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Irmin Kamp - Plastiken am Silbersee - Katalog 2008 - das SEEWERK

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mit dem minimalismus, der Grundstrukturen reflektiert, haben sie we-<br />

nig zu tun. <strong>Irmin</strong> <strong>K<strong>am</strong>p</strong> sagt denn auch, sie sei von der minimal art nicht<br />

beeinflusst.<br />

Es war 1969, als sie ihr Studium an der St. martins School of art bei<br />

Lehrern wie anthony Caro und philip King beendet hatte und sich wie-<br />

der in Delmenhorst bei Bremen befand. Da k<strong>am</strong> ihr der Gedanke an<br />

die Kunstbäume. „Ich wollte einen Baum machen, der in allen Entscheidungen,<br />

die ich treffe, gegensätzlich zum wirklichen Baum ist.“<br />

Sie dachte an eine Silhouette, wie ein Kind sie zeichnet, ganz einfach,<br />

nur St<strong>am</strong>m und Krone.<br />

Sie kaufte sich eine halbe plexiglas-Kugel, wie man sie d<strong>am</strong>als für<br />

Dachluken benutzte, und ein halbes rohr, zwei profane Gegenstände<br />

also. Sie legte die Teile im atelier aneinander, verband sie mit Gips,<br />

nahm die negativform ab und goss sie acht mal ab, um die Elemente<br />

anschließend zu vier Körpern zu verschrauben. Das material ist polyes-<br />

ter und sind Glasmatten. Hinterher wurde alles mit grünem Kunstharzlack<br />

gespritzt und in autonome Körper verwandelt.<br />

Das ist es nun, <strong>das</strong> unnatürliche, glänzende Grün, die geometrische<br />

Form, die strenge reihung, die mit der natürlichen Birken-reihe der<br />

Umgebung konkurriert. <strong>Irmin</strong> <strong>K<strong>am</strong>p</strong> betrachtet nicht ohne Stolz die vier<br />

seriellen Exemplare, doch sie wäre die letzte, die ihr Werk preisen wür-<br />

de. Stattdessen macht sie im Gespräch darauf aufmerks<strong>am</strong>, <strong>das</strong>s die<br />

Schrauben dazu dienen, die jeweiligen Teile zus<strong>am</strong>menzuhalten. als<br />

praktisch begabte Frau fügt sie hinzu: „Die Bäume könnten auch wieder<br />

aufgeschraubt werden.“ So einfach sind die Dinge, so unprätentiös<br />

und selbstverständlich wie die Umsetzung einer Kinderzeichnung<br />

ins Dreidimensionale.<br />

Hinter den „Trees“ hier <strong>am</strong> <strong>Silbersee</strong> liegen sechs grün-schwarz gestreifte<br />

„Stones“ (Steine) fast versteckt. Direkt nach England sind sie<br />

1965 entstanden. Sie wirken komisch, humorig, verschroben. Sie<br />

habe an „Hünengräber“ gedacht, sagt <strong>Irmin</strong> <strong>K<strong>am</strong>p</strong>, an steinzeitliche<br />

Findlinge also, wie sie in Holstein und im Emsland geläufig sind. Es<br />

ist wichtig, die Herstellung zu kennen, um die Formen zu begreifen.<br />

Die Künstlerin hat sie aus biegs<strong>am</strong>en pappen hergestellt. Dazu erzählt<br />

sie von ihren anfängen: „Ich habe vor meinem Studium eine Dekorationslehre<br />

abgeschlossen. meine mutter hat <strong>das</strong> verlangt, d<strong>am</strong>it ich<br />

abgesichert bin, wenn ich Kunst mache. Ich habe viel dabei gelernt,<br />

vor allem <strong>das</strong> arbeiten.“ Sie hat eine pappeform gebaut, innen mit polyester<br />

ausgegossen und dann die pappen abgenommen.<br />

<strong>Irmin</strong> <strong>K<strong>am</strong>p</strong> ist eine patente Frau, ihre Stärke liegt im praktischen Denken,<br />

<strong>das</strong> sie als Botschaft an ihre Klasse weiter gab: Die Studenten<br />

mussten sich zunächst über <strong>das</strong> Wie und <strong>das</strong> Woraus, die art der<br />

produktion und die materialien klar sein, bevor sie mit der ausführung<br />

ihrer Vorstellungen beginnen durften. <strong>Irmin</strong> <strong>K<strong>am</strong>p</strong> hielt nichts von einer<br />

genialischen attitüde. Sie sagt denn auch: „<strong>am</strong> liebsten nahm ich<br />

solche Studenten in meine Klasse auf, die eine handwerkliche Lehre<br />

hinter sich hatten.“<br />

nach den „Trees“ kehrte <strong>Irmin</strong> <strong>K<strong>am</strong>p</strong> 1973 mit den 16-teiligen „Wellen“<br />

in Türkis zur seriellen, abstrakten Form zurück. Der ausgangspunkt<br />

ist eine kleine Zeichnung auf einer Waschmittel-packung mit einem<br />

bloßen Wellen-profil. auch die Idee zu den „Fl<strong>am</strong>men“ (1970) k<strong>am</strong> <strong>am</strong><br />

Schreibtisch, diesmal bei einer eigenen, spontanen Zeichnung. In beiden<br />

Fällen entstanden anschließend modelle und dann die endgültigen<br />

Formen. Eine Zeichnung als eigenständige arbeit gibt es nicht. „Ich<br />

habe nie richtig gezeichnet. Es waren große Konzeptbögen, die ich<br />

beschriftete. Oder ich habe nur gekritzelt, was nur ich entziffern konnte.“<br />

<strong>Irmin</strong> <strong>K<strong>am</strong>p</strong> betont d<strong>am</strong>it unbewusst, <strong>das</strong>s sie sich ausschließlich<br />

als Bildhauerin betrachtet. Die logische Folgerung davon ist jener „Bogen“<br />

(1977), für den sie noch nicht einmal eine eigene Skizze, sondern<br />

gleich eine Zeichnung des Kollegen Fritz Schwegler nahm und<br />

umsetzte. „Ich habe bei ihm im atelier in der akademie gesessen, und<br />

beim Gehen ist mir die Zeichnung aufgefallen. Und ich habe gesagt:<br />

‚Fritz, kann ich die haben, um eine plastik daraus zu machen?‘ Er hat<br />

okay gesagt.“<br />

„Erst kommt die Idee, und dann merkt man, was man macht“, pflegt<br />

<strong>Irmin</strong> <strong>K<strong>am</strong>p</strong> zu betonen. Für die „Fl<strong>am</strong>men“ machte sie nach der eher<br />

abstrakten Zeichnung ein kleines modell aus pappe, vergrößerte es in<br />

dicker pappe und ließ es in polyester ausgießen. anschließend wurde<br />

der Kunststoff schwarz und gelb bestrichen, zur Identifizierung des<br />

Objekts, als metapher für die Fl<strong>am</strong>men. Ein künstliches Feuer für die<br />

Feuerstelle in der Wohnung gleichs<strong>am</strong>. Die Idee ist abstrakt geboren,<br />

<strong>das</strong> Ergebnis ist ein dreidimensionales, klares, reales, die Wirklichkeit<br />

zitierendes Bild. Das selbstverständliche Objekt verleugnet dennoch<br />

nicht seinen phantastischen ausgangspunkt.<br />

28 kleine, bescheidene, fast schon niedliche Gewächshäuser entstanden<br />

1978, in einer Zeit also, als der professionelle Gartenbau noch in<br />

den Kinderschuhen steckte. <strong>Irmin</strong> <strong>K<strong>am</strong>p</strong> sah die Originale unter der<br />

Südbrücke <strong>am</strong> rhein in Düsseldorf, machte Fotos und wollte es ursprünglich<br />

dabei bewenden belassen. Doch dann „übersetzte“ sie die<br />

aufnahmen ins Gewachsene. Das heißt: Sie baute einen Kern aus<br />

biegbarer pappe und begoss ihn mit zerstückelten Glasmatten und<br />

mit L<strong>am</strong>inierharz. anschließend entfernte sie den Karton. Die Konstruktion<br />

ist nicht streng mit dem Lineal geschaffen, die Häuser wirken<br />

windschief, leicht gekrümmt, beinahe unvollkommen und ärmlich. Die<br />

Streben sind denn auch nicht aus Eisen, sondern es sind echte Zweige,<br />

die bloß auf die zunächst noch feuchte masse gelegt sind.<br />

„Für die natur wollte ich keine originalen Gewächshäuser wiederholen,<br />

S 13

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