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«Zum Frühstück eine Nase» (04/34/032) - MANG

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32 GESELLSCHAFT | LIFESTYLE<br />

<strong>«Zum</strong> <strong>Frühstück</strong> <strong>eine</strong> <strong>Nase»</strong><br />

Der Schönheitspapst vom Bodensee hat <strong>eine</strong> Mission: Werner L. Mang will die ästhetische<br />

Chirurgie vom Schmuddelimage befreien. Bald können ihn s<strong>eine</strong> Anhänger<br />

in <strong>eine</strong>r Blut-und-Faden-TV-Serie bewundern. Von Christiane Binder und Rita Palanikumar<br />

So weit müsste es kommen: Dass<br />

die Mang-Nase auch noch vererbbar<br />

wäre. Allein in Deutschland<br />

laufen zehntausend Exemplare davon herum.<br />

Bei <strong>eine</strong>m Aufenthalt im Luxushotel<br />

«Mardavall» auf Mallorca zählte der Schönheitschirurg<br />

im Swimmingpool gleich drei.<br />

Prof. Dr. Dr. med. habil. Werner L.<br />

Mang, demnächst 55, Deutschlands berühmter<br />

Chef der Bodenseeklinik, gilt<br />

in der Schnippel-Szene als der Mang, der<br />

auch schwerste Fälle ausbügelt. Zum<br />

«Nasen-Papst» pilgern seit Jahren die vom<br />

Rampenlicht zerknitterten Grössen der<br />

Unterhaltungsindustrie. Nun ist Mangs<br />

Jungbrunnen auf der Lindau-Insel selbst<br />

Fernseh-Schauplatz inklusive Blick auf den<br />

Bodensee: RTL hat dort den fiktiven Blutund-Faden-Vierteiler<br />

«Beauty Queen» über<br />

zwei sich beharkende Schönheitschirurgen-<br />

Brüder abgedreht – den Skrupellosen spielt<br />

Carsten Spengemann, den Guten Ex-Balko<br />

Jochen Horst. Programmstart ist im Herbst.<br />

Mang, der Maestro. In jeder Folge tritt<br />

er kurz als «Professor Mang» in Erscheinung,<br />

nahe liegend, denn schon im wirklichen<br />

Leben verkörpert er das Idealbild der<br />

Koryphäe: Von schlaksiger Statur, asketisch,<br />

das zurückgekämmte Haar am Hinterkopf<br />

gekräuselt, beherrscht er das gesamte<br />

Verhaltensinstrumentarium des erfolgreichen<br />

Mannes. Von einschüchternd<br />

professoral bis fast jungenhaft charmant,<br />

höflich im Umgangston, lässt er <strong>eine</strong>n<br />

Hauch von Geheimnis offen: Ist das echt<br />

oder nur begnadete Selbstdarstellung?<br />

Finger für Millionen Euro versichert<br />

Mang würde sich auch gut als Alpha-Kulturschaffender<br />

machen, als Dirigent oder<br />

Grossschriftsteller. Ihm selbst reicht «Pionier<br />

und Visionär». Kernsatz s<strong>eine</strong>s Schaffens:<br />

«Die herausragende Persönlichkeit<br />

zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich<br />

nicht von Niederlagen erschüttern lässt,<br />

FACTS 19. August 20<strong>04</strong><br />

durch unermüdlichen Fleiss und die Qualität<br />

ihrer Arbeit.»<br />

Der Werbewert der TV-Antifaltenpackung<br />

für den Präsidenten der Weltgesellschaft<br />

für ästhetische Chirurgie ist<br />

unschätzbar. Dabei ist PR das, was der sendungsbewusste<br />

Professor am wenigsten<br />

braucht. Wann und wo immer es ums operative<br />

Geschäft mit der Schönheit geht, hat<br />

er s<strong>eine</strong> mit <strong>eine</strong>r Million Euro pro Stück<br />

versicherten Finger im Spiel. Chinesische<br />

Spezialisten lesen das Schnittmusterbuch<br />

Jeder Vierte, der Mang visitiert, ist<br />

ein Mann. Frauen sind zahlreicher<br />

und härter im Nehmen.<br />

von «Dakta Meng» wie <strong>eine</strong> päpstliche Enzyklika.<br />

Doktoren in Sankt Petersburg sehen<br />

ihm ehrfurchtsvoll beim Einschnitt<br />

über die Schulter. In der Schweiz kämpft<br />

er als Leiter der Abteilung ästhetische Chirurgie<br />

am Kantonsspital Appenzell Innerrhoden<br />

skalpellführend für die fachlich<br />

optimale Beseitigung eidgenössischer Krähenfüsse<br />

und Höckerlangnasen.<br />

Möglich, dass Mang am Wochenende,<br />

das OP-Besteck im Köfferchen, nach Arabien<br />

jettet, um irgendwelche Saudis zu reparieren.<br />

Doch in s<strong>eine</strong>r Bodenseeklinik<br />

fehlt der VIP-Raum, es ist der gem<strong>eine</strong><br />

Schönheitsanbeter, der ihm mehrheitlich<br />

die Türen einrennt: Bis zu 100 Hoffnungsvolle<br />

stauen sich für <strong>eine</strong> Vorbesichtigung.<br />

Ein halbes Jahr warten sie auf <strong>eine</strong>n Platz in<br />

dem 50-Betten-Haus, dessen südliche Eleganz<br />

k<strong>eine</strong>n Gedanken zulässt an ein Spital.<br />

K<strong>eine</strong> Bettpfannen, k<strong>eine</strong> scheppernde Essensausgabe.<br />

Dafür Rosen im Garten, im<br />

Foyer moderne Kunst sowie die Vitrine <strong>eine</strong>r<br />

örtlichen Boutique mit Prada-Schuhen,<br />

Pucci-Schals. Mang, der auch ein Faible für<br />

Architektur pflegt, hat den Bau selbst entworfen,<br />

Vorbild war der Firmensitz des italienischen<br />

Lederwaren-Labels Todd’s. In<br />

den vier Operationssälen wird manchem<br />

die Haut über die Ohren gezogen – krankschreiben<br />

darf der Schönmacher nicht. S<strong>eine</strong><br />

«Patienten» erfreuen sich, äusserlich wenigstens,<br />

bester Gesundheit.<br />

Tag für Tag fiebern sie ihm entgegen, im<br />

Wartebereich aufgereiht wie die Spatzen<br />

auf dem Draht. Jeder Vierte, der Mang visitiert,<br />

ist ein Mann – «der schwierigere Patient»,<br />

sagt er, «oft anspruchsvoll und wehleidig»,<br />

die Frauen sind zahlreicher und härter<br />

im Nehmen. Der Typ verwöhnte Gattin<br />

ist lange schon in der Minderheit, noch seltener<br />

sind Mauerblümchen. Kurze Röcke,<br />

hochhackige Schuhe, Nagellack in allen Farben;<br />

diese Evas haben vom Teenageralter an<br />

gelernt, fürs letzte Taschengeld das Beste<br />

aus sich zu machen: Schönheitschirurgie ist<br />

was für die Schönen, und die Schönste im<br />

ganzen Land war nur Schneewittchen.<br />

«Es hat gar nicht wehgetan»<br />

Jeder Neuen folgen verstohlen taxierende<br />

Blicke: Was lässt die wohl machen? Sicher<br />

das Kinn, ist auch Zeit. Die Nächste, bitte.<br />

Die Damen an der Rezeption sind so ansehnlich<br />

wie freundlich. Die Beste erhält jeweils<br />

den Titel «Angestellte des Jahres» und<br />

darf sich zum Lohn unters Messer des Chefs<br />

begeben. Die Siegerin des Jahres 2003, <strong>eine</strong><br />

strahlend attraktive 30-Jährige mit geschwungenem<br />

Mund, wohlgerundeter Büste<br />

und tadelloser Nase – «alles Natur» –,<br />

wählte <strong>eine</strong> Fettabsaugung an den Oberschenkeln.<br />

Seither trägt sie glücklich Hosengrösse<br />

38 statt 40, der Ehemann und die<br />

Eltern sind versöhnt. Sie hatten gebremst:<br />

«Bleib, wie du bist.» Die entschlackten Partien<br />

sehen aus wie echt, «es hat gar nicht<br />

wehgetan.» «Schönheitschirurgie ist k<strong>eine</strong><br />

Veränderungs-Chirurgie, sondern Wohlfühl-Chirurgie»,<br />

pflegt Mang zu sagen.<br />

Dem Anrufer in der Bodenseeklinik, der<br />

nicht sofort durchgestellt werden kann,<br />

klingen die Scorpions entgegen. «Winds <br />

LIFESTYLE | GESELLSCHAFT 33<br />

Werner L. Mang in s<strong>eine</strong>m Arbeitszimmer: «Die herausragende Persönlichkeit lässt sich von Niederlagen nicht erschüttern.»<br />

19. August 20<strong>04</strong> FACTS


<strong>34</strong> GESELLSCHAFT | LIFESTYLE<br />

Mangs Werk — Nasenkorrektur: «Das Zentrum des Gesichts, da greife ich schöpferisch ein.»<br />

of Change» – weil der Sänger Klaus M<strong>eine</strong><br />

ein Freund sei, sagt Mang. Doch der Aufwind-Song<br />

passt auch sonst. Wo alles jammert,<br />

alles darbt, herrscht in der ästhetischen<br />

Chirurgie <strong>eine</strong> Gründerzeitstimmung<br />

wie bei den Stahlbaronen des 19. Jahrhunderts:<br />

zu wenig Fachärzte, zu wenig Kliniken<br />

und Millionen Bedürftige, die sich um<br />

die Dienste reissen. In Umfragen beklagt jeder<br />

dritte Deutsche, dass er sein Spiegelbild<br />

nicht (mehr) mag. 48 Prozent der Mädchen<br />

passt die eigene Nase nicht. Im Jahr 2001<br />

leisteten sich 400000 Deutsche <strong>eine</strong> einschneidende<br />

Veränderung, bald sind es<br />

<strong>eine</strong> Million, schätzt Mang. Für die Schweiz<br />

gibt es k<strong>eine</strong> Zahlen, doch dass in Zürich am<br />

8. September das erste «interdisziplinäre<br />

Anti-Aging-Symposium» stattfindet, weist<br />

den Weg: Goldene Nasen sind zu verdienen,<br />

die schleichende Vergreisung ist der Milliarden-Blankoscheck<br />

auf die Zukunft.<br />

Denn die Eitelkeit stirbt zuletzt, zusammen<br />

mit dem sich auflösenden Gehirn, aber<br />

der Mensch mit s<strong>eine</strong>r nackten Haut und<br />

FACTS 19. August 20<strong>04</strong><br />

der ungünstigen Statik, bei der alles in den<br />

Keller sackt, ist unter allen Lebewesen dasjenige,<br />

das am hässlichsten altert. Zur optischen<br />

Heimsuchung durch Besenreiser,<br />

Hängebrüste, Krampfadern, Reithosenspeck,<br />

Tränensäcke oder Zornfalten gesellen<br />

sich Übel wie trübe Augen, ausfallende<br />

Zähne und schüttere Stellen am Kopf.<br />

Kriegt Mang alles weg, s<strong>eine</strong> der Bodenseeklinik<br />

angeschlossene «erste Anti-Aging-<br />

Klinik in Europa» führt auch die Laser-Be-<br />

Goldene Nasen sind zu verdienen,<br />

die Vergreisung ist der<br />

Blankoscheck auf die Zukunft.<br />

handlung der Augen, Zahnimplantationen<br />

und Haartransplantationen im Sortiment.<br />

Zügig plant der Körper-Bildhauer den<br />

Ausbau s<strong>eine</strong>s Imperiums: Neben <strong>eine</strong>r der<br />

Bodenseeklinik nachempfundenen Dependance<br />

am Wannsee bei Berlin soll demnächst<br />

<strong>eine</strong> Tagesklinik in der Gemeinde<br />

Rorschacherberg entstehen, vom Stil her<br />

«schlossartig», könnte er sich vorstellen.<br />

Von s<strong>eine</strong>r Leidenschaft für Restaurationsarbeiten<br />

profitiert last, not least die Stadt<br />

Lindau, wo die Mang-Klinik so gut ausgeschildert<br />

ist, dass Mühe dazugehört, sie zu<br />

verfehlen. Menschen mit komisch geschienten<br />

Nasen gehören zum Stadtbild. Jedes<br />

Jahr kauft Mang ein marodes Haus in der<br />

Innenstadt, lässt es herrichten und markiert<br />

es mit s<strong>eine</strong>m Familienwappen.<br />

Dabei ist es noch nicht so lange her, da<br />

musste auch ein Mang erst die Fäden ziehen,<br />

bevor er in den Hochglanzkreisen die<br />

ersten Schnitte setzten konnte. Auf Partys<br />

vergassen die Prominenten ostentativ, ihn<br />

zu grüssen – man hätte ja in Verdacht geraten<br />

können. Das war die Zeit, als Schauspielerinnen<br />

wie Iris Berben quer durch die<br />

Talkshows tönten, sie würden nie «was machen»<br />

lassen. Heute «hat» auch sie – obwohl<br />

die Anfangsfünfzigerin ihr Anfangsvierzigerinnen-Aussehen<br />

«nur» gesunder Lebensweise<br />

und Mineralwassertrinken verdankt<br />

haben will. Wars Mang? Geschäftsgeheim-<br />

Mangs Werk — Brustvergrösserung: «Liebe kann man sich mit <strong>eine</strong>r Schönheitsoperation nicht kaufen.»<br />

nis. Dass Costa Cordalis dank Mang wieder<br />

<strong>eine</strong> volle Lippe riskieren kann, weil da nun<br />

Fett sitzt, das vorher s<strong>eine</strong> Hüften polsterte,<br />

posaunt der Schlagersänger selbst hinaus –<br />

auf s<strong>eine</strong> Art auch er ein Pionier. Denn noch<br />

trieft die Diskussion vor Heuchelei. Dieselben<br />

Leute, die als Erste lästern («Sieht echt<br />

alt aus. Ob die Ehe intakt ist?») erzählen<br />

sich lustvoll Witze über missratene<br />

Schlauchbootlippen: «Die Frau vom Aga<br />

Khan soll <strong>eine</strong>n Vorkoster haben. Zum Testen<br />

der Temperatur ihrer Speisen. Warum?<br />

Weil Silikon bei 60 Grad platzt.»<br />

Für die «Oberschicht sind Schönheitsoperationen<br />

noch immer ein Tabuthema»,<br />

sagt Mang. Eine ganze Wand s<strong>eine</strong>s dezent<br />

repräsentativen Arbeitszimmers ist tapeziert<br />

mit Fotos: Mang und die Reichen, die<br />

Wichtigen, die Klugen. Wen kennt er<br />

eigentlich nicht? «Ich könnte ein Jahr lang<br />

reisen und wäre immer bei Freunden eingeladen.»<br />

Längst nicht alle der Abgebildeten<br />

haben auf s<strong>eine</strong>m Schneidetisch gelegen,<br />

sie sehen aus, wie die Natur sie schuf. Sieg-<br />

fried und Roy, die in ewiger Frische konserviert<br />

aus dem Rahmen lächeln — haben sie<br />

sich anderweitig aufpolieren lassen? «Geklonte<br />

Floridagesichter, das ist nicht die<br />

Mang-Schule», sagt Mang. Mehr nicht. Auf<br />

Anfrage liefert er sogar Arbeit, die k<strong>eine</strong>r<br />

sieht: Der Gatte <strong>eine</strong>r Frau, die Mang um ein<br />

Facelifting ersuchte, «das mein Mann nicht<br />

bemerkt», ist noch heute ahnungslos.<br />

«Liebe kann man sich mit <strong>eine</strong>r Schönheitsoperation<br />

nicht kaufen.» Auch dies ein<br />

Nie ein ruchbarer OP-Fehler.<br />

Nie <strong>eine</strong> Unregelmässigkeit<br />

ausserhalb s<strong>eine</strong>s Ehelebens.<br />

gern kolportiertes Mang-Mantra. Die Wände<br />

der oberen Klinik-Stockwerke sind gepflastert<br />

mit gerahmten Seiten aus Zeitungen<br />

und Magazinen von Boulevard bis seriös.<br />

Mang analysiert den Körperkult bei<br />

Managern. Mang beantwortet «7 Fragen<br />

zum Silikon-Busen» oder – «Herr Professor,<br />

wie lang hält denn das?» – zur Botox-Injek-<br />

LIFESTYLE | GESELLSCHAFT 35<br />

tion. Der deutsche «Spiegel» nannte ihn salopp<br />

den «Falten-Terminator vom Bodensee»,<br />

doch wirklich hässlich Unterspritztes<br />

schreibt k<strong>eine</strong>r. Mangs selbstironischer<br />

Umgang mit kritischen Fragen nimmt Gegnern<br />

gleich den Wind aus den Segeln. Obwohl<br />

chronisch knapp an Zeit, steht er den<br />

Medien zudem stets konziliant Rede und<br />

Antwort. «Der sagt, ich tue Gutes, also rede<br />

ich darüber, das macht die Arbeit einfach»,<br />

sagt ein RTL-Mann.<br />

Am Zeug kann Mang sowieso k<strong>eine</strong>r<br />

flicken: nie ein ruchbar gewordener OP-Fehler.<br />

Nie <strong>eine</strong> Unregelmässigkeit ausserhalb<br />

s<strong>eine</strong>s 18-jährigen Ehelebens mit Sybille,<br />

ihr und s<strong>eine</strong>n beiden Kindern hat er sein<br />

Lehrbuch gewidmet. Nie ein Mang mit dem<br />

Weinglas in der Hand. Dass sich der Autonarr<br />

schon mal lässig an <strong>eine</strong>n s<strong>eine</strong>r im<br />

Jahresrhythmus ausgetauschten Porsches<br />

gelehnt ablichten lässt – nun denn, da gibt<br />

es andere, die ihren Wohlstand ungenierter<br />

exponieren. Vom ersten verdienten Geld<br />

leistete er sich das chirurgische Besteck <br />

19. August 20<strong>04</strong> FACTS


36 GESELLSCHAFT | LIFESTYLE<br />

von Napoleons Leibarzt, das nun <strong>eine</strong>n Ehrenplatz<br />

im Arbeitszimmer hat.<br />

Mangs einziges Laster ist der manische<br />

Drang, der Beste zu sein mit dem Skalpell.<br />

Der Sohn <strong>eine</strong>s Forstdirektors – «mit preussischer<br />

Erziehung» –, geboren am 4. September<br />

im Sternzeichen der angeblich perfektionssüchtigen<br />

Jungfrau, hat sich hochgearbeitet,<br />

Schnitt für Schnitt. Sechs bis<br />

acht Operationen pro Tag, 30000 Eingriffe<br />

im Ganzen. Am glücklichsten ist er, wenn<br />

<strong>eine</strong> Nase vor ihm liegt, die erste am liebsten<br />

schon «zum <strong>Frühstück</strong> um halb acht»,<br />

k<strong>eine</strong> Arbeit, r<strong>eine</strong> Entspannung. «Weltweit<br />

gibt es nur zehn Nasen-Operateure, die<br />

mehr als 500 Nasen im Jahr machen», <strong>eine</strong>r<br />

davon ist er. Musik muss erklingen, irgendwas<br />

Indisches, Buddhistisches: Konzentration<br />

auf «das Schwierigste, das Zentrum des<br />

Gesichts, da greife ich schöpferisch ein».<br />

Die Mang-Nase, wie sie ihm Lehrbuch steht,<br />

zeigt zwischen Oberlippe und Nasensteg <strong>eine</strong>n<br />

Winkel von 100 bis 110 Grad (Männer:<br />

95 bis 100) und ist befreit vom «Mang’schen<br />

Dreieck», <strong>eine</strong>m Knorpel-Triangel, den der<br />

Meister mit <strong>eine</strong>r Art Geflügelschere abzwickt.<br />

Selbst die gezeichneten Schaubilder<br />

schlagen dem Laien auf den Magen.<br />

Badeschwämme aus Brüsten gezogen<br />

Für diesen Job muss <strong>eine</strong>r geboren sein.<br />

Schon mit 14 wollte Mang «nur Gesichter<br />

modellieren». Nach dem Abitur flog er nach<br />

Rio zu Ivo Paranguy. Harrte zehn Stunden<br />

im Sekretariat, bis der brasilianische<br />

«Barnard der Gesichtschirurgie» sich mit<br />

dem Nobody aus Lindau abgab. Nach der<br />

Medizinlehrzeit – inklusive Ausbildung<br />

zum Hals-Nasen-Ohren-Facharzt – nähte<br />

Mang in der Unfallchirurgie zerfetzte Ge-<br />

FACTS 19. August 20<strong>04</strong><br />

Mangs Werk — Lippenaufpolsterung: «Geklonte Floridagesichter, das ist nicht die Mangschule.»<br />

sichter zusammen und bereiste die Welt,<br />

um sich die besten Schnitt- und Polsterungsarbeiten<br />

abzugucken, Paranguy ist<br />

heute sein Freund.<br />

«Eine Schönheitsoperation ist kein Friseurbesuch»,<br />

wird Mang nicht müde, vor<br />

unerfahrenen Kollegen zu warnen, deren<br />

Raffgier sich oft nicht nur auf die Runzeln<br />

beschränkt. Ein guter Teil s<strong>eine</strong>r Kunden<br />

sind Opfer von Pfusch-Mechanikern, er hat<br />

schon Badeschwämme aus Brüsten gezogen.<br />

Seit Jahren kämpft er für die Instandsetzung<br />

mit Qualitätssiegel: Zum «Ersten<br />

Internationalen Kongress für ästhetische<br />

Chirurgie und Medizin» unter s<strong>eine</strong>r Leitung<br />

kamen im vergangenen Jahr 500 Spe-<br />

zialisten nach Lindau, die Bodenseeklinik<br />

ist ein Mekka für ausbildungswillige Spezialisten.<br />

Der Titel des Schönheitschirurgen ist<br />

nicht geschützt, die Standesverbände haben<br />

den Boom offensichtlich unterschätzt, verschlafen.<br />

In der Schweiz kann jeder nach<br />

dem Eidgenössischen Arztdiplom und <strong>eine</strong>r<br />

zweijährigen Weiterbildung machen, was er<br />

will. Dass <strong>eine</strong>r Murks fabriziert hat,<br />

kommt erst raus, wenn ein Patient klagt,<br />

aber wer macht das schon mit <strong>eine</strong>m schiefen<br />

Gesicht? Da Schönheits-OPs privat bezahlt<br />

werden, fallen zudem die Kassen als<br />

Kontrollinstanz aus, für deren Leistungen<br />

ein Mediziner «befähigt» sein muss. Die<br />

Mangs Werk — Fettabsaugen am Oberschenkel : «Lebenshilfe mit dem Skalpell.»<br />

Schweizerische Gesellschaft für rekonstruktive<br />

und ästhetische Chirurgie, angeschlossen<br />

sind 114 Mitglieder, rät tunlichst,<br />

vor <strong>eine</strong>r Verschönerungsaktion ihre Gratislisten<br />

zuverlässiger Ärzte anzufordern.<br />

Jeder kann heute die sterbliche Hülle<br />

haben, die er verdient. Ab 16 Nasenkorrektur<br />

(7000 bis 12000 Franken), ab 30 kommen<br />

die Falten dran (mit Botox je nach Dosis<br />

zwischen 500 und 1300 Franken), mit<br />

Ende 30 Schlupflider und Tränensäcke (ab<br />

5000 Franken), ab Anfang 40 Facelifting,<br />

Stufen 1 bis 3 (bis zu 25000 Franken), ab 50<br />

Raffungen (Bauchdecke: 18000 Franken).<br />

Gegen <strong>eine</strong> Brustpolsterung (Minimum<br />

10000 Franken) ist die Lippenvergrösserung<br />

mit 1000 Franken fast ein Sonderan-<br />

Zehn Prozent der OP-<br />

Kandidaten schickt er weg, weil<br />

sie «zum Psychiater» gehören.<br />

gebot. Wenn aber Ebay <strong>eine</strong> Fettabsaugung<br />

für 1200 Euro versteigert, weniger als der<br />

Hälfte von dem, was Mang in etwa verlangt,<br />

wird mancher schwach. Dabei ist es wie<br />

beim Auto: Die Hinterhofgarage ist billig,<br />

die teure Vertragswerkstatt zuverlässig.<br />

Pamela Vaindorfer, 30, hat man in <strong>eine</strong>r<br />

vermeintlichen «Prominentenklinik» in<br />

Kroatien den Busen zugerichtet. Sie war 23,<br />

sass da mit zwei Kindern, vom Mann verlassen,<br />

der Körper ausgeleiert. Nach dem<br />

Missgriff «schielten die Nippel, die Einlagen<br />

lagen quer». Mang half. Bauchstraffung,<br />

Nase, «vielleicht 15000 Euro» hat sie investiert.<br />

Die Frau, die nichts anderes will, als<br />

schön zu sein, und der Mann, der nichts anderes<br />

will, als s<strong>eine</strong> Kunst zu vervollkommnen,<br />

gehen die perfekte Symbiose ein.<br />

«Ich war so unsicher»<br />

Pamela hiess früher Susanne, «ich mach das<br />

für m<strong>eine</strong> Karriere», sagt sie, denn auszusehen<br />

wie Pamela Anderson soll ihr helfen,<br />

berühmt zu werden. Sie tingelte als Double<br />

durch die Talkshows, nun, da ihr Baywatch-<br />

Vorbild medienmässig mehr und mehr von<br />

jüngeren Unterfütterten überrundet wird,<br />

will sie singen, moderieren. In der österreichischen<br />

Kleinstadt, in der sie lebt, zerreissen<br />

sie sich das Maul, Bauarbeiter pfeifen,<br />

oft traut sie sich nur im Auto aus dem<br />

Haus. Ihre neunjährige Tochter, die ihr gar<br />

nicht ähnlich sieht, wurde in der Schule<br />

belästigt. Aber Pamela will sich genau so,<br />

wie sie jetzt in Erscheinung tritt, denn «ich<br />

war so unsicher, ich bin ja eher schüchtern».<br />

Wer sich in die Höhle des Löwen stürzt, verliert<br />

vielleicht mal die Angst.<br />

«Schönheitschirurgie ist Lebenshilfe<br />

mit dem Skalpell», sagt Mang. Zehn Prozent<br />

der OP-Kandidaten schickt er weg, weil sie<br />

«zum Psychiater» gehören. Wie wenig selbst<br />

<strong>eine</strong>r wie er richten kann, offenbart ein Detail:<br />

In der verschwiegenen Raucherzone<br />

der Bodenseeklinik saugen sich immer wieder<br />

Patienten gierig mit Nikotin voll, dem<br />

LIFESTYLE | GESELLSCHAFT 37<br />

Schönheits-Killer Nummer eins: Der Teufel<br />

lässt sich nicht mit dem Messer exorzieren.<br />

Vergänglichkeit! Vanitas! Während das<br />

Volk, das nichts als die eigene Haut besitzt,<br />

praktische Fragen stellt – warum heiraten<br />

reiche Männer nur schöne Frauen? –, wiegen<br />

verkniffene Kulturpessimisten ihre ungefärbten<br />

grauen Häupter, tun das Leiden<br />

am eigenen Spiegelbild ab als eitlen Tand.<br />

Nicht nur die Kirchen geisselten Hoffart<br />

und Gefallsucht, historisch gesehen ist der<br />

Puritanismus der europäischen Kulturen<br />

auch aus der bürgerlichen Anti-Position gegen<br />

den Adel erwachsen: Als Gegenbild<br />

zum parasitären Höfling die klassische<br />

«schöne Seele», fleissig, züchtig, tugendhaft<br />

– und unscheinbar.<br />

Bauchdecke der Ehefrau gestrafft<br />

Ein Schock, wenn «Alm-Djamila» Rowe ihre<br />

frisch (nicht von Mang) installierte Augmentationsplastik<br />

in Form abstehender<br />

Knall-Brüste präsentiert. Und wo bleiben<br />

die inneren Werte bei der Demimonde des<br />

Ostblocks, wo die Blondinen ihre Lippen<br />

partout <strong>eine</strong>n Tick aufgequollener, ihre<br />

Brüste ein Körbchen grösser haben wollen?<br />

Mangs markanter Kopf – ihn stören<br />

«höchstens die Tränensäcke», aber wer sollte<br />

ihn in die Mangel nehmen? – ist wohl Teil<br />

s<strong>eine</strong>s Erfolgs: Schönheit und ernsthafte Lebensauffassung<br />

passen noch immer nicht<br />

narbenlos zusammen. Nicht einmal der Pionier<br />

ist von diesem Zwiespalt frei. Er sei<br />

«k<strong>eine</strong>r, der in der Familie rumschnippelt»,<br />

s<strong>eine</strong> Frau sehe von Natur aus zehn Jahre<br />

jünger aus, wiegelt er ab, lediglich ihre<br />

Bauchdecke habe er gestrafft nach zwei<br />

Schwangerschaften. Hätte er nicht auch<br />

Arzt bei Cap Anamur werden können?<br />

«Mein schlechtes Gewissen beruhige ich<br />

mit der Professor-Mang-Stiftung», sagt er,<br />

diese hilft verunstalteten Kindern in Russland<br />

und Rumänien.<br />

In der RTL-«Seeberg»-Klinik füllt nun<br />

die Realität des schönen Scheins die Flimmerwelt<br />

des Fernsehens mit bunten Silikon-Bildern.<br />

Sind die echt? Mang betont, er<br />

habe die Skripts für «Beauty Queen» lange<br />

gelesen, bevor er die Dreherlaubnis erteilte.<br />

Er wünschte, dass nicht nur die heile Welt<br />

gezeigt werde und auch das «Problematische<br />

rauskommt». Denn, ein weiteres Mang-<br />

Diktum: «Nicht alles ist möglich.»<br />

S<strong>eine</strong> Mini-TV-Auftritte seien «wie die<br />

von Hitchcock damals», sagt Mang. Auch so<br />

ein Grosser, der mit blutigen Geschichten<br />

zum Erfolg kam.<br />

<br />

19. August 20<strong>04</strong> FACTS

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