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Unser Pavillon - Andreas Mayer-Brennenstuhl

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„UNSER PAVILLON“ war ein Projekt der souveränen Selbstermächtigung<br />

im besetzten „Mittleren Schlossgarten“ in Stuttgart von März<br />

2011 bis Februar 2012, initiiert von Künstler_innen und Aktivist_<br />

innen an der Schnittstelle zwischen künstlerischer und gesellschaftlicher<br />

Praxis im Rahmen der kritischen Bürgerbewegung gegen das<br />

umstrittene Immobilien-Projekt S21.


„UNSER PAVILLON“<br />

Die Stadt Stuttgart beabsichtigte im Frühjahr 2011 einen „Öko-<br />

<strong>Pavillon</strong>“ im Bereich der unteren Königstraße aufzustellen „in dem<br />

Kinder und Jugendliche mit Architektur und Stadtplanung umgehen,<br />

zudem spielerisch Ideen für die S-21-Stadtviertel entwickeln<br />

sollen“ (StN 15.12.2010). Dieses Vorhaben ignorierte erneut<br />

die eigentlichen Forderungen der K21-Bewegung nach Entscheidungs-Offenheit<br />

der Bahnhofs-Planungen und echter Bürgerbeteiligung<br />

hinsichtlich der urbanen Entwicklung in Stuttgart. Statt<br />

Bürgerbeteiligung geht es wieder einmal um Sandkastenspiele<br />

und eine manipulative Herrschafts-Geste.<br />

Diesem ideologischen Konstrukt wollten wir ein Gegenmodell<br />

an die Seite zu stellen: ein mobiler Aktionsraum, der es ernst<br />

meint, wenn von Bürgerbeteiligung die Rede ist und in dem über<br />

mehr verhandelt wird als über bloße Geschmacksfragen. In diesem<br />

Aktionsraum sollte der Widerstand eine öffentliche Adresse<br />

bekommen. Als Ort der „Gegenmodelle“ ist er so etwas wie ein<br />

Transformator privater Visionen in gesellschaftlich kommunizierbare<br />

Bilder. Was bisher versäumt wurde, nämlich auf die Kraft<br />

der Bilder zu setzen, könnte hier nachgeholt werden. Es gilt,<br />

eine positive Idee davon zu vermitteln, was anders wäre, wenn<br />

engagierte Bürger nach ihren Vorstellungen von Stadt und Mobilität<br />

gefragt würden. Es geht letztlich um die Entfaltung eines<br />

Diskurses über das, was wir meinen, wenn wir uns eine „soziale“<br />

und gerade deshalb „zukunftstaugliche“ Stadt vorstellen.<br />

„UNSER PAVILLON“ war ein Ort des öffentlichen Diskurses an<br />

dem die Frage gestellt wurde, wer über öffentliche Güter verfügt:<br />

Ökonomische Machteliten und willfährige Partei-Politiker oder<br />

eine souveräne und kompetente Bürgerschaft? Wem gehört die<br />

Stadt, der öffentliche Verkehr, der Bahnhof, der Park, die Demokratie<br />

usw. Es sind unsere Stadt, unser Park, unser Bahnhof und<br />

unsere Demokratie , die in Stuttgart demontiert und beschädigt<br />

werden. <strong>Unser</strong>e Antwort auf den geplanten städtischen Pro-S21-<br />

<strong>Pavillon</strong> lautete daher: <strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>”<br />

“UNSER PAVILLON” ist mehr als eine mobile Info-Plattform. Das<br />

Projekt betreibt seine Arbeit im zwei Richtungen: Es ist gleichzeitig<br />

Ort der Information und der Wahrnehmung. Im Dialog werden<br />

Informationen weitergegeben und zugleich gesammelt, UNSER<br />

PAVILLON ist zugleich ein Instrument der Recherche und der<br />

Vernetzung. INPUT und OUTPUT ergänzen sich und sind die<br />

Ausgangs-Komponenten einer notwendigen TRANSFORMATI-<br />

ON.<br />

Die “Eingaben” von Bürgern und Bürgerinnen werden hier gespeichert,<br />

geordnet, weiterverarbeitet und archiviert. Dieser<br />

INPUT kann in Form von Ideen, Vorträgen, Texten , Bildern,<br />

Objekten, Performances usw. im <strong>Pavillon</strong> eingebracht werden.<br />

Alle interessierten Personen und Initiativen waren aufgerufen,<br />

sich hier aktiv einzubringen.<br />

Durch diesen dialogischen Prozess sollte im Laufe der Zeit<br />

der Inhalt des Projektes sich generieren.<br />

Konsequenterweise erschien UNSER PAVILLON bei seinem<br />

ersten Auftritt innen und außen leer, in einer ersten Performance<br />

wurde er dann “in Betrieb” genommen und mit<br />

ersten Inhalten gefüllt. Ein Archiv-System im Inneren des<br />

<strong>Pavillon</strong>s ermöglichte dann eine kontinuierliche “Aufladung”<br />

mit Informationen im Laufe der Zeit.<br />

Die Aufgabe dieses skulpturalen Gebildes bestand darin, die<br />

vielfach verstreuten Botschaften des Widerstands, die darin<br />

aufgespeicherten Phantasien zu sammeln, zu verdichten<br />

und als gebündelte Energie wieder abzugeben. Das Gestaltungselement<br />

der „Lamellen“ spielte dabei auf das Phänomen<br />

des „Wärmaustauschs“ an, der „Widerstandstransformator“<br />

verwandelt sozusagen problematische gesellschaftliche Energien<br />

in höherwertige Zustände. Die Thermik des Widerstandes<br />

regelt sich von selbst, gespeist von der Temperatur im<br />

Stuttgarter Kessel.


Die Gestaltungs-Idee des K21-<strong>Pavillon</strong>s ist inspiriert von der Skulptur<br />

„SCHICHTUNG 107- STUTTGARTER TOR“ des Künstlers Thomas Lenk<br />

aus dem Jahr 1977, die sich im Mittleren Schlossgarten befindet.<br />

Diese autonome Skulptur der Moderne wird in einer souveränen Geste<br />

durch einen dreidimensionalen Raum erweitert, in dem erstmalig die<br />

Gestaltungsideen der Stuttgarter Bürger einen zentralen Ort<br />

finden sollen. Die temporäre Platzierung des <strong>Pavillon</strong>s im Anschluss<br />

an die Skulptur ermöglicht den Besuchern den Eintritt in diesen neuen<br />

Handlungsraum direkt durch das „STUTTGARTER TOR“.<br />

In einer „Reinigungsaktion“, die gleich zu Beginn der Abeitsphase des<br />

PAVILLONS stattfindet, wird der mit Aufklebern aller Art malträtierten<br />

Lenk-Skulptur zugleich ihre Würde als autonomes Kunstwerk zurückgegeben.<br />

Das äußere Erscheinungsbild des <strong>Pavillon</strong>s verweist mit einem formalen<br />

Gestaltungselement, den “Lamellen”, auf Bilder der Energie-Speicherung<br />

und Umwandlung : „Akkumulator“ „Transformator“ „Generator“<br />

usw. Die „Lamellen“ des kubischen Grundraumes haben wie bei physikalisch-technischen<br />

Geräten die Funktion, die Oberfläche zu erweitern<br />

und dadurch Energie abzugeben. Sie können als Trägerflächen für Ideen<br />

und Materialien dienen, die in diesem „Gerät“ verhandelt werden.<br />

Das Gestaltungselement der „Lamellen“ spielt dabei auf das Phänomen<br />

des „Wärmaustauschs“ an, der „Widerstandstransformator“ verwandelt<br />

sozusagen problematische gesellschaftliche Energien in höherwertige<br />

Zustände. Die Thermik des Widerstandes regelt sich von selbst, gespeist<br />

von der Temperatur im Stuttgarter Kessel.<br />

Durch den beständigen Umformungsprozess wird der <strong>Pavillon</strong> nach und<br />

nach selbst mit Energie aufgeladen. Auch wenn ihre Tore geschlossen<br />

sind, wird die in ihr akkumulierte Energie in Form von Schrift, Bild und<br />

Ton jederzeit nach außen hin abstrahlen können. Und wenn gar nichts<br />

passiert, kann dies ein Zeichen dafür sein, dass man sich gerade um<br />

Besinnung bemüht.<br />

Die Einspeisung produktiver Phantasien oder ästhetischer Energien in<br />

den öffentlichen Diskurs kann dazu beitragen, den Begriff der „Unumkehrbarkeit“<br />

zu entzaubern und Umkehrungen aller Art zu denken.<br />

erste kollektive Überlegungen, skizziert auf einer Serviette,<br />

favorisieren eine mögliche Architektur in Anlehnung<br />

an das Schichtungsmotiv der Skulptur „Schichtung<br />

107- Stuttgarter Tor“ von Thomas Lenk<br />

(Skizze: Kurt Grunow, Yvonne P. Doderer, <strong>Andreas</strong><br />

<strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong>)


20. März 2011: subversive Aufstellung UNSERES PAVILLONS<br />

im Schutze der Dunkelheit im Schlossgarten Stuttgart


Um die subversive Aufstellung des PAVILLONS bei<br />

einem eventuellen Polizei-Einsatz zu tarnen, bediente<br />

sich das PAVILLON-Team eines Kunstgriffs:<br />

Ein Schreiben an das Ordnungsamt beantragte die<br />

Aufstellung einer CAMERA OBSCURA im Schlossgarten<br />

zum Zwecke einer photographischen „Langzeit-Belichtung“<br />

des Bahnhofs. Die Dimension der<br />

Camera Obscura wird in dem Anschreiben nicht<br />

erwähnt. Die am Tatort erschienene Polizei konnte<br />

durch das vorgelegte Schreiben tatsächlich überzeugt<br />

werden, es handle sich um eine legale Aktion,<br />

erst am Montagmorgen klärte sich die Sachlage<br />

mit dem Ordnungsamt auf - UNSER PAVILLON<br />

hatte seinen Bestimmungsort jedoch erreicht.


PRESSE- ECHO<br />

den ersten Kommentar mit sachlich<br />

falschen Fakten lieferte natürlich die<br />

BILD-Zeitung<br />

...und die Reaktionen auf facebook:<br />

Jagat Eberding ?...mir fehlen die Worte...(wahrscheinlich auch besser so)<br />

Tom Bock Erlebnispädagogik für schwer Vermittelbare. Früher hieß das KdF.<br />

Da war Ulrike Meinhof- jedenfalls in den Anfangszeiten ihres sozialen Engagements-<br />

mutiger. Die hat nicht nur Playmobil gespielt.....vor 10 Stunden<br />

Daniel Stozk Die Räumung wird vermutlich noch epochaler als ich sie mir<br />

bisher vorstellen konnte... Was die wohl noch alles aufstellen...vor 9 Stunden<br />

Stefan Gonzalez Die V-Männer vom BND haben wohl geschlafen bei der<br />

Aktion.....vor 9 Stunden<br />

Daniel Stozk Wir brauchen echt mal jemanden wie Batman in Stuttgart, der<br />

hier aufräumt...<br />

*BAM*<br />

*ZOK*<br />

*WWAMM*<br />

*KAPOW*<br />

*CRASH*<br />

... und schon ist die demokratische Grundordnung allerorten wiederhergestellt.......vor<br />

9 Stunden ..<br />

Mike Ernst ich hätte richtig lust, die bude mit ner axt zu „entfernen“. Aber<br />

lustig, wie gelangweilt der Bulle dem verzweifelten Typ zuhört. Hoffentlich<br />

steht das ding nicht lang..........vor 3 Stunden<br />

Bi Engel ich verklage nach der Wahl den Kretschmann oder wen auch immer...<br />

ich schwörs euch.vor 3 Stunden • 3 Personen gefällt das.


Die „STUTTGARTER ZEITUNG“<br />

verbreitete den Fake mit der<br />

„Camera Obscura“:<br />

... und die Reaktionen auf facebook:<br />

Alexander Hald Ist das komplett „rechtsfreier Raum“ im Schloßpark, dann muss<br />

ich da auch mal bisschen auf die Kacke hauen, was haltet Ihr von einem großen<br />

Lagerfeuer mit bisschen Bier usw..?<br />

Michael Flurus Das frag ich mich auch........komplett, absolut uneingeschränkt<br />

rechtsfrei. So kommts mir vor. Langsam hab ich echt ne Wut......werd noch zum<br />

Wutbürgervor 10 Stunden<br />

Daniel Stozk klingt nach nem job für das widerstandsbaumbeseitigungs/pavillonabrisskommando<br />

Alexander Steinwand Ist das jetzt ein Witz? Die stellen da einfach Container hin?<br />

Alexander Hald mein Bruder hatte mir das heute schon erzählt, das die da wohl bei<br />

Nacht und Nebel irgendwelche Container in den Schloßpark stellen, also wenn das<br />

nach der Wahl nicht alles „ruckzuck“ geräumt wird und wieder normaler Nutzung<br />

zugeführt wird, dann können wir da ja auch mal paar geile Lagerfeuer oder sonst<br />

was dort abhalten, schein ja nichts mehr zu passieren dort, ohne das es jemand<br />

juckt, soweit sind wir also schon in Stuttgart, echt geil....vor 10 Stunden<br />

Sebastian Heinel Ist doch gleich Alex. Wir wissen, dass da wo das steht einmal<br />

Teilbaugrrube 16 - 20 geöffnet wird und der Abrissbirne isses dann ziemlich egal<br />

ob da ein Tipi steht oder ein Sperrholzcontainer.<br />

Und selbst wenn sie den Burdsch Chalifa da nochm...al um 200 Meter übertreffen<br />

würden, der Tiefbahnhof kommt - unausweichlich. Für manche wird das zwar dann<br />

ein echter Sucker Punch, aber da kann nun wirklich keiner sagen, er hätte von nix<br />

gewusst - oder um mit gestern zu argumentieren: „Was baut ihr eure pseudoheile<br />

Welt auch auf eine Baugrube der Bahn. Nichts als Provokation. „Wer sich in ein<br />

Bienennest setzt, muss sich nicht wundern wenn die Bienen brummen!“ (Kirsten<br />

Schönenberger - Kein Stuttgart 21 zum Thema Infostand der IG)<br />

Stuttgart 21: Gegner haben eigenen <strong>Pavillon</strong> - Stuttgarter Zeitung<br />

Stuttgart 21<br />

Gegner haben eigenen <strong>Pavillon</strong><br />

Von dpa/lsw, aktualisiert am 23.03.2011 um 17:13<br />

Foto: dpa<br />

Stuttgart - Die Befürworter des Bahnvorhabens Stuttgart 21 scheiterten an einem eigenen<br />

Infopavillon für das Projekt - die Gegner haben jetzt ihre eigene Infozentrale im Stuttgarter<br />

Schlossgarten. Der <strong>Pavillon</strong> aus Holz soll nach Angaben der Initiatoren, einer<br />

Künstlergruppe, den rund 60 Widerstandsgruppen Möglichkeiten geben, ihre Materialien<br />

auszulegen oder Ausstellungen zu zeigen. Insbesondere sollen die Themen sanierter<br />

Kopfbahnhof 21 als Alternative zum den geplanten Tiefbahnhof, Bürgerbeteiligung und<br />

Demokratiebewegung in den Mittelpunkt gerückt werden, sagte Mitbegründer Harry Walter<br />

am Mittwoch.<br />

Das Gebäude mit 15 Quadratmeter Fläche sei beim Ordnungsamt als „Camera obscura“<br />

angemeldet. Ein Teil des <strong>Pavillon</strong>s ist als solche eingerichtet; Besucher können so im<br />

Innenraum eine auf dem Kopf stehende Ablichtung des Bahnhofsgebäudes sehen.<br />

PRESSE- ECHO<br />

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-gegner-habe…abbe316-ff61-49ea-a380-9c25d2638e94.presentation.print.html?img=1<br />

23.03.11 18:26<br />

Seite 1 von 1


PRESSE-ECHO<br />

Das „KUNSTFORUM“ hatte<br />

am besten recherchiert


21. März 2011: „UNSER PAVILLON“ öffnet seine Türen!


22. März 2011: STADTLABOR mit Hannes Rockenbauch<br />

Hannes Rockenbauch, Dipl. Architekt, SÖS-Stadtrat und ein<br />

engagierter Aktivist für K21 präsentierte sein „Interaktives<br />

Stadtlabor“. Die anwesenden Bürger konnten ihre Vorstellungen<br />

eines anderen Stuttgarts zu Papier bringen und<br />

direkt auf eine überdimensionale Luftaufnahme setzen, die<br />

direkt vor UNSEREM PAVILLON ausgelegt wurde.


23. März 2011: Winfried Wolf zu S21<br />

Winfried Wolf, engagierter S21-Gegner, Politikwissenschaftler<br />

und Mitglied bei der Gruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn.<br />

sprach vor zahlreichem Publikum vor „UNSEREM<br />

PAVILLON“ über die gesellschaftlichen, verkehrspolitischen<br />

und ökonomischen Hintergründe des Projekts Stuttgart 21


24. März 2011: Gesprächsrunde mit Fritz Mielert<br />

Gesprächsrunde mit Fritz Mielert von den Parkschützern<br />

über die bevorstehende Landtagswahl und wie es danach<br />

mit dem Widerstand weitergeht.


Video-Arbeit von Karin Rehm: Tauben picken S21 weg


26. März 2011: BUTTONWERKSTATT mit Judith Anke und<br />

Karin Rehm<br />

Jeder konnte seine eigenen Buttons zu den Thematiken rund<br />

um „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“ gestalten. Es standen Motive und Begriffe<br />

wie: Demokratie, Bahnhof, Schlossgarten, Fernsehturm, Bäume,<br />

Park, Stadt und eine Krone, neben Scheren und Stiften<br />

zur Verfügung.


27. März 2011: WAHLTAG ist ZAHLTAG<br />

Baden-Württemberg hat nach über 50 Jahren zum ersten mal<br />

die CDU-Regierung abgewählt. Ministerpräsident Mappus, der<br />

die Eskalation im Schlossgarten am „schwarzen Donnerstag zu<br />

verantworten hatte, muss seinen Hut nehmen. Bundeskanzlerin<br />

Merkel hatte die Landtagswahl im Vorfeld zur „Abstimmung<br />

über S21“ hochstilisiert, nach diesem Ergebnis konnte sie sich<br />

nicht mehr daran erinnern.


Die Chronik des Widerstandes gegen S21


28. März 2012: Aufstellung von INFO-SÄULEN<br />

Infosäulen mit interessanten Ideen zu einem renovierten<br />

„Kopfbahnhof K21“, erarbeitet von der Gruppierung „ArchitektInnen<br />

für K21“, werden bei UNSEREM PAVILLON aufgestellt<br />

und finden reges Interesse in der Bevölkerung. Vielen<br />

Menschen sind die Alternativen zu der Planung der Bahn,<br />

die mit immensem Werbeaufwand den Bürgern eingeredet<br />

werden, überhaupt nicht bekannt


Info-Plakate der „ArchitektInnen für K21“ an den Info-Säulen „UNSERES PAVILLONS mit Informationen zu<br />

einer sinnvollen und kostengünstigeren Alternative zu S21: Erneuerung und Ertüchtigung des bisherigen<br />

Kopfbahnhofes und stadtgerechte Planungen für die freiwerdenden Flächen. „There are always alternatives“


30. März 2011 Aktion „LENK-REINIGUNG“<br />

Das „Stuttgarter Tor / Schichtung 107“ des Bildhauers Thomas<br />

Lenk aus dem Jahre 1977 wird in einem rituellen Akt von wilden<br />

Plakatierungen befreit. Die behutsam geborgenen Reste<br />

wurden anschließend im <strong>Pavillon</strong> präsentiert.


vorher<br />

nachher


Reste der Beklebungen der LENK-<br />

Skulptur, collagiert von Maria Gracia<br />

Sacchiatelli


30. März 2011: „PICKNICK und RADIO“ mit Ralf Homann<br />

Der Künstler und Autor Ralf Homann aus München vermittelte<br />

in Anspielung an das berühmte Picknick, das an der ehemaligen<br />

Zonengrenze den Anfang vom Ende des „Eisernen Vorhanges“<br />

ankündigte über einen eigenen UKW-Sender seine<br />

„Picknickphilosophie“ an die Parkbesucher und ließ nebenher<br />

den Grill für sich arbeiten. Im besetzten Stuttgarter Schlossgarten<br />

geht es um mehr als um die Wurst.


2. April 2011: AKTION „SEEDBALLS“<br />

Frühlingserwachen im Park, „seed balls“ werden im <strong>Pavillon</strong><br />

vorbereitet, bereit zur Attacke noch brachliegender<br />

Flächen.<br />

„seed balls“ (engl. Samenbomben): Bestehend aus Tonerde,<br />

Kompost und einer Samenmischung (z.B. Wildblumen,<br />

Kräuter und Gemüse). Sie können in Beuteln oder<br />

Taschen mit herumgetragen werden und bei allen sich<br />

bietenden Gelegenheiten ausgebracht werden. Durch den<br />

Anteil an Erde und Lehm können die Samen lange Zeit<br />

überdauern und geeignete Umwelt- und Wetterbedingungen<br />

abwarten. Ist es feucht genug, keimen die Samen<br />

und der „Seedball“ platzt und bietet dem Keimling Wachstumsbedingungen.<br />

„Seedballs“ eignen sich hervorragend,<br />

um auch an unerreichbaren Stellen Pflanzensamen zu<br />

deponieren.


4. April 2011: DIE KUNST DES „OBEN BLEIBENS“<br />

Die Kunst des „OBEN BLEIBENS“ und einige akrobatische<br />

Übungen konnte unter fachkundiger Anleitung von David<br />

Stützel bei UNSEREM PAVILLON erlernt werden.<br />

Aller Anfang ist schwer.


8. April 2011: SOUP präsentiert „BRASILIEN“<br />

Das Begleitbüro SOUP (Stuttgarter Observatorium Urbaner<br />

Phänomene), mit dem einige der am Projekt „UNSER PA-<br />

VILLON“ beteiligten Künstler verbunden sind, stellt seine<br />

Arbeit mit Bildern, Filmen vor. Das Projekt „BRASILIEN“<br />

thematisierte einen „Schein-Bahnhof“ , der im 2. Weltkrieg<br />

den Stuttgarter Hauptbahnhof auf freiem Feld bei Lauffen<br />

am Neckar imitierte und so Stuttgart einige Bombenangriffe<br />

ersparte.


Sigrid Klausmann-Sittler und Hermann Abmayr sind Dokumentarfilmer,<br />

Hermann G.Abmayr ist der Regisseur des Films<br />

„Stuttgart steht auf“. Es entwickelt sich ein lebendiger Gedankenaustausch<br />

über Bedingungen und Möglichkeiten des Dokumentarfilms,<br />

über die Bürgerbewegung in Stuttgart, was sie<br />

ist und erreicht hat und was vielleicht noch werden kann.<br />

12. April 2011: Gespräch zwischen den Filmemachern Sigrid<br />

Klausmann-Sittler und Hermann Abmayr


13. April 2011: RÜCKBAU der „PARKBEFRIEDUNG“<br />

Die „Parkbefriedung“, einem weiteren Projekt der PAVIL-<br />

LON-Initiatoren <strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong>, Harry Walter<br />

und Karin Rehm, wird abgebaut. Die PARKBEFRIEDUNG hat<br />

seit November 2010 mit einem Wall aus Bildelementen des<br />

Brandenburger Tores die Zeltstadt im Park vor neugierigen<br />

Blicken und nächtlichen Angriffen aggressiver Pro´ler geschützt.<br />

Nach der Landtagswahl hatte das Aktionsbündnis die<br />

„Rückgabe“ des besetzten Parks beschlossen und die Parkbesetzer<br />

veranlasst, den Park zu räumen. Daraufhin wurde<br />

zunächst der „Schutzwall“ abgebaut. Die Zeltbewohner haben<br />

sich aber dann mehrheitlich entgegen dem Beschluss<br />

des Aktionsbündnisses entschieden, im Park zu bleiben und<br />

mit Restücken des Walls diesen sofort wieder neu errichtet.<br />

Basisdemokratisch.<br />

Die abgebauten Bildelemente wurden vorübergehend an der<br />

LENK-Skulptur „Schichtung 107“ befestigt und korrespondierten<br />

mit deren Schichtung. Genau 107 Teile. Zufall?


PRESSE-REAKTIONEN


„PARKBEFRIEDUNG“ Eine winterliche Schutzaktion von<br />

<strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong> (supported by SOUP)<br />

Das Camp im Mittleren Schlossgarten wird von manchen Bürgern als<br />

„Schandfleck“ betrachtet, durch den die Stadt einen nachhaltigen Imageschaden<br />

erleide. Andere halten es für eine öffentliche Manifestation derer,<br />

die sich ansonsten unsichtbar in die Büsche schlagen: der Obdachlosen.<br />

Wiederum andere erkennen darin einen notwendigen Vorposten des Bürgerprotests<br />

in postdemokratischen Zeiten.<br />

Wir erkennen darin die einzigartige Chance, auf etwas aufmerksam zu<br />

machen, was ohne dieses Zeltlager vielleicht gar nicht mehr nachweisbar<br />

wäre: die Kraft, es in dieser Stadt auch dann noch auszuhalten, wenn alles<br />

verloren zu sein scheint.<br />

Damit diese mutige Architektur nicht den klimatischen und politischen Witterungsverhältnissen<br />

zum Opfer fällt, möchten wir in Form einer kulissenartigen<br />

Schutzarchitektur dazu beitragen, die Lage zu entspannen.<br />

Die Elemente dieser Schutzarchitektur gehen zurück auf die Bauplanen, die<br />

während der Renovierung des Brandenburger Tores in Berlin vor dem Baugerüst<br />

hingen und auf denen dieses unschlagbare Symbol sowohl der deutschen<br />

Teilung wie auch der Wiedervereinigung in Originalgröße fotografisch<br />

abgebildet war. Einzelne Fragmente dieser nun rechteckig aufgespannten<br />

Planen fungieren seither als Versatzstücke von Interimsarchitekturen, die<br />

allesamt die Frage stellen: Was unterscheidet eine Scheinarchitektur von<br />

einer wirklichen Architektur? Die Stuttgarter Verhältnisse erlauben uns,<br />

diese Frage weiter zu präzisieren.<br />

Das gehasste, das geliebte oder auch nur geduldete Camp ist ein architektonisches<br />

Provisorium, das einerseits pragmatischen Erfordernissen<br />

genügen musste, andererseits aber auch eine konkrete politische Botschaft<br />

enthält.<br />

Die Bewohner dieses selbsterrichteten Lagers mögen aus verschiedenen<br />

Motiven hier zusammengefunden haben: es ist jedoch unübersehbar, dass<br />

sie einen Grund dafür haben, genau dort zu sein, wo bald ein gigantisches<br />

Loch sein soll.


Wir sprechen hier von einer Notbesiedlung, die sich auf einen wirklichen<br />

Fall von demokratischem Notstand berufen kann. Die Existenz<br />

dieses Camps beweist, dass irgendetwas anderes schief gelaufen ist.<br />

Dieses Andere kann nicht nur ein Kommunikationsproblem gewesen<br />

sein.<br />

<strong>Unser</strong>e in Kooperation mit den Zeltbewohnern errichtete Umfriedung<br />

verfolgt einen doppelten Zweck: Sie soll die Zeltinsassen einerseits vor<br />

dem eisigem Wind wie auch vor den feindlichen Blicken mancher Parkbesucher<br />

schützen, andererseits aber auch dieselben Parkbesucher vor<br />

dem Anblick dieses „unheilvollen“ Stücks Anarchie.<br />

Wir verstehen diese Intervention als einen Akt der Parkbefriedung und<br />

gleichzeitig als den möglichen Beginn einer ästhetische Offensive, deren<br />

Ziel es sein könnte, die städtebauliche Zukunft Stuttgarts nicht allein<br />

den Architekten und Stadtplanern zu überlassen, sondern auch jene<br />

Kräfte einzubinden, die bislang noch keinen stabilen Ort in dieser Gesellschaft<br />

gefunden haben und dies – aus welchen Gründen auch immer<br />

- vielleicht auch gar nicht wollen.<br />

Das Zeltlager bildet unserer Auffassung nach den städtebaulichen Gegenpol<br />

zu den offiziellen Planungen der Stadt. Gelingt es, diesen Ort<br />

genau so ernst zu nehmen wie das, was mit Stuttgart 21 gemeint ist,<br />

wäre gesellschaftlicher Fortschritt die natürliche Folge.<br />

Die Parkbefriedung soll das Camp nicht aus der öffentlichen Wahrnehmung<br />

stanzen, sondern – im Gegenteil - die in ihm angelegten<br />

Qualitäten nach innen und nach außen hin fortsetzen. Anders als der<br />

Bauzaun sollte dieses in seiner Art einzigartige Basislager nicht ins<br />

Museum wandern, sondern nach allen Seiten hin großzügig fortgesetzt<br />

werden. Von möglichst vielen. Die neue Lust an der Bürgerbeteiligung<br />

hätte dann so etwas wie eine erste Adresse.<br />

Eine partizipative Installation konzipiert von AMB supported by SOUP<br />

Harry Walter


15. April 2011: GESPRÄCH mit KLAUS GEBHARD<br />

Klaus Gebhard, der Gründer der Parkschützer, erklärt noch<br />

einmal ausführlich, warum Stuttgart 21 in allen Punkten ein<br />

Auslaufmodell ist.


20. April 2011: ORAL HISTORY mit Beate Ehrmann<br />

Beate Ehrmann und Gäste erzählen sich im Rahmen des neu<br />

gestarteten Projekts „Oral history“ Bahnhofsgeschichten,<br />

die weit über Stuttgart und seinen Bahnhof hinauszielen.<br />

Die Oral - history Reihe will zeigen, dass der Stuttgarter<br />

Hauptbahnhof nicht bloß eine Gebäudehülle zum Abreißen<br />

und Abreisen bedeutet, sondern eine Welt voller Geschichten,<br />

voll mit Bildern, Tönen, Gerüchen, Träumen und<br />

Sehnsüchten. In UNSEREM PAVILLON im Park kommen wir<br />

erzählend ins Reisen und streifen so auch andere Orte und<br />

Zeiten. Mitmachen können alle, die Lust auf Geschichten,<br />

Mut zum Erzählen und Muse zum Zuhören haben. Zu jeder<br />

Veranstaltung ist ein spezieller Gast eingeladen seine<br />

Bahnhofsgeschichten zu erzählen. Insbesondere sammeln<br />

wir Geschichten rund um den Stuttgarter Hauptbahnhof aus<br />

allen Zeiten, deshalb kann, wer nicht selbst erzählen will,<br />

seine Erlebnisse aufgeschrieben abgeben, sie werden in der<br />

Erzahl-Runde von der Moderatorin Beate Ehrmann vorgelesen..


18.- 20. April 2011: „CAMERA OBSCURA“ mit Volkmar Herre<br />

Der Stralsunder Fotokünstler Volkmar Herre (Bildmitte)<br />

führt sein Publikum in die letzten Geheimnisse der Camera<br />

obscura ein und und fertigt nebenbei ein definitives Bild des<br />

auf dem Kopf stehenden Bahnhofsturms an.


unten<br />

oben


22. April 2011: KARFREITAGS-KONZERT<br />

Die Geigerinnen Angela Pastor und Margarita Haußmann,<br />

der Schauspieler Lino Ciriello und David Stützel mit der<br />

singenden Säge aus der <strong>Pavillon</strong>istengruppe laden zusammen<br />

mit anderen Musikerkolleginnen: Meike Brandenbusch,<br />

Connie Knapp und Regine Friederich zu einer gemeinsamen<br />

Karsamstag-Feier zur Osternacht unter dem Motto „Vom<br />

Dunkel ins Licht“ ein.<br />

Das „Stuttgarter Tor“, die schwarze Stahlplastik von Thomas<br />

Lenk, wird dabei kurzerhand zur Bühne umfunktioniert.


Karfreitag,


23. April 2011: SOLIDARITÄT mit FUKOSHIMA<br />

Unter fachkundiger Anleitung von Tomoko Arai falten Gäste<br />

„UNSERES PAVILLONS“ aus aktuellem Anlass Kraniche, um<br />

Japan nach der Tsunami- und Reaktorkatastrophe in Fukoshima<br />

symbolisch beizustehen. David Stützel begleitete dazu<br />

auf der „singenden Säge“


28. April: „Staatsbesuch“ an UNSEREM PAVILLON<br />

Folgende Geschichte soll sich so im Park zugetragen haben:<br />

Ein waschechter Indianer, der z.Z. durch Europa tourt um in<br />

Schulen seine Indianer-Kultur vorzustellen,hört von „TIPIS“,<br />

die angeblich im Schlossgarten stehen sollen. Neugierig geworden,<br />

begibt er sich dorthin und ist begeistert, von dem<br />

was er dort antrifft.<br />

Mehrere Stunden ist er Gast in „UNSEREM PAVILLON“ und<br />

hält flammende Reden über den Wert der Bäume und die<br />

Werte seiner Kultur. Die Parkbewohner sind ein dankbares<br />

Publikum. Zum Beweis, dass diese Geschichte nicht erfunden<br />

ist, anbei Beweisphotos:


3. Mai 2011: „OMNIBUS FÜR DIREKTE DEMOKRATIE“<br />

macht Station an „UNSEREM PAVILLON“<br />

Zwei Schönheiten in strahlendem Weiß trafen<br />

sich heute um 11 Uhr im Stuttgarter Schlossgarten:<br />

Der „OMNIBUS FÜR DIREKTE DEMOKRATIE“<br />

macht Station an „UNSEREM PAVILLON“. Von hier<br />

aus startet die Aktion „MEHRHEIT ENTSCHEIDET“.<br />

Der Omnibus wird auf seiner Tour durch Ba-Wü<br />

Postkarten verteilen, die die Bürgerinnen und Bürger<br />

an die Landtagsabgeordneten schicken können<br />

um den Super-Gau der Demokratie zu verhindern.


„WAS KÖNNTE DEMOKRATIE SEIN?“


April /Mai : Ausstellung im PAVILLON zu den Themen<br />

Bahnhof, Demokratie und Fortschritt


26. April 2011: DEMOKRATIE - SEMINAR<br />

mit Thomas Renkenberger<br />

Thomas Renkenberger führte mit einem Überblick über die<br />

geschichtliche Entwicklung des Demokratie-Gedankens in das<br />

Thema der kommenden zwei Wochen ein:“mehr Demokratie“!<br />

Der Vortrag und die anschließende Diskussion mit dem Publikum,<br />

das sich vor dem <strong>Pavillon</strong> versammelt hatte, zeigte die<br />

notwendige Entwicklung hin zu mehr Bürgerbeteiligung auf:<br />

Renkenberger betonte dabei, dass die Demokratie der Zukunft<br />

nur eine Demokratie von unten sein kann, bei der die Bürger<br />

ihrem neu erwachten demokratischen Selbstbewusstsein Ausdruck<br />

geben können. Die Diskussionen um S21 haben in Stuttgart<br />

das Demokratie-Bewusstsein neu erstarken lassen, auch<br />

die aktuellen Versuche der Parteien, insbesondere der SPD,<br />

dieses Selbstbewusstsein zu umgehen und für ihre Zwecke zu<br />

instrumentalisieren, wird nicht von Dauer sein. Die demokratische<br />

Entwicklung ist nicht aufzuhalten,Thomas Renkenberger<br />

ermutigte die Zuhörer, weiter an dieser Entwicklung zu arbeiten.


30. April 2011: AUKTION der „PARKBEFRIEDUNG“<br />

mit Walter Sittler und Petra Bewer<br />

Mit Charme und Esprit überzeugte Petra Bewer und der<br />

Schauspieler Walter Sittler die zahlreich zur Versteigerung der<br />

Bildelemente der „Parkbefriedung“ gekommenen Zuschauer,<br />

sich aktiv an der Auktion zu beteiligen.<br />

Die Motive des Brandenburger Tors umfriedeten seit nunmehr<br />

einem Vierteljahr die zentrale „Zeltstadt“ im Mittleren Schlossgarten<br />

und markierten einen Rückzugsort für die Zeltbewohner.<br />

Dem Wunsch der Parkschützer folgend, dort nun neuen<br />

Rasen auszusäen, wurde die einstige Schutzarchitektur vor<br />

zwei Wochen rückgebaut. Mit dem Erlös wird der Rechtshilfe-<br />

Fonds der Parkschützer unterstützt.


5. Mai 2011: „SOLARENERGIE“ an UNSEREM PAVILLON<br />

Der Solarenergieberater und Mentor für Bürgerengagement<br />

Karl Braig, präsentiert den Parkbesuchern sein melonengelbes<br />

Elektroauto, dessen Batterie an jeder haushaltsüblichen Steckdose<br />

mit Strom aus regenerativer Energie aufgeladen werden<br />

kann. Für die Besucher des <strong>Pavillon</strong>s bereitet er - mit freundlicher<br />

Unterstützung von Sabine Leitz - auf einem Parabol-<br />

Solarkocher Gemüsesuppe zu und räumt mit den Lügen der<br />

Atomlobbyisten zu erneuerbaren Energien auf, die über die<br />

Medien verbreitet werden.


12. Mai 2011: „URBAN PLANNING 2.0“ mit Wolfgang Menauer<br />

Wolfgang Menauer hielt heute seinen Vortrag „Planung als<br />

interaktiver Prozess urbaner Entwicklung“ im <strong>Pavillon</strong>. Er<br />

sprach über Planungskonzepte die es ermöglichen die Bürger<br />

nicht nur zum Schein zu beteiligen!<br />

e-Partizipation, e-Bürgerdienste und Beteiligungsserver finden<br />

sich im Netz zuhauf. In der bisherigen Stadtentwicklung<br />

dienen sie lediglich der Bereitstellung von Ausschreibungstexten,<br />

Formularen oder Plänen. Meist dreht es sich aber nur<br />

darum, die Planung der Öffentlichkeit bekannt zu machen<br />

und den Bürger über den aktuellen Stand zu informieren<br />

– der Pflicht Genüge zu tun.<br />

Wie wäre es stattdessen, die Bürger zu begeistern? Zu zeigen,<br />

dass sie gefragt sind. Mit ihren Ideen und ihrer Mitarbeit<br />

– für eine lebendige, bürgernahe Stadt! Möglichkeiten<br />

schaffen, gemeinschaftlich zu planen – Stadtplaner mit Bürgern<br />

- für Bürger. Davon profitieren alle – und die Stadt in<br />

der wir leben. Das Knowhow Vieler nutzen, genauso wie die<br />

Kompetenz Einzelner - durch offene, andauernde und aktive<br />

Beteiligung – von Anfang an.


13. Mai 2011: „DIE ÖKONOMISIERTE STADT“<br />

Vortrag und Diskussion mit Prof. Y. P. Doderer<br />

Prof. Yvonne P. Doderer, freie Architektin, Stadtforscherin und<br />

Betreiberin des „Büro für transdisziplinäre Forschung und Kulturproduktion“<br />

in Stuttgart, thematisierte heute im PAVILLON<br />

die „Ökonomisierung von Stadt”. Anhand breit recherchierter<br />

Fakten zeigte sie dabei auf, wie Modernisierungs- und Zukunftsversprechen<br />

seitens der Projektbetreiber und potentiellen<br />

Investoren im Rahmen von Stadtplanungsprozessen<br />

auf stadtpolitische und ökonomische Realitäten treffen, die<br />

eine ganz andere Sprache sprechen. Anstelle einer demokratischen<br />

und am Gemeinwohl orientierten Stadtpolitik tritt die<br />

Ökonomisierung von Stadtgesellschaft und Stadtentwicklung<br />

als Folge einer Politik, die derzeit auch in Stuttgart im Zusammenhang<br />

mit dem Projekt S21 zum Tragen kommt. Deutlich<br />

wurde dabei, dass dieses Projekt nicht ein Bahn- sondern ein<br />

Stadtentwicklungsprojekt ist, das primär von derartigen ökonomisch<br />

orientierten Perspektiven geprägt ist. Die mit dem<br />

Bau des neuen Stadtviertels versprochen “Visionen für die<br />

Zukunft” sind daher kritisch zu hinterfragen, Alternativen sind<br />

aufzuzeigen. In der folgenden Diskussion wurde auch deutlich,<br />

dass hier akuter Handlungsbedarf für die Widerstandsbewegung<br />

besteht, will man verhindern, dass hier Investoren-Interessen<br />

und ökonomischen Präferenzem die städtbaulichen<br />

Chancen auf eine demokratische und partizipatorische Stadtentwicklung<br />

auf Dauer unmöglich machen.


RECHT AUF STADT?<br />

Prof. Yvonne P.Doderer<br />

Stadt ist nicht nur als gebauter, sondern vor allem als ein gesellschaftlicher<br />

Raum zu verstehen. Denn in urbanen Räumen treffen Kapitalinteressen<br />

auf subjektive und kollektive Bedürfnisse, Zugänglichkeit auf<br />

Ausschluss, Gebrauchswert auf Tauschwert.<br />

Hier formieren sich unterschiedliche Identitäten, widerständige soziale<br />

Bewegungen und Gruppierungen, hier veräußert sich das ganze Konfliktpotential<br />

gesellschaftlicher Auseinandersetzungen um Anerkennung von<br />

Gleichheit wie um Differenz und Vielfalt. Stadt ist damit ein Raum, in dem<br />

verschiedene Aushandlungsprozesse um Definitions- und Handlungsmacht<br />

geführt werden: Wer definiert das Bild einer Stadt und vor allem<br />

deren zukünftige Entwicklung? Wer spricht und wer wird gehört? Solche<br />

Fragen können nicht getrennt von Entscheidungs- und Handlungsmacht<br />

gestellt werden, denn deren Durchsetzung entscheidet nicht nur über die<br />

gebauten Strukturen selbst, sondern beeinflusst gleichermaßen das städtische<br />

Alltags- und Zusammenleben. Die Raumfrage ist deshalb immer<br />

auch eine Machtfrage.<br />

Urbane Aufrüstung<br />

Seit etlichen Jahren lassen sich rund um den Globus Kapitalinvestitionen<br />

in Grund und Boden, in Immobilien und sogar in den Bau ganzer Städte<br />

in den tatsächlichen oder projektierten Wachstumszonen beobachten<br />

– von Europa, Russland, den USA, Nordafrika über die Arabischen Emirate,<br />

China, Indien, Malaysia, Indonesien bis hin neuerdings zu Vietnam<br />

oder Kambodscha. Die damit verbundene urbane und infrastrukturelle<br />

Aufrüstung erfolgt im Zuge eines entgrenzten Kapitalismus und unter<br />

dem Vorzeichen einer – wie es der US-Geograph David Harvey formuliert<br />

hat – „Akkumulation durch Enteignung“.<br />

Eine solche Politik der Ökonomisierung von Raum bzw. Stadt ist nicht<br />

neu. Neu ist hingegen nicht nur das finanzielle Ausmaß, die Dimension<br />

und Reichweite dieser Kapitalinvestitionen, sondern deren Ignoranz und<br />

Rücksichtslosigkeit gegenüber vielen Stadtbewohner_Innen und deren<br />

Recht auf die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse, auf urbane Gebrauchswerte<br />

und auf Demokratie in Form von Transparenz und politischer Partizipation<br />

an Planungsentscheidungen. Ganze Stadtviertel werden zerstört,<br />

Bewohner_Innen werden verdrängt oder gar mit Bulldozern und Polizei<br />

vertrieben, um Platz zu schaffen für neue Büro- und Dienstleistungskomplexe,<br />

Infrastrukturprojekte, Shopping-Malls, hochpreisigen Wohnraum,<br />

aber auch Kultureinrichtungen der High Culture wie Museen oder Opernhäuser.<br />

Finanzkrisen und Einbrüche auf den Kapitalmärkten scheinen diesem<br />

Boom keinen Abbruch zu tun – eher ist das Gegenteil der Fall, denn<br />

Immobilien gelten immer noch als eine gute und sichere Kapitalanlage.<br />

Städtische Widerstandsbewegungen<br />

Doch diese Investitionen treffen auf Widerstand, wie beispielsweise die<br />

Reaktionen auf „Stuttgart 21“, einem Bahnverkehrs- und Immobilienprojekt<br />

um den Stuttgarter Hauptbahnhof deutlich zeigen. Diese städtischen<br />

Widerstandsbewegungen gegen Großprojekte, gegen eine Stadt- und<br />

Standortpolitik, die Stadt als Konzern und urbane Räume als Ware versteht,<br />

lassen sich unter dem Begriff „Recht auf Stadt“ zusammenfassen<br />

- den der Raumphilosoph Henri Lefebvre bereits 1968 unter dem Eindruck<br />

des Pariser Mais geprägt und in seiner gleichnamigen Publikation<br />

„Le Droit à la Ville“ ausgeführt hat. In vielen Ländern, auch in Deutschland,<br />

haben sich inzwischen viele Initiativen, NGOs und Netzwerke unter<br />

diesem Label organisiert. In Hamburg zum Beispiel haben sich etliche<br />

Gruppen, Vereine und Einzelpersonen zusammen geschlossen, um gegen<br />

die „Marke“ Hamburg und den Abriss bestehender Stadtstrukturen, gegen<br />

steigende Mietpreise, Aufwertungspolitik und Disneyfizierung ihrer<br />

Stadtviertel zu protestieren.<br />

Stadt als Ressource<br />

In Lefebvres viel zitierter Feststellung „... das Recht auf Stadt ist wie<br />

ein Schrei und ein Verlangen ...“ spiegeln sich zwei Richtungen dieser<br />

Bewegung „Recht auf Stadt“ wieder. Für die Einen geht es zuerst einmal<br />

um die Erfüllung existenzieller Bedürfnisse wie Wohnraum, Zugang zu<br />

überlebensnotwendigen Ressourcen, wie Wasser und zu Infrastrukturen<br />

wie Abfall- und Abwasserentsorgung oder Straßen und Nahverkehrsmittel.<br />

Für die Anderen ist diese Forderung Ausdruck ihrer Sehnsucht nach<br />

einer Stadt, die genau das ermöglicht und fördert, was das Leben in der<br />

Stadt und städtische Kultur ausmacht, nämlich bauliche, soziale und kulturelle<br />

Heterogenität sowie Ermöglichung produktiver Differenz anstelle<br />

von sozialer und sozialräumlicher Spaltung. Auch wenn die Auseinandersetzungen<br />

um ein Recht auf Stadt in der Bundesrepublik Deutschland<br />

auf einem vergleichsweise (noch) recht komfortablen Ausgangsniveau<br />

geführt werden, müsste inzwischen deutlich geworden sein, dass auch<br />

die Stadt eine wertvolle Ressource darstellt, deren rein profitorientierte<br />

Verwertung längerfristig nicht ohne Folgen für die Gesellschaft als Ganzes<br />

und für das Zusammenleben in den Städten bleibt. In Anbetracht der<br />

Tatsache, dass immer mehr Menschen in Städten leben, ist eine vernünftige,<br />

nachhaltige, soziale und in Hinblick auf Differenzen wie Klasse,<br />

Geschlecht und Ethnizität ausgleichende Stadtentwicklung ein mehr als<br />

notwendiges Gebot.<br />

Prof_In. Dr_In. Yvonne P. Doderer ist freie Architektin/Stadtforscherin, betreibt<br />

das „Büro für transdisziplinäre Forschung & Kulturproduktion“ in Stuttgart und ist<br />

Professor_In für Cultural Studies an der FH Düsseldorf. (Beitrag entnommen Veöffentlichungsblatt<br />

des Goethe-Institutes)


„DAS WESENTLICHE IST UNSICHTBAR“<br />

„UNSER PAVILLON“ lebt aus der Begegnung und dem Gespräch zwischen<br />

Menschen. Einige Aktivist_innen aus der Widerstandsbewegung<br />

gegen S21 haben spontan diese zentrale Aufgabe übernommen und<br />

während der gesamten Dauer des Projektes kontinuierlich durchgeführt.<br />

Insbesondere Sabine Leitz hat mit fast täglicher Anwesenheit am<br />

PAVILLON das „Herzstück“ des Projektes gelebt.<br />

Der Geist des Dialoges und der Offenheit konnte sich so in UNSEREM<br />

PAVILLON entfalten und einen Beitrag leisten zur Entwicklung einer<br />

notwendigen Kultur des Dialoges in der Auseinandersetzung um eine<br />

bessere Zukunft der Stadt Stuttgart.<br />

Photographische Abbildungen geben das Wesentliche dieser Arbeit<br />

nicht wieder, daher gibt es keine Abbildung dazu auf dieser Seite.


„UNSER PARK!“


14./15. Mai 2011: „SOLAR-ENERGIE“ mit Friedrich Kübler<br />

Frieder Kübler hat für UNSEREN PAVILLON die Energieversorgung<br />

ausgetüftelt, heute stellt er sie der interessierten<br />

Öffentlichkeit vor. Im <strong>Pavillon</strong> wird der Strom mit einer Mischung<br />

aus Solarzellen auf dem Dach, einem Flüster-Stromgenerator<br />

erzeugt und mit einem Akku und einem speziell<br />

entwickelten Wechselrichter gespeichert. Das Design, die<br />

Funktionsweise, die Komponenten wurden erklärt und am<br />

Beispiel der Beleuchtung bzw. durch das Laden des Akkus<br />

eines Elektrofahrrades demonstriert.<br />

Das Highlight der Vorstellung war eine Solaranlage (300Wp -<br />

550Wp) die direkt an eine X-beliebige Steckdose im Haus, in<br />

der Wohnung, auf dem Balkon, in der Garage angeschlossen<br />

werden kann. Man kann mit einer kleinen Anlage anfangen<br />

und später Problemlos weiter ausbauen. Die Anlage reduziert<br />

den Strombezug, der Zähler läuft langsamer um den<br />

Stromertrag der von der Solaranlage erzeugt wird.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der Vorstellung war ein Windrad<br />

mit Sonderflügel, das leiser ist als der Wind selber, somit ist<br />

dieses überall aufstellbar.


21. Mai 2011: „UNSER PAVILLON schläft“<br />

Derzeit ist „UNSER PAVILLON“ im Schlossgarten Innen und<br />

Außen eingesponnen in einen durchsichtigen Kokon, er<br />

scheint zu schlafen. Im Inneren eine verträumte Installation:<br />

Auf einem Video-Bildschirm, versteckt hinter durchsichtigem<br />

Gaze-Stoff läuft ein Loop, zu sehen sind S21-Gegner<br />

und Gegnerinnen, die zu Walzerklängen tanzen, nachdem<br />

bekannt wurde, dass Hany Azer, der Chefplaner von S21<br />

zurückgetreten ist, daneben erstrahlt ein historisches<br />

Bahnhofsmodell in sanftem Licht. Durchatmen und weiterkämpfen.


22. Mai-26. Juni 2011: Ausstellung „ZIVILCOURAGE“<br />

Zivilcourage zu üben und Verantwortung für das Zusammenleben<br />

in unserer Stadt zu übernehmen, sind wichtige Themen, die die<br />

Besucher in UNSEREM PAVILLON bewegt. Wie kann man friedfertig<br />

bleiben, auch in Situationen, in denen man provoziert wird oder<br />

zeuge wird von Gewalt? Gerade die Ereignisse am 30. September,<br />

aber auch die permanente Drohung der Parkräumung und mögliche<br />

Strategien gewaltfreien Widerstandes hat viele Menschen in Stuttgart<br />

für dieses Thema sensibilisiert<br />

Die „Albers-Stiftung“ beschäftigt sich mit wissenschaftlichen Untersuchungen<br />

zu menschlichem Verhalten und erarbeitete daraus<br />

Schaubilder und Videos, d ie diesen Themenkomplex anschaulich<br />

vermitteln. Die Stiftung, die dankenswerterweise mit großzügiger<br />

Unterstützung den Bau UNSERES PAVILLONS ermöglicht hat, regte<br />

mit ihrem Beitrag zahlreiche Besucher zum nachdenken und diskutieren<br />

an.


25. Mai 2011: „ORAL HISTORY“ mit Peter Conradi<br />

Warum fragt sich die ganze Welt, was eigentlich mit den<br />

Stuttgartern los ist Der seit langem in Stuttgart engagierte<br />

Architekt Peter Conradi hatte einiges dazu zu<br />

erzählen:<br />

Sehr unterhaltsam schlug er den Bogen vom Trümmerbähnle<br />

1947 über den Sonderzug des Bundeskanzlers<br />

auf Gleis 1 und einer Attentatsdrohung in den 1970er<br />

Jahren bis zur schönsten deutschen Stadteinfahrt in den<br />

heutigen Kopfbahnhof als „Tor zur Welt“ in dem jeder<br />

Stuttgarter mindesten einmal in seinem Leben war. Die<br />

„Conradi“-Hochhäuser der Eisenbahner regten zu einem<br />

interessanten Ausflug in die Geschichte des Galgenbuckels<br />

an. Die Erzählrunde endete mit den uns unter<br />

den Nägeln brennenden Fragen - Leistungsfähigkeit des<br />

Bahnhofs, Stresstest, direkte versus repräsentative Demokratie<br />

und das verfassungsmäßige Recht der Städte<br />

auf Selbstverwaltung: Wer also darf über den Stuttgarter<br />

Bahnhof abstimmen?


11.Juni 2011: „OFFENES FORUM“ mit Henning Zierock<br />

Der Aktivist Henning Zierock von „Kultur des Friedens“ stieß<br />

auf zahlreiche diskutierende Gäste vor UNSEREM PAVILLON<br />

und beschloss spontan sein „Offenes Forum“ hier aufzubauen.<br />

Die Volksabstimmung, Strategien des Widerstands, neueste<br />

Informationen aus der Politik und der Wunsch nach Fortbestehen<br />

von UNSEREM PAVILLON bis zum Ende des Kampfes<br />

gegen S21 waren Themen, die hier angesprochen wurden.<br />

Der Widerstand wäre gescheitert, wenn bei einer Volksbefragung<br />

die Mehrheit der Stuttgarter Bürger sich für S21<br />

aussprechen würden, trotz aller guten Argumente dagegen,<br />

wurde geäußert und die Idee bekräftigt, dass wir unsere<br />

Energien und klare Strategien erarbeiten sollten was die im<br />

Herbst kommende Volksabstimmung angeht. Eine landesweite<br />

Abstimmung über die Neubaustrecke „Stuttgart-Ulm“<br />

wurde zwar als sinnvoll erachtet, der Bahnhof ist jedoch kein<br />

landesweites, sondern ein städtisches Thema. Klar war auch,<br />

dass eine Volksabsstimmung gegen S21 mit allerhöchster<br />

Wahrscheinlichkeit am viel zu hoch angesetzten Quorum<br />

scheitern wird.


16. Juni 2011: „BAUMFÜHRUNG“ mit Bruno Baumann<br />

Bruno Baumann ist der absolute Experte, was den<br />

Baumbestand im Mittleren Schlossgarten betrifft. Seine<br />

Führungen machen den Zuhörern klar, welch botanische<br />

Besonderheiten es hier zu bestaunen gibt und was für<br />

ein komplexes Ökosystem hier im Park lebt. Seltene<br />

Tier-und Pflanzenarten haben hier ein Refugium gefunden<br />

als grüne Oase inmitten der Stadt- nun sind sie<br />

massiv bedroht!


23. Juni 2011: „STUTTGART 21 IST ÜBERALL!“<br />

Die Gruppe „Stuttgart international - Stuttgart 21 ist überall“<br />

stellt sich mit der Illustration anderer europäischer<br />

Bahn-Großbauprojekten am und in UNSEREM PAVILLON der<br />

Öffentlichkeit vor.<br />

Im Suza-Tal in Italien, der geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecke<br />

Turin - Lyon und im Baskenland sind ebenfalls gigantische<br />

Bahn-Bauprojekte geplant, die ähnlich wie die Neubaustrecke<br />

zwischen Stuttgart und Ulm in keinem direkten<br />

Nutzen für die Bevölkerung stehen. Im Gegenteil riesige<br />

Schäden an Natur, Ökologie, Geologie und Bahninfrastruktur<br />

für Bahnreisende nach sich ziehen. In diesen Regionen regt<br />

sich seit Jahren und Jahrzehnten (im Suza-Tal seit 20 Jahren)<br />

massiver Widerstand von Seiten der Bevölkerung.<br />

Vorangetrieben werden diese großen Infrastrukturprojekte<br />

vom ERT (European Round Table), einer Vereinigung der<br />

45 größten europäischen transnationalen Konzerne, welche<br />

Strategien zum Transport der Wirtschaftsgüter der europäischen<br />

Metropolen verfolgt und ein europäisches Mega-<br />

Schienen- und Hochgeschwindigkeitsnetz durchpeischt, das<br />

den ungehinderten Durchfluss von Waren gewährleisten soll.<br />

Der ERT ist der größte Lobbyist innerhalb der EU und hat<br />

mit der Europäischen Kommission das Megaprojekt Transeuropäische<br />

Netze (TEN) auf den Weg gebracht.


29. Juni 2011: „ORAL HISTORY“ mit Egon Hopfenzitz<br />

Egon Hopfenzitz, 14 Jahre Bahnhofsvorsteher in Stuttgart,<br />

erzählte im Rahmen des Projekts Oral History Bahnhofsgeschichten<br />

aus erster Hand.<br />

Interessante Hintergrundinformationen von einem der besten<br />

Kenner des Stuttgarter Hauptbahnhofes kamen dabei zur<br />

Sprache. So z.B. die Sache mit den Eichenpfählen, auf denen<br />

unser Bahnhofsturm angeblich steht. Es gibt wohl in den Katakomben<br />

des Bahnhofs eine Art „Röhre“, in die man direkt<br />

hineingreifen und die Holzpfähle berühren kann. Herr Hopfenzitz<br />

hat das vor Jahren gemacht - und er macht durchaus den<br />

Eindruck, dass er unterscheiden kann, ob sich etwas nach Holz<br />

oder nach Eisen anfühlt.<br />

Egon Hopfenzitz hatte jedoch auch lustige Anekdoten auf Lager,<br />

beispielsweise die vom Besuch des Königs von Tonga<br />

etwa, oder wie ihn Larry Hagmann instrumentalisiert hat, was<br />

der Dalai Lama vom Vertreiben von Tauben hält, wie ein übereifriger<br />

Mitarbeiter Jimmy Carter geweckt hat, damit dieser ins<br />

Gästebuch schreibt und anderes skuriles mehr.<br />

Neben Promigeschichten gab es auch ernstere Themen, etwa<br />

den Umgang mit Suizidfällen oder die veränderte Zuständigkeit<br />

und Interessenlage des heutigen Bahnhofsmanagers gegenüber<br />

dem früheren (für „Sicherheit und Pünktlichkeit“ zuständigen)<br />

Bahnhofsleiter.<br />

Der schönste Satz von Herrn Hopfenzitz: „Wer etwas von Bahn<br />

und Bahnverkehr versteht, ist gegen Stuttgart 21. Nur wer<br />

nichts davon versteht, ist dafür.“


1. Juli 2011: GESANGS-PERFORMANCE mit Köperl/Winkler<br />

Das Künstlerduo Sylvia Winkler/Stephan Köperl sorgte mit<br />

der Musik-Performance „Gelegenheitsverkehr“, in der es um<br />

die Weltläufigkeit des Zentralen Omnibusbahnhofes ging,<br />

für beste Laune. Auch diese wichtige, zentral gelegene<br />

Einrichtung muss den Umbauplänen des DB-Konzerns weichen.<br />

Richtig lustig wurde es dann, als die Künstler, verstärkt<br />

mit einigen Freiwilligen, hinter den Masken der Projektbetreiber-Clique<br />

das Lied „we shall overcome“ anstimmten.<br />

Diese waren tatsächlich nicht vor der Geschmacklosigkeit<br />

zurückgeschreckt, dieses Freiheitslied der unterdrückten<br />

Bevölkerung in den USA gemeinsam von der Propaganda-<br />

Bühne der Projektbefürworter herab zu schmettern. Falsche<br />

Form mit falschem Inhalt trifft auf falsche Stimmlage. Die<br />

Persiflage des Künstler-Duos hat die Sache nun wieder zurechtgerückt.


6. Juli 2011: AUSSTELLUNG über den BONATZ-BAHNHOF<br />

Dr. Jürgen Maier eröffnete heute die Ausstellung „Paul Bonatz<br />

und sein Wirken am Beispiel des Stuttgarter Hauptbahnhofs“,<br />

die sich zum Ziel gesetzt hat, bestehende Missverständnisse<br />

auszuräumen und die Besonderheiten der Architektur des<br />

Stuttgarter Hauptbahnhofs herauszuarbeiten.<br />

Darüber hinaus behandelt die Ausstellung einen weit weniger<br />

bekannten Aspekt des Kulturdenkmals: seine besondere Rolle<br />

in den Zeiten politischen Umbruchs von 1914 bis heute.<br />

Der Stuttgarter Hauptbahnhof, der als das Hauptwerk von Paul<br />

Bonatz gilt, ist ein Architektur- und Kulturdenkmal von herausragender<br />

Bedeutung. Weltweit haben renommierte Architekten<br />

und Kunsthistoriker gegen seinen Teilabriss protestiert.<br />

Die jahrzehntelange Vernachlässigung des Bauwerks durch die<br />

Deutsche Bahn AG, gezielte Propaganda der Kopfbahnhofgegner<br />

und die absichtsvolle Fehlinterpretation der Monumentalität<br />

des Bahnhofs haben dazu beigetragen, dass die internationale<br />

Bedeutung des Bauwerks aus dem Bewusstsein weiter<br />

Kreise der Bevölkerung entschwunden ist.


27. Juli 2011: ORAL HISTORY mit Sybille Mulot<br />

„Diese Geschichte hat mir die Bahn geschenkt“, erklärt Sibylle<br />

Mulot, Autorin und Enkelin des Reutlinger Bahnhof-Vorstehers<br />

und liest aus ihrem Roman „Das Horoskop“<br />

Es beginnt im Zug Lindau – Paris, Grenzerfahrungen und Zollverwicklungen<br />

in den Basler Bahnhöfen, zwei Frauen, die sich<br />

sonst wohl nie begegnet wären, erzählen sich ihre Lebensgeschichte.<br />

Ein wunderbares Beispiel wie aus einem Bahn-Erlebnis Literatur<br />

wird. Doch für die meisten in der diskussionsfreudigen<br />

<strong>Pavillon</strong>runde heißt das Geschenk der Bahn: Verspätungen,<br />

keine Anschlüsse, wenig Service und am Ende werden wir<br />

abgehängt. „Der TGV Paris – München fällt angeblich bei S21<br />

weg“, sagt jemand. Nur ein Gerücht, oder der Anfang vom<br />

Ende der „Magistrale“?


20. Juli- 18. August 2011: AUSSTELLUNG Thomas Ulm<br />

STUTTGART WIRD INTERKONTINENTAL“<br />

Präsentation eines fiktiven Großprojektes von Thomas Ulm:<br />

Stuttgart (Ba-Wü) bekommt eine direkte Verbindung mit<br />

Stuttgart (Arkansas) und im Zentrum der Stadt wird anstatt<br />

des Tiefbahnhofes ein gewaltiger Stausee realisert.<br />

Auch nicht schlecht.<br />

Das Publikum studierte jedenfalls ausführlich die Pläne und<br />

Legenden, manch einer konnte sich keinen Reim auf diese<br />

neue Großprojekt machen und ging verwundert weiter. Aber<br />

als Stuttgarter ist man ja inzwischen so manchen Größenwahnsinn<br />

gewohnt.


6. August 2011: „OFFENES FORUM“<br />

Bei den inzwischen regelmäßig Samstag nachmittags stattfindenden<br />

Treffen des „Offenen Forums“ an UNSEREM PA-<br />

VILLON wurden unter anderem die Eigentumsverhältnisse<br />

am Schlossgarten, die Finanzierungsvereinbarungen, die<br />

Ausstiegsmöglichkeiten aus den Verträgen und vor allem die<br />

„vorsätzlich arglistigen Täuschungen“ der Bahn, wie sie ein<br />

Teilnehmer bezeichnete, unter Mithilfe der damals verantwortlichen<br />

Politiker diskutiert.<br />

Das Verhalten der derzeitigen Regierung wurde heftig kritisiert,<br />

vor allem das der Grünen, deren Wähler sich getäuscht<br />

fühlen, juristische Schritte wurden diskutiert. Einig<br />

ist man sich, dass das wichtigste Instrument des Widerstands<br />

die zahlreichen Veranstaltungen sind, gut besuchte<br />

Kundgebungen, die Blockaden, der Aufenthalt im Park und<br />

letztlich auch das offene Forum am <strong>Pavillon</strong>. Die zunehmenden<br />

Teilnehmerzahlen an dem Forum zeigen, dass ein<br />

großer Bedarf besteht, sich aktiv einzubringen.<br />

Mit Blick auf die aktuellen Ereignisse in Leonberg wurde am<br />

letzten Samstag angesprochen, ob und inwiefern Grundstückseigentümer<br />

von der Bahn entschädigt werden, wenn<br />

ihre Häuser durch die Tunnelgrabungen beschädigt werden.<br />

Es wurde von Schreiben an die Grundstückseigentümer<br />

berichtet, in denen diesen per Unterschrift quasi ein Blankoverzicht<br />

auf Regressansprüche abverlangt würde.


8. August 2011: „Probebohrungen“ mit Kurt Grunow<br />

LOCH 21 - DIE GRABUNG<br />

Viel ist die Rede vom problematischen Baugrund,<br />

in den der neue unterirdische Bahnhof eingelassenwerden<br />

soll - anstehendes Grundwasser, Gipskeuper,<br />

mineralwasserführende Gesteinsschichten,‚Grundwas<br />

sermanagement‘ - alles bislang abstrakteBegriffe, die<br />

verwirren und verunsichern.<br />

Widersprüchliche Gutachten und fragwürdige Fakteninterpretationen<br />

von verschiedenster Seitemachen<br />

für uns Bürger vollends undurchsichtig, wie es nun<br />

tatsächlich mit dem Stuttgarter Baugrund bestellt ist.<br />

Auch die Befürchtung des ursprünglich federführendenArchitekten,<br />

der Baukörper werde sich infolge<br />

unkontrollierbaren Grundwassers wie ein auftauchendes<br />

U-Boot in die Höhe heben, trägt nicht dazu bei,<br />

gelassenund vertrauensvoll den Arbeiten der Bagger<br />

entgegenzusehen.<br />

Wir Bürger wollen, daß weder die Bauherren, noch wir,<br />

die Steuerzahler und Bewohner der Stadt Stuttgart<br />

mitunliebsamen Überraschungen im Baugrund konfrontiertwerden,<br />

die niemand klar vorhersehen konnte.<br />

Wir wollen uns selbst und allen anderen Beteiligten<br />

ein Bild verschaffen von der tatsächlichen Situation<br />

in der Tiefe. Wir wollen sondieren und vorfühlen, wie<br />

der Baugrund tatsächlich beschaffen ist und Zweifel<br />

undnagender Unsicherheit durch konstruktives Tätigseinbegegnen.<br />

Wir werden hierzu damit beginnen, vor dem <strong>Pavillon</strong><br />

einvorgreifendes Sondierungsloch kontinuierlich in<br />

dieTiefe voranzutreiben. Im Verhältnis zu den in Kürze<br />

anstehenden Baumaßnahmen wird unsere Grabung<br />

miteinem Durchmesser von 1,50 m eine sehr bescheideneGröße<br />

aufweisen.<br />

Verbunden mit dem in Aussicht stehenden Erkenntnisgewinn,<br />

von dem alle Seiten profitieren können,<br />

werden, wie wir hoffen, die zeitweiligen Beeinträchtigungen,<br />

die durch diese Maßnahme möglicherweise<br />

zu entschuldigen sein. Kurt Grunow


12. August 2011: AUSSTELLUNG Peter Schmidt<br />

„WEM GEHÖRT DER BAHNHOF?“<br />

Am Freitag fand die Eröffnung der Ausstellung „Wem gehört<br />

der Bahnhof?“ von Peter Schmidt in UNSEREM PAVILLON<br />

statt. Zu sehen gibt es ein geradezu überwältigend detailliert<br />

gestaltetes Bahnhofsmodell, das von ihm in Zusammenarbeit<br />

mit Sigi Landes gebaut wurde. Die Installation und die<br />

großformatigen, detailgetreuen Photos mit vielen erzählerischen<br />

Details setzen sich kritisch und doch liebevoll mit der<br />

Lebens- und Konsumwelt eines typischen, deutschen Bahnhofes<br />

auseinander.


15. bis 20. August 2011: „SOMMERAKADEMIE“<br />

Die Mitglieder der Künstlergruppe SOUP (Stuttgarter Observatorium<br />

Urbaner Phänomene) Michael Gompf, Kurt Grunow,<br />

<strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong>, Karin Rehm und Harry Walter<br />

sowie Josh von Staudach, Jens Lyncker (camera obscura) und<br />

Sylvia Winkler/Stephan Köperl bieten eine „Sommerakademie“<br />

an. Gemeinsam mit interessierten Teilnehmern sollen künstlerische<br />

Werke entstehen


Arbeits-Ergebnisse aus dem workshop „Attrappen-Bau“ mit<br />

Kurt Grunow<br />

Das Architektur-Element der sog. „Lichtaugen“ des Tunnel-<br />

Bahnhofes von Ch.Ingenhoven erfuhr in diesem workshop<br />

eine diskussionswürdige Neuinterpretation. Durch Weglassen<br />

des unsinnigen Erdbahnhofes bekommen die „Lichtaugen“<br />

als autonomes Architektur-Element einen neuen<br />

Sinn und Funktion: Freistehend in der Park-Landschaft des<br />

dann erhaltenen mittleren Schlossgartens funktionieren sie<br />

als Skulpturen, die die Natur durch künstlerische Elemente<br />

bereichern. Diese Skulpturen könnten eine Denkmal- und<br />

Erinnerungsfunktion für das Bürgerengagement gegen S21<br />

erfüllen, bei entsprechender Größe könnte darin sogar ein<br />

Treffpunkt mit Cafébetrieb und Museum eingerichtet werden!


Arbeits-Ergebnisse aus dem workshop „akas_ akademie“<br />

mit <strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong>


5. September 2011: AUSSTELLUNG „SCHIRMBURGEN“<br />

Peter Franck, Frank Bayh und Steff Rosenberger-Ochs<br />

Vernissage der Photoausstellung mit Fotos von Peter Franck,<br />

Frank Bayh und Steff Rosenberger-Ochs, die die Zeltstadt im<br />

Park dokumentiert haben in Zusammenarbeit mit der Galerie<br />

Dora Asemwald.<br />

Dora Asemwald: „Es wurde ja auch höchste Zeit! Das Brachliegen<br />

meiner Galerie war mir eh ein Dorn im Auge, jetzt hab<br />

wieder was am Start. Diesmal geh ich aus dem Haus, in den<br />

Stuttgarter Schlossgarten. Dort steht „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“, der<br />

einst als Camera Obscura den Bahnhof abbildete, jedoch zum<br />

Veranstaltungs- und Ausstellungsort für den kreativen Widerstand<br />

gegen den angedrohten Erdbahnhof mutierte. Heute ist<br />

da immer was los, nette Freiwillige kümmern sich um Besucher,<br />

hören sich Schimpftiraden jener an, die lieber eine Baugrube<br />

als die Zelte im Park hätten. Genau der richtige Ort und<br />

die richtigen Leute, um eine schöne Ausstellung zu machen.“


Der Stuttgarter Schlossgarten: Mutter aller Protest-<br />

Camps?“<br />

<strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong><br />

Glaubt man den Bildern, die im Jahr 2011 permanent über unsere<br />

TV-Monitore flimmerten, muss dieses Jahr weltweit ein ganz besonders<br />

lukratives Geschäftsjahr für die Hersteller für Camping-Bedarf<br />

werden, insbesondere die Hersteller kleiner, schnell aufbaubarer<br />

Zelte müssten goldene Bilanzen ausweisen. Was ist geschehen 2011?<br />

Weshalb dieser Boom?<br />

Die Erklärung ist so einfach, wie verblüffend: Die Ursache des Booms<br />

ist eine inflationäre Erweiterung und Verlagerung der potentiellen<br />

Camping-Zonen von traditionell ländlichen Gebieten mitten hinein in<br />

pulsierende, moderne Großstädte. Besonderer Beliebtheit erfreuen<br />

sich dabei zentrale Plätze und Parkanlagen, aber auch Fußgängerzonen<br />

und Verkehrsinseln werden als alternative Camping-Möglichkeit<br />

nicht verachtet.<br />

Das wirklich Erstaunliche an dieser Entwicklung ist jedoch die<br />

Klientel, die diesen Camping-Bedarfs-Boom ausgelöst hat: Nicht<br />

hedonistisch orientierte Jugendliche, die die Spaß-Zone ihrer Urlaubsfreuden<br />

ausweiten wollen, stürmten die Camping- Abteilungen<br />

einschlägiger Anbieter, sondern idealistisch gesonnene Menschen jeden<br />

Alters aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten.<br />

Vereint unter einem gemeinsamen Ziel: Sie wollen nichts weniger als<br />

eine andere Welt. Die Ursache des ausufernden Camping-Bedürfnisses<br />

ist also nicht privatistischer Natur, die Motive und Gesinnung<br />

der „Stadt-Camper“ sind idealistisch-revolutionärer Art.<br />

Von Kairo über Athen und Madrid verbreitet sich der „Camper-Virus“<br />

inzwischen weltweit und spätestens seit er unter dem Stichwort<br />

„occupy“ ein passendes Label gefunden hat und von den sensationsgeilen<br />

Medien auch in der Wallstreet gesichtet wurde, ist sein Siegeszug<br />

unaufhaltsam.<br />

Zeit innezuhalten und einmal genauer hinzuschauen, wie und wo<br />

dieses Phänomen angefangen hat. Und dabei machen wir eine erstaunliche<br />

Entdeckung. Der Virus entstand nicht etwa auf dem Tahir-Platz<br />

in Kairo oder dem Syntagma-Platz in Athen, nein, er ist<br />

zum ersten Mal nachweisbar an einem Ort, den man nicht vermutet<br />

hätte: mitten im Schwabenland, im behäbigen Stuttgart, genauer:<br />

im mittleren Schlossgarten.<br />

Nun gibt es zwar historische Vorläufer der aktuellen Protest-Camps in<br />

den 80er-Jahren wie beispielsweise die „ freie Republik Wendland“ der<br />

Anti- Atomkraft-Bewegung oder auch die Protest-Camps des Widerstandes<br />

gegen die Startbahn West in Frankfurt. Dennoch ist der Entstehungsort<br />

der aktuellen Entwicklung mit einiger Wahrscheinlichkeit eher<br />

der Stuttgarter Schlossgarten. Diese Vermutung kann anhand einiger<br />

stilistischer Merk<br />

male der aktuellen Protest-Camps belegt werden. Während die traditionellen<br />

Widerstands-Camps geprägt waren von massiven Bebauungsformen<br />

vornehmlich in alternativer Holzbauweise, zeigen die aktuellen<br />

Camps ein ganz anderes Gesicht. Sie erscheinen schon rein materiell<br />

weniger massiv und sind eher von fluidem Charakter, das Ephemere<br />

und Transitorische ist stilistisch ein zentrales Merkmal, das ultraleichte<br />

Camping-Zelt aus modernen Kunststoff-Materialien das Mittel der Wahl.<br />

Dass diese ästhetische Formalität nicht zufällig ist, wird deutlich, wenn<br />

man sich die Mühe macht, die sozialen und ideologischen Strukturen<br />

der Widerstandsbewegungen in den 80er Jahren und heute zu vergleichen.<br />

Dabei kommt man schnell zu dem Schluss, dass dieses Provisorisch-Ephemere<br />

des äußeren Erscheinungsbildes die innere Verfasstheit<br />

des Personals und seiner Gesinnung widerspiegelt: alles ist in permanenter<br />

Bewegung, hierarchische Strukturen werden aufgelöst bevor<br />

sie sich bilden können, es gibt keine ideologischen Leitideen und Führungspersönlichkeiten,<br />

kein Zentrum und keine Peripherie, alles orientiert<br />

sich vielmehr an einem systemischen Netzwerk- Denken. Und wie<br />

könnte sich diese gewollte Entstrukturierung besser in Architektur umsetzen<br />

lassen, als im Bild des Nomadenzeltes in Schnellaufbau—Ausführung:<br />

plug an play, Ikea ade, das Wurf-Zelt als ultimativer Höhepunkt<br />

provisorischer Verortung revolutionärer Existenz!<br />

Nimmt man die These ernst, dass zumindest eine der möglichen Wurzeln<br />

des Phänomens im Stuttgarter Schlossgarten zu finden ist, dann<br />

ist es vielleicht von Interesse, sich die Entwicklung im Schlossgarten<br />

genauer anzusehen, weil damit auch ein Studienobjekt untersucht werden<br />

kann, bei dem möglicherweise Entwicklungen abzulesen sind, die<br />

für die aktuellen Protestbewegungen exemplarisch sind.


Interessant ist unter diesem Gesichtspunkt schon die Entstehungsphase<br />

des Schlossgarten-Camps. In der Anfangsphase wurde jeglicher<br />

Versuch einer Parkbesetzung durch Aufstellen von Zelten durch<br />

massiv auftretende Polizeikräfte sofort unterbunden und unter<br />

Hinweis auf das Zeltverbot in öffentlichen Anlagen die Zelte beschlagnahmt.<br />

Die S21-Gegner wären nicht S21- Gegner, wenn sie diese<br />

Polizei Strategie nicht mit kreativer Phantasie ausgetrickst hätten:<br />

Wenn Zelten verboten ist, dann setzen wir uns eben unter Schirme,<br />

davon steht nämlich nichts in der Park-Verordnung! Gedacht, getan,<br />

die „Schirmburgen“ waren erfunden. Und sie waren so schön, dass<br />

selbst noch die Photographien davon auf einem internationalen Architektur-Wettbewerb<br />

preisgekrönt wurden.<br />

Nun ist der längerfristige Aufenthalt unter einem Schirm nicht sonderlich<br />

komfortabel, dem schwäbischen Erfindergeist wird dies jedoch<br />

zum Ansporn ständig Verbesserungen vorzunehmen. Die Erweiterung<br />

mit Kunststoff-Planen ist immer noch eine Schirmburg und kein Zelt<br />

und so langsam ermüdete das wache Auge des Gesetzes angesichts<br />

der vielfältigen Variierbarkeit dieses einfachen Architektur-Prinzips.<br />

Wo aber ist die Grenze zwischen Schirm-Planen –Konstruktion und<br />

Camping-Zelt? Schwer zu sagen und irgendwann blieb dann auch das<br />

erste „normale“ Campingzelt vom Zugriff der Staatsmacht verschont<br />

und vermehrte sich fortan auf wundersame Weise.<br />

Das „Katz-und Maus-Spiel“ war damit zu Gunsten der Parkbesetzer<br />

entschieden, die ausgetrickste Obrigkeit setzte nun auf einen natürlichen<br />

Verbündeten im Kampf gegen die unwillkommenen Camper:<br />

Das Wetter. Campen ist ein klassisches Sommer-Hobby, entsprechend<br />

problematisch ist das Campen im Winter, selbst der revolutionärsten<br />

Gesinnung geht bei minus 20 Grad der Arsch auf Grundeis. Auf diesen<br />

Effekt setzen übrigens derzeit auch die betroffenen Obrigkeiten<br />

in den USA und anderswo, sie hoffen, das Problem mit den unwillkommenen<br />

Protestcamps löse sich bei entsprechenden Temperaturen<br />

von alleine.<br />

Ein Blick nach Stuttgart könnte sie eines Besseren belehren: Der<br />

Wintereinbruch 2010/011 kam nicht nur besonders früh und besonders<br />

hart, er war auch so schneereich wie seit langem nicht mehr.<br />

Die provisorischen Behausungen aus Planen und Schirmen brachen<br />

größtenteils unter der Schneelast zusammen, der eisige Wind (und<br />

das Einschreiten der Polizei) verhinderte wärmende Feuerstellen, nur<br />

die hartnäckigsten Widerständler hielten noch im Park aus. Ein Bild<br />

des Jammers bot sich den Passanten im winterlichen Schlossgarten<br />

und die S21 Befürworter lancierten während des Wahlkampfes in den<br />

Wintermonaten 2011 bösartige Medienberichte, in denen das Camp<br />

plötzlich als „Schandfleck“ tituliert wurde.<br />

Doch auch da kam alsbald rettende Hilfe und wendete das Blatt wieder<br />

zu Gunsten der Parkbewohner: eine kleine Gruppe Künstler ergriff die<br />

Initiative und in gemeinsamer Aktion mit den Parkbewohnern wurde -<br />

generalstabsmäßig gut vorbereitet- das Camp kurzerhand eingefriedet.<br />

Eine Mauer aus riesigen Photo-Leinwänden, bedruckt mit dem Motiv<br />

des zertrümmerten Brandenburger Tores in 1:1 Größe, umschloss eines<br />

Samstag-Nachmittags im Handumdrehen das gesamte Camp, die herbeieilende<br />

Polizei stand nur noch staunend davor. Der „Schandfleck“ wurde<br />

zu einer ansehlichen Attraktion, selbst die Bild-Zeitung zollte Respekt,<br />

die Medien sahen sich gezwungen ihre Schmuddel-Image-Kampagne<br />

einzustellen mangels entsprechender Photo-Motive. Der Hauptzweck der<br />

Installation, der Schutz vor Wind und Wetter funktionierte hervorragend,<br />

das Leben im Camp wurde wieder erträglicher. Hinter ihrer Mauer fühlten<br />

sich die Besetzer zwar gelegentlich wie Tiere im Zoo angesichts der neugierigen<br />

Besucher auf der anderen Seite der Mauer, aber auch das hatte<br />

eher eine humorvolle Seite, wenn ihrerseits die Fütterung mit Erdnüssen<br />

angemahnt wurde.<br />

Als logische Folge der Ereignisse des 30. Septembers 2011, dem<br />

„schwarzen Donnerstag“, wurde der Stuttgarter Schlosspark mit dieser<br />

Parkbefriedungs-Aktion endgültig zu einem Ort, an dem die Staatsgewalt<br />

sich infolge ihrer eigenen illegalen Handlungen,- konkret der Baumfällungen<br />

ohne vorliegende Genehmigung- zu einem Verhalten genötigt<br />

sah, das ziemlich einmalig in der Bundesrepublik ist: dem Verzicht auf<br />

Durchsetzung bestehender Vorschriften. Der Park wurde sozusagen zu<br />

einem „unmarkierten Raum“, zu einem unreglementierten Ort, an dem<br />

sich seither in Form von Selbstorganisationsprozessen neue Strukturen<br />

bilden, inclusive aller Geburtswehen, die notwendigerweise dazu gehören,<br />

wenn sich engagierte Individualisten und Menschen „vom Rande<br />

der Gesellschaft“ zusammenfinden , um ihr soziales Miteinander in Eigeninitiative<br />

regeln, vom gemeinsamen Kochen bis zur selbstorganisierten<br />

Park-Pflege incl. Müllbeseitigung.<br />

Angesichts des inzwischen weltweit grassierenden „Camp-Virus“ erweist<br />

sich aus heutiger Sicht die Selbstermächtigung derer, die sich im Herbst<br />

2010 die Freiheit nahmen, ihre Lebenswelt - Interessen im Stuttgarter<br />

Schlossgarten campierend zu vertreten, als Vorschein (im Sinne<br />

E. Blochs) einer globalen Bewegung . Die Formulierung „ Die Existenz<br />

dieses Camps beweist, dass irgendetwas anderes schief gelaufen ist“<br />

erscheint im nachhinein fast visionär angesichts der weltweiten Verbreitung<br />

von Protest-Camps. Nicht nur in Stuttgart scheint einiges schiefgelaufen<br />

zu sein.


6. September 2011: Präsentation „UNSER PAVILLON“ bei<br />

„Bürger. Macht. Staat“ Zeppelin-University Friedrichshafen<br />

Die Zeppelin-University Friedrichshafen hat zu einem Symposium<br />

zum Thema „Bürger. Macht. Staat“ die Initiative UN-<br />

SER PAVILLON eingeladen, um an einem Beispiel aufzuzeigen,<br />

wie das Einmischen der Bürger in die Politik sich heute<br />

zeigen kann, speziell wenn Künstler sich in diese Arbeit<br />

zusammen mit politischen Aktivist_Innen einbringen.<br />

UNSER PAVILLON hat dazu eine Präsentations-Installation<br />

entwickelt, die die bisherigen Aktivitäten im Schlosspark<br />

exemplarisch dokumentiert. An einem maßstäblich verkleinerten<br />

Modell des PAVILLONS kann der Camera-Obskura<br />

-Effekt direkt nachvollzogen werden, mehrere Monitore<br />

zeigen Videos mit Eindrücken der täglichen Arbeit UNSERES<br />

PAVILLONS.


Replik der „PARKBEFRIEDUNG“ bei „Bürger. Macht. Staat“


11. September 2011: „PAVILLON-RELAUNCH“<br />

Mutwillige Beschädigungen und „Der nagende Zahn der Zeit“<br />

haben die Schönheit von „UNSEREM PAVILLON“ etwas leiden<br />

lassen. Dazu kam ein gewisser Erschöpfungszustand des (leider<br />

nach wie vor recht kleinen) Teams der Betreiber_innen.<br />

Einigermaßen aus ihrem wohlverdienten Sommer-Urlaub als<br />

Berufs-Demonstrant_innen zurückgekehrt, haben sie sich an<br />

die Renovierung unseres Prachtstückes gemacht. Dank der<br />

tatkräftigen, unersetzlichen Initiative von Sabine Leitz erstrahlt<br />

„UNSER PAVILLON“ nun in neuem Glanz und freut sich<br />

auf viele Gäste bei der kleinen Geburtstagsfeier anlässlich der<br />

inzwischen 1/2-jährigen Aufstellung im Park!


22. September 2011: „UNSER PAVILLON FEIERT“<br />

„UNSER PAVILLON“ hat einen Grund zum feiern: seit genau<br />

einem halben Jahr steht er unbehelligt illegal im Schlossgarten<br />

und gibt sein Bestes für den S21-Widerstand. Zum Geburtstag<br />

gab es noch ein ein kleines Präsent: „WIR SIND SOUVERÄN“<br />

prangt nun in goldenen Lettern an der Stirnseite und begrüßt<br />

alle, denen noch immer nicht klar ist, wer in einer Demokratie<br />

der Chef ist. WIR GRATULIEREN!


30. September 2011: JAHRESTAG „SCHWARZER DONNERSTAG“<br />

Zum Jahrestag des „schwarzen Donnerstages“ hat sich die<br />

Bewegung viel einfallen lassen, schließlich geht es um eine<br />

Art „Gründungsmythos“ der Bewegung. Ein richtiges Volksfest<br />

fand im Park statt mit zahlreichen Infoständen, einer<br />

Bühne mit Kulturveranstaltungen und Reden, eine Kundgebung<br />

auf dem Schlossplatz sowie ein beeindruckender<br />

nächtlicher Schweigemarsch durch die Innenstadt. „UNSER<br />

PAVILLON“ zeigt dazu eine Ausstellung mit „Protestequipment“,<br />

die witzige und schlagfertige Kreativität des Widerstandes<br />

zeigt sich darin.


AUSSTELLUNG „PROTEST-EQUIPMENT“


„PROTEST-EQUIPMENT“<br />

Die Phantasie des Widerstands gegen „Stuttgart 21“ zeigte<br />

sich schnell und auf beeindruckende Art und Weise an<br />

der Kunst am Bauzaun, bzw. dem Bauzaun als Kunst, der<br />

prompt ins Museum wanderte. Und zeigt sich weiter an den<br />

Bannern und Schildern, entsprechend gestalteter Jacken,<br />

Hüte, Buttons, Sticker und Plakaten und vielem mehr, was<br />

von den Teilnehmern auf den Demos und Blockaden so<br />

mitgeführt wird. Ein Teil davon wurde zum Jahrestag des<br />

„schwarzen Donnerstages“ in UNSEREM PAVILLON präsentiert.<br />

In einem Aufruf wurden das kreative Potential der K21-Bewegung<br />

angesprochen, Protest-Equipment beim <strong>Pavillon</strong> abzugeben:<br />

„ Wir suchen alles, was mit Liebe, Witz, Sinn und<br />

Verstand individuell von euch gestaltet worden ist: Gegenstände,<br />

Gedanken, Sprüche und Gebete, die für euch besondere<br />

Bedeutung gewonnen haben, bestimmte Banner und<br />

Buttons, Rücksäcke, Sitzunterlagen, Trinkflaschen, Hüte,<br />

Jacken, Megaphone usw.“


Beiträge zur Ausstellung„Protest-Equipment<br />

von einer der<br />

kreativsten Künstlerinnen<br />

im Widerstand<br />

gegen S21: Loubi<br />

Fourer


15. Oktober 2011: „SOLIDARITÄT mit OCCUPY WALLSTREET“<br />

Heute haben in der ganzen Welt Demonstrationen gegen<br />

das herrschende Finanzsystem stattgefunden, initiiert von<br />

der Bewegung „occupy“ . Über 4000 Menschen sind zur<br />

Demonstration in Stuttgart gekommen und haben ihrer<br />

Empörung über die unbegrochenen Dominanz des Finazmarktes<br />

über die Politik Ausdruck gegeben. In Stuttgart<br />

blieb die Versammlung friedlich, in Berlin ging die Polizei mit<br />

Pfefferspray gegen die Demonstranten vor, in San Franzisko<br />

ebenfalls und in Rom brannten Autos. Die Demonstranten in<br />

Stuttgart hatten Gelegenheit im Anschluss an die Abschlusskundgebung<br />

im Schlossgarten bei UNSEREM PAVILLON via<br />

live-Übertragung in Verbindung mit dem internationalen Geschehen<br />

zu treten, die nächtliche Stimmung war trotz Kälte<br />

dementsprechend aufgeheizt.


21. Oktober 2011: „WIDERSTANDS- und URLAUBSPHOTOS“<br />

Im Sommer 2011 erging ein Aufruf an die vielen Photographen,<br />

die besonders montags, aber auch die ganze Woche<br />

über Tag und Nacht in Stuttgart und in der weiten Welt den<br />

Widerstand gegen das Milliardengrab in all seinen Facetten<br />

dokumentieren: In den drei Themenbereichen Urlaub, Widerstand<br />

und Grafiken konnten Bilder als Dokumente unserer Haltung<br />

eingesandt werden. Diese Bilder gab es nun in UNSEREM<br />

PAVILLON zu sehen, die besten wurden prämiert.<br />

Vom Schnappschuss am Straßenrand bis zum kunstvollen<br />

Arrangement, von der dokumentarischen Aufnahme bis zum<br />

anrührenden Stimmungsbild (und vielem mehr) zeugt diese<br />

Sammlung vom anhaltenden, kreativen Widerstand, in dem<br />

sich Frohsinn, ätzende Kritik und lässige Beharrlichkeit widerspiegeln.<br />

Vor allem aber: Die persönliche, oft emotionale Beteiligung<br />

fernab von den verkünstelten Anstrengungen bezahlter<br />

Propagandaprofis.


28. Oktober 2011: „OFFENES FORUM“<br />

Auch an diesem Samstag war der Zuspruch zum „OFFENEN<br />

FORUM“ am <strong>Pavillon</strong> wieder sehr groß. Unter reger Beteiligung<br />

des Publikums wurde der Zusammenhang zwischen<br />

dem S21-Projekt, dem Volksentscheid, der Demokratie-Krise<br />

und der sog. „Finanzkrise“ diskutiert. In der Diskussion wurde<br />

deutlich, dass alle diese Probleme miteinander zusammenhängen,<br />

dass sie Auwirkung einer neoloberalen Politik<br />

sind, die unsere Städte, unsere Wirtschaft, unsere Demokratie<br />

und unserer Umwelt zu Grunde richtet.<br />

Positiv wurde jedoch auch darauf aufmerksam gemacht,<br />

dass diese Krise eine Chance ist zu einer zeitnotwendigen<br />

Bewusstseins-Entwicklung. Gerade die weltweiten Bewegungen<br />

für mehr DEmokratie und die „occupy-Bewegung“<br />

geben Hoffnung, dass sich das Denken vieler Menschen gerade<br />

verändert und immer mehr aktiv werden für eine andere<br />

Zukunft. S21 ist überall.


28. Oktober 2011: „DAS SCHLOSSGARTEN WUNDER“<br />

Kurz nach Einbruch der Dunkelheit ereignete sich ein Wunder<br />

im Schlossgarten.<br />

Ein Amateurvideo, aufgenommen am 28.10.2011 bei der<br />

„Grundwasser-Managementanlage“ des Projektes S21 im<br />

Stuttgarter Schlossgarten zeigt eine Marien-Erscheinung über<br />

dem Technik-Gebäude schwebend,die Gestalt hantiert augenscheinlich<br />

mit einer Schale Wasser. Angeblich haben mehrere<br />

Augenzeugen während der 3maligen Marien-Erscheinung die<br />

Worte gehört: „Das Wasser lassen“. Die Video-Aufnahme, die<br />

im Internet verbreitet wurde ist leider ohne Ton.


...und jetzt: ein Satz heiße Ohren<br />

14. - 27. November 2011: „...und jetzt: ein Satz heiße Ohren“<br />

Am Wochenende freute sich der „tearoom“ in der Rotebühlstraße<br />

109 über regen Besuch: <strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong><br />

von „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“ zeigte unter dem Titel „...und jetzt: ein<br />

Satz heiße Ohren“ Videos, Photoarbeiten und Installationen,<br />

die rund um den Widerstand gegen S21 entstanden sind.<br />

Anlässlich der gleichzeitig stattfindenen Volksabstimmung wird<br />

auch die Installation „Ausgabestelle Barrikadenbau-Bedarf“ gezeigt,<br />

in der bösen Vorahnung, dass es um eine Befriedung der<br />

Situation von Stuttgart möglicherweise schlecht bestellt ist.


14. November 2011: „LOCH21“ mit Dora Asemwald<br />

In „UNSEREM PAVILLON“ gibt sich derzeit Dora Asemwald,<br />

die beliebte Stuttgarter Kunstfigur, die Ehre. Ihre Assistenten<br />

Martin Zentner und Karin Rehm präsentieren das Projekt<br />

„Loch 21“. Statt einen Tiefbahnhof zu vergraben, den in 100<br />

Jahren kein Mensch mehr interessiert, schlägt dieses Projekt<br />

vor, in Stuttgart das größte Loch der Welt zu buddeln.<br />

Selbstverständlich mit aktiver Bürgerbeteiligung. Dazu kann<br />

man im <strong>Pavillon</strong> schon mal auf einem Luftbild von Stuttgart<br />

mit einem roten Fähnchen die Stelle markieren, an der man<br />

gern mit dem Loch anfangen würde. Bei der Eröffnung wurde<br />

davon auch schon reger Gebrauch gemacht. Jetzt haben<br />

die S21-Befürworter auch mal eine Chance sich konstruktiv<br />

in das Bürger-Engagement einzubringen und ihre latent<br />

destruktive Energie- die sich derzeit vor allem gegen die VA-<br />

Plakate der K21-Bewegung richtet- in ein befriedendes Projekt<br />

umzuleiten. Also Schäuffele mitbringen und losbuddeln!<br />

Ein Anfang ist schon mal gemacht mit der Loch-Markierung


Freitag, 25. November 2011: „Ilse Landfrau sagt JA!“<br />

Die Volksabstimmung zur Erdbahnhofsfinanzierung in<br />

Baden-Württemberg steht an. Da wir von der Galerie<br />

Dora Asemwald natürlich das Geld für Loch 21 haben<br />

wollen, rufen wir alle auf, ihr Jawort am Sonntag zu<br />

geben. Zur Einstimmung haben wir Ilse Landfrau, eine<br />

Stuttgarter Foodbloggerin (so einen Art Fernsehköchin<br />

2.0), eingeladen, um uns etwas schönes aus Produkten<br />

der Marke „Ja“ zum essen zu zaubern. Sie wird im Rahmen<br />

der Ausstellung „Grab mit! Dora und der Widerstand“<br />

in „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“ im mittleren Schlossgarten<br />

die Herdplatte anwerfen.


24. November 2011 : Performance von „LKW7“<br />

„Satire ab „4““ - 15-minütige Performance von LKW7, dem Labor<br />

zur Erforschung von Lebenskunstwerken in Stuttgart. Die „Satire<br />

„ab 4““ unternimmt den verzweifelten Versuch einer Erklärung,<br />

warum es Menschen gibt, die unbedingt den Tiefbahnhof wollen.


29. November : Plakat-Installation einer SOUP-Aktion<br />

im Stuttgarter Rathaus<br />

Die Stuttgarter Künstlergruppe SOUP hat es sich nicht nehmen<br />

lassen, das Sommerloch im Mittleren Sitzungssaal des<br />

Stuttgarter Rathauses durch eine Sandsackpyramide mit<br />

oben aufsitzendem Bahnhofsmodell zu füllen. Das nun erst<br />

recht wie eine umkämpfte Burg wirkende Modell stammt aus<br />

dem Jahr 1930. Die komplette Installation versteht sich als<br />

Präsentation eines Denkmalentwurfes an einem der Originalschauplätze<br />

des nie wirklich geschlichteten Stuttgarter Stellungskrieges.<br />

Der Entwurf ist all jenen gewidmet, die sich fernab jeder<br />

Schicksalsergebenheit bereits jetzt um die Zukunft dieser<br />

Stadt verdient gemacht haben. Ein Großphoto der Installation<br />

ziert nun UNSEREN PAVILLON“


Video-Präsentation: „Kant um die Ohren hauen“<br />

eine Performance von <strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong><br />

Video-Präsentation des Beitrages von <strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<br />

<strong>Brennenstuhl</strong> zur SOUP-Aktion im Stuttgarter Rathaus :<br />

„Kant um die Ohren hauen“<br />

Zum Abschluss der sog. „Schlichtungs-Gespräche“ im<br />

Konflikt um das Bahn-Immobilien-Projekt S21 zitierte<br />

der Schlichter Heiner Geißler eine zentrale Stelle aus den<br />

Schriften von Immanuel Kant, mit der er die Intention<br />

der Aufklärung als Ideal der Schlichtung bemühte. Dabei<br />

unterlief ihm jedoch ein fataler Fehler, der das Zitat in<br />

seiner Bedeutung vollkommen ins Gegenteil verkehrte:<br />

Statt „Aufklärung ist der Ausgang aus selbstverschuldeter<br />

Unmündigkeit“ sagte Geissler „unverschuldete Unmündigkeit“.<br />

Damit ist jedoch die Kant´sche Intention komplett<br />

konterkariert, die Mündigkeit der Stuttgarter Bürgerbewegung<br />

wurde von Geissler in seinem „Schlichtungsspruch“<br />

logischerweise negiert und dem stadtzerstörenden Bahn-<br />

Projekt der Weg geebnet.<br />

Eine auf Video dokumentierte Performance von AMB am<br />

Original-Schauplatz der Schlichtungs-Gespräche im Stuttgarter<br />

Rathaus stellt diesem fatalen Ereignis nun ein korrigierendes<br />

Bild zur Seite.


Warum Heiner Geißlers Versprecher kein Versprecher war<br />

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten<br />

Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen,<br />

sich seines Verstandes ohne Leitung eines andern zu<br />

bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die<br />

Ursache derselben nicht aus Mangel des Verstandes, sondern<br />

der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung<br />

eines andern zu bedienen. ‚Sapere aude! Habe Mut, dich deines<br />

eigenen Verstandes zu bedienen!‘ ist also der Wahlspruch der<br />

Aufklärung.“ (Immanuel Kant „Was ist Aufklärung?“, Berlinische<br />

Monatszeitschrift, 1784)<br />

Heiner Geißler zitierte bei seiner Abschlussrunde des sog. „Fakten-Schlichtung<br />

Kants Grundlegung der Aufklärung in seinem<br />

schriftlich abgefassten und fast vollständig vom Manuskript<br />

abgelesenen Schlichterspruch mit einem sinnentstellenden<br />

Versprecher, der sie ins Gegenteil verkehrt. O-Ton H. Geißler:<br />

„Aufklärung ist der Ausgang aus unverschuldeter Unmündigkeit“<br />

(http://www.youtube.com/watch?v=4UyNv4pqVdA , Min. 10.40)<br />

Unverschuldet? Ein kleiner Versprecher? Oder ist das „Un“-Wort<br />

vielmehr Ausdruck einer philosophischen Gesinnung und einer<br />

politischen Haltung, ein zentrales Signum des Weltbildes eines<br />

jesuitisch geprägten Denkers der hier klammheimlich Politik in<br />

der Tradition der Gegen-Aufklärung macht?<br />

Mündigkeit schließt einen Willensakt mit ein, der am Beginn des<br />

Ausgangs aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit steht, sie<br />

muss vom Menschen selbst erworben werden, sie ist eine Sache<br />

des Selbsttuns, der Entschlossenheit und des Mutes. Mit diesem<br />

Satz beginnt eine neue Epoche, dieser Satz setzt den modernen<br />

Menschen in die Welt als das Individuum, das sein eigener<br />

Schöpfer ist. Dies ist die kopernikanische Wende der Aufklärung,<br />

die in der weiteren Entwicklung der Geistesgeschichte zur Quelle<br />

unseres modernen Selbstverständnisses des Volkes als Souverän<br />

der Demokratie wird.<br />

Wer unverschuldet an seinen Verhältnissen ist, der ist auch nicht<br />

zuständig für die Veränderung dieser Verhältnisse. Die unverschuldete<br />

Unmündigkeit ist eine Gottgegebene, nur ein Gott<br />

kann sie verändern. Was hier von Geißler aus der Geschichte<br />

herausdefiniert wird, ist der postabsolutistische Souverän höchstpersönlich,<br />

das Volk als die zentrale Figur der Demokratie. In diesem<br />

Versprecher offenbart sich ein zutiefst paternalistisches Menschenbild,<br />

das die Figur eines angeblich überparteiischen Schlichters braucht,<br />

um die sich zankenden Kinder zur Räson zu bringen. Die logische<br />

Weiterführung dieses Gedankens brachte Geißler dann wenig später<br />

selbst zur Sprache: Wenn schon nicht Gott höchstpersönlich in die<br />

menschliche Geschichte eingreifen kann oder will, vielleicht könnten<br />

es dann wenigstens die Bischöfe sein, die sich in Zukunft in einer<br />

ganz neuen gesellschaftlichen Rolle einbringen könnten. Immerhin<br />

sollten diese von weltanschaulicher Neutralität sein, so Geißlers Sicht<br />

der Dinge. Eine fulminante Rolle rückwärts der Geistesgeschichte mit<br />

Punktlandung im voraufgeklärten Klerikalismus - und dies unwidersprochen<br />

in aller Öffentlichkeit! Wer bisher noch geglaubt hat, Geißlers<br />

Versprecher sei keine Bedeutung beizumessen, muss spätestens<br />

hier Verdacht schöpfen, dass es bei dem „Schlichtungsgespräch“ um<br />

etwas ganz anderes ging, als um Aufklärung und Mündigkeit.<br />

Als logische Folge seiner Weltanschauung, die sich in dem verfälschten<br />

Zitat offenbarte degradiert Heiner Geißler mit seinem<br />

Schlichterspruch das Volk zum unmündigen Zuschauer, dies ist der<br />

eigentliche Fehler und Skandal des „Stuttgarter Modells“.<br />

Was ist hier gründlich schief gelaufen? Zunächst stehen sich in diesem<br />

Konflikt zwei gesellschaftliche Gruppierungen gegenüber, die<br />

nicht demokratisch legitimiert sind. Weder die Bahn noch die Widerstandsbewegung<br />

ist eine Organisation der politischen Willensbildung.<br />

Beide sind Nicht-Regierungs-Organisationen ohne politisches Mandat.<br />

Soweit diese als „Informanten der Öffentlichkeit“ auftreten, ist dies<br />

überhaupt kein Problem. Das Problem entsteht erst, wenn aus dem<br />

„Faktengespräch“ ein Schiedsspruch abgeleitet wird, der dem Meinungsbildungsprozess<br />

über das Projekt plötzlich den Charakter der<br />

politisch-rechtlichen Legitimierung des Projektes selbst verleiht. Und<br />

genau dies ist hier mit Geißlers Schlichtungsspruch geschehen. An<br />

dieser Stelle hätte es zwei rechtlich legitime Möglichkeiten gegeben,<br />

wieder zum demokratischen „Normalfall“ zurück zu kehren:<br />

1: Nachdem nun zum ersten Mal in dem jahrelangen Verschleierungsprozess<br />

die Fakten auf dem Tisch waren, hätten die demokratisch<br />

legitimierten Gremien der Landes-und Kommunalpolitik jetzt ein differenziertes<br />

Urteil fällen können, das sich auf wirkliche Fakten und nicht


auf konsequente Desinformation stützt. Das Manko des bisherigen<br />

Prozesses, dass die politischen Entscheidungsträger rechtlich<br />

legitime Entscheidungen getroffen haben, die anschließend<br />

vom Souverän nicht akzeptiert wurden, da sie offensichtlich nicht<br />

genügend faktengestützt waren, hätte nun ausgeräumt werden<br />

können.<br />

2. Die öffentlichen „Faktengespräche“ haben tatsächlich Modellcharakter,<br />

wenn sie anschließend einen neuen Spieler auf das<br />

politische Spielfeld bringen, eine Instanz die über dem Parlament<br />

steht: Den Souverän selbst. Nicht das noch so weise Urteil eines<br />

angeblich neutralen Schlichters, der hier aus rechtlicher Sicht<br />

nichts weiter als eine beliebige Privatperson ist, heißt er nun<br />

Geißler oder Bischof soundso – hat hier rechtliche Legitimationskraft,<br />

sondern nur das Urteil des Souveräns in einer Volksabstimmung.<br />

Aber Geißler misstraut dem Souverän prinzipiell. Wie die meisten<br />

Parteipolitiker steht er der partizipativen Demokratie kritisch<br />

gegenüber. Dies ist nun nichts neues, seit es die Diskussionen um<br />

Volksentscheide in der BRD gibt, ist die reduzierte Perspektive<br />

der Parteipolitiker ein bekanntes Phänomen. Die repräsentative<br />

Demokratie wird wider besseres Wissen gebetsmühlenhaft als<br />

alleinige Bestimmung des Grundgesetzes proklamiert, die Tatsache,<br />

dass es hier heißt „in Wahlen und Abstimmungen“ ignoriert.<br />

Auch die Rolle der Parteien, die das Grundgesetz einschränkt auf<br />

„Mitwirkung“ bei der politischen Willensbildung, wird großzügig<br />

als alleinige Gestaltungsbefugnis der Parteipolitiker uminterpretiert.<br />

Das alles ist nicht neu. Neu ist jedoch, dass die politischen<br />

Instrumente und Institutionen der westlichen Demokratien derzeit<br />

an eine Grenze kommen, an der eine Neubestimmung notwendig<br />

ist.<br />

Zum Einen wendet sich das Volk von seinen gewählten Vertretern<br />

immer mehr ab, indem es immer weniger Interesse an<br />

Wahlen zeigt. Zum Anderen zeigt der Souverän immer mehr<br />

Selbstbewusstsein, indem er mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten<br />

bei zahlreichen Sachentscheidungen einfordert. Klar ist, dass<br />

technologische Großprojekte in demokratischen Gesellschaften in<br />

Zukunft anders legitimiert werden müssen. In der Öffentlichkeit<br />

wird derzeit die „positive“ Variante, nämlich die der erweiterten<br />

Mitwirkung aller gesellschaftlichen Gruppierungen breit diskutiert.<br />

Das Modell „Faktenoffenlegung plus Bürgerentscheide“ dürfte hier<br />

das zukunftsweisende Verfahren sein. Im Hintergrund gibt es jedoch<br />

schon längst andere Diskussionen und Begehrlichkeiten. Es ist auffällig,<br />

dass bei dem eigentlichen Stichwortgeber der gegenwärtigen<br />

Unions-Politik, Stephan Mappus, eine häufige Reisetätigkeit in Länder<br />

stattfindet, die zu einem Länder-Ministerpräsidenten nicht so recht<br />

passt. Was fasziniert Herrn Mappus so an Ländern des arabischen<br />

Raumes oder an China? Sind es wirklich nur die wirtschaftlichen<br />

Interessen des Landes Baden-Württemberg? Äußerungen von Herrn<br />

Mappus zu Beginn seiner Amtszeit als Ministerpräsident lassen diese<br />

Reisen in einem anderen Licht erscheinen. Unverhohlen und von seiner<br />

Partei unwidersprochen prägte er den Ausspruch von der „Politik<br />

des Durchregierens“. Auch hier ist wieder eine Zusammensicht der<br />

Beobachtungen hilfreich: was sich hier andeutet, ist ein Liebäugeln<br />

mit dem Modell der „gelenkten Demokratie“. In der aktuellen Debatte<br />

wird immer wieder als eines der ersten Argumente für S 21 und alle<br />

ähnlich gelagerten Projekten die internationale Konkurrenzfähigkeit in<br />

Hinblick auf den technologischen Fortschritt genannt.<br />

Genau das ist des Pudels Kern. Wenn von Politikern eine Abwägung<br />

der Wertigkeit von technischem Fortschritt und politischer Kultur<br />

vorgenommen wird, so neigt sich die Waagschale zusehends in<br />

Richtung Fortschritt und Ökonomie zu Ungunsten der Demokratie.<br />

Es ist unbestritten, dass gelenkte Demokratien es wesentlich leichter<br />

haben technologische Großprojekte zu realisieren. Ein 7-Schluchten<br />

Staudamm wäre in Deutschland sicher kein realisierbares Projekt.<br />

Fatal ist jedoch, hier die falsche Konsequenz zu ziehen. Nicht Europa<br />

muss sich den unterentwickelten Demokratien anpassen, sondern<br />

diese müssen mit allen legitimen Mitteln der Politik dazu gebracht<br />

werden, sich den erreichten internationalen Standards anzupassen.<br />

Technologischer Fortschritt ist zweitrangig gegenüber kulturellem und<br />

politischem Fortschritt. Diese Wertigkeit scheint nicht mehr Konsens<br />

zu sein bei einigen Politikern und das ist gefährlich für unsere Demokratie.<br />

Ein falscher Anfang wurde gemacht in Stuttgart, ihm ist zu wehren.<br />

<strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong>


26. November 2011: „JA! zum AUSSTIEG“<br />

UNSER PAVILLON bekennt sich zu einem „JA ZUM AUSSTIEG“<br />

Die Propaganda der Projekt-Befürworter wird aber massiv und<br />

mit faustdicken Lügen in ganz Baden-Württemberg verbreitet.<br />

Der Kampf David gegen Goliath erscheint fast aussichtslos,<br />

trotz unermüdlichen Einsatzes der Projekt-Gegner. Die Warnungen<br />

einer kleinen Gruppierung, sich nicht auf den Volksentscheid<br />

einzulassen, bevor nicht, wie im Schlichterspruch<br />

vereinbart, ALLE Fakten auf dem Tisch sind, wird überhört.


15. November: Nächtliche Projektion eines Hölderlin-Zitates<br />

auf den bedrohten Bonatz-Bahnhof


...und auf die bedrohten Bäume im Schlossgarten


27. November 2011: „VOLKSENTSCHEID“<br />

Die Baden-Württemberger haben abgestimmt, die Mehrheit<br />

hat sich gegen den Ausstieg aus der Finanzierung von S21<br />

entschieden. Die Argumente der K21_Bewegung haben die<br />

Mehrheit der Abstimmenden nicht erreicht, die Landesregierung<br />

hat sich sofort beeilt, den Bau des geplanten Tiefbahnhofs<br />

nun zu ermöglichen und „kritisch zu begleiten“ .<br />

Die K21-Bewegung steht unter Schock. Die Argumente für<br />

den Kopfbahnhof und alle Informationen über die Problematik<br />

von S21 wurden im und am PAVILLON abgehängt, der Argumente<br />

sind genug getauscht. Rationale Argumentation war<br />

offensichtlich die falsche Strategie, die Infosäulen sind jetzt<br />

schwarz gestrichen.


12. Dezember 2011: „WARM ANZIEHEN“<br />

Viel Irritation unter den „Parkschützern“ und „Parkbewohnern“<br />

löst derzeit das äußere Erscheinungsbild von UN-<br />

SEREM PAVILLON aus. Für Viele ist seine derzeitige Farbe,<br />

die Farbe Schwarz nur als Ausdruck von Trauer und Hoffnungslosigkeit<br />

zu verstehen. Dieser verkürzten Sichtweise<br />

ist eine unbefangene, wahrnehmende Sichtweise anzuraten:<br />

Schwarz kann viele Emotionen ansprechen, es kann auch<br />

kraftvoll, erotisch und elegant erlebt werden. Mit offenen<br />

Sinnen kann auch wahrgenommen werden, dass die Farbe<br />

Schwarz durch einen FILZÜBERZUG des PAVILLONS zustande<br />

kommt. Und wer bei Filz nur an „politischen Filz“ denken<br />

kann, dem ist anzuraten, einfach mal einen Filzhut aufzusetzen.<br />

Dann wird es nämlich warm am Kopf! Was mit „warm<br />

anziehen“ auf der Schrifttafel gemeint ist, ist also ebenso<br />

interpretationsoffen. Was und wer hier gemeint ist, Freund<br />

oder Gegner des Kopfbahnhofes, ist dem Leser selbst<br />

überlassen. Der PAVILLON argumentiert ästhetisch, liebe<br />

Freunde!


Jahreswechsel 2011/2012


10. Januar 2012: „ABWARTEN und TEE-TRINKEN“<br />

Der Park wird nun doch nicht wie angekündigt am 12. Januar<br />

geräumt, der Polizeipräsident von Stuttgart ist so<br />

vernünftig, dass er keine Räumung riskiert und eine längerfristige<br />

, personalintensive Bewachung des Zaunes, solange<br />

gar nicht klar ist, dass der Bahn-Konzern überhaupt die<br />

Bäume im geplanten Umfang fällen darf. Während „UNSER<br />

PAVILLON“ sich schon für die möglichen Auseinandersetzungen<br />

gerüstet hat und die Demo-Sanitäter ein mobiles<br />

Lazarett eingerichtet haben, konzentriert sich der Widerstand<br />

aktuell auf die Verteidigung des Südflügels. Ein „Solar-Café“<br />

hat sich direkt vor dem Gebäude niedergelassen,<br />

Tag und Nacht sind AktivistInnen dort zugange und schenken<br />

heißen Tee an die durchfrorenen Freunde des Kopfbahnhofes<br />

aus. Die haben sich schon mal warm angezogen<br />

in Anbetracht der kommenden Ereignisse. Am Samstag<br />

fand ein beeindruckender Schweigemarsch durch Stuttgart<br />

statt und bei der gestrigen Montagsdemo direkt vor dem<br />

Südflügel wurden nochmals leidenschaftliche Plädoyers für<br />

den Erhalt des Kopfbahnhofs abgegeben. Allen ist jedoch<br />

klar, dass jetzt nur noch ein Wunder den Bahn-Konzern von<br />

seinen barbarischen Abriss-Plänen abhalten kann


12. Januar 2012: „SANITÄTSSTATION“<br />

„UNSER PAVILLON“ hat seine schwarze Hülle wieder fallen lassen<br />

und präsentiert sich jetzt als „Sanitätsstation“ der Demo-<br />

Sanitäter. Die Bewegung bereitet sich nicht nur mental auf die<br />

bevorstehende Abriegelung des Südflügels vor, auch für alle<br />

Eventualitäten bei dem kommenden Polizei-Einsatz will man<br />

gerüstet sein. Das Versagen der Einstzleitung am 30. September,<br />

bei dem keine Sanitäter vor Ort waren ,ist noch in bester<br />

Erinnerung. Bleibt zu hoffen, das der neue Polizeipräsident<br />

und die neue Landesregierung tatsächlich wieder zu einem<br />

Einsatz-Stil zurückkehren, der einem demokratischen Gemeinwesen<br />

entspricht.


20. Januar 2012: „CAFE SOLAIRE“<br />

Der Tag war so schön im Park, das Café SOLAIRE hat sich<br />

nach der Vertreibung vom Südflügel kurzerhand vor UN-<br />

SEREM PAVILLON niedergelassen und hat mit liebevoller<br />

Dekoration zahlreiche BesucherInnen angelockt. Ein friedfertiger<br />

Ort der gepflegten Diskussionskultur. So sind die K21-<br />

Freunde. Und in der Nacht zeigte dann wieder mal S21 sein<br />

wahres Gesicht: starke Polizeikräfte riegelten den Bereich<br />

um den ehemaligen Club „Röhre“ ab und ermöglichten das<br />

völlig sinnfreie Schreddern von 30 Bäumen. Dieser Bereich<br />

wird erst genutzt für Baumaßnahmen wenn- villeicht am<br />

St. Nimmerleinstag- das Planfeststellungsverfahren für die<br />

Filderbahnplanung abgeschlossen ist und eine Baugenehmigung<br />

vorliegt. Die Wut der Kopfbahnhoffreunde wird immer<br />

ohnmächtiger, angesichts der Rücksichtslosigkeit , mit der<br />

die Bahn mit Unterstützung der rot-grünen Landesregierung<br />

Fakten schafft für ihre Pläne. Die Bilder des zerstörten<br />

Ortes kursieren im Internet und lassen böse Vorahnungen<br />

aufkommen, wie es weitergeht in Schuttloch. Wir ersparen<br />

unseren Lesern diesen schrecklichen Anblick und zeigen hier,<br />

wie die bessere Hälfte der Menschheit sich am Samstag betätigt<br />

hat.....


....embed yourself


27. Januar 2012: „SELF EMBEDDED ARTISTS“<br />

UNSER PAVILLON ist jetzt als OBSERVATORIUM URBANER<br />

PHÄNOMENE final aufgerüstet. Das Kamerateam des PAVIL-<br />

LONS und CAMS21 werden das Geschehen im Stuttgarter<br />

Schlossgarten in der letzten Phase von der sicheren Plattform<br />

herab beobachten. Auch die „embedded journalists“<br />

der zum show-down eingeladenen Presse werden von „selfembedded<br />

artist“ bei ihrer Tätigkeit als Teil der medialen<br />

Inszenierung dokumentiert.


6. Februar 2012: „BEOBACHTUNGSTAUBE“<br />

Zahlreiche Kongress-TeilnehmerInnen der „STUTTGART OPEN<br />

FAIR“ haben sich heute bei „UNSEREM PAVILLON“ trotz eisiger<br />

Kälte zu einem „Stadtspaziergang“ getroffen. Anliegen war das<br />

Gespräch über die Frage „Wie wollen wir in Zukunft in unseren<br />

Städten leben“ anhand konkreter Beobachtungen in Stuttgart.<br />

<strong>Unser</strong>e „BEOBACHTUNGSTAUBE“ begrüßt die TeilnehmerInnen<br />

von der Beobachtungsplattform für „self-embedded artists“<br />

herab


12. Februar 2012: „D-DAY“<br />

„UNSER PAVILLON“ zeigt sich nochmals von seiner besten<br />

Seite, bereit für die letzte Schlacht. Der Name für den<br />

geplanten Polizei-Einsatz konnte unsensibler nicht gewählt<br />

werden: „D-DAY“ heißt der Polizeieinsatz, wie der Einsatz<br />

der allierten Streitkräfte seinerzeit in der Normandie. Peinlich,<br />

als dieser faux-pas der Polizei bekannt wurde


13. Februar 2012: „SCHLOSSGARTEN FINALE“<br />

Heute morgen um 7 Uhr haben wir den Park verlassen<br />

müssen, in uns noch die vielen Bilder einer langen Nacht<br />

der lebendigen, achtsamen, phantasievollen und kreativen<br />

Schlossgartenkultur. 5 Stunden später waren wir<br />

wieder dort, um die Zerstörung UNSERES PAVILLONS zu<br />

verhindern, entgegen der Abmachung mit der Polizei- Einsatzleitung,<br />

die uns zugesagt hatte, dass dies nicht sofort<br />

geschieht. Der Park bietet ein Bild des Grauens: Eine verwüstete<br />

Mondlandschaft, die kreativen Werke der Parkbewohner<br />

mit Planierraupen plattgewalzt und zu Schutthäufen<br />

aufgetürmt, erste gefällte Bäume, alles durchzogen mit<br />

hässlichen Bauzäunen, überall noch behelmte Polizisten,<br />

dazwischen gut gekleidete Damen und Herren,mit wichtigen<br />

Gesichtern und Plänen in den Händen. Zwei Kulturen sind<br />

hier aufeinandergeprallt, die MEHRHEITSKULTUR hat gesiegt.


das letzte Bild der „SCHLOSSGARTENFREIHEIT“


DER MORGEN DANACH...


DAS WAR „UNSER PARK!“


16. Februar 2012: „ABTRANSPORT mit HINDERNISSEN“<br />

Hier eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse rund um<br />

den Abtransport „UNSERES PAVILLONS“ aus dem Stuttgarter<br />

Schlossgarten:<br />

Trotz schriftlichen und telefonischen Kontaktes mit der für<br />

die Park-Räumung zuständigen Einsatzleitung der Polizei,<br />

bei dem der Abtransport am Folgetag zugesagt wurde, haben<br />

am Morgen des 15. Februar Bauarbeiter sich unbefugt<br />

am PAVILLON zu schaffen gemacht, ohne dass die Polizei<br />

dagegen einschritt. Nur ein beherztes Eingreifen von Beobachtern<br />

von außen(Danke!) konnte die Zerstörung des<br />

<strong>Pavillon</strong>s verhindern.<br />

<strong>Unser</strong>em Abbau-team wurde für die Zerlegung des <strong>Pavillon</strong>s<br />

von der Polizei eine extrem knappe Frist gesetzt, bis<br />

12 Uhr am Folgetag sollte alles abtransportiert sein. Mit<br />

unseren zahlreichen engagierten HelferInnen wäre das eigentlich<br />

zu bewerkstelligen gewesen, wäre nicht eine permanente<br />

Behinderungsstrategie dazwischengekommen, als<br />

deren Quelle sich später das Finanzministerium ( als Verwalter<br />

der Landes-Liegenschaften, oberster Dienstherr Nils<br />

Schmid) herausstellte.<br />

Zunächst wurde die Abfahrt unseres Transportfahrzeuges<br />

schikanös verzögert durch zahlreiche polizeiliche Überprüfungsmaßnahmen.<br />

Bei den dabei stattfindenden Telefonaten<br />

der Beamten mit sehr hohen Stellen wurde langsam<br />

klar, dass es darum ging, uns keinen neuen Standort in<br />

Stuttgart zu ermöglichen.


Wir hatten vor 8 Wochen sowohl an Herrn MP Kretschmann,<br />

an die Staatsrätin für Bürgerbeteiligung Erler und an Finanzminister<br />

Schmid (zuständig für öffentliche Parkanlagen des<br />

Landes) die Neukonzeption UNSERES PAVILLONS geschickt,<br />

die eine Neuaufstellung im Oberen Schlossgarten- anvisierte.<br />

Herr Kretschmann hat bis dato nicht reagiert, die Staatsrätin<br />

für Bürgerbeteiligung Erler hat uns von einem Mitarbeiter<br />

telefonisch ausrichten lassen, sie sei für derartige Partizipations-<br />

Projekte nicht die richtige Adresse, Nils Schmid Ministerium<br />

hat kurz vor dem Räumungstermin (nach 8 Wochen)<br />

einen ablehnenden Bescheid geschickt mit der Begründung,<br />

der Schlossgarten sei eine denkmalgeschütztes Ensemble,<br />

außerdem würden wir die Enten auf dem Eckensee mit unserer<br />

künstlerischen Installation stören. Diese Begründung<br />

ist nach den neuen Ereignissen als Schutzbehauptung entlarvt<br />

Nach dieser Absage haben wir so schnell wie möglich nach<br />

einem Ort für eine kurzfristige Zwischenlagerung gesucht,<br />

bis wir zu einem späteren Zeitpunkt auf dem „Verhandlungsweg“<br />

unser Anliegen umsetzen können: ein prominenter<br />

und angemessener Aufstellungsort im Herzen Stuttgarts<br />

für die soziale Plastik „UNSER PAVILLON“.<br />

Als vorübergehendes „Asyl“ hatten wir in dieser schwierigen<br />

Lage dann die Skulpturenplattform hinter dem Württembergischen<br />

Kunstverein als vorübergehendesr Zwischenlagerung<br />

anvisiert.<br />

Kurz nach der um eine Stunde verzögerten Ausfahrt stoppte<br />

unsere Polizei-Eskorte plötzlich mitten auf der Strasse und<br />

wir wurden informiert, dass sich „höhere Stellen“ mit uns<br />

inzwischen befassten. Nach zahlreichen Telefonaten der<br />

Beamten kam dann nach einer weiteren Stunde folgende<br />

Information: Wir dürfen mit UNSEREM PAVILLON auf gar<br />

keinen Fall auf das Gelände des WKV, das im Besitz des<br />

Liegenschaftsamtes ist(zuständiger Minister: Nils Schmid),


wir sollten das Stadtgebiet umgehend verlassen. Verantwortliche<br />

Stelle für diesen Befehl sei das Liegenschaftsamt,<br />

Namen durften uns nicht genannt werden Dass damit der<br />

ganze Zeitplan nicht mehr einzuhalten war (inzwischen war<br />

es schon nach 12 Uhr) war klar, der Abtransport UNSERES<br />

PAVILLONS sollte offensichtlich vereitelt werden.<br />

Wir haben gegen dieses Vorgehen protestiert und den Beamten<br />

erklärt, dass wir dennoch unsere Fahrt zum WKV<br />

fortsetzen würden. Am WKV angekommen erfuhren wir<br />

vom Leiter des Hauses, Hans Christ, dass ihm inzwischen<br />

von Seiten des Liegenschaftsamtes telefonisch mitgeteilt<br />

wurde, wir dürften auf keinen Fall auf dem Gelände des<br />

WKV UNSEREN PAVILLON plazieren mit der Begründung,<br />

„ein als sichtbares Symbol des Widerstandes erkennbares<br />

Kunstwerk würde hier nicht geduldet“.. Daraufhin bot er uns<br />

entgegenkommenderweise an, die Einzelteile des <strong>Pavillon</strong>s<br />

vorübergehend im Gebäude selbst einzulagern.<br />

<strong>Unser</strong> Zeitplan war durch diese Taktik inzwischen nicht mehr<br />

einzuhalten, bei der zweiten notwendigen Einfahrt in den<br />

Schlossgarten wurden wir nicht mehr eingelassen mit der<br />

Begründung unserer Ultimatum sei abgelaufen. Nach Telefonaten<br />

unsererseits mit dem sog. „Kommunikationsbüro<br />

S21“ (zuständig für alle Vorgänge rund um die Parkzerstörung)<br />

sowie dank der Unterstützung unserer Eskort-Beamten<br />

konnten wir das „Ultimatum“ dann doch noch verlängern<br />

und die Bergung der restlichen PAVILLON-Elemente<br />

durchführen. Wir halten diese Ereignisse für nicht akzeptabel<br />

und als eine Überschreitung einer Grenze, die bei allen<br />

Demokratisch gesinnten Bürgern die Alarmglocke auslösen<br />

muss: Eine Behinderung von Kunst in diesem Ausmaß und<br />

mit dieser eindeutig politischen (!) Begründung ist eine<br />

neue Dimension der politischen Kultur in Stuttgart. Wir sind<br />

daher an einer Klärung dieser Vorgänge interessiert und an<br />

einer öffentlichen Debatte über die derzeitigen Veränderung<br />

der politischen Kultur in Stuttgart.


„Asyl“ im Württembergischen Kunstverein Stuttgart


21. Februar 2012: „KULTURSCHANDE“<br />

„UNSER PAVILLON“ lebt, er hat sich derzeit zum Schrecken<br />

seiner Gegner in einen materiellen Teil und einen lebendigen<br />

Teil verdoppelt. Während der materielle Teil sich im Schutz<br />

der Kunst (im WKV) derzeit noch von den Strapazen des Umzugs<br />

erholt, ist der lebendige Teil quitschvergnügt im öffentlichen<br />

Raum zugange. Hier unsere unermüdlichen Hauptaktivist_Innen<br />

bei einem Beitrag zum Rosenmontags-Umzug


27. Februar 2012: „SIE WERDEN GEBETEN ZU SCHWEIGEN“<br />

Der SPD- Vorsitzende und stellvertretende Ministerpräsident<br />

von Baden-Württemberg, Nils Schmidt, hatte im<br />

Wahlkampf das Motto ausgegeben: „Nach dem Volksentscheid<br />

haben die Kritiker des S21-Projektes zu schweigen!“<br />

Wohl wissend, dass der sog. Volksentscheid, in<br />

Wahrheit ein Regierungs-Referendum, prinzipiell scheitern<br />

musste auf Grund des Quorums. Ein übler Taschenspielertrick,<br />

mit dem die Schein-Legitimation des Projektes<br />

weiter untermauert werden sollte. Diese Strategie<br />

ist aufgegangen, der Widerstand gegen S21 wird nun<br />

von den Projekt-Befürwortern als undemokratische Haltung<br />

abqualifiziert. Mit Argumenten ist der Dialog über<br />

das Projekt nicht mehr voran zu bringen.<br />

Als Konsequenz des „Schweigegebotes“ versammeln sich<br />

jetzt jeden Samstag ab 15 Uhr einige Projektgegner am<br />

ehemaligen Aufstellungsort UNSERES PAVILLONS und<br />

demonstrieren SCHWEIGEND gegen ihre staatlich verordnete<br />

Ohnmacht. Worüber man nicht reden kann, darüber<br />

muss man schweigen. Auch darin liegt eine Kraft.


März 2012: Neue Pläne für „UNSEREN PAVILLON“


Überlegungen zur Neuaufstellung des <strong>Pavillon</strong>s an passendem Ort<br />

Die unter dem Namen „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“ bekannt gewordenen Einrichtung im Mittleren Schlossgarten verstand sich von Anfang an als<br />

ein Ort der „Beobachtung urbaner Phänomene“ und des künstlerischen Experiments. In unmittelbarer Nähe der 1977 aufgestellten<br />

Skulptur „Schichtung 107 (Stuttgarter Tor)“ von Thomas Lenk fungierte der <strong>Pavillon</strong> zunächst als Camera obscura. In seinem abgedunkelten<br />

Inneren war das auf dem Kopf stehende Bild des Stuttgarter Bahnhofsturms zu sehen. Die Vergegenwärtigung der „auf dem<br />

Kopf stehenden Verhältnisse“ im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen das Mega-Projekt „Stuttgart 21“ setzte sich in einer Reihe<br />

von Veranstaltungen fort, die allesamt von dem Wunsch beseelt waren, die mentalen und politischen Wurzen dieses Widerstandes<br />

zu ergründen. Was treibt Menschen an, wegen eines Bahnhofs zu Tausenden auf die Straße zu gehen oder eiskalte Nächte im Schlossgarten<br />

zu verbringen? Wie konnte und kann ein verkehrstechnisches Projekt so viele Emotionen entfachen? Wie konnte „Stuttgart 21“<br />

zum Synonym werden für eine neue gesellschaftspolitische Neuorientierung, deren Auswirkungen noch gar nicht abschätzbar sind?<br />

Die jetzige grün-rote Landesregierung verdankt ihre Existenz eindeutig dieser politischen Entwicklung. Der Volksentscheid vom 27.<br />

November 2011 hat zwar eine klare Mehrheit gegen den Ausstieg aus der Mitfinanzierung des Landes ergeben, enthält aber ungeachtet<br />

seines zu respektierenden Endergebnisses eine politische Botschaft. Wenn fast die Hälfte der Stuttgarter Wähler sich gegen<br />

die Beteiligung des Landes an der Mitfinanzierung von Stuttgart 21 und damit gegen das Projekt selbst ausgesprochen hat, bedeutet<br />

dies, dass die Stadt praktisch in zwei Lager gespalten ist. Die in den Protest eingegangenen und weiterwirkenden Impulse werden sich<br />

jedoch nicht einfach abstellen lassen; und sollten es auch nicht. Es wäre auch politisch unklug, den einmal erreichten Bewusstseinsstand<br />

hinsichtlich des Umgangs mit Großprojekten wieder rückgängig machen zu wollen.<br />

Insofern der neue Bahnhof zum lokalen Monument eines vermeintlich fortschrittlichen Denkens erklärt wurde, wäre es nur gerecht,<br />

denjenigen, die für einen anderen Fortschrittsbegriff stehen, ebenfalls die Chance einer öffentlichen Manifestation einzuräumen. Die<br />

Weiterentwicklung der in die Kritik an Stuttgart 21 eingegangenen Gedanken zu einem zeitgemäßen Demokratie- und Fortschrittsbegriff<br />

könnte sich eines Tages als wichtige Ressource erweisen, wenn es darum geht, Alternativen zum blinden Weitermachen parat zu<br />

haben.<br />

Deshalb sehen wir es als Selbstverständlichkeit an, dem Widerstand gegen Stuttgart 21 den Raum zu gewähren, den er angesichts<br />

seiner weit über Stuttgart hinauszielenden historischen Dimension verdient hat; nicht im Sinne einer letztlich entpolitisierenden Musealisierung,<br />

sondern als Manifestation derjenigen noch immer aktiven Kräfte in Stadt und Land, die diesen Bewusstseinswandel überhaupt<br />

erst ermöglicht haben.<br />

Es wäre sowohl für die Stadt wie für das Land beschämend, den zahlenmäßig starken projektkritischen Teil der Bevölkerung durch<br />

Ignoranz seiner zentralen Handlungsmotive vom politischen Geschehen fernzuhalten.<br />

Das Ergebnis des Volksentscheids mag die Meinung der Bevölkerungsmehrheit zu einem bestimmten Zeitpunkt objektiv wiedergeben,<br />

dies bedeutet jedoch nicht, dass die gegen S21 vorgebrachten Argumente damit ein für alle mal widerlegt wären. Im Gegenteil: es ist<br />

durchaus denkbar, dass die weitere Entwicklung des Großprojekts den Gegnern nach und nach Recht geben könnte. Und spätestens<br />

dann wäre man gut beraten, noch über andere Denkfiguren zu verfügen, als diejenigen, die unter Fortschritt allein die Fortschreibung<br />

des längst in die Kritik geratenen Wachstumsbegriffs verstehen. Der Ausstieg aus eingeschliffenen Denkmustern hat nicht erst seit<br />

dem Ausstieg aus der Atomkraft seine öffentliche Beglaubigung erfahren.<br />

Doch sollte es bei all dem nicht um Rechthaberei gehen, sondern um den Respekt vor den auch in die Sachargumente gegen Stuttgart<br />

21 eingegangenen gesellschaftspolitischen Prämissen. Es wäre unter dem Gesichtspunkt einer nachhaltigen Zukunftsplanung sträflich,


diesen am Beispiel von S21 angestoßenen Denkprozess nun mutwillig zu unterbrechen. Die Diskussion um eine Reformierung des Demokratiebegriffs<br />

hat erst begonnen.<br />

Da sich der <strong>Pavillon</strong> von vornherein als eine mitten in das Widerstandszenario eingebaute Beobachtungsplattform und Akkumulator<br />

gesellschaftskritischer Energien verstand, wäre er prädestiniert, den nun beginnenden Prozess einer „konstruktiven kritischen“ Begleitung<br />

des Großprojekts von der Basis her zu ermöglichen.<br />

Wir fordern deshalb für den oben diesen <strong>Pavillon</strong> einen Ort, der so zentral gelegen sein müsste, wie es der Prominenz seines Themas<br />

entspricht. Es sollte nicht darum gehen, den „Verlieren“ eine höfliche, der „Befriedung“ dienende Offerte zu unterbreiten, sondern<br />

– ganz unbescheiden – um die Anerkennung ihrer tatsächlichen Bedeutung.<br />

Ein möglicher Ort für eine Neuaufstellung des <strong>Pavillon</strong>s könnte der zwischen Staatstheater, Neuem Schloss und Kunstgebäude liegende<br />

Eckensee sein. Im Look einer schwimmender Plattform könnte der <strong>Pavillon</strong> seinen ungesicherten und vielleicht gerade deshalb aussagekräftigen<br />

Ort vor aller Augen gegen die romantische Sehnsucht nach stabilen Verhältnissen verteidigen. Umgeben von Schwänen<br />

und nicht besonders beeindruckt von den staatstragenden Gebäuden ringsum, könnten die Besucher des <strong>Pavillon</strong>s effektiv weiterarbeiten<br />

an dem, was gerade erst begonnen hat und unvernünftigerweise doch schon wieder ad acta gelegt werden soll.<br />

(Harry Walter)<br />

Entwurf für eine mögliche Neu-Gestaltung von „UNSER PAVILLON“, schwebend<br />

in einem Gerüst mit LED-Laufschriften zur Verbreitung pavillonistischen<br />

Gedankengutes, vorübergehend verortet auf der Skulpturenplattform des<br />

Württembergischen Kunstvereines Stuttgart


15. März 2012: „KLEINE SCHRITTE“<br />

„UNSER PAVILLON“ macht schon wieder die ersten vorsichtigsubversiven<br />

Schritte in den öffentlichen Raum. Über die Plattform<br />

des WKV , in dem er z.Z. Asyl gefunden hat, bewegt er<br />

sich „en miniature“ in Richtung Eckensee, seinem anvisierten,<br />

adäquaten Standort im öffentlichen Raum. Wer Großes will<br />

muss klein anfangen.


25. März 2012: „DIE PAVILLONISTISCHE BEWEGUNG“<br />

Die „PAVILLONISTISCHE BEWEGUNG“ wurde heute beim<br />

Treffen des <strong>Pavillon</strong>-Teams und SympathisantInnen auf der<br />

Plattform des WKV aus der Taufe gehoben: Viele kleine unabhängige<br />

Zellen werden in Zukunft im urbanen Raum im<br />

Geiste von „UNSEREM PAVILLON“ agieren. Ein Signet der<br />

Bewegung markiert den Ort ihrer Entstehung, von hier aus<br />

wird sich die Bewegung unausfhaltbar ausbreiten.


Die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung<br />

Vor einem Jahr wurde im Rahmen des Widerstands gegen das<br />

Bauprojekt Stuttgart 21 die Initiative „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“ gegründet.<br />

In mitten des umstrittenen Schlossgartens, jenem Ort, an<br />

dem die Baugrube für den geplanten Tiefbahnhof ausgehoben<br />

werden soll, wurde ein temporärer, containerartiger Holzbau<br />

aufgestellt. Als Informations- und Ausstellungsplattform der<br />

K21-Bewegung war der von der Künstlergruppe Begleitbüro<br />

SOUP initiierte <strong>Pavillon</strong> nicht nur Anlaufstelle für Aktivisten und<br />

Künstler, sondern auch für interessierte Passanten. Mit der Räumung<br />

des Schlossgartens Anfang des Jahres musste auch das<br />

Gebäude weichen. Die Idee des <strong>Pavillon</strong>s lebt weiter.<br />

Zum Jahrestag hatten wir ein sehr besonderes Treffen an<br />

unserem <strong>Pavillon</strong>. Viele Menschen versammelten sich, trugen<br />

spontan etwas vor, sangen, tauschten sich aus. Bemerkenswert:<br />

Da, wo einst der <strong>Pavillon</strong> in seiner physischen Manifestation<br />

stand, waren nur noch Klebebandstreifen, die an seinen<br />

Grundriss erinnerten. Beraubt ihrer Inkarnation bleibt die nackte<br />

Idee, ohne die Bürde einer Bude, die gepflegt und gehegt<br />

sein will, die nur bedingt mobil auf die Bedürfnisse ihrer <strong>Pavillon</strong>isten<br />

reagieren kann. Was ist „<strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>“? Ist es ein<br />

Haufen zusammengeschraubter Bretter, die im Ausstellungsraum<br />

des Württembergischen Kunstvereins ihr Exil fristen? Sind<br />

es die weißen Maleranzüge, in denen einige <strong>Pavillon</strong>isten auf<br />

die Montagsdemo gehen? Ist es die Facebookseite, die befüllt<br />

und moderiert wird, ist es das offene Mikrofon, in das beharrlich<br />

geschwiegen wird? Oder sind es die Linien im Schlossgarten,<br />

die das gedankliche Loch umranden, das einst der <strong>Pavillon</strong><br />

füllte? Die Antwort ist einfach: <strong>Unser</strong> <strong>Pavillon</strong>, das sind die<br />

<strong>Pavillon</strong>isten! Menschen, die die Idee des <strong>Pavillon</strong>s nicht nur in<br />

ihren Köpfen und Herzen tragen, sondern sie auch leben. Sei es<br />

auf Facebook oder im Maleranzug. Es sind Menschen, die sich<br />

für eine neue Bürgergesellschaft interessieren und engagieren.<br />

Menschen in all ihrer Vielfalt, deren gemeinsamer Nenner eine<br />

Haltung ist.<br />

Ursprünglich war es die K21-Bewegung für die der <strong>Pavillon</strong><br />

stand. Doch schnell haben wir bemerkt, dass Stuttgart 21 nur<br />

ein Symptom einer grundlegenden Schieflage unseres Systems<br />

ist. Das Großbauprojekt und die Methoden seiner Zustandebrin-<br />

gung sind ein Atavismus aus der Zeit des Wirtschaftswunders,<br />

als es galt, eine zerbombte Stadt wieder aufzubauen. Heute<br />

muss man zuerst zerstören, wenn man bauen will. Jene, die<br />

durch das alte System an die Macht gekommen sind, nutzen<br />

eben diese Macht, um ihr System zu verteidigen – Systemkritiker<br />

sind da unerwünscht. Und genau das sind wir <strong>Pavillon</strong>isten.<br />

Wir beleuchten systemimmanente Schwachstellen und hinterfragen,<br />

sind Sand im längst obsoleten Getriebe unserer Stadt und<br />

überlegen uns Alternativen, wie unsere Bürgergesellschaft zeitgemäß<br />

funktionieren kann. Welche Lösung die richtige ist, weiß<br />

keiner. Es gibt mindestens so viele Ansätze wie es Köpfe gibt,<br />

diese zu erdenken. Darum sind wir <strong>Pavillon</strong>isten eine so bunte<br />

Truppe. „We are the multitude“. Wir werden nie Konsens darüber<br />

finden, welche Ziele wir mit welcher Methode erreichen werden,<br />

doch eins eint uns: der Wille, es besser zu machen. Ob Open<br />

Planning, Liquid Democracy oder Bedingungsloses Grundeinkommen,<br />

die Diskussion über die Wege zu einer uns gerechten<br />

Gesellschaft bringt uns voran.<br />

Doch brauchen wir Konsens? Wollen wir uns über Mittel und<br />

Wege unseres Wirkens verstreiten, Frakionen bilden und Wortführer<br />

ernennen? Brauchen wir Oberpavillonisten, Hilfspavillonisten,<br />

Entscheidungsträger, Sprecher, Kassenwart und Fußvolk,<br />

das die Arbeit macht? Wollen wir uns so organisieren, wie jene,<br />

die wir kritisieren? Es ist an der Zeit, neu zu denken! Leben<br />

wir doch mit den Widersprüchen und definieren uns lieber über<br />

unseren Willen, etwas zu bewegen. Wir brauchen keine Hierarchien,<br />

wir sind ein Netzwerk. So wie Anonymous, jene Hacker,<br />

die für die Freiheit im Netz kämpfen. Da sie keinen Kopf haben,<br />

kann man diesen nicht abschneiden, oder bei einer Schlichtung<br />

über den Tisch ziehen. Die Machthabenden sind Strukturen<br />

gewohnt, die ihren gleichen – da können sie den längeren Hebel<br />

ansetzen. Einen physischen <strong>Pavillon</strong> können sie aus dem Stadtbild<br />

verbannen, einen Chefpavillonisten können sie einlullen. Ein<br />

Netzwerk aus engagierten Bürgern, die heute im weißen Anzug<br />

und morgen mit einer Rolle Klebeband einfach aufkreuzen und<br />

<strong>Pavillon</strong> machen sind nicht greifbar aber omnipräsent.<br />

Lasst uns den Gedanken des <strong>Pavillon</strong>s von überkommenen<br />

Strukturen befreien! Wir brauchen keine Bude, wir brauchen<br />

keine Hierarchien. Wir brauchen Menschen, die bereit sind zu


sagen und zu zeigen: Ich bin <strong>Pavillon</strong>ist! Ich bin für ein besseres<br />

System, das nicht nur einer kleinen Elite dient. Lasst uns den<br />

physischen <strong>Pavillon</strong> auf das reduzieren, was ihn am stärksten<br />

macht: ein Symbol. Ein Symbol für unsere Haltung, unseren Mut<br />

und Willen zur Veränderung. Ein Symbol, dass durch die Geschichte<br />

des <strong>Pavillon</strong>s im Schlossgarten aufgeladen wurde und<br />

so in unserem Bewusstsein verwurzelt wurde. Jetzt ist es an<br />

der Zeit, die Energie und Idee des <strong>Pavillon</strong>s in etwas Neues zu<br />

transformieren, was über die Grenzen eines einzelnen Raumes<br />

hinausgeht. Wir transferieren den Raum zu einer Bewegung.<br />

Doch wie schaffen wir es, die Idee des <strong>Pavillon</strong>s ohne zentralistische<br />

Organisation und physischen Ort am Leben zu halten und<br />

zu verbreiten?<br />

Die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung<br />

<strong>Pavillon</strong>isten<br />

Ein <strong>Pavillon</strong>ist oder <strong>Pavillon</strong>istin ist jeder oder jede, der oder die<br />

anderen einen Raum bietet, <strong>Pavillon</strong>istische Ideen auszutauschen<br />

und zu verbreiten.<br />

<strong>Pavillon</strong>istische Ideen<br />

<strong>Pavillon</strong>istische Ideen sind Einfälle, Überlegungen, Entwürfe<br />

und Konzepte, die einem besseren Zusammenleben in unserer<br />

Gesellschaft dienen und andere befähigen, selbst <strong>Pavillon</strong>isten<br />

zu sein. Dadurch kann die pavillonistische Idee viral verbreitet<br />

werden.<br />

Diese Ideen sind nicht an sprachliche oder rationale Formulierungen<br />

gebunden. Sie dürfen bildhaft, visionär und experimentell<br />

sein. Sie bedienen sich aller Möglichkeiten kultureller und<br />

künstlerischer Ausdruckformen wie zum Beispiel Gedichte, Plakate,<br />

Texte, Ausstellungen, Performances, Gespräche, Vorträge<br />

oder Lieder. <strong>Pavillon</strong>isten bemühen sich eigenverantwortlich um<br />

ein hohes Maß an ästhetischer Qualität und inhaltlicher Stimmigkeit<br />

bei der Formulierung ihrer Ideen.<br />

(Zur viralen Verbreitung von Gedanken: http://de.wikipedia.<br />

org/wiki/Mem).<br />

<strong>Pavillon</strong>istische Grundsätze<br />

• Gleichheit, keine Diskriminierung. Jeder kann <strong>Pavillon</strong>ist<br />

sein, muss sich nicht erst anmelden oder die Erlaubnis holen.<br />

• Offenheit gegenüber allen Menschen und Ideen.<br />

• Kritische Haltung gegenüber dem bestehenden System, Bereitschaft,<br />

neue Wege zu denken und zu gehen. Offenheit gegenüber<br />

allen Ansätzen, die nicht gegen die <strong>Pavillon</strong>istischen Grundsätze<br />

verstoßen.<br />

• Der <strong>Pavillon</strong>ismus ist nicht kommerziell.<br />

• Der <strong>Pavillon</strong>ismus ist außerparlamentarisch und darf nicht<br />

von der Politik instrumentalisiert werden.<br />

• Vielfalt: Untschiedliche Meinungen innerhalb der Bewegung<br />

sind Grundlage für Diskussionen, die auf respektvolle Weise geführt<br />

werden.<br />

<strong>Pavillon</strong>istische Räume<br />

Der <strong>Pavillon</strong>istische Raum ist ein physischer und/oder virtueller Ort,<br />

der offen für alle Menschen ist und das Austauschen und Verbreiten<br />

<strong>Pavillon</strong>istischer Ideen ermöglicht.<br />

<strong>Pavillon</strong>istisches Handeln<br />

<strong>Pavillon</strong>istisches Handeln ist das Erzeugen und Betreiben <strong>Pavillon</strong>istischer<br />

Räume und das Verbreiten der <strong>Pavillon</strong>istischen Idee. Jeder<br />

<strong>Pavillon</strong>ist ist für sein eigenes Handeln verantwortlich.<br />

<strong>Pavillon</strong>istische Zellen<br />

Eine <strong>Pavillon</strong>istische Zelle ist eine Gruppierung von <strong>Pavillon</strong>isten,<br />

die gemeinsam <strong>Pavillon</strong>istische Räume erzeugen und betreiben.<br />

Alle <strong>Pavillon</strong>istischen Zellen sind gleichwürdig.<br />

Die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung<br />

Die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung ist ein Netzwerk/Schwarm unabhängiger<br />

Zellen, die das gleiche Ziel verfolgen, aber in keiner festen<br />

Organisationsform stehen. Sie ist dadurch nicht anzugreifen und<br />

egalitär.<br />

Es gibt keine offiziellen Sprecher der Bewegung. Niemand darf<br />

für die gesamte Bewegung alleine sprechen, nur für seine eigene<br />

Zelle. Wenn jemand über das Aufstellen eines physischen <strong>Pavillon</strong>s<br />

mit der Stadt oder dem Land verhandelt, dann tut er das nur im<br />

Namen der Zelle, die den <strong>Pavillon</strong> dann dort aufstellt und betreibt<br />

und die Verantwortung dafür übernimmt. Keine <strong>Pavillon</strong>istische<br />

Handlung bedarf der Absprache mit anderen <strong>Pavillon</strong>isten oder<br />

einer Genehmigung. Es gibt keine Instanz, die über <strong>Pavillon</strong>istische<br />

Handlungen entscheidet.<br />

Auf den ersten Blick raubt das dem <strong>Pavillon</strong> an Schlagkraft, doch<br />

wenn man die Sache zu Ende denkt, verleiht es ihm eine viel grö-


ßere Kraft und verhindert, dass Einzelne versuchen, Macht über die<br />

Bewegung auszuüben.<br />

Um <strong>Pavillon</strong>istische Aktivitäten zu koordinieren soll es weiterhin regelmäßige<br />

Treffen geben, bei denen sich Zellen austauschen und es möglich<br />

ist, sich für größere Projekte zusammenzuschließen.<br />

Das <strong>Pavillon</strong>istische Zeichen<br />

Um die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung sichtbar zu machen, setzen wir ein<br />

Zeichen, das <strong>Pavillon</strong>istisches Handeln sichtbar macht und Spuren<br />

unseres Schaffens hinterlässt. Es dient als Erkennungsmerkmal der<br />

Bewegung und bildet einen Rahmen um alles <strong>Pavillon</strong>istische Handeln,<br />

ist der „rote Faden“ durch die Vielfalt unterschiedlicher Beiträge.<br />

Das <strong>Pavillon</strong>istische Zeichen kennzeichnet <strong>Pavillon</strong>istische Räume und<br />

Kommunikation. Es symbolisiert die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung. Seine<br />

Anwendung im öffentlichen Raum hilft der Verbreitung und Sichtbarkeit<br />

des <strong>Pavillon</strong>ismus. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass kein<br />

Vandalismus betrieben wird, da dieser die Akzeptanz der Bevölkerung<br />

gegenüber der Bewegung senkt. Nichtpermanente Zeichen aus Kreide<br />

oder ablösbarem Klebeband sind zwar vergänglich, zeigen jedoch die<br />

Dynamik unserer Bewegung. Keine Idee darf in Stein gemeiselt werden,<br />

sie müssen offen für Veränderungen sein.<br />

Das <strong>Pavillon</strong>-Zeichen leitet sich auch dem Grundriss des Ur-<strong>Pavillon</strong>s<br />

aus dem Schlossgarten ab. Ein Rechteck mit je einer Öffnung an den<br />

schmalen Seiten und je vier Lamellen an den langen Seiten.<br />

Die Proportionen des Originalpavillons werden abstrahiert. Das Logo<br />

wird wie ein Schriftzeichen verwendet, welches in einer Vielfalt an<br />

Schrifttypen dargestellt werden kann. Die Grundform ist eindeutig, die<br />

Ausgestaltung ist variabel. Dies steht für die Vielfalt der Bewegung, die<br />

sich jedoch auf gemeinsame Grundwerte beruft.<br />

Neben der architektonischen Symbolsprache gibt es noch weitere Interpretationen:<br />

Chips (Prozessoren):<br />

Das Zeichen erinnert an Chips wie zum Beispiel Prozessoren. Chips<br />

nehmen Daten auf, verarbeiten sie und geben sie weiter. Sie steuern,<br />

berechnen, kommunizieren und sind der Motor der heutigen Kommunikationsnetzwerke.<br />

Spinnen<br />

Spinnen haben acht Beine, sie sind überall zu finden und spinnen<br />

Netze. <strong>Pavillon</strong>zeichen könnten sich wie ein Schwarm über die gesamte<br />

Stadt ausbreiten. Die <strong>Pavillon</strong>istische Bewegung ist kein Organismus<br />

mit spezialisierten Zellen, die nur eine Aufgabe zu erfüllen haben, sondern<br />

ein Schwarm gleichwürdiger Zellen, die ihre Funktion den Bedürfnissen<br />

anpassen, sich je nach Bedarf zusammenschließen oder wieder trennen.<br />

Wimperntierchen<br />

Die einzelligen Wimperntierchen stehen für die Urzelle, aus der der <strong>Pavillon</strong>ismus<br />

entspringt. Sie vermehren sich durch Zellteilung. Genau so sollen<br />

sich die <strong>Pavillon</strong>istischen Zellen vermehren! Mit jeder Zellteilung entstehen<br />

neue Impulse, die Bewegung breitet sich aus. Jede Replikation durch Zellteilung<br />

bringt Mutation und muss sich der Selektion stellen. Es entsteht ein<br />

evolutionärer Prozess.<br />

Mögliche <strong>Pavillon</strong>istische Räume:<br />

• Eine Gruppe auf Facebook, in der diskutiert werden kann. Jeder<br />

handelt dort unter seinem Namen, niemand tritt als <strong>Pavillon</strong> auf. Deshalb<br />

ist die derzeitige Pavilllonsseite ungeeignet, da sie Administratoren erlaubt,<br />

als <strong>Pavillon</strong> zu sprechen.<br />

Jedem, der Facebook für ungeeignet hält, steht es offen, eine andere Plattform<br />

als <strong>Pavillon</strong>istischen Raum zu schaffen.<br />

• Der physische <strong>Pavillon</strong> oder einzelne Teile dessen können von einer<br />

<strong>Pavillon</strong>istischen Zelle aufgestellt und betrieben werden.<br />

• Mit Overalls oder Shirts gekennzeichnete <strong>Pavillon</strong>isten können im<br />

Umfeld von Demos und anderen Veranstaltungen Gesprächsrunden initiieren<br />

und die <strong>Pavillon</strong>istische Idee verbreiten.<br />

• Veranstaltungen, wie Seminare und Workshops.<br />

• Regelmäßige Formate wie das offene Mikrophon können abgehalten<br />

werden.<br />

Idee und Text<br />

Karin Rehm, Martin Zentner


21. März 2012: Jahrestag Aufstellung UNSER PAVILLON<br />

Zum Jahrestag der Aufstellung „UNSERES PAVILLONS“<br />

trafen sich die Künstler_innen und Aktivist_innen am ehemaligen<br />

Aufstellungsort und markierten mit Klebeband am<br />

Boden den Grundriss des PAVILLONS im Sinne einer „pavillonistischen<br />

Geste“.<br />

Damit Eines klar ist: Wir lassen uns nicht vertreiben, wir<br />

kommen immer wieder, solange unser Recht auf Stadt<br />

und unser Engagement für ein lebenswertes Stuttgart mit<br />

Füßen getreten wird. Anlässe, sich hier zu treffen gibt es<br />

immer wieder, so feierten die Aktivist_innen beispielsweise<br />

den 1. Mai an diesem inzwischen so unwirtlichen Ort.


Gründonnerstag 2012: „LAST SOUP“ im zerstörten Park<br />

In Erinnerung an das Karfreitags-Konzert 2011 wiederholte<br />

das Streich-Ensemble und die Vortragskünstler<br />

vom letzten Jahr ihr klassisches Konzert im jetzt zerstörten<br />

Park, ergänzt durch einige neue Beiträge.<br />

Anschließend gab es nach alter schwäbischer Sitte Maultaschen-Suppe<br />

für alle Schlossgarten- Freunde an einer<br />

eigens inszenierten Tafel.<br />

Bei strömendem Regen musste die Veranstaltung in die<br />

Unterführung am Schlossgarten verlegt werden, zwischen<br />

randalierenden Alkoholikern und martialischen<br />

Bauzäunen war die Stimmung dennoch geprägt von<br />

dem Zauber Bach´scher Kantaten.


„UNSERE PLATTFORM“<br />

Anstelle des Treffpunktes an „UNSEREM PAVILLON“ findet jetzt<br />

jeden Samstag eine „Offene Plattform“ auf der Skulpturen-<br />

Plattform des WKV statt, dem Ort, an dem die Aufstellung<br />

UNSERES PAVILLONS untersagt wurde.<br />

Auch ohne <strong>Pavillon</strong> lassen sich die Stuttgarter Bürger_innen<br />

nicht davon abhalten, miteinander im Gespräch zu bleiben<br />

über die Zukunft ihrer Stadt.<strong>Unser</strong>e Fragen: „Was heißt Fortschritt?“<br />

„Was könnte Demokratie sein?“ und „Wem gehört die<br />

Stadt?“ nsind noch lange nicht beantwortet!


„WIR SIND SOUVERÄN“<br />

UNSER PAVILLON: Selbstermächtigung zwischen Fiktionalität und Realität<br />

Im Schutze der Dunkelheit am 21. März 2011 im Mittleren Schlossgarten in<br />

Stuttgart subversiv aufgetaucht und fast ein Jahr später, am 12. Februar 2012,<br />

mit massiver Polizeibegleitung von dort wieder abtransportiert, hat UNSER<br />

PAVILLON in dem knappen Jahr seiner sichtbaren Existenz ein Dasein geführt,<br />

das als ominöser Zwischenstatus zwischen der Welt des Fiktionalen und der<br />

Welt des Realen gekennzeichnet werden kann.<br />

Weniger die Tatsache seiner nicht wegzuleugnenden physischen Existenz in<br />

Form einer containerartigen Architektur mit künstlerischem Mehrwert soll aber<br />

Anlass sein , die Widersprüche seines kurzen öffentlichen Daseins ansatzweise<br />

zu reflektieren, vielmehr ist es seine diskursive Dimension als Ort sozialer<br />

Interaktion und kritischer Diskurse, die anscheinend immerhin so beunruhigend<br />

war, dass sie bisher beharrlich aus jeglicher öffentlich-medialen Reflexion<br />

ausgeblendet werden musste. Trotz seiner realen, nicht zu übersehenden<br />

Existenz, hat UNSER PAVILLON es geschafft, in gewisser Weise unsichtbar zu<br />

bleiben, weder eine feuilletonistische Reflektion, noch eine politisch motivierte<br />

Analyse hat sich an diese hybride Zwischenexistenz heran gewagt. Dank seiner<br />

Uneinordenbarkeit blieb UNSER PAVILLON daher von einer Entschärfung seiner<br />

diskursiven Brisanz weitestgehend verschont. Eine erste Zwischenbilanz des<br />

Projektes UNSER PAVILLON soll hier also erfolgen nicht um diese Widersprüche<br />

aufzuklären, sondern im Gegenteil, UNSER PAVILLON soll hier im Sinne einer<br />

Affirmation seiner Widersprüche, als „produktive Paradoxie“ sozusagen, gewürdigt<br />

werden. Totgesagte leben länger.<br />

Schon die geistige Geburt des Projektes war geprägt von einer Aura des<br />

Widerspruches: Von einigen Mitgliedern der Stuttgarter Künstlergruppe SOUP,<br />

die sich das Observieren urbaner Phänomene vorgenommen hat, kam zwar der<br />

initiale Impuls zum Projekt UNSER PAVILLON, er wurde jedoch von Anfang an<br />

im permanenten Dialog mit politischen AktivistInnen des Widerstandes gegen<br />

S21 entwickelt und in die Tat umgesetzt. Diese Kooperation war von Anfang<br />

an zentraler Bestandteil der Konzeption, mit allen möglichen Konsequenzen.<br />

Beiderseitige Rückzugsgefechte in Permanenz sind hier vorprogrammiert, der<br />

Verdacht der Irrelevanz ästhetischer Strategien im Zusammenhang mit Real-<br />

Politik korrespondiert dann bestens mit dem Verharrungsbedürfnis ästhetischer<br />

Diskurse im einsamen Feld der „Autonomie der Kunst“.<br />

Aber ist nicht gerade die massive Irrationalität des Immobilienspekulations-Projektes<br />

S21, das sich in einer leicht durchschaubaren technizistischen Scheinrationalität<br />

der Projekt-Betreiber ebenso zeigt wie in der daraus resultierenden<br />

Reaktion der Projekt-Gegner mit hyperrationaler Fakten-Argumentation (eine klassisch-dialektischen<br />

„ Diskurs-Falle“) eine Herausforderung an eine Reflexion ästhetischer<br />

Provenienz? Wenn Schein-und Pseudo-Rationalität dermaßen zusammen<br />

wirken und von unbedarften Politikern dann Realitäten geschaffen werden, die<br />

-schlimmstenfalls jahrhundertelang - eine Stadt, eine Gesellschaft, eine Lebenswelt<br />

prägen, dann sollte doch eigentlich in dieser Stadt ein Diskurs geführt werden,<br />

der sich als „ästhetische Rationalitäts-Kritik“ an die Wurzel des Übels macht.<br />

In Stuttgart scheint hier Fehlanzeige auf ganzer Linie zu sein. Das Schweigen der<br />

Geisteswissenschaften an diesem Ort mag der Angst vor ihrem real drohenden<br />

“universitärem Weg-gespart-werden“ geschuldet sein, entschuldigt aber nichts.<br />

Diskurse aus dem gesellschaftlichen Sektor der Kultur heraus- insbesondere dem<br />

Stuttgarter Feuilleton- sind sowieso kaum zu erwarten und so verwundert es nicht,<br />

dass die Strategie der „musealen Befriedung“ in Stuttgart so leicht aufgeht: die<br />

ästhetische Dimension der Widerstandsformulierungen am Bauzaun wird kurzerhand<br />

zum Anlass seiner musealen Entschärfung! Und ein bekannter Resort-Chef<br />

des lokalen Feuilletons versteigt sich dann auch noch -quasi als Steigerung der<br />

diskursiven Unterkomplexität- in den abstrusen Vorschlag, man könne doch einen<br />

Baustellen-Beobachtungs-Container aufstellen, in dem der Baufortschritt im Sinne<br />

eines “ästhetischen Events“ beobachtet werden könne, das wäre doch die ideale<br />

Umsetzung bürgerschaftlicher Partizipation. Ja geht es noch schlichter?<br />

Die Akteure im Stuttgarter Kessel scheinen es derweil zufrieden zu sein, zumindest<br />

lassen sie es mit sich machen und trotteln dann auch noch brav in die museale<br />

Inszenierung ihrer Bauzaun- Kreativität. Wenigstens soll es eine Brezel gegeben<br />

haben für alle Beteiligten bei der Vernissage, habe ich mir berichten lassen.<br />

Aber würde nicht andersherum ein Schuh daraus? Könnte nicht gerade eine<br />

Theorie-Diskussion und eine damit korrespondierende Praxis aus dem Geist der<br />

Kunst heraus Bewegung in eine „Bewegung“ bringen, die sich nach dem Abhandenkommen<br />

ihrer symbolischen Anlässe- den Seitenflügeln des Bonatz-Baus und<br />

den Bäumen im Mittleren Schlossgarten- in der Falle einer tragischen Handlungslähmung<br />

tot zu laufen scheint, begleitet von hässlichen Kommentaren in den<br />

Stuttgarter Medien über die „Bewegung im Hamsterrad“ ?<br />

Warum aber philosophische oder ästhetische Diskurse zu einem Projekt, das sich<br />

anscheinend vollständig auf vernünftiger Ebene, der Ebene technischer Dispute<br />

oder mit Hilfe eines „runden Tisches“- wir erinnern uns mit Grausen an die unsägliche<br />

pseudodemokratischen Inszenierung der sogenannten „Faktenschlichtung<br />

auf Augenhöhe“ inklusive ihrer vorprogrammierten Folgenlosigkeit- verhandeln<br />

lässt?<br />

Wer einmal die Gelegenheit hatte - und die hatte das PAVILLON- Team oder die<br />

AktivistInnen, die anlässlich der „Volksentscheids-Kampagne“ unterwegs waren,<br />

zur Genüge - der hat schnell die Erfahrung machen müssen, dass unter der Ober-


fläche der Fakten-Argumentation, sowohl bei Gegnern als auch Befürwortern des<br />

Projektes, eine tiefere Ebene verborgen bleibt, die Ebene der lebensweltlichen<br />

Einstellungen und weltanschaulichen Überzeugungen. Und die sind weit weniger<br />

rational als sie sich gebärden.<br />

Was sich im Gewand von Zahlen und Fakten kleidet sind in Wirklichkeit existentielle<br />

Erfahrungen und biografische Prägungen, Wünsche und Hoffnungen,<br />

Sehnsüchte und Befürchtungen, Lebens- Entwürfe und -Ängste, die sich zwar<br />

rationaler Formulierungen bedienen, in ihrem tatsächlichen Wesen aber Konditionen<br />

unterliegen, die sich nicht auf der Ebene rationaler Diskurse adäquat abbilden<br />

lassen. Bestenfalls in syntaktischen Zwischenräumen, Gesprächspausen,<br />

verlegenem Räuspern oder schriller Stimme, gelegentlich auch im Abbruch der<br />

Kommunikation, in hilflosem oder eisigem Schweigen kommen sie zur Sprache<br />

und können dann von einer „denkenden Wahrnehmung“ beobachtet werden,<br />

das sich eingeübt hat in die Praxis der Dekonstruktion von Sprache.<br />

Fortschritts-Gläubigkeit oder Zweifel am Sinn einer eindimensionalen, linear<br />

gedachten Fortschrittsidee, darüber lässt sich nicht streiten, weil komplette<br />

Lebensentwürfe damit verbunden sind. „Was heißt Fortschritt“ war daher auch<br />

eine der ersten Botschaften, die in Frage-Form an der Außenwand UNSERES<br />

PAVILLONS angebracht wurde. Schnelle Antworten bringen hier nicht weiter.<br />

Grundüberzeugungen lassen sich eben nicht im Gespräch auf der Straße ändern,<br />

aus dem einfachen Grund, weil sich nicht nur die Oberfläche rationaler<br />

Gedanken, Vorstellungen und Meinungen ändern müsste, sondern weil sich ein<br />

ganzes Leben ändern müsste, ein konkreter Mensch sich ändern müsste. Und<br />

- darauf hat auch der Philosoph Peter Sloterdijk in seinem gleichnamigen Buch<br />

vor kurzem hingewiesen - dazu müsste schon die Kraft eines „archaischen Torso<br />

des Apollos“ ins Spiel kommen, bevor wir die Formulierung wagen dürften: „Du<br />

musst Dein Leben ändern“ (Rilke). Sprich: Die Kunst, verstanden in einem als<br />

Lebenspraxis erweiterten Sinn, müsste hier befragt werden. Es ist nämlich keine<br />

Frage, die mit wissenschaftlicher Objektivität, quasi von außen beantwortet<br />

werden kann, welches das „richtige“ und welches das „falsche“ Leben ist, auch<br />

nicht, ob es ein richtiges Leben im falschen“ geben kann, nein, es ist eine Frage,<br />

die sich nur auf der Ebene der Existenz beantworten lässt, nämlich im Sinne<br />

einer Verantwortung des subjektiven Lebensentwurfes und das heißt im Sinne<br />

einer lebensweltlichen Praxis die sich als souverän und veränderbar versteht.<br />

Und das ist eine ganz andere Dimension, mit der dann die Frage nach der Kunst<br />

und Philosophie mit ins Spiel kommt, die Frage nach der Subjektivität und ihrem<br />

Verhältnis zum Ganzen und es ist auch die Frage nach dem Verhältnis von Autonomie<br />

und Souveränität des Individuums im gesellschaftlichen Kontext.<br />

Wir reden hier also nicht nur von der vordergründigen Pseudo-Rationalität, die<br />

dem Immobilienprojekt zugrunde liegt und die im Grunde nichts weiter ist als<br />

die Lebens-zerstörerische Logik des Kapitals, das derartige Projekte notwendigerweise<br />

hervorbringen muss um selbst zu überleben. Wir reden hier auch nicht<br />

von der liebenswürdigen, romantischen, baumverliebten Irrationalität mancher<br />

Projekt-Gegner und Gegnerinnen. Wir reden von dem konstitutiven Widerspruch<br />

jeglicher Vernunft, die ihr „Anderes“ aus prinzipiellen Gründen ausblenden muss.<br />

Wir reden von einer grundlegenden Problematik moderner eindimensionaler Rationalität<br />

und deren immanenter Widersprüche. Nicht umsonst haben die neoliberalen<br />

Vordenker den Begriff der „Modernität“ als ihren Leitbegriff auserkoren- und<br />

die Gespräche auf der Straße geben ihrem perfiden Kalkül recht: der gemeine<br />

Projekt-Befürworter glaubte im Namen der Moderne, der Vernunft und des Fortschritts<br />

zu handeln, wenn er dem Finanzierungs-Ausstiegsgesetz im sogenannten<br />

„Volksentscheid“ sein energisches „NEIN“ entgegensetzt.<br />

Die Frage aber, wie Rationalität mit ihrem „Anderen“ umgeht, mit dem, was außerhalb<br />

ihres “positiven Daseins“ existiert, kann sich konkret in der Frage nach<br />

Sinn und Folgen „ästhetischen Denkens“, oder besser: „ästhetischer Praxis im<br />

Kontext der Lebenswelt“ , wiederfinden.<br />

Anzuknüpfen wäre hier zum Beispiel an dem schwierigen Begriff der „ästhetischen<br />

Negativität“ wie sie schon zu Zeiten der Frankfurter Schule von<br />

Th.W.Adorno formuliert wurde und –nach einem erfrischenden Durchgang durch<br />

die postmoderne Kritik nun in einem Rekurs auf die „Souveränität der Kunst“ in<br />

gewandelter Form von verschiedenen Seiten nun reformuliert wird.<br />

Dabei geht es eben nicht um eine falsch verstandene Überwindung der Rationalität,<br />

es geht nicht um falsche Favorisierung von Irrationalität, sondern um eine umfassendere<br />

Sichtweise bzgl. einer Einbettung der Rationalität in einen größeren<br />

Kontext, der eben aus dem Bezug zwischen Vernunft und deren Überschreitung,<br />

beispielsweise in der Denkfigur der „ästhetischen Negativität“ besteht.<br />

In dieser Denkfigur liegt die Wurzel der Tendenz der Kunst, sich als einen Raum<br />

spezifischer Wirklichkeitserkenntnis zu verstehen, dem Raum der Fiktionalität,<br />

in dem nichts zu Ende gedacht werden kann, weil es kein Ende gibt, ein Raum<br />

in dem es keine Antworten gibt, weil es keine Fragen gibt und der der Raum ist,<br />

in dem sich die Kunst als „ autonom“ entwirft, um von dort aus eine souveräne<br />

Erweiterung ihrer Geltungspartikularität zu entwerfen.<br />

Einen konkreten, anschaulichen Ausdruck findet die „moderne“ Kunstauffassung<br />

der „Autonomie der Kunst“ in der Skulptur „Schichtung 107. (Stuttgarter<br />

Tor)“ von Thomas Lenk am Aufstellungsort UNSERES PAVILLONS. Der Aufstellungsort<br />

wurde von der Künstlergruppe SOUP aus konzeptionellen Gründen sehr<br />

exakt gewählt, die möglichen diskursiven Reflexionen, die mit dieser Ortswahl<br />

möglich werden, sind bewusst intendiert.<br />

Wenn diese moderne Skulptur dort sehr real steht, so ist sie doch, im Vergleich<br />

mit dem Asphalt auf dem Boden unter ihr oder (aktuell im Frühjahr 2012) dem


Bauzaun hinter ihr nicht nur etwas Reales, sie ist in erster Linie etwas Fiktionales,<br />

etwas, das sich vernünftig allein nicht auflösen lässt in spezifischen<br />

Bestimmungen, auch wenn das manchen Zeitgenossen nicht klar ist, die in ihr<br />

lediglich eine Pinnwand für Plakate sehen. Daher war eine der ersten Aktionen<br />

der PAVILLONISTEN die “REINIGUNG DER LENK-SKULPTUR“, eine quasi rituelle<br />

Aktion um der Skulptur die „Aura der Autonomie“ zurück zu geben. Man könnte<br />

dies als eine affirmative Haltung sehen, die die Kunst lediglich behüten will vor<br />

außerkünstlerischen Vereinnahmungen. Wichtig ist jedoch, dass bei dieser<br />

Aktion die Beklebungen –auch im Sinne außerkünstlerischer Vereinnahmungs-<br />

Strategien- gesammelt wurden um anschließend in UNSEREM PAVLLON wieder<br />

gezeigt zu werden als Collagen von Maria Sacciatelli. Mit dieser Umstülpungs-<br />

Geste wird ein gedanklicher Raum eröffnet, der die Autonomie der Kunst und<br />

ihre Fiktionalität in einen paradoxen Zusammenhang bringt mit der außerkünstlerischen<br />

Realität und damit die Denkfigur der „Souveränität der Kunst“<br />

ins Spiel bringt. Damit ist aber eine doppelte Denkfigur intendiert: Fiktionalität<br />

und Realität gehen eine wechselseitige Beziehung ein, nachdem die als „real“<br />

missverstanden Skulptur gereinigt wurde, bekommt die reale Plakatierung als<br />

Ausstellungsexponat fiktionalen, d.h. ästhetischen Charakter.<br />

Das kommt zwar unspektakulär daher, tatsächlich war diese kleine Aktion<br />

jedoch komplex codiert und birgt diskursiven Sprengstoff: Die Entscheidung,<br />

wer wann und warum etwas entweder im Sinne ästhetischer Uneinholbarkeit<br />

rezipiert oder aber rationaler Identifikation unterwirft, liegt plötzlich einzig und<br />

allein beim Betrachter, sie ist nicht Eigenschaft des Objektes, sondern Fähigkeit<br />

des Rezipienten! Realität und Fiktionalität bekommen damit eine Dimension der<br />

Austauschbarkeit. Die Aktion hatte also einen diskursiven Charakter, an dem die<br />

Strategie der PAVILLONISTEN exemplarisch decodiert werden könnte.<br />

Behauptet die Skulptur „Stuttgarter Tor“ noch den Raum der Kunst als einen<br />

Raum der Autonomie, in dem die Denkfigur „ästhetische Negativität“ seine<br />

Gültigkeit neben den rationalen Diskursen hat und in der –und zwar nur in<br />

der- das „ästhetische Denken“, quasi als Gegensatz zu den Erfordernissen der<br />

Lebenswelt- vernunftüberschreitend gedacht werden kann, so formuliert das<br />

Bild des angedockten PAVILLON-Containers eine weiterführende Denkfigur: Der<br />

Raum der Kunst als der Ort der SOUVERÄNITÄT ästhetischer Praxis. Diese ist nun<br />

aber nicht mehr-, wie die Denkfigur der modernen Autonomie, als Gegensatz zur<br />

Vernunft konstruiert, sondern als deren Überschreitung im Sinne eines reflexiven<br />

Bezuges, sie macht Ernst mit dem Paradoxon, das Adorno noch sehr vage<br />

formulierte: „Es ist gerade der autonome Schein der Kunst, der ihre souveräne<br />

Wahrheit ausmacht“.<br />

Die Aufstellung UNSERES PAVILLONS quasi als „Erweiterung der Lenk-Skulptur“<br />

liefert das passende Bild dazu: Die autonome Skulptur „Stuttgarter Tor“ als<br />

Eingangsportal zu seiner souveränen Erweiterung im benutzbaren Innenraum UN-<br />

SERES PAVILLONS. Diesem neuen Raum der SOUVERÄNITÄT wurde konsequenterweise<br />

im ersten Stadium seiner Nutzung keine eindeutige Funktion zugeordnet,<br />

sondern ein „Bild“. Seine räumlichen Eigenschaften als eine leere, dunkle Kiste<br />

wurden im Sinne einer Korrespondenz von Inhalt und Form künstlerisch thematisiert,<br />

indem er zur „Camera obscura“ erklärt wurde. Ein winziges Loch an einer<br />

Stirnseite des PAVILLONS genügte, um diese Funktion tatsächlich zu ermöglichen:<br />

Im Inneren der begehbaren Kiste erschien auf einem transparenten Schirm das<br />

Bild des umkämpften Kopfbahnhofes, der Logik optischer Gesetze folgend auf<br />

dem Kopf stehend. Oben wurde Unten, Unten wurde Oben. Der Slogan der Stuttgarter<br />

Kopfbahnhof-Verteidiger „Oben bleiben“ bekam damit eine überraschende<br />

Bildhaftigkeit und UNSER PAVILLON eine interessante Vieldeutigkeit: als „Camera<br />

obscura“ war er selbst ein Bild für seine Observations-Funktion und er lieferte<br />

zugleich ein Bild seines Beobachtungsgegenstandes, dem Bahnhof. Dieses Bild<br />

wurde dann auch tatsächlich auf Photopapier ausbelichtet und wurde mit einer irritierenden<br />

Verkehrt-Beschriftung mit den Begriffen „unten“ und „ oben“ zu einem<br />

ersten „artefakt“ der pavillonistisch-kollektivistischen Kunstproduktion. Reale<br />

Funktionalität und fiktionale Bildhaftigkeit gingen durch diesen Kunstgriff nahtlos<br />

ineinander über.<br />

Diese Idee war darüber hinaus die Blaupause zu einem Coup, mit dem die<br />

subversive Aufstellung im polizeilich schwer bewachten Mittleren Schlossgarten<br />

überhaupt erst möglich wurde. Im Vorfeld der Aktion beantragte SOUP beim Ordnungsamt<br />

eine „Genehmigung zur temporären Aufstellung einer Camera obscura<br />

zum Zwecke einer Langzeitbelichtung des Stuttgarter Bahnhofes“. Verschwiegen<br />

wurde dabei die tatsächliche räumliche Dimension der „Camera Obscura“. Diese<br />

Strategie ging auf, als bei der Aufstellung des PAVILLONS Sonntag Nacht die<br />

Polizei erschien, konnte das Schreiben bewirken, dass eine Klärung des Sachverhaltes<br />

mit dem Ordnungsamt erst am Montag möglich war und UNSER PAVILLON<br />

bis dahin fertig aufgebaut und als Camera Obscura funktionierte. Der durch diese<br />

erste künstlerische Intervention reklamierbare Status als Kunstobjekt schützte<br />

im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung mit den Behörden vor einer Vollstreckung<br />

der angedrohten Räumung. Die Verortung politisch konnotierten Inhalte in<br />

einem Kunstprojekt war also maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Projekt<br />

„UNSER PAVILLON“ beinahe ein Jahr lang trotz seines “ illegalen“ Charakters im<br />

Schlossgarten realisiert werden konnte.<br />

In einer einfachen Logik kann die Formulierung von Adorno nur als Gegensetzung<br />

autonomer und souveräner Geltungsansprüche aufgefasst werden, eine Gleichzeitigkeit<br />

widersprüchlicher Phänomene sind unserem, an einer zweiwertigen<br />

Logik geschultem europäischen Denken, schwer fassbar. Aber gerade darum geht<br />

es bei dieser „praktischen Vernunftkritik“ im Namen der Kunst. Gerade wenn


die Vernunftkritik SOUVERÄN vollzogen wird, zeitigt dies lebensweltliche Folgen:<br />

unsere funktionierenden Diskurse offenbaren als ihre innerste Substanz<br />

ihre immanente, prinzipiell unauflösbare Aporie. Der Kunsttheoretiker Christof<br />

Menke formuliert diesen Sachverhalt in seiner Schrift „Souveränität der Kunst“<br />

im Rekurs auf den Widerspruch zwischen Habermas` „kommunikativer Vernunftauffassung“<br />

, Adornos „ästhetischer Negativität“ und Derridas falscher Alternative<br />

eines „aufgeblähten Geltungsanspruchs ästhetischen Denkens“ sinngemäß<br />

folgendermaßen: „ Während Derridas falsche Ausarbeitung der richtigen<br />

Intuition, die ästhetische Negativitätserfahrung auch außerästhetisch geltend<br />

zu machen(…) eine Form umgekehrter Romantik (ist), die die Selbstauslegung<br />

der nichtästhetischen Diskurse und Praktiken überbietet (…) entkommt Adornos<br />

Auslegung des ästhetischen Souveränitätspostulates dem romantischen<br />

Muster“ Der Gewinn bei Adornos Formulierung liegt nach Menke dann „ in der<br />

ungemilderten Spannung, in der die ästhetische Erfahrung dann zu den anderen<br />

in ihrer Eigengesetzlichkeit freigegebenen Dimensionen der Vernunft steht<br />

Klingt alles sehr kompliziert, trifft das Problem aber im Kern. Etwas vereinfachend<br />

ausgedrückt: Eine ästhetische Erfahrung in einem „Schutzraum“, der ihre<br />

Gültigkeit auf diesen beschränkt und damit keine Folgen hat für den übergreifenden<br />

Raum der Kultur, ist unterkomplex bestimmt. Die dialektischen Alternativen<br />

„Kunst = Leben“ und „Kunst ist Kunst, alles andere ist alles andere“ sind diskursive<br />

Sackgassen, auch - oder gerade weil- sie unserer Alltagslogik in ihrer Eindeutigkeit<br />

sofort einleuchten. Die Sache ist aber komplexer und möglicherweise<br />

prinzipiell uneindeutig.<br />

So hat beispielsweise der Soziologe Niklas Luhmann das Verhältnis der Kunst<br />

zu den anderen Sphären der Kultur in einer systemtheoretischen Beschreibung<br />

differenziert, indem er den Eigenwert der Kunst im Sinne einer „notwendigen<br />

Irritation“ aller anderen Diskurse betonte und damit auf eine besondere Weise<br />

ihre Souveränität beschrieben. Die zeitgenössische Kunstpraxis wird bei<br />

Luhmann daher nicht auf eine eindimensionale Weise als „übertragbar“ auf<br />

andere lebensweltliche, insbesondere gesellschaftliche Praktiken beschrieben,<br />

sondern quasi als „Modell“ mit einer immanenten Logik, die zunächst primär<br />

beobachtbar ist und die dann in einem zweiten Schritt sekundär lebensweltliche<br />

Folgen hat. Indem Kunst nach Luhmann gleichzeitig eine eigene, selbstreferentielle<br />

und autonome Realität bildet und zugleich Teil eines umfassenderen<br />

Kontextes ist, entsteht eine interessante Denkfigur: „Die fiktionale Realität<br />

wird zum Bereich der Reflexion anderer (unvertrauter, überraschender, nur<br />

artifiziell zu gewinnender) Ordnungsmöglichkeiten (1) „ Das heißt: Indem Kunst<br />

an konkreten Objekten diese Erfahrung ermöglicht, erschließt sie uns darüber<br />

hinaus die Möglichkeit, dieses Erfahrung selbst zu beobachten. In dieser Beobachtungsmöglichkeit<br />

zweiter Ordnung aber liegt nach Luhmann der eigentliche<br />

Explikationsgewinn der Kunst, ihre Autonomie wird dadurch zu einer doppelten:<br />

einer Immanenten und einer, die über sie hinausweist. „Die Autonomie der Kunst -<br />

Weltautonomie und Gesellschaftsautonomie - verdankt sich dieser Doppelung von<br />

Beobachtung erster und zweiter Ordnung. Sie besteht im Praktizieren dieser Differenz<br />

und in der Möglichkeit, aus der einen in die andere Position zu schlüpfen“<br />

(2) Was an der Kunstpraxis also den Aspekt der Souveränität ausmacht, ist damit<br />

mitnichten die Realisierung eines inflationären Gestaltungsanspruches, (beispielsweise<br />

im Sinne eines romantisch definierten „Gesamtkunstwerkes“), sondern eine<br />

spezifische Möglichkeit des menschlichen Denkens, ein aisthetisches Denken,<br />

das produktiv und zugleich reflexiv ist.“<br />

Auf diesen komplexen Sachverhalt hat schon zur Zeit der ersten Kritikwelle<br />

postmodernen Denkens der Kunsttheoretiker Michael Lingner in einem Diskussions-Beitrag<br />

unter dem Titel „Paradoxien der Kunst“ hingewiesen. Er verwendet<br />

anstelle des Begriffs der Souveränität der Kunst die schon bei Immanuel Kant auftauchende<br />

Denkfigur der „Heautonomie“ und löst das Problem der heteronomen<br />

Überfrachtung des Geltungsanspruches autonomer künstlerischer Praxis mit einer<br />

paradoxen Denkfigur.<br />

In Lingners Argumentation ist die Entwicklung der Kunst an einen Punkt gekommen,<br />

an dem sie nun „eines externen Zweckes bedarf - nicht um sich zu retten,<br />

sondern um ihre internen Bedingungen derart fortzuentwickeln, dass die Weiterexistenz<br />

ästhetischer Erfahrung gesichert ist.“ (7) Das wesentliche an dieser<br />

Argumentation ist, nicht die gewonnene Autonomie dabei aufzugeben, und damit<br />

einem Rückfall in vormoderne Bedingungen zu erliegen, vielmehr müssen sich die<br />

künstlerischen Praktiken daran messen lassen, ob es ihnen gelingt „selbstgesetzte<br />

Setzungen“, d.h. bewusste Setzungen von Entscheidungen und Positionen zu<br />

vollziehen, um gerade darin die Selbstbestimmung der Kunst zu realisieren. Die<br />

Paradoxie liegt dabei in der Setzung von selbstgesetzten, externen Zwecken innerhalb<br />

eines Diskurses, der zunächst Zweckfreiheit als Ausgangspunkt hat. Nicht<br />

einfach, aber eine reizvolle Aufgabe nach wie vor für die zeitrelevante künstlerische<br />

Praxis!<br />

Eine andere Variante dieser paradoxen Denkfigur finden wir auch bei einem anderen<br />

frühen Schlüsseltext der postmodernen Kritik, bei Wolfgang Welsch der seine<br />

Beobachtungen zu einer neuem Wertigkeit des Denkens aus der Kunst heraus in<br />

einem Beitrag unter dem programmatischen Titel „Ästhetisches Denken“ zusammengefasst<br />

hat. Darin versucht er, die veränderte Geltungsrelevanz ästhetischer<br />

Erfahrung an der sich immer klarer abzeichnenden Prämisse der Pluralität herauszuarbeiten.<br />

Indem er den traditionellen, auf das „Schöne“ im Gegensatz zum<br />

„Erhabenen“ beschränkten Ästhetik-Begriff verschiebt in Richtung einer wahrnehmungsorientierten<br />

„Aisthesis“ (die zugleich die Anästhetik des Unwahrnehmbaren,<br />

Ausgeschlossenen umfasst), erarbeitet er einen erweiterten Geltungsraum


für ästhetisches Denken, „das wegen seiner Begreifenskapazität und Wirklichkeitskompetenz<br />

an der Zeit ist“ (8). Zwar überschreitet er damit strenggenommen<br />

schon den eigentlichen Gültigkeitsbereich der Kunst, aber er tut dies mit<br />

einer ähnlichen Intention wie Adorno, Menke, Luhmann oder Lingner. „Die Kunst<br />

ist nicht der Ziel,- sondern ein Modellbereich der Reflexion. Dazu wird sie, weil sie<br />

Wahrnehmungspotentiale bereitstellt und besondere Wahrnehmungsfähigkeit<br />

verlangt sowie freisetzt.“ (9) Er konkretisiert diese Wahrnehmungsleistungen mit<br />

Begriffen wie Innewerden, Gewahrwerden, Merken oder Spüren, Peter Sloterdijk<br />

mahnt später in ähnlicher Intention den „Einbau von Aufmerksamkeit in Lebensformen“<br />

(10) an.<br />

Vor allem einer Erscheinungsweise der aktuellen Lebenswelt wird dabei von<br />

Welsch besondere Bedeutung beigemessen: der Pluralität. In Absetzung zu der<br />

Einheitsoption des modernen Denkens, sieht er das postmoderne Ideal der Differenz<br />

sich vor allem in einer faktischen Pluralität der Lebensstile ausformen. Um<br />

diesen Zustand jedoch nicht in die Beliebigkeit des „anything goes“ abdriften zu<br />

lassen, andererseits nicht im individualistischen Dissens unterzugehen, braucht<br />

es die Fähigkeit, das Differente miteinander in lebendigen Bezug zu bringen,<br />

ohne zu nivellieren. Diese Fähigkeit traut er einem an der Kunst geschulten<br />

aisthetischen Denken zu. „Wer durch die Schule der Kunst gegangen ist, und in<br />

seinem Denken der Wahrnehmung Raum gibt, der weiß nicht nur abstrakt um<br />

die Spezifität und Begrenztheit aller Konzepte - auch seines eigenen -, sondern<br />

rechnet mit ihr und handelt danach.(11)“<br />

Damit leistet die Kunst zweierlei: Zum einen macht sie sensibel für die Differenz<br />

und Inkommensurabilität von Lebensformen in der multikulturellen, mediendominierten<br />

Informationsgesellschaft, zum anderen entwickelt sie „Wahrnehmungsfähigkeit<br />

für notwendige Verknüpfungen des Differenten und für Übergänge inmitten<br />

der Heterogenität“ (13)<br />

Was Welsch hier unter dem Stichwort „aisthetisches Denken“ beschreibt, liegt<br />

m.E. sehr dicht bei dem, was weiter oben mit dem paradoxen Denken angedeutet<br />

wurde. Widersprüche auszuhalten und sie in einer „Sowohl als -auch-Gültigkeit“<br />

stehen zu lassen, widerstrebt unserer abendländischen Vernunft. Insofern<br />

ist das aisthetische Denken ein Affront gegenüber den rationalistischen Wahrheitsansprüchen<br />

der vorherrschenden zweiwertigen Logik. Aisthetisches Denken<br />

ist Künstlern durchaus geläufig, Kreativität kann ohne Mehrfachkodierung und<br />

Unschärfe gar nicht entstehen. Das für uns wesentliche an den Überlegungen<br />

von kunstimmanent argumentierenden Theoretikern wie Adorno, Welsch, Menke,<br />

Luhmann oder auch Lingner ist die Sichtweise, dass in Zukunft ein derartiges<br />

Denken an vielen Orten, von vielen Menschen notwendig gefordert ist.<br />

Genau das hat das Projekt „UNSER PAVLLON“ aber bei seiner Aufstellung im Mitt-<br />

leren Schlossgarten im Rahmen des Widerstandes gegen S21 geleistet: Er war<br />

zum richtigen Zeitpunkt „am falschen Ort“, „falsch“ weil die kunstimmanenten<br />

„fiktionalen“ Praktiken im Feld realer politischer Auseinandersetzungen verortet<br />

wurden und damit das Gegenteil bewirkten, was mit dem Bauzaun geschah:<br />

statt Ästhetisierung des Protestes durch Musealisierung seiner Ausdrucksformen<br />

bewirkte UNSER PAVILLON eine Irritation der Protestformen durch Implantation<br />

ästhetischer Strategien.<br />

Wenn wir unter dem fiktionalen Irritations-Potential der Kunst die auf Souveränitätsgewinn<br />

angelegte Dimension der Kunst verstehen, dann wird klar, was in den<br />

bisherigen Ausführungen theoretisch abgeleitet und mit dem Projekt „UNSER<br />

PAVILLON“ praktisch exploriert wurde: Die Kunstpraxis von ihrer institutionellen<br />

Gebundenheit zumindest partiell zu befreien und mit künstlerischen Praktiken<br />

experimentell an Orten zu agieren, die deren Diskursen zunächst fremd sind. In<br />

der Nicht-Identifikation ästhetischer Praktiken entfalten diese dann ihre eigentliche,<br />

subversive Kraft, sie werden virulent im eigentlichen Wortsinn: sie verbreiten<br />

sich wie Viren außerhalb des Labors.<br />

Dass diese Strategie tatsächlich funktionierte, lies sich an der Spannung ablesen,<br />

die das „ästhetische Argumentieren“ des PAVILLONS immer wieder bei Befürwortern<br />

und Gegnern des Projektes gleichermaßen erzeugte. Seit seiner Aufstellung<br />

hat die formale Gestalt des <strong>Pavillon</strong>s in seiner „nicht-romantischen“ Strenge<br />

sowohl vielen „Parkschützern“ zu schaffen gemacht, als auch „Projekt-Befürworten“,<br />

die das Erscheinungsbild UNSERES PAVILLONS in ihre Denkkategorien nicht<br />

so einfach einordnen konnten. Offensichtlich argumentierte UNSER PAVILLON<br />

„modern“, was nicht so recht in die beiderseitigen Weltbilder passte. Damit wurde<br />

auch ein Anspruch ästhetisch formuliert, der die vorherrschende romantische<br />

Intention der „Widerstands-Folklore“ im Park und am Bauzaun zumindest auf den<br />

ersten Blick konterkarierte. In den vielen Verwandlungen seiner äußeren Gestalt<br />

im Laufe des Jahres hat sich diese „Provokation“ mehrmals wiederholt. Inwiefern<br />

diese Provokation im positiven Sinn als etwas „hervorrufendes“ wirksam wurde,<br />

kann nur im Einzelfall beantwortet werden, die grundsätzliche Position vieler Parkschützer<br />

blieb sicherlich der Vorstellung verhaftet „Recht zu haben“ und dieses<br />

Recht durchsetzen zu müssen- um damit dieselbe Haltung wie die Projekt-Befürworter<br />

einzunehmen. Die Dialektik von Befürwortern und Gegnern des Projektes<br />

hat sich auf allen Ebenen in einen unauflösbaren Antagonismus verstrickt, der<br />

bisher auf die schlichteste aller Arten gelöst wurde: Totaler Sieg über den Gegner.<br />

Derzeit versucht man sich dann in logischer Folge mit der Auslöschung jeder<br />

Erinnerung an die Besiegten, um sich der Angst vor den Folgen dieses Handelns<br />

nicht stellen zu müssen.. Ein Ausweg aus diesem Dilemma, nämlich den Weg des<br />

herrschaftsfreien Diskurses zu gehen und ernsthaft Ansätze zu einer kommunikativen<br />

Vernunft zu entwickeln, wurde in Stuttgart vertan.


Die Frage nach der Bedeutung von Fortschritt, die als Schriftzug an der Außenwand<br />

UNSERES PAVILLONS angebracht war, hätte ebenso wie sein „modernes“<br />

Erscheinungsbild genug Anlass gebe können, nicht Meinungen gegeneinander<br />

zu stellen, sondern Formen zu finden, wie gemeinsam die Frage beantwortet<br />

werden kann, welchen Fortschritt wir gemeinsam wollen. Und dabei hätten<br />

sich Formen des Dialoges entwickeln können, die weitab jeder perfiden Volksentscheids-Funktionalisierung<br />

tatsächlich zu einem befriedenden Konsens mit<br />

einem tragbaren Ergebnis für ALLE hätte führen können. Was bleibt, ist eine<br />

versäumte Gelegenheit mehr.<br />

Ebenso vertan wurde die Chance, zeitgenössische ästhetische Praktiken zumindest<br />

für eine „Kritik der Bilder“ zu nutzen. Die ästhetische Argumentation<br />

der S21-Befürworter kaprizierte sich nämlich auf eine unsäglich dümmliche,<br />

modernistische Hochglanz-Ästhetik, die mit ihren realitätsfernen 3D-Animationen<br />

dennoch- oder gerade deshalb- ihr Publikum, d.h. vor allem sogenannte<br />

Entscheidungsträger, erreichte. Eine „Kritik der Bilder“, die hier weiter geholfen<br />

hätte, wurde leider kaum geleistet. Die Differenz der Computergenerierten<br />

Scheinwelten mit der tatsächlichen Realität hätte im Fall Stuttgart sehr drastisch<br />

und pädagogisch wertvoll demonstriert werden können an den Teilen des Gesamt-Projektes,<br />

die schon realisiert sind, insbesondere am Beispiel der neuen<br />

Bibliothek, auch dies ein unentschuldbares Versäumnis des Stuttgarter Feuilletons..<br />

Das kollektive Bedürfnis nach Eindeutigkeit und Wahrheit hat sich in den<br />

Diskussionen um Fakten und Interessen in Zusammenhang mit dem Immobilienprojekt<br />

S21 als permanente Falle erwiesen, zu jedem Argument gab es ein<br />

Gegenargument, zu jedem Gutachten ein Gegengutachten, zu jedem JA ein<br />

NEIN und was dabei auf der Strecke blieb war die schlichteste aller Wahrheiten:<br />

Wahrheit kann nicht erkannt werden, sie wird produziert. Das ist der Erkenntnisgewinn<br />

einer an ästhetischer Praxis geschultem Denken gegenüber einem<br />

Denken, das wissenschaftliche Rationalität als Grundlage lebensweltlicher<br />

Praxis falsch verortet hat. Gesellschaftliche Wahrheiten sind eben nicht absolut<br />

und gegeben, sie werden produziert, und zwar permanent, sie sind daher ihrem<br />

Wesen nach also eine Form ästhetisch-kultureller Praxis. Nicht was funktioniert<br />

oder nicht funktioniert, was machbar oder nicht machbar ist, ist der Maßstab<br />

für den moralischen Wert von Handlungen und Entscheidungen, sondern das<br />

was beabsichtigt und gewollt wird. Noch genauer: Was verantwortet wird. Auch<br />

die Qualität eines Kunstwerkes ergibt sich zwar zu einem Teil daraus, wie die<br />

system-immanente (phänomenologische) Produktionslogik durchgehalten wird,<br />

sie ermisst sich aber vor allem aus der Intention des Werkes, d.h. aus seiner<br />

Bedeutung. Der Mehrwert an Erkenntnis, die Bedeutungs-Produktion ist das<br />

eigentlich Wesentliche aller kulturellen Produktion. Das aber betrifft nicht nur<br />

den Selbst-Entwurf unseres individuellen Daseins, sondern auch und vor allem<br />

unseres gesellschaftlichen Seins. Und wie heute jedes Individuum seine Biografie<br />

als ein Produkt SOUVERÄNER Gestaltungsintentionen reklamiert, so kann Gesellschaft<br />

in Zukunft auch nur noch als Ergebnis kollektiver, basisdemokratischer<br />

Entscheidungen gedacht werde, die in einen kollektiven Gestaltungs-Impuls<br />

münden. Gesellschaftliche Entwicklung wird immer noch viel zu verkürzt gedacht<br />

als historischer Automatismus, der kausaler Determiniertheit unterliegt, sei es als<br />

Klassenkampf oder als Herrschaftsambitionen privilegierter Eliten. Oberflächlich<br />

betrachtet mag dies in weiten Teilen zutreffen, was dabei aber zu kurz kommt ist<br />

die Berücksichtigung systemischer Dynamiken, die sich aus minimalistischen Effekten<br />

speisen. Jedes System ist in sich asymmetrisch und trägt den Grundwiderspruch<br />

in sich, der letztendlich -meist plötzlich und überraschend- zu seinem Zusammenbruch<br />

führt: „Systems bomb themselves“. Das 20. Jahrhundert hat dies<br />

auf drastische Weise mehrmals vorgeführt. Und so unvorhersehbar die Dynamik<br />

des Zusammenbruchs erfolgt, so unvorhersehbar ist die Dynamik der Produktion<br />

neuer gesellschaftlicher Horizonte. Das kann uns Hoffnung geben in scheinbar<br />

festgefahrenen Verhältnissen, das kann uns aber auch beunruhigen während des<br />

Verlaufs der Katastrophe. Wie entsteht eine neue Ordnung und vor allem: hat sie<br />

eine menschenwürdigere Qualität als die zusammenbrechende Struktur? Und genau<br />

hier kann ein Denken hilfreich sein, das sich geschult hat an ästhetischer Praxis.<br />

Zielfreie Geistesgegenwärtigkeit und permanente Kongruenz von Mittel und<br />

Zweck sind die Fähigkeiten, die gebraucht werden, um in chaotischen Umbruchsituationen<br />

Gestalt zu erzeugen, die Sinn macht. Oder wie es Wolfgang Welsch -wie<br />

oben zitiert- formulierte: „Kunst erzeugt Wahrnehmungsfähigkeit für notwendige<br />

Verknüpfungen des Differenten und für Übergänge inmitten der Heterogenität“.<br />

Das Spannende an einer derartigen Haltung gegenüber „Realität“ ist, dass Realität<br />

damit in seinem permanenten Produktions-Status erfasst wird, Antagonismen<br />

werden nicht als etwas zu beseitigendes aufgefasst, sondern als das Agens, aus<br />

dem gesellschaftliche Dynamik überhaupt erst entstehen kann. Widersprüche<br />

sind nicht dazu da aufgelöst zu werden, sondern um die Permanenz der Dynamik<br />

aufrecht zu erhalten. Damit werden gesellschaftliche Realitäten in einem gewissen<br />

Sinn „verflüssigt“, d.h. alle gesellschaftlichen Strukturen legitimieren sich<br />

aus ihrer aktuellen Funktion und lösen sich mit dieser wieder auf. Unter diesen<br />

Prämissen muss natürlich auch Demokratie neu gedacht werden, die „Herrschaft<br />

der Mehrheit über die Minderheit“, wie sie beispielsweise auch im aktuell praktizierten<br />

Volksentscheid in Baden-Württemberg falsch interpretiert wurde, ist nicht<br />

der Weisheit letzter Schluss, vielmehr müsste eine derartig verflüssigte Auffassung<br />

von Demokratie sich viel mehr um das Recht von Minderheiten kümmern<br />

und Formen der gesellschaftlichen Differenzierung entwickeln, die diesen gerecht


werden. Gesellschaft würde sich unter dieser Perspektive viel mehr als permanent<br />

„Werdende“ begreifen, der Mentalitätswandel hinsichtlich der Selbstdefinition<br />

von Menschen als „kreative und selbstbestimmte Wesen“ , der sich seit Mitte<br />

des 20. Jahrhunderts immer mehr abzeichnet, zeitigt hier Folgen.<br />

Mit diesen kurz angedeuteten Entwicklungs-Perspektiven wird aber auch nochmal<br />

deutlich, worum es eigentlich geht, wenn ein Projekt wie „UNSER PAVILLON“<br />

den Spagat zwischen Fiktionalität und Realität riskiert. Es geht um Grenzüberschreitung,<br />

die im Sinne einer „Infiltration“ Langzeitwirkungen entfaltet. Die<br />

Frage nach konkreten, sofort sichtbaren Effekten geht daher am Wesentlichen<br />

vorbei. Der konkrete Effekt kann allenfalls als „Irritation“ wahrgenommen<br />

werden, was diese langfristig bewirkt ist prinzipiell nicht absehbar und daher<br />

auch nicht planbar. Dass die Irritation nachhaltig erfolgte, kann einerseits an<br />

den Konflikten abgelesen werden, die permanent zwischen KünstlerInnenn und<br />

AktivistInnen ausgetragen wurden, und zwar vornehmlich produktiv. Konkrete<br />

Widersprüche wurden nicht zu Gunsten der einen oder anderen Sichtweise<br />

gelöst, sie führten häufig zu neuen, überraschenden Lösungen. So wurde z.B.<br />

die Frage nach vorübergehender Stilllegung des PAVLLONS wegen personeller<br />

Erschöpfung nicht für oder gegen Stilllegung entschieden, sondern diese wurde<br />

umfunktioniert in eine vorübergehende „Verpuppung“ des PAVILLONS-also eine<br />

Gleichzeitigkeit von Weiterbetrieb und Ruhepause, oder um ein weiteres Beispiel<br />

zu nennen: die Frage nach vorzeitigem freiwilligem Abzug vor der Zwangs-Räumung<br />

versus „Durchhalten bis zur letzten Patrone“ fand ihre Auflösung in der<br />

Strategie „Übergabe des PAVILLONS an die Demo-Sanitäter zum Betrieb eines<br />

Feldlazarettes während der Räumung“. Dies sind Beispiele an denen deutlich<br />

wird, dass Antagonismen weder in eindeutigen Entscheidungen, noch in faulen<br />

Kompromissen gelöst werden müssen, sondern auch als Energieschub für<br />

„übersteigende Lösungen“ genutzt werden können.<br />

UNSER PAVILLON hat in dem kurzen Jahr seiner Existenz durch seine äußere,<br />

immer wieder modifizierte Erscheinungsweise vieldeutige „Bilder“ produziert,<br />

die zentrale „Botschaft“ des Projektes „UNSER PAVILLON“ war aber schon VOR<br />

allen Bildern, gegeben - und zwar durch seine bloße Existenz. Das zentrale Anliegen<br />

wurde schon in dem Moment zum Bild, als der PAVILLON über Nacht illegal<br />

im Stuttgarter Schlossgarten auftauchte.<br />

Es gab im Vorfeld unter den beteiligten AktivistInnen und KünstlerInnen zahlreiche<br />

Diskussionen und Überlegungen, wie es gelingen könnte, UNSEREN PA-<br />

VILLON aufzustellen, darunter auch die Überlegung, den ganz normalen Weg der<br />

behördlichen Genehmigung zu gehen. Unter normalen Umständen sollte es auch<br />

kein Problem sein, eine Architektur, die als Kunstobjekt mit einem gesellschaft-<br />

lichen Anliegen als Inhalt arbeitet, in einer demokratischen Gesellschaft im öffentlichen<br />

Raum zu platzieren. Das Frühjahr 2011 war in diesem Sinne aber nicht<br />

„normal“, der 30. September 2010, der sogenannte „schwarze Donnerstag, an<br />

dem die Polizei mit massivem Wasserwerfer-Einsatz friedliche Demonstranten aus<br />

dem Park vertrieb, war seinerzeit noch in guter Erinnerung. Die Verantwortlichen<br />

für den unverhältnismäßigen Polizei-Einsatz, der sich im Nachhinein auch noch als<br />

illegal erwies, da keine Genehmigung zum Fällen der Bäume vorlag, waren immer<br />

noch in Amt und Würden und ob eine Abwahl des damaligen Ministerpräsidenten<br />

Stefan Mappus gelingen würde, war zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar. Insofern<br />

war klar, dass das Beantragen einer offiziellen Genehmigung aussichtslos war.<br />

Den „illegalen“ Weg der subversiven Aufstellung zu gehen war daher zum Einen<br />

eine Notwendigkeit, er war aber auch zugleich Programm. Aus dieser Notwendigkeit<br />

ergab sich das „not-wendige“ Bild der SELBSTERMÄCHTIGUNG als Bild eines<br />

Nullpunktes und Neuanfanges.<br />

Wenn die demokratisch legitimierten Repräsentanten der Bevölkerung, die Legislative<br />

und Exekutive bis hinein in die städtische Verwaltung, in Verdacht geraten,<br />

eine Politik der Repression gegen die eigene Bevölkerung zu betreiben, dann<br />

ist der Punkt erreicht, an dem in einem demokratischen Gemeinwesen „Widerstand<br />

zur Pflicht“ wird. Dieser Punkt war im Frühjahr 2011 in Baden-Württemberg<br />

erreicht, das Handeln der Mappus-Regierung steuerte zunehmend auf postdemokratische<br />

Verhältnisse zu, im Nachhinein haben mehrere parlamentarische<br />

Untersuchungs-Ausschüsse diese Phase der Politik in Baden-Württemberg kritisch<br />

aufarbeiten müssen und das nicht verfassungskonforme Handeln in einigen<br />

Fällen festgestellt. In dieser Situation wurde die grundsätzliche Frage nach dem<br />

SOUVERÄN der Demokratie wieder virulent. Solange die gewählten Repräsentanten<br />

in Konsens mit der Bevölkerung ihre Arbeit verrichten, ist die Frage nach ihrer<br />

Legitimation nicht zu stellen, treten sie jedoch zunehmend in Widerspruch damit<br />

und erwecken sie den Verdacht, ihr politisches Handeln nicht mehr aus dem Prinzip<br />

der Delegation heraus zu verstehen, dann wird es Zeit, daran zu erinnern, was<br />

Grundlage unseres demokratischen Gemeinwesens ist: „Alle Staatsgewalt geht<br />

vom Volke aus“ (besser: von der Bevölkerung. (der Verfasser). Oder anders formuliert:<br />

„WIR SIND SOUVERÄN“.<br />

Dieses Motto wieder ins Bewusstsein zu rücken, war das zentrale Motiv bei der<br />

Entscheidung, UNSEREN PAVILLON illegal aufzustellen. In diesem Bild wird der<br />

damaligen Landesregierung unter Stefan Mappus das Recht abgesprochen,<br />

darüber zu entscheiden, was im öffentlichen Raum legitim ist und was nicht. Der<br />

Schlossgarten wurde durch die illegitimen Handlungsweisen der Landesregierung<br />

zu einer unkontrollierbaren Zone, er wurde von „Parkschützern“ bewacht und<br />

besetzt , quasi als „ Misstrauens-Votum“ eines Teiles der Bevölkerung gegen die<br />

damalige Landesregierung. Die „Besetzung“ mit UNSEREM PAVILLON war also


eine Verstärkung der Geste, die mit der Aufstellung von Zelten und der Errichtung<br />

der „PARKBEFRIEDUNG“(siehe Dokumentation) schon angedeutet war. „ Illegal“<br />

zu handeln bedeutete also nichts anderes, als die Frage nach Legitimation von<br />

Handlungen im öffentlichen Raum in Stuttgart im Frühjahr 2011 provokativ zu<br />

stellen. „WEM GEHÖRT DIE STADT?“ war dann auch eine erste programmatische<br />

Frage, die an der Außenwand UNSERES PAVILLONS angebracht wurde.<br />

Die Antwort von UNSEREM PAVILLON war also, die delegierte Legitimation der<br />

staatlichen Einrichtungen (hier stellvertretend: die „Verwaltung Schlösser und<br />

Gärten Baden-Württemberg“) zu ignorieren und eine souveräne Setzung zu machen,<br />

konkret: die SELBSTERMÄCHTIGUNG als Grundlage eines Neubeginns zu<br />

praktizieren. Dass diese Praxis mit symbolischem Verweis auf die AUTONOMIE<br />

der Kunst hinterlegt wurde, war ein Kunstgriff, der vordergründig dazu diente,<br />

den schnell erfolgten Räumungsbefehl des Liegenschaftsamtes zu unterlaufen,<br />

in einer weiter reichenden Interpretation jedoch die grundsätzliche Frage stellte<br />

nach dem Ursprung der SOVERÄNITÄT. Die Behauptung künstlerischer Autonomie,<br />

die im 20 Jahrhundert eine wichtige Errungenschaft war, erweitert sich<br />

an dieser Stelle in eine gesellschaftliche, kunstfremde Dimensionen. Die zum<br />

unverstandenen Schlagwort verkommene Formulierung des Künstlers Joseph<br />

Beuys „Jeder Mensch ist ein Künstler“ bekommt hier wieder den Bedeutungszusammenhang,<br />

in dem sie ursprünglich gemeint war: Das gemeinsame Gestalten<br />

gesellschaftlicher Realität hat –zumindest teilweise- seinen Ursprung im Individuum,<br />

dessen ureigenste Rechte und Unantastbarkeit, d.h. dessen AUTONOMIE<br />

der Ursprung aller gesellschaftlicher Entwicklungen sind. Die Autonomie der<br />

Kunst hat hier also ebenfalls neben ihrer realen eine symbolische Bedeutung,<br />

so verstanden begleitet sie den gesellschaftlichen Emanzipationsprozess im<br />

20 Jahrhundert quasi modellhaft, wie in den Ausführungen weiter oben schon<br />

ausgeführt.<br />

Nun ist dies natürlich ein hoher Anspruch und insofern auch nur als symbolischfiktionales<br />

Handeln zu interpretieren, was die Aufstellung UNSERES PAVILLONS<br />

und die Parkbesetzung in Hinblick auf diese Dimension der souveränen Setzung<br />

und des Neu-Beginns betrifft. Die reale Dimension ist weniger spektakulär und<br />

spielt sich in größeren Zeiträumen und damit weniger wahrnehmbar ab. Was<br />

sich in Stuttgart seit dem „schwarzen Donnerstag“ tatsächlich beobachten lässt,<br />

ist eine nachhaltige Veränderung der gesellschaftlichen Kräftekonstellationen:<br />

das Selbstverständnis der Bürgerschaft -zumindest der kritisch eingestellten- als<br />

Quelle der SOUVERÄNITÄT ist in einem Ausmaß gewachsen, das den Tendenzen<br />

zu postdemokratischen Verhältnissen ein beachtliches Gegengewicht gegenüberstellt.<br />

Ein erstes Anzeichen der „Wende“ war die Abwahl der fast 50-jährigen<br />

CDU-Herrschaft im Lande, ein absolutes Novum für Baden-Württemberg.<br />

Wichtiger als das Auswechseln der Regierungs-Parteien ist jedoch das massive<br />

Einfordern eines „Politik-Wechsels“ durch große Teile der Bevölkerung seither.<br />

Mehr Bürgerbeteiligung zu versprechen, ist die Reaktion der neuen Rot-Grünen<br />

Landesregierung darauf, Strukturen zu überarbeiten, die das auch ermöglichen,<br />

steht zumindest als Absichtserklärung im Raum. Die kritische Aufmerksamkeit der<br />

Bevölkerung wird sich aber wohl kaum mit derlei wohlfeilen Bekundungen in Regierungserklärungen<br />

abspeissen lassen, sie fordert tatsächliche Veränderungen<br />

ein. Auf Landesebene betrifft dies beispielsweise die Überarbeitung der Gesetzgebung<br />

zum Volksentscheid, insbesondere die Abschaffung der Quoten-Regelung,<br />

auf lokaler Ebene zeigt sich das Interesse an anderen Gestaltungsmöglichkeiten<br />

in der Politik an Initiativen, die die Oberbürgermeister-Wahl 2012 als Anlass nehmen<br />

zur Erprobung neuer, experimenteller Beteiligungs-Instrumente wie „adhocracy“<br />

oder „liquid democracy“. Das Motto „WIR SIND SOUVERÄN“, das die Stirnseite<br />

UNSERES PAVILLONS zierte, wird langsam aber sicher zu einem Virus, das die<br />

Stadt und das Land ergreift.<br />

Wen wundert es da, dass UNSER PAVILLON von den Kräften, denen diese Entwicklung<br />

suspekt ist, angefeindet wird und eine Zukunfts-Dimension im Sinne<br />

einer langfristigen Etablierung dieses Impulses behindert wird? Erschreckend ist<br />

bei dieser Behinderungs-Strategie weniger die Massivität, die ist als Reaktion auf<br />

die Provokation der illegalen Aufstellung und des einjährigen Dauerbetriebes verständlich,<br />

erschreckender ist die Konstellation des Widerstandes gegen UNSEREN<br />

PAVILLON. Nachvollziehbar ist Behinderung des SPD-geführten Finanzministeriums,<br />

das als Befürworter des Projektes S21 und gleichzeitig als Verwalter der<br />

Stuttgarter Parkanlagen gleich doppelt provoziert wurde. Auch mag ein gehöriger<br />

Teil unbewusstes Handeln aus schlechtem Gewissen dabei sein, wenn das Finanzministerium<br />

die beantragte Neu-Aufstellung UNSERES PAVILLONS schwebend<br />

über dem Eckensee mit der Begründung untersagt, der Park stehe unter Denkmal-<br />

und Naturschutz, UNSER PAVILLON könnte die Enten auf dem See beunruhigen.<br />

Angesichts der anrichteten Zerstörung im mittleren Schlossgarten fragt man<br />

sich, was ein Ministerialbeamter wohl denkt, wenn er eine derartige Begründung<br />

verfasst und verschickt.<br />

Weniger nachvollziehbar ist die Behinderung durch die neu eingerichtete Stelle für<br />

„Bürgerbeteiligung“ auf Staatsrat-Ebene. Die Bitte um einen Gesprächstermin mit<br />

der zuständigen Staatsrätin wurde ignoriert, stattdessen wurde der Initiative von<br />

einem Mitarbeiter der Vorschlag übermittelt, man solle sich doch an das „Haus<br />

der Geschichte“ wenden, was die weitere Zukunft UNSERES PAVILLONS angeht.<br />

„ Bürgerengagement für mehr Demokratie als historisches Phänomen“ bevor es<br />

richtig losgeht, da fragt man sich was dieses neue Ministerium und sein „grünes“<br />

Personal tatsächlich will. Zumindest keine Bürgerbeteiligung „bottom up“, soviel<br />

ist klar.<br />

Vollends klar wird die Sache aber, wenn man die Begründung vernimmt, mit der


die Aufstellung UNSERES PAVILLONS auf der Skulpturen-Plattform des Württembergischen<br />

Kunstvereins Stuttgart, quasi als halböffentlichem Exil im Schutz der<br />

Kunst, verwehrt wurde. In einem Eil-Telefonat an den künstlerischen Leiter des<br />

Hauses während des Abtransportes des PAVLLONS aus dem Park wurde diesem<br />

die anvisierte Aufstellung auf der Skulpturen-Plattform untersagt mit der Begründung<br />

„das Finanzministerium als Eigentümer des Hauses duldet keine Aufstellung<br />

von Kunstwerken auf der Plattform, die eine symbolische Bedeutung für<br />

den Widerstand gegen S21 haben“ (Zitat sinngemäß). Dies ist – im Gegensatz<br />

zu den vorgeschobenen Argumenten Denkmal- und Naturschutz- eine eindeutig<br />

politische Begründung. Dass damit die Frage aufkommt, ob in Baden-Württemberg<br />

mit dem Regierungswechsel auch ein Politikwechsel stattgefunden hat, liegt<br />

nahe. Das aber bedeutet konkret, dass die Frage nach SOUVERÄNEM Handeln<br />

der Bürgerschaft noch lange nicht vom Tisch ist, im Gegenteil. Das Motto „ WIR<br />

SIND SOVERÄN“ scheint erst recht nach dem Regierungswechsel virulent zu<br />

werden.<br />

UNSER PAVILLON als Bild ist aber zunächst damit von der Bildfläche verschwunden.<br />

Seine Neu-Implantation im öffentlichen Raum ist in weite Ferne gerückt, die<br />

charmante Idee, ihn „schwebend über dem Eckensee“ zu installieren oder ersatzweise<br />

auf der Skulpturen-Plattform des WKV, musste ad acta gelegt werden.<br />

Was die Ministerien jedoch nicht verhindern können, ist das Weiterleben der<br />

„PAVILLONISTISCHEN IDEE“.<br />

Nach dem Abtransport UNSERES PAVLLONS wurde im Internet eine Art „Manifest“<br />

veröffentlicht, das die Unabhängigkeit „pavillonistischer Strategien“ von der<br />

materiellen Existenz UNSERES PAVILLONS begründet (vgl. website Dora Asemwald).<br />

Seither haben schon einige irritierende Aktionen im Schlossgarten am<br />

ehemaligen Aufstellungsort stattgefunden und das zentrale Anliegen UNSERES<br />

PAVILLONS, nämlich Menschen miteinander zu vernetzen und im öffentlichen<br />

Raum miteinander zu diskutieren, hat seinen neuen Ort tatsächlich auf der<br />

Skulpturen-Plattform des WKV gefunden unter dem neuen Namen „UNSERE<br />

PLATTORM“. Die Intention des gemeinschaftlichen Handelns spiegelt sich in einer<br />

Vervielfältigung der pavillonistischen Aktivitäten, deren Bindeglied der Begriff<br />

„UNSER“ ist.<br />

Was mit dem materiellen Aspekt UNSERES PAVILLONS geschieht, ist zum<br />

Zeitpunkt dieses Beitrages noch offen, Pläne und Ideen gibt es einige, was sich<br />

letztlich davon realisieren wird, wird die Zukunft zeigen. Als erstes provokatives<br />

Bild wird UNSER PAVILLON nun die zuständigen Stellen im Finanzministerium<br />

beschäftigen, die sich mit einem Antrag auf Errichtung UNSERES ENTENHAUSES<br />

auf dem Eckensee auseinander setzen müssen.<br />

Die Aufstellung UNSERES PAVLLONS lässt sich von Seiten der Behörden vielleicht<br />

verhindern, die Idee, dass wir SOUVERÄN sind nicht.


DAS ENDE UNSERES PAVILLONS


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger<br />

von März 2011bis Februar 2012 stand im besetzten Mittleren Schlossgarten „UNSER PAVILLON“ und brachte mit seiner Schönheit<br />

und dem Engagement seiner BetreiberInnen eine besondere kulturelle Note in den Widerstand gegen das Jahrhundert-<br />

Unsinns-Projekt S21. Der <strong>Pavillon</strong> war in dieser Zeit ein Ort der spontanen Begegnungen, des offenen Dialoges, der unzensierten<br />

Informationen und der anregenden Kultur-Veranstaltungen: Lesungen, Konzerte, Ausstellungen, Performances und<br />

Symposien fanden hier statt und haben die politische Praxis in ihrem kulturellen Aspekt bestärkt. Der kontinuierliche Dauerbetrieb<br />

über ein Jahr war nur möglich durch das unermüdliche, ehrenamtliche Dauer-Engagement der beteiligten AktivistInnen.<br />

Dieses bürgerschaftliche Engagement ist nun zu Ende, es wird in Stuttgart politisch nicht gewollt.<br />

Nach dem Abtransport aus dem Mittleren Schlossgarten reichten die Betreiber einen Entwurf für eine Neu-Aufstellung bei den<br />

zuständigen Ministerien ein, der seiner symbolischen Bedeutung für den Widerstand gegen S21 adäquat war: Schwebend über<br />

dem Eckensee, in Sichtweite des Landtages und des Finanzministeriums sollte er weiterhin Treffpunkt und Aktionsraum sein<br />

für alle Bürgerinnen, die an der Zukunftsplanung unserer Stadt partizipieren wollen. Als „ Ideenquelle“ sollte er an diesem Ort<br />

die kollektive Kreativität der Stuttgarter Mutbürger weiter sprudeln lassen und mittels LED-Leuchtschriften die Verbindung zu<br />

unseren Repräsentanten im Landtag halten.<br />

Dieser Traum ist ausgeträumt.<br />

Weder die gesammelten Erfahrungen mit einer politischen Praxis „bottom up“ erregten Interesse bei der Staatsrätin für bürgerschaftliches<br />

Engagement Gisela Erler, noch eine wertschätzende Antwort des grünen Ministerpräsidenten war diese Initiative<br />

nach einem Jahr ehrenamtlichem Engagement wert. Lediglich das SPD geführte Finanzministerium als Eigentümer der Liegenschaften<br />

erging sich in einem Bescheid: Es untersagte das geplante Kunstprojekt mit dem Hinweis auf Denkmal- und Naturschutz<br />

im Stuttgarter Schlossgarten! Keine 500m weiter sehen wir eine andere Realität: die komplette Zerstörung des Parks!<br />

Dass diese Argumentation eine vorgeschobene ist, entlarvte sich endgültig an der Reaktion des Finanzministeriums, als die<br />

Initiatoren des Projektes daraufhin eine ersatzweise Aufstellung UNSERES PAVILLONS auf der Skulpturen-Plattform des WKV<br />

in Erwägung zogen. Dieses Ansinnen wurde vom Finanzministerium ebenfalls untersagt, diesmal jedoch mit einer ehrlichen<br />

Begründung: „Kunstwerke mit symbolischem Gehalt gegen S21 würden hier nicht geduldet“ Dies ist eine eindeutig politische<br />

Begründung und widerspricht damit den Intentionen unseres Grundgesetzes.<br />

Der Weiterbetrieb des Kunst-Projektes „UNSER PAVILLON“ wird damit von der rot-grünen Landesregierung praktisch verhindert.<br />

Als Reaktion auf das Ablehnungs-Schreiben des Finanzministeriums , das unter dem Stichwort „Naturschutz“ u.a. die brütenden<br />

Enten auf dem Eckensee bemüht um ein Kunstprojekt mit gesellschaftlichem Anliegen zu verhindern, haben die Initiatoren<br />

daher ein neues Gesuch beim Ministerium eingereicht.<br />

Wir beabsichtigen, anstelle UNSERES PAVILLONS auf dem Eckensee ein ENTENHAUS in Form eines Miniatur-<strong>Pavillon</strong>s<br />

schwimmend zu verankern, das sowohl den brütenden Enten, als auch dem vermeintlichen Widerstands-Symbol<br />

der engagierten Stuttgarter BürgerInnen den notwendigen Schutz vor Anfeindungen bietet.<br />

Wir bitten Sie mit Ihrer Unterschrift um Unterstützung für das Vorhaben demnächst „UNSEREN ENTENPAVILLON“ auf dem<br />

Eckensee zu installieren. Vielen Dank!


Wir danken allen, auch den namentlich nicht erwähnten Unterstützern, Aktivisten und Künstlern,<br />

die sich mit ihrem Engagement in das Projekt „UNSER PAVILLON“ eingebracht haben:<br />

Architekt_innen für K21<br />

Achmed<br />

Herrmann Abmayr<br />

Judith Anke<br />

Tomoko Arai<br />

<strong>Andreas</strong> Bär<br />

Eske Bail<br />

Paolo de Bagno<br />

Frank Bayh<br />

Petra Bewer<br />

Thomas Bock<br />

Karl Braig<br />

Meike Brandenbusch<br />

Roland Butteweg<br />

Fred Christmann<br />

Lino Ciriello<br />

Peter Conradi<br />

Hans Christ<br />

Yvonne P. Doderer<br />

Magda Dyck<br />

Beate Ehrmann<br />

Lubi Forer<br />

Georg Frank<br />

Peter Frank<br />

Regine Friedrich<br />

Klaus Gebhardt<br />

Kurt Grunow<br />

Michael Gompf<br />

Margarita Haußmann<br />

Volkmar Herre<br />

Egon Hopfenzitz<br />

Ralf Hohmann<br />

Jörg Hueber<br />

Ingenieure für K21<br />

Sigrid Klausmann-Sittler<br />

Connie Knapp<br />

Stephan Koeperl<br />

Friedrich Kübler<br />

Kurt Kühfuss<br />

Marianne Kraichgauer<br />

Conny Krieger<br />

Brigitte Krenkers<br />

Sabine Leitz<br />

Jens Loewe<br />

Marcel Maier<br />

<strong>Andreas</strong> <strong>Mayer</strong>-<strong>Brennenstuhl</strong><br />

Markus Meister<br />

Fritz Mielert<br />

Jürgen Maier<br />

Wolfgang Menauer<br />

Markus Meister<br />

Sibylle Mulot<br />

Wolfgang Morlok<br />

Wolfgang Offenloch<br />

Angela Pastor<br />

Christine Pfisterer<br />

Thomas Puls<br />

Harry Walter<br />

Karin Rehm<br />

Thomas Renkenberger<br />

Hannes Rockenbauch<br />

Maria Gracia Sacchiatelli<br />

Uli Scheuffele<br />

Josh von Staudach<br />

Walter Sittler<br />

Peter Schmidt<br />

David Stützel<br />

Thomas Ulm<br />

Unternehmer für K21<br />

Hubert Weiß<br />

Winfried Wolf<br />

Sylvia Winkler<br />

Martin Zentner<br />

Henning Zierock

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