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HÄBERLI AUSERWÄHLT - Alfredo Häberli

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076 H.O.M.E.<br />

<strong>HÄBERLI</strong><br />

<strong>AUSERWÄHLT</strong><br />

Argentinier, Schweizer, Designer,<br />

Dressman: Multitalent <strong>Alfredo</strong> <strong>Häberli</strong><br />

ist der Ehrengast auf der superelitären<br />

Design-Messe „Kortrijk Xpo“. Exklusiv<br />

für H.O.M.E. zeigt der Star-Gestalter,<br />

warum er in Mode ist<br />

INTERVIEW STEFAN ADRIAN FOTOS GÜNTER PARTH,<br />

ROBERT RUBAK (PORTRÄTS BEIM INTERVIEW)<br />

PRODUKTION ANNELIESE RINGHOFER<br />

STYLING VIRGINA-CLARA MAISSEN GROOMING TANJA KOCH/TIME MODEL<br />

LOCATION PROSTUDIO ZÜRICH<br />

Riecher für den Trend. <strong>Alfredo</strong> <strong>Häberli</strong><br />

zählt wegen seiner Ehrlichkeit und seinem<br />

Gespür für beständige Trends zu<br />

den begehrtesten deutschsprachigen<br />

Designern. Die Mode: Anzug von Drykorn,<br />

Cardigan von Tommy Hilfiger, Schal von<br />

Paul Smith<br />

WOHNENDESIGNER IN MODE<br />

H.O.M.E.<br />

077


078 H.O.M.E.<br />

Stühlerücken. Der Designer zeigt neue Wege, wie<br />

man die von ihm designten Möbel möglichst effektiv<br />

nutzen kann. Die Möbel: <strong>Häberli</strong> sitzt auf dem „Ginger<br />

Stool“ aus der Linie „Happy Hour“ (für Bd Ediciones<br />

de Diseno, 2000), der mehr als ein Barhocker ist,<br />

denn unter der Sitzfläche versteckt sich ein Regal.<br />

Entworfen wurde er für das Zürcher Sushi-Restaurant<br />

„Ginger“, für das <strong>Häberli</strong> das gesamte Interieur kreiert<br />

hat (links). Nicht nur als Tarnung toll: Der stapelbare<br />

Allzweckstuhl „Segesta“ für Alias (2002) aus dem<br />

eigens entwickelten Material „Hirek“, das unterschiedliche<br />

Stärken ermöglicht. Die Bodenleuchte „Carrara“<br />

für Luceplan (2000) zeigt sich rank und schlank. Die<br />

Mode: Sakko aus „Sailing Linnen“, Black Denim-Hose<br />

und gestreiftes Shirt – alles von fabrics interseason<br />

(diese Seite)<br />

Überraschung. Dieser nette Herr könnte auch<br />

Luxusimmobilien vermakeln oder für eine Privatbank<br />

über die Kreditvergabe entscheiden ... Die Mode:<br />

Samtsakko von Paul Smith, Rollkragenpullover von<br />

Guess by Marciano, Hose von Fidelio (rechte Seite)<br />

WOHNENDESIGNER IIN MODE<br />

H.O.M.E.<br />

079


Ehrliche Haut. Herr <strong>Häberli</strong> hat für<br />

gewöhnlich nichts zu Verstecken, am<br />

wenigsten sich selbst. Manch einer findet ihn<br />

gar zu ehrlich – gerade im Kundenkontakt.<br />

Das Möbel: Den „Take a line for a walk“-<br />

Lounge Chair mit Fußstütze für Moroso<br />

(2003) hat <strong>Häberli</strong> entworfen, damit „man<br />

einfach seine Ruhe haben kann“. Die Mode:<br />

Hose von John Galliano, Cashmere-Pullover<br />

von Lucien Pellat-Finet, Lackschuhe von<br />

Petar Petrov (diese Seite)<br />

Mit Augenzwinkern. Der Designer liebt<br />

extravagantes Styling und hat dabei Humor<br />

und Witz – so wie sich das eben für einen<br />

Schweizer gehört. Die Mode: Anzug von<br />

Viktor und Rolf, Shirt mit Knopfleiste von<br />

Neil Barrett, Foulard von Paul Smith, Schuhe<br />

von Bally (rechte Seite)<br />

080 H.O.M.E.<br />

WOHNENDESIGNER IN MODE<br />

H.O.M.E.<br />

081


Talent-Multi. <strong>Häberli</strong><br />

gestaltet unter anderem für<br />

Alias, Iittala, Moroso, Driade<br />

und Volvo: Hier zeigt er<br />

gerade Ausschnitte seines<br />

umfangreichen Œuvres. Die<br />

Mode: Karo- und Cargohose<br />

von Tommy Hilfiger, blaue<br />

Hose von Pia Affolter, Gürtel<br />

von Lucien Pellat-Finet,<br />

Bottine von Bally, Sneakers<br />

von Dsquared, Tweedblazer<br />

von Bally, Lederjacke von<br />

Prada, Streifenschal von<br />

H&M, Cardigan grün gestreift<br />

von Joop!, Jeansjacke von<br />

Hugo, T-Shirt mit Aufdruck<br />

von Dsquared, Karo-Gilet von<br />

Fidelio, blaues Vichyhemd<br />

von Paul Smith, gelbes<br />

Karohemd von Tommy<br />

Hilfiger (diese Seite)<br />

Mann in Mode.<br />

Designer <strong>Häberli</strong> hat den<br />

Durchblick was Stilfragen<br />

betrifft. Die Mode: Samtsakko<br />

von Guess by Marciano,<br />

Rollkragenpullover von<br />

Aftersix (rechte Seite)<br />

082 H.O.M.E.<br />

WOHNENDESIGNER IN MODE<br />

H.O.M.E.<br />

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Starke Skulptur. Sieben<br />

Schweizer Künstler haben<br />

<strong>Häberli</strong>s Werk interpretiert.<br />

Das sieht dann unter anderem<br />

so aus. Das Ganze ist<br />

demnächst als Buch erhältlich.<br />

Die Möbel (v. li. unten<br />

nach re. unten): Ferrarirotes<br />

Sofa „TT“ für Alias (2005) hat<br />

Füße, die ein umgekipptes<br />

T symbolisieren; stapelbarer<br />

Allzweckstuhl „Segesta“<br />

für Alias (2002) in Weiß und<br />

Schwarz; Drahtstuhl „Nais“<br />

für Classicon (2004) in Weiß<br />

und Blau; grüner Lounge<br />

Chair „Take a line for a walk“<br />

für Moroso (2003); Lounge-<br />

Sitzmöbel mit integriertem,<br />

gepolstertem Tischchen<br />

„Solitaire“ (2001) für Offecct<br />

(linke Seite)<br />

Der Mann im Schatten.<br />

<strong>Häberli</strong> ist der bescheidenste<br />

Designer der Welt. Aber er<br />

hat es auch nicht nötig, sich<br />

ständig ins Rampenlicht zu<br />

stellen. Die Mode: Overall<br />

von fabrics interseason und<br />

Bottine von Prada (diese<br />

Seite)<br />

WOHNENDESIGNER XXXXXXXXXX IN MODE<br />

H.O.M.E.<br />

085 083


WOHNENDESIGNER<br />

086<br />

H.O.M.E.<br />

Stargast. <strong>Alfredo</strong><br />

<strong>Häberli</strong> ist als Guest<br />

of Honour nach<br />

Kortijk eingeladen<br />

worden. Das ist die<br />

maximale Ehre, die<br />

einem Designer zuteil<br />

werden kann<br />

<strong>Alfredo</strong> <strong>Häberli</strong> ist einer der erfolgreichsten<br />

Designer der Welt.<br />

Bei der „Kortrijk Xpo“ im Oktober<br />

ist er als Ehrengast geladen. Im<br />

H.O.M.E.-Interview spricht der 42-jährige<br />

Lebemann über Argentinien, das Kind im<br />

Manne, Sex und das Geheimnis einer funktionierenden<br />

Ehe.<br />

Woran denken Sie, wenn Sie das Wort<br />

Sonne hören?<br />

An Sonnenaufgang.<br />

In Zusammenhang mit Ihnen und Ihrer<br />

Arbeitsweise ist oft vom „Kind im Manne“<br />

zu lesen. Stört Sie das?<br />

Überhaupt nicht. Denn kindlich bin ich<br />

schon, wenn es um diese Neugier, diesen<br />

Enthusiasmus, die Leidenschaft und Emotionen,<br />

die ein Kind hat, geht. Also um alles<br />

Impulsive, was nicht mentaler Art ist. Andererseits<br />

braucht man zur Arbeit viel Wissen,<br />

das Bewusstsein der Design-Geschichte. Da<br />

hilft es, eine infantile Ader zu haben, die einem<br />

dabei hilft, abzuschalten und die Sache<br />

spielerisch anzugehen.<br />

Welches Bild kommt Ihren als Erstes in<br />

den Kopf, wenn Sie an Ihre Kindheit in<br />

Argentinien denken?<br />

Garten und Wald. Immer im Freien sein. Ich<br />

bin nämlich in der Pampa aufgewachsen.<br />

Wir hatten wenig Spielzeug und haben alles<br />

selbst gebastelt, aus Holz, Stein und dem,<br />

was wir gefunden haben. Es war eine sehr<br />

zufriedene und glückliche Kindheit.<br />

Fußball spielt in Argentinien jeder,<br />

oder?! Sie auch?<br />

Relativ wenig. Vielleicht auch deswegen,<br />

weil Fußball ein Sport ist, der eher in der<br />

unteren Schicht populär ist. Meine Familie<br />

zählte zu der mittleren bis oberen Schicht.<br />

Man sagt dann: Fußball ist für die Armen,<br />

was natürlich falsch ist. Aber ich hatte auch<br />

zwei linke Füße.<br />

Können Sie heute noch ein echtes<br />

argentinisches Steak grillen?<br />

Natürlich! Grillieren mit Kohle!<br />

Glauben spielt in vielen südamerikanischen<br />

Gesellschaften eine große Rolle.<br />

Sind Sie gläubig aufgewachsen?<br />

Das kam mehr von meinen Großeltern. Aber<br />

ich glaube, es gibt etwas Höheres als den<br />

Menschen. Was es ist, weiß ich nicht.<br />

Der bekannteste Argentinier ist Che<br />

Guevara. Haben Sie jemals ein T-Shirt<br />

mit seinem Konterfei getragen?<br />

Nein, nie. Aber ich muss sagen, seine Rolex-<br />

Uhr hat einen weitaus stärkeren Eindruck<br />

auf mich gemacht.<br />

Es heißt, Argentinier sind gute Liebhaber.<br />

Man hasst sie, wenn sie da sind,<br />

und vermisst sie, wenn sie weg sind.<br />

Nur ein Klischee?<br />

Es wäre natürlich komisch zu behaupten,<br />

es stimmt. Was ich aber sagen kann: Wir<br />

widmen einer schönen Frau Poeme. Wir<br />

pfeifen ihr nach, aber sagen ihr auch schöne<br />

Dinge, dichten ein wenig. Auch wenn wir<br />

eine Ehefrau oder Freundin haben. Das ist<br />

etwas, was wirklich nur Argentinier können.<br />

Wir bewundern Frauen extrem, für uns<br />

sind sie eigentlich alles. Sie muss nicht die<br />

Hübscheste sein, sondern etwas Besonderes<br />

haben. Das sagen wir den Frauen auch. Man<br />

kann ja gar nicht anders.<br />

Und was sagt Ihre Frau dazu?<br />

Bevor wir geheiratet haben, haben wir<br />

eine lange Reise durch Argentinien unternommen.<br />

Es war mir wichtig, ihr zu zeigen,<br />

warum ich so denke, wie ich denke, und<br />

manchmal anders bin. Ich bin die ersten 13<br />

Jahre meines Lebens dort aufgewachsen. Es<br />

ist mir auch wichtig, meine Heimat meinen<br />

Kindern zu zeigen. In spätestens einem Jahr<br />

will ich mit ihnen einen Trip durch Argentinien<br />

unternehmen. Im Übrigen bin ich seit<br />

20 Jahren mit meiner Frau zusammen.<br />

Was ist das Geheimnis Ihres Beziehungs-Erfolges?<br />

Wir haben viel zusammen erlebt, und man<br />

muss an sich arbeiten. Wir haben im Krankenhaus<br />

geheiratet, sie wäre beinahe wegen<br />

eines Darmdurchbruchs gestorben. Wir gehen<br />

immer noch einmal in der Woche aus.<br />

Ich lerne so viel von ihr. Sie weiß gar nicht,<br />

wie viel sie mir gibt durch ihre Art, anders<br />

zu sein als ich. Ohne ihre Unterstützung<br />

wäre ich nicht, wo ich bin. Sie hat damals<br />

die Wohnung bezahlt, als ich keinen Cent<br />

hatte. Man wird als junger Designer komplett<br />

ausgenutzt.<br />

Damit ist es jetzt vorbei ...<br />

... ich könnte bald etwas weniger arbeiten.<br />

Was ich bei vielen Künstlern, vor allem Architekten<br />

und Designern, entdecke, ist dieser<br />

extreme Egoismus: Ich, ich und nochmal ich.<br />

Ich sehe das anders. Mein Bruder ist sehr<br />

früh an Aids gestorben, mein bester Freund<br />

hat sich umgebracht. Das sind alles Dinge,<br />

die Design komplett lächerlich aussehen<br />

lassen.<br />

War und ist <strong>Alfredo</strong> <strong>Häberli</strong> ein Partymensch?<br />

Ja, das ist für mich auch heute noch Teil<br />

des Lebens. Nur versuche ich, dem Körper<br />

gerecht zu werden. Aber ich lebe sehr stark<br />

den Moment, das ist auch ein sehr argentinischer<br />

Wesenszug. Man weiß nie, ob<br />

man morgen noch etwas zu essen hast. Das<br />

zeichnet meine Leidenschaft aus. Früher bin<br />

ich viermal die Woche ausgegangen, war


WOHNENDESIGNER<br />

am nächsten Tag topfit und hatte die besten<br />

Ideen. Aber was auch wichtig ist: Wenn man<br />

einen Preis bekommt, wie jetzt bei der „Kortrijk<br />

Guest of Honour“, muss man das auch<br />

zu schätzen wissen.<br />

Sie haben Kortrijk angesprochen: Was<br />

ist zu erwarten?<br />

Wir gestalten ganze 1.500 Quadratmeter<br />

Ausstellungsfläche. Und das für kleine Produkte.<br />

Aber wir werden das hinbekommen.<br />

Hält man sich da aufgrund seiner Prominenz<br />

in Zürich manchmal zurück?<br />

Das ist mir total egal. Ich lebe nur einmal und<br />

bin immer gleich. Ich habe auch mit meinen<br />

Kunden Spaß, bin aber professionell. Das<br />

ist ein Teil von mir. Wenn das jemand dann<br />

nicht akzeptiert, dann eben nicht. Ich tanze<br />

viel. Manche Menschen schätzen das falsch<br />

ein. Sie denken: Der macht sich lächerlich,<br />

088 H.O.M.E.<br />

Nein. Obwohl <strong>Häberli</strong><br />

in Argentinien geboren<br />

worden ist, hält er<br />

nichts von Fußball<br />

Ja. Der Mann gibt offen<br />

zu: Sex ist ein guter<br />

Problemlöser. Liegt an<br />

der totalen Entspannung<br />

danach<br />

„Ich bin nicht<br />

zufrieden, ich habe<br />

das Niveau noch<br />

nicht erreicht, findet<br />

ihr das auch?“<br />

wenn er hier so die Sau rauslässt. Aber<br />

im gleichen Moment ist es genial. In mir<br />

schlummern eben zwei Seiten. Und ich<br />

schwitze gerne!<br />

Schon mal eine Nacht in einer Ausnüchterungszelle<br />

verbracht?<br />

Nein, das nun auch wieder nicht. Höchstens<br />

mal auf einer Bank im Büro, weil ich mich<br />

nicht nach Hause getraut habe.<br />

Ist es Ihnen wichtig, dass man ein Produkt<br />

mit Ihrem Gesicht verbindet?<br />

Ich bin ein großer Liebhaber – und das habe<br />

ich erst in der Schweiz gelernt – von anonymen<br />

Gegenständen, wie dem Kartoffelschäler<br />

oder dem Schweizer Sackmesser. Ideen,<br />

die mit einem kommunizieren, aber man<br />

weiß nicht, wer dahintersteckt. Natürlich<br />

wollen Firmen den Namen eines Designers.<br />

Aber ich versuche, dass das Produkt kommuniziert.<br />

Da ich keine so klare Handschrift<br />

wie ein Marc Newson habe, muss man zweimal<br />

hinsehen. Dann erkennt man schon den<br />

<strong>Häberli</strong>, aber nicht auf den ersten Blick. Das<br />

wäre mir zu plump. Das ist auch der Grund,<br />

warum es einige Zeit gedauert hat, bis ich<br />

international anerkannt wurde.<br />

Ihre Trademark ist nicht das Schreiende.<br />

Sie ordnen sich mehr dem Produkt<br />

unter. Würden Sie sagen, im Detail liegt<br />

Ihre Stärke?<br />

Ja, das kann man so sagen. Das verhält sich<br />

ähnlich wie bei dem Beispiel mit dem Kind:<br />

Man muss die Begabung haben, das Glas<br />

mit anderen Augen zu sehen. Wenn dir das<br />

gelungen ist, hast du das Vertrauen in dich.<br />

Denn ein neuer Stuhl, ein neues Glas, das<br />

sind schwierige Momente. Wir versuchen<br />

eine Rechtfertigung zu finden, warum wir<br />

etwas Neues entwerfen. Die 80er Jahre,<br />

als ich in Zürich studiert habe, waren sehr<br />

negativ. Viele Drogen, Konsum war out.<br />

Ich bin noch heute extrem gegen Konsum.<br />

Deswegen suche ich ja diese kleinen Entdeckungen,<br />

etwas, das noch keiner gedacht<br />

hat, wie zum Beispiel einen Kleiderbügel mit<br />

einem Griff.<br />

Hatten Sie immer ein Grundvertrauen<br />

in sich selbst?<br />

Ich habe beides in mir. Vertrauen und großes<br />

Selbstbewusstsein habe ich durch meine<br />

Eltern erlangt. Sie haben uns gefördert, aber<br />

nicht durch Schulen und Geld, sondern indem<br />

sie gesagt haben: Designer zu werden<br />

ist hart, aber wenn du es willst, schaffst du<br />

es auch. Aber ohne meine Fragen und Zweifel<br />

würde ich nicht weiterkommen, sondern<br />

wäre nicht mehr als ein arroganter Kerl. Ich<br />

bin sehr langsam beim Entwickeln meiner<br />

Ideen. Ich hinterfrage mich immer selbst und<br />

spreche das auch gegenüber Kunden aus,<br />

etwa in der Art: „Ich bin nicht zufrieden, ich<br />

habe das Niveau noch nicht erreicht, findet<br />

ihr das auch?“<br />

Sind Sie der Typ Mensch, dem Freunde<br />

stets rieten: „Mensch, <strong>Alfredo</strong>, verkaufe<br />

dich doch besser. Sei nicht so<br />

ehrlich!“<br />

Ja, sicher, das habe ich auch schon zu hören<br />

bekommen. Darum bin ich wahrscheinlich<br />

so zufrieden. Ich habe sechs Mitarbeiter. Wir<br />

beziehen alle Lohn und haben einen traumhaften<br />

Job. Was kann ich machen: noch eine<br />

Million, noch ein Haus, noch ein Auto? Da<br />

habe ich viel zu viel in der Schweiz gelernt.<br />

Es reicht doch. Ich teile. Das ist mein Leben.<br />

So lebe ich meine Kindheit weiter. Aber alles<br />

ist ehrlich erarbeitet. Nichts ist geschenkt.<br />

Gibt es etwas, das Sie für Ihre Arbeit<br />

nicht verwenden würden?<br />

Natürlich. Aber ich bin da sehr neutral. Über<br />

die Gewehr-Lampen von Philippe Starck<br />

habe ich mich aufgeregt, eigentlich grundlos.<br />

Ich dachte mir: Wie erkläre ich das meinem<br />

Sohn? Das ist Ironie, aber ist die so toll? Die<br />

Form an sich oder die Methodik, auf die Idee<br />

für eine neue Lampe zu kommen, finde ich<br />

genial. Aber als ich es gesehen habe, war ich<br />

enttäuscht und wütend.<br />

Kann man einen Klassiker wie das<br />

Schweizer Taschenmesser noch neu<br />

designen?<br />

Natürlich, man kann extrem viel verbessern.<br />

Ich bekomme die Klinge bei diesen Dingern<br />

manchmal gar nicht heraus und breche mir<br />

die Fingernägel.


090<br />

WOHNENDESIGNER<br />

H.O.M.E.<br />

Kortrijk Xpo Info<br />

Interieur 06<br />

13-22 Oktober 2006<br />

13-22 Oktober 2006<br />

www.interieur.be/biennale06<br />

Kortrijk Xpo<br />

Doorniksesteenweg 216<br />

B-8500 Kortrijk, Belgien<br />

+32 (0)56 24 11 11<br />

+32 (0)56 21 79 30<br />

www.kortrijkxpo.be<br />

Kreativkopf. Bei der<br />

„Kortrijk Xpo“ gestalten<br />

<strong>Häberli</strong> und sein Team<br />

eine Ausstellungsfläche<br />

von 1.500 qm. Oder<br />

anders formuliert: die<br />

Perle der Messe<br />

Sie meinten, Sie seien eher konsumkritisch.<br />

Design steht für Konsum.<br />

Wie befreien Sie sich aus diesem<br />

Zwiespalt?<br />

Ich habe ein Problem mit Konsum und Design,<br />

wenn beispielsweise die Autoindustrie<br />

ganz gezielt die Mittel von Gestaltung einsetzt,<br />

um das Auto vom letzten Jahr bewusst<br />

älter aussehen zu lassen. Man sagt damit<br />

dem Konsumenten: Dein Auto ist veraltet.<br />

Das geht mir brutal auf den Keks. Ich fahre<br />

meinen Saab 900 seit 14 Jahren. Wenn ich<br />

ein Auto sehe, das vor fünf Jahren designt<br />

wurde und heute schon wieder alt aussieht,<br />

muss ich sagen, da hat jemand aus meiner<br />

Sicht die Hausaufgaben nicht gemacht. Natürlich<br />

haben sie den Job auf ihre Art sehr gut<br />

erledigt, denn das war ja das Ziel.<br />

Können Sie schon etwas über Ihr neues<br />

Volvo-Projekt verraten?<br />

Nein. Aber Sie bekommen die Exklusivrechte,<br />

wenn es so weit ist!<br />

Ganz anderes Thema: Schon jemals<br />

nach dem Sex die Lösung für ein Problem<br />

gehabt?<br />

Natürlich, schon öfters. Man ist entspannt<br />

und in sich gekehrt. Man liegt dösend da,<br />

und dann kommt das.<br />

Wie reagieren Sie auf Aggression?<br />

Sehr schlecht. Ich hasse es, wenn Leute sich<br />

schlagen. Das ist vielleicht das, was ich an<br />

Argentinien hasse: dieses Macho-Getue,<br />

diese unüberlegten Fäuste. Das ertrage ich<br />

nicht. Aber wahrscheinlich liegt es daran,<br />

dass ich keine Muskeln habe und mich für<br />

mein Dünnsein immer geschämt habe.<br />

Gibt es Momente, in denen <strong>Alfredo</strong><br />

<strong>Häberli</strong> so richtig laut werden kann?<br />

Nein, eher wenige. Wenn man etwas sagen<br />

muss, muss man jemanden nicht durch die<br />

Lautstärke kleinkriegen. Das finde ich unter<br />

meinem Niveau (lacht). Aber ich kann laut<br />

werden, wenn ich Ungerechtigkeit empfinde.<br />

Dann wehre ich mich. Ich finde die im<br />

Judo verankerte Haltung gut: Man nimmt<br />

die Kraft des Gegners und verwendet sie<br />

für sich.<br />

Sind Sie schon mal in eine Prügelei<br />

geraten?<br />

Ja. Aber das ist schon lange her, zwanzig<br />

Jahre vielleicht. Das war tatsächlich in der<br />

Schweiz.<br />

Standardfrage: Ihr Lebensmotto in<br />

freien Worten ...<br />

Genieße den Moment, den Augenblick,<br />

koste es aus. Das ist etwas, was ich sehr<br />

wichtig finde, Freude zu haben und zu leben.<br />

Und ich finde Respekt sehr wichtig. Respekt<br />

gegenüber Mitmenschen, gegenüber der<br />

Geschichte. Ich hasse Respektlosigkeit.<br />

Was ist das Verrückteste, das Sie noch<br />

machen wollen?<br />

Sport, der mich an die Grenzen bringt. Und<br />

ich wollte immer mal in den Knast. Beim Militär<br />

habe ich alles Mögliche angestellt, aber<br />

sie haben mich nicht eingebuchtet, weil sie<br />

wussten, dass ich es darauf anlege. Ich frage<br />

mich: Was passiert, wenn man allein in der<br />

Zelle sitzt? Was geht da in meinem Gehirn<br />

ab? Was geschieht mit dir in einem Raum,<br />

der keine Inspiration bietet. Ich weiß es<br />

einfach nicht, weil ich ständig mit visuellen<br />

Reizen beschäftigt bin.<br />

Ihre Liebe zu Autos ist bekannt.<br />

Würden Sie in einen Formel-1-Boliden<br />

steigen?<br />

Als Experiment sofort. Jetzt gleich.<br />

Ein Fallschirmsprung wäre also ein<br />

gutes Geschenk für Sie?<br />

Absolut. Sofort. Morgen. n<br />

STECKBRIEF<br />

ALFREDO <strong>HÄBERLI</strong> wurde 1964 in<br />

Argentinien als Sohn Schweizer Einwanderer<br />

geboren. Er wächst mit einem Bruder<br />

und zwei Schwestern auf. Als 13-Jähriger<br />

kommt er zurück in die Schweiz. Er studiert<br />

an der Höheren Schule für Gestaltung in<br />

Zürich (1986–1991). Ab 1988 gestaltet er<br />

Ausstellungen am Museum für Gestaltung in<br />

Zürich. Zu seinen Vorbildern zählt der Italiener<br />

Achille Castiglioni, der ihm auch eines Tages<br />

rät, ein eigenes Studio zu gründen. 1991<br />

startet <strong>Alfredo</strong> <strong>Häberli</strong> als Freelance Designer,<br />

heute beschäftigt er mit seinem Design<br />

Development sechs Mitarbeiter. Zu seinen<br />

Kunden zählten bzw. zählen u. a. Absolut<br />

Wodka, Alias, Asplund, Authentics, Cappellini,<br />

Edra, Eternit, Danese, Driade, Iittala,<br />

Leitner, Luceplan, Magis, Moroso, Offecct,<br />

Rörstrand, Semplicitas, Thonet, Trunz, Volvo,<br />

Wohnbedarf, Zanotta. Vom 13. bis 22. Oktober<br />

ist er Guest of Honour auf der diesjährigen<br />

„Kortrijk Xpo“ und wird auf der „Interieur 06“<br />

einen Querschnitt seiner Arbeit auf 1.500 qm<br />

darstellen. „Ganz schön hohe Räume für so<br />

kleine Objekte“, meint er dazu mit seinem<br />

augenzwinkernden Humor. <strong>Alfredo</strong> <strong>Häberli</strong> lebt<br />

mit seiner Frau und zwei Kindern in Zürich.<br />

BUCH<br />

<strong>Alfredo</strong> <strong>Häberli</strong> Design Live<br />

Birkhäuser Verlag, € 49,90, erscheint Anfang<br />

Oktober 2006, ISBN 3-7643-8082-3<br />

Sieben Schweizer Künstler interpretieren<br />

die Arbeit von <strong>Alfredo</strong> <strong>Häberli</strong>. Darunter<br />

Newcomer wie Stefan Burger und David<br />

Renggli oder arrivierte Aktionisten wie Roman<br />

Signer. Das Ergebnis sind vielschichtige, anregende<br />

und nicht zuletzt humorvolle Arbeiten.

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