „Fitness<br />

und Spaß“ vermitteln will, bin ich über<br />

einen Artikel gestolpert, <strong>de</strong>ssen<br />

eigentlicher Sinn – wenn man halbwegs<br />

mit <strong>de</strong>r Marketingmaschinerie vertraut<br />

ist – die Stirn runzeln lässt.<br />

Dieses Magazin griff eine Aussage <strong>de</strong>r<br />

Sporthochschule Köln auf, nach <strong>de</strong>r<br />

86 % <strong>de</strong>r Deutschen ungesund leben.<br />

Darauf wur<strong>de</strong> angeblich von diesem Magazin eine Studie in Auftrag<br />

gegeben, bei <strong>de</strong>r in mehreren <strong>de</strong>utschen Großstädten Tests an Läufern<br />

durchgeführt wur<strong>de</strong>n, ausgeführt von ortsansässigen<br />

leistungsdiagnostischen Einrichtungen. Dabei wur<strong>de</strong>n vorbeikommen<strong>de</strong>n<br />

Läufern, welche mit HF-Messgerät liefen, nach ihrem aktuell angezeigten<br />

Durchschnitts-HF-Werten gefragt und anschließend zu einer<br />

leistungsdiagnostischen Untersuchung (per Spiroergometrie) eingela<strong>de</strong>n.<br />

Dabei sollte die HF <strong>de</strong>s Trainings mit <strong>de</strong>m per Diagnostik ermittelten<br />

„optimalen Laufpuls“ / „Gesundheitspuls“ verglichen wer<strong>de</strong>n. Dann wur<strong>de</strong><br />

beurteilt, ob die Läufer im Training ggf. zu schnell o<strong>de</strong>r zu langsam<br />

unterwegs waren. Das Ergebnis: Die meisten Läufer waren zu schnell<br />

unterwegs.<br />

Nun, dass im Breitensport häufig zu hart trainiert wird, ist bekannt und das<br />

Ergebnis zahlreicher Studien bzw. Untersuchungen. Dennoch bedarf es<br />

dabei einiger Kritik, welcher die Aussagefähigkeit und Repräsentativität <strong>de</strong>r<br />

Untersuchungen relativieren lässt. So gab es keinerlei Informationen<br />

darüber, inwieweit die Läufer an <strong>de</strong>m Tag, an welchem sie nach ihrer<br />

Durchschnitts-HF gefragt wur<strong>de</strong>n, auch wirklich ein „Grundlagentraining“<br />

absolvierten bzw. welche Trainingsmetho<strong>de</strong> wählten. Es gab keine Angaben<br />

darüber, ob diese „Tagesmessung“ repräsentativ für das generelle<br />

Trainingsverhalten <strong>de</strong>r Personen war. Es wur<strong>de</strong> auch nicht berichtet,<br />

inwieweit die individuellen Rahmenbedingungen <strong>de</strong>r Personen<br />

berücksichtigt wur<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>nen sie ihren Trainingslauf absolviert haben<br />

(Klima, wie lange waren sie bereits unterwegs usw.). Weiterhin wur<strong>de</strong><br />

unkorrekterweise <strong>de</strong>r „Grundlagenpuls“ nur als <strong>de</strong>r Puls bezeichnet,<br />

welcher im Bereich eines Fettstoffwechseltrainings liegt. Die<br />

<strong>de</strong>finiert aber eine große Bandbreite, mit<br />

verschie<strong>de</strong>nen Intensitäten.<br />

- 324 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Bei <strong>de</strong>r kurzen Beschreibung<br />

<strong>de</strong>s spiroergometrischen<br />

Testverfahrens wur<strong>de</strong> die<br />

Genauigkeit bemerkt, mit<br />

welcher sich Rückschlüsse auf<br />

die Stoffwechsellage ziehen<br />

lassen. Dass dies aber nur eine<br />

Momentaufnahme darstellt,<br />

welche von <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Rahmenbedingungen abhängig<br />

ist – und nicht repräsentativ auf<br />

alle möglichen Dauerbelastungen übertragbar ist – blieb unerwähnt.<br />

Große Augen habe ich bekommen, als ein Leistungsdiagnostik-Experte <strong>de</strong>r<br />

Studie interviewt wur<strong>de</strong>. Seine Aussage, dass das Körpergefühl täuschen<br />

kann, möchte unterzeichnen. Auf <strong>de</strong>n Anhaltspunkt angesprochen, dass<br />

eine problemlos geführte Unterhaltung während <strong>de</strong>s Laufens ein Beleg für<br />

eine „Nicht-Überfor<strong>de</strong>rung“ sei, kam aber eine außergewöhnliche These:<br />

Angeblich kann dies trügen, <strong>de</strong>nn es gäbe Menschen, welche eine niedrige<br />

Atemfrequenz haben „… und können selbst bei höchster<br />

Belastungsintensität noch ganz locker quatschen“.<br />

Eine interessante Behauptung, welche ich physiologisch gerne erklärt<br />

hätte. „Höchste Belastungsintensitäten“ erfor<strong>de</strong>rn höchste (individuelle)<br />

Sauerstoffaufnahmen, welche zwangsläufig an ebenso hohe<br />

Atemminutenvolumina gebun<strong>de</strong>n sind (Atemminutenvolumen = Menge an<br />

Luft, welche pro Minute ventiliert wird. Diese ergibt sich aus <strong>de</strong>m Verhältnis<br />

von Atemfrequenz und Atemzugvolumen bzw. Atemzugtiefe). Menschen,<br />

welche bei Grenzbelastungen immer noch eine geringe Atemfrequenz<br />

aufweisen wür<strong>de</strong>n, müssten dabei über eine anormal hohe Atemzugtiefe<br />

verfügen. Doch selbst dann ist fraglich, wie dabei noch eine flüssige<br />

Unterhaltung möglich sein soll. Denn auch eine extrem tiefe Ein- und<br />

Ausatmung stört eine Unterhaltung ganz erheblich (dies kann je<strong>de</strong>r einfach<br />

selber ausprobieren). Eine Unterhaltung führt automatisch zu einer<br />

flacheren Atmung, welche durch eine höher Atemfrequenz ausgeglichen<br />

wer<strong>de</strong>n muss. In meinem ganzen Sportlerleben ist mir noch nie ein Mensch<br />

begegnet, welcher bei sehr hohen bis höchsten Belastungsintensitäten noch<br />

ganz locker eine Unterhaltung führen konnte. So etwas wäre<br />

unphysiologisch. Des Weiteren habe ich in <strong>de</strong>r Literatur (Sportmedizin,<br />

Leistungsdiagnostik) noch nie Hinweise über solche Son<strong>de</strong>rfälle gesichtet.<br />

- 325 -


Kapitel 4 – Herzfrequenzmessung – Ein Fazit <strong>de</strong>s Autors<br />

Einen bitteren Beigeschmack hatte <strong>de</strong>r ganze Artikel durch die Tatsache,<br />

dass hierbei eine Gruppe von zusammenarbeiten<strong>de</strong>n<br />

leistungsdiagnostischen Einrichtungen beteiligt war (!), welche angeblich<br />

durch das Magazin beauftragt wur<strong>de</strong>n. Die Studie wur<strong>de</strong> nur in <strong>de</strong>n Städten<br />

absolviert, wo diese Einrichtungen vorhan<strong>de</strong>n waren und selbstverständlich<br />

wur<strong>de</strong>n die Kontaktadressen dieser veröffentlicht!<br />

Ein Schelm, welcher dahinter ein<br />

Werbemittel sieht, welches gut<br />

getarnt durch diesen Magazin-Artikel<br />

und gestützt auf eine psychologisch<br />

sehr wirksame Alibi-Studie (an nur<br />

einer Handvoll Läufern pro Stadt<br />

durchgeführt), Neukun<strong>de</strong>n für eine<br />

Leistungsdiagnostik gewinnen sollte.<br />

Das Magazin konnte <strong>de</strong>m trendigen<br />

Leser einen weiteren „Kompetenz-<br />

Artikel“ liefern und die<br />

Leistungsdiagnostiker hatten eine fette Werbeplattform, welche X-Tausend<br />

Leser erreichte. Böse Gedanken könnten auf die abwegige I<strong>de</strong>e kommen,<br />

dass es hierbei letztendlich nur um eine einfache aber sehr wirksame<br />

Marketingstrategie ging, von <strong>de</strong>r insbeson<strong>de</strong>re zwei Seiten maßgeblich<br />

profitierten: Das Magazin bekam etliche Tausend Euro von <strong>de</strong>n<br />

diagnostischen Einrichtungen für die Werbeanzeige … äh … diesen Artikel<br />

und Letztere konnten mit einer hohen Resonanz rechnen, in Form von<br />

zahlreichen Interessenten, welche wie die Lemminge <strong>de</strong>m versteckten<br />

Aufruf folgten. Bei Preisen von 120-180 Euro pro Diagnostik kommen bei<br />

so was dann schnell Umsätze im ansprechen<strong>de</strong>n vier- bis fünfstelligen<br />

Bereich zustan<strong>de</strong> (je leistungsdiagnostische Einrichtung wohlgemerkt!). Die<br />

Suggestion, dass <strong>de</strong>r Leser (gemäß <strong>de</strong>r Studie) mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit zu <strong>de</strong>n „Falschtrainierern“ gehört und die Aussage, dass<br />

die Kombination von Pulsmessen und Leistungsdiagnostik „überaus<br />

sinnvoll“ ist, könnte als ein weiteres verkaufspsychologisch wirksames<br />

Detail betrachtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Aber dies wäre nur eine absur<strong>de</strong> Verschwörungs-Theorie. ;-).<br />

Dies soll nicht als möglicher Vorwurf <strong>de</strong>r Unseriösität aufgefasst wer<strong>de</strong>n, es<br />

ist nur ein Beispiel von vielen. Der Leser wird wissen, worauf ich hinaus<br />

will.<br />

- 326 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

4.1.4 Beratungsgespräche<br />

Kein Mensch ist perfekt und je<strong>de</strong>r han<strong>de</strong>lt mal vorschnell und je<strong>de</strong>r macht<br />

Fehler. So wer<strong>de</strong>n viele Fachleute nach bestem Wissen und Gewissen<br />

beraten und vermitteln wollen, aber <strong>de</strong>nnoch oft nur begrenzt das Richtige<br />

vermitteln (können). Beim Thema HF und <strong>Ausdauertraining</strong> lässt sich<br />

(feststellend, nicht bewertend!) recht einfach unzureichen<strong>de</strong>s Wissen über<br />

die Materie erkennen.<br />

Der Kardinalfehler schlechthin ist die Unart – ohne ein ausreichen<strong>de</strong>s<br />

Wissen über eine Person – <strong>de</strong>ssen Trainings-HF-Werte als falsch zu<br />

bezeichnen. Ein weiterer schwerwiegen<strong>de</strong>r Fauxpas ist es, wenn dabei nicht<br />

einmal gefragt wird, wie <strong>de</strong>ssen HF-Werte zustan<strong>de</strong> gekommen sind<br />

(Stichwort Testverfahren). Für Berater gilt: Das sind die bei<strong>de</strong>n dümmsten<br />

Fehler, welche man machen kann – und kein Zeichen von Kompetenz!<br />

Mangeln<strong>de</strong>s Fachwissen ist auch oft gegeben, wenn auf HF-Werten gepocht<br />

wird, welche sich letztendlich nur auf statistische Berechnungsmetho<strong>de</strong>n<br />

stützen. Aus Unkenntnis o<strong>de</strong>r blin<strong>de</strong>m Formelgestarre wer<strong>de</strong>n Individualität<br />

und Rahmenbedingungen nicht beachtet. Hinterfragt man die<br />

Aussagefähigkeit <strong>de</strong>r HF und bringt die Stichwörter und<br />

ins Spiel, so machen sich dann auch schnell<br />

Lücken im Wissen und Verständnis über die Komplexität <strong>de</strong>s Themas<br />

bemerkbar. Viele „Pulsaktivisten“ scheitern hier (nicht böse gemeint)<br />

kläglich, da sie die Thematik letztendlich nur sehr oberflächlich kennen.<br />

Fotos nächste Seite:<br />

Oben: www.biathlon-antholz.it - unten: Gemeinfrei – aus Wikipedia<br />

- 327 -


Kapitel 4 – Herzfrequenzmessung – Ein Fazit <strong>de</strong>s Autors<br />

Ein sicheres Zeichen für völlig unzureichen<strong>de</strong>s Wissen über die Materie ist<br />

chronisches Beharren auf die peinlichst genaue Einhaltung <strong>de</strong>r<br />

vorgegebenen HF-Werte und vor allem eine ausschließliche Orientierung an<br />

<strong>de</strong>r HF. Hierbei <strong>de</strong>nke ich auch an eine Aussage eines vom Papier her<br />

hochkarätigen Sportmediziners, welcher seinen Lesern weismachen wollte,<br />

dass sie ihr HF-Werte auf 1-2 Schläge genau einhalten müssten, um<br />

korrekt zu trainieren. Sorry, so was ist lächerlich.<br />

Generell gilt: Das Predigen von Dogmen,<br />

ohne die Fähigkeit zu relativieren, ist nie<br />

ein Zeichen von Kompetenz, son<strong>de</strong>rn<br />

kennzeichnet eigentlich das Gegenteil.<br />

Das oft anzutreffen<strong>de</strong> Verhalten von so<br />

genannten „Experten“,<br />

ausdauertrainieren<strong>de</strong> Menschen<br />

unbedingt auf HF-Messung zu fixieren<br />

und davon abhängig zu machen, kommt<br />

manchmal schon einer Entmündigung<br />

gleich. Dem Menschen wird praktisch<br />

jegliche Fähigkeit abgesprochen, das<br />

eigene körperliche Wohlbefin<strong>de</strong>n zu<br />

beurteilen. Und <strong>de</strong>r Laie glaubt dies schnell. Ich habe schon etliche<br />

Fitnesssportler kennengelernt, welche angstvoll, ja teilweise schon fast<br />

panikartig reagierten, wenn sie oberhalb ihrer „optimalen Pulswerte“ lagen.<br />

Diese pure Abhängigkeit von einem Messgerät erschwert o<strong>de</strong>r verhin<strong>de</strong>rt<br />

gar die (be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>) Fähigkeit selbst in sich hinein zu hören und ein<br />

(natürliches) Gefühl für die Belastungsintensität zu entwickeln – eine für<br />

einen Leistungssportler unverzichtbare Fähigkeit – die aber eigentlich für<br />

je<strong>de</strong>n Menschen wichtig ist. Wer meint, egal ob Fitness- o<strong>de</strong>r<br />

Leistungssportler, ohne so einen Gurt am Brustkorb nicht mehr „sein“ zu<br />

können, <strong>de</strong>r sollte sich diesbezüglich ernsthafte Gedanken machen.<br />

- 328 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

4.1.5 Weg mit <strong>de</strong>m Tunnelblick<br />

Ich empfehle je<strong>de</strong>m<br />

Ausdauersportler, manchmal einfach<br />

ohne HF-Messgerät zu trainieren und<br />

sich (ohne Ablenkung eines<br />

Messgerätes) einfach mal nach<br />

seinem Gefühl zu richten. Kein<br />

Messgerät ist in <strong>de</strong>r Lage die<br />

komplexen Vorgänge im Organismus umfangreich zu erfassen, weshalb<br />

solche Geräte immer nur als Hilfe bzw. Anhaltspunkt dienlich sind – aber<br />

nicht mehr. Es ist wi<strong>de</strong>rnatürlich, ein angeborenes und natürliches<br />

Bewegungsverhalten völlig von irgendwelchen Messwerten abhängig zu<br />

machen. Die Natur ist das Vorbild – und unter <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Natur eigentlich<br />

vorgesehenen Lebensbedingungen wird <strong>de</strong>r Organismus immer so<br />

gefor<strong>de</strong>rt, wie es die Situation gera<strong>de</strong> erfor<strong>de</strong>rt. Die Natur kennt keine<br />

„richtigen“ o<strong>de</strong>r „falschen“ Belastungsintensitäten, keine<br />

Trainingsmetho<strong>de</strong>n, keine Trainingsplanung usw. Dass je nach Zielsetzung,<br />

gera<strong>de</strong> im Bereich <strong>de</strong>r menschlichen Erfindung „Sport“, etliches optimiert<br />

wer<strong>de</strong>n kann, durch gezielte und kontrollierte Vorgehensweisen, darf nicht<br />

dazu führen, dass natürliches Verhalten aus <strong>de</strong>n Augen verloren wird.<br />

Wer meint, körperliche Aktivitäten nur methodisch betrachten zu müssen,<br />

pervertiert <strong>de</strong>n Menschen zu einer standardisierten Funktionsmaschine.<br />

Deshalb sollte man nie mü<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n zu hinterfragen. Der, <strong>de</strong>r Sportler<br />

berät und das Training vielleicht überperfektionieren will und es<br />

statt<strong>de</strong>ssen kaputtmethodisiert. Und <strong>de</strong>r Sportler, <strong>de</strong>r sich vielleicht zu<br />

schnell im Netz von gelesenen und gehörten Dogmen und pauschalmethodischen<br />

Richtlinien verhed<strong>de</strong>rt.<br />

Damit kein Missverständnis aufkommt:<br />

Ich bin kein Gegner von HF-Messung - son<strong>de</strong>rn ein klarer Befürworter!<br />

Nicht umsonst wird bei nahezu allen meinen Trainingsvorgaben, die ich<br />

Sportlern gebe, die HF mit einbezogen - nur eben entsprechend begrenzt.<br />

Meine letzten drei HF-Messgeräte (Trainingscomputer) haben jeweils um<br />

die 350,- Euro gekostet, eine unschön hohe Summe, welche ich nicht<br />

investiert hätte, wenn ich nicht von <strong>de</strong>r Sinnigkeit einer HF-Messung<br />

überzeugt wäre. Demgemäß trage ich auch regelmäßig ein solches.<br />

- 329 -


Kapitel 4 – Herzfrequenzmessung – Ein Fazit <strong>de</strong>s Autors<br />

Und wenn <strong>de</strong>nnoch <strong>de</strong>r Eindruck entsteht, ich wür<strong>de</strong> mit meinem Buch eine<br />

gewisse Anti-HF-Propaganda betreiben, dann kann ich dies teilweise<br />

bestätigen. Dieses Buch ist schließlich ein Resultat aus all <strong>de</strong>n<br />

oberflächlichen, unzureichen<strong>de</strong>n bis hin zum oft völlig unsinnigen Umgang<br />

mit <strong>de</strong>r HF-Messung, welche ich vielen Jahren meiner Tätigkeit im<br />

Ausdauer- und Fitnesssport erfahren habe. Und es wird nun mal seit vielen<br />

Jahren ein großer Hype um das Thema Pulsmessung gemacht, <strong>de</strong>r<br />

diskussionswürdig ist, weshalb dieses Buch ein gewisser Anti-Hype<br />

darstellt. Es ist aber nicht meine Intention, <strong>de</strong>n Leser aufzufor<strong>de</strong>rn, sich<br />

von <strong>de</strong>r HF-Messung zu verabschie<strong>de</strong>n. Nein! Es geht mir darum, dass die<br />

HF-Messung mit einem gebühren<strong>de</strong>n Abstand betrachtet wird.<br />

Die zahlreichen und überwiegen<strong>de</strong>n Kontra-Argumente, welche scheinbar<br />

gegen die HF sprechen, sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese<br />

zurecht einen hohen Stellenwert bei einem <strong>Ausdauertraining</strong> einnimmt. Der<br />

Umfang, mit <strong>de</strong>m die Schwächen <strong>de</strong>r HF hier offengelegt wur<strong>de</strong>n, soll aber<br />

ver<strong>de</strong>utlichen, wie sensibel mit dieser Orientierungsgröße umgegangen<br />

wer<strong>de</strong>n muss, damit dieser hohe Stellenwert auch gerechtfertigt ist. Und<br />

das Thema HF und <strong>Ausdauertraining</strong> ist nun mal erheblich komplexer, als<br />

es üblicherweise zu lesen ist und vermittelt wird.<br />

- 330 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Foto: www.biathlon-antholz.it<br />

Die mögliche Anzahl von Rahmenbedingungen, welche eine oberflächliche<br />

Beurteilung <strong>de</strong>s HF-Verhaltens ermöglichen, sind erheblich geringer, als<br />

solche, welche eine differenziertere Betrachtung notwendig machen.<br />

Ich wer<strong>de</strong> aber sehr emotional, wenn das Thema Herzfrequenz im<br />

Ausdauersport so undifferenziert gehandhabt wird. So ist mir völlig<br />

unverständlich, wie viele kompetente Leute es gibt, die dogmatisch an<br />

blin<strong>de</strong>r Pulsmesserei festhalten und es nicht in ihren Kopf kriegen, dass die<br />

HF gar nicht von so hoher Aussagekraft sein kann (wie meist gepredigt<br />

wird) - obwohl viele es von ihrem Fachwissen eigentlich besser wissen<br />

müssten. Selbst unter erfahrenen Ausdauersportlern fin<strong>de</strong>n sich immer<br />

wie<strong>de</strong>r Plusfetischisten, welche wie gebannt chronisch auf ihre Uhr starren.<br />

Ich frage diese in Gedanken immer: „Leute, seid Ihr eigentlich blind o<strong>de</strong>r<br />

steht Ihr irgendwie außerhalb Eures Körpers und nehmt nichts mehr war?“<br />

Es mag auch <strong>de</strong>r Eindruck entstehen, dass ich gerne über die<br />

Fitnessbranche hetze. Auch die diesbezügliche Kritik, welche ich darüber<br />

ausübe, ist eher als Feststellung gedacht und nicht als pauschaler Vorwurf<br />

gegenüber <strong>de</strong>n Menschen, welche dort tätig sind. Ich maße mir an dies zu<br />

tun, da ich bei<strong>de</strong> Seiten sehr gut kenne, die Fitnessbranche und die<br />

Ausdauersportszene. Dass sich zwischen bei<strong>de</strong>n Seiten, bezüglich <strong>de</strong>s<br />

Fachwissens über <strong>Ausdauertraining</strong>, in <strong>de</strong>r Regel ganz erhebliche<br />

Kompetenzgräben auftun, dieses Problem ist Jahrzehnte alt und in <strong>de</strong>r<br />

Ausdauersportszene wird man immer wie<strong>de</strong>r damit konfrontiert.<br />

- 331 -


Kapitel 4 – Herzfrequenzmessung – Ein Fazit <strong>de</strong>s Autors<br />

Foto: JN<br />

Es ist nun mal so (auch eine Feststellung), dass die<br />

ganze trainingsmethodische Vorgehensweise in <strong>de</strong>r<br />

Fitnessbranche überwiegend von Menschen geprägt<br />

und beeinflusst wird, welche selber keine<br />

Ausdauersportler sind bzw. nicht aus diesem Metier<br />

kommen. Aber auch von kompetenteren Seiten wer<strong>de</strong>n<br />

oft Thesen aufgestellt, wo ich mich fragen muss, wo<br />

diese einen solchen Blödsinn herhaben.<br />

Warum wird dieses Thema so lückenhaft und<br />

oberflächlich behan<strong>de</strong>lt? In hochkarätiger Fachliteratur<br />

wur<strong>de</strong> von etlichen ebenso hochkarätigen<br />

Sportmedizinern und Sportwissenschaftlern bereits vor<br />

Jahrzehnten beschrieben, dass die HF umfangreichen<br />

Einflussfaktoren unterliegt und kein ein<strong>de</strong>utiges Maß<br />

zur Beurteilung <strong>de</strong>r Muskelbelastung, Intensität o<strong>de</strong>r<br />

Stoffwechsellage darstellt!<br />

Es ist völlig unsinnig und physiologisch und<br />

trainingsmethodisch falsch, bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r<br />

körperlichen Belastung, <strong>de</strong>n Fokus überwiegend o<strong>de</strong>r<br />

gar ausschließlich auf <strong>de</strong>n Faktor HF zu legen. Und es<br />

ist ein ständiger Kampf gegen Windmühlen, wenn man<br />

erstaunten Gesichtern klar machen will, dass sie einem<br />

Irrglauben verfallen, wenn sie <strong>de</strong>r Pulsmessung eine so hohe<br />

Be<strong>de</strong>utsamkeit einräumen. Und gera<strong>de</strong> das Thema HF-Messung beim<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> ist für mich das Para<strong>de</strong>beispiel <strong>de</strong>r Para<strong>de</strong>beispiele, wie<br />

dogmatisches und blin<strong>de</strong>s Pauschal- und Schubla<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nken<br />

flächen<strong>de</strong>ckend zur Verbreitung von so vielen Halbwahrheiten führt,<br />

weshalb dieses Thema mein liebstes ist, bei <strong>de</strong>m ich niemals mü<strong>de</strong> bin,<br />

darauf aufmerksam zu machen. Wenn es auch häufig anstrengend ist.<br />

Die Parole sollte lauten:<br />

Herzfrequenz orientiert – nicht Herzfrequenz fixiert.<br />

Und nicht: Herzfrequenzmessgerät an – und Gehirn aus.<br />

- 332 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Ich <strong>de</strong>nke und hoffe, dass vieles von <strong>de</strong>m, was ich in diesem Buch<br />

geschrieben habe, für ambitionierte und schon recht erfahrene<br />

Ausdauersportler verständlich und nachvollziehbar ist. Es bedarf bei <strong>de</strong>n<br />

meisten dargestellten Problematiken keiner wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen, um die Schwierigkeiten bei <strong>de</strong>r HF-Messung beurteilen zu<br />

können. Durch genaue und regelmäßige Beobachtung seines Körpers und<br />

<strong>de</strong>r Analyse seines Trainings kann prinzipiell je<strong>de</strong>r etliche Schwachpunkte<br />

einfach erkennen, verstehen und seine Konsequenzen daraus ziehen.<br />

Am En<strong>de</strong> möchte ich noch mal darauf hinweisen, dass ich, trotz manchmal<br />

bissiger Kritik zu dieser Thematik, keinen Menschen persönlich angreifen<br />

o<strong>de</strong>r seine Fähigkeiten bösartig als unzureichend anprangern möchte.<br />

Es gibt so viele Menschen, welche im Bereich mit besten<br />

Absichten an<strong>de</strong>re Menschen (erfolgreich) beraten und betreuen … Es<br />

stün<strong>de</strong> mir nicht zu und wäre nicht korrekt solche zu verunglimpfen, wenn<br />

sie bezüglich <strong>de</strong>s Themas nicht die Standards erfüllen,<br />

welche ich mir anmaße, als wichtig darzulegen. Nein! Letztendlich geht es<br />

mir damit darum, dadurch zu ver<strong>de</strong>utlichen, dass diese Materie erheblich<br />

komplexer ist als üblicherweise dargelegt. Bei<strong>de</strong> Seiten, <strong>de</strong>r Trainieren<strong>de</strong><br />

und <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r in berät, sollen beim diesbezüglichen Han<strong>de</strong>ln zum<br />

Relativieren und Nach<strong>de</strong>nken<br />

angeregt wer<strong>de</strong>n.<br />

Also nichts für ungut.<br />

Ich bedanke mich fürs Lesen.<br />

- 333 -


Kapitel 4 – Herzfrequenzmessung – Ein Fazit <strong>de</strong>s Autors<br />

Wenn Sie wie ein Champion trainieren wollen,<br />

dann benutzen Sie auch – aber nicht nur - Ihren<br />

Herzfrequenzmonitor - und hören auf die Signale Ihres<br />

Körpers.<br />

(Jürgen Nettekoven)<br />

!<br />

- 334 -


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Literatur<br />

Ausdauer im Sport<br />

R.J. Shephard / P.-O. Åstrand<br />

Energiestoffwechsel und medizinische Leistungsdiagnostik<br />

Heck<br />

Sportartspezifische Leistungsdiagnostik – Energetische Aspekte<br />

D. Jeschke, R. Lorenz<br />

Zur Methodik <strong>de</strong>r Ausdauerdiagnostik beim Mittel- und Langstreckenlauf<br />

A. Vassiliadis<br />

Kursbuch Spiroergometrie – Technik und Befund verständlich gemacht<br />

R. F. Kroidl, S. Schwarz, B. Lehnigk<br />

Spiroergometrie – Kardiopulmunale Leistungsdiagnostik <strong>de</strong>s Gesun<strong>de</strong>n und<br />

Kranken<br />

Hollmann; Strü<strong>de</strong>r, Pre<strong>de</strong>l; Tagarakis<br />

Laufen – Sportmedizinische Grundlagen, Trainingslehre und Risikoprophylaxe –<br />

D. Kleinmann<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> – Grundlagen, Metho<strong>de</strong>n, Trainingssteuerung<br />

F. Zintl<br />

Sportmedizin – Grundlagen für alle Sportarten<br />

Engelhard / Neumann<br />

Sportmedizin – Physiologische Grundlagen<br />

P. Markwoth<br />

Olympia Buch <strong>de</strong>r Sportmedizin<br />

Dirix / Knuttgen / Tittel<br />

- 335 -


Körperliche Aktivität zur Behandlung <strong>de</strong>s arteriellen Hochdrucks<br />

D. Kleinmann<br />

Mittel- und Langstreckentraining<br />

Martin / Coe<br />

Trainingskontrolle – mit Herzfrequenzmessgeräten<br />

Hottenrott<br />

Anhang<br />

Kardiozirkulatorisches, metabolisches und ventilatorisches Verhalten während<br />

vierstündiger Dauerbelastungen auf <strong>de</strong>m Fahrrad<br />

O. Fau<strong>de</strong><br />

Herzfrequenzvariabilität und Sport<br />

Hottenrott / Hoos / Esperer<br />

Radfahren: Trittfrequenz und Tritttechnik in <strong>de</strong>r Ebene und am Berg<br />

Umberto Emanuele, Jachen Denoth<br />

Längsschnittstudie zur Eignung <strong>de</strong>r Herzfrequenzvariabilität in <strong>de</strong>r<br />

Trainingsteuerung<br />

Andreas Venhorst<br />

Kraft- und Ausdauerleistungen im Mountainbikesport<br />

Björn Stapelfeldt<br />

Sport und Schwangerschaft<br />

Lena Erhard<br />

Mechanismen <strong>de</strong>r Ausdauerlimitierung durch die Atmungsmuskulatur - Andrea<br />

Sandra Renggli<br />

… Und: Sportmagazine und diverse Internetseiten. Weitere zahlreiche Internet-<br />

Publikationen, Diplomarbeiten, Dissertationen aus Sportwissenschaft- und –Medizin,<br />

welche <strong>de</strong>r Autor lei<strong>de</strong>r nach vielen Jahren nicht mehr als Quelle angeben kann, weil<br />

sie von ihm nicht gespeichert wur<strong>de</strong>n und im Internet lei<strong>de</strong>r nicht mehr auffindbar sind.<br />

- 336 -


Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um ein<br />

Trainingsplanungssystem für<br />

schon relativ erfahrene und<br />

belesene Läufer, mit einem<br />

Niveau von etwa 40-50 min /<br />

10 km. Damit ist es möglich,<br />

selber Trainingskonzepte zu<br />

erstellen. Es besteht aus<br />

einem Buch und einer<br />

komplexen Excel-Anwendung.<br />

Das Buch befasst sich, neben<br />

<strong>de</strong>n wichtigsten Grundlagen<br />

<strong>de</strong>r Trainingslehre, speziell<br />

mit <strong>de</strong>r Vielzahl möglicher<br />

Varianten eine<br />

Trainingseinheit zu gestalten,<br />

resultierend aus Metho<strong>de</strong>,<br />

Dauer, Intensität, Bo<strong>de</strong>nbelag<br />

und Streckenprofil. Dies wird<br />

kombiniert mit einer<br />

verständlichen Anleitung, wie ein Leistungsaufbau funktioniert und wie man<br />

anhand <strong>de</strong>r zahlreichen Puzzlestückchen verschie<strong>de</strong>n aufgebauter<br />

Trainingseinheiten ein funktionieren<strong>de</strong>s und effektives Trainingskonzept<br />

konstruiert.<br />

Die Excel-Anwendung besteht im Kern aus einer Art Trainingsplaneditor<br />

bzw. Trainingsplangenerator. Dieser bietet komplett fertige, gezielt<br />

aufeinan<strong>de</strong>r abgestimmte Trainingspläne, zur Gestaltung einer Trainings-<br />

und Wettkampfsaison (10 km bis Ultralauf). Diese sind aber relativ flexibel<br />

handhabbar, in <strong>de</strong>m sie an vielen Trainingstagen Varianten in <strong>de</strong>r<br />

vorgegebenen Trainingsmethodik anbieten. In Eigenkompetenz kann <strong>de</strong>r<br />

Anwen<strong>de</strong>r gemäß seiner vorliegen<strong>de</strong>n Rahmenbedingungen o<strong>de</strong>r Wünsche<br />

dann <strong>de</strong>n genauen Weg wählen. Einen weiteren Kern dieser Anwendung<br />

bil<strong>de</strong>n zahlreiche 4-Wochen-Blöcke, welche makrozyklisch verschie<strong>de</strong>ne<br />

Zielsetzungen verfolgen und baukastenmäßig zusammengesteckt wer<strong>de</strong>n<br />

können. Damit ist sehr individuell eine effektive Saisonperiodisierung<br />

gestaltbar.


Ein Ausschnitt aus <strong>de</strong>m Kernstück <strong>de</strong>r Excel-Anwendung: <strong>de</strong>r Trainingsplaneditor.<br />

Die Möglichkeit <strong>de</strong>s Editierens <strong>de</strong>r Vorgaben bis hin zum Abspeichern <strong>de</strong>r<br />

modifizierten Empfehlungen o<strong>de</strong>r gar komplett selber gestalteten<br />

Trainingspläne, komplettieren diesen Editor.<br />

Der Läufer, welcher daran interessiert ist, selber Hand anzulegen,<br />

bekommt damit einen Baukasten und Werkzeuge, mit <strong>de</strong>nen er sich selber<br />

Trainingspläne erstellen kann. Trainingspläne, welche wesentlich<br />

individueller sind, als übliche Standard-Programme aus diverser Literatur<br />

o<strong>de</strong>r Internet. Wenn natürlich auch ein längerer, praktischer Lernweg<br />

notwendig ist, welcher „Erfahrung“ <strong>de</strong>finiert, so ist dabei kein<br />

hochwissenschaftliches Fachwissen erfor<strong>de</strong>rlich. Zumal in weiten Teilen <strong>de</strong>s<br />

Breitensports, gera<strong>de</strong> auch bei <strong>de</strong>r Zielgruppe, welche ich hier anspreche,<br />

längst nicht so ein Feintuning und so eine Komplexität in <strong>de</strong>r<br />

trainingsmethodischen Vorgehensweise vonnöten ist, wie beim täglichen<br />

Training eines Spitzensportlers. Es ist nicht son<strong>de</strong>rlich kompliziert und <strong>de</strong>r<br />

beson<strong>de</strong>re Erfolg, <strong>de</strong>n Weg zum Ziel maßgeblich mit o<strong>de</strong>r sogar komplett<br />

alleine kreiert zu haben, wird sich recht schnell einstellen.<br />

ausdauertraining-<strong>jn</strong>.<strong>de</strong>


Trainingstagebuch für Läufer<br />

Ab einem gewissen Leistungsniveau und gewissen Zielsetzungen ist eine<br />

Protokollierung <strong>de</strong>s Trainingsverhaltens unverzichtbar. Nur so lässt sich ein<br />

Abgleich schaffen zwischen SOLL und IST.<br />

Das Trainingstagebuch ist eine umfangreiche Excel-Anwendung. Diese<br />

ermöglicht die Erfassung und Auswertung zahlreicher Trainingsdaten mit<br />

umfangreichen statistischen Auswertungen. Es ist optisch sehr<br />

ansprechend gestaltet und ist auf Läufer zugeschnitten. Dieses Excel-Tool<br />

ist Freeware.<br />

ausdauertraining-<strong>jn</strong>.<strong>de</strong>


Herzfrequenzmessung im Ausdauersport<br />

Möglichkeiten und Grenzen <strong>de</strong>r Aussagefähigkeit<br />

Das Buch<br />

Wer sich über das Thema <strong>Ausdauertraining</strong><br />

informiert, wird unausweichlich mit Thema<br />

Herzfrequenz konfrontiert. Seit <strong>de</strong>m<br />

„Pulsuhren“ für je<strong>de</strong>n bezahlbar sind, wird in<br />

<strong>de</strong>r Regel ein effektives und gesun<strong>de</strong>s<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> quasi untrennbar damit<br />

verknüpft. Mit <strong>de</strong>r Möglichkeit, während einer<br />

körperlichen Belastung die Herzfrequenz<br />

permanent zu messen, wur<strong>de</strong> scheinbar ein<br />

perfektes Mittel gefun<strong>de</strong>n, welches <strong>de</strong>ssen<br />

Steuerung und Kontrolle sehr einfach zulässt.<br />

Demgemäß wird die Wichtigkeit <strong>de</strong>r<br />

Herzfrequenzmessung ausgiebig propagiert.<br />

Befasst man sich jedoch tiefer mit dieser<br />

Materie, so wird man feststellen, dass die<br />

mündliche und schriftliche Informationsverbreitung äußerst lückenhaft ist<br />

und kein Thema im Ausdauersport <strong>de</strong>rmaßen oberflächlich behan<strong>de</strong>lt wird<br />

wie das <strong>de</strong>r „Pulsmesserei“. Und so entpuppt sich <strong>de</strong>r Maßstab<br />

Herzfrequenz bei näherer und ausgiebiger Betrachtung als längst nicht so<br />

aussagefähig wie sehr häufig suggeriert und behauptet wird, wenn es um<br />

die Steuerung bzw. Kontrolle eines <strong>Ausdauertraining</strong>s geht. Im Gegenteil:<br />

Bei dogmatischer Fixierung auf die Herzfrequenz wird schnell ein<br />

Gängelband erschaffen, welches nicht selten ein zielgerichtetes<br />

<strong>Ausdauertraining</strong> stark behin<strong>de</strong>rt.<br />

Die Intention dieses Buchs ist es vor allem, die Grenzen <strong>de</strong>r<br />

Aussagefähigkeit <strong>de</strong>s Maßstabs Herzfrequenz und die daraus resultieren<strong>de</strong>n<br />

Probleme in <strong>de</strong>r Trainingspraxis zu ver<strong>de</strong>utlichen. Es soll klar gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n, dass die HF kein Patentrezept zur Trainingssteuerung bietet, in<br />

<strong>de</strong>m sie in ihren vielen Facetten dargestellt und durchleuchtet wird.<br />

Dadurch soll die richtige Interpretation dieser biologischen<br />

Orientierungsgröße erleichtert wer<strong>de</strong>n, welche letztendlich ihre Tauglichkeit<br />

bestimmt.

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