Unser Pavillon - Andreas Mayer-Brennenstuhl
Unser Pavillon - Andreas Mayer-Brennenstuhl
Unser Pavillon - Andreas Mayer-Brennenstuhl
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„UNSER PAVILLON“ war ein Projekt der souveränen Selbstermächtigung<br />
im besetzten „Mittleren Schlossgarten“ in Stuttgart von März<br />
2011 bis Februar 2012, initiiert von Künstler_innen und Aktivist_<br />
innen an der Schnittstelle zwischen künstlerischer und gesellschaftlicher<br />
Praxis im Rahmen der kritischen Bürgerbewegung gegen das<br />
umstrittene Immobilien-Projekt S21.
„UNSER PAVILLON“<br />
Die Stadt Stuttgart beabsichtigte im Frühjahr 2011 einen „Öko-<br />
<strong>Pavillon</strong>“ im Bereich der unteren Königstraße aufzustellen „in dem<br />
Kinder und Jugendliche mit Architektur und Stadtplanung umgehen,<br />
zudem spielerisch Ideen für die S-21-Stadtviertel entwickeln<br />
sollen“ (StN 15.12.2010). Dieses Vorhaben ignorierte erneut<br />
die eigentlichen Forderungen der K21-Bewegung nach Entscheidungs-Offenheit<br />
der Bahnhofs-Planungen und echter Bürgerbeteiligung<br />
hinsichtlich der urbanen Entwicklung in Stuttgart. Statt<br />
Bürgerbeteiligung geht es wieder einmal um Sandkastenspiele<br />
und eine manipulative Herrschafts-Geste.<br />
Diesem ideologischen Konstrukt wollten wir ein Gegenmodell<br />
an die Seite zu stellen: ein mobiler Aktionsraum, der es ernst<br />
meint, wenn von Bürgerbeteiligung die Rede ist und in dem über<br />
mehr verhandelt wird als über bloße Geschmacksfragen. In diesem<br />
Aktionsraum sollte der Widerstand eine öffentliche Adresse<br />
bekommen. Als Ort der „Gegenmodelle“ ist er so etwas wie ein<br />
Transformator privater Visionen in gesellschaftlich kommunizierbare<br />
Bilder. Was bisher versäumt wurde, nämlich auf die Kraft<br />
der Bilder zu setzen, könnte hier nachgeholt werden. Es gilt,<br />
eine positive Idee davon zu vermitteln, was anders wäre, wenn<br />
engagierte Bürger nach ihren Vorstellungen von Stadt und Mobilität<br />
gefragt würden. Es geht letztlich um die Entfaltung eines<br />
Diskurses über das, was wir meinen, wenn wir uns eine „soziale“<br />
und gerade deshalb „zukunftstaugliche“ Stadt vorstellen.<br />
„UNSER PAVILLON“ war ein Ort des öffentlichen Diskurses an<br />
dem die Frage gestellt wurde, wer über öffentliche Güter verfügt:<br />
Ökonomische Machteliten und willfährige Partei-Politiker oder<br />
eine souveräne und kompetente Bürgerschaft? Wem gehört die<br />
Stadt, der öffentliche Verkehr, der Bahnhof, der Park, die Demokratie<br />
usw. Es sind unsere Stadt, unser Park, unser Bahnhof und<br />
unsere Demokratie , die in Stuttgart demontiert und beschädigt<br />
werden. <strong>Unser</strong>e Antwort auf den geplanten städtischen Pro-S21-<br />
<strong>Pavillon</strong> lautete daher: <strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>”<br />
“UNSER PAVILLON” ist mehr als eine mobile Info-Plattform. Das<br />
Projekt betreibt seine Arbeit im zwei Richtungen: Es ist gleichzeitig<br />
Ort der Information und der Wahrnehmung. Im Dialog werden<br />
Informationen weitergegeben und zugleich gesammelt, UNSER<br />
PAVILLON ist zugleich ein Instrument der Recherche und der<br />
Vernetzung. INPUT und OUTPUT ergänzen sich und sind die<br />
Ausgangs-Komponenten einer notwendigen TRANSFORMATI-<br />
ON.<br />
Die “Eingaben” von Bürgern und Bürgerinnen werden hier gespeichert,<br />
geordnet, weiterverarbeitet und archiviert. Dieser<br />
INPUT kann in Form von Ideen, Vorträgen, Texten , Bildern,<br />
Objekten, Performances usw. im <strong>Pavillon</strong> eingebracht werden.<br />
Alle interessierten Personen und Initiativen waren aufgerufen,<br />
sich hier aktiv einzubringen.<br />
Durch diesen dialogischen Prozess sollte im Laufe der Zeit<br />
der Inhalt des Projektes sich generieren.<br />
Konsequenterweise erschien UNSER PAVILLON bei seinem<br />
ersten Auftritt innen und außen leer, in einer ersten Performance<br />
wurde er dann “in Betrieb” genommen und mit<br />
ersten Inhalten gefüllt. Ein Archiv-System im Inneren des<br />
<strong>Pavillon</strong>s ermöglichte dann eine kontinuierliche “Aufladung”<br />
mit Informationen im Laufe der Zeit.<br />
Die Aufgabe dieses skulpturalen Gebildes bestand darin, die<br />
vielfach verstreuten Botschaften des Widerstands, die darin<br />
aufgespeicherten Phantasien zu sammeln, zu verdichten<br />
und als gebündelte Energie wieder abzugeben. Das Gestaltungselement<br />
der „Lamellen“ spielte dabei auf das Phänomen<br />
des „Wärmaustauschs“ an, der „Widerstandstransformator“<br />
verwandelt sozusagen problematische gesellschaftliche Energien<br />
in höherwertige Zustände. Die Thermik des Widerstandes<br />
regelt sich von selbst, gespeist von der Temperatur im<br />
Stuttgarter Kessel.
Die Gestaltungs-Idee des K21-<strong>Pavillon</strong>s ist inspiriert von der Skulptur<br />
„SCHICHTUNG 107- STUTTGARTER TOR“ des Künstlers Thomas Lenk<br />
aus dem Jahr 1977, die sich im Mittleren Schlossgarten befindet.<br />
Diese autonome Skulptur der Moderne wird in einer souveränen Geste<br />
durch einen dreidimensionalen Raum erweitert, in dem erstmalig die<br />
Gestaltungsideen der Stuttgarter Bürger einen zentralen Ort<br />
finden sollen. Die temporäre Platzierung des <strong>Pavillon</strong>s im Anschluss<br />
an die Skulptur ermöglicht den Besuchern den Eintritt in diesen neuen<br />
Handlungsraum direkt durch das „STUTTGARTER TOR“.<br />
In einer „Reinigungsaktion“, die gleich zu Beginn der Abeitsphase des<br />
PAVILLONS stattfindet, wird der mit Aufklebern aller Art malträtierten<br />
Lenk-Skulptur zugleich ihre Würde als autonomes Kunstwerk zurückgegeben.<br />
Das äußere Erscheinungsbild des <strong>Pavillon</strong>s verweist mit einem formalen<br />
Gestaltungselement, den “Lamellen”, auf Bilder der Energie-Speicherung<br />
und Umwandlung : „Akkumulator“ „Transformator“ „Generator“<br />
usw. Die „Lamellen“ des kubischen Grundraumes haben wie bei physikalisch-technischen<br />
Geräten die Funktion, die Oberfläche zu erweitern<br />
und dadurch Energie abzugeben. Sie können als Trägerflächen für Ideen<br />
und Materialien dienen, die in diesem „Gerät“ verhandelt werden.<br />
Das Gestaltungselement der „Lamellen“ spielt dabei auf das Phänomen<br />
des „Wärmaustauschs“ an, der „Widerstandstransformator“ verwandelt<br />
sozusagen problematische gesellschaftliche Energien in höherwertige<br />
Zustände. Die Thermik des Widerstandes regelt sich von selbst, gespeist<br />
von der Temperatur im Stuttgarter Kessel.<br />
Durch den beständigen Umformungsprozess wird der <strong>Pavillon</strong> nach und<br />
nach selbst mit Energie aufgeladen. Auch wenn ihre Tore geschlossen<br />
sind, wird die in ihr akkumulierte Energie in Form von Schrift, Bild und<br />
Ton jederzeit nach außen hin abstrahlen können. Und wenn gar nichts<br />
passiert, kann dies ein Zeichen dafür sein, dass man sich gerade um<br />
Besinnung bemüht.<br />
Die Einspeisung produktiver Phantasien oder ästhetischer Energien in<br />
den öffentlichen Diskurs kann dazu beitragen, den Begriff der „Unumkehrbarkeit“<br />
zu entzaubern und Umkehrungen aller Art zu denken.<br />
erste kollektive Überlegungen, skizziert auf einer Serviette,<br />
favorisieren eine mögliche Architektur in Anlehnung<br />
an das Schichtungsmotiv der Skulptur „Schichtung<br />
107- Stuttgarter Tor“ von Thomas Lenk<br />
(Skizze: Kurt Grunow, Yvonne P. Doderer, <strong>Andreas</strong><br />
<strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong>)
20. März 2011: subversive Aufstellung UNSERES PAVILLONS<br />
im Schutze der Dunkelheit im Schlossgarten Stuttgart
Um die subversive Aufstellung des PAVILLONS bei<br />
einem eventuellen Polizei-Einsatz zu tarnen, bediente<br />
sich das PAVILLON-Team eines Kunstgriffs:<br />
Ein Schreiben an das Ordnungsamt beantragte die<br />
Aufstellung einer CAMERA OBSCURA im Schlossgarten<br />
zum Zwecke einer photographischen „Langzeit-Belichtung“<br />
des Bahnhofs. Die Dimension der<br />
Camera Obscura wird in dem Anschreiben nicht<br />
erwähnt. Die am Tatort erschienene Polizei konnte<br />
durch das vorgelegte Schreiben tatsächlich überzeugt<br />
werden, es handle sich um eine legale Aktion,<br />
erst am Montagmorgen klärte sich die Sachlage<br />
mit dem Ordnungsamt auf - UNSER PAVILLON<br />
hatte seinen Bestimmungsort jedoch erreicht.
PRESSE- ECHO<br />
den ersten Kommentar mit sachlich<br />
falschen Fakten lieferte natürlich die<br />
BILD-Zeitung<br />
...und die Reaktionen auf facebook:<br />
Jagat Eberding ?...mir fehlen die Worte...(wahrscheinlich auch besser so)<br />
Tom Bock Erlebnispädagogik für schwer Vermittelbare. Früher hieß das KdF.<br />
Da war Ulrike Meinhof- jedenfalls in den Anfangszeiten ihres sozialen Engagements-<br />
mutiger. Die hat nicht nur Playmobil gespielt.....vor 10 Stunden<br />
Daniel Stozk Die Räumung wird vermutlich noch epochaler als ich sie mir<br />
bisher vorstellen konnte... Was die wohl noch alles aufstellen...vor 9 Stunden<br />
Stefan Gonzalez Die V-Männer vom BND haben wohl geschlafen bei der<br />
Aktion.....vor 9 Stunden<br />
Daniel Stozk Wir brauchen echt mal jemanden wie Batman in Stuttgart, der<br />
hier aufräumt...<br />
*BAM*<br />
*ZOK*<br />
*WWAMM*<br />
*KAPOW*<br />
*CRASH*<br />
... und schon ist die demokratische Grundordnung allerorten wiederhergestellt.......vor<br />
9 Stunden ..<br />
Mike Ernst ich hätte richtig lust, die bude mit ner axt zu „entfernen“. Aber<br />
lustig, wie gelangweilt der Bulle dem verzweifelten Typ zuhört. Hoffentlich<br />
steht das ding nicht lang..........vor 3 Stunden<br />
Bi Engel ich verklage nach der Wahl den Kretschmann oder wen auch immer...<br />
ich schwörs euch.vor 3 Stunden • 3 Personen gefällt das.
Die „STUTTGARTER ZEITUNG“<br />
verbreitete den Fake mit der<br />
„Camera Obscura“:<br />
... und die Reaktionen auf facebook:<br />
Alexander Hald Ist das komplett „rechtsfreier Raum“ im Schloßpark, dann muss<br />
ich da auch mal bisschen auf die Kacke hauen, was haltet Ihr von einem großen<br />
Lagerfeuer mit bisschen Bier usw..?<br />
Michael Flurus Das frag ich mich auch........komplett, absolut uneingeschränkt<br />
rechtsfrei. So kommts mir vor. Langsam hab ich echt ne Wut......werd noch zum<br />
Wutbürgervor 10 Stunden<br />
Daniel Stozk klingt nach nem job für das widerstandsbaumbeseitigungs/pavillonabrisskommando<br />
Alexander Steinwand Ist das jetzt ein Witz? Die stellen da einfach Container hin?<br />
Alexander Hald mein Bruder hatte mir das heute schon erzählt, das die da wohl bei<br />
Nacht und Nebel irgendwelche Container in den Schloßpark stellen, also wenn das<br />
nach der Wahl nicht alles „ruckzuck“ geräumt wird und wieder normaler Nutzung<br />
zugeführt wird, dann können wir da ja auch mal paar geile Lagerfeuer oder sonst<br />
was dort abhalten, schein ja nichts mehr zu passieren dort, ohne das es jemand<br />
juckt, soweit sind wir also schon in Stuttgart, echt geil....vor 10 Stunden<br />
Sebastian Heinel Ist doch gleich Alex. Wir wissen, dass da wo das steht einmal<br />
Teilbaugrrube 16 - 20 geöffnet wird und der Abrissbirne isses dann ziemlich egal<br />
ob da ein Tipi steht oder ein Sperrholzcontainer.<br />
Und selbst wenn sie den Burdsch Chalifa da nochm...al um 200 Meter übertreffen<br />
würden, der Tiefbahnhof kommt - unausweichlich. Für manche wird das zwar dann<br />
ein echter Sucker Punch, aber da kann nun wirklich keiner sagen, er hätte von nix<br />
gewusst - oder um mit gestern zu argumentieren: „Was baut ihr eure pseudoheile<br />
Welt auch auf eine Baugrube der Bahn. Nichts als Provokation. „Wer sich in ein<br />
Bienennest setzt, muss sich nicht wundern wenn die Bienen brummen!“ (Kirsten<br />
Schönenberger - Kein Stuttgart 21 zum Thema Infostand der IG)<br />
Stuttgart 21: Gegner haben eigenen <strong>Pavillon</strong> - Stuttgarter Zeitung<br />
Stuttgart 21<br />
Gegner haben eigenen <strong>Pavillon</strong><br />
Von dpa/lsw, aktualisiert am 23.03.2011 um 17:13<br />
Foto: dpa<br />
Stuttgart - Die Befürworter des Bahnvorhabens Stuttgart 21 scheiterten an einem eigenen<br />
Infopavillon für das Projekt - die Gegner haben jetzt ihre eigene Infozentrale im Stuttgarter<br />
Schlossgarten. Der <strong>Pavillon</strong> aus Holz soll nach Angaben der Initiatoren, einer<br />
Künstlergruppe, den rund 60 Widerstandsgruppen Möglichkeiten geben, ihre Materialien<br />
auszulegen oder Ausstellungen zu zeigen. Insbesondere sollen die Themen sanierter<br />
Kopfbahnhof 21 als Alternative zum den geplanten Tiefbahnhof, Bürgerbeteiligung und<br />
Demokratiebewegung in den Mittelpunkt gerückt werden, sagte Mitbegründer Harry Walter<br />
am Mittwoch.<br />
Das Gebäude mit 15 Quadratmeter Fläche sei beim Ordnungsamt als „Camera obscura“<br />
angemeldet. Ein Teil des <strong>Pavillon</strong>s ist als solche eingerichtet; Besucher können so im<br />
Innenraum eine auf dem Kopf stehende Ablichtung des Bahnhofsgebäudes sehen.<br />
PRESSE- ECHO<br />
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-gegner-habe…abbe316-ff61-49ea-a380-9c25d2638e94.presentation.print.html?img=1<br />
23.03.11 18:26<br />
Seite 1 von 1
PRESSE-ECHO<br />
Das „KUNSTFORUM“ hatte<br />
am besten recherchiert
21. März 2011: „UNSER PAVILLON“ öffnet seine Türen!
22. März 2011: STADTLABOR mit Hannes Rockenbauch<br />
Hannes Rockenbauch, Dipl. Architekt, SÖS-Stadtrat und ein<br />
engagierter Aktivist für K21 präsentierte sein „Interaktives<br />
Stadtlabor“. Die anwesenden Bürger konnten ihre Vorstellungen<br />
eines anderen Stuttgarts zu Papier bringen und<br />
direkt auf eine überdimensionale Luftaufnahme setzen, die<br />
direkt vor UNSEREM PAVILLON ausgelegt wurde.
23. März 2011: Winfried Wolf zu S21<br />
Winfried Wolf, engagierter S21-Gegner, Politikwissenschaftler<br />
und Mitglied bei der Gruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn.<br />
sprach vor zahlreichem Publikum vor „UNSEREM<br />
PAVILLON“ über die gesellschaftlichen, verkehrspolitischen<br />
und ökonomischen Hintergründe des Projekts Stuttgart 21
24. März 2011: Gesprächsrunde mit Fritz Mielert<br />
Gesprächsrunde mit Fritz Mielert von den Parkschützern<br />
über die bevorstehende Landtagswahl und wie es danach<br />
mit dem Widerstand weitergeht.
Video-Arbeit von Karin Rehm: Tauben picken S21 weg
26. März 2011: BUTTONWERKSTATT mit Judith Anke und<br />
Karin Rehm<br />
Jeder konnte seine eigenen Buttons zu den Thematiken rund<br />
um „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“ gestalten. Es standen Motive und Begriffe<br />
wie: Demokratie, Bahnhof, Schlossgarten, Fernsehturm, Bäume,<br />
Park, Stadt und eine Krone, neben Scheren und Stiften<br />
zur Verfügung.
27. März 2011: WAHLTAG ist ZAHLTAG<br />
Baden-Württemberg hat nach über 50 Jahren zum ersten mal<br />
die CDU-Regierung abgewählt. Ministerpräsident Mappus, der<br />
die Eskalation im Schlossgarten am „schwarzen Donnerstag zu<br />
verantworten hatte, muss seinen Hut nehmen. Bundeskanzlerin<br />
Merkel hatte die Landtagswahl im Vorfeld zur „Abstimmung<br />
über S21“ hochstilisiert, nach diesem Ergebnis konnte sie sich<br />
nicht mehr daran erinnern.
Die Chronik des Widerstandes gegen S21
28. März 2012: Aufstellung von INFO-SÄULEN<br />
Infosäulen mit interessanten Ideen zu einem renovierten<br />
„Kopfbahnhof K21“, erarbeitet von der Gruppierung „ArchitektInnen<br />
für K21“, werden bei UNSEREM PAVILLON aufgestellt<br />
und finden reges Interesse in der Bevölkerung. Vielen<br />
Menschen sind die Alternativen zu der Planung der Bahn,<br />
die mit immensem Werbeaufwand den Bürgern eingeredet<br />
werden, überhaupt nicht bekannt
Info-Plakate der „ArchitektInnen für K21“ an den Info-Säulen „UNSERES PAVILLONS mit Informationen zu<br />
einer sinnvollen und kostengünstigeren Alternative zu S21: Erneuerung und Ertüchtigung des bisherigen<br />
Kopfbahnhofes und stadtgerechte Planungen für die freiwerdenden Flächen. „There are always alternatives“
30. März 2011 Aktion „LENK-REINIGUNG“<br />
Das „Stuttgarter Tor / Schichtung 107“ des Bildhauers Thomas<br />
Lenk aus dem Jahre 1977 wird in einem rituellen Akt von wilden<br />
Plakatierungen befreit. Die behutsam geborgenen Reste<br />
wurden anschließend im <strong>Pavillon</strong> präsentiert.
vorher<br />
nachher
Reste der Beklebungen der LENK-<br />
Skulptur, collagiert von Maria Gracia<br />
Sacchiatelli
30. März 2011: „PICKNICK und RADIO“ mit Ralf Homann<br />
Der Künstler und Autor Ralf Homann aus München vermittelte<br />
in Anspielung an das berühmte Picknick, das an der ehemaligen<br />
Zonengrenze den Anfang vom Ende des „Eisernen Vorhanges“<br />
ankündigte über einen eigenen UKW-Sender seine<br />
„Picknickphilosophie“ an die Parkbesucher und ließ nebenher<br />
den Grill für sich arbeiten. Im besetzten Stuttgarter Schlossgarten<br />
geht es um mehr als um die Wurst.
2. April 2011: AKTION „SEEDBALLS“<br />
Frühlingserwachen im Park, „seed balls“ werden im <strong>Pavillon</strong><br />
vorbereitet, bereit zur Attacke noch brachliegender<br />
Flächen.<br />
„seed balls“ (engl. Samenbomben): Bestehend aus Tonerde,<br />
Kompost und einer Samenmischung (z.B. Wildblumen,<br />
Kräuter und Gemüse). Sie können in Beuteln oder<br />
Taschen mit herumgetragen werden und bei allen sich<br />
bietenden Gelegenheiten ausgebracht werden. Durch den<br />
Anteil an Erde und Lehm können die Samen lange Zeit<br />
überdauern und geeignete Umwelt- und Wetterbedingungen<br />
abwarten. Ist es feucht genug, keimen die Samen<br />
und der „Seedball“ platzt und bietet dem Keimling Wachstumsbedingungen.<br />
„Seedballs“ eignen sich hervorragend,<br />
um auch an unerreichbaren Stellen Pflanzensamen zu<br />
deponieren.
4. April 2011: DIE KUNST DES „OBEN BLEIBENS“<br />
Die Kunst des „OBEN BLEIBENS“ und einige akrobatische<br />
Übungen konnte unter fachkundiger Anleitung von David<br />
Stützel bei UNSEREM PAVILLON erlernt werden.<br />
Aller Anfang ist schwer.
8. April 2011: SOUP präsentiert „BRASILIEN“<br />
Das Begleitbüro SOUP (Stuttgarter Observatorium Urbaner<br />
Phänomene), mit dem einige der am Projekt „UNSER PA-<br />
VILLON“ beteiligten Künstler verbunden sind, stellt seine<br />
Arbeit mit Bildern, Filmen vor. Das Projekt „BRASILIEN“<br />
thematisierte einen „Schein-Bahnhof“ , der im 2. Weltkrieg<br />
den Stuttgarter Hauptbahnhof auf freiem Feld bei Lauffen<br />
am Neckar imitierte und so Stuttgart einige Bombenangriffe<br />
ersparte.
Sigrid Klausmann-Sittler und Hermann Abmayr sind Dokumentarfilmer,<br />
Hermann G.Abmayr ist der Regisseur des Films<br />
„Stuttgart steht auf“. Es entwickelt sich ein lebendiger Gedankenaustausch<br />
über Bedingungen und Möglichkeiten des Dokumentarfilms,<br />
über die Bürgerbewegung in Stuttgart, was sie<br />
ist und erreicht hat und was vielleicht noch werden kann.<br />
12. April 2011: Gespräch zwischen den Filmemachern Sigrid<br />
Klausmann-Sittler und Hermann Abmayr
13. April 2011: RÜCKBAU der „PARKBEFRIEDUNG“<br />
Die „Parkbefriedung“, einem weiteren Projekt der PAVIL-<br />
LON-Initiatoren <strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong>, Harry Walter<br />
und Karin Rehm, wird abgebaut. Die PARKBEFRIEDUNG hat<br />
seit November 2010 mit einem Wall aus Bildelementen des<br />
Brandenburger Tores die Zeltstadt im Park vor neugierigen<br />
Blicken und nächtlichen Angriffen aggressiver Pro´ler geschützt.<br />
Nach der Landtagswahl hatte das Aktionsbündnis die<br />
„Rückgabe“ des besetzten Parks beschlossen und die Parkbesetzer<br />
veranlasst, den Park zu räumen. Daraufhin wurde<br />
zunächst der „Schutzwall“ abgebaut. Die Zeltbewohner haben<br />
sich aber dann mehrheitlich entgegen dem Beschluss<br />
des Aktionsbündnisses entschieden, im Park zu bleiben und<br />
mit Restücken des Walls diesen sofort wieder neu errichtet.<br />
Basisdemokratisch.<br />
Die abgebauten Bildelemente wurden vorübergehend an der<br />
LENK-Skulptur „Schichtung 107“ befestigt und korrespondierten<br />
mit deren Schichtung. Genau 107 Teile. Zufall?
PRESSE-REAKTIONEN
„PARKBEFRIEDUNG“ Eine winterliche Schutzaktion von<br />
<strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong> (supported by SOUP)<br />
Das Camp im Mittleren Schlossgarten wird von manchen Bürgern als<br />
„Schandfleck“ betrachtet, durch den die Stadt einen nachhaltigen Imageschaden<br />
erleide. Andere halten es für eine öffentliche Manifestation derer,<br />
die sich ansonsten unsichtbar in die Büsche schlagen: der Obdachlosen.<br />
Wiederum andere erkennen darin einen notwendigen Vorposten des Bürgerprotests<br />
in postdemokratischen Zeiten.<br />
Wir erkennen darin die einzigartige Chance, auf etwas aufmerksam zu<br />
machen, was ohne dieses Zeltlager vielleicht gar nicht mehr nachweisbar<br />
wäre: die Kraft, es in dieser Stadt auch dann noch auszuhalten, wenn alles<br />
verloren zu sein scheint.<br />
Damit diese mutige Architektur nicht den klimatischen und politischen Witterungsverhältnissen<br />
zum Opfer fällt, möchten wir in Form einer kulissenartigen<br />
Schutzarchitektur dazu beitragen, die Lage zu entspannen.<br />
Die Elemente dieser Schutzarchitektur gehen zurück auf die Bauplanen, die<br />
während der Renovierung des Brandenburger Tores in Berlin vor dem Baugerüst<br />
hingen und auf denen dieses unschlagbare Symbol sowohl der deutschen<br />
Teilung wie auch der Wiedervereinigung in Originalgröße fotografisch<br />
abgebildet war. Einzelne Fragmente dieser nun rechteckig aufgespannten<br />
Planen fungieren seither als Versatzstücke von Interimsarchitekturen, die<br />
allesamt die Frage stellen: Was unterscheidet eine Scheinarchitektur von<br />
einer wirklichen Architektur? Die Stuttgarter Verhältnisse erlauben uns,<br />
diese Frage weiter zu präzisieren.<br />
Das gehasste, das geliebte oder auch nur geduldete Camp ist ein architektonisches<br />
Provisorium, das einerseits pragmatischen Erfordernissen<br />
genügen musste, andererseits aber auch eine konkrete politische Botschaft<br />
enthält.<br />
Die Bewohner dieses selbsterrichteten Lagers mögen aus verschiedenen<br />
Motiven hier zusammengefunden haben: es ist jedoch unübersehbar, dass<br />
sie einen Grund dafür haben, genau dort zu sein, wo bald ein gigantisches<br />
Loch sein soll.
Wir sprechen hier von einer Notbesiedlung, die sich auf einen wirklichen<br />
Fall von demokratischem Notstand berufen kann. Die Existenz<br />
dieses Camps beweist, dass irgendetwas anderes schief gelaufen ist.<br />
Dieses Andere kann nicht nur ein Kommunikationsproblem gewesen<br />
sein.<br />
<strong>Unser</strong>e in Kooperation mit den Zeltbewohnern errichtete Umfriedung<br />
verfolgt einen doppelten Zweck: Sie soll die Zeltinsassen einerseits vor<br />
dem eisigem Wind wie auch vor den feindlichen Blicken mancher Parkbesucher<br />
schützen, andererseits aber auch dieselben Parkbesucher vor<br />
dem Anblick dieses „unheilvollen“ Stücks Anarchie.<br />
Wir verstehen diese Intervention als einen Akt der Parkbefriedung und<br />
gleichzeitig als den möglichen Beginn einer ästhetische Offensive, deren<br />
Ziel es sein könnte, die städtebauliche Zukunft Stuttgarts nicht allein<br />
den Architekten und Stadtplanern zu überlassen, sondern auch jene<br />
Kräfte einzubinden, die bislang noch keinen stabilen Ort in dieser Gesellschaft<br />
gefunden haben und dies – aus welchen Gründen auch immer<br />
- vielleicht auch gar nicht wollen.<br />
Das Zeltlager bildet unserer Auffassung nach den städtebaulichen Gegenpol<br />
zu den offiziellen Planungen der Stadt. Gelingt es, diesen Ort<br />
genau so ernst zu nehmen wie das, was mit Stuttgart 21 gemeint ist,<br />
wäre gesellschaftlicher Fortschritt die natürliche Folge.<br />
Die Parkbefriedung soll das Camp nicht aus der öffentlichen Wahrnehmung<br />
stanzen, sondern – im Gegenteil - die in ihm angelegten<br />
Qualitäten nach innen und nach außen hin fortsetzen. Anders als der<br />
Bauzaun sollte dieses in seiner Art einzigartige Basislager nicht ins<br />
Museum wandern, sondern nach allen Seiten hin großzügig fortgesetzt<br />
werden. Von möglichst vielen. Die neue Lust an der Bürgerbeteiligung<br />
hätte dann so etwas wie eine erste Adresse.<br />
Eine partizipative Installation konzipiert von AMB supported by SOUP<br />
Harry Walter
15. April 2011: GESPRÄCH mit KLAUS GEBHARD<br />
Klaus Gebhard, der Gründer der Parkschützer, erklärt noch<br />
einmal ausführlich, warum Stuttgart 21 in allen Punkten ein<br />
Auslaufmodell ist.
20. April 2011: ORAL HISTORY mit Beate Ehrmann<br />
Beate Ehrmann und Gäste erzählen sich im Rahmen des neu<br />
gestarteten Projekts „Oral history“ Bahnhofsgeschichten,<br />
die weit über Stuttgart und seinen Bahnhof hinauszielen.<br />
Die Oral - history Reihe will zeigen, dass der Stuttgarter<br />
Hauptbahnhof nicht bloß eine Gebäudehülle zum Abreißen<br />
und Abreisen bedeutet, sondern eine Welt voller Geschichten,<br />
voll mit Bildern, Tönen, Gerüchen, Träumen und<br />
Sehnsüchten. In UNSEREM PAVILLON im Park kommen wir<br />
erzählend ins Reisen und streifen so auch andere Orte und<br />
Zeiten. Mitmachen können alle, die Lust auf Geschichten,<br />
Mut zum Erzählen und Muse zum Zuhören haben. Zu jeder<br />
Veranstaltung ist ein spezieller Gast eingeladen seine<br />
Bahnhofsgeschichten zu erzählen. Insbesondere sammeln<br />
wir Geschichten rund um den Stuttgarter Hauptbahnhof aus<br />
allen Zeiten, deshalb kann, wer nicht selbst erzählen will,<br />
seine Erlebnisse aufgeschrieben abgeben, sie werden in der<br />
Erzahl-Runde von der Moderatorin Beate Ehrmann vorgelesen..
18.- 20. April 2011: „CAMERA OBSCURA“ mit Volkmar Herre<br />
Der Stralsunder Fotokünstler Volkmar Herre (Bildmitte)<br />
führt sein Publikum in die letzten Geheimnisse der Camera<br />
obscura ein und und fertigt nebenbei ein definitives Bild des<br />
auf dem Kopf stehenden Bahnhofsturms an.
unten<br />
oben
22. April 2011: KARFREITAGS-KONZERT<br />
Die Geigerinnen Angela Pastor und Margarita Haußmann,<br />
der Schauspieler Lino Ciriello und David Stützel mit der<br />
singenden Säge aus der <strong>Pavillon</strong>istengruppe laden zusammen<br />
mit anderen Musikerkolleginnen: Meike Brandenbusch,<br />
Connie Knapp und Regine Friederich zu einer gemeinsamen<br />
Karsamstag-Feier zur Osternacht unter dem Motto „Vom<br />
Dunkel ins Licht“ ein.<br />
Das „Stuttgarter Tor“, die schwarze Stahlplastik von Thomas<br />
Lenk, wird dabei kurzerhand zur Bühne umfunktioniert.
Karfreitag,
23. April 2011: SOLIDARITÄT mit FUKOSHIMA<br />
Unter fachkundiger Anleitung von Tomoko Arai falten Gäste<br />
„UNSERES PAVILLONS“ aus aktuellem Anlass Kraniche, um<br />
Japan nach der Tsunami- und Reaktorkatastrophe in Fukoshima<br />
symbolisch beizustehen. David Stützel begleitete dazu<br />
auf der „singenden Säge“
28. April: „Staatsbesuch“ an UNSEREM PAVILLON<br />
Folgende Geschichte soll sich so im Park zugetragen haben:<br />
Ein waschechter Indianer, der z.Z. durch Europa tourt um in<br />
Schulen seine Indianer-Kultur vorzustellen,hört von „TIPIS“,<br />
die angeblich im Schlossgarten stehen sollen. Neugierig geworden,<br />
begibt er sich dorthin und ist begeistert, von dem<br />
was er dort antrifft.<br />
Mehrere Stunden ist er Gast in „UNSEREM PAVILLON“ und<br />
hält flammende Reden über den Wert der Bäume und die<br />
Werte seiner Kultur. Die Parkbewohner sind ein dankbares<br />
Publikum. Zum Beweis, dass diese Geschichte nicht erfunden<br />
ist, anbei Beweisphotos:
3. Mai 2011: „OMNIBUS FÜR DIREKTE DEMOKRATIE“<br />
macht Station an „UNSEREM PAVILLON“<br />
Zwei Schönheiten in strahlendem Weiß trafen<br />
sich heute um 11 Uhr im Stuttgarter Schlossgarten:<br />
Der „OMNIBUS FÜR DIREKTE DEMOKRATIE“<br />
macht Station an „UNSEREM PAVILLON“. Von hier<br />
aus startet die Aktion „MEHRHEIT ENTSCHEIDET“.<br />
Der Omnibus wird auf seiner Tour durch Ba-Wü<br />
Postkarten verteilen, die die Bürgerinnen und Bürger<br />
an die Landtagsabgeordneten schicken können<br />
um den Super-Gau der Demokratie zu verhindern.
„WAS KÖNNTE DEMOKRATIE SEIN?“
April /Mai : Ausstellung im PAVILLON zu den Themen<br />
Bahnhof, Demokratie und Fortschritt
26. April 2011: DEMOKRATIE - SEMINAR<br />
mit Thomas Renkenberger<br />
Thomas Renkenberger führte mit einem Überblick über die<br />
geschichtliche Entwicklung des Demokratie-Gedankens in das<br />
Thema der kommenden zwei Wochen ein:“mehr Demokratie“!<br />
Der Vortrag und die anschließende Diskussion mit dem Publikum,<br />
das sich vor dem <strong>Pavillon</strong> versammelt hatte, zeigte die<br />
notwendige Entwicklung hin zu mehr Bürgerbeteiligung auf:<br />
Renkenberger betonte dabei, dass die Demokratie der Zukunft<br />
nur eine Demokratie von unten sein kann, bei der die Bürger<br />
ihrem neu erwachten demokratischen Selbstbewusstsein Ausdruck<br />
geben können. Die Diskussionen um S21 haben in Stuttgart<br />
das Demokratie-Bewusstsein neu erstarken lassen, auch<br />
die aktuellen Versuche der Parteien, insbesondere der SPD,<br />
dieses Selbstbewusstsein zu umgehen und für ihre Zwecke zu<br />
instrumentalisieren, wird nicht von Dauer sein. Die demokratische<br />
Entwicklung ist nicht aufzuhalten,Thomas Renkenberger<br />
ermutigte die Zuhörer, weiter an dieser Entwicklung zu arbeiten.
30. April 2011: AUKTION der „PARKBEFRIEDUNG“<br />
mit Walter Sittler und Petra Bewer<br />
Mit Charme und Esprit überzeugte Petra Bewer und der<br />
Schauspieler Walter Sittler die zahlreich zur Versteigerung der<br />
Bildelemente der „Parkbefriedung“ gekommenen Zuschauer,<br />
sich aktiv an der Auktion zu beteiligen.<br />
Die Motive des Brandenburger Tors umfriedeten seit nunmehr<br />
einem Vierteljahr die zentrale „Zeltstadt“ im Mittleren Schlossgarten<br />
und markierten einen Rückzugsort für die Zeltbewohner.<br />
Dem Wunsch der Parkschützer folgend, dort nun neuen<br />
Rasen auszusäen, wurde die einstige Schutzarchitektur vor<br />
zwei Wochen rückgebaut. Mit dem Erlös wird der Rechtshilfe-<br />
Fonds der Parkschützer unterstützt.
5. Mai 2011: „SOLARENERGIE“ an UNSEREM PAVILLON<br />
Der Solarenergieberater und Mentor für Bürgerengagement<br />
Karl Braig, präsentiert den Parkbesuchern sein melonengelbes<br />
Elektroauto, dessen Batterie an jeder haushaltsüblichen Steckdose<br />
mit Strom aus regenerativer Energie aufgeladen werden<br />
kann. Für die Besucher des <strong>Pavillon</strong>s bereitet er - mit freundlicher<br />
Unterstützung von Sabine Leitz - auf einem Parabol-<br />
Solarkocher Gemüsesuppe zu und räumt mit den Lügen der<br />
Atomlobbyisten zu erneuerbaren Energien auf, die über die<br />
Medien verbreitet werden.
12. Mai 2011: „URBAN PLANNING 2.0“ mit Wolfgang Menauer<br />
Wolfgang Menauer hielt heute seinen Vortrag „Planung als<br />
interaktiver Prozess urbaner Entwicklung“ im <strong>Pavillon</strong>. Er<br />
sprach über Planungskonzepte die es ermöglichen die Bürger<br />
nicht nur zum Schein zu beteiligen!<br />
e-Partizipation, e-Bürgerdienste und Beteiligungsserver finden<br />
sich im Netz zuhauf. In der bisherigen Stadtentwicklung<br />
dienen sie lediglich der Bereitstellung von Ausschreibungstexten,<br />
Formularen oder Plänen. Meist dreht es sich aber nur<br />
darum, die Planung der Öffentlichkeit bekannt zu machen<br />
und den Bürger über den aktuellen Stand zu informieren<br />
– der Pflicht Genüge zu tun.<br />
Wie wäre es stattdessen, die Bürger zu begeistern? Zu zeigen,<br />
dass sie gefragt sind. Mit ihren Ideen und ihrer Mitarbeit<br />
– für eine lebendige, bürgernahe Stadt! Möglichkeiten<br />
schaffen, gemeinschaftlich zu planen – Stadtplaner mit Bürgern<br />
- für Bürger. Davon profitieren alle – und die Stadt in<br />
der wir leben. Das Knowhow Vieler nutzen, genauso wie die<br />
Kompetenz Einzelner - durch offene, andauernde und aktive<br />
Beteiligung – von Anfang an.
13. Mai 2011: „DIE ÖKONOMISIERTE STADT“<br />
Vortrag und Diskussion mit Prof. Y. P. Doderer<br />
Prof. Yvonne P. Doderer, freie Architektin, Stadtforscherin und<br />
Betreiberin des „Büro für transdisziplinäre Forschung und Kulturproduktion“<br />
in Stuttgart, thematisierte heute im PAVILLON<br />
die „Ökonomisierung von Stadt”. Anhand breit recherchierter<br />
Fakten zeigte sie dabei auf, wie Modernisierungs- und Zukunftsversprechen<br />
seitens der Projektbetreiber und potentiellen<br />
Investoren im Rahmen von Stadtplanungsprozessen<br />
auf stadtpolitische und ökonomische Realitäten treffen, die<br />
eine ganz andere Sprache sprechen. Anstelle einer demokratischen<br />
und am Gemeinwohl orientierten Stadtpolitik tritt die<br />
Ökonomisierung von Stadtgesellschaft und Stadtentwicklung<br />
als Folge einer Politik, die derzeit auch in Stuttgart im Zusammenhang<br />
mit dem Projekt S21 zum Tragen kommt. Deutlich<br />
wurde dabei, dass dieses Projekt nicht ein Bahn- sondern ein<br />
Stadtentwicklungsprojekt ist, das primär von derartigen ökonomisch<br />
orientierten Perspektiven geprägt ist. Die mit dem<br />
Bau des neuen Stadtviertels versprochen “Visionen für die<br />
Zukunft” sind daher kritisch zu hinterfragen, Alternativen sind<br />
aufzuzeigen. In der folgenden Diskussion wurde auch deutlich,<br />
dass hier akuter Handlungsbedarf für die Widerstandsbewegung<br />
besteht, will man verhindern, dass hier Investoren-Interessen<br />
und ökonomischen Präferenzem die städtbaulichen<br />
Chancen auf eine demokratische und partizipatorische Stadtentwicklung<br />
auf Dauer unmöglich machen.
RECHT AUF STADT?<br />
Prof. Yvonne P.Doderer<br />
Stadt ist nicht nur als gebauter, sondern vor allem als ein gesellschaftlicher<br />
Raum zu verstehen. Denn in urbanen Räumen treffen Kapitalinteressen<br />
auf subjektive und kollektive Bedürfnisse, Zugänglichkeit auf<br />
Ausschluss, Gebrauchswert auf Tauschwert.<br />
Hier formieren sich unterschiedliche Identitäten, widerständige soziale<br />
Bewegungen und Gruppierungen, hier veräußert sich das ganze Konfliktpotential<br />
gesellschaftlicher Auseinandersetzungen um Anerkennung von<br />
Gleichheit wie um Differenz und Vielfalt. Stadt ist damit ein Raum, in dem<br />
verschiedene Aushandlungsprozesse um Definitions- und Handlungsmacht<br />
geführt werden: Wer definiert das Bild einer Stadt und vor allem<br />
deren zukünftige Entwicklung? Wer spricht und wer wird gehört? Solche<br />
Fragen können nicht getrennt von Entscheidungs- und Handlungsmacht<br />
gestellt werden, denn deren Durchsetzung entscheidet nicht nur über die<br />
gebauten Strukturen selbst, sondern beeinflusst gleichermaßen das städtische<br />
Alltags- und Zusammenleben. Die Raumfrage ist deshalb immer<br />
auch eine Machtfrage.<br />
Urbane Aufrüstung<br />
Seit etlichen Jahren lassen sich rund um den Globus Kapitalinvestitionen<br />
in Grund und Boden, in Immobilien und sogar in den Bau ganzer Städte<br />
in den tatsächlichen oder projektierten Wachstumszonen beobachten<br />
– von Europa, Russland, den USA, Nordafrika über die Arabischen Emirate,<br />
China, Indien, Malaysia, Indonesien bis hin neuerdings zu Vietnam<br />
oder Kambodscha. Die damit verbundene urbane und infrastrukturelle<br />
Aufrüstung erfolgt im Zuge eines entgrenzten Kapitalismus und unter<br />
dem Vorzeichen einer – wie es der US-Geograph David Harvey formuliert<br />
hat – „Akkumulation durch Enteignung“.<br />
Eine solche Politik der Ökonomisierung von Raum bzw. Stadt ist nicht<br />
neu. Neu ist hingegen nicht nur das finanzielle Ausmaß, die Dimension<br />
und Reichweite dieser Kapitalinvestitionen, sondern deren Ignoranz und<br />
Rücksichtslosigkeit gegenüber vielen Stadtbewohner_Innen und deren<br />
Recht auf die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse, auf urbane Gebrauchswerte<br />
und auf Demokratie in Form von Transparenz und politischer Partizipation<br />
an Planungsentscheidungen. Ganze Stadtviertel werden zerstört,<br />
Bewohner_Innen werden verdrängt oder gar mit Bulldozern und Polizei<br />
vertrieben, um Platz zu schaffen für neue Büro- und Dienstleistungskomplexe,<br />
Infrastrukturprojekte, Shopping-Malls, hochpreisigen Wohnraum,<br />
aber auch Kultureinrichtungen der High Culture wie Museen oder Opernhäuser.<br />
Finanzkrisen und Einbrüche auf den Kapitalmärkten scheinen diesem<br />
Boom keinen Abbruch zu tun – eher ist das Gegenteil der Fall, denn<br />
Immobilien gelten immer noch als eine gute und sichere Kapitalanlage.<br />
Städtische Widerstandsbewegungen<br />
Doch diese Investitionen treffen auf Widerstand, wie beispielsweise die<br />
Reaktionen auf „Stuttgart 21“, einem Bahnverkehrs- und Immobilienprojekt<br />
um den Stuttgarter Hauptbahnhof deutlich zeigen. Diese städtischen<br />
Widerstandsbewegungen gegen Großprojekte, gegen eine Stadt- und<br />
Standortpolitik, die Stadt als Konzern und urbane Räume als Ware versteht,<br />
lassen sich unter dem Begriff „Recht auf Stadt“ zusammenfassen<br />
- den der Raumphilosoph Henri Lefebvre bereits 1968 unter dem Eindruck<br />
des Pariser Mais geprägt und in seiner gleichnamigen Publikation<br />
„Le Droit à la Ville“ ausgeführt hat. In vielen Ländern, auch in Deutschland,<br />
haben sich inzwischen viele Initiativen, NGOs und Netzwerke unter<br />
diesem Label organisiert. In Hamburg zum Beispiel haben sich etliche<br />
Gruppen, Vereine und Einzelpersonen zusammen geschlossen, um gegen<br />
die „Marke“ Hamburg und den Abriss bestehender Stadtstrukturen, gegen<br />
steigende Mietpreise, Aufwertungspolitik und Disneyfizierung ihrer<br />
Stadtviertel zu protestieren.<br />
Stadt als Ressource<br />
In Lefebvres viel zitierter Feststellung „... das Recht auf Stadt ist wie<br />
ein Schrei und ein Verlangen ...“ spiegeln sich zwei Richtungen dieser<br />
Bewegung „Recht auf Stadt“ wieder. Für die Einen geht es zuerst einmal<br />
um die Erfüllung existenzieller Bedürfnisse wie Wohnraum, Zugang zu<br />
überlebensnotwendigen Ressourcen, wie Wasser und zu Infrastrukturen<br />
wie Abfall- und Abwasserentsorgung oder Straßen und Nahverkehrsmittel.<br />
Für die Anderen ist diese Forderung Ausdruck ihrer Sehnsucht nach<br />
einer Stadt, die genau das ermöglicht und fördert, was das Leben in der<br />
Stadt und städtische Kultur ausmacht, nämlich bauliche, soziale und kulturelle<br />
Heterogenität sowie Ermöglichung produktiver Differenz anstelle<br />
von sozialer und sozialräumlicher Spaltung. Auch wenn die Auseinandersetzungen<br />
um ein Recht auf Stadt in der Bundesrepublik Deutschland<br />
auf einem vergleichsweise (noch) recht komfortablen Ausgangsniveau<br />
geführt werden, müsste inzwischen deutlich geworden sein, dass auch<br />
die Stadt eine wertvolle Ressource darstellt, deren rein profitorientierte<br />
Verwertung längerfristig nicht ohne Folgen für die Gesellschaft als Ganzes<br />
und für das Zusammenleben in den Städten bleibt. In Anbetracht der<br />
Tatsache, dass immer mehr Menschen in Städten leben, ist eine vernünftige,<br />
nachhaltige, soziale und in Hinblick auf Differenzen wie Klasse,<br />
Geschlecht und Ethnizität ausgleichende Stadtentwicklung ein mehr als<br />
notwendiges Gebot.<br />
Prof_In. Dr_In. Yvonne P. Doderer ist freie Architektin/Stadtforscherin, betreibt<br />
das „Büro für transdisziplinäre Forschung & Kulturproduktion“ in Stuttgart und ist<br />
Professor_In für Cultural Studies an der FH Düsseldorf. (Beitrag entnommen Veöffentlichungsblatt<br />
des Goethe-Institutes)
„DAS WESENTLICHE IST UNSICHTBAR“<br />
„UNSER PAVILLON“ lebt aus der Begegnung und dem Gespräch zwischen<br />
Menschen. Einige Aktivist_innen aus der Widerstandsbewegung<br />
gegen S21 haben spontan diese zentrale Aufgabe übernommen und<br />
während der gesamten Dauer des Projektes kontinuierlich durchgeführt.<br />
Insbesondere Sabine Leitz hat mit fast täglicher Anwesenheit am<br />
PAVILLON das „Herzstück“ des Projektes gelebt.<br />
Der Geist des Dialoges und der Offenheit konnte sich so in UNSEREM<br />
PAVILLON entfalten und einen Beitrag leisten zur Entwicklung einer<br />
notwendigen Kultur des Dialoges in der Auseinandersetzung um eine<br />
bessere Zukunft der Stadt Stuttgart.<br />
Photographische Abbildungen geben das Wesentliche dieser Arbeit<br />
nicht wieder, daher gibt es keine Abbildung dazu auf dieser Seite.
„UNSER PARK!“
14./15. Mai 2011: „SOLAR-ENERGIE“ mit Friedrich Kübler<br />
Frieder Kübler hat für UNSEREN PAVILLON die Energieversorgung<br />
ausgetüftelt, heute stellt er sie der interessierten<br />
Öffentlichkeit vor. Im <strong>Pavillon</strong> wird der Strom mit einer Mischung<br />
aus Solarzellen auf dem Dach, einem Flüster-Stromgenerator<br />
erzeugt und mit einem Akku und einem speziell<br />
entwickelten Wechselrichter gespeichert. Das Design, die<br />
Funktionsweise, die Komponenten wurden erklärt und am<br />
Beispiel der Beleuchtung bzw. durch das Laden des Akkus<br />
eines Elektrofahrrades demonstriert.<br />
Das Highlight der Vorstellung war eine Solaranlage (300Wp -<br />
550Wp) die direkt an eine X-beliebige Steckdose im Haus, in<br />
der Wohnung, auf dem Balkon, in der Garage angeschlossen<br />
werden kann. Man kann mit einer kleinen Anlage anfangen<br />
und später Problemlos weiter ausbauen. Die Anlage reduziert<br />
den Strombezug, der Zähler läuft langsamer um den<br />
Stromertrag der von der Solaranlage erzeugt wird.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt der Vorstellung war ein Windrad<br />
mit Sonderflügel, das leiser ist als der Wind selber, somit ist<br />
dieses überall aufstellbar.
21. Mai 2011: „UNSER PAVILLON schläft“<br />
Derzeit ist „UNSER PAVILLON“ im Schlossgarten Innen und<br />
Außen eingesponnen in einen durchsichtigen Kokon, er<br />
scheint zu schlafen. Im Inneren eine verträumte Installation:<br />
Auf einem Video-Bildschirm, versteckt hinter durchsichtigem<br />
Gaze-Stoff läuft ein Loop, zu sehen sind S21-Gegner<br />
und Gegnerinnen, die zu Walzerklängen tanzen, nachdem<br />
bekannt wurde, dass Hany Azer, der Chefplaner von S21<br />
zurückgetreten ist, daneben erstrahlt ein historisches<br />
Bahnhofsmodell in sanftem Licht. Durchatmen und weiterkämpfen.
22. Mai-26. Juni 2011: Ausstellung „ZIVILCOURAGE“<br />
Zivilcourage zu üben und Verantwortung für das Zusammenleben<br />
in unserer Stadt zu übernehmen, sind wichtige Themen, die die<br />
Besucher in UNSEREM PAVILLON bewegt. Wie kann man friedfertig<br />
bleiben, auch in Situationen, in denen man provoziert wird oder<br />
zeuge wird von Gewalt? Gerade die Ereignisse am 30. September,<br />
aber auch die permanente Drohung der Parkräumung und mögliche<br />
Strategien gewaltfreien Widerstandes hat viele Menschen in Stuttgart<br />
für dieses Thema sensibilisiert<br />
Die „Albers-Stiftung“ beschäftigt sich mit wissenschaftlichen Untersuchungen<br />
zu menschlichem Verhalten und erarbeitete daraus<br />
Schaubilder und Videos, d ie diesen Themenkomplex anschaulich<br />
vermitteln. Die Stiftung, die dankenswerterweise mit großzügiger<br />
Unterstützung den Bau UNSERES PAVILLONS ermöglicht hat, regte<br />
mit ihrem Beitrag zahlreiche Besucher zum nachdenken und diskutieren<br />
an.
25. Mai 2011: „ORAL HISTORY“ mit Peter Conradi<br />
Warum fragt sich die ganze Welt, was eigentlich mit den<br />
Stuttgartern los ist Der seit langem in Stuttgart engagierte<br />
Architekt Peter Conradi hatte einiges dazu zu<br />
erzählen:<br />
Sehr unterhaltsam schlug er den Bogen vom Trümmerbähnle<br />
1947 über den Sonderzug des Bundeskanzlers<br />
auf Gleis 1 und einer Attentatsdrohung in den 1970er<br />
Jahren bis zur schönsten deutschen Stadteinfahrt in den<br />
heutigen Kopfbahnhof als „Tor zur Welt“ in dem jeder<br />
Stuttgarter mindesten einmal in seinem Leben war. Die<br />
„Conradi“-Hochhäuser der Eisenbahner regten zu einem<br />
interessanten Ausflug in die Geschichte des Galgenbuckels<br />
an. Die Erzählrunde endete mit den uns unter<br />
den Nägeln brennenden Fragen - Leistungsfähigkeit des<br />
Bahnhofs, Stresstest, direkte versus repräsentative Demokratie<br />
und das verfassungsmäßige Recht der Städte<br />
auf Selbstverwaltung: Wer also darf über den Stuttgarter<br />
Bahnhof abstimmen?
11.Juni 2011: „OFFENES FORUM“ mit Henning Zierock<br />
Der Aktivist Henning Zierock von „Kultur des Friedens“ stieß<br />
auf zahlreiche diskutierende Gäste vor UNSEREM PAVILLON<br />
und beschloss spontan sein „Offenes Forum“ hier aufzubauen.<br />
Die Volksabstimmung, Strategien des Widerstands, neueste<br />
Informationen aus der Politik und der Wunsch nach Fortbestehen<br />
von UNSEREM PAVILLON bis zum Ende des Kampfes<br />
gegen S21 waren Themen, die hier angesprochen wurden.<br />
Der Widerstand wäre gescheitert, wenn bei einer Volksbefragung<br />
die Mehrheit der Stuttgarter Bürger sich für S21<br />
aussprechen würden, trotz aller guten Argumente dagegen,<br />
wurde geäußert und die Idee bekräftigt, dass wir unsere<br />
Energien und klare Strategien erarbeiten sollten was die im<br />
Herbst kommende Volksabstimmung angeht. Eine landesweite<br />
Abstimmung über die Neubaustrecke „Stuttgart-Ulm“<br />
wurde zwar als sinnvoll erachtet, der Bahnhof ist jedoch kein<br />
landesweites, sondern ein städtisches Thema. Klar war auch,<br />
dass eine Volksabsstimmung gegen S21 mit allerhöchster<br />
Wahrscheinlichkeit am viel zu hoch angesetzten Quorum<br />
scheitern wird.
16. Juni 2011: „BAUMFÜHRUNG“ mit Bruno Baumann<br />
Bruno Baumann ist der absolute Experte, was den<br />
Baumbestand im Mittleren Schlossgarten betrifft. Seine<br />
Führungen machen den Zuhörern klar, welch botanische<br />
Besonderheiten es hier zu bestaunen gibt und was für<br />
ein komplexes Ökosystem hier im Park lebt. Seltene<br />
Tier-und Pflanzenarten haben hier ein Refugium gefunden<br />
als grüne Oase inmitten der Stadt- nun sind sie<br />
massiv bedroht!
23. Juni 2011: „STUTTGART 21 IST ÜBERALL!“<br />
Die Gruppe „Stuttgart international - Stuttgart 21 ist überall“<br />
stellt sich mit der Illustration anderer europäischer<br />
Bahn-Großbauprojekten am und in UNSEREM PAVILLON der<br />
Öffentlichkeit vor.<br />
Im Suza-Tal in Italien, der geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecke<br />
Turin - Lyon und im Baskenland sind ebenfalls gigantische<br />
Bahn-Bauprojekte geplant, die ähnlich wie die Neubaustrecke<br />
zwischen Stuttgart und Ulm in keinem direkten<br />
Nutzen für die Bevölkerung stehen. Im Gegenteil riesige<br />
Schäden an Natur, Ökologie, Geologie und Bahninfrastruktur<br />
für Bahnreisende nach sich ziehen. In diesen Regionen regt<br />
sich seit Jahren und Jahrzehnten (im Suza-Tal seit 20 Jahren)<br />
massiver Widerstand von Seiten der Bevölkerung.<br />
Vorangetrieben werden diese großen Infrastrukturprojekte<br />
vom ERT (European Round Table), einer Vereinigung der<br />
45 größten europäischen transnationalen Konzerne, welche<br />
Strategien zum Transport der Wirtschaftsgüter der europäischen<br />
Metropolen verfolgt und ein europäisches Mega-<br />
Schienen- und Hochgeschwindigkeitsnetz durchpeischt, das<br />
den ungehinderten Durchfluss von Waren gewährleisten soll.<br />
Der ERT ist der größte Lobbyist innerhalb der EU und hat<br />
mit der Europäischen Kommission das Megaprojekt Transeuropäische<br />
Netze (TEN) auf den Weg gebracht.
29. Juni 2011: „ORAL HISTORY“ mit Egon Hopfenzitz<br />
Egon Hopfenzitz, 14 Jahre Bahnhofsvorsteher in Stuttgart,<br />
erzählte im Rahmen des Projekts Oral History Bahnhofsgeschichten<br />
aus erster Hand.<br />
Interessante Hintergrundinformationen von einem der besten<br />
Kenner des Stuttgarter Hauptbahnhofes kamen dabei zur<br />
Sprache. So z.B. die Sache mit den Eichenpfählen, auf denen<br />
unser Bahnhofsturm angeblich steht. Es gibt wohl in den Katakomben<br />
des Bahnhofs eine Art „Röhre“, in die man direkt<br />
hineingreifen und die Holzpfähle berühren kann. Herr Hopfenzitz<br />
hat das vor Jahren gemacht - und er macht durchaus den<br />
Eindruck, dass er unterscheiden kann, ob sich etwas nach Holz<br />
oder nach Eisen anfühlt.<br />
Egon Hopfenzitz hatte jedoch auch lustige Anekdoten auf Lager,<br />
beispielsweise die vom Besuch des Königs von Tonga<br />
etwa, oder wie ihn Larry Hagmann instrumentalisiert hat, was<br />
der Dalai Lama vom Vertreiben von Tauben hält, wie ein übereifriger<br />
Mitarbeiter Jimmy Carter geweckt hat, damit dieser ins<br />
Gästebuch schreibt und anderes skuriles mehr.<br />
Neben Promigeschichten gab es auch ernstere Themen, etwa<br />
den Umgang mit Suizidfällen oder die veränderte Zuständigkeit<br />
und Interessenlage des heutigen Bahnhofsmanagers gegenüber<br />
dem früheren (für „Sicherheit und Pünktlichkeit“ zuständigen)<br />
Bahnhofsleiter.<br />
Der schönste Satz von Herrn Hopfenzitz: „Wer etwas von Bahn<br />
und Bahnverkehr versteht, ist gegen Stuttgart 21. Nur wer<br />
nichts davon versteht, ist dafür.“
1. Juli 2011: GESANGS-PERFORMANCE mit Köperl/Winkler<br />
Das Künstlerduo Sylvia Winkler/Stephan Köperl sorgte mit<br />
der Musik-Performance „Gelegenheitsverkehr“, in der es um<br />
die Weltläufigkeit des Zentralen Omnibusbahnhofes ging,<br />
für beste Laune. Auch diese wichtige, zentral gelegene<br />
Einrichtung muss den Umbauplänen des DB-Konzerns weichen.<br />
Richtig lustig wurde es dann, als die Künstler, verstärkt<br />
mit einigen Freiwilligen, hinter den Masken der Projektbetreiber-Clique<br />
das Lied „we shall overcome“ anstimmten.<br />
Diese waren tatsächlich nicht vor der Geschmacklosigkeit<br />
zurückgeschreckt, dieses Freiheitslied der unterdrückten<br />
Bevölkerung in den USA gemeinsam von der Propaganda-<br />
Bühne der Projektbefürworter herab zu schmettern. Falsche<br />
Form mit falschem Inhalt trifft auf falsche Stimmlage. Die<br />
Persiflage des Künstler-Duos hat die Sache nun wieder zurechtgerückt.
6. Juli 2011: AUSSTELLUNG über den BONATZ-BAHNHOF<br />
Dr. Jürgen Maier eröffnete heute die Ausstellung „Paul Bonatz<br />
und sein Wirken am Beispiel des Stuttgarter Hauptbahnhofs“,<br />
die sich zum Ziel gesetzt hat, bestehende Missverständnisse<br />
auszuräumen und die Besonderheiten der Architektur des<br />
Stuttgarter Hauptbahnhofs herauszuarbeiten.<br />
Darüber hinaus behandelt die Ausstellung einen weit weniger<br />
bekannten Aspekt des Kulturdenkmals: seine besondere Rolle<br />
in den Zeiten politischen Umbruchs von 1914 bis heute.<br />
Der Stuttgarter Hauptbahnhof, der als das Hauptwerk von Paul<br />
Bonatz gilt, ist ein Architektur- und Kulturdenkmal von herausragender<br />
Bedeutung. Weltweit haben renommierte Architekten<br />
und Kunsthistoriker gegen seinen Teilabriss protestiert.<br />
Die jahrzehntelange Vernachlässigung des Bauwerks durch die<br />
Deutsche Bahn AG, gezielte Propaganda der Kopfbahnhofgegner<br />
und die absichtsvolle Fehlinterpretation der Monumentalität<br />
des Bahnhofs haben dazu beigetragen, dass die internationale<br />
Bedeutung des Bauwerks aus dem Bewusstsein weiter<br />
Kreise der Bevölkerung entschwunden ist.
27. Juli 2011: ORAL HISTORY mit Sybille Mulot<br />
„Diese Geschichte hat mir die Bahn geschenkt“, erklärt Sibylle<br />
Mulot, Autorin und Enkelin des Reutlinger Bahnhof-Vorstehers<br />
und liest aus ihrem Roman „Das Horoskop“<br />
Es beginnt im Zug Lindau – Paris, Grenzerfahrungen und Zollverwicklungen<br />
in den Basler Bahnhöfen, zwei Frauen, die sich<br />
sonst wohl nie begegnet wären, erzählen sich ihre Lebensgeschichte.<br />
Ein wunderbares Beispiel wie aus einem Bahn-Erlebnis Literatur<br />
wird. Doch für die meisten in der diskussionsfreudigen<br />
<strong>Pavillon</strong>runde heißt das Geschenk der Bahn: Verspätungen,<br />
keine Anschlüsse, wenig Service und am Ende werden wir<br />
abgehängt. „Der TGV Paris – München fällt angeblich bei S21<br />
weg“, sagt jemand. Nur ein Gerücht, oder der Anfang vom<br />
Ende der „Magistrale“?
20. Juli- 18. August 2011: AUSSTELLUNG Thomas Ulm<br />
STUTTGART WIRD INTERKONTINENTAL“<br />
Präsentation eines fiktiven Großprojektes von Thomas Ulm:<br />
Stuttgart (Ba-Wü) bekommt eine direkte Verbindung mit<br />
Stuttgart (Arkansas) und im Zentrum der Stadt wird anstatt<br />
des Tiefbahnhofes ein gewaltiger Stausee realisert.<br />
Auch nicht schlecht.<br />
Das Publikum studierte jedenfalls ausführlich die Pläne und<br />
Legenden, manch einer konnte sich keinen Reim auf diese<br />
neue Großprojekt machen und ging verwundert weiter. Aber<br />
als Stuttgarter ist man ja inzwischen so manchen Größenwahnsinn<br />
gewohnt.
6. August 2011: „OFFENES FORUM“<br />
Bei den inzwischen regelmäßig Samstag nachmittags stattfindenden<br />
Treffen des „Offenen Forums“ an UNSEREM PA-<br />
VILLON wurden unter anderem die Eigentumsverhältnisse<br />
am Schlossgarten, die Finanzierungsvereinbarungen, die<br />
Ausstiegsmöglichkeiten aus den Verträgen und vor allem die<br />
„vorsätzlich arglistigen Täuschungen“ der Bahn, wie sie ein<br />
Teilnehmer bezeichnete, unter Mithilfe der damals verantwortlichen<br />
Politiker diskutiert.<br />
Das Verhalten der derzeitigen Regierung wurde heftig kritisiert,<br />
vor allem das der Grünen, deren Wähler sich getäuscht<br />
fühlen, juristische Schritte wurden diskutiert. Einig<br />
ist man sich, dass das wichtigste Instrument des Widerstands<br />
die zahlreichen Veranstaltungen sind, gut besuchte<br />
Kundgebungen, die Blockaden, der Aufenthalt im Park und<br />
letztlich auch das offene Forum am <strong>Pavillon</strong>. Die zunehmenden<br />
Teilnehmerzahlen an dem Forum zeigen, dass ein<br />
großer Bedarf besteht, sich aktiv einzubringen.<br />
Mit Blick auf die aktuellen Ereignisse in Leonberg wurde am<br />
letzten Samstag angesprochen, ob und inwiefern Grundstückseigentümer<br />
von der Bahn entschädigt werden, wenn<br />
ihre Häuser durch die Tunnelgrabungen beschädigt werden.<br />
Es wurde von Schreiben an die Grundstückseigentümer<br />
berichtet, in denen diesen per Unterschrift quasi ein Blankoverzicht<br />
auf Regressansprüche abverlangt würde.
8. August 2011: „Probebohrungen“ mit Kurt Grunow<br />
LOCH 21 - DIE GRABUNG<br />
Viel ist die Rede vom problematischen Baugrund,<br />
in den der neue unterirdische Bahnhof eingelassenwerden<br />
soll - anstehendes Grundwasser, Gipskeuper,<br />
mineralwasserführende Gesteinsschichten,‚Grundwas<br />
sermanagement‘ - alles bislang abstrakteBegriffe, die<br />
verwirren und verunsichern.<br />
Widersprüchliche Gutachten und fragwürdige Fakteninterpretationen<br />
von verschiedenster Seitemachen<br />
für uns Bürger vollends undurchsichtig, wie es nun<br />
tatsächlich mit dem Stuttgarter Baugrund bestellt ist.<br />
Auch die Befürchtung des ursprünglich federführendenArchitekten,<br />
der Baukörper werde sich infolge<br />
unkontrollierbaren Grundwassers wie ein auftauchendes<br />
U-Boot in die Höhe heben, trägt nicht dazu bei,<br />
gelassenund vertrauensvoll den Arbeiten der Bagger<br />
entgegenzusehen.<br />
Wir Bürger wollen, daß weder die Bauherren, noch wir,<br />
die Steuerzahler und Bewohner der Stadt Stuttgart<br />
mitunliebsamen Überraschungen im Baugrund konfrontiertwerden,<br />
die niemand klar vorhersehen konnte.<br />
Wir wollen uns selbst und allen anderen Beteiligten<br />
ein Bild verschaffen von der tatsächlichen Situation<br />
in der Tiefe. Wir wollen sondieren und vorfühlen, wie<br />
der Baugrund tatsächlich beschaffen ist und Zweifel<br />
undnagender Unsicherheit durch konstruktives Tätigseinbegegnen.<br />
Wir werden hierzu damit beginnen, vor dem <strong>Pavillon</strong><br />
einvorgreifendes Sondierungsloch kontinuierlich in<br />
dieTiefe voranzutreiben. Im Verhältnis zu den in Kürze<br />
anstehenden Baumaßnahmen wird unsere Grabung<br />
miteinem Durchmesser von 1,50 m eine sehr bescheideneGröße<br />
aufweisen.<br />
Verbunden mit dem in Aussicht stehenden Erkenntnisgewinn,<br />
von dem alle Seiten profitieren können,<br />
werden, wie wir hoffen, die zeitweiligen Beeinträchtigungen,<br />
die durch diese Maßnahme möglicherweise<br />
zu entschuldigen sein. Kurt Grunow
12. August 2011: AUSSTELLUNG Peter Schmidt<br />
„WEM GEHÖRT DER BAHNHOF?“<br />
Am Freitag fand die Eröffnung der Ausstellung „Wem gehört<br />
der Bahnhof?“ von Peter Schmidt in UNSEREM PAVILLON<br />
statt. Zu sehen gibt es ein geradezu überwältigend detailliert<br />
gestaltetes Bahnhofsmodell, das von ihm in Zusammenarbeit<br />
mit Sigi Landes gebaut wurde. Die Installation und die<br />
großformatigen, detailgetreuen Photos mit vielen erzählerischen<br />
Details setzen sich kritisch und doch liebevoll mit der<br />
Lebens- und Konsumwelt eines typischen, deutschen Bahnhofes<br />
auseinander.
15. bis 20. August 2011: „SOMMERAKADEMIE“<br />
Die Mitglieder der Künstlergruppe SOUP (Stuttgarter Observatorium<br />
Urbaner Phänomene) Michael Gompf, Kurt Grunow,<br />
<strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong>, Karin Rehm und Harry Walter<br />
sowie Josh von Staudach, Jens Lyncker (camera obscura) und<br />
Sylvia Winkler/Stephan Köperl bieten eine „Sommerakademie“<br />
an. Gemeinsam mit interessierten Teilnehmern sollen künstlerische<br />
Werke entstehen
Arbeits-Ergebnisse aus dem workshop „Attrappen-Bau“ mit<br />
Kurt Grunow<br />
Das Architektur-Element der sog. „Lichtaugen“ des Tunnel-<br />
Bahnhofes von Ch.Ingenhoven erfuhr in diesem workshop<br />
eine diskussionswürdige Neuinterpretation. Durch Weglassen<br />
des unsinnigen Erdbahnhofes bekommen die „Lichtaugen“<br />
als autonomes Architektur-Element einen neuen<br />
Sinn und Funktion: Freistehend in der Park-Landschaft des<br />
dann erhaltenen mittleren Schlossgartens funktionieren sie<br />
als Skulpturen, die die Natur durch künstlerische Elemente<br />
bereichern. Diese Skulpturen könnten eine Denkmal- und<br />
Erinnerungsfunktion für das Bürgerengagement gegen S21<br />
erfüllen, bei entsprechender Größe könnte darin sogar ein<br />
Treffpunkt mit Cafébetrieb und Museum eingerichtet werden!
Arbeits-Ergebnisse aus dem workshop „akas_ akademie“<br />
mit <strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong>
5. September 2011: AUSSTELLUNG „SCHIRMBURGEN“<br />
Peter Franck, Frank Bayh und Steff Rosenberger-Ochs<br />
Vernissage der Photoausstellung mit Fotos von Peter Franck,<br />
Frank Bayh und Steff Rosenberger-Ochs, die die Zeltstadt im<br />
Park dokumentiert haben in Zusammenarbeit mit der Galerie<br />
Dora Asemwald.<br />
Dora Asemwald: „Es wurde ja auch höchste Zeit! Das Brachliegen<br />
meiner Galerie war mir eh ein Dorn im Auge, jetzt hab<br />
wieder was am Start. Diesmal geh ich aus dem Haus, in den<br />
Stuttgarter Schlossgarten. Dort steht „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“, der<br />
einst als Camera Obscura den Bahnhof abbildete, jedoch zum<br />
Veranstaltungs- und Ausstellungsort für den kreativen Widerstand<br />
gegen den angedrohten Erdbahnhof mutierte. Heute ist<br />
da immer was los, nette Freiwillige kümmern sich um Besucher,<br />
hören sich Schimpftiraden jener an, die lieber eine Baugrube<br />
als die Zelte im Park hätten. Genau der richtige Ort und<br />
die richtigen Leute, um eine schöne Ausstellung zu machen.“
Der Stuttgarter Schlossgarten: Mutter aller Protest-<br />
Camps?“<br />
<strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong><br />
Glaubt man den Bildern, die im Jahr 2011 permanent über unsere<br />
TV-Monitore flimmerten, muss dieses Jahr weltweit ein ganz besonders<br />
lukratives Geschäftsjahr für die Hersteller für Camping-Bedarf<br />
werden, insbesondere die Hersteller kleiner, schnell aufbaubarer<br />
Zelte müssten goldene Bilanzen ausweisen. Was ist geschehen 2011?<br />
Weshalb dieser Boom?<br />
Die Erklärung ist so einfach, wie verblüffend: Die Ursache des Booms<br />
ist eine inflationäre Erweiterung und Verlagerung der potentiellen<br />
Camping-Zonen von traditionell ländlichen Gebieten mitten hinein in<br />
pulsierende, moderne Großstädte. Besonderer Beliebtheit erfreuen<br />
sich dabei zentrale Plätze und Parkanlagen, aber auch Fußgängerzonen<br />
und Verkehrsinseln werden als alternative Camping-Möglichkeit<br />
nicht verachtet.<br />
Das wirklich Erstaunliche an dieser Entwicklung ist jedoch die<br />
Klientel, die diesen Camping-Bedarfs-Boom ausgelöst hat: Nicht<br />
hedonistisch orientierte Jugendliche, die die Spaß-Zone ihrer Urlaubsfreuden<br />
ausweiten wollen, stürmten die Camping- Abteilungen<br />
einschlägiger Anbieter, sondern idealistisch gesonnene Menschen jeden<br />
Alters aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten.<br />
Vereint unter einem gemeinsamen Ziel: Sie wollen nichts weniger als<br />
eine andere Welt. Die Ursache des ausufernden Camping-Bedürfnisses<br />
ist also nicht privatistischer Natur, die Motive und Gesinnung<br />
der „Stadt-Camper“ sind idealistisch-revolutionärer Art.<br />
Von Kairo über Athen und Madrid verbreitet sich der „Camper-Virus“<br />
inzwischen weltweit und spätestens seit er unter dem Stichwort<br />
„occupy“ ein passendes Label gefunden hat und von den sensationsgeilen<br />
Medien auch in der Wallstreet gesichtet wurde, ist sein Siegeszug<br />
unaufhaltsam.<br />
Zeit innezuhalten und einmal genauer hinzuschauen, wie und wo<br />
dieses Phänomen angefangen hat. Und dabei machen wir eine erstaunliche<br />
Entdeckung. Der Virus entstand nicht etwa auf dem Tahir-Platz<br />
in Kairo oder dem Syntagma-Platz in Athen, nein, er ist<br />
zum ersten Mal nachweisbar an einem Ort, den man nicht vermutet<br />
hätte: mitten im Schwabenland, im behäbigen Stuttgart, genauer:<br />
im mittleren Schlossgarten.<br />
Nun gibt es zwar historische Vorläufer der aktuellen Protest-Camps in<br />
den 80er-Jahren wie beispielsweise die „ freie Republik Wendland“ der<br />
Anti- Atomkraft-Bewegung oder auch die Protest-Camps des Widerstandes<br />
gegen die Startbahn West in Frankfurt. Dennoch ist der Entstehungsort<br />
der aktuellen Entwicklung mit einiger Wahrscheinlichkeit eher<br />
der Stuttgarter Schlossgarten. Diese Vermutung kann anhand einiger<br />
stilistischer Merk<br />
male der aktuellen Protest-Camps belegt werden. Während die traditionellen<br />
Widerstands-Camps geprägt waren von massiven Bebauungsformen<br />
vornehmlich in alternativer Holzbauweise, zeigen die aktuellen<br />
Camps ein ganz anderes Gesicht. Sie erscheinen schon rein materiell<br />
weniger massiv und sind eher von fluidem Charakter, das Ephemere<br />
und Transitorische ist stilistisch ein zentrales Merkmal, das ultraleichte<br />
Camping-Zelt aus modernen Kunststoff-Materialien das Mittel der Wahl.<br />
Dass diese ästhetische Formalität nicht zufällig ist, wird deutlich, wenn<br />
man sich die Mühe macht, die sozialen und ideologischen Strukturen<br />
der Widerstandsbewegungen in den 80er Jahren und heute zu vergleichen.<br />
Dabei kommt man schnell zu dem Schluss, dass dieses Provisorisch-Ephemere<br />
des äußeren Erscheinungsbildes die innere Verfasstheit<br />
des Personals und seiner Gesinnung widerspiegelt: alles ist in permanenter<br />
Bewegung, hierarchische Strukturen werden aufgelöst bevor<br />
sie sich bilden können, es gibt keine ideologischen Leitideen und Führungspersönlichkeiten,<br />
kein Zentrum und keine Peripherie, alles orientiert<br />
sich vielmehr an einem systemischen Netzwerk- Denken. Und wie<br />
könnte sich diese gewollte Entstrukturierung besser in Architektur umsetzen<br />
lassen, als im Bild des Nomadenzeltes in Schnellaufbau—Ausführung:<br />
plug an play, Ikea ade, das Wurf-Zelt als ultimativer Höhepunkt<br />
provisorischer Verortung revolutionärer Existenz!<br />
Nimmt man die These ernst, dass zumindest eine der möglichen Wurzeln<br />
des Phänomens im Stuttgarter Schlossgarten zu finden ist, dann<br />
ist es vielleicht von Interesse, sich die Entwicklung im Schlossgarten<br />
genauer anzusehen, weil damit auch ein Studienobjekt untersucht werden<br />
kann, bei dem möglicherweise Entwicklungen abzulesen sind, die<br />
für die aktuellen Protestbewegungen exemplarisch sind.
Interessant ist unter diesem Gesichtspunkt schon die Entstehungsphase<br />
des Schlossgarten-Camps. In der Anfangsphase wurde jeglicher<br />
Versuch einer Parkbesetzung durch Aufstellen von Zelten durch<br />
massiv auftretende Polizeikräfte sofort unterbunden und unter<br />
Hinweis auf das Zeltverbot in öffentlichen Anlagen die Zelte beschlagnahmt.<br />
Die S21-Gegner wären nicht S21- Gegner, wenn sie diese<br />
Polizei Strategie nicht mit kreativer Phantasie ausgetrickst hätten:<br />
Wenn Zelten verboten ist, dann setzen wir uns eben unter Schirme,<br />
davon steht nämlich nichts in der Park-Verordnung! Gedacht, getan,<br />
die „Schirmburgen“ waren erfunden. Und sie waren so schön, dass<br />
selbst noch die Photographien davon auf einem internationalen Architektur-Wettbewerb<br />
preisgekrönt wurden.<br />
Nun ist der längerfristige Aufenthalt unter einem Schirm nicht sonderlich<br />
komfortabel, dem schwäbischen Erfindergeist wird dies jedoch<br />
zum Ansporn ständig Verbesserungen vorzunehmen. Die Erweiterung<br />
mit Kunststoff-Planen ist immer noch eine Schirmburg und kein Zelt<br />
und so langsam ermüdete das wache Auge des Gesetzes angesichts<br />
der vielfältigen Variierbarkeit dieses einfachen Architektur-Prinzips.<br />
Wo aber ist die Grenze zwischen Schirm-Planen –Konstruktion und<br />
Camping-Zelt? Schwer zu sagen und irgendwann blieb dann auch das<br />
erste „normale“ Campingzelt vom Zugriff der Staatsmacht verschont<br />
und vermehrte sich fortan auf wundersame Weise.<br />
Das „Katz-und Maus-Spiel“ war damit zu Gunsten der Parkbesetzer<br />
entschieden, die ausgetrickste Obrigkeit setzte nun auf einen natürlichen<br />
Verbündeten im Kampf gegen die unwillkommenen Camper:<br />
Das Wetter. Campen ist ein klassisches Sommer-Hobby, entsprechend<br />
problematisch ist das Campen im Winter, selbst der revolutionärsten<br />
Gesinnung geht bei minus 20 Grad der Arsch auf Grundeis. Auf diesen<br />
Effekt setzen übrigens derzeit auch die betroffenen Obrigkeiten<br />
in den USA und anderswo, sie hoffen, das Problem mit den unwillkommenen<br />
Protestcamps löse sich bei entsprechenden Temperaturen<br />
von alleine.<br />
Ein Blick nach Stuttgart könnte sie eines Besseren belehren: Der<br />
Wintereinbruch 2010/011 kam nicht nur besonders früh und besonders<br />
hart, er war auch so schneereich wie seit langem nicht mehr.<br />
Die provisorischen Behausungen aus Planen und Schirmen brachen<br />
größtenteils unter der Schneelast zusammen, der eisige Wind (und<br />
das Einschreiten der Polizei) verhinderte wärmende Feuerstellen, nur<br />
die hartnäckigsten Widerständler hielten noch im Park aus. Ein Bild<br />
des Jammers bot sich den Passanten im winterlichen Schlossgarten<br />
und die S21 Befürworter lancierten während des Wahlkampfes in den<br />
Wintermonaten 2011 bösartige Medienberichte, in denen das Camp<br />
plötzlich als „Schandfleck“ tituliert wurde.<br />
Doch auch da kam alsbald rettende Hilfe und wendete das Blatt wieder<br />
zu Gunsten der Parkbewohner: eine kleine Gruppe Künstler ergriff die<br />
Initiative und in gemeinsamer Aktion mit den Parkbewohnern wurde -<br />
generalstabsmäßig gut vorbereitet- das Camp kurzerhand eingefriedet.<br />
Eine Mauer aus riesigen Photo-Leinwänden, bedruckt mit dem Motiv<br />
des zertrümmerten Brandenburger Tores in 1:1 Größe, umschloss eines<br />
Samstag-Nachmittags im Handumdrehen das gesamte Camp, die herbeieilende<br />
Polizei stand nur noch staunend davor. Der „Schandfleck“ wurde<br />
zu einer ansehlichen Attraktion, selbst die Bild-Zeitung zollte Respekt,<br />
die Medien sahen sich gezwungen ihre Schmuddel-Image-Kampagne<br />
einzustellen mangels entsprechender Photo-Motive. Der Hauptzweck der<br />
Installation, der Schutz vor Wind und Wetter funktionierte hervorragend,<br />
das Leben im Camp wurde wieder erträglicher. Hinter ihrer Mauer fühlten<br />
sich die Besetzer zwar gelegentlich wie Tiere im Zoo angesichts der neugierigen<br />
Besucher auf der anderen Seite der Mauer, aber auch das hatte<br />
eher eine humorvolle Seite, wenn ihrerseits die Fütterung mit Erdnüssen<br />
angemahnt wurde.<br />
Als logische Folge der Ereignisse des 30. Septembers 2011, dem<br />
„schwarzen Donnerstag“, wurde der Stuttgarter Schlosspark mit dieser<br />
Parkbefriedungs-Aktion endgültig zu einem Ort, an dem die Staatsgewalt<br />
sich infolge ihrer eigenen illegalen Handlungen,- konkret der Baumfällungen<br />
ohne vorliegende Genehmigung- zu einem Verhalten genötigt<br />
sah, das ziemlich einmalig in der Bundesrepublik ist: dem Verzicht auf<br />
Durchsetzung bestehender Vorschriften. Der Park wurde sozusagen zu<br />
einem „unmarkierten Raum“, zu einem unreglementierten Ort, an dem<br />
sich seither in Form von Selbstorganisationsprozessen neue Strukturen<br />
bilden, inclusive aller Geburtswehen, die notwendigerweise dazu gehören,<br />
wenn sich engagierte Individualisten und Menschen „vom Rande<br />
der Gesellschaft“ zusammenfinden , um ihr soziales Miteinander in Eigeninitiative<br />
regeln, vom gemeinsamen Kochen bis zur selbstorganisierten<br />
Park-Pflege incl. Müllbeseitigung.<br />
Angesichts des inzwischen weltweit grassierenden „Camp-Virus“ erweist<br />
sich aus heutiger Sicht die Selbstermächtigung derer, die sich im Herbst<br />
2010 die Freiheit nahmen, ihre Lebenswelt - Interessen im Stuttgarter<br />
Schlossgarten campierend zu vertreten, als Vorschein (im Sinne<br />
E. Blochs) einer globalen Bewegung . Die Formulierung „ Die Existenz<br />
dieses Camps beweist, dass irgendetwas anderes schief gelaufen ist“<br />
erscheint im nachhinein fast visionär angesichts der weltweiten Verbreitung<br />
von Protest-Camps. Nicht nur in Stuttgart scheint einiges schiefgelaufen<br />
zu sein.
6. September 2011: Präsentation „UNSER PAVILLON“ bei<br />
„Bürger. Macht. Staat“ Zeppelin-University Friedrichshafen<br />
Die Zeppelin-University Friedrichshafen hat zu einem Symposium<br />
zum Thema „Bürger. Macht. Staat“ die Initiative UN-<br />
SER PAVILLON eingeladen, um an einem Beispiel aufzuzeigen,<br />
wie das Einmischen der Bürger in die Politik sich heute<br />
zeigen kann, speziell wenn Künstler sich in diese Arbeit<br />
zusammen mit politischen Aktivist_Innen einbringen.<br />
UNSER PAVILLON hat dazu eine Präsentations-Installation<br />
entwickelt, die die bisherigen Aktivitäten im Schlosspark<br />
exemplarisch dokumentiert. An einem maßstäblich verkleinerten<br />
Modell des PAVILLONS kann der Camera-Obskura<br />
-Effekt direkt nachvollzogen werden, mehrere Monitore<br />
zeigen Videos mit Eindrücken der täglichen Arbeit UNSERES<br />
PAVILLONS.
Replik der „PARKBEFRIEDUNG“ bei „Bürger. Macht. Staat“
11. September 2011: „PAVILLON-RELAUNCH“<br />
Mutwillige Beschädigungen und „Der nagende Zahn der Zeit“<br />
haben die Schönheit von „UNSEREM PAVILLON“ etwas leiden<br />
lassen. Dazu kam ein gewisser Erschöpfungszustand des (leider<br />
nach wie vor recht kleinen) Teams der Betreiber_innen.<br />
Einigermaßen aus ihrem wohlverdienten Sommer-Urlaub als<br />
Berufs-Demonstrant_innen zurückgekehrt, haben sie sich an<br />
die Renovierung unseres Prachtstückes gemacht. Dank der<br />
tatkräftigen, unersetzlichen Initiative von Sabine Leitz erstrahlt<br />
„UNSER PAVILLON“ nun in neuem Glanz und freut sich<br />
auf viele Gäste bei der kleinen Geburtstagsfeier anlässlich der<br />
inzwischen 1/2-jährigen Aufstellung im Park!
22. September 2011: „UNSER PAVILLON FEIERT“<br />
„UNSER PAVILLON“ hat einen Grund zum feiern: seit genau<br />
einem halben Jahr steht er unbehelligt illegal im Schlossgarten<br />
und gibt sein Bestes für den S21-Widerstand. Zum Geburtstag<br />
gab es noch ein ein kleines Präsent: „WIR SIND SOUVERÄN“<br />
prangt nun in goldenen Lettern an der Stirnseite und begrüßt<br />
alle, denen noch immer nicht klar ist, wer in einer Demokratie<br />
der Chef ist. WIR GRATULIEREN!
30. September 2011: JAHRESTAG „SCHWARZER DONNERSTAG“<br />
Zum Jahrestag des „schwarzen Donnerstages“ hat sich die<br />
Bewegung viel einfallen lassen, schließlich geht es um eine<br />
Art „Gründungsmythos“ der Bewegung. Ein richtiges Volksfest<br />
fand im Park statt mit zahlreichen Infoständen, einer<br />
Bühne mit Kulturveranstaltungen und Reden, eine Kundgebung<br />
auf dem Schlossplatz sowie ein beeindruckender<br />
nächtlicher Schweigemarsch durch die Innenstadt. „UNSER<br />
PAVILLON“ zeigt dazu eine Ausstellung mit „Protestequipment“,<br />
die witzige und schlagfertige Kreativität des Widerstandes<br />
zeigt sich darin.
AUSSTELLUNG „PROTEST-EQUIPMENT“
„PROTEST-EQUIPMENT“<br />
Die Phantasie des Widerstands gegen „Stuttgart 21“ zeigte<br />
sich schnell und auf beeindruckende Art und Weise an<br />
der Kunst am Bauzaun, bzw. dem Bauzaun als Kunst, der<br />
prompt ins Museum wanderte. Und zeigt sich weiter an den<br />
Bannern und Schildern, entsprechend gestalteter Jacken,<br />
Hüte, Buttons, Sticker und Plakaten und vielem mehr, was<br />
von den Teilnehmern auf den Demos und Blockaden so<br />
mitgeführt wird. Ein Teil davon wurde zum Jahrestag des<br />
„schwarzen Donnerstages“ in UNSEREM PAVILLON präsentiert.<br />
In einem Aufruf wurden das kreative Potential der K21-Bewegung<br />
angesprochen, Protest-Equipment beim <strong>Pavillon</strong> abzugeben:<br />
„ Wir suchen alles, was mit Liebe, Witz, Sinn und<br />
Verstand individuell von euch gestaltet worden ist: Gegenstände,<br />
Gedanken, Sprüche und Gebete, die für euch besondere<br />
Bedeutung gewonnen haben, bestimmte Banner und<br />
Buttons, Rücksäcke, Sitzunterlagen, Trinkflaschen, Hüte,<br />
Jacken, Megaphone usw.“
Beiträge zur Ausstellung„Protest-Equipment<br />
von einer der<br />
kreativsten Künstlerinnen<br />
im Widerstand<br />
gegen S21: Loubi<br />
Fourer
15. Oktober 2011: „SOLIDARITÄT mit OCCUPY WALLSTREET“<br />
Heute haben in der ganzen Welt Demonstrationen gegen<br />
das herrschende Finanzsystem stattgefunden, initiiert von<br />
der Bewegung „occupy“ . Über 4000 Menschen sind zur<br />
Demonstration in Stuttgart gekommen und haben ihrer<br />
Empörung über die unbegrochenen Dominanz des Finazmarktes<br />
über die Politik Ausdruck gegeben. In Stuttgart<br />
blieb die Versammlung friedlich, in Berlin ging die Polizei mit<br />
Pfefferspray gegen die Demonstranten vor, in San Franzisko<br />
ebenfalls und in Rom brannten Autos. Die Demonstranten in<br />
Stuttgart hatten Gelegenheit im Anschluss an die Abschlusskundgebung<br />
im Schlossgarten bei UNSEREM PAVILLON via<br />
live-Übertragung in Verbindung mit dem internationalen Geschehen<br />
zu treten, die nächtliche Stimmung war trotz Kälte<br />
dementsprechend aufgeheizt.
21. Oktober 2011: „WIDERSTANDS- und URLAUBSPHOTOS“<br />
Im Sommer 2011 erging ein Aufruf an die vielen Photographen,<br />
die besonders montags, aber auch die ganze Woche<br />
über Tag und Nacht in Stuttgart und in der weiten Welt den<br />
Widerstand gegen das Milliardengrab in all seinen Facetten<br />
dokumentieren: In den drei Themenbereichen Urlaub, Widerstand<br />
und Grafiken konnten Bilder als Dokumente unserer Haltung<br />
eingesandt werden. Diese Bilder gab es nun in UNSEREM<br />
PAVILLON zu sehen, die besten wurden prämiert.<br />
Vom Schnappschuss am Straßenrand bis zum kunstvollen<br />
Arrangement, von der dokumentarischen Aufnahme bis zum<br />
anrührenden Stimmungsbild (und vielem mehr) zeugt diese<br />
Sammlung vom anhaltenden, kreativen Widerstand, in dem<br />
sich Frohsinn, ätzende Kritik und lässige Beharrlichkeit widerspiegeln.<br />
Vor allem aber: Die persönliche, oft emotionale Beteiligung<br />
fernab von den verkünstelten Anstrengungen bezahlter<br />
Propagandaprofis.
28. Oktober 2011: „OFFENES FORUM“<br />
Auch an diesem Samstag war der Zuspruch zum „OFFENEN<br />
FORUM“ am <strong>Pavillon</strong> wieder sehr groß. Unter reger Beteiligung<br />
des Publikums wurde der Zusammenhang zwischen<br />
dem S21-Projekt, dem Volksentscheid, der Demokratie-Krise<br />
und der sog. „Finanzkrise“ diskutiert. In der Diskussion wurde<br />
deutlich, dass alle diese Probleme miteinander zusammenhängen,<br />
dass sie Auwirkung einer neoloberalen Politik<br />
sind, die unsere Städte, unsere Wirtschaft, unsere Demokratie<br />
und unserer Umwelt zu Grunde richtet.<br />
Positiv wurde jedoch auch darauf aufmerksam gemacht,<br />
dass diese Krise eine Chance ist zu einer zeitnotwendigen<br />
Bewusstseins-Entwicklung. Gerade die weltweiten Bewegungen<br />
für mehr DEmokratie und die „occupy-Bewegung“<br />
geben Hoffnung, dass sich das Denken vieler Menschen gerade<br />
verändert und immer mehr aktiv werden für eine andere<br />
Zukunft. S21 ist überall.
28. Oktober 2011: „DAS SCHLOSSGARTEN WUNDER“<br />
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit ereignete sich ein Wunder<br />
im Schlossgarten.<br />
Ein Amateurvideo, aufgenommen am 28.10.2011 bei der<br />
„Grundwasser-Managementanlage“ des Projektes S21 im<br />
Stuttgarter Schlossgarten zeigt eine Marien-Erscheinung über<br />
dem Technik-Gebäude schwebend,die Gestalt hantiert augenscheinlich<br />
mit einer Schale Wasser. Angeblich haben mehrere<br />
Augenzeugen während der 3maligen Marien-Erscheinung die<br />
Worte gehört: „Das Wasser lassen“. Die Video-Aufnahme, die<br />
im Internet verbreitet wurde ist leider ohne Ton.
...und jetzt: ein Satz heiße Ohren<br />
14. - 27. November 2011: „...und jetzt: ein Satz heiße Ohren“<br />
Am Wochenende freute sich der „tearoom“ in der Rotebühlstraße<br />
109 über regen Besuch: <strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong><br />
von „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“ zeigte unter dem Titel „...und jetzt: ein<br />
Satz heiße Ohren“ Videos, Photoarbeiten und Installationen,<br />
die rund um den Widerstand gegen S21 entstanden sind.<br />
Anlässlich der gleichzeitig stattfindenen Volksabstimmung wird<br />
auch die Installation „Ausgabestelle Barrikadenbau-Bedarf“ gezeigt,<br />
in der bösen Vorahnung, dass es um eine Befriedung der<br />
Situation von Stuttgart möglicherweise schlecht bestellt ist.
14. November 2011: „LOCH21“ mit Dora Asemwald<br />
In „UNSEREM PAVILLON“ gibt sich derzeit Dora Asemwald,<br />
die beliebte Stuttgarter Kunstfigur, die Ehre. Ihre Assistenten<br />
Martin Zentner und Karin Rehm präsentieren das Projekt<br />
„Loch 21“. Statt einen Tiefbahnhof zu vergraben, den in 100<br />
Jahren kein Mensch mehr interessiert, schlägt dieses Projekt<br />
vor, in Stuttgart das größte Loch der Welt zu buddeln.<br />
Selbstverständlich mit aktiver Bürgerbeteiligung. Dazu kann<br />
man im <strong>Pavillon</strong> schon mal auf einem Luftbild von Stuttgart<br />
mit einem roten Fähnchen die Stelle markieren, an der man<br />
gern mit dem Loch anfangen würde. Bei der Eröffnung wurde<br />
davon auch schon reger Gebrauch gemacht. Jetzt haben<br />
die S21-Befürworter auch mal eine Chance sich konstruktiv<br />
in das Bürger-Engagement einzubringen und ihre latent<br />
destruktive Energie- die sich derzeit vor allem gegen die VA-<br />
Plakate der K21-Bewegung richtet- in ein befriedendes Projekt<br />
umzuleiten. Also Schäuffele mitbringen und losbuddeln!<br />
Ein Anfang ist schon mal gemacht mit der Loch-Markierung
Freitag, 25. November 2011: „Ilse Landfrau sagt JA!“<br />
Die Volksabstimmung zur Erdbahnhofsfinanzierung in<br />
Baden-Württemberg steht an. Da wir von der Galerie<br />
Dora Asemwald natürlich das Geld für Loch 21 haben<br />
wollen, rufen wir alle auf, ihr Jawort am Sonntag zu<br />
geben. Zur Einstimmung haben wir Ilse Landfrau, eine<br />
Stuttgarter Foodbloggerin (so einen Art Fernsehköchin<br />
2.0), eingeladen, um uns etwas schönes aus Produkten<br />
der Marke „Ja“ zum essen zu zaubern. Sie wird im Rahmen<br />
der Ausstellung „Grab mit! Dora und der Widerstand“<br />
in „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“ im mittleren Schlossgarten<br />
die Herdplatte anwerfen.
24. November 2011 : Performance von „LKW7“<br />
„Satire ab „4““ - 15-minütige Performance von LKW7, dem Labor<br />
zur Erforschung von Lebenskunstwerken in Stuttgart. Die „Satire<br />
„ab 4““ unternimmt den verzweifelten Versuch einer Erklärung,<br />
warum es Menschen gibt, die unbedingt den Tiefbahnhof wollen.
29. November : Plakat-Installation einer SOUP-Aktion<br />
im Stuttgarter Rathaus<br />
Die Stuttgarter Künstlergruppe SOUP hat es sich nicht nehmen<br />
lassen, das Sommerloch im Mittleren Sitzungssaal des<br />
Stuttgarter Rathauses durch eine Sandsackpyramide mit<br />
oben aufsitzendem Bahnhofsmodell zu füllen. Das nun erst<br />
recht wie eine umkämpfte Burg wirkende Modell stammt aus<br />
dem Jahr 1930. Die komplette Installation versteht sich als<br />
Präsentation eines Denkmalentwurfes an einem der Originalschauplätze<br />
des nie wirklich geschlichteten Stuttgarter Stellungskrieges.<br />
Der Entwurf ist all jenen gewidmet, die sich fernab jeder<br />
Schicksalsergebenheit bereits jetzt um die Zukunft dieser<br />
Stadt verdient gemacht haben. Ein Großphoto der Installation<br />
ziert nun UNSEREN PAVILLON“
Video-Präsentation: „Kant um die Ohren hauen“<br />
eine Performance von <strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong><br />
Video-Präsentation des Beitrages von <strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<br />
<strong>Brennenstuhl</strong> zur SOUP-Aktion im Stuttgarter Rathaus :<br />
„Kant um die Ohren hauen“<br />
Zum Abschluss der sog. „Schlichtungs-Gespräche“ im<br />
Konflikt um das Bahn-Immobilien-Projekt S21 zitierte<br />
der Schlichter Heiner Geißler eine zentrale Stelle aus den<br />
Schriften von Immanuel Kant, mit der er die Intention<br />
der Aufklärung als Ideal der Schlichtung bemühte. Dabei<br />
unterlief ihm jedoch ein fataler Fehler, der das Zitat in<br />
seiner Bedeutung vollkommen ins Gegenteil verkehrte:<br />
Statt „Aufklärung ist der Ausgang aus selbstverschuldeter<br />
Unmündigkeit“ sagte Geissler „unverschuldete Unmündigkeit“.<br />
Damit ist jedoch die Kant´sche Intention komplett<br />
konterkariert, die Mündigkeit der Stuttgarter Bürgerbewegung<br />
wurde von Geissler in seinem „Schlichtungsspruch“<br />
logischerweise negiert und dem stadtzerstörenden Bahn-<br />
Projekt der Weg geebnet.<br />
Eine auf Video dokumentierte Performance von AMB am<br />
Original-Schauplatz der Schlichtungs-Gespräche im Stuttgarter<br />
Rathaus stellt diesem fatalen Ereignis nun ein korrigierendes<br />
Bild zur Seite.
Warum Heiner Geißlers Versprecher kein Versprecher war<br />
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten<br />
Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen,<br />
sich seines Verstandes ohne Leitung eines andern zu<br />
bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die<br />
Ursache derselben nicht aus Mangel des Verstandes, sondern<br />
der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung<br />
eines andern zu bedienen. ‚Sapere aude! Habe Mut, dich deines<br />
eigenen Verstandes zu bedienen!‘ ist also der Wahlspruch der<br />
Aufklärung.“ (Immanuel Kant „Was ist Aufklärung?“, Berlinische<br />
Monatszeitschrift, 1784)<br />
Heiner Geißler zitierte bei seiner Abschlussrunde des sog. „Fakten-Schlichtung<br />
Kants Grundlegung der Aufklärung in seinem<br />
schriftlich abgefassten und fast vollständig vom Manuskript<br />
abgelesenen Schlichterspruch mit einem sinnentstellenden<br />
Versprecher, der sie ins Gegenteil verkehrt. O-Ton H. Geißler:<br />
„Aufklärung ist der Ausgang aus unverschuldeter Unmündigkeit“<br />
(http://www.youtube.com/watch?v=4UyNv4pqVdA , Min. 10.40)<br />
Unverschuldet? Ein kleiner Versprecher? Oder ist das „Un“-Wort<br />
vielmehr Ausdruck einer philosophischen Gesinnung und einer<br />
politischen Haltung, ein zentrales Signum des Weltbildes eines<br />
jesuitisch geprägten Denkers der hier klammheimlich Politik in<br />
der Tradition der Gegen-Aufklärung macht?<br />
Mündigkeit schließt einen Willensakt mit ein, der am Beginn des<br />
Ausgangs aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit steht, sie<br />
muss vom Menschen selbst erworben werden, sie ist eine Sache<br />
des Selbsttuns, der Entschlossenheit und des Mutes. Mit diesem<br />
Satz beginnt eine neue Epoche, dieser Satz setzt den modernen<br />
Menschen in die Welt als das Individuum, das sein eigener<br />
Schöpfer ist. Dies ist die kopernikanische Wende der Aufklärung,<br />
die in der weiteren Entwicklung der Geistesgeschichte zur Quelle<br />
unseres modernen Selbstverständnisses des Volkes als Souverän<br />
der Demokratie wird.<br />
Wer unverschuldet an seinen Verhältnissen ist, der ist auch nicht<br />
zuständig für die Veränderung dieser Verhältnisse. Die unverschuldete<br />
Unmündigkeit ist eine Gottgegebene, nur ein Gott<br />
kann sie verändern. Was hier von Geißler aus der Geschichte<br />
herausdefiniert wird, ist der postabsolutistische Souverän höchstpersönlich,<br />
das Volk als die zentrale Figur der Demokratie. In diesem<br />
Versprecher offenbart sich ein zutiefst paternalistisches Menschenbild,<br />
das die Figur eines angeblich überparteiischen Schlichters braucht,<br />
um die sich zankenden Kinder zur Räson zu bringen. Die logische<br />
Weiterführung dieses Gedankens brachte Geißler dann wenig später<br />
selbst zur Sprache: Wenn schon nicht Gott höchstpersönlich in die<br />
menschliche Geschichte eingreifen kann oder will, vielleicht könnten<br />
es dann wenigstens die Bischöfe sein, die sich in Zukunft in einer<br />
ganz neuen gesellschaftlichen Rolle einbringen könnten. Immerhin<br />
sollten diese von weltanschaulicher Neutralität sein, so Geißlers Sicht<br />
der Dinge. Eine fulminante Rolle rückwärts der Geistesgeschichte mit<br />
Punktlandung im voraufgeklärten Klerikalismus - und dies unwidersprochen<br />
in aller Öffentlichkeit! Wer bisher noch geglaubt hat, Geißlers<br />
Versprecher sei keine Bedeutung beizumessen, muss spätestens<br />
hier Verdacht schöpfen, dass es bei dem „Schlichtungsgespräch“ um<br />
etwas ganz anderes ging, als um Aufklärung und Mündigkeit.<br />
Als logische Folge seiner Weltanschauung, die sich in dem verfälschten<br />
Zitat offenbarte degradiert Heiner Geißler mit seinem<br />
Schlichterspruch das Volk zum unmündigen Zuschauer, dies ist der<br />
eigentliche Fehler und Skandal des „Stuttgarter Modells“.<br />
Was ist hier gründlich schief gelaufen? Zunächst stehen sich in diesem<br />
Konflikt zwei gesellschaftliche Gruppierungen gegenüber, die<br />
nicht demokratisch legitimiert sind. Weder die Bahn noch die Widerstandsbewegung<br />
ist eine Organisation der politischen Willensbildung.<br />
Beide sind Nicht-Regierungs-Organisationen ohne politisches Mandat.<br />
Soweit diese als „Informanten der Öffentlichkeit“ auftreten, ist dies<br />
überhaupt kein Problem. Das Problem entsteht erst, wenn aus dem<br />
„Faktengespräch“ ein Schiedsspruch abgeleitet wird, der dem Meinungsbildungsprozess<br />
über das Projekt plötzlich den Charakter der<br />
politisch-rechtlichen Legitimierung des Projektes selbst verleiht. Und<br />
genau dies ist hier mit Geißlers Schlichtungsspruch geschehen. An<br />
dieser Stelle hätte es zwei rechtlich legitime Möglichkeiten gegeben,<br />
wieder zum demokratischen „Normalfall“ zurück zu kehren:<br />
1: Nachdem nun zum ersten Mal in dem jahrelangen Verschleierungsprozess<br />
die Fakten auf dem Tisch waren, hätten die demokratisch<br />
legitimierten Gremien der Landes-und Kommunalpolitik jetzt ein differenziertes<br />
Urteil fällen können, das sich auf wirkliche Fakten und nicht
auf konsequente Desinformation stützt. Das Manko des bisherigen<br />
Prozesses, dass die politischen Entscheidungsträger rechtlich<br />
legitime Entscheidungen getroffen haben, die anschließend<br />
vom Souverän nicht akzeptiert wurden, da sie offensichtlich nicht<br />
genügend faktengestützt waren, hätte nun ausgeräumt werden<br />
können.<br />
2. Die öffentlichen „Faktengespräche“ haben tatsächlich Modellcharakter,<br />
wenn sie anschließend einen neuen Spieler auf das<br />
politische Spielfeld bringen, eine Instanz die über dem Parlament<br />
steht: Den Souverän selbst. Nicht das noch so weise Urteil eines<br />
angeblich neutralen Schlichters, der hier aus rechtlicher Sicht<br />
nichts weiter als eine beliebige Privatperson ist, heißt er nun<br />
Geißler oder Bischof soundso – hat hier rechtliche Legitimationskraft,<br />
sondern nur das Urteil des Souveräns in einer Volksabstimmung.<br />
Aber Geißler misstraut dem Souverän prinzipiell. Wie die meisten<br />
Parteipolitiker steht er der partizipativen Demokratie kritisch<br />
gegenüber. Dies ist nun nichts neues, seit es die Diskussionen um<br />
Volksentscheide in der BRD gibt, ist die reduzierte Perspektive<br />
der Parteipolitiker ein bekanntes Phänomen. Die repräsentative<br />
Demokratie wird wider besseres Wissen gebetsmühlenhaft als<br />
alleinige Bestimmung des Grundgesetzes proklamiert, die Tatsache,<br />
dass es hier heißt „in Wahlen und Abstimmungen“ ignoriert.<br />
Auch die Rolle der Parteien, die das Grundgesetz einschränkt auf<br />
„Mitwirkung“ bei der politischen Willensbildung, wird großzügig<br />
als alleinige Gestaltungsbefugnis der Parteipolitiker uminterpretiert.<br />
Das alles ist nicht neu. Neu ist jedoch, dass die politischen<br />
Instrumente und Institutionen der westlichen Demokratien derzeit<br />
an eine Grenze kommen, an der eine Neubestimmung notwendig<br />
ist.<br />
Zum Einen wendet sich das Volk von seinen gewählten Vertretern<br />
immer mehr ab, indem es immer weniger Interesse an<br />
Wahlen zeigt. Zum Anderen zeigt der Souverän immer mehr<br />
Selbstbewusstsein, indem er mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten<br />
bei zahlreichen Sachentscheidungen einfordert. Klar ist, dass<br />
technologische Großprojekte in demokratischen Gesellschaften in<br />
Zukunft anders legitimiert werden müssen. In der Öffentlichkeit<br />
wird derzeit die „positive“ Variante, nämlich die der erweiterten<br />
Mitwirkung aller gesellschaftlichen Gruppierungen breit diskutiert.<br />
Das Modell „Faktenoffenlegung plus Bürgerentscheide“ dürfte hier<br />
das zukunftsweisende Verfahren sein. Im Hintergrund gibt es jedoch<br />
schon längst andere Diskussionen und Begehrlichkeiten. Es ist auffällig,<br />
dass bei dem eigentlichen Stichwortgeber der gegenwärtigen<br />
Unions-Politik, Stephan Mappus, eine häufige Reisetätigkeit in Länder<br />
stattfindet, die zu einem Länder-Ministerpräsidenten nicht so recht<br />
passt. Was fasziniert Herrn Mappus so an Ländern des arabischen<br />
Raumes oder an China? Sind es wirklich nur die wirtschaftlichen<br />
Interessen des Landes Baden-Württemberg? Äußerungen von Herrn<br />
Mappus zu Beginn seiner Amtszeit als Ministerpräsident lassen diese<br />
Reisen in einem anderen Licht erscheinen. Unverhohlen und von seiner<br />
Partei unwidersprochen prägte er den Ausspruch von der „Politik<br />
des Durchregierens“. Auch hier ist wieder eine Zusammensicht der<br />
Beobachtungen hilfreich: was sich hier andeutet, ist ein Liebäugeln<br />
mit dem Modell der „gelenkten Demokratie“. In der aktuellen Debatte<br />
wird immer wieder als eines der ersten Argumente für S 21 und alle<br />
ähnlich gelagerten Projekten die internationale Konkurrenzfähigkeit in<br />
Hinblick auf den technologischen Fortschritt genannt.<br />
Genau das ist des Pudels Kern. Wenn von Politikern eine Abwägung<br />
der Wertigkeit von technischem Fortschritt und politischer Kultur<br />
vorgenommen wird, so neigt sich die Waagschale zusehends in<br />
Richtung Fortschritt und Ökonomie zu Ungunsten der Demokratie.<br />
Es ist unbestritten, dass gelenkte Demokratien es wesentlich leichter<br />
haben technologische Großprojekte zu realisieren. Ein 7-Schluchten<br />
Staudamm wäre in Deutschland sicher kein realisierbares Projekt.<br />
Fatal ist jedoch, hier die falsche Konsequenz zu ziehen. Nicht Europa<br />
muss sich den unterentwickelten Demokratien anpassen, sondern<br />
diese müssen mit allen legitimen Mitteln der Politik dazu gebracht<br />
werden, sich den erreichten internationalen Standards anzupassen.<br />
Technologischer Fortschritt ist zweitrangig gegenüber kulturellem und<br />
politischem Fortschritt. Diese Wertigkeit scheint nicht mehr Konsens<br />
zu sein bei einigen Politikern und das ist gefährlich für unsere Demokratie.<br />
Ein falscher Anfang wurde gemacht in Stuttgart, ihm ist zu wehren.<br />
<strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong>
26. November 2011: „JA! zum AUSSTIEG“<br />
UNSER PAVILLON bekennt sich zu einem „JA ZUM AUSSTIEG“<br />
Die Propaganda der Projekt-Befürworter wird aber massiv und<br />
mit faustdicken Lügen in ganz Baden-Württemberg verbreitet.<br />
Der Kampf David gegen Goliath erscheint fast aussichtslos,<br />
trotz unermüdlichen Einsatzes der Projekt-Gegner. Die Warnungen<br />
einer kleinen Gruppierung, sich nicht auf den Volksentscheid<br />
einzulassen, bevor nicht, wie im Schlichterspruch<br />
vereinbart, ALLE Fakten auf dem Tisch sind, wird überhört.
15. November: Nächtliche Projektion eines Hölderlin-Zitates<br />
auf den bedrohten Bonatz-Bahnhof
...und auf die bedrohten Bäume im Schlossgarten
27. November 2011: „VOLKSENTSCHEID“<br />
Die Baden-Württemberger haben abgestimmt, die Mehrheit<br />
hat sich gegen den Ausstieg aus der Finanzierung von S21<br />
entschieden. Die Argumente der K21_Bewegung haben die<br />
Mehrheit der Abstimmenden nicht erreicht, die Landesregierung<br />
hat sich sofort beeilt, den Bau des geplanten Tiefbahnhofs<br />
nun zu ermöglichen und „kritisch zu begleiten“ .<br />
Die K21-Bewegung steht unter Schock. Die Argumente für<br />
den Kopfbahnhof und alle Informationen über die Problematik<br />
von S21 wurden im und am PAVILLON abgehängt, der Argumente<br />
sind genug getauscht. Rationale Argumentation war<br />
offensichtlich die falsche Strategie, die Infosäulen sind jetzt<br />
schwarz gestrichen.
12. Dezember 2011: „WARM ANZIEHEN“<br />
Viel Irritation unter den „Parkschützern“ und „Parkbewohnern“<br />
löst derzeit das äußere Erscheinungsbild von UN-<br />
SEREM PAVILLON aus. Für Viele ist seine derzeitige Farbe,<br />
die Farbe Schwarz nur als Ausdruck von Trauer und Hoffnungslosigkeit<br />
zu verstehen. Dieser verkürzten Sichtweise<br />
ist eine unbefangene, wahrnehmende Sichtweise anzuraten:<br />
Schwarz kann viele Emotionen ansprechen, es kann auch<br />
kraftvoll, erotisch und elegant erlebt werden. Mit offenen<br />
Sinnen kann auch wahrgenommen werden, dass die Farbe<br />
Schwarz durch einen FILZÜBERZUG des PAVILLONS zustande<br />
kommt. Und wer bei Filz nur an „politischen Filz“ denken<br />
kann, dem ist anzuraten, einfach mal einen Filzhut aufzusetzen.<br />
Dann wird es nämlich warm am Kopf! Was mit „warm<br />
anziehen“ auf der Schrifttafel gemeint ist, ist also ebenso<br />
interpretationsoffen. Was und wer hier gemeint ist, Freund<br />
oder Gegner des Kopfbahnhofes, ist dem Leser selbst<br />
überlassen. Der PAVILLON argumentiert ästhetisch, liebe<br />
Freunde!
Jahreswechsel 2011/2012
10. Januar 2012: „ABWARTEN und TEE-TRINKEN“<br />
Der Park wird nun doch nicht wie angekündigt am 12. Januar<br />
geräumt, der Polizeipräsident von Stuttgart ist so<br />
vernünftig, dass er keine Räumung riskiert und eine längerfristige<br />
, personalintensive Bewachung des Zaunes, solange<br />
gar nicht klar ist, dass der Bahn-Konzern überhaupt die<br />
Bäume im geplanten Umfang fällen darf. Während „UNSER<br />
PAVILLON“ sich schon für die möglichen Auseinandersetzungen<br />
gerüstet hat und die Demo-Sanitäter ein mobiles<br />
Lazarett eingerichtet haben, konzentriert sich der Widerstand<br />
aktuell auf die Verteidigung des Südflügels. Ein „Solar-Café“<br />
hat sich direkt vor dem Gebäude niedergelassen,<br />
Tag und Nacht sind AktivistInnen dort zugange und schenken<br />
heißen Tee an die durchfrorenen Freunde des Kopfbahnhofes<br />
aus. Die haben sich schon mal warm angezogen<br />
in Anbetracht der kommenden Ereignisse. Am Samstag<br />
fand ein beeindruckender Schweigemarsch durch Stuttgart<br />
statt und bei der gestrigen Montagsdemo direkt vor dem<br />
Südflügel wurden nochmals leidenschaftliche Plädoyers für<br />
den Erhalt des Kopfbahnhofs abgegeben. Allen ist jedoch<br />
klar, dass jetzt nur noch ein Wunder den Bahn-Konzern von<br />
seinen barbarischen Abriss-Plänen abhalten kann
12. Januar 2012: „SANITÄTSSTATION“<br />
„UNSER PAVILLON“ hat seine schwarze Hülle wieder fallen lassen<br />
und präsentiert sich jetzt als „Sanitätsstation“ der Demo-<br />
Sanitäter. Die Bewegung bereitet sich nicht nur mental auf die<br />
bevorstehende Abriegelung des Südflügels vor, auch für alle<br />
Eventualitäten bei dem kommenden Polizei-Einsatz will man<br />
gerüstet sein. Das Versagen der Einstzleitung am 30. September,<br />
bei dem keine Sanitäter vor Ort waren ,ist noch in bester<br />
Erinnerung. Bleibt zu hoffen, das der neue Polizeipräsident<br />
und die neue Landesregierung tatsächlich wieder zu einem<br />
Einsatz-Stil zurückkehren, der einem demokratischen Gemeinwesen<br />
entspricht.
20. Januar 2012: „CAFE SOLAIRE“<br />
Der Tag war so schön im Park, das Café SOLAIRE hat sich<br />
nach der Vertreibung vom Südflügel kurzerhand vor UN-<br />
SEREM PAVILLON niedergelassen und hat mit liebevoller<br />
Dekoration zahlreiche BesucherInnen angelockt. Ein friedfertiger<br />
Ort der gepflegten Diskussionskultur. So sind die K21-<br />
Freunde. Und in der Nacht zeigte dann wieder mal S21 sein<br />
wahres Gesicht: starke Polizeikräfte riegelten den Bereich<br />
um den ehemaligen Club „Röhre“ ab und ermöglichten das<br />
völlig sinnfreie Schreddern von 30 Bäumen. Dieser Bereich<br />
wird erst genutzt für Baumaßnahmen wenn- villeicht am<br />
St. Nimmerleinstag- das Planfeststellungsverfahren für die<br />
Filderbahnplanung abgeschlossen ist und eine Baugenehmigung<br />
vorliegt. Die Wut der Kopfbahnhoffreunde wird immer<br />
ohnmächtiger, angesichts der Rücksichtslosigkeit , mit der<br />
die Bahn mit Unterstützung der rot-grünen Landesregierung<br />
Fakten schafft für ihre Pläne. Die Bilder des zerstörten<br />
Ortes kursieren im Internet und lassen böse Vorahnungen<br />
aufkommen, wie es weitergeht in Schuttloch. Wir ersparen<br />
unseren Lesern diesen schrecklichen Anblick und zeigen hier,<br />
wie die bessere Hälfte der Menschheit sich am Samstag betätigt<br />
hat.....
....embed yourself
27. Januar 2012: „SELF EMBEDDED ARTISTS“<br />
UNSER PAVILLON ist jetzt als OBSERVATORIUM URBANER<br />
PHÄNOMENE final aufgerüstet. Das Kamerateam des PAVIL-<br />
LONS und CAMS21 werden das Geschehen im Stuttgarter<br />
Schlossgarten in der letzten Phase von der sicheren Plattform<br />
herab beobachten. Auch die „embedded journalists“<br />
der zum show-down eingeladenen Presse werden von „selfembedded<br />
artist“ bei ihrer Tätigkeit als Teil der medialen<br />
Inszenierung dokumentiert.
6. Februar 2012: „BEOBACHTUNGSTAUBE“<br />
Zahlreiche Kongress-TeilnehmerInnen der „STUTTGART OPEN<br />
FAIR“ haben sich heute bei „UNSEREM PAVILLON“ trotz eisiger<br />
Kälte zu einem „Stadtspaziergang“ getroffen. Anliegen war das<br />
Gespräch über die Frage „Wie wollen wir in Zukunft in unseren<br />
Städten leben“ anhand konkreter Beobachtungen in Stuttgart.<br />
<strong>Unser</strong>e „BEOBACHTUNGSTAUBE“ begrüßt die TeilnehmerInnen<br />
von der Beobachtungsplattform für „self-embedded artists“<br />
herab
12. Februar 2012: „D-DAY“<br />
„UNSER PAVILLON“ zeigt sich nochmals von seiner besten<br />
Seite, bereit für die letzte Schlacht. Der Name für den<br />
geplanten Polizei-Einsatz konnte unsensibler nicht gewählt<br />
werden: „D-DAY“ heißt der Polizeieinsatz, wie der Einsatz<br />
der allierten Streitkräfte seinerzeit in der Normandie. Peinlich,<br />
als dieser faux-pas der Polizei bekannt wurde
13. Februar 2012: „SCHLOSSGARTEN FINALE“<br />
Heute morgen um 7 Uhr haben wir den Park verlassen<br />
müssen, in uns noch die vielen Bilder einer langen Nacht<br />
der lebendigen, achtsamen, phantasievollen und kreativen<br />
Schlossgartenkultur. 5 Stunden später waren wir<br />
wieder dort, um die Zerstörung UNSERES PAVILLONS zu<br />
verhindern, entgegen der Abmachung mit der Polizei- Einsatzleitung,<br />
die uns zugesagt hatte, dass dies nicht sofort<br />
geschieht. Der Park bietet ein Bild des Grauens: Eine verwüstete<br />
Mondlandschaft, die kreativen Werke der Parkbewohner<br />
mit Planierraupen plattgewalzt und zu Schutthäufen<br />
aufgetürmt, erste gefällte Bäume, alles durchzogen mit<br />
hässlichen Bauzäunen, überall noch behelmte Polizisten,<br />
dazwischen gut gekleidete Damen und Herren,mit wichtigen<br />
Gesichtern und Plänen in den Händen. Zwei Kulturen sind<br />
hier aufeinandergeprallt, die MEHRHEITSKULTUR hat gesiegt.
das letzte Bild der „SCHLOSSGARTENFREIHEIT“
DER MORGEN DANACH...
DAS WAR „UNSER PARK!“
16. Februar 2012: „ABTRANSPORT mit HINDERNISSEN“<br />
Hier eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse rund um<br />
den Abtransport „UNSERES PAVILLONS“ aus dem Stuttgarter<br />
Schlossgarten:<br />
Trotz schriftlichen und telefonischen Kontaktes mit der für<br />
die Park-Räumung zuständigen Einsatzleitung der Polizei,<br />
bei dem der Abtransport am Folgetag zugesagt wurde, haben<br />
am Morgen des 15. Februar Bauarbeiter sich unbefugt<br />
am PAVILLON zu schaffen gemacht, ohne dass die Polizei<br />
dagegen einschritt. Nur ein beherztes Eingreifen von Beobachtern<br />
von außen(Danke!) konnte die Zerstörung des<br />
<strong>Pavillon</strong>s verhindern.<br />
<strong>Unser</strong>em Abbau-team wurde für die Zerlegung des <strong>Pavillon</strong>s<br />
von der Polizei eine extrem knappe Frist gesetzt, bis<br />
12 Uhr am Folgetag sollte alles abtransportiert sein. Mit<br />
unseren zahlreichen engagierten HelferInnen wäre das eigentlich<br />
zu bewerkstelligen gewesen, wäre nicht eine permanente<br />
Behinderungsstrategie dazwischengekommen, als<br />
deren Quelle sich später das Finanzministerium ( als Verwalter<br />
der Landes-Liegenschaften, oberster Dienstherr Nils<br />
Schmid) herausstellte.<br />
Zunächst wurde die Abfahrt unseres Transportfahrzeuges<br />
schikanös verzögert durch zahlreiche polizeiliche Überprüfungsmaßnahmen.<br />
Bei den dabei stattfindenden Telefonaten<br />
der Beamten mit sehr hohen Stellen wurde langsam<br />
klar, dass es darum ging, uns keinen neuen Standort in<br />
Stuttgart zu ermöglichen.
Wir hatten vor 8 Wochen sowohl an Herrn MP Kretschmann,<br />
an die Staatsrätin für Bürgerbeteiligung Erler und an Finanzminister<br />
Schmid (zuständig für öffentliche Parkanlagen des<br />
Landes) die Neukonzeption UNSERES PAVILLONS geschickt,<br />
die eine Neuaufstellung im Oberen Schlossgarten- anvisierte.<br />
Herr Kretschmann hat bis dato nicht reagiert, die Staatsrätin<br />
für Bürgerbeteiligung Erler hat uns von einem Mitarbeiter<br />
telefonisch ausrichten lassen, sie sei für derartige Partizipations-<br />
Projekte nicht die richtige Adresse, Nils Schmid Ministerium<br />
hat kurz vor dem Räumungstermin (nach 8 Wochen)<br />
einen ablehnenden Bescheid geschickt mit der Begründung,<br />
der Schlossgarten sei eine denkmalgeschütztes Ensemble,<br />
außerdem würden wir die Enten auf dem Eckensee mit unserer<br />
künstlerischen Installation stören. Diese Begründung<br />
ist nach den neuen Ereignissen als Schutzbehauptung entlarvt<br />
Nach dieser Absage haben wir so schnell wie möglich nach<br />
einem Ort für eine kurzfristige Zwischenlagerung gesucht,<br />
bis wir zu einem späteren Zeitpunkt auf dem „Verhandlungsweg“<br />
unser Anliegen umsetzen können: ein prominenter<br />
und angemessener Aufstellungsort im Herzen Stuttgarts<br />
für die soziale Plastik „UNSER PAVILLON“.<br />
Als vorübergehendes „Asyl“ hatten wir in dieser schwierigen<br />
Lage dann die Skulpturenplattform hinter dem Württembergischen<br />
Kunstverein als vorübergehendesr Zwischenlagerung<br />
anvisiert.<br />
Kurz nach der um eine Stunde verzögerten Ausfahrt stoppte<br />
unsere Polizei-Eskorte plötzlich mitten auf der Strasse und<br />
wir wurden informiert, dass sich „höhere Stellen“ mit uns<br />
inzwischen befassten. Nach zahlreichen Telefonaten der<br />
Beamten kam dann nach einer weiteren Stunde folgende<br />
Information: Wir dürfen mit UNSEREM PAVILLON auf gar<br />
keinen Fall auf das Gelände des WKV, das im Besitz des<br />
Liegenschaftsamtes ist(zuständiger Minister: Nils Schmid),
wir sollten das Stadtgebiet umgehend verlassen. Verantwortliche<br />
Stelle für diesen Befehl sei das Liegenschaftsamt,<br />
Namen durften uns nicht genannt werden Dass damit der<br />
ganze Zeitplan nicht mehr einzuhalten war (inzwischen war<br />
es schon nach 12 Uhr) war klar, der Abtransport UNSERES<br />
PAVILLONS sollte offensichtlich vereitelt werden.<br />
Wir haben gegen dieses Vorgehen protestiert und den Beamten<br />
erklärt, dass wir dennoch unsere Fahrt zum WKV<br />
fortsetzen würden. Am WKV angekommen erfuhren wir<br />
vom Leiter des Hauses, Hans Christ, dass ihm inzwischen<br />
von Seiten des Liegenschaftsamtes telefonisch mitgeteilt<br />
wurde, wir dürften auf keinen Fall auf dem Gelände des<br />
WKV UNSEREN PAVILLON plazieren mit der Begründung,<br />
„ein als sichtbares Symbol des Widerstandes erkennbares<br />
Kunstwerk würde hier nicht geduldet“.. Daraufhin bot er uns<br />
entgegenkommenderweise an, die Einzelteile des <strong>Pavillon</strong>s<br />
vorübergehend im Gebäude selbst einzulagern.<br />
<strong>Unser</strong> Zeitplan war durch diese Taktik inzwischen nicht mehr<br />
einzuhalten, bei der zweiten notwendigen Einfahrt in den<br />
Schlossgarten wurden wir nicht mehr eingelassen mit der<br />
Begründung unserer Ultimatum sei abgelaufen. Nach Telefonaten<br />
unsererseits mit dem sog. „Kommunikationsbüro<br />
S21“ (zuständig für alle Vorgänge rund um die Parkzerstörung)<br />
sowie dank der Unterstützung unserer Eskort-Beamten<br />
konnten wir das „Ultimatum“ dann doch noch verlängern<br />
und die Bergung der restlichen PAVILLON-Elemente<br />
durchführen. Wir halten diese Ereignisse für nicht akzeptabel<br />
und als eine Überschreitung einer Grenze, die bei allen<br />
Demokratisch gesinnten Bürgern die Alarmglocke auslösen<br />
muss: Eine Behinderung von Kunst in diesem Ausmaß und<br />
mit dieser eindeutig politischen (!) Begründung ist eine<br />
neue Dimension der politischen Kultur in Stuttgart. Wir sind<br />
daher an einer Klärung dieser Vorgänge interessiert und an<br />
einer öffentlichen Debatte über die derzeitigen Veränderung<br />
der politischen Kultur in Stuttgart.
„Asyl“ im Württembergischen Kunstverein Stuttgart
21. Februar 2012: „KULTURSCHANDE“<br />
„UNSER PAVILLON“ lebt, er hat sich derzeit zum Schrecken<br />
seiner Gegner in einen materiellen Teil und einen lebendigen<br />
Teil verdoppelt. Während der materielle Teil sich im Schutz<br />
der Kunst (im WKV) derzeit noch von den Strapazen des Umzugs<br />
erholt, ist der lebendige Teil quitschvergnügt im öffentlichen<br />
Raum zugange. Hier unsere unermüdlichen Hauptaktivist_Innen<br />
bei einem Beitrag zum Rosenmontags-Umzug
27. Februar 2012: „SIE WERDEN GEBETEN ZU SCHWEIGEN“<br />
Der SPD- Vorsitzende und stellvertretende Ministerpräsident<br />
von Baden-Württemberg, Nils Schmidt, hatte im<br />
Wahlkampf das Motto ausgegeben: „Nach dem Volksentscheid<br />
haben die Kritiker des S21-Projektes zu schweigen!“<br />
Wohl wissend, dass der sog. Volksentscheid, in<br />
Wahrheit ein Regierungs-Referendum, prinzipiell scheitern<br />
musste auf Grund des Quorums. Ein übler Taschenspielertrick,<br />
mit dem die Schein-Legitimation des Projektes<br />
weiter untermauert werden sollte. Diese Strategie<br />
ist aufgegangen, der Widerstand gegen S21 wird nun<br />
von den Projekt-Befürwortern als undemokratische Haltung<br />
abqualifiziert. Mit Argumenten ist der Dialog über<br />
das Projekt nicht mehr voran zu bringen.<br />
Als Konsequenz des „Schweigegebotes“ versammeln sich<br />
jetzt jeden Samstag ab 15 Uhr einige Projektgegner am<br />
ehemaligen Aufstellungsort UNSERES PAVILLONS und<br />
demonstrieren SCHWEIGEND gegen ihre staatlich verordnete<br />
Ohnmacht. Worüber man nicht reden kann, darüber<br />
muss man schweigen. Auch darin liegt eine Kraft.
März 2012: Neue Pläne für „UNSEREN PAVILLON“
Überlegungen zur Neuaufstellung des <strong>Pavillon</strong>s an passendem Ort<br />
Die unter dem Namen „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“ bekannt gewordenen Einrichtung im Mittleren Schlossgarten verstand sich von Anfang an als<br />
ein Ort der „Beobachtung urbaner Phänomene“ und des künstlerischen Experiments. In unmittelbarer Nähe der 1977 aufgestellten<br />
Skulptur „Schichtung 107 (Stuttgarter Tor)“ von Thomas Lenk fungierte der <strong>Pavillon</strong> zunächst als Camera obscura. In seinem abgedunkelten<br />
Inneren war das auf dem Kopf stehende Bild des Stuttgarter Bahnhofsturms zu sehen. Die Vergegenwärtigung der „auf dem<br />
Kopf stehenden Verhältnisse“ im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen das Mega-Projekt „Stuttgart 21“ setzte sich in einer Reihe<br />
von Veranstaltungen fort, die allesamt von dem Wunsch beseelt waren, die mentalen und politischen Wurzen dieses Widerstandes<br />
zu ergründen. Was treibt Menschen an, wegen eines Bahnhofs zu Tausenden auf die Straße zu gehen oder eiskalte Nächte im Schlossgarten<br />
zu verbringen? Wie konnte und kann ein verkehrstechnisches Projekt so viele Emotionen entfachen? Wie konnte „Stuttgart 21“<br />
zum Synonym werden für eine neue gesellschaftspolitische Neuorientierung, deren Auswirkungen noch gar nicht abschätzbar sind?<br />
Die jetzige grün-rote Landesregierung verdankt ihre Existenz eindeutig dieser politischen Entwicklung. Der Volksentscheid vom 27.<br />
November 2011 hat zwar eine klare Mehrheit gegen den Ausstieg aus der Mitfinanzierung des Landes ergeben, enthält aber ungeachtet<br />
seines zu respektierenden Endergebnisses eine politische Botschaft. Wenn fast die Hälfte der Stuttgarter Wähler sich gegen<br />
die Beteiligung des Landes an der Mitfinanzierung von Stuttgart 21 und damit gegen das Projekt selbst ausgesprochen hat, bedeutet<br />
dies, dass die Stadt praktisch in zwei Lager gespalten ist. Die in den Protest eingegangenen und weiterwirkenden Impulse werden sich<br />
jedoch nicht einfach abstellen lassen; und sollten es auch nicht. Es wäre auch politisch unklug, den einmal erreichten Bewusstseinsstand<br />
hinsichtlich des Umgangs mit Großprojekten wieder rückgängig machen zu wollen.<br />
Insofern der neue Bahnhof zum lokalen Monument eines vermeintlich fortschrittlichen Denkens erklärt wurde, wäre es nur gerecht,<br />
denjenigen, die für einen anderen Fortschrittsbegriff stehen, ebenfalls die Chance einer öffentlichen Manifestation einzuräumen. Die<br />
Weiterentwicklung der in die Kritik an Stuttgart 21 eingegangenen Gedanken zu einem zeitgemäßen Demokratie- und Fortschrittsbegriff<br />
könnte sich eines Tages als wichtige Ressource erweisen, wenn es darum geht, Alternativen zum blinden Weitermachen parat zu<br />
haben.<br />
Deshalb sehen wir es als Selbstverständlichkeit an, dem Widerstand gegen Stuttgart 21 den Raum zu gewähren, den er angesichts<br />
seiner weit über Stuttgart hinauszielenden historischen Dimension verdient hat; nicht im Sinne einer letztlich entpolitisierenden Musealisierung,<br />
sondern als Manifestation derjenigen noch immer aktiven Kräfte in Stadt und Land, die diesen Bewusstseinswandel überhaupt<br />
erst ermöglicht haben.<br />
Es wäre sowohl für die Stadt wie für das Land beschämend, den zahlenmäßig starken projektkritischen Teil der Bevölkerung durch<br />
Ignoranz seiner zentralen Handlungsmotive vom politischen Geschehen fernzuhalten.<br />
Das Ergebnis des Volksentscheids mag die Meinung der Bevölkerungsmehrheit zu einem bestimmten Zeitpunkt objektiv wiedergeben,<br />
dies bedeutet jedoch nicht, dass die gegen S21 vorgebrachten Argumente damit ein für alle mal widerlegt wären. Im Gegenteil: es ist<br />
durchaus denkbar, dass die weitere Entwicklung des Großprojekts den Gegnern nach und nach Recht geben könnte. Und spätestens<br />
dann wäre man gut beraten, noch über andere Denkfiguren zu verfügen, als diejenigen, die unter Fortschritt allein die Fortschreibung<br />
des längst in die Kritik geratenen Wachstumsbegriffs verstehen. Der Ausstieg aus eingeschliffenen Denkmustern hat nicht erst seit<br />
dem Ausstieg aus der Atomkraft seine öffentliche Beglaubigung erfahren.<br />
Doch sollte es bei all dem nicht um Rechthaberei gehen, sondern um den Respekt vor den auch in die Sachargumente gegen Stuttgart<br />
21 eingegangenen gesellschaftspolitischen Prämissen. Es wäre unter dem Gesichtspunkt einer nachhaltigen Zukunftsplanung sträflich,
diesen am Beispiel von S21 angestoßenen Denkprozess nun mutwillig zu unterbrechen. Die Diskussion um eine Reformierung des Demokratiebegriffs<br />
hat erst begonnen.<br />
Da sich der <strong>Pavillon</strong> von vornherein als eine mitten in das Widerstandszenario eingebaute Beobachtungsplattform und Akkumulator<br />
gesellschaftskritischer Energien verstand, wäre er prädestiniert, den nun beginnenden Prozess einer „konstruktiven kritischen“ Begleitung<br />
des Großprojekts von der Basis her zu ermöglichen.<br />
Wir fordern deshalb für den oben diesen <strong>Pavillon</strong> einen Ort, der so zentral gelegen sein müsste, wie es der Prominenz seines Themas<br />
entspricht. Es sollte nicht darum gehen, den „Verlieren“ eine höfliche, der „Befriedung“ dienende Offerte zu unterbreiten, sondern<br />
– ganz unbescheiden – um die Anerkennung ihrer tatsächlichen Bedeutung.<br />
Ein möglicher Ort für eine Neuaufstellung des <strong>Pavillon</strong>s könnte der zwischen Staatstheater, Neuem Schloss und Kunstgebäude liegende<br />
Eckensee sein. Im Look einer schwimmender Plattform könnte der <strong>Pavillon</strong> seinen ungesicherten und vielleicht gerade deshalb aussagekräftigen<br />
Ort vor aller Augen gegen die romantische Sehnsucht nach stabilen Verhältnissen verteidigen. Umgeben von Schwänen<br />
und nicht besonders beeindruckt von den staatstragenden Gebäuden ringsum, könnten die Besucher des <strong>Pavillon</strong>s effektiv weiterarbeiten<br />
an dem, was gerade erst begonnen hat und unvernünftigerweise doch schon wieder ad acta gelegt werden soll.<br />
(Harry Walter)<br />
Entwurf für eine mögliche Neu-Gestaltung von „UNSER PAVILLON“, schwebend<br />
in einem Gerüst mit LED-Laufschriften zur Verbreitung pavillonistischen<br />
Gedankengutes, vorübergehend verortet auf der Skulpturenplattform des<br />
Württembergischen Kunstvereines Stuttgart
15. März 2012: „KLEINE SCHRITTE“<br />
„UNSER PAVILLON“ macht schon wieder die ersten vorsichtigsubversiven<br />
Schritte in den öffentlichen Raum. Über die Plattform<br />
des WKV , in dem er z.Z. Asyl gefunden hat, bewegt er<br />
sich „en miniature“ in Richtung Eckensee, seinem anvisierten,<br />
adäquaten Standort im öffentlichen Raum. Wer Großes will<br />
muss klein anfangen.
25. März 2012: „DIE PAVILLONISTISCHE BEWEGUNG“<br />
Die „PAVILLONISTISCHE BEWEGUNG“ wurde heute beim<br />
Treffen des <strong>Pavillon</strong>-Teams und SympathisantInnen auf der<br />
Plattform des WKV aus der Taufe gehoben: Viele kleine unabhängige<br />
Zellen werden in Zukunft im urbanen Raum im<br />
Geiste von „UNSEREM PAVILLON“ agieren. Ein Signet der<br />
Bewegung markiert den Ort ihrer Entstehung, von hier aus<br />
wird sich die Bewegung unausfhaltbar ausbreiten.
Die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung<br />
Vor einem Jahr wurde im Rahmen des Widerstands gegen das<br />
Bauprojekt Stuttgart 21 die Initiative „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“ gegründet.<br />
In mitten des umstrittenen Schlossgartens, jenem Ort, an<br />
dem die Baugrube für den geplanten Tiefbahnhof ausgehoben<br />
werden soll, wurde ein temporärer, containerartiger Holzbau<br />
aufgestellt. Als Informations- und Ausstellungsplattform der<br />
K21-Bewegung war der von der Künstlergruppe Begleitbüro<br />
SOUP initiierte <strong>Pavillon</strong> nicht nur Anlaufstelle für Aktivisten und<br />
Künstler, sondern auch für interessierte Passanten. Mit der Räumung<br />
des Schlossgartens Anfang des Jahres musste auch das<br />
Gebäude weichen. Die Idee des <strong>Pavillon</strong>s lebt weiter.<br />
Zum Jahrestag hatten wir ein sehr besonderes Treffen an<br />
unserem <strong>Pavillon</strong>. Viele Menschen versammelten sich, trugen<br />
spontan etwas vor, sangen, tauschten sich aus. Bemerkenswert:<br />
Da, wo einst der <strong>Pavillon</strong> in seiner physischen Manifestation<br />
stand, waren nur noch Klebebandstreifen, die an seinen<br />
Grundriss erinnerten. Beraubt ihrer Inkarnation bleibt die nackte<br />
Idee, ohne die Bürde einer Bude, die gepflegt und gehegt<br />
sein will, die nur bedingt mobil auf die Bedürfnisse ihrer <strong>Pavillon</strong>isten<br />
reagieren kann. Was ist „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“? Ist es ein<br />
Haufen zusammengeschraubter Bretter, die im Ausstellungsraum<br />
des Württembergischen Kunstvereins ihr Exil fristen? Sind<br />
es die weißen Maleranzüge, in denen einige <strong>Pavillon</strong>isten auf<br />
die Montagsdemo gehen? Ist es die Facebookseite, die befüllt<br />
und moderiert wird, ist es das offene Mikrofon, in das beharrlich<br />
geschwiegen wird? Oder sind es die Linien im Schlossgarten,<br />
die das gedankliche Loch umranden, das einst der <strong>Pavillon</strong><br />
füllte? Die Antwort ist einfach: <strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>, das sind die<br />
<strong>Pavillon</strong>isten! Menschen, die die Idee des <strong>Pavillon</strong>s nicht nur in<br />
ihren Köpfen und Herzen tragen, sondern sie auch leben. Sei es<br />
auf Facebook oder im Maleranzug. Es sind Menschen, die sich<br />
für eine neue Bürgergesellschaft interessieren und engagieren.<br />
Menschen in all ihrer Vielfalt, deren gemeinsamer Nenner eine<br />
Haltung ist.<br />
Ursprünglich war es die K21-Bewegung für die der <strong>Pavillon</strong><br />
stand. Doch schnell haben wir bemerkt, dass Stuttgart 21 nur<br />
ein Symptom einer grundlegenden Schieflage unseres Systems<br />
ist. Das Großbauprojekt und die Methoden seiner Zustandebrin-<br />
gung sind ein Atavismus aus der Zeit des Wirtschaftswunders,<br />
als es galt, eine zerbombte Stadt wieder aufzubauen. Heute<br />
muss man zuerst zerstören, wenn man bauen will. Jene, die<br />
durch das alte System an die Macht gekommen sind, nutzen<br />
eben diese Macht, um ihr System zu verteidigen – Systemkritiker<br />
sind da unerwünscht. Und genau das sind wir <strong>Pavillon</strong>isten.<br />
Wir beleuchten systemimmanente Schwachstellen und hinterfragen,<br />
sind Sand im längst obsoleten Getriebe unserer Stadt und<br />
überlegen uns Alternativen, wie unsere Bürgergesellschaft zeitgemäß<br />
funktionieren kann. Welche Lösung die richtige ist, weiß<br />
keiner. Es gibt mindestens so viele Ansätze wie es Köpfe gibt,<br />
diese zu erdenken. Darum sind wir <strong>Pavillon</strong>isten eine so bunte<br />
Truppe. „We are the multitude“. Wir werden nie Konsens darüber<br />
finden, welche Ziele wir mit welcher Methode erreichen werden,<br />
doch eins eint uns: der Wille, es besser zu machen. Ob Open<br />
Planning, Liquid Democracy oder Bedingungsloses Grundeinkommen,<br />
die Diskussion über die Wege zu einer uns gerechten<br />
Gesellschaft bringt uns voran.<br />
Doch brauchen wir Konsens? Wollen wir uns über Mittel und<br />
Wege unseres Wirkens verstreiten, Frakionen bilden und Wortführer<br />
ernennen? Brauchen wir Oberpavillonisten, Hilfspavillonisten,<br />
Entscheidungsträger, Sprecher, Kassenwart und Fußvolk,<br />
das die Arbeit macht? Wollen wir uns so organisieren, wie jene,<br />
die wir kritisieren? Es ist an der Zeit, neu zu denken! Leben<br />
wir doch mit den Widersprüchen und definieren uns lieber über<br />
unseren Willen, etwas zu bewegen. Wir brauchen keine Hierarchien,<br />
wir sind ein Netzwerk. So wie Anonymous, jene Hacker,<br />
die für die Freiheit im Netz kämpfen. Da sie keinen Kopf haben,<br />
kann man diesen nicht abschneiden, oder bei einer Schlichtung<br />
über den Tisch ziehen. Die Machthabenden sind Strukturen<br />
gewohnt, die ihren gleichen – da können sie den längeren Hebel<br />
ansetzen. Einen physischen <strong>Pavillon</strong> können sie aus dem Stadtbild<br />
verbannen, einen Chefpavillonisten können sie einlullen. Ein<br />
Netzwerk aus engagierten Bürgern, die heute im weißen Anzug<br />
und morgen mit einer Rolle Klebeband einfach aufkreuzen und<br />
<strong>Pavillon</strong> machen sind nicht greifbar aber omnipräsent.<br />
Lasst uns den Gedanken des <strong>Pavillon</strong>s von überkommenen<br />
Strukturen befreien! Wir brauchen keine Bude, wir brauchen<br />
keine Hierarchien. Wir brauchen Menschen, die bereit sind zu
sagen und zu zeigen: Ich bin <strong>Pavillon</strong>ist! Ich bin für ein besseres<br />
System, das nicht nur einer kleinen Elite dient. Lasst uns den<br />
physischen <strong>Pavillon</strong> auf das reduzieren, was ihn am stärksten<br />
macht: ein Symbol. Ein Symbol für unsere Haltung, unseren Mut<br />
und Willen zur Veränderung. Ein Symbol, dass durch die Geschichte<br />
des <strong>Pavillon</strong>s im Schlossgarten aufgeladen wurde und<br />
so in unserem Bewusstsein verwurzelt wurde. Jetzt ist es an<br />
der Zeit, die Energie und Idee des <strong>Pavillon</strong>s in etwas Neues zu<br />
transformieren, was über die Grenzen eines einzelnen Raumes<br />
hinausgeht. Wir transferieren den Raum zu einer Bewegung.<br />
Doch wie schaffen wir es, die Idee des <strong>Pavillon</strong>s ohne zentralistische<br />
Organisation und physischen Ort am Leben zu halten und<br />
zu verbreiten?<br />
Die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung<br />
<strong>Pavillon</strong>isten<br />
Ein <strong>Pavillon</strong>ist oder <strong>Pavillon</strong>istin ist jeder oder jede, der oder die<br />
anderen einen Raum bietet, <strong>Pavillon</strong>istische Ideen auszutauschen<br />
und zu verbreiten.<br />
<strong>Pavillon</strong>istische Ideen<br />
<strong>Pavillon</strong>istische Ideen sind Einfälle, Überlegungen, Entwürfe<br />
und Konzepte, die einem besseren Zusammenleben in unserer<br />
Gesellschaft dienen und andere befähigen, selbst <strong>Pavillon</strong>isten<br />
zu sein. Dadurch kann die pavillonistische Idee viral verbreitet<br />
werden.<br />
Diese Ideen sind nicht an sprachliche oder rationale Formulierungen<br />
gebunden. Sie dürfen bildhaft, visionär und experimentell<br />
sein. Sie bedienen sich aller Möglichkeiten kultureller und<br />
künstlerischer Ausdruckformen wie zum Beispiel Gedichte, Plakate,<br />
Texte, Ausstellungen, Performances, Gespräche, Vorträge<br />
oder Lieder. <strong>Pavillon</strong>isten bemühen sich eigenverantwortlich um<br />
ein hohes Maß an ästhetischer Qualität und inhaltlicher Stimmigkeit<br />
bei der Formulierung ihrer Ideen.<br />
(Zur viralen Verbreitung von Gedanken: http://de.wikipedia.<br />
org/wiki/Mem).<br />
<strong>Pavillon</strong>istische Grundsätze<br />
• Gleichheit, keine Diskriminierung. Jeder kann <strong>Pavillon</strong>ist<br />
sein, muss sich nicht erst anmelden oder die Erlaubnis holen.<br />
• Offenheit gegenüber allen Menschen und Ideen.<br />
• Kritische Haltung gegenüber dem bestehenden System, Bereitschaft,<br />
neue Wege zu denken und zu gehen. Offenheit gegenüber<br />
allen Ansätzen, die nicht gegen die <strong>Pavillon</strong>istischen Grundsätze<br />
verstoßen.<br />
• Der <strong>Pavillon</strong>ismus ist nicht kommerziell.<br />
• Der <strong>Pavillon</strong>ismus ist außerparlamentarisch und darf nicht<br />
von der Politik instrumentalisiert werden.<br />
• Vielfalt: Untschiedliche Meinungen innerhalb der Bewegung<br />
sind Grundlage für Diskussionen, die auf respektvolle Weise geführt<br />
werden.<br />
<strong>Pavillon</strong>istische Räume<br />
Der <strong>Pavillon</strong>istische Raum ist ein physischer und/oder virtueller Ort,<br />
der offen für alle Menschen ist und das Austauschen und Verbreiten<br />
<strong>Pavillon</strong>istischer Ideen ermöglicht.<br />
<strong>Pavillon</strong>istisches Handeln<br />
<strong>Pavillon</strong>istisches Handeln ist das Erzeugen und Betreiben <strong>Pavillon</strong>istischer<br />
Räume und das Verbreiten der <strong>Pavillon</strong>istischen Idee. Jeder<br />
<strong>Pavillon</strong>ist ist für sein eigenes Handeln verantwortlich.<br />
<strong>Pavillon</strong>istische Zellen<br />
Eine <strong>Pavillon</strong>istische Zelle ist eine Gruppierung von <strong>Pavillon</strong>isten,<br />
die gemeinsam <strong>Pavillon</strong>istische Räume erzeugen und betreiben.<br />
Alle <strong>Pavillon</strong>istischen Zellen sind gleichwürdig.<br />
Die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung<br />
Die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung ist ein Netzwerk/Schwarm unabhängiger<br />
Zellen, die das gleiche Ziel verfolgen, aber in keiner festen<br />
Organisationsform stehen. Sie ist dadurch nicht anzugreifen und<br />
egalitär.<br />
Es gibt keine offiziellen Sprecher der Bewegung. Niemand darf<br />
für die gesamte Bewegung alleine sprechen, nur für seine eigene<br />
Zelle. Wenn jemand über das Aufstellen eines physischen <strong>Pavillon</strong>s<br />
mit der Stadt oder dem Land verhandelt, dann tut er das nur im<br />
Namen der Zelle, die den <strong>Pavillon</strong> dann dort aufstellt und betreibt<br />
und die Verantwortung dafür übernimmt. Keine <strong>Pavillon</strong>istische<br />
Handlung bedarf der Absprache mit anderen <strong>Pavillon</strong>isten oder<br />
einer Genehmigung. Es gibt keine Instanz, die über <strong>Pavillon</strong>istische<br />
Handlungen entscheidet.<br />
Auf den ersten Blick raubt das dem <strong>Pavillon</strong> an Schlagkraft, doch<br />
wenn man die Sache zu Ende denkt, verleiht es ihm eine viel grö-
ßere Kraft und verhindert, dass Einzelne versuchen, Macht über die<br />
Bewegung auszuüben.<br />
Um <strong>Pavillon</strong>istische Aktivitäten zu koordinieren soll es weiterhin regelmäßige<br />
Treffen geben, bei denen sich Zellen austauschen und es möglich<br />
ist, sich für größere Projekte zusammenzuschließen.<br />
Das <strong>Pavillon</strong>istische Zeichen<br />
Um die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung sichtbar zu machen, setzen wir ein<br />
Zeichen, das <strong>Pavillon</strong>istisches Handeln sichtbar macht und Spuren<br />
unseres Schaffens hinterlässt. Es dient als Erkennungsmerkmal der<br />
Bewegung und bildet einen Rahmen um alles <strong>Pavillon</strong>istische Handeln,<br />
ist der „rote Faden“ durch die Vielfalt unterschiedlicher Beiträge.<br />
Das <strong>Pavillon</strong>istische Zeichen kennzeichnet <strong>Pavillon</strong>istische Räume und<br />
Kommunikation. Es symbolisiert die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung. Seine<br />
Anwendung im öffentlichen Raum hilft der Verbreitung und Sichtbarkeit<br />
des <strong>Pavillon</strong>ismus. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass kein<br />
Vandalismus betrieben wird, da dieser die Akzeptanz der Bevölkerung<br />
gegenüber der Bewegung senkt. Nichtpermanente Zeichen aus Kreide<br />
oder ablösbarem Klebeband sind zwar vergänglich, zeigen jedoch die<br />
Dynamik unserer Bewegung. Keine Idee darf in Stein gemeiselt werden,<br />
sie müssen offen für Veränderungen sein.<br />
Das <strong>Pavillon</strong>-Zeichen leitet sich auch dem Grundriss des Ur-<strong>Pavillon</strong>s<br />
aus dem Schlossgarten ab. Ein Rechteck mit je einer Öffnung an den<br />
schmalen Seiten und je vier Lamellen an den langen Seiten.<br />
Die Proportionen des Originalpavillons werden abstrahiert. Das Logo<br />
wird wie ein Schriftzeichen verwendet, welches in einer Vielfalt an<br />
Schrifttypen dargestellt werden kann. Die Grundform ist eindeutig, die<br />
Ausgestaltung ist variabel. Dies steht für die Vielfalt der Bewegung, die<br />
sich jedoch auf gemeinsame Grundwerte beruft.<br />
Neben der architektonischen Symbolsprache gibt es noch weitere Interpretationen:<br />
Chips (Prozessoren):<br />
Das Zeichen erinnert an Chips wie zum Beispiel Prozessoren. Chips<br />
nehmen Daten auf, verarbeiten sie und geben sie weiter. Sie steuern,<br />
berechnen, kommunizieren und sind der Motor der heutigen Kommunikationsnetzwerke.<br />
Spinnen<br />
Spinnen haben acht Beine, sie sind überall zu finden und spinnen<br />
Netze. <strong>Pavillon</strong>zeichen könnten sich wie ein Schwarm über die gesamte<br />
Stadt ausbreiten. Die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung ist kein Organismus<br />
mit spezialisierten Zellen, die nur eine Aufgabe zu erfüllen haben, sondern<br />
ein Schwarm gleichwürdiger Zellen, die ihre Funktion den Bedürfnissen<br />
anpassen, sich je nach Bedarf zusammenschließen oder wieder trennen.<br />
Wimperntierchen<br />
Die einzelligen Wimperntierchen stehen für die Urzelle, aus der der <strong>Pavillon</strong>ismus<br />
entspringt. Sie vermehren sich durch Zellteilung. Genau so sollen<br />
sich die <strong>Pavillon</strong>istischen Zellen vermehren! Mit jeder Zellteilung entstehen<br />
neue Impulse, die Bewegung breitet sich aus. Jede Replikation durch Zellteilung<br />
bringt Mutation und muss sich der Selektion stellen. Es entsteht ein<br />
evolutionärer Prozess.<br />
Mögliche <strong>Pavillon</strong>istische Räume:<br />
• Eine Gruppe auf Facebook, in der diskutiert werden kann. Jeder<br />
handelt dort unter seinem Namen, niemand tritt als <strong>Pavillon</strong> auf. Deshalb<br />
ist die derzeitige Pavilllonsseite ungeeignet, da sie Administratoren erlaubt,<br />
als <strong>Pavillon</strong> zu sprechen.<br />
Jedem, der Facebook für ungeeignet hält, steht es offen, eine andere Plattform<br />
als <strong>Pavillon</strong>istischen Raum zu schaffen.<br />
• Der physische <strong>Pavillon</strong> oder einzelne Teile dessen können von einer<br />
<strong>Pavillon</strong>istischen Zelle aufgestellt und betrieben werden.<br />
• Mit Overalls oder Shirts gekennzeichnete <strong>Pavillon</strong>isten können im<br />
Umfeld von Demos und anderen Veranstaltungen Gesprächsrunden initiieren<br />
und die <strong>Pavillon</strong>istische Idee verbreiten.<br />
• Veranstaltungen, wie Seminare und Workshops.<br />
• Regelmäßige Formate wie das offene Mikrophon können abgehalten<br />
werden.<br />
Idee und Text<br />
Karin Rehm, Martin Zentner
21. März 2012: Jahrestag Aufstellung UNSER PAVILLON<br />
Zum Jahrestag der Aufstellung „UNSERES PAVILLONS“<br />
trafen sich die Künstler_innen und Aktivist_innen am ehemaligen<br />
Aufstellungsort und markierten mit Klebeband am<br />
Boden den Grundriss des PAVILLONS im Sinne einer „pavillonistischen<br />
Geste“.<br />
Damit Eines klar ist: Wir lassen uns nicht vertreiben, wir<br />
kommen immer wieder, solange unser Recht auf Stadt<br />
und unser Engagement für ein lebenswertes Stuttgart mit<br />
Füßen getreten wird. Anlässe, sich hier zu treffen gibt es<br />
immer wieder, so feierten die Aktivist_innen beispielsweise<br />
den 1. Mai an diesem inzwischen so unwirtlichen Ort.
Gründonnerstag 2012: „LAST SOUP“ im zerstörten Park<br />
In Erinnerung an das Karfreitags-Konzert 2011 wiederholte<br />
das Streich-Ensemble und die Vortragskünstler<br />
vom letzten Jahr ihr klassisches Konzert im jetzt zerstörten<br />
Park, ergänzt durch einige neue Beiträge.<br />
Anschließend gab es nach alter schwäbischer Sitte Maultaschen-Suppe<br />
für alle Schlossgarten- Freunde an einer<br />
eigens inszenierten Tafel.<br />
Bei strömendem Regen musste die Veranstaltung in die<br />
Unterführung am Schlossgarten verlegt werden, zwischen<br />
randalierenden Alkoholikern und martialischen<br />
Bauzäunen war die Stimmung dennoch geprägt von<br />
dem Zauber Bach´scher Kantaten.
„UNSERE PLATTFORM“<br />
Anstelle des Treffpunktes an „UNSEREM PAVILLON“ findet jetzt<br />
jeden Samstag eine „Offene Plattform“ auf der Skulpturen-<br />
Plattform des WKV statt, dem Ort, an dem die Aufstellung<br />
UNSERES PAVILLONS untersagt wurde.<br />
Auch ohne <strong>Pavillon</strong> lassen sich die Stuttgarter Bürger_innen<br />
nicht davon abhalten, miteinander im Gespräch zu bleiben<br />
über die Zukunft ihrer Stadt.<strong>Unser</strong>e Fragen: „Was heißt Fortschritt?“<br />
„Was könnte Demokratie sein?“ und „Wem gehört die<br />
Stadt?“ nsind noch lange nicht beantwortet!
„WIR SIND SOUVERÄN“<br />
UNSER PAVILLON: Selbstermächtigung zwischen Fiktionalität und Realität<br />
Im Schutze der Dunkelheit am 21. März 2011 im Mittleren Schlossgarten in<br />
Stuttgart subversiv aufgetaucht und fast ein Jahr später, am 12. Februar 2012,<br />
mit massiver Polizeibegleitung von dort wieder abtransportiert, hat UNSER<br />
PAVILLON in dem knappen Jahr seiner sichtbaren Existenz ein Dasein geführt,<br />
das als ominöser Zwischenstatus zwischen der Welt des Fiktionalen und der<br />
Welt des Realen gekennzeichnet werden kann.<br />
Weniger die Tatsache seiner nicht wegzuleugnenden physischen Existenz in<br />
Form einer containerartigen Architektur mit künstlerischem Mehrwert soll aber<br />
Anlass sein , die Widersprüche seines kurzen öffentlichen Daseins ansatzweise<br />
zu reflektieren, vielmehr ist es seine diskursive Dimension als Ort sozialer<br />
Interaktion und kritischer Diskurse, die anscheinend immerhin so beunruhigend<br />
war, dass sie bisher beharrlich aus jeglicher öffentlich-medialen Reflexion<br />
ausgeblendet werden musste. Trotz seiner realen, nicht zu übersehenden<br />
Existenz, hat UNSER PAVILLON es geschafft, in gewisser Weise unsichtbar zu<br />
bleiben, weder eine feuilletonistische Reflektion, noch eine politisch motivierte<br />
Analyse hat sich an diese hybride Zwischenexistenz heran gewagt. Dank seiner<br />
Uneinordenbarkeit blieb UNSER PAVILLON daher von einer Entschärfung seiner<br />
diskursiven Brisanz weitestgehend verschont. Eine erste Zwischenbilanz des<br />
Projektes UNSER PAVILLON soll hier also erfolgen nicht um diese Widersprüche<br />
aufzuklären, sondern im Gegenteil, UNSER PAVILLON soll hier im Sinne einer<br />
Affirmation seiner Widersprüche, als „produktive Paradoxie“ sozusagen, gewürdigt<br />
werden. Totgesagte leben länger.<br />
Schon die geistige Geburt des Projektes war geprägt von einer Aura des<br />
Widerspruches: Von einigen Mitgliedern der Stuttgarter Künstlergruppe SOUP,<br />
die sich das Observieren urbaner Phänomene vorgenommen hat, kam zwar der<br />
initiale Impuls zum Projekt UNSER PAVILLON, er wurde jedoch von Anfang an<br />
im permanenten Dialog mit politischen AktivistInnen des Widerstandes gegen<br />
S21 entwickelt und in die Tat umgesetzt. Diese Kooperation war von Anfang<br />
an zentraler Bestandteil der Konzeption, mit allen möglichen Konsequenzen.<br />
Beiderseitige Rückzugsgefechte in Permanenz sind hier vorprogrammiert, der<br />
Verdacht der Irrelevanz ästhetischer Strategien im Zusammenhang mit Real-<br />
Politik korrespondiert dann bestens mit dem Verharrungsbedürfnis ästhetischer<br />
Diskurse im einsamen Feld der „Autonomie der Kunst“.<br />
Aber ist nicht gerade die massive Irrationalität des Immobilienspekulations-Projektes<br />
S21, das sich in einer leicht durchschaubaren technizistischen Scheinrationalität<br />
der Projekt-Betreiber ebenso zeigt wie in der daraus resultierenden<br />
Reaktion der Projekt-Gegner mit hyperrationaler Fakten-Argumentation (eine klassisch-dialektischen<br />
„ Diskurs-Falle“) eine Herausforderung an eine Reflexion ästhetischer<br />
Provenienz? Wenn Schein-und Pseudo-Rationalität dermaßen zusammen<br />
wirken und von unbedarften Politikern dann Realitäten geschaffen werden, die<br />
-schlimmstenfalls jahrhundertelang - eine Stadt, eine Gesellschaft, eine Lebenswelt<br />
prägen, dann sollte doch eigentlich in dieser Stadt ein Diskurs geführt werden,<br />
der sich als „ästhetische Rationalitäts-Kritik“ an die Wurzel des Übels macht.<br />
In Stuttgart scheint hier Fehlanzeige auf ganzer Linie zu sein. Das Schweigen der<br />
Geisteswissenschaften an diesem Ort mag der Angst vor ihrem real drohenden<br />
“universitärem Weg-gespart-werden“ geschuldet sein, entschuldigt aber nichts.<br />
Diskurse aus dem gesellschaftlichen Sektor der Kultur heraus- insbesondere dem<br />
Stuttgarter Feuilleton- sind sowieso kaum zu erwarten und so verwundert es nicht,<br />
dass die Strategie der „musealen Befriedung“ in Stuttgart so leicht aufgeht: die<br />
ästhetische Dimension der Widerstandsformulierungen am Bauzaun wird kurzerhand<br />
zum Anlass seiner musealen Entschärfung! Und ein bekannter Resort-Chef<br />
des lokalen Feuilletons versteigt sich dann auch noch -quasi als Steigerung der<br />
diskursiven Unterkomplexität- in den abstrusen Vorschlag, man könne doch einen<br />
Baustellen-Beobachtungs-Container aufstellen, in dem der Baufortschritt im Sinne<br />
eines “ästhetischen Events“ beobachtet werden könne, das wäre doch die ideale<br />
Umsetzung bürgerschaftlicher Partizipation. Ja geht es noch schlichter?<br />
Die Akteure im Stuttgarter Kessel scheinen es derweil zufrieden zu sein, zumindest<br />
lassen sie es mit sich machen und trotteln dann auch noch brav in die museale<br />
Inszenierung ihrer Bauzaun- Kreativität. Wenigstens soll es eine Brezel gegeben<br />
haben für alle Beteiligten bei der Vernissage, habe ich mir berichten lassen.<br />
Aber würde nicht andersherum ein Schuh daraus? Könnte nicht gerade eine<br />
Theorie-Diskussion und eine damit korrespondierende Praxis aus dem Geist der<br />
Kunst heraus Bewegung in eine „Bewegung“ bringen, die sich nach dem Abhandenkommen<br />
ihrer symbolischen Anlässe- den Seitenflügeln des Bonatz-Baus und<br />
den Bäumen im Mittleren Schlossgarten- in der Falle einer tragischen Handlungslähmung<br />
tot zu laufen scheint, begleitet von hässlichen Kommentaren in den<br />
Stuttgarter Medien über die „Bewegung im Hamsterrad“ ?<br />
Warum aber philosophische oder ästhetische Diskurse zu einem Projekt, das sich<br />
anscheinend vollständig auf vernünftiger Ebene, der Ebene technischer Dispute<br />
oder mit Hilfe eines „runden Tisches“- wir erinnern uns mit Grausen an die unsägliche<br />
pseudodemokratischen Inszenierung der sogenannten „Faktenschlichtung<br />
auf Augenhöhe“ inklusive ihrer vorprogrammierten Folgenlosigkeit- verhandeln<br />
lässt?<br />
Wer einmal die Gelegenheit hatte - und die hatte das PAVILLON- Team oder die<br />
AktivistInnen, die anlässlich der „Volksentscheids-Kampagne“ unterwegs waren,<br />
zur Genüge - der hat schnell die Erfahrung machen müssen, dass unter der Ober-
fläche der Fakten-Argumentation, sowohl bei Gegnern als auch Befürwortern des<br />
Projektes, eine tiefere Ebene verborgen bleibt, die Ebene der lebensweltlichen<br />
Einstellungen und weltanschaulichen Überzeugungen. Und die sind weit weniger<br />
rational als sie sich gebärden.<br />
Was sich im Gewand von Zahlen und Fakten kleidet sind in Wirklichkeit existentielle<br />
Erfahrungen und biografische Prägungen, Wünsche und Hoffnungen,<br />
Sehnsüchte und Befürchtungen, Lebens- Entwürfe und -Ängste, die sich zwar<br />
rationaler Formulierungen bedienen, in ihrem tatsächlichen Wesen aber Konditionen<br />
unterliegen, die sich nicht auf der Ebene rationaler Diskurse adäquat abbilden<br />
lassen. Bestenfalls in syntaktischen Zwischenräumen, Gesprächspausen,<br />
verlegenem Räuspern oder schriller Stimme, gelegentlich auch im Abbruch der<br />
Kommunikation, in hilflosem oder eisigem Schweigen kommen sie zur Sprache<br />
und können dann von einer „denkenden Wahrnehmung“ beobachtet werden,<br />
das sich eingeübt hat in die Praxis der Dekonstruktion von Sprache.<br />
Fortschritts-Gläubigkeit oder Zweifel am Sinn einer eindimensionalen, linear<br />
gedachten Fortschrittsidee, darüber lässt sich nicht streiten, weil komplette<br />
Lebensentwürfe damit verbunden sind. „Was heißt Fortschritt“ war daher auch<br />
eine der ersten Botschaften, die in Frage-Form an der Außenwand UNSERES<br />
PAVILLONS angebracht wurde. Schnelle Antworten bringen hier nicht weiter.<br />
Grundüberzeugungen lassen sich eben nicht im Gespräch auf der Straße ändern,<br />
aus dem einfachen Grund, weil sich nicht nur die Oberfläche rationaler<br />
Gedanken, Vorstellungen und Meinungen ändern müsste, sondern weil sich ein<br />
ganzes Leben ändern müsste, ein konkreter Mensch sich ändern müsste. Und<br />
- darauf hat auch der Philosoph Peter Sloterdijk in seinem gleichnamigen Buch<br />
vor kurzem hingewiesen - dazu müsste schon die Kraft eines „archaischen Torso<br />
des Apollos“ ins Spiel kommen, bevor wir die Formulierung wagen dürften: „Du<br />
musst Dein Leben ändern“ (Rilke). Sprich: Die Kunst, verstanden in einem als<br />
Lebenspraxis erweiterten Sinn, müsste hier befragt werden. Es ist nämlich keine<br />
Frage, die mit wissenschaftlicher Objektivität, quasi von außen beantwortet<br />
werden kann, welches das „richtige“ und welches das „falsche“ Leben ist, auch<br />
nicht, ob es ein richtiges Leben im falschen“ geben kann, nein, es ist eine Frage,<br />
die sich nur auf der Ebene der Existenz beantworten lässt, nämlich im Sinne<br />
einer Verantwortung des subjektiven Lebensentwurfes und das heißt im Sinne<br />
einer lebensweltlichen Praxis die sich als souverän und veränderbar versteht.<br />
Und das ist eine ganz andere Dimension, mit der dann die Frage nach der Kunst<br />
und Philosophie mit ins Spiel kommt, die Frage nach der Subjektivität und ihrem<br />
Verhältnis zum Ganzen und es ist auch die Frage nach dem Verhältnis von Autonomie<br />
und Souveränität des Individuums im gesellschaftlichen Kontext.<br />
Wir reden hier also nicht nur von der vordergründigen Pseudo-Rationalität, die<br />
dem Immobilienprojekt zugrunde liegt und die im Grunde nichts weiter ist als<br />
die Lebens-zerstörerische Logik des Kapitals, das derartige Projekte notwendigerweise<br />
hervorbringen muss um selbst zu überleben. Wir reden hier auch nicht<br />
von der liebenswürdigen, romantischen, baumverliebten Irrationalität mancher<br />
Projekt-Gegner und Gegnerinnen. Wir reden von dem konstitutiven Widerspruch<br />
jeglicher Vernunft, die ihr „Anderes“ aus prinzipiellen Gründen ausblenden muss.<br />
Wir reden von einer grundlegenden Problematik moderner eindimensionaler Rationalität<br />
und deren immanenter Widersprüche. Nicht umsonst haben die neoliberalen<br />
Vordenker den Begriff der „Modernität“ als ihren Leitbegriff auserkoren- und<br />
die Gespräche auf der Straße geben ihrem perfiden Kalkül recht: der gemeine<br />
Projekt-Befürworter glaubte im Namen der Moderne, der Vernunft und des Fortschritts<br />
zu handeln, wenn er dem Finanzierungs-Ausstiegsgesetz im sogenannten<br />
„Volksentscheid“ sein energisches „NEIN“ entgegensetzt.<br />
Die Frage aber, wie Rationalität mit ihrem „Anderen“ umgeht, mit dem, was außerhalb<br />
ihres “positiven Daseins“ existiert, kann sich konkret in der Frage nach<br />
Sinn und Folgen „ästhetischen Denkens“, oder besser: „ästhetischer Praxis im<br />
Kontext der Lebenswelt“ , wiederfinden.<br />
Anzuknüpfen wäre hier zum Beispiel an dem schwierigen Begriff der „ästhetischen<br />
Negativität“ wie sie schon zu Zeiten der Frankfurter Schule von<br />
Th.W.Adorno formuliert wurde und –nach einem erfrischenden Durchgang durch<br />
die postmoderne Kritik nun in einem Rekurs auf die „Souveränität der Kunst“ in<br />
gewandelter Form von verschiedenen Seiten nun reformuliert wird.<br />
Dabei geht es eben nicht um eine falsch verstandene Überwindung der Rationalität,<br />
es geht nicht um falsche Favorisierung von Irrationalität, sondern um eine umfassendere<br />
Sichtweise bzgl. einer Einbettung der Rationalität in einen größeren<br />
Kontext, der eben aus dem Bezug zwischen Vernunft und deren Überschreitung,<br />
beispielsweise in der Denkfigur der „ästhetischen Negativität“ besteht.<br />
In dieser Denkfigur liegt die Wurzel der Tendenz der Kunst, sich als einen Raum<br />
spezifischer Wirklichkeitserkenntnis zu verstehen, dem Raum der Fiktionalität,<br />
in dem nichts zu Ende gedacht werden kann, weil es kein Ende gibt, ein Raum<br />
in dem es keine Antworten gibt, weil es keine Fragen gibt und der der Raum ist,<br />
in dem sich die Kunst als „ autonom“ entwirft, um von dort aus eine souveräne<br />
Erweiterung ihrer Geltungspartikularität zu entwerfen.<br />
Einen konkreten, anschaulichen Ausdruck findet die „moderne“ Kunstauffassung<br />
der „Autonomie der Kunst“ in der Skulptur „Schichtung 107. (Stuttgarter<br />
Tor)“ von Thomas Lenk am Aufstellungsort UNSERES PAVILLONS. Der Aufstellungsort<br />
wurde von der Künstlergruppe SOUP aus konzeptionellen Gründen sehr<br />
exakt gewählt, die möglichen diskursiven Reflexionen, die mit dieser Ortswahl<br />
möglich werden, sind bewusst intendiert.<br />
Wenn diese moderne Skulptur dort sehr real steht, so ist sie doch, im Vergleich<br />
mit dem Asphalt auf dem Boden unter ihr oder (aktuell im Frühjahr 2012) dem
Bauzaun hinter ihr nicht nur etwas Reales, sie ist in erster Linie etwas Fiktionales,<br />
etwas, das sich vernünftig allein nicht auflösen lässt in spezifischen<br />
Bestimmungen, auch wenn das manchen Zeitgenossen nicht klar ist, die in ihr<br />
lediglich eine Pinnwand für Plakate sehen. Daher war eine der ersten Aktionen<br />
der PAVILLONISTEN die “REINIGUNG DER LENK-SKULPTUR“, eine quasi rituelle<br />
Aktion um der Skulptur die „Aura der Autonomie“ zurück zu geben. Man könnte<br />
dies als eine affirmative Haltung sehen, die die Kunst lediglich behüten will vor<br />
außerkünstlerischen Vereinnahmungen. Wichtig ist jedoch, dass bei dieser<br />
Aktion die Beklebungen –auch im Sinne außerkünstlerischer Vereinnahmungs-<br />
Strategien- gesammelt wurden um anschließend in UNSEREM PAVLLON wieder<br />
gezeigt zu werden als Collagen von Maria Sacciatelli. Mit dieser Umstülpungs-<br />
Geste wird ein gedanklicher Raum eröffnet, der die Autonomie der Kunst und<br />
ihre Fiktionalität in einen paradoxen Zusammenhang bringt mit der außerkünstlerischen<br />
Realität und damit die Denkfigur der „Souveränität der Kunst“<br />
ins Spiel bringt. Damit ist aber eine doppelte Denkfigur intendiert: Fiktionalität<br />
und Realität gehen eine wechselseitige Beziehung ein, nachdem die als „real“<br />
missverstanden Skulptur gereinigt wurde, bekommt die reale Plakatierung als<br />
Ausstellungsexponat fiktionalen, d.h. ästhetischen Charakter.<br />
Das kommt zwar unspektakulär daher, tatsächlich war diese kleine Aktion<br />
jedoch komplex codiert und birgt diskursiven Sprengstoff: Die Entscheidung,<br />
wer wann und warum etwas entweder im Sinne ästhetischer Uneinholbarkeit<br />
rezipiert oder aber rationaler Identifikation unterwirft, liegt plötzlich einzig und<br />
allein beim Betrachter, sie ist nicht Eigenschaft des Objektes, sondern Fähigkeit<br />
des Rezipienten! Realität und Fiktionalität bekommen damit eine Dimension der<br />
Austauschbarkeit. Die Aktion hatte also einen diskursiven Charakter, an dem die<br />
Strategie der PAVILLONISTEN exemplarisch decodiert werden könnte.<br />
Behauptet die Skulptur „Stuttgarter Tor“ noch den Raum der Kunst als einen<br />
Raum der Autonomie, in dem die Denkfigur „ästhetische Negativität“ seine<br />
Gültigkeit neben den rationalen Diskursen hat und in der –und zwar nur in<br />
der- das „ästhetische Denken“, quasi als Gegensatz zu den Erfordernissen der<br />
Lebenswelt- vernunftüberschreitend gedacht werden kann, so formuliert das<br />
Bild des angedockten PAVILLON-Containers eine weiterführende Denkfigur: Der<br />
Raum der Kunst als der Ort der SOUVERÄNITÄT ästhetischer Praxis. Diese ist nun<br />
aber nicht mehr-, wie die Denkfigur der modernen Autonomie, als Gegensatz zur<br />
Vernunft konstruiert, sondern als deren Überschreitung im Sinne eines reflexiven<br />
Bezuges, sie macht Ernst mit dem Paradoxon, das Adorno noch sehr vage<br />
formulierte: „Es ist gerade der autonome Schein der Kunst, der ihre souveräne<br />
Wahrheit ausmacht“.<br />
Die Aufstellung UNSERES PAVILLONS quasi als „Erweiterung der Lenk-Skulptur“<br />
liefert das passende Bild dazu: Die autonome Skulptur „Stuttgarter Tor“ als<br />
Eingangsportal zu seiner souveränen Erweiterung im benutzbaren Innenraum UN-<br />
SERES PAVILLONS. Diesem neuen Raum der SOUVERÄNITÄT wurde konsequenterweise<br />
im ersten Stadium seiner Nutzung keine eindeutige Funktion zugeordnet,<br />
sondern ein „Bild“. Seine räumlichen Eigenschaften als eine leere, dunkle Kiste<br />
wurden im Sinne einer Korrespondenz von Inhalt und Form künstlerisch thematisiert,<br />
indem er zur „Camera obscura“ erklärt wurde. Ein winziges Loch an einer<br />
Stirnseite des PAVILLONS genügte, um diese Funktion tatsächlich zu ermöglichen:<br />
Im Inneren der begehbaren Kiste erschien auf einem transparenten Schirm das<br />
Bild des umkämpften Kopfbahnhofes, der Logik optischer Gesetze folgend auf<br />
dem Kopf stehend. Oben wurde Unten, Unten wurde Oben. Der Slogan der Stuttgarter<br />
Kopfbahnhof-Verteidiger „Oben bleiben“ bekam damit eine überraschende<br />
Bildhaftigkeit und UNSER PAVILLON eine interessante Vieldeutigkeit: als „Camera<br />
obscura“ war er selbst ein Bild für seine Observations-Funktion und er lieferte<br />
zugleich ein Bild seines Beobachtungsgegenstandes, dem Bahnhof. Dieses Bild<br />
wurde dann auch tatsächlich auf Photopapier ausbelichtet und wurde mit einer irritierenden<br />
Verkehrt-Beschriftung mit den Begriffen „unten“ und „ oben“ zu einem<br />
ersten „artefakt“ der pavillonistisch-kollektivistischen Kunstproduktion. Reale<br />
Funktionalität und fiktionale Bildhaftigkeit gingen durch diesen Kunstgriff nahtlos<br />
ineinander über.<br />
Diese Idee war darüber hinaus die Blaupause zu einem Coup, mit dem die<br />
subversive Aufstellung im polizeilich schwer bewachten Mittleren Schlossgarten<br />
überhaupt erst möglich wurde. Im Vorfeld der Aktion beantragte SOUP beim Ordnungsamt<br />
eine „Genehmigung zur temporären Aufstellung einer Camera obscura<br />
zum Zwecke einer Langzeitbelichtung des Stuttgarter Bahnhofes“. Verschwiegen<br />
wurde dabei die tatsächliche räumliche Dimension der „Camera Obscura“. Diese<br />
Strategie ging auf, als bei der Aufstellung des PAVILLONS Sonntag Nacht die<br />
Polizei erschien, konnte das Schreiben bewirken, dass eine Klärung des Sachverhaltes<br />
mit dem Ordnungsamt erst am Montag möglich war und UNSER PAVILLON<br />
bis dahin fertig aufgebaut und als Camera Obscura funktionierte. Der durch diese<br />
erste künstlerische Intervention reklamierbare Status als Kunstobjekt schützte<br />
im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung mit den Behörden vor einer Vollstreckung<br />
der angedrohten Räumung. Die Verortung politisch konnotierten Inhalte in<br />
einem Kunstprojekt war also maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Projekt<br />
„UNSER PAVILLON“ beinahe ein Jahr lang trotz seines “ illegalen“ Charakters im<br />
Schlossgarten realisiert werden konnte.<br />
In einer einfachen Logik kann die Formulierung von Adorno nur als Gegensetzung<br />
autonomer und souveräner Geltungsansprüche aufgefasst werden, eine Gleichzeitigkeit<br />
widersprüchlicher Phänomene sind unserem, an einer zweiwertigen<br />
Logik geschultem europäischen Denken, schwer fassbar. Aber gerade darum geht<br />
es bei dieser „praktischen Vernunftkritik“ im Namen der Kunst. Gerade wenn
die Vernunftkritik SOUVERÄN vollzogen wird, zeitigt dies lebensweltliche Folgen:<br />
unsere funktionierenden Diskurse offenbaren als ihre innerste Substanz<br />
ihre immanente, prinzipiell unauflösbare Aporie. Der Kunsttheoretiker Christof<br />
Menke formuliert diesen Sachverhalt in seiner Schrift „Souveränität der Kunst“<br />
im Rekurs auf den Widerspruch zwischen Habermas` „kommunikativer Vernunftauffassung“<br />
, Adornos „ästhetischer Negativität“ und Derridas falscher Alternative<br />
eines „aufgeblähten Geltungsanspruchs ästhetischen Denkens“ sinngemäß<br />
folgendermaßen: „ Während Derridas falsche Ausarbeitung der richtigen<br />
Intuition, die ästhetische Negativitätserfahrung auch außerästhetisch geltend<br />
zu machen(…) eine Form umgekehrter Romantik (ist), die die Selbstauslegung<br />
der nichtästhetischen Diskurse und Praktiken überbietet (…) entkommt Adornos<br />
Auslegung des ästhetischen Souveränitätspostulates dem romantischen<br />
Muster“ Der Gewinn bei Adornos Formulierung liegt nach Menke dann „ in der<br />
ungemilderten Spannung, in der die ästhetische Erfahrung dann zu den anderen<br />
in ihrer Eigengesetzlichkeit freigegebenen Dimensionen der Vernunft steht<br />
Klingt alles sehr kompliziert, trifft das Problem aber im Kern. Etwas vereinfachend<br />
ausgedrückt: Eine ästhetische Erfahrung in einem „Schutzraum“, der ihre<br />
Gültigkeit auf diesen beschränkt und damit keine Folgen hat für den übergreifenden<br />
Raum der Kultur, ist unterkomplex bestimmt. Die dialektischen Alternativen<br />
„Kunst = Leben“ und „Kunst ist Kunst, alles andere ist alles andere“ sind diskursive<br />
Sackgassen, auch - oder gerade weil- sie unserer Alltagslogik in ihrer Eindeutigkeit<br />
sofort einleuchten. Die Sache ist aber komplexer und möglicherweise<br />
prinzipiell uneindeutig.<br />
So hat beispielsweise der Soziologe Niklas Luhmann das Verhältnis der Kunst<br />
zu den anderen Sphären der Kultur in einer systemtheoretischen Beschreibung<br />
differenziert, indem er den Eigenwert der Kunst im Sinne einer „notwendigen<br />
Irritation“ aller anderen Diskurse betonte und damit auf eine besondere Weise<br />
ihre Souveränität beschrieben. Die zeitgenössische Kunstpraxis wird bei<br />
Luhmann daher nicht auf eine eindimensionale Weise als „übertragbar“ auf<br />
andere lebensweltliche, insbesondere gesellschaftliche Praktiken beschrieben,<br />
sondern quasi als „Modell“ mit einer immanenten Logik, die zunächst primär<br />
beobachtbar ist und die dann in einem zweiten Schritt sekundär lebensweltliche<br />
Folgen hat. Indem Kunst nach Luhmann gleichzeitig eine eigene, selbstreferentielle<br />
und autonome Realität bildet und zugleich Teil eines umfassenderen<br />
Kontextes ist, entsteht eine interessante Denkfigur: „Die fiktionale Realität<br />
wird zum Bereich der Reflexion anderer (unvertrauter, überraschender, nur<br />
artifiziell zu gewinnender) Ordnungsmöglichkeiten (1) „ Das heißt: Indem Kunst<br />
an konkreten Objekten diese Erfahrung ermöglicht, erschließt sie uns darüber<br />
hinaus die Möglichkeit, dieses Erfahrung selbst zu beobachten. In dieser Beobachtungsmöglichkeit<br />
zweiter Ordnung aber liegt nach Luhmann der eigentliche<br />
Explikationsgewinn der Kunst, ihre Autonomie wird dadurch zu einer doppelten:<br />
einer Immanenten und einer, die über sie hinausweist. „Die Autonomie der Kunst -<br />
Weltautonomie und Gesellschaftsautonomie - verdankt sich dieser Doppelung von<br />
Beobachtung erster und zweiter Ordnung. Sie besteht im Praktizieren dieser Differenz<br />
und in der Möglichkeit, aus der einen in die andere Position zu schlüpfen“<br />
(2) Was an der Kunstpraxis also den Aspekt der Souveränität ausmacht, ist damit<br />
mitnichten die Realisierung eines inflationären Gestaltungsanspruches, (beispielsweise<br />
im Sinne eines romantisch definierten „Gesamtkunstwerkes“), sondern eine<br />
spezifische Möglichkeit des menschlichen Denkens, ein aisthetisches Denken,<br />
das produktiv und zugleich reflexiv ist.“<br />
Auf diesen komplexen Sachverhalt hat schon zur Zeit der ersten Kritikwelle<br />
postmodernen Denkens der Kunsttheoretiker Michael Lingner in einem Diskussions-Beitrag<br />
unter dem Titel „Paradoxien der Kunst“ hingewiesen. Er verwendet<br />
anstelle des Begriffs der Souveränität der Kunst die schon bei Immanuel Kant auftauchende<br />
Denkfigur der „Heautonomie“ und löst das Problem der heteronomen<br />
Überfrachtung des Geltungsanspruches autonomer künstlerischer Praxis mit einer<br />
paradoxen Denkfigur.<br />
In Lingners Argumentation ist die Entwicklung der Kunst an einen Punkt gekommen,<br />
an dem sie nun „eines externen Zweckes bedarf - nicht um sich zu retten,<br />
sondern um ihre internen Bedingungen derart fortzuentwickeln, dass die Weiterexistenz<br />
ästhetischer Erfahrung gesichert ist.“ (7) Das wesentliche an dieser<br />
Argumentation ist, nicht die gewonnene Autonomie dabei aufzugeben, und damit<br />
einem Rückfall in vormoderne Bedingungen zu erliegen, vielmehr müssen sich die<br />
künstlerischen Praktiken daran messen lassen, ob es ihnen gelingt „selbstgesetzte<br />
Setzungen“, d.h. bewusste Setzungen von Entscheidungen und Positionen zu<br />
vollziehen, um gerade darin die Selbstbestimmung der Kunst zu realisieren. Die<br />
Paradoxie liegt dabei in der Setzung von selbstgesetzten, externen Zwecken innerhalb<br />
eines Diskurses, der zunächst Zweckfreiheit als Ausgangspunkt hat. Nicht<br />
einfach, aber eine reizvolle Aufgabe nach wie vor für die zeitrelevante künstlerische<br />
Praxis!<br />
Eine andere Variante dieser paradoxen Denkfigur finden wir auch bei einem anderen<br />
frühen Schlüsseltext der postmodernen Kritik, bei Wolfgang Welsch der seine<br />
Beobachtungen zu einer neuem Wertigkeit des Denkens aus der Kunst heraus in<br />
einem Beitrag unter dem programmatischen Titel „Ästhetisches Denken“ zusammengefasst<br />
hat. Darin versucht er, die veränderte Geltungsrelevanz ästhetischer<br />
Erfahrung an der sich immer klarer abzeichnenden Prämisse der Pluralität herauszuarbeiten.<br />
Indem er den traditionellen, auf das „Schöne“ im Gegensatz zum<br />
„Erhabenen“ beschränkten Ästhetik-Begriff verschiebt in Richtung einer wahrnehmungsorientierten<br />
„Aisthesis“ (die zugleich die Anästhetik des Unwahrnehmbaren,<br />
Ausgeschlossenen umfasst), erarbeitet er einen erweiterten Geltungsraum
für ästhetisches Denken, „das wegen seiner Begreifenskapazität und Wirklichkeitskompetenz<br />
an der Zeit ist“ (8). Zwar überschreitet er damit strenggenommen<br />
schon den eigentlichen Gültigkeitsbereich der Kunst, aber er tut dies mit<br />
einer ähnlichen Intention wie Adorno, Menke, Luhmann oder Lingner. „Die Kunst<br />
ist nicht der Ziel,- sondern ein Modellbereich der Reflexion. Dazu wird sie, weil sie<br />
Wahrnehmungspotentiale bereitstellt und besondere Wahrnehmungsfähigkeit<br />
verlangt sowie freisetzt.“ (9) Er konkretisiert diese Wahrnehmungsleistungen mit<br />
Begriffen wie Innewerden, Gewahrwerden, Merken oder Spüren, Peter Sloterdijk<br />
mahnt später in ähnlicher Intention den „Einbau von Aufmerksamkeit in Lebensformen“<br />
(10) an.<br />
Vor allem einer Erscheinungsweise der aktuellen Lebenswelt wird dabei von<br />
Welsch besondere Bedeutung beigemessen: der Pluralität. In Absetzung zu der<br />
Einheitsoption des modernen Denkens, sieht er das postmoderne Ideal der Differenz<br />
sich vor allem in einer faktischen Pluralität der Lebensstile ausformen. Um<br />
diesen Zustand jedoch nicht in die Beliebigkeit des „anything goes“ abdriften zu<br />
lassen, andererseits nicht im individualistischen Dissens unterzugehen, braucht<br />
es die Fähigkeit, das Differente miteinander in lebendigen Bezug zu bringen,<br />
ohne zu nivellieren. Diese Fähigkeit traut er einem an der Kunst geschulten<br />
aisthetischen Denken zu. „Wer durch die Schule der Kunst gegangen ist, und in<br />
seinem Denken der Wahrnehmung Raum gibt, der weiß nicht nur abstrakt um<br />
die Spezifität und Begrenztheit aller Konzepte - auch seines eigenen -, sondern<br />
rechnet mit ihr und handelt danach.(11)“<br />
Damit leistet die Kunst zweierlei: Zum einen macht sie sensibel für die Differenz<br />
und Inkommensurabilität von Lebensformen in der multikulturellen, mediendominierten<br />
Informationsgesellschaft, zum anderen entwickelt sie „Wahrnehmungsfähigkeit<br />
für notwendige Verknüpfungen des Differenten und für Übergänge inmitten<br />
der Heterogenität“ (13)<br />
Was Welsch hier unter dem Stichwort „aisthetisches Denken“ beschreibt, liegt<br />
m.E. sehr dicht bei dem, was weiter oben mit dem paradoxen Denken angedeutet<br />
wurde. Widersprüche auszuhalten und sie in einer „Sowohl als -auch-Gültigkeit“<br />
stehen zu lassen, widerstrebt unserer abendländischen Vernunft. Insofern<br />
ist das aisthetische Denken ein Affront gegenüber den rationalistischen Wahrheitsansprüchen<br />
der vorherrschenden zweiwertigen Logik. Aisthetisches Denken<br />
ist Künstlern durchaus geläufig, Kreativität kann ohne Mehrfachkodierung und<br />
Unschärfe gar nicht entstehen. Das für uns wesentliche an den Überlegungen<br />
von kunstimmanent argumentierenden Theoretikern wie Adorno, Welsch, Menke,<br />
Luhmann oder auch Lingner ist die Sichtweise, dass in Zukunft ein derartiges<br />
Denken an vielen Orten, von vielen Menschen notwendig gefordert ist.<br />
Genau das hat das Projekt „UNSER PAVLLON“ aber bei seiner Aufstellung im Mitt-<br />
leren Schlossgarten im Rahmen des Widerstandes gegen S21 geleistet: Er war<br />
zum richtigen Zeitpunkt „am falschen Ort“, „falsch“ weil die kunstimmanenten<br />
„fiktionalen“ Praktiken im Feld realer politischer Auseinandersetzungen verortet<br />
wurden und damit das Gegenteil bewirkten, was mit dem Bauzaun geschah:<br />
statt Ästhetisierung des Protestes durch Musealisierung seiner Ausdrucksformen<br />
bewirkte UNSER PAVILLON eine Irritation der Protestformen durch Implantation<br />
ästhetischer Strategien.<br />
Wenn wir unter dem fiktionalen Irritations-Potential der Kunst die auf Souveränitätsgewinn<br />
angelegte Dimension der Kunst verstehen, dann wird klar, was in den<br />
bisherigen Ausführungen theoretisch abgeleitet und mit dem Projekt „UNSER<br />
PAVILLON“ praktisch exploriert wurde: Die Kunstpraxis von ihrer institutionellen<br />
Gebundenheit zumindest partiell zu befreien und mit künstlerischen Praktiken<br />
experimentell an Orten zu agieren, die deren Diskursen zunächst fremd sind. In<br />
der Nicht-Identifikation ästhetischer Praktiken entfalten diese dann ihre eigentliche,<br />
subversive Kraft, sie werden virulent im eigentlichen Wortsinn: sie verbreiten<br />
sich wie Viren außerhalb des Labors.<br />
Dass diese Strategie tatsächlich funktionierte, lies sich an der Spannung ablesen,<br />
die das „ästhetische Argumentieren“ des PAVILLONS immer wieder bei Befürwortern<br />
und Gegnern des Projektes gleichermaßen erzeugte. Seit seiner Aufstellung<br />
hat die formale Gestalt des <strong>Pavillon</strong>s in seiner „nicht-romantischen“ Strenge<br />
sowohl vielen „Parkschützern“ zu schaffen gemacht, als auch „Projekt-Befürworten“,<br />
die das Erscheinungsbild UNSERES PAVILLONS in ihre Denkkategorien nicht<br />
so einfach einordnen konnten. Offensichtlich argumentierte UNSER PAVILLON<br />
„modern“, was nicht so recht in die beiderseitigen Weltbilder passte. Damit wurde<br />
auch ein Anspruch ästhetisch formuliert, der die vorherrschende romantische<br />
Intention der „Widerstands-Folklore“ im Park und am Bauzaun zumindest auf den<br />
ersten Blick konterkarierte. In den vielen Verwandlungen seiner äußeren Gestalt<br />
im Laufe des Jahres hat sich diese „Provokation“ mehrmals wiederholt. Inwiefern<br />
diese Provokation im positiven Sinn als etwas „hervorrufendes“ wirksam wurde,<br />
kann nur im Einzelfall beantwortet werden, die grundsätzliche Position vieler Parkschützer<br />
blieb sicherlich der Vorstellung verhaftet „Recht zu haben“ und dieses<br />
Recht durchsetzen zu müssen- um damit dieselbe Haltung wie die Projekt-Befürworter<br />
einzunehmen. Die Dialektik von Befürwortern und Gegnern des Projektes<br />
hat sich auf allen Ebenen in einen unauflösbaren Antagonismus verstrickt, der<br />
bisher auf die schlichteste aller Arten gelöst wurde: Totaler Sieg über den Gegner.<br />
Derzeit versucht man sich dann in logischer Folge mit der Auslöschung jeder<br />
Erinnerung an die Besiegten, um sich der Angst vor den Folgen dieses Handelns<br />
nicht stellen zu müssen.. Ein Ausweg aus diesem Dilemma, nämlich den Weg des<br />
herrschaftsfreien Diskurses zu gehen und ernsthaft Ansätze zu einer kommunikativen<br />
Vernunft zu entwickeln, wurde in Stuttgart vertan.
Die Frage nach der Bedeutung von Fortschritt, die als Schriftzug an der Außenwand<br />
UNSERES PAVILLONS angebracht war, hätte ebenso wie sein „modernes“<br />
Erscheinungsbild genug Anlass gebe können, nicht Meinungen gegeneinander<br />
zu stellen, sondern Formen zu finden, wie gemeinsam die Frage beantwortet<br />
werden kann, welchen Fortschritt wir gemeinsam wollen. Und dabei hätten<br />
sich Formen des Dialoges entwickeln können, die weitab jeder perfiden Volksentscheids-Funktionalisierung<br />
tatsächlich zu einem befriedenden Konsens mit<br />
einem tragbaren Ergebnis für ALLE hätte führen können. Was bleibt, ist eine<br />
versäumte Gelegenheit mehr.<br />
Ebenso vertan wurde die Chance, zeitgenössische ästhetische Praktiken zumindest<br />
für eine „Kritik der Bilder“ zu nutzen. Die ästhetische Argumentation<br />
der S21-Befürworter kaprizierte sich nämlich auf eine unsäglich dümmliche,<br />
modernistische Hochglanz-Ästhetik, die mit ihren realitätsfernen 3D-Animationen<br />
dennoch- oder gerade deshalb- ihr Publikum, d.h. vor allem sogenannte<br />
Entscheidungsträger, erreichte. Eine „Kritik der Bilder“, die hier weiter geholfen<br />
hätte, wurde leider kaum geleistet. Die Differenz der Computergenerierten<br />
Scheinwelten mit der tatsächlichen Realität hätte im Fall Stuttgart sehr drastisch<br />
und pädagogisch wertvoll demonstriert werden können an den Teilen des Gesamt-Projektes,<br />
die schon realisiert sind, insbesondere am Beispiel der neuen<br />
Bibliothek, auch dies ein unentschuldbares Versäumnis des Stuttgarter Feuilletons..<br />
Das kollektive Bedürfnis nach Eindeutigkeit und Wahrheit hat sich in den<br />
Diskussionen um Fakten und Interessen in Zusammenhang mit dem Immobilienprojekt<br />
S21 als permanente Falle erwiesen, zu jedem Argument gab es ein<br />
Gegenargument, zu jedem Gutachten ein Gegengutachten, zu jedem JA ein<br />
NEIN und was dabei auf der Strecke blieb war die schlichteste aller Wahrheiten:<br />
Wahrheit kann nicht erkannt werden, sie wird produziert. Das ist der Erkenntnisgewinn<br />
einer an ästhetischer Praxis geschultem Denken gegenüber einem<br />
Denken, das wissenschaftliche Rationalität als Grundlage lebensweltlicher<br />
Praxis falsch verortet hat. Gesellschaftliche Wahrheiten sind eben nicht absolut<br />
und gegeben, sie werden produziert, und zwar permanent, sie sind daher ihrem<br />
Wesen nach also eine Form ästhetisch-kultureller Praxis. Nicht was funktioniert<br />
oder nicht funktioniert, was machbar oder nicht machbar ist, ist der Maßstab<br />
für den moralischen Wert von Handlungen und Entscheidungen, sondern das<br />
was beabsichtigt und gewollt wird. Noch genauer: Was verantwortet wird. Auch<br />
die Qualität eines Kunstwerkes ergibt sich zwar zu einem Teil daraus, wie die<br />
system-immanente (phänomenologische) Produktionslogik durchgehalten wird,<br />
sie ermisst sich aber vor allem aus der Intention des Werkes, d.h. aus seiner<br />
Bedeutung. Der Mehrwert an Erkenntnis, die Bedeutungs-Produktion ist das<br />
eigentlich Wesentliche aller kulturellen Produktion. Das aber betrifft nicht nur<br />
den Selbst-Entwurf unseres individuellen Daseins, sondern auch und vor allem<br />
unseres gesellschaftlichen Seins. Und wie heute jedes Individuum seine Biografie<br />
als ein Produkt SOUVERÄNER Gestaltungsintentionen reklamiert, so kann Gesellschaft<br />
in Zukunft auch nur noch als Ergebnis kollektiver, basisdemokratischer<br />
Entscheidungen gedacht werde, die in einen kollektiven Gestaltungs-Impuls<br />
münden. Gesellschaftliche Entwicklung wird immer noch viel zu verkürzt gedacht<br />
als historischer Automatismus, der kausaler Determiniertheit unterliegt, sei es als<br />
Klassenkampf oder als Herrschaftsambitionen privilegierter Eliten. Oberflächlich<br />
betrachtet mag dies in weiten Teilen zutreffen, was dabei aber zu kurz kommt ist<br />
die Berücksichtigung systemischer Dynamiken, die sich aus minimalistischen Effekten<br />
speisen. Jedes System ist in sich asymmetrisch und trägt den Grundwiderspruch<br />
in sich, der letztendlich -meist plötzlich und überraschend- zu seinem Zusammenbruch<br />
führt: „Systems bomb themselves“. Das 20. Jahrhundert hat dies<br />
auf drastische Weise mehrmals vorgeführt. Und so unvorhersehbar die Dynamik<br />
des Zusammenbruchs erfolgt, so unvorhersehbar ist die Dynamik der Produktion<br />
neuer gesellschaftlicher Horizonte. Das kann uns Hoffnung geben in scheinbar<br />
festgefahrenen Verhältnissen, das kann uns aber auch beunruhigen während des<br />
Verlaufs der Katastrophe. Wie entsteht eine neue Ordnung und vor allem: hat sie<br />
eine menschenwürdigere Qualität als die zusammenbrechende Struktur? Und genau<br />
hier kann ein Denken hilfreich sein, das sich geschult hat an ästhetischer Praxis.<br />
Zielfreie Geistesgegenwärtigkeit und permanente Kongruenz von Mittel und<br />
Zweck sind die Fähigkeiten, die gebraucht werden, um in chaotischen Umbruchsituationen<br />
Gestalt zu erzeugen, die Sinn macht. Oder wie es Wolfgang Welsch -wie<br />
oben zitiert- formulierte: „Kunst erzeugt Wahrnehmungsfähigkeit für notwendige<br />
Verknüpfungen des Differenten und für Übergänge inmitten der Heterogenität“.<br />
Das Spannende an einer derartigen Haltung gegenüber „Realität“ ist, dass Realität<br />
damit in seinem permanenten Produktions-Status erfasst wird, Antagonismen<br />
werden nicht als etwas zu beseitigendes aufgefasst, sondern als das Agens, aus<br />
dem gesellschaftliche Dynamik überhaupt erst entstehen kann. Widersprüche<br />
sind nicht dazu da aufgelöst zu werden, sondern um die Permanenz der Dynamik<br />
aufrecht zu erhalten. Damit werden gesellschaftliche Realitäten in einem gewissen<br />
Sinn „verflüssigt“, d.h. alle gesellschaftlichen Strukturen legitimieren sich<br />
aus ihrer aktuellen Funktion und lösen sich mit dieser wieder auf. Unter diesen<br />
Prämissen muss natürlich auch Demokratie neu gedacht werden, die „Herrschaft<br />
der Mehrheit über die Minderheit“, wie sie beispielsweise auch im aktuell praktizierten<br />
Volksentscheid in Baden-Württemberg falsch interpretiert wurde, ist nicht<br />
der Weisheit letzter Schluss, vielmehr müsste eine derartig verflüssigte Auffassung<br />
von Demokratie sich viel mehr um das Recht von Minderheiten kümmern<br />
und Formen der gesellschaftlichen Differenzierung entwickeln, die diesen gerecht
werden. Gesellschaft würde sich unter dieser Perspektive viel mehr als permanent<br />
„Werdende“ begreifen, der Mentalitätswandel hinsichtlich der Selbstdefinition<br />
von Menschen als „kreative und selbstbestimmte Wesen“ , der sich seit Mitte<br />
des 20. Jahrhunderts immer mehr abzeichnet, zeitigt hier Folgen.<br />
Mit diesen kurz angedeuteten Entwicklungs-Perspektiven wird aber auch nochmal<br />
deutlich, worum es eigentlich geht, wenn ein Projekt wie „UNSER PAVILLON“<br />
den Spagat zwischen Fiktionalität und Realität riskiert. Es geht um Grenzüberschreitung,<br />
die im Sinne einer „Infiltration“ Langzeitwirkungen entfaltet. Die<br />
Frage nach konkreten, sofort sichtbaren Effekten geht daher am Wesentlichen<br />
vorbei. Der konkrete Effekt kann allenfalls als „Irritation“ wahrgenommen<br />
werden, was diese langfristig bewirkt ist prinzipiell nicht absehbar und daher<br />
auch nicht planbar. Dass die Irritation nachhaltig erfolgte, kann einerseits an<br />
den Konflikten abgelesen werden, die permanent zwischen KünstlerInnenn und<br />
AktivistInnen ausgetragen wurden, und zwar vornehmlich produktiv. Konkrete<br />
Widersprüche wurden nicht zu Gunsten der einen oder anderen Sichtweise<br />
gelöst, sie führten häufig zu neuen, überraschenden Lösungen. So wurde z.B.<br />
die Frage nach vorübergehender Stilllegung des PAVLLONS wegen personeller<br />
Erschöpfung nicht für oder gegen Stilllegung entschieden, sondern diese wurde<br />
umfunktioniert in eine vorübergehende „Verpuppung“ des PAVILLONS-also eine<br />
Gleichzeitigkeit von Weiterbetrieb und Ruhepause, oder um ein weiteres Beispiel<br />
zu nennen: die Frage nach vorzeitigem freiwilligem Abzug vor der Zwangs-Räumung<br />
versus „Durchhalten bis zur letzten Patrone“ fand ihre Auflösung in der<br />
Strategie „Übergabe des PAVILLONS an die Demo-Sanitäter zum Betrieb eines<br />
Feldlazarettes während der Räumung“. Dies sind Beispiele an denen deutlich<br />
wird, dass Antagonismen weder in eindeutigen Entscheidungen, noch in faulen<br />
Kompromissen gelöst werden müssen, sondern auch als Energieschub für<br />
„übersteigende Lösungen“ genutzt werden können.<br />
UNSER PAVILLON hat in dem kurzen Jahr seiner Existenz durch seine äußere,<br />
immer wieder modifizierte Erscheinungsweise vieldeutige „Bilder“ produziert,<br />
die zentrale „Botschaft“ des Projektes „UNSER PAVILLON“ war aber schon VOR<br />
allen Bildern, gegeben - und zwar durch seine bloße Existenz. Das zentrale Anliegen<br />
wurde schon in dem Moment zum Bild, als der PAVILLON über Nacht illegal<br />
im Stuttgarter Schlossgarten auftauchte.<br />
Es gab im Vorfeld unter den beteiligten AktivistInnen und KünstlerInnen zahlreiche<br />
Diskussionen und Überlegungen, wie es gelingen könnte, UNSEREN PA-<br />
VILLON aufzustellen, darunter auch die Überlegung, den ganz normalen Weg der<br />
behördlichen Genehmigung zu gehen. Unter normalen Umständen sollte es auch<br />
kein Problem sein, eine Architektur, die als Kunstobjekt mit einem gesellschaft-<br />
lichen Anliegen als Inhalt arbeitet, in einer demokratischen Gesellschaft im öffentlichen<br />
Raum zu platzieren. Das Frühjahr 2011 war in diesem Sinne aber nicht<br />
„normal“, der 30. September 2010, der sogenannte „schwarze Donnerstag, an<br />
dem die Polizei mit massivem Wasserwerfer-Einsatz friedliche Demonstranten aus<br />
dem Park vertrieb, war seinerzeit noch in guter Erinnerung. Die Verantwortlichen<br />
für den unverhältnismäßigen Polizei-Einsatz, der sich im Nachhinein auch noch als<br />
illegal erwies, da keine Genehmigung zum Fällen der Bäume vorlag, waren immer<br />
noch in Amt und Würden und ob eine Abwahl des damaligen Ministerpräsidenten<br />
Stefan Mappus gelingen würde, war zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar. Insofern<br />
war klar, dass das Beantragen einer offiziellen Genehmigung aussichtslos war.<br />
Den „illegalen“ Weg der subversiven Aufstellung zu gehen war daher zum Einen<br />
eine Notwendigkeit, er war aber auch zugleich Programm. Aus dieser Notwendigkeit<br />
ergab sich das „not-wendige“ Bild der SELBSTERMÄCHTIGUNG als Bild eines<br />
Nullpunktes und Neuanfanges.<br />
Wenn die demokratisch legitimierten Repräsentanten der Bevölkerung, die Legislative<br />
und Exekutive bis hinein in die städtische Verwaltung, in Verdacht geraten,<br />
eine Politik der Repression gegen die eigene Bevölkerung zu betreiben, dann<br />
ist der Punkt erreicht, an dem in einem demokratischen Gemeinwesen „Widerstand<br />
zur Pflicht“ wird. Dieser Punkt war im Frühjahr 2011 in Baden-Württemberg<br />
erreicht, das Handeln der Mappus-Regierung steuerte zunehmend auf postdemokratische<br />
Verhältnisse zu, im Nachhinein haben mehrere parlamentarische<br />
Untersuchungs-Ausschüsse diese Phase der Politik in Baden-Württemberg kritisch<br />
aufarbeiten müssen und das nicht verfassungskonforme Handeln in einigen<br />
Fällen festgestellt. In dieser Situation wurde die grundsätzliche Frage nach dem<br />
SOUVERÄN der Demokratie wieder virulent. Solange die gewählten Repräsentanten<br />
in Konsens mit der Bevölkerung ihre Arbeit verrichten, ist die Frage nach ihrer<br />
Legitimation nicht zu stellen, treten sie jedoch zunehmend in Widerspruch damit<br />
und erwecken sie den Verdacht, ihr politisches Handeln nicht mehr aus dem Prinzip<br />
der Delegation heraus zu verstehen, dann wird es Zeit, daran zu erinnern, was<br />
Grundlage unseres demokratischen Gemeinwesens ist: „Alle Staatsgewalt geht<br />
vom Volke aus“ (besser: von der Bevölkerung. (der Verfasser). Oder anders formuliert:<br />
„WIR SIND SOUVERÄN“.<br />
Dieses Motto wieder ins Bewusstsein zu rücken, war das zentrale Motiv bei der<br />
Entscheidung, UNSEREN PAVILLON illegal aufzustellen. In diesem Bild wird der<br />
damaligen Landesregierung unter Stefan Mappus das Recht abgesprochen,<br />
darüber zu entscheiden, was im öffentlichen Raum legitim ist und was nicht. Der<br />
Schlossgarten wurde durch die illegitimen Handlungsweisen der Landesregierung<br />
zu einer unkontrollierbaren Zone, er wurde von „Parkschützern“ bewacht und<br />
besetzt , quasi als „ Misstrauens-Votum“ eines Teiles der Bevölkerung gegen die<br />
damalige Landesregierung. Die „Besetzung“ mit UNSEREM PAVILLON war also
eine Verstärkung der Geste, die mit der Aufstellung von Zelten und der Errichtung<br />
der „PARKBEFRIEDUNG“(siehe Dokumentation) schon angedeutet war. „ Illegal“<br />
zu handeln bedeutete also nichts anderes, als die Frage nach Legitimation von<br />
Handlungen im öffentlichen Raum in Stuttgart im Frühjahr 2011 provokativ zu<br />
stellen. „WEM GEHÖRT DIE STADT?“ war dann auch eine erste programmatische<br />
Frage, die an der Außenwand UNSERES PAVILLONS angebracht wurde.<br />
Die Antwort von UNSEREM PAVILLON war also, die delegierte Legitimation der<br />
staatlichen Einrichtungen (hier stellvertretend: die „Verwaltung Schlösser und<br />
Gärten Baden-Württemberg“) zu ignorieren und eine souveräne Setzung zu machen,<br />
konkret: die SELBSTERMÄCHTIGUNG als Grundlage eines Neubeginns zu<br />
praktizieren. Dass diese Praxis mit symbolischem Verweis auf die AUTONOMIE<br />
der Kunst hinterlegt wurde, war ein Kunstgriff, der vordergründig dazu diente,<br />
den schnell erfolgten Räumungsbefehl des Liegenschaftsamtes zu unterlaufen,<br />
in einer weiter reichenden Interpretation jedoch die grundsätzliche Frage stellte<br />
nach dem Ursprung der SOVERÄNITÄT. Die Behauptung künstlerischer Autonomie,<br />
die im 20 Jahrhundert eine wichtige Errungenschaft war, erweitert sich<br />
an dieser Stelle in eine gesellschaftliche, kunstfremde Dimensionen. Die zum<br />
unverstandenen Schlagwort verkommene Formulierung des Künstlers Joseph<br />
Beuys „Jeder Mensch ist ein Künstler“ bekommt hier wieder den Bedeutungszusammenhang,<br />
in dem sie ursprünglich gemeint war: Das gemeinsame Gestalten<br />
gesellschaftlicher Realität hat –zumindest teilweise- seinen Ursprung im Individuum,<br />
dessen ureigenste Rechte und Unantastbarkeit, d.h. dessen AUTONOMIE<br />
der Ursprung aller gesellschaftlicher Entwicklungen sind. Die Autonomie der<br />
Kunst hat hier also ebenfalls neben ihrer realen eine symbolische Bedeutung,<br />
so verstanden begleitet sie den gesellschaftlichen Emanzipationsprozess im<br />
20 Jahrhundert quasi modellhaft, wie in den Ausführungen weiter oben schon<br />
ausgeführt.<br />
Nun ist dies natürlich ein hoher Anspruch und insofern auch nur als symbolischfiktionales<br />
Handeln zu interpretieren, was die Aufstellung UNSERES PAVILLONS<br />
und die Parkbesetzung in Hinblick auf diese Dimension der souveränen Setzung<br />
und des Neu-Beginns betrifft. Die reale Dimension ist weniger spektakulär und<br />
spielt sich in größeren Zeiträumen und damit weniger wahrnehmbar ab. Was<br />
sich in Stuttgart seit dem „schwarzen Donnerstag“ tatsächlich beobachten lässt,<br />
ist eine nachhaltige Veränderung der gesellschaftlichen Kräftekonstellationen:<br />
das Selbstverständnis der Bürgerschaft -zumindest der kritisch eingestellten- als<br />
Quelle der SOUVERÄNITÄT ist in einem Ausmaß gewachsen, das den Tendenzen<br />
zu postdemokratischen Verhältnissen ein beachtliches Gegengewicht gegenüberstellt.<br />
Ein erstes Anzeichen der „Wende“ war die Abwahl der fast 50-jährigen<br />
CDU-Herrschaft im Lande, ein absolutes Novum für Baden-Württemberg.<br />
Wichtiger als das Auswechseln der Regierungs-Parteien ist jedoch das massive<br />
Einfordern eines „Politik-Wechsels“ durch große Teile der Bevölkerung seither.<br />
Mehr Bürgerbeteiligung zu versprechen, ist die Reaktion der neuen Rot-Grünen<br />
Landesregierung darauf, Strukturen zu überarbeiten, die das auch ermöglichen,<br />
steht zumindest als Absichtserklärung im Raum. Die kritische Aufmerksamkeit der<br />
Bevölkerung wird sich aber wohl kaum mit derlei wohlfeilen Bekundungen in Regierungserklärungen<br />
abspeissen lassen, sie fordert tatsächliche Veränderungen<br />
ein. Auf Landesebene betrifft dies beispielsweise die Überarbeitung der Gesetzgebung<br />
zum Volksentscheid, insbesondere die Abschaffung der Quoten-Regelung,<br />
auf lokaler Ebene zeigt sich das Interesse an anderen Gestaltungsmöglichkeiten<br />
in der Politik an Initiativen, die die Oberbürgermeister-Wahl 2012 als Anlass nehmen<br />
zur Erprobung neuer, experimenteller Beteiligungs-Instrumente wie „adhocracy“<br />
oder „liquid democracy“. Das Motto „WIR SIND SOUVERÄN“, das die Stirnseite<br />
UNSERES PAVILLONS zierte, wird langsam aber sicher zu einem Virus, das die<br />
Stadt und das Land ergreift.<br />
Wen wundert es da, dass UNSER PAVILLON von den Kräften, denen diese Entwicklung<br />
suspekt ist, angefeindet wird und eine Zukunfts-Dimension im Sinne<br />
einer langfristigen Etablierung dieses Impulses behindert wird? Erschreckend ist<br />
bei dieser Behinderungs-Strategie weniger die Massivität, die ist als Reaktion auf<br />
die Provokation der illegalen Aufstellung und des einjährigen Dauerbetriebes verständlich,<br />
erschreckender ist die Konstellation des Widerstandes gegen UNSEREN<br />
PAVILLON. Nachvollziehbar ist Behinderung des SPD-geführten Finanzministeriums,<br />
das als Befürworter des Projektes S21 und gleichzeitig als Verwalter der<br />
Stuttgarter Parkanlagen gleich doppelt provoziert wurde. Auch mag ein gehöriger<br />
Teil unbewusstes Handeln aus schlechtem Gewissen dabei sein, wenn das Finanzministerium<br />
die beantragte Neu-Aufstellung UNSERES PAVILLONS schwebend<br />
über dem Eckensee mit der Begründung untersagt, der Park stehe unter Denkmal-<br />
und Naturschutz, UNSER PAVILLON könnte die Enten auf dem See beunruhigen.<br />
Angesichts der anrichteten Zerstörung im mittleren Schlossgarten fragt man<br />
sich, was ein Ministerialbeamter wohl denkt, wenn er eine derartige Begründung<br />
verfasst und verschickt.<br />
Weniger nachvollziehbar ist die Behinderung durch die neu eingerichtete Stelle für<br />
„Bürgerbeteiligung“ auf Staatsrat-Ebene. Die Bitte um einen Gesprächstermin mit<br />
der zuständigen Staatsrätin wurde ignoriert, stattdessen wurde der Initiative von<br />
einem Mitarbeiter der Vorschlag übermittelt, man solle sich doch an das „Haus<br />
der Geschichte“ wenden, was die weitere Zukunft UNSERES PAVILLONS angeht.<br />
„ Bürgerengagement für mehr Demokratie als historisches Phänomen“ bevor es<br />
richtig losgeht, da fragt man sich was dieses neue Ministerium und sein „grünes“<br />
Personal tatsächlich will. Zumindest keine Bürgerbeteiligung „bottom up“, soviel<br />
ist klar.<br />
Vollends klar wird die Sache aber, wenn man die Begründung vernimmt, mit der
die Aufstellung UNSERES PAVILLONS auf der Skulpturen-Plattform des Württembergischen<br />
Kunstvereins Stuttgart, quasi als halböffentlichem Exil im Schutz der<br />
Kunst, verwehrt wurde. In einem Eil-Telefonat an den künstlerischen Leiter des<br />
Hauses während des Abtransportes des PAVLLONS aus dem Park wurde diesem<br />
die anvisierte Aufstellung auf der Skulpturen-Plattform untersagt mit der Begründung<br />
„das Finanzministerium als Eigentümer des Hauses duldet keine Aufstellung<br />
von Kunstwerken auf der Plattform, die eine symbolische Bedeutung für<br />
den Widerstand gegen S21 haben“ (Zitat sinngemäß). Dies ist – im Gegensatz<br />
zu den vorgeschobenen Argumenten Denkmal- und Naturschutz- eine eindeutig<br />
politische Begründung. Dass damit die Frage aufkommt, ob in Baden-Württemberg<br />
mit dem Regierungswechsel auch ein Politikwechsel stattgefunden hat, liegt<br />
nahe. Das aber bedeutet konkret, dass die Frage nach SOUVERÄNEM Handeln<br />
der Bürgerschaft noch lange nicht vom Tisch ist, im Gegenteil. Das Motto „ WIR<br />
SIND SOVERÄN“ scheint erst recht nach dem Regierungswechsel virulent zu<br />
werden.<br />
UNSER PAVILLON als Bild ist aber zunächst damit von der Bildfläche verschwunden.<br />
Seine Neu-Implantation im öffentlichen Raum ist in weite Ferne gerückt, die<br />
charmante Idee, ihn „schwebend über dem Eckensee“ zu installieren oder ersatzweise<br />
auf der Skulpturen-Plattform des WKV, musste ad acta gelegt werden.<br />
Was die Ministerien jedoch nicht verhindern können, ist das Weiterleben der<br />
„PAVILLONISTISCHEN IDEE“.<br />
Nach dem Abtransport UNSERES PAVLLONS wurde im Internet eine Art „Manifest“<br />
veröffentlicht, das die Unabhängigkeit „pavillonistischer Strategien“ von der<br />
materiellen Existenz UNSERES PAVILLONS begründet (vgl. website Dora Asemwald).<br />
Seither haben schon einige irritierende Aktionen im Schlossgarten am<br />
ehemaligen Aufstellungsort stattgefunden und das zentrale Anliegen UNSERES<br />
PAVILLONS, nämlich Menschen miteinander zu vernetzen und im öffentlichen<br />
Raum miteinander zu diskutieren, hat seinen neuen Ort tatsächlich auf der<br />
Skulpturen-Plattform des WKV gefunden unter dem neuen Namen „UNSERE<br />
PLATTORM“. Die Intention des gemeinschaftlichen Handelns spiegelt sich in einer<br />
Vervielfältigung der pavillonistischen Aktivitäten, deren Bindeglied der Begriff<br />
„UNSER“ ist.<br />
Was mit dem materiellen Aspekt UNSERES PAVILLONS geschieht, ist zum<br />
Zeitpunkt dieses Beitrages noch offen, Pläne und Ideen gibt es einige, was sich<br />
letztlich davon realisieren wird, wird die Zukunft zeigen. Als erstes provokatives<br />
Bild wird UNSER PAVILLON nun die zuständigen Stellen im Finanzministerium<br />
beschäftigen, die sich mit einem Antrag auf Errichtung UNSERES ENTENHAUSES<br />
auf dem Eckensee auseinander setzen müssen.<br />
Die Aufstellung UNSERES PAVLLONS lässt sich von Seiten der Behörden vielleicht<br />
verhindern, die Idee, dass wir SOUVERÄN sind nicht.
DAS ENDE UNSERES PAVILLONS
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger<br />
von März 2011bis Februar 2012 stand im besetzten Mittleren Schlossgarten „UNSER PAVILLON“ und brachte mit seiner Schönheit<br />
und dem Engagement seiner BetreiberInnen eine besondere kulturelle Note in den Widerstand gegen das Jahrhundert-<br />
Unsinns-Projekt S21. Der <strong>Pavillon</strong> war in dieser Zeit ein Ort der spontanen Begegnungen, des offenen Dialoges, der unzensierten<br />
Informationen und der anregenden Kultur-Veranstaltungen: Lesungen, Konzerte, Ausstellungen, Performances und<br />
Symposien fanden hier statt und haben die politische Praxis in ihrem kulturellen Aspekt bestärkt. Der kontinuierliche Dauerbetrieb<br />
über ein Jahr war nur möglich durch das unermüdliche, ehrenamtliche Dauer-Engagement der beteiligten AktivistInnen.<br />
Dieses bürgerschaftliche Engagement ist nun zu Ende, es wird in Stuttgart politisch nicht gewollt.<br />
Nach dem Abtransport aus dem Mittleren Schlossgarten reichten die Betreiber einen Entwurf für eine Neu-Aufstellung bei den<br />
zuständigen Ministerien ein, der seiner symbolischen Bedeutung für den Widerstand gegen S21 adäquat war: Schwebend über<br />
dem Eckensee, in Sichtweite des Landtages und des Finanzministeriums sollte er weiterhin Treffpunkt und Aktionsraum sein<br />
für alle Bürgerinnen, die an der Zukunftsplanung unserer Stadt partizipieren wollen. Als „ Ideenquelle“ sollte er an diesem Ort<br />
die kollektive Kreativität der Stuttgarter Mutbürger weiter sprudeln lassen und mittels LED-Leuchtschriften die Verbindung zu<br />
unseren Repräsentanten im Landtag halten.<br />
Dieser Traum ist ausgeträumt.<br />
Weder die gesammelten Erfahrungen mit einer politischen Praxis „bottom up“ erregten Interesse bei der Staatsrätin für bürgerschaftliches<br />
Engagement Gisela Erler, noch eine wertschätzende Antwort des grünen Ministerpräsidenten war diese Initiative<br />
nach einem Jahr ehrenamtlichem Engagement wert. Lediglich das SPD geführte Finanzministerium als Eigentümer der Liegenschaften<br />
erging sich in einem Bescheid: Es untersagte das geplante Kunstprojekt mit dem Hinweis auf Denkmal- und Naturschutz<br />
im Stuttgarter Schlossgarten! Keine 500m weiter sehen wir eine andere Realität: die komplette Zerstörung des Parks!<br />
Dass diese Argumentation eine vorgeschobene ist, entlarvte sich endgültig an der Reaktion des Finanzministeriums, als die<br />
Initiatoren des Projektes daraufhin eine ersatzweise Aufstellung UNSERES PAVILLONS auf der Skulpturen-Plattform des WKV<br />
in Erwägung zogen. Dieses Ansinnen wurde vom Finanzministerium ebenfalls untersagt, diesmal jedoch mit einer ehrlichen<br />
Begründung: „Kunstwerke mit symbolischem Gehalt gegen S21 würden hier nicht geduldet“ Dies ist eine eindeutig politische<br />
Begründung und widerspricht damit den Intentionen unseres Grundgesetzes.<br />
Der Weiterbetrieb des Kunst-Projektes „UNSER PAVILLON“ wird damit von der rot-grünen Landesregierung praktisch verhindert.<br />
Als Reaktion auf das Ablehnungs-Schreiben des Finanzministeriums , das unter dem Stichwort „Naturschutz“ u.a. die brütenden<br />
Enten auf dem Eckensee bemüht um ein Kunstprojekt mit gesellschaftlichem Anliegen zu verhindern, haben die Initiatoren<br />
daher ein neues Gesuch beim Ministerium eingereicht.<br />
Wir beabsichtigen, anstelle UNSERES PAVILLONS auf dem Eckensee ein ENTENHAUS in Form eines Miniatur-<strong>Pavillon</strong>s<br />
schwimmend zu verankern, das sowohl den brütenden Enten, als auch dem vermeintlichen Widerstands-Symbol<br />
der engagierten Stuttgarter BürgerInnen den notwendigen Schutz vor Anfeindungen bietet.<br />
Wir bitten Sie mit Ihrer Unterschrift um Unterstützung für das Vorhaben demnächst „UNSEREN ENTENPAVILLON“ auf dem<br />
Eckensee zu installieren. Vielen Dank!
Wir danken allen, auch den namentlich nicht erwähnten Unterstützern, Aktivisten und Künstlern,<br />
die sich mit ihrem Engagement in das Projekt „UNSER PAVILLON“ eingebracht haben:<br />
Architekt_innen für K21<br />
Achmed<br />
Herrmann Abmayr<br />
Judith Anke<br />
Tomoko Arai<br />
<strong>Andreas</strong> Bär<br />
Eske Bail<br />
Paolo de Bagno<br />
Frank Bayh<br />
Petra Bewer<br />
Thomas Bock<br />
Karl Braig<br />
Meike Brandenbusch<br />
Roland Butteweg<br />
Fred Christmann<br />
Lino Ciriello<br />
Peter Conradi<br />
Hans Christ<br />
Yvonne P. Doderer<br />
Magda Dyck<br />
Beate Ehrmann<br />
Lubi Forer<br />
Georg Frank<br />
Peter Frank<br />
Regine Friedrich<br />
Klaus Gebhardt<br />
Kurt Grunow<br />
Michael Gompf<br />
Margarita Haußmann<br />
Volkmar Herre<br />
Egon Hopfenzitz<br />
Ralf Hohmann<br />
Jörg Hueber<br />
Ingenieure für K21<br />
Sigrid Klausmann-Sittler<br />
Connie Knapp<br />
Stephan Koeperl<br />
Friedrich Kübler<br />
Kurt Kühfuss<br />
Marianne Kraichgauer<br />
Conny Krieger<br />
Brigitte Krenkers<br />
Sabine Leitz<br />
Jens Loewe<br />
Marcel Maier<br />
<strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong><br />
Markus Meister<br />
Fritz Mielert<br />
Jürgen Maier<br />
Wolfgang Menauer<br />
Markus Meister<br />
Sibylle Mulot<br />
Wolfgang Morlok<br />
Wolfgang Offenloch<br />
Angela Pastor<br />
Christine Pfisterer<br />
Thomas Puls<br />
Harry Walter<br />
Karin Rehm<br />
Thomas Renkenberger<br />
Hannes Rockenbauch<br />
Maria Gracia Sacchiatelli<br />
Uli Scheuffele<br />
Josh von Staudach<br />
Walter Sittler<br />
Peter Schmidt<br />
David Stützel<br />
Thomas Ulm<br />
Unternehmer für K21<br />
Hubert Weiß<br />
Winfried Wolf<br />
Sylvia Winkler<br />
Martin Zentner<br />
Henning Zierock