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Dampf im Harz Dampf im Harz

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Die Reichsbahn kehrt zurück<br />

<strong>Dampf</strong> <strong>im</strong> <strong>Harz</strong><br />

Von Bernd Seiler<br />

Wir Eisenbahnfreunde neigen dazu, erst<br />

dann aufzuwachen, wenn sich eine Epoche<br />

ihrem Ende nähert, der Stern einer Baureihe<br />

zu sinken beginnt oder eine Strecke stillgelegt<br />

werden soll. Jahrelang machte ich einen<br />

großen Bogen um die Sonderfahrten in<br />

Deutschland. Die Abschiedsfahrten vom König<br />

<strong>Dampf</strong> fanden in anderen Ländern statt,<br />

und dort war ich zugegen. Zudem änderte<br />

sich das Umfeld der <strong>Dampf</strong>eisenbahn in<br />

Deutschland über die Jahre. Weg vom regional-typischen<br />

Baustil hin zu landes-, ja europaweit<br />

einheitlichem langweiligen Universalbaustil<br />

mit all den Errungenschaften<br />

moderner Technik wir Satellitenschüsseln,<br />

verzinkten Masten oder Beton-Pflaster.<br />

Trotzdem hatte ich mir vor langer Zeit<br />

schon überlegt, den letzten Zug der Deutschen<br />

Reichsbahn, der planmäßig mit zwei<br />

<strong>Dampf</strong>lokomotiven bespannt wurde, auf seiner<br />

alten Stammstrecke Nordhausen – Stiege<br />

(– Silberhütte) wiederzubeleben. Diese Strecke<br />

wird auch heute noch mit <strong>Dampf</strong>loko-<br />

Oben: Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein in<br />

Straßberg (<strong>Harz</strong>). Nur Details verraten das Aufnahmedatum<br />

3. April 2009.<br />

Linke Seite: Der letzte mit zwei <strong>Dampf</strong>loks bespannte<br />

Regelzug der Deutschen Reichsbahn stürmte am 3.<br />

April 2009 erneut die Rampe von Eisfelder Talmühle<br />

nach Stiege hinauf, hier unterhalb von Birkenmoor.<br />

Um diesen Zug so wieder auf die Schienen zu bringen,<br />

mussten allein über 8.000 € aufgebracht werden.<br />

Kittelschürze, Luftkoffer und ein dienstbeflissener Parteisekretär, der schon drei Wochen vor dem Internationalen<br />

Kampftag der Werktätigen am 1. Mai Flagge zeigt … Straßberg so richtig ossig!<br />

Eisenbahn-Kurier 6/2009 – 51


So wie hier beobachteten Grenzsoldaten regelmäßig die Versorgungszüge der Grenztruppen, um jeden Fluchtversuch zu vereiteln. Am 1.4.2009 dachten manche Passanten<br />

eher an einen Aprilscherz, als der Zug mit 99 7239 durch die Brockenspirale bergauf dampfte. Unten: Der leere Kohlezug kehrt aus Silberhütte zurück; 3. April 2009.<br />

motiven betrieben, von der <strong>Harz</strong>er Schmalspurbahnen<br />

GmbH (HSB). Den Gedanken<br />

an eine Sonderleistung auf den Schienen der<br />

HSB schob ich lange vor mir her, bis eine<br />

alarmierende Meldung zu mir durchdrang:<br />

die DB hat sich von fast allen zweiachsigen<br />

G-Wagen getrennt! Das hatte vordergründig<br />

nichts mit dem geplanten Zug zu tun, jedoch<br />

sind die zweiachsigen E-Wagen nun nicht<br />

die nachfragestärkste Wagengattung bei der<br />

DB. Es war klar, dass auch diese Wagentype<br />

in absehbarer Zukunft entbehrlich sein würde.<br />

Selbst bei der HSB gab es mittlerweile<br />

ein Problem, einen solchen Zug zu realisieren.<br />

Die Anzahl der betriebsfähigen Rollwa-<br />

gen war auf sechs ge schrumpft. Die Rollwagengruben<br />

waren bereits durch nicht kompatible<br />

Rollbockgruben ersetzt worden, die<br />

Verladung von regelspurigen Güterwagen<br />

auf meterspurige Rollwagen also gar nicht<br />

mehr möglich!<br />

Es war an der Zeit, eine solche Fahrt auf<br />

die Prioritätenliste zu setzen … Um die Fahrt<br />

mit dem doppelt bespannten Zug herum<br />

plante ich weitere Züge, die in die Zeit der<br />

Deutschen Reichsbahn zwischen 1970 und<br />

1989 passten: einen Versorgungszug für die<br />

Grenztruppen der DDR auf dem Brocken,<br />

den planmäßigen Güterzug Nordhausen –<br />

Benneckenstein, natürlich den doppelt bespannten<br />

Zug Nordhausen – Stiege – Silberhütte,<br />

einen Schmalspurgüterzug auf der<br />

Selketalbahn und einen Personenzug, wie er<br />

bis 1974 auf der Selketalbahn gefahren wurde.<br />

Das Ansinnen, die <strong>Harz</strong>querbahn wie zu<br />

Zeiten der Deutschen Reichsbahn mit Güterzügen<br />

befahren, stieß bei der HSB nicht auf<br />

ungeteilte Freude.<br />

Nicht nur, dass alle Loks wieder auf<br />

„Deutsche Reichsbahn“ umbeschriftet werden<br />

sollten, auch die Pufferbohlenanschrift<br />

musste wieder in RAW „DSF“ Gö (Reichs -<br />

bahnausbesserungswerk „Deutsch-Sow jeti -<br />

sche Freundschaft“ Görlitz geändert werden.<br />

Dazu kamen Grenzsoldaten, die unseren<br />

Zug zum Brocken begleiten und natürlich<br />

„planmäßig“ gekleidete „DDR-Bürger“, die<br />

unserem Personenzug Leben einhauchen<br />

sollten. Glücklicherweise gab es mehr Befürworter<br />

als Skeptiker.<br />

Sonderfahrpläne wurden erstellt, die Lokomotiven<br />

mit originaler Rauchkammertür<br />

ausgewählt (es gibt auch Lokomotiven mit<br />

flachen Türen). Von den Theatern in Quedlinburg<br />

und Magdeburg kamen „Gebrauchsgegenstände“<br />

wie Kalaschnikow-Attrappen<br />

und eine DDR-Fahne und selbst eine DDR-<br />

Dieser Genosse Gefreite fährt zwar einen makellosen Robur LO3000, hält sich aber nicht an die Regeln des<br />

Straßenverkehrs, die eine Haltepflicht vor dem Warnkreuz festlegt. 99 5906 befindet sich am 5. April 2009 auf<br />

dem Weg nach Hasselfelde.<br />

berühmte Kittelschürze konnte aufgetrieben<br />

werden. Auch an Lesestoff für die Reisenden<br />

war gedacht. Ein „Neues Deutschland“<br />

und eine „Neue Berliner Illustrierte“ sorgten<br />

für Kurzweil während der Zugfahrt.<br />

So gerüstet zogen wir aus, Bilder einer<br />

vergangenen Epoche nachzuholen. Selbst<br />

seitens der HSB konnte sich am Ende der<br />

Woche kaum noch jemand daran erinnern,<br />

ein ungutes Gefühl gehabt zu haben. Am<br />

letzten Tag der Reise wurde ich bereits nach<br />

dem nächsten Termin gefragt … Hoffen wir,<br />

dass die DB dann <strong>im</strong>mer noch die zweiachsigen<br />

Es027 Wagen in ihrem Bestand hat!<br />

Schriftliche Danksagungen sind nicht<br />

meine Art , aber <strong>im</strong> Falle dieser Reise ist es<br />

mir ein Bedürfnis, dem Oberbetriebsleiter<br />

Links: Udo Müller und Jens Erhard haben wieder in<br />

Ihre Reichbahneruniform aus dem Spind geholt, um<br />

dem Zeitgeist der Veranstaltung Rechnung zu tragen.<br />

Unten: Eine der geänderten Anschriften an den Pufferbohlen<br />

aller Maschinen, die wir für unsere Züge verwendet<br />

haben. Auch die Bremsanschriften verrie ten<br />

nicht, wann die Aufnahmen wirklich entstanden sind.<br />

Rechts: Ein gewaltiger Aufwand musste am 30. März<br />

2009 getrieben werden, um die E-Wagen auf die Rollwagen<br />

zu hieven. An beiden Zugenden steht eine<br />

Diesellok, auf der HSB ein „<strong>Harz</strong>kamel“, das das meterweise<br />

Vorrücken des Rollwagenzuges kontrollierte<br />

und auf der Regelspur die Werklok der Anschlussbahn<br />

der Stadtwerke Nordhausen, eine V 15, die den Regelspurzug<br />

je nach Verladefortschritt weiterrückte.<br />

(OBL) der HSB, Herrn Bauer, und der guten<br />

Fee (oder muss es <strong>im</strong> <strong>Harz</strong> nicht eigentlich<br />

Hexe heißen?), Frau Stüber, zu danken. Wären<br />

dem OBL nicht so viele der nur <strong>im</strong> Sonderfall<br />

zulässigen Regelungen aus der<br />

„Fahrdienstvorschrift“ eingefallen, hätten<br />

sich etliche Aufnahmen nicht realisieren lassen.<br />

Frau Stüber stellte die gesamte Logistik<br />

der Reise, vom Bus, über die Kaffeeversorgung<br />

bis zur Organisation der Kalaschnikows<br />

und der zünftig gekleideten Komparsen.<br />

Den vielen Ungenannten sei ebenfalls<br />

gedankt.<br />

TEXT UND AUFNAHMEN: BERND SEILER<br />

Weitere Bilder dieser Veranstaltung finden<br />

Sie <strong>im</strong> Internet unter www.FarRail.de/galleries/gallery-index-germany.html.

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