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<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong><br />

Leitlinien-Einführung auf der Intensivstation am<br />

Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik<br />

Tübingen<br />

Sabine Dorn


<strong>Bachelor</strong> of Science <strong>Allied</strong> Health<br />

Jahrgang AH 2009/2012<br />

Leitlinien-Einführung auf der Intensivstation am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen


Verfasserin:<br />

Sabine Dorn<br />

Immatrikulationsnummer:<br />

13181009002<br />

Zeitraum der <strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong>:<br />

Januar 2010 bis August 2012<br />

SHB-Prüfer 1:<br />

Dr. Erwin Ludwig<br />

SHB-Prüfer 2:<br />

Dipl. Supervisor Peter Bernsdorf


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Erklärungen<br />

Eigenständigkeitserklärung:<br />

Ich habe die vorliegende Abschlussarbeit im Rahmen des Projekt-Kompetenz-<br />

Studiums 2009/2012 selbständig verfasst und keine <strong>and</strong>eren als die angegebenen<br />

Quellen, Tools und Hilfsmittel benutzt.<br />

Tübingen, den 20.08.2012 Sabine Dorn<br />

I


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Vorwort<br />

Die Komplexität des thermischen Traumas mit den daraus folgenden<br />

Therapiemaßnahmen stellt unser gesamtes Beh<strong>and</strong>lungsteam immer wieder vor große<br />

Herausforderungen. Sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte verrichten tagtäglich am<br />

Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklink<br />

Tübingen hochprofessionelle Arbeit, um diese schwerstverletzten Patienten auf ihrem<br />

Weg zur Heilung optimal zu beh<strong>and</strong>eln und zu begleiten. Nur wenn die<br />

Zusammenarbeit aller reibungslos funktioniert, kann für den Patienten das<br />

bestmögliche Ergebnis erreicht werden.<br />

Bereits vor Einführung der Leitlinie war es gelebte Praxis, dass die entsprechend<br />

qualifizierten Pflegekräfte sowohl Sedierung als auch Analgesie beim<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzten selbständig steuerten. Alleine die Tatsache, dass in<br />

Isolationszimmern eins zu eins durch Pflegekräfte beh<strong>and</strong>elt wird, zeigt die Nähe<br />

dieser Berufsgruppe zum Patienten. Hinzu kommt, dass zum Beispiel nachts nur ein<br />

Stationsarzt für maximal 4 Schwerbr<strong>and</strong>verletzte und 13 unfallchirurgische Patienten<br />

zuständig ist und deshalb unmöglich zeitnah Verordnungen für jede Anpassung an die<br />

aktuelle Sedierungs- und Schmerzsituation eingeholt werden konnten. Hiervon hätte<br />

vor allem der Patient nicht profitiert, der womöglich unnötig lange viel zu tief sediert<br />

oder mit Schmerzmitteln unterversorgt gewesen wäre.<br />

Dieses H<strong>and</strong>eln bewegt sich jedoch in einer juristischen Grauzone, da Pflegekräfte nur<br />

auf ärztliche Anordnung Medikamente verabreichen dürfen. Außerdem lässt sich diese<br />

hochqualifizierte Arbeit nicht offiziell abbilden und schlägt sich nicht im Berufsbild<br />

nieder. Durch die Einführung der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie in der<br />

Intensivmedizin wird dieses Problem gelöst. Nach ärztlich angeordneten Protokollen<br />

können die Pflegekräfte Schmerzmittel und Sedativa nun offiziell selbständig steuern,<br />

was das H<strong>and</strong>eln legalisiert, dem Patienten großen Nutzen bringt und das Berufsbild<br />

der Pflege aufwertet.<br />

All diese Tatsachen und meine persönliche feste Überzeugung davon, dass<br />

leitliniengerechte Therapien zu einer wesentlichen Verbesserung der Situation des<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzten beitragen, waren Gründe dafür, dass ich diese Thematik im<br />

Rahmen meiner <strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> bearbeitet habe.<br />

II


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Thomas Notheisen, der mich während meines<br />

gesamten Studiums als Mentor begleitet hat. Danken möchte ich auch dem gesamten<br />

Personal der Intensivstation der BGU Tübingen, ohne deren Unterstützung das Projekt<br />

nie zust<strong>and</strong>e gekommen wäre. Desweiteren bedanke ich mich bei Herrn Dr. Erwin<br />

Ludwig für seine umfassende Hilfe beim Erstellungsprozess der <strong>Thesis</strong>, der<br />

Stationsleitung der Intensivstation Herrn Robert Lippert für seine unermüdliche<br />

Unterstützung, Herrn Amro Amr für seine Hilfe bei der Übersetzung der Kurzfassung<br />

und bei Herrn Dr. Harald Weber für seine geduldige Beratung in statistischen Fragen.<br />

Tübingen, den 20.08.2012 Sabine Dorn<br />

III


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Erklärungen ................................................................................................................... I<br />

Vorwort ......................................................................................................................... II<br />

Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................ IV<br />

Abbildungsverzeichnis ................................................................................................ VII<br />

Tabellenverzeichnis ...................................................................................................... X<br />

Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................... XII<br />

1. Kurzfassung / Abstract .............................................................................................. 1<br />

2. Einleitung .................................................................................................................. 5<br />

3. S3 Leitlinie Analgesie und Sedierung in der Intensivmedizin..................................... 7<br />

3.1 Erstellungsprozess der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie ............................. 9<br />

3.2 Inhalte der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie in der Intensivmedizin ........... 11<br />

4. Begründung der Einführung der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie am Zentrum<br />

für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen .............................................. 13<br />

4.1 Gewährleistung einer kontinuierlichen Überwachung schwerbr<strong>and</strong>verletzter<br />

Intensivpatienten und individuelle Anpassung einer sedierenden und<br />

analgesierenden Therapie ....................................................................................... 14<br />

4.2 Sicherung einer adäquaten Schmerztherapie von schwerbr<strong>and</strong>verletzten<br />

Intensivpatienten ..................................................................................................... 15<br />

4.3 Vermeidung von Über- und Untersedierung bei schwerbr<strong>and</strong>verletzten<br />

Intensivpatienten ..................................................................................................... 16<br />

4.4 Sicherung der Prozess- und Ergebnisqualität in Bezug auf Analgesie und<br />

Sedierung von schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten ..................................................... 17<br />

4.5 Ökonomie und intensivmedizinische Versorgung Schwerbr<strong>and</strong>verletzter .......... 18<br />

5. Medikamente zur Sedierung und Analgesie von br<strong>and</strong>verletzten Patienten ............ 19<br />

5.1 Sedierung - Aufgabe und Wirkung ..................................................................... 21<br />

5.1.1 Medikamente mit hauptsächlich sedierender Wirkung ................................ 21<br />

5.2 Analgesie - Aufgabe und Wirkung ..................................................................... 25<br />

5.2.1 Medikamente mit hauptsächlich analgesierender Wirkung .......................... 26<br />

5.2.1.1 Opioidanalgetika ................................................................................... 26<br />

5.2.1.2 Ketamin ................................................................................................ 28<br />

5.2.1.3 Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) ............................................... 29<br />

IV


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

6. Methoden zum Monitoring von Sedierung und Analgesie von br<strong>and</strong>verletzen<br />

Patienten .................................................................................................................... 29<br />

6.1 Richmond Agitation Sedation Score (RASS) - Skala zum Erfassen der<br />

Sedierungstiefe ....................................................................................................... 30<br />

6.2 Numerische Rating Skala (NRS) - Skala zum Erfassen von Schmerz beim<br />

kommunikationsfähigen Patienten ........................................................................... 31<br />

6.3 Behavioral Pain Scale (BPS) - Skala zum Erfassen von Schmerz beim nicht<br />

kommunikationsfähigen Patienten ........................................................................... 32<br />

7. Protokollgestützte Therapie bei br<strong>and</strong>verletzten Patienten ..................................... 34<br />

7.1 Schmerztherapie beim kommunikationsfähigen Patienten ................................. 34<br />

7.2 Schmerztherapie beim beatmeten Patienten ..................................................... 35<br />

7.3 Sedierung .......................................................................................................... 37<br />

8. Konzeption der S3 Leitlinieneinführung Sedierung und Analgesie auf der<br />

Intensivstation am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen .. 38<br />

8.1 Leitlinieneinführung als Projekt .......................................................................... 38<br />

8.2 Strukturplanung des Projekts S3 Leitlinieneinführung ........................................ 40<br />

8.2.1 Bildung des Projektteams zur Einführung der S3 Leitlinie ........................... 41<br />

8.2.2 Analyse der Situation vor Einführung der S3 Leitlinie .................................. 43<br />

8.2.3 Zieldefinition bezüglich der Einführung der S3 Leitlinie ............................... 44<br />

8.2.4 Festlegung der Instrumente für die Schmerz- und Sedierungstherapie und<br />

das Monitoring ..................................................................................................... 44<br />

8.2.5 Berücksichtigen kritischer Erfolgsfaktoren ................................................... 45<br />

8.2.6 Planung der Veränderungsmaßnahmen ..................................................... 47<br />

8.2.6.1 Vergleich einzelner Schulungsmethoden .............................................. 48<br />

8.2.6.2 Gestaltung der Veränderungsmaßnahmen ........................................... 48<br />

8.3 Planung des zeitlichen Ablaufs zur Implementierung der S3 Leitlinie Analgesie<br />

und Sedierung ......................................................................................................... 50<br />

8.4 Implementierungsprozess ................................................................................. 51<br />

8.4.1 Kick-off-Veranstaltungen ............................................................................. 51<br />

8.4.2 Informationsmaterial ................................................................................... 52<br />

8.4.3 Schulungsveranstaltungen .......................................................................... 52<br />

8.4.4 Rückmeldungen an die Pflegekräfte über das Scoringverhalten ................. 53<br />

8.4.5 Projektabschluss ......................................................................................... 54<br />

9. Darstellung der Einschätzungen und Erfahrungen nach Abschuss des Projekts ..... 54<br />

9.1 Einschätzungen und Erfahrungen bei der Anwendung der Numerischen Rating<br />

Skala (NRS) ............................................................................................................ 54<br />

9.2 Einschätzungen und Erfahrungen bei der Anwendung der Behavioral Pain Scale<br />

(BPS) ...................................................................................................................... 55<br />

V


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

9.3 Einschätzungen und Erfahrungen bei der Anwendung der Richmond Agitation<br />

Sedation Scale (RASS) ........................................................................................... 56<br />

9.4 Emotionale und persönliche Einflüsse des medizinischen Personals auf die<br />

sedierende und analgesierende Therapie von schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten .... 57<br />

9.4.1 Einfluss der personellen Besetzung von Pflegekräften bei der Therapie von<br />

schwerbr<strong>and</strong>verletzten Intensivpatienten ............................................................. 58<br />

9.4.2 Der Einfluss von persönlichen Wertvorstellungen des Pflegepersonals bei<br />

der Therapie von schwerbr<strong>and</strong>verletzten Intensivpatienten ................................. 58<br />

9.4.3 Einfluss der Angehörigen auf die Therapie von schwerbr<strong>and</strong>verletzten<br />

Intensivpatienten ................................................................................................. 59<br />

9.4.4 Einfluss durch das persönliche Verhältnis der Beh<strong>and</strong>elnden zum Patienten<br />

............................................................................................................................ 60<br />

10. Evaluation des Projektes anh<strong>and</strong> der Untersuchung des Scoringverhaltens des<br />

Pflegepersonals und dem Vergleich der Beatmungszeiten vor und nach der S3<br />

Leitlinieneinführung am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen .......... 60<br />

10.1 Untersuchung des Effektes der S3 Leitlinieneinführung am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen auf das Scoringverhalten des<br />

Pflegepersonals ...................................................................................................... 61<br />

10.2 Untersuchung des Effektes der S3 Leitlinieneinführung am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen auf das Patienten-Outcome ................... 62<br />

10.2.1 Darstellung von Alter, Geschlecht, Verbrennungsausmaß,<br />

Inhalationstrauma und ABSI-Score der Patienten am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte in den Jahren 2009 und 2011 ........................................... 63<br />

11. Ergebnisse der Untersuchung des Effektes der S3 Leitlinieneinführung am Zentrum<br />

für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen auf das Scoringverhalten des<br />

Pflegepersonals und die Beatmungsdauer der Patienten ............................................ 67<br />

12. Diskussion der Ergebnisse hinsichtlich der Beatmungsdauer der Patienten und des<br />

Scoringverhaltens der pflegerisch tätigen Mitarbeiter vor und nach der S3-<br />

Leitlinieneinführung am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik<br />

Tübingen .................................................................................................................... 68<br />

13. Zusammenfassung ............................................................................................... 72<br />

14. Ausblick ................................................................................................................ 78<br />

Quellenverzeichnis ..................................................................................................... 80<br />

Lebenslauf .................................................................................................................. 92<br />

VI


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Ruhigstellung eines Schwerbr<strong>and</strong>verletzten durch Schienen, Lippert R,<br />

Fotoarchiv der BGU Tübingen 2006<br />

Abbildung 2: Verb<strong>and</strong>swechsel beim Schwerbr<strong>and</strong>verletzten, Lippert R, Fotoarchiv<br />

der BGU Tübingen 2006<br />

Abbildung 3: Kontextsensitive Halbwertszeit verschiedener Sedativa, enthalten in:<br />

Tonner PH, Steinfath M, Scholz J: "Analgesie und Sedierung beim<br />

kritisch Kranken. In: Van Aken H, Reinhart K, Zimpfer M et al. (Hrsg.)<br />

Intensivmedizin. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme, 2007, S. 499<br />

Abbildung 4: Kontextsensitive Halbwertszeit verschiedener Opioide, enthalten in:<br />

Tonner PH, Steinfath M, Scholz J: "Analgesie und Sedierung beim<br />

kritisch Kranken. In: Van Aken H, Reinhart K, Zimpfer M et al. (Hrsg.)<br />

Intensivmedizin. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme, 2007, S. 500<br />

Abbildung 5: Numerische Rating Skala, enthalten in: DGAI, S3-Leitlinie: Analgesie,<br />

Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin, 2010<br />

URL:http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/001-012l.pdf, Zugriff:<br />

07.07.2011<br />

Abbildung 6: Protokoll zur Steuerung der Analgesie beim kommunikationsfähigen<br />

Patienten, modifiziert nach: DGAI, S3-Leitlinie: Analgesie, Sedierung<br />

und Delirmanagement in der Intensivmedizin, 2010<br />

URL:http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/001-012l.pdf, Zugriff:<br />

07.07.2011<br />

Abbildung 7: Protokoll zur Steuerung der Analgesie beim beatmeten Patienten,<br />

modifiziert nach: DGAI, S3-Leitlinie: Analgesie, Sedierung und<br />

Delirmanagement in der Intensivmedizin, 2010<br />

URL:http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/001-012l.pdf, Zugriff:<br />

07.07.2011<br />

VII


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Abbildung 8: Protokoll zur Steuerung der Sedierung, modifiziert nach: DGAI, S3-<br />

Leitlinie: Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der<br />

Intensivmedizin, 2010<br />

URL:http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/001-012l.pdf, Zugriff:<br />

07.07.2011<br />

Abbildung 9: Merkmale von Projekten, enthalten in: Rosenthal R und Wagner E:<br />

Organisationsentwicklung und Projektmanagement im<br />

Gesundheitswesen. Heidelberg: Economica, 2004, S. 282<br />

Abbildung 10: PDCA-Kreis, modifiziert nach: Wiendieck G: Arbeits- und<br />

Organisationspsychologie. Berlin: Psychologie Verlagsunion, 1994, S.<br />

104<br />

Abbildung 11: Projekt-Planungs-Quadrat, enthalten in: Rosenthal R und Wagner E:<br />

Organisationsentwicklung und Projektmanagement im<br />

Gesundheitswesen. Heidelberg: Economica, 2004, S. 282<br />

Abbildung 12: Drei-Phasen-Modell nach Lewin, modifiziert nach: Lewin K: "Frontiers in<br />

Group Dynamics: Concept, Method <strong>and</strong> Reality in Social Science, Social<br />

Equilibria <strong>and</strong> Social Change". In: Human Relations, 1947, 1, S. 5-41<br />

Abbildung 13: Anzahl der schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten, modifiziert nach: DAV-<br />

Zahlen 2009 und 2011<br />

Abbildung 14: Altersverteilung der schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten, modifiziert nach:<br />

DAV-Zahlen 2009 und 2011<br />

Abbildung 15: Geschlechterverteilung der schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten, modifiziert<br />

nach: DAV-Zahlen 2009 und 2011<br />

Abbildung 16: Verteilung der verbrannten Körperoberfläche (VKOF), modifiziert nach:<br />

DAV-Zahlen 2009 und 2011<br />

Abbildung 17: Verteilung der Inhalationstraumata, modifiziert nach: DAV-Zahlen 2009<br />

und 2011<br />

VIII


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Abbildung 18: Verteilung der ABSI-Scores, modifiziert nach: DAV-Zahlen 2009 und<br />

2011<br />

Abbildung 19: Dokumentation des RASS 2009, Sabine Dorn 2012<br />

Abbildung 20: Dokumentation des RASS 2011, Sabine Dorn 2012<br />

Abbildung 21: Verteilung der Beatmungsdauer, modifiziert nach: DAV-Zahlen 2009 und<br />

2011<br />

IX


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 1: Levels of evidence, enthalten in: Healthcare Improvement Scotl<strong>and</strong>:<br />

"SIGN 50 A guideline developer's h<strong>and</strong>book", 2011, S. 15<br />

http://www.sign.ac.uk/pdf/qrg50.pdf, Zugriff 14.03.2012<br />

Tabelle 2: Grades of recommendation, enthalten in: Healthcare Improvement<br />

Scotl<strong>and</strong>: "SIGN 50 A guideline developer's h<strong>and</strong>book", 2011, S. 15<br />

http://www.sign.ac.uk/pdf/qrg50.pdf, Zugriff 14.03.2012<br />

Tabelle 3: Dosierung gebräuchlicher Analgetika und Sedativa für erwachsene<br />

Verbrennungspatienten. Modifiziert nach: Wappler F (Hrsg.), Spilker G<br />

(Hrsg.) (2009), Verbrennungsmedizin, Stuttgart: Thieme, S. 84<br />

Tabelle 4: Rezeptorbesetzung von Midazolam. Angelehnt an: Young CC, Prielipp<br />

RC: "Benzodiazepines in the intensive care unit". Crit Care Clin 2001;<br />

17: 843-862<br />

Tabelle 5: Richmond Agitation Sedation Score, modifiziert nach: Schäfer UB,<br />

Massarotto P, Lehmann A et al.: "Übersetzungsverfahren eines<br />

klinischen Assessmentinstruments am Beispiel der RASS". In: Pflege<br />

2009, 22(1), S. 7-17<br />

Tabelle 6: Behavioral Pain Skala, modifiziert nach: Payen J, Bru O, Bosson J et al.:<br />

„Assessing pain in critically ill sedated patients by using a behavioral<br />

pain scale“. In: Critical Care <strong>Medicine</strong> 2001, 29(12), S. 2258-63<br />

Tabelle 7: Zielformulierung nach der Methode SMART, enthalten in: Jendrosch T<br />

(1998) Projektmanagement: Prozeßbegleitung in der Pflege,<br />

Wiesbaden: Ullstein Medical, S. 55<br />

Tabelle 8: Mögliche harte kritische Erfolgsfaktoren, enthalten in: Tränkle P und<br />

Riessen R: "Konzept zur Implementierung der S3 Leitlinie zu Analgesie,<br />

Sedierung und Delirmanagement". In: Anästh Intensivmed 2010, 51, S.<br />

632-640<br />

X


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Tabelle 9: Mögliche weiche kritische Erfolgsfaktoren, enthalten in: Tränkle P und<br />

Riessen R: "Konzept zur Implementierung der S3 Leitlinie zu Analgesie,<br />

Sedierung und Delirmanagement". In: Anästh Intensivmed 2010, 51, S.<br />

632-640<br />

Tabelle 10: Ablaufplan Implementierung S3 Leitlinie, modifiziert nach: Steinbuch<br />

(1995), Management-Instrumente. Ein Leitfaden für die Praxis.<br />

Düsseldorf: VDI-Verlag, S. 151<br />

Tabelle 11: ABSI-Score, modifiziert nach: Tobiasen J, Hierbert J und Edlich R: "The<br />

abbreviated burn severity index". In: Ann Emerg Med, 1982, 11, S. 260-<br />

262<br />

XI


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

ABSI Abbreviated Burn Severity Index<br />

AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen<br />

Fachgesellschaften<br />

ÄZQ Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin<br />

BGU Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik<br />

BPS Behavioral Pain Scale<br />

DAV Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbeh<strong>and</strong>lung<br />

DELBI Deutsches Instrument zur methodischen Leitlinienbewertung<br />

DGAI Deutsche Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin<br />

d.h. das heisst<br />

DIVI Deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin<br />

GABA Gamma Amino Buttersäure<br />

IQWiG <strong>Institut</strong> für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen<br />

i.v. intravenös<br />

NRS Numerische Rating Skala<br />

NSAR Nicht steroidale Anti-Rheumatika<br />

n.V. nach Verordnung<br />

OP Operationssaal<br />

PEEP positiver endexspiratorischer Druck<br />

RASS Richmond Agitation Sedation Score<br />

u.a. unter <strong>and</strong>erem<br />

VAS Visuelle Analog Skala<br />

VAP Ventilator assoziierte Pneumonie<br />

XII


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

1. Kurzfassung / Abstract<br />

Kurzfassung<br />

Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen vielfach, dass leitliniengerechte,<br />

protokollgestützte sedierende und analgesierende Therapien große Vorteile für den<br />

Krankheitsverlauf von Intensivpatienten bringen können. Dieser Erkenntnis folgend<br />

wurde am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen die S3<br />

Leitlinien-Implementierung Sedierung und Analgesie der Deutschen Gesellschaft für<br />

Intensivmedizin (DGAI) beschlossen. Die Leitlinie wurde zunächst an die speziellen<br />

Anforderungen zur Beh<strong>and</strong>lung schwerbr<strong>and</strong>verletzter Patienten angepasst und<br />

schließlich von Januar 2010 bis Dezember 2010 auf der Intensivstation der BG<br />

Unfallklinik Tübingen eingeführt. Da die unter ausschließlich medizinischen Aspekten<br />

entwickelte Leitlinie eine große Komplexität aufwies und Leitlinien generell in<br />

Deutschl<strong>and</strong> bisher unbefriedigend in die Praxis umgesetzt werden, wurden zur<br />

Implementierung Techniken aus dem Projektmanagement und der<br />

Organisationspsychologie verw<strong>and</strong>t. Um den Erfolg der Leitlinieneinführung sowohl im<br />

Hinblick auf die Verhaltensänderung der Mitarbeiter als auch den Nutzen für den<br />

Krankheitsverlauf schwerbr<strong>and</strong>verletzter Intensivpatienten zu prüfen, wurde das<br />

Verhalten der Mitarbeiter bei der Einschätzung der Sedierungstiefe und die<br />

durchschnittlichen Beatmungszeiten der Patienten am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen vor und nach der<br />

Leitlinieneinführung verglichen.<br />

Methodik<br />

Anh<strong>and</strong> von Literaturrecherchen in den Datenbanken pubmed/medline und Cochrane<br />

wurden die medizinisch/pflegerischen Inhalte der Leitlinie geprüft und an die örtlichen<br />

Gegebenheiten am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen<br />

adaptiert. Recherchen nach betriebswirtschaftlichen Implementierungsstrategien<br />

wurden an der Bibliothek der Eberhard-Karls-Universität Tübingen durchgeführt.<br />

Zur Erfolgskontrolle des Projekts wurde als Baseline retrospektiv nach einem<br />

Stichprobenverfahren im Krankenblattarchiv der BG Unfallklinik Tübingen 100<br />

Dokumentationsunterlagen von beatmeten schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten des<br />

Jahres 2009 (n=300) ausgewertet. Dabei ging es insbesondere darum, inwieweit das<br />

Pflegepersonal den Richmond Agitation Sedation Score (RASS) gescort, bzw. nicht<br />

1


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

gescort hatte. Das gleiche Verfahren wurde mit derselben Stichprobengröße (n=300)<br />

für das Jahr 2011 vorgenommen.<br />

Es wurde ebenfalls retrospektiv die durchschnittliche Beatmungsdauer<br />

schwerbr<strong>and</strong>verletzter Intensivpatienten der BG Unfallklinik Tübingen anh<strong>and</strong> der<br />

Zahlen in den Listen der Deutschsprachigen Gesellschaft für Verbrennungsbeh<strong>and</strong>lung<br />

(DAV) der Jahre 2009 (n=75) und 2011 (n=114) verglichen. Der Bezug zur<br />

Erkrankungsschwere konnte mittels Abbreviated Burn Severity Index (ABSI-Score)<br />

hergestellt werden.<br />

Ergebnis<br />

Im Jahr 2009 wurde der RASS vom Pflegepersonal in 116 Fällen (39%) erhoben und<br />

dokumentiert. Im Jahr 2011 wurde dieses Procedere in 231 Fällen (77%) durchgeführt.<br />

Die Intensivpatienten wurden am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen<br />

im Jahr 2009 durchschnittlich 5,7 Tage lang beatmet, im Jahr 2011 lag die<br />

durchschnittliche Beatmungsdauer bei 3,9 Tagen, wobei die Verkürzung der<br />

Beatmungszeiten nicht in Bezug zum durchschnittlichen ABSI-Score der Patienten der<br />

jeweiligen Jahre st<strong>and</strong> (phi=0,2).<br />

Fazit<br />

Das Soringverhalten der pflegerisch tätigen Mitarbeiter hat sich am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen nach Einführung der S3 Leitlinie<br />

signifikant im Sinne einer optimalen Patientenversorgung verändert. Im Jahr nach der<br />

Implementierung wurden doppelt so viele RASS-Werte erhoben und dokumentiert als<br />

im Jahr vor Einführung der Leitlinie. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass<br />

die im vorliegenden Projekt gewählten Implementierungsmaßnahmen unter Beachtung<br />

betriebswirtschaftlicher und organisationspsychologischer Aspekte erfolgreich waren.<br />

Die durchschnittliche Beatmungsdauer der schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten auf der<br />

Intensivstation der BG Unfallklinik verringerte sich im Jahr nach der<br />

Leitlinieneinführung um 1,8 Tage im Vergleich zum Jahr vor der Implementierung.<br />

Neben <strong>and</strong>eren Maßnahmen kann auch die Einführung der S3 Leitlinie Sedierung und<br />

Analgesie insgesamt zu einem verbesserten Outcome der Patienten beigetragen<br />

haben. Perspektivisch sollten die angew<strong>and</strong>ten Implementierungstechniken bei der<br />

Einführung von <strong>and</strong>eren Leitlinien Eingang in die medizinisch/pflegerische Praxis<br />

finden.<br />

2


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Abstract<br />

Many scientific studies have verified that protocol-based therapies based on clinical<br />

practice guidelines can improve patients' outcomes. In accordance with these scientific<br />

findings, the Burn Center of the BG Unfallklinik Tübingen implementated the S3-<br />

guidelines for sedation <strong>and</strong> analgesia formed by the German Association of Critical<br />

Care <strong>Medicine</strong> (DGAI). The guidelines were first adapted to the special treatment of<br />

severely burned patients <strong>and</strong> finally, from January 2010 to December 2010,<br />

implemented on the Intensive Care Unit. Due to the complexity <strong>and</strong> lack of practicality<br />

of the guidelines that were solely developed from a medical aspect, techniques from<br />

the fields of project management <strong>and</strong> organizational psychology were used for the<br />

implementation. To test the implementation success both in view of the changes of<br />

medical staff behavior <strong>and</strong> the benefit for the outcomes of the severely burned<br />

intensive care patients, the behavior of the medical staff concerning the assessment of<br />

the sedation level <strong>and</strong> the average mechanical ventilation time of the patients at the<br />

Burn Center BG Unfallklinik Tübingen were compared before <strong>and</strong> after the guideline<br />

implementation.<br />

Methods<br />

With the help of literature researches in the databases pubmed/medline <strong>and</strong> Cochrane<br />

the medical <strong>and</strong> nursing aspects of the guideline were examined <strong>and</strong> adapted to the<br />

local conditions at the Burn Center BG Unfallklinik Tübingen. Investigations for<br />

business-management implementation-strategies were made at the library of the<br />

Eberhard-Karls-University Tübingen.<br />

To control the success of the project 100 documents (n=300) of the year 2009 of<br />

mechanically ventilated patients were retrospectively r<strong>and</strong>omly sampled analyzed in<br />

the archive at the BG Unfallklinik Tübingen as a baseline. The main aim was to<br />

investigate how often the nursing staff had scored or not scored the RASS. The same<br />

method with the same amount of r<strong>and</strong>om samples (n=300) was used for the year 2011.<br />

Also retrospectively the average length of mechanical ventilation of the severely burned<br />

intensive care patients at the BG Unfallklinik Tübingen was also retrospectively<br />

compared by using the numbers in the lists of the German-speaking Association for<br />

Burn-Treatment (DAV) of the years 2009 (n=75) <strong>and</strong> 2011 (n=114). The reference to<br />

the severity of the trauma was made by the Abbreviated Burn Severity Index (ABSI-<br />

Score).<br />

3


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Results<br />

In 2009 nurses scored <strong>and</strong> documented the RASS in 116 cases (39%). In 2011 this<br />

procedure was carried out in 231 cases (77%). In 2009 the intensive care patients at<br />

the Burn Center of the BG Unfallklinik Tübingen were on average mechanically<br />

ventilated for 5,7 days <strong>and</strong> in 2011 for an average of 3,9 days. The reduction of the<br />

length of mechanical ventilation did not refer to the average patients' ABSI-Score<br />

(phi=0,2).<br />

Conclusion<br />

Since the implementation of the S3 guidelines, the way nursing staff scored has<br />

changed in a sense of optimal patient treatment. In the year after implementation, the<br />

RASS was scored <strong>and</strong> documented twice as often as in the year before the<br />

implementation of the guidelines. Therefore, it can be assumed that the methods that<br />

were used for the implementation in the submitted project by taking business-<br />

management <strong>and</strong> organizational-psychology aspects into account were successful.<br />

The average time that severely burned patients were mechanically ventilated<br />

decreased in the year after the guidline-implementation by 1,8 days compared to the<br />

year before the implementation. In addition to other measures the implementation of<br />

the S3 guidelines sedation <strong>and</strong> analgesia could have altogether lead to an<br />

improvement of patients' outcomes. In perspective the used implementation strategies<br />

should find a place in the medical <strong>and</strong> nursing practice regarding the realization of<br />

other guidelines.<br />

4


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

2. Einleitung<br />

Analgesie- und Sedierungsmanagement sind relevant für den intensivmedizinischen<br />

Verlauf und das Überleben von Patienten. Dieser Erkenntnis folgend wurde die S3<br />

Leitlinie Analgesie und Sedierung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und<br />

Intensivmedizin (DGAI) konzipiert. Die Notwendigkeit der leitlinienkonformen Sedierung<br />

und Analgesie wurde auch am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der<br />

Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) Tübingen erkannt und die Einführung<br />

der S3 Leitlinien beschlossen.<br />

Die BGU Tübingen ist ein Krankenhaus der Maximalversorgung in den Bereichen<br />

Unfall- und Wiederherstellungschirurgie und verfügt im stationären Bereich (15<br />

Stationen) über 327 Planbetten. Neben Trauma- und Br<strong>and</strong>verletztenchirurgie,<br />

Plastischer, H<strong>and</strong>- und Tumorchirurgie ist die Klinik spezialisiert auf die Beh<strong>and</strong>lung<br />

Rückenmarkverletzter, die Knie- und Hüftgelenksendoprothetik, auf orthopädische<br />

Rehabilitationsverfahren, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie auf<br />

Intensivmedizin und Schmerztherapie. Pro Jahr werden in der BG Unfallklinik Tübingen<br />

rund 10.000 Patienten stationär und rund 28.000 Patienten ambulant beh<strong>and</strong>elt. Die<br />

chirurgischen Teams führen jährlich etwa 11.000 operative Eingriffe durch (BGU<br />

Tübingen 2012).<br />

Die Intensivstation der BGU umfasst 17 Betten, davon sind 4 Betten dem Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte zugeordnet. Diese Bettplätze befinden sich in einem separaten<br />

Teil innerhalb der Intensivstation. Schwerbr<strong>and</strong>verletzte werden unter <strong>and</strong>erem durch<br />

ein interdisziplinäres Team, gebildet aus Anästhesisten, spezialisierten Chirurgen für<br />

die Therapie Br<strong>and</strong>verletzter, Pflegekräften und Physiotherapeuten betreut. Allein die<br />

Tatsache, dass Patienten mit schwerem thermischem Trauma hygienebedingt in<br />

Isolationszimmern therapiert werden und daraus resultierend sich<br />

Kommunikationsstörungen an der Schnittstelle Arzt/Pflege manifestieren könnten, zeigt<br />

die Vorteile einer protokollgestützten, pflegegesteuerten Analgesie und Sedierung<br />

speziell für diese Patientengruppe.<br />

Die Umsetzung von evidenz-basierter Intensivmedizin mit entsprechenden<br />

Therapiekonzepten in die Praxis stellt jedoch nach wie vor ein großes Problem dar.<br />

Obwohl ein internationaler Konsens darüber besteht, dass leitlinienkonformes Arbeiten<br />

signifikante Vorteile für den Patienten bringt, therapieren nur wenige medizinische<br />

Mitarbeiter auf Intensivstationen nach diesem Prinzip. Offensichtlich bedarf es<br />

5


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

moderner Implementierungs-Strategien, um H<strong>and</strong>lungsstrukturen nachhaltig zu<br />

verändern.<br />

Nach umfassender Literaturrecherche in den Datenbanken pubmed/medline und<br />

Cochrane wurden die medizinisch/pflegerischen Inhalte der Leitlinie geprüft und an die<br />

örtlichen Gegebenheiten der BGU Tübingen angepasst. Ebenso wurde in der<br />

betriebswirtschaftlichen Literatur an der Universitätsbibliothek Tübingen nach<br />

Strategien zur Implementierung gesucht und die Leitlinie schließlich in Anlehnung an<br />

Projektmanagement-Kriterien auf der Intensivstation für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte<br />

eingeführt. Der Strukturplan der Leitlinien-Einführung auf der Intensivstation der BGU<br />

Tübingen beinhaltete nach der Bildung des Projektteams die Analyse der Situation vor<br />

Einführung der Leitlinie, die Zieldefinition, die Festlegung der Instrumente für die<br />

Schmerz- und Sedierungstherapie und das Monitoring, die Berücksichtigung kritischer<br />

Erfolgsfaktoren und die Planung von Veränderungsmaßnahmen mit dem Vergleich<br />

unterschiedlicher Schulungsmethoden. Dem zeitlichen Ablaufplan folgte der<br />

Implementierungsprozess, der anh<strong>and</strong> von Kick-off-Veranstaltungen, Bereitstellen von<br />

Informationsmaterial und Schulungsveranstaltungen durchgeführt wurde.<br />

Um den Erfolg dieser Implementierung auch im Hinblick auf weitere Projekte bewerten<br />

zu können, wurde der Effekt auf das Scoringverhalten der Mitarbeiter untersucht. Die<br />

zum Schichtbeginn im Jahr vor Einführung der Leitlinie vom Pflegepersonal beim<br />

beatmeten Schwerbr<strong>and</strong>verletzten erhobenen und in der Patientenkurve<br />

dokumentierten Werte der Richmond Agitation Sedation Scale (RASS) wurden mit<br />

jenen im Jahr nach der erfolgten Implementierung verglichen. Des Weiteren wurde der<br />

mögliche Effekt auf die Beatmungszeiten der Patienten untersucht, indem die<br />

durchschnittliche Beatmungsdauer der Schwerbr<strong>and</strong>verletzten im Jahr vor der<br />

Leitlinieneinführung mit den Daten des Jahres nach der Implementierung verglichen<br />

wurden. Um die Vergleichbarkeit der Patientengruppen darzustellen, wurden die<br />

durchschnittlichen Werte der ABSI-Scores (Abbreviated Burn Severity Index Score) der<br />

jeweiligen Jahre in Bezug zur Entwicklung der Beatmungszeiten gesetzt.<br />

In der vorliegenden <strong>Thesis</strong> wurden Inhalt und Aufbau der S3 Leitlinie dargestellt,<br />

Medikamente und Scores für die Therapie schwerbr<strong>and</strong>verletzter Intensivpatienten<br />

ausgewählt, die Implementierungsmaßnahmen festgelegt, der<br />

Implementierungsprozess beschrieben und der Erfolg der Leitlinieneinführung<br />

evaluiert.<br />

6


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

3. S3 Leitlinie Analgesie und Sedierung in der Intensivmedizin<br />

Die Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind<br />

systematisch entwickelte Hilfen für Ärzte und Pflegepersonal zur Entscheidungsfindung<br />

in spezifischen Situationen. Leitlinien sind nicht bindend und haben daher weder<br />

haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung (Martin et al. 2010). Was im<br />

juristischen Sinne den ärztlichen und pflegerischen St<strong>and</strong>ard in der konkreten<br />

Beh<strong>and</strong>lung eines Patienten darstellt, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Das<br />

Ziel der Leitlinie ist, eine möglichst hohe Qualität und Sicherheit in der Therapie kritisch<br />

kranker Patienten zu gewährleisten wie z.B.<br />

Monitoring von Schmerzen und adäquate analgetische Beh<strong>and</strong>lung der durch<br />

das Grundleiden und damit verbundener diagnostischer, therapeutischer und<br />

pflegerischer Maßnahmen hervorgerufene Schmerzen<br />

Monitoring von Sedierung und kontrollierter Einsatz von Sedativa, sowie<br />

Anxiolyse und vegetative Abschirmung bei notwendigen Maßnahmen<br />

Wache kooperative Patienten, die die intensivmedizinisch erforderlichen<br />

Maßnahmen tolerieren und im Rahmen ihrer Möglichkeit aktiv unterstützen<br />

(Ausnahmen: kritische klinische Situationen, wie z.B. Hypoxie, Schock,<br />

gesteigerter intrakranieller Druck)<br />

Berücksichtigung der Qualitätssicherung und organisatorischer und juristischer<br />

Aspekte<br />

Berücksichtigung spezieller Patientengruppen<br />

Nach dem System der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen<br />

Fachgesellschaften (AWMF) werden Beh<strong>and</strong>lungs-Leitlinien in drei Entwicklungsstufen<br />

von S1 bis S3 entwickelt und klassifiziert, wobei S3 die höchste Qualitätsstufe ist.<br />

S1 Leitlinie: Wird von einer Expertengruppe im informellen Konsens erarbeitet und<br />

bietet keine geschlossen dokumentierte Beleglage zum Nachweis der<br />

möglichen Evidenz der Aussagen und Empfehlungen.<br />

S2 Leitlinie: Wird von einer Expertengruppe im formalen Konsens erarbeitet. Die<br />

Evidenz der Aussagen und Empfehlungen wird recherchiert und liegt<br />

dokumentiert offen zugänglich vor.<br />

7


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

S3 Leitlinie: Leitlinie mit allen Elementen einer systematischen Entwicklung.<br />

Entscheidungsfindung und Outcome werden analysiert, die klinische<br />

Relevanz wissenschaftlicher Studien wird bewertet und regelmäßig<br />

überprüft. Die Aussagen sind evidenz- und konsensbasiert, die Stärke<br />

der Empfehlungen wird in Grade eingeteilt und mit der Relevanz der<br />

Evidenz begründet.<br />

Analgesie und Sedierung gelten als Basismaßnahmen in der Intensivmedizin. Zur<br />

Optimierung der Therapie und Erhöhung der Therapiesicherheit wurden in den USA im<br />

Jahre 2002 Leitlinien zur Analgesie und Sedierung intensivpflichtiger Patienten<br />

publiziert (Jacobi et al. 2002). Da sich die Auswahl der Medikamente in den USA<br />

deutlich von der europäischen Praxis unterschieden, konnten die amerikanischen<br />

Leitlinien nicht 1:1 auf deutsche Verhältnisse übertragen werden.<br />

Aus den Vorteilen der leitlinienorientierten Therapie ergab sich die Notwendigkeit der<br />

Entwicklung einer eigenen Leitlinie zur Analgesie und Sedierung in der Intensivmedizin<br />

für Deutschl<strong>and</strong>, die 2005 als S2 Leitlinie veröffentlicht wurde (Martin et al. 2005). Von<br />

2006-2009 wurde die bestehende S2 Leitlinie durch die Deutsche Gesellschaft für<br />

Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und die Deutsche Interdisziplinäre<br />

Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in Zusammenarbeit mit den<br />

partizipierenden Fachgesellschaften auf eine S3 Leitlinie erweitert, um die Qualität der<br />

Analgesie und Sedierung auf der Intensivstation zu sichern und weiter zu optimieren.<br />

An der Entstehung dieser S3 Leitlinie waren weitere 10 Fachgesellschaften beteiligt:<br />

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie<br />

Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege<br />

Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie<br />

Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin<br />

Deutsche Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin<br />

Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie<br />

Deutsche Gesellschaft für Neurologie<br />

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde<br />

Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Gefäß- und Herzchirurgie<br />

8


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

3.1 Erstellungsprozess der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie<br />

Das methodische Vorgehen bei der Erstellung der S3 Leitlinie Sedierung und<br />

Analgesie orientierte sich an der Vorgabe des Deutschen Instruments zur<br />

Methodischen Leitlinienbewertung (DELBI) (AWMF und ÄZQ 2008). Der gesamte<br />

Prozess der Leitlinienentwicklung wurde durch die Arbeitsgemeinschaft<br />

Wissenschaftlich Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) unterstützt und begleitet.<br />

Um die Ziele der Leitlinie weiter zu definieren, wurden Expertengruppen aus 12<br />

Fachgebieten einschließlich der Pflege gebildet.<br />

Folgende Bereiche wurden als Schwerpunkte eingestuft:<br />

1. Notwendigkeit der Leitlinien<br />

2. Monitoring von Analgesie, Sedierung und Delir beim Erwachsenen<br />

3. Therapie und Weaning - Analgesie, Sedierung und Delir beim Erwachsenen<br />

4. Regionalanästhesie<br />

5. Neuromuskuläre Blockade - Monitoring, Beh<strong>and</strong>lung<br />

6. Ökonomie, Qualitätssicherung und Implementierung<br />

7. Spezielle Patientengruppen:<br />

a. Verbrennungspatienten<br />

b. Polytraumatisierte Patienten<br />

c. Schädel-Hirn-traumatisierte Patienten<br />

d. Schwangere und stillende Patientinnen<br />

e. ältere Patienten >65 Jahre<br />

f. moribunde / sterbende Patienten<br />

8. Monitoring und Therapie der Analgesie, Sedierung und des Delirs bei<br />

Neugeborenen sowie im Kindesalter<br />

Eine systematische Literaturrecherche wurde in den Datenbanken Cochrane und<br />

PubMed/MEDLINE zu den oben genannten Schwerpunktthemen durchgeführt und<br />

insgesamt 2418 Arbeiten identifiziert. Ausgehend von dieser Recherche einigte sich die<br />

Expertengruppe auf Literatur, die den Zeitraum 1995 bis 2007 betraf. Zusätzlich<br />

wurden einzelne ältere Arbeiten mit hoher klinischer Relevanz rückverfolgt, ebenso<br />

einzelne wichtige Arbeiten nach 2007. Nach Sichtung der Literatur unter<br />

Berücksichtigung der Ausschlusskriterien (Sprache nicht englisch/deutsch,<br />

tierexperimentelle Arbeit, rein pharmakologische Modelle, nur Abstract, Editorial oder<br />

Kommentar) konnten 671 Publikationen berücksichtigt werden.<br />

9


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Diese Publikationen wurden hinsichtlich ihres Evidenzlevels nach den Sign-50 Kriterien<br />

des Oxford Centre of Evidence Based <strong>Medicine</strong> klassifiziert (Healthcare Improvement<br />

Scotl<strong>and</strong> 2011) (Tabelle 1).<br />

Tabelle 1: Levels of evidence (Healthcare Improvement Scotl<strong>and</strong> 2011)<br />

Klinische Studien wurden entsprechend ihrer wissenschaftlichen Validität und<br />

Wertigkeit in verschiedene Evidenzlevel eingeteilt, zusätzlich erfolgte eine Beurteilung<br />

der klinischen Relevanz. Metaanalysen aus r<strong>and</strong>omisierten, kontrollierten, klinischen<br />

Studien nahmen den höchsten Stellenwert ein, Fallberichte und Expertenmeinungen<br />

den geringsten.<br />

Im Konsensusverfahren wurden unter Moderation der AWMF anh<strong>and</strong> des<br />

Evidenzlevels und unter Berücksichtigung ethischer Aspekte, Patientenpräferenzen,<br />

klinische Relevanz, Abwägung des Nutzen/Risiko - Verhältnisses und Anwendbarkeit<br />

Empfehlungsgrade in Anlehnung an die SIGN 50 Kriterien erarbeitet (Tabelle 2).<br />

10


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Tabelle 2: Grades of recommendation (Healthcare Improvement Scotl<strong>and</strong> 2011)<br />

In den Leitlinien wurde der Grad A als sehr starke Empfehlung mit der Formulierung<br />

"soll" dargestellt. Grad B wurde als starke Empfehlung mit "sollte" und Grad 0 als<br />

offene Empfehlung mit "kann" tituliert. Diese Formulierungen leiteten sich aus einer<br />

methodischen Vorgabe des Europarates ab (Europarat 2002).<br />

3.2 Inhalte der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie in der Intensivmedizin<br />

Das Management von Analgesie und Sedierung ist relevant für den<br />

intensivmedizinischen Verlauf und die Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten<br />

(Kastrup et al. 2009). Sowohl die Unter- als auch Überdosierung von Analgetika und<br />

Sedativa können für Intensivpatienten große Nachteile in Bezug auf den<br />

Krankheitsverlauf bringen. Diese Erkenntnis bildet die Grundlage der S3 Leitlinie der<br />

DGAI.<br />

Die systematische Evaluation von Schmerz und Sedierungstiefe mit entsprechender<br />

protokollgestützter Anpassung an individuell festgelegte Analgesie- und<br />

Sedierungsziele wird in der Leitlinie empfohlen. Diese Maßnahmen sind mit einer<br />

geringeren Inzidenz nosokomialer Infektionen, einer Verkürzung der Beatmungs- und<br />

Intensivbeh<strong>and</strong>lungsdauer, einer niedrigeren Letalitätsrate sowie einem geringeren<br />

Ressourcenverbrauch assoziiert (Arabi et al. 2007, Jakob et. al 2007).<br />

Die Leitlinie fordert ein regelmäßiges (z.B. 8-stündliches) Monitoring von Schmerz und<br />

Sedierungstiefe mittels geeigneter Skalen und Scoringsysteme. Therapieanpassungen<br />

und -veränderungen sind zu überprüfen und zu dokumentieren. Des Weiteren müssen<br />

11


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

für jeden Patienten klare Beh<strong>and</strong>lungsziele definiert werden. Der Einsatz von<br />

Analgesie- und Sedierungsprotokollen wird empfohlen. Grundlage dieser Protokolle ist<br />

das regelmäßige, mindestens 8-stündliche Erfassen von Schmerz- und<br />

Sedierungszust<strong>and</strong> der Patienten. Patienten auf Intensivstationen sollten laut Leitlinie<br />

eine individuelle Schmerztherapie erhalten. Die patientenkontrollierte Applikation ist<br />

dabei zu bevorzugen, sofern der Zust<strong>and</strong> des Patienten dies zulässt (Bainbridge 2006).<br />

Nicht-Opioidanalgetika und adjuvante Substanzen können bei Bedarf eingesetzt<br />

werden (Bell et al. 2006).<br />

Bei Indikation zur Sedierung sollte zunächst ein Sedierungsziel formuliert werden.<br />

Analgesie und Beatmungseinstellung sind zu prüfen und zu optimieren (Hogarth und<br />

Hall 2004). Eine regelmäßige Kontrolle des Ist-Zust<strong>and</strong>es und Anpassung der<br />

Medikation soll sowohl Über- als auch Untersedierung vermeiden (Martin et al. 2005).<br />

Tiefe Sedierung sollte nur wenigen speziellen Indikationen vorbehalten sein. Bei<br />

br<strong>and</strong>verletzten Patienten ist eine suffiziente Schmerzausschaltung und die adäquate<br />

Sedierung mit Ausschaltung psychischer Belastungen wichtig (Ceber und Salihoglu<br />

2006). Die notwendigen diagnostischen und therapeutischen Interventionen sollten in<br />

diesem Kontext von den Patienten toleriert werden. Im Vordergrund steht bei<br />

br<strong>and</strong>verletzten Patienten häufig die Stabilisierung der Hauttransplantate. Bei<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzten kann eine adäquate Basisanalgesie sinnvoll sein. Prozeduren<br />

wie Verb<strong>and</strong>swechsel, Wundreinigungen und physiotherapeutische Beh<strong>and</strong>lungen<br />

können eine zusätzliche Analgesie und/oder Sedierung erforderlich machen.<br />

In Krankenhäusern der Maximalversorgung werden für die Intensivstationen ca. 20<br />

Prozent des Gesamtetats aufgewendet, obwohl nur ca. 5 Prozent aller<br />

Krankenhauspatienten in diesem Bereich beh<strong>and</strong>elt werden (Barckow 2000). Dabei<br />

verursachen Sedativa und Analgetika nicht nur direkte, sondern auch indirekte Kosten<br />

z.B. durch Zunahme von Beatmungsdauer und Erhöhung der Pneumonieraten (Kress<br />

et al. 2000). Die Zielstellung der Leitlinie ist eine optimale Beh<strong>and</strong>lung von Patienten zu<br />

angemessenen Preisen ohne unnötige oder schädliche Therapiemaßnahmen.<br />

Die Umsetzung der Leitlinie setzt Ressourcen wie Fachpersonal, effektives<br />

Zeitmanagement und Motivation voraus (Weiss et al. 2008). Insbesondere in der<br />

Einführungsphase sind Schulungen des Personals notwendig (Pun et al. 2005).<br />

12


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

4. Begründung der Einführung der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie<br />

am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen<br />

Die suffiziente analgetische Therapie und adäquate Sedierung mit dem Ziel der<br />

Reduktion der psychischen Belastung sind auch beim Br<strong>and</strong>verletzten wesentliche<br />

Therapieziele, weil eine Verminderung von Stressreaktionen u.a. zu geringerem<br />

Sauerstoffbedarf und zur verbesserten hämodynamischen Stabilisierung von Patienten<br />

führt (Mangano et al. 1992, Roth-Isigkeit et al. 1998).<br />

Im Vordergrund der chirurgischen Therapie steht beim Schwerbr<strong>and</strong>verletzten häufig<br />

eine erfolgreiche dauerhafte plastische Deckung der Verbrennungsflächen. Diese kann<br />

eine tiefe Sedierung und Ruhigstellung des Patienten (Abbildung 1) mit Inkaufnahme<br />

der negativen Effekte wie verlängerte Beatmungs- und Verweildauer erforderlich<br />

machen (Kress et al. 2000).<br />

Abbildung 1: Ruhigstellung eines Schwerbr<strong>and</strong>verletzten durch Schienen (Lippert R, BGU<br />

Tübingen 2006)<br />

Um die Gefahr der Sepsis zu minimieren, müssen schwer thermisch Verletzte auf der<br />

Intensivstation unter strengen hygienischen Kautelen therapiert werden (Giessler et al.<br />

2004). Dies und die zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur geforderte konstant<br />

hohe Raumtemperatur führen folgerichtig zu einer Beh<strong>and</strong>lung der Patienten in<br />

geschlossenen Einzelzimmern, was wiederum zu Störungen in der Kommunikation<br />

führen kann. Gerade beim Schwerbr<strong>and</strong>verletzten hängt die optimale Therapie von der<br />

guten interdisziplinären Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Ärzten,<br />

Krankenpflegepersonal und Physiotherapeuten ab (Rose 2011). Befragungen zeigen,<br />

dass diese Kooperation nur zu einer geringen Prozentzahl als "sehr gut" bezeichnet<br />

wurden (Berenholtz und Pronovost 2003). Aus diesen Gründen sollten Pläne zur<br />

13


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Sedierung und Analgesie dieser Patienten nicht kurzfristig und nur interprofessionell<br />

konzipiert werden.<br />

Eine weitere Besonderheit bei der Therapie schwerbr<strong>and</strong>verletzter Patienten besteht<br />

darin, dass mehrmals täglich schmerzhafte Prozeduren wie Verb<strong>and</strong>swechsel,<br />

Wundreinigungen und physiotherapeutische Maßnahmen stattfinden (Abbildung 2).<br />

Dafür sind über die Basisanalgesie und -sedierung hinaus zusätzliche Gaben von<br />

Schmerzmitteln und Sedativa erforderlich.<br />

Abbildung 2: Verb<strong>and</strong>swechsel beim Schwerbr<strong>and</strong>verletzten (Lippert R, BGU Tübingen 2006)<br />

4.1 Gewährleistung einer kontinuierlichen Überwachung schwerbr<strong>and</strong>verletzter<br />

Intensivpatienten und individuelle Anpassung einer sedierenden und<br />

analgesierenden Therapie<br />

Um den Gesundheitszust<strong>and</strong> von schwerbr<strong>and</strong>verletzten Intensivpatienten zu erhalten,<br />

zu stabilisieren und zu verbessern, bedarf es patientenorientierter Therapiekonzepte.<br />

Das hämodynamische Monitoring gehört zum St<strong>and</strong>ard auf der Intensivstation der BG<br />

Unfallklinik. Allerdings besteht in Bezug auf die Überwachung der Analgosedierung<br />

H<strong>and</strong>lungsbedarf.<br />

Vor Einführung der Leitlinie wurde der Sedierungs- und Schmerzzust<strong>and</strong> von Patienten<br />

nicht nach wissenschaftlich begründeten Methoden geprüft. Sowohl Pflegepersonal als<br />

auch Ärzte kannten mehrere Skalen zum Erfassen von Schmerz und Sedierungstiefe<br />

und w<strong>and</strong>ten die nach ihrer Meinung geeignetsten Scores an. Es best<strong>and</strong> keine<br />

bindende Vorgabe, wie häufig und welche Scores erhoben werden sollten. Die<br />

analgetische und sedative Therapie von Schwerbr<strong>and</strong>verletzten erfolgte nicht<br />

14


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

protokollgestützt. Es wurden verschiedene Medikamente, sowohl zur Langzeittherapie<br />

als auch bei speziellen Interventionen, eingesetzt. Therapieziele wurden nicht<br />

schriftlich festgelegt, weder im ärztlichen Verordnungsbogen noch in der<br />

Pflegedokumentation. Dieses Procedere entsprach nicht den wissenschaftlich<br />

begründeten Forderungen der S3 Leitlinie (DGAI 2010).<br />

Ein Ziel der vorliegenden Arbeit ist, dass beim Routine-Monitoring der entsprechenden<br />

Patienten als fünftes Vitalzeichen der Schmerz- und Sedierungszust<strong>and</strong> erfasst werden<br />

soll. Ebenso werden nach Einführung der Leitlinie durch den Arzt patientenindividuelle<br />

Sedierungs- und Analgesieziele festgelegt und dokumentiert. Die<br />

Medikamentenauswahl und die Steuerung der Therapie erfolgt nach ärztlich<br />

angeordneten Protokollen und kann vom Pflegepersonal ausgeführt werden.<br />

4.2 Sicherung einer adäquaten Schmerztherapie von schwerbr<strong>and</strong>verletzten<br />

Intensivpatienten<br />

Schmerzen gehören zu den größten Stressfaktoren für Intensivpatienten (Novaes et al.<br />

1997). Trotz sedierender und analgetischer Therapie haben 30 – 70% der beatmeten<br />

Patienten auf Intensivstationen in den USA Schmerzen (Kwekkeboom und Herr 2001).<br />

In einer Studie von Whipple et al. wird dargestellt, dass etwa 75% der befragten<br />

Traumapatienten einer amerikanischen Intensivstation über starke bis stärkste<br />

Schmerzen berichten, während etwa 80% der Beh<strong>and</strong>elnden die Schmerztherapie als<br />

adäquat erachteten (Whipple et al. 1995). Bei dieser Untersuchung fällt zusätzlich auf,<br />

dass die Einschätzung der Patienten bezüglich des Schmerzempfindens zwischen<br />

Pflegenden und Ärzten stark differiert. Schwerbr<strong>and</strong>verletzte benötigen im Vergleich<br />

zum nicht thermisch geschädigten Intensivpatienten höhere Schmerzmittelmengen, d.<br />

h. es besteht die Gefahr, dass diese Patienten mit Analgetika unterversorgt werden.<br />

Die protokollgestützte analgetische Therapie bringt vor allem für beatmete Patienten<br />

große Vorteile für deren Outcome und fördert eine adäquate Schmerztherapie (Feeley<br />

und Gardner 2006).<br />

Vor Einführung der Leitlinien waren am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte sowohl<br />

Ärzten als auch Pflegepersonal mehrere Methoden (Numerische Rating Skala (NRS),<br />

Visuelle Analogskala (VAS), Behavioral Pain Scale (BPS)) zur Schmerzerfassung beim<br />

wachen und sedierten Patienten bekannt. Welche Skalen zum Einsatz kamen, hing<br />

individuell vom medizinischen Personal ab. Neben dem Einsatz von Scoringsystemen<br />

best<strong>and</strong> außerdem die Möglichkeit, den Schmerzzust<strong>and</strong> von Patienten in einem<br />

entsprechenden Freitextfeld der Patientenkurve zu beschreiben. Es best<strong>and</strong> weder<br />

15


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

eine Vorgabe, wie häufig die Analgesie der Patienten überprüft werden sollte, noch gab<br />

es eine Festlegung für ein bestimmtes Instrument zum Monitoring des Schmerzes.<br />

Die analgetische Therapie von Schwerbr<strong>and</strong>verletzten erfolgte vor Beginn des Projekts<br />

nicht protokollgestützt. Therapieziele wurden nicht anh<strong>and</strong> eines einheitlichen<br />

Scoringsystems festgelegt, dokumentiert und regelmäßig überprüft. Es gab keine<br />

protokollierten Vorgaben, welche Medikamente bevorzugt zum Einsatz kommen sollten<br />

und wie deren Dosierung zu h<strong>and</strong>haben war.<br />

Nach Einführung der S3 Leitlinie wird beim wachen, kommunikationsfähigen Patienten<br />

sowohl die Festlegung des Therapieziels als auch das Monitoring einheitlich mittels der<br />

NRS erfolgen. Das Scoring beim beatmeten Patienten, der nicht kommunizieren kann,<br />

wird Anh<strong>and</strong> der BPS durchgeführt. Jeder Schwerbr<strong>and</strong>verletzte wird mindestens 8-<br />

stündlich gescort und das Therapieziel evaluiert. Die Anpassung bei Abweichung vom<br />

Ziel erfolgt nach den im ärztlich angeordneten Protokoll nachvollziehbaren Vorgaben.<br />

4.3 Vermeidung von Über- und Untersedierung bei schwerbr<strong>and</strong>verletzten<br />

Intensivpatienten<br />

Als grundsätzliches Sedierungsziel wird in den Leitlinien der DGAI ein wacher,<br />

kooperativer Patient gefordert, der die Maßnahmen der Intensivmedizin gut toleriert<br />

(Martin et al. 2005). Übersedierung führt zu längeren Beatmungszeiten, damit höherer<br />

Pneumonierate, Hypotension, Gastroparese, höherer Delirinzidenz, längerem<br />

Aufenthalt auf der Intensivstation und einer höheren Mortalität (Kress et al. 2000).<br />

Patienten, die hohe Dosen an Sedativa erhalten, haben nach ihrer Intensivbeh<strong>and</strong>lung<br />

häufiger Schlafstörungen und leiden vermehrt an posttraumatischen Stresssymptomen<br />

(Kollef et al. 1998). Die Vorteile der protokollgestützten Sedation zur Vermeidung der<br />

oben genannten Komplikationen sind unumstritten (Feeley und Gardner 2006).<br />

Beim Schwerbr<strong>and</strong>verletzten kann zum Schutz von Hauttransplantaten einerseits eine<br />

relativ tiefe Sedierung gefordert sein, <strong>and</strong>ererseits besitzt diese Patientengruppe ein<br />

hohes Pneumonierisiko. Deshalb sollte die Tiefe der Sedierung sorgfältig mittels<br />

Protokollen geplant und überwacht werden.<br />

Auf der Intensivstation der BG Unfallklinik Tübingen wurde der Sedierungszust<strong>and</strong> der<br />

Patienten schon vor Einführung der Leitlinie von Pflegepersonal und Ärzten geprüft.<br />

Das Pflegepersonal kannte die Anwendung der Richmond Agitation Sedation Scale<br />

(RASS), w<strong>and</strong>te diese aber nicht durchgängig an. Die Dokumentation mittels RASS<br />

war in einem dafür vorgesehenen Feld auf der Pflegekurve möglich. Alternativ dazu<br />

wurde der Sedierungszust<strong>and</strong> der Patienten anh<strong>and</strong> eines frei verfassten Textes im<br />

Pflegebericht beschrieben. Genau wie für das Monitoring des Schmerzstatus von<br />

16


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Intensivpatienten best<strong>and</strong> auch in Bezug auf den Sedierungszust<strong>and</strong> keine<br />

verbindliche Vorgabe, wie häufig diese geprüft werden sollte. In Bezug auf die<br />

Dokumentation gab es keine einheitliche Regelung.<br />

Es wurde kein Sedierungsziel für die Patienten von Seiten des ärztlichen Personals<br />

dokumentiert. Der ärztliche Verordnungsbogen wies kein Dokumentationsfeld auf, das<br />

die Angabe eines Sedierungsziels und die gewünschte Häufigkeit der Überprüfung<br />

vorsah. Die Therapie erfolgte nicht protokollgestützt. Dies entsprach insgesamt nicht<br />

den wissenschaftlich begründeten Forderungen der Leitlinie Sedierung und Analgesie<br />

der DGAI (DGAI 2010).<br />

Um diesen Forderungen gerecht zu werden, ist ein Ziel des vorliegenden Projekts die<br />

Einführung einer regelmäßigen, mindestens 8-stündlichen Evaluation der<br />

Sedierungstiefe und die Anordnung eines Sedierungsziels orientiert am Richmond<br />

Agitation Sedation Score (RASS). Die Steuerung der Sedierung soll protokollgeleitet<br />

erfolgen.<br />

4.4 Sicherung der Prozess- und Ergebnisqualität in Bezug auf Analgesie und<br />

Sedierung von schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten<br />

Das Vorliegen st<strong>and</strong>ardisierter Dokumentationssysteme und eindeutiger Instrumente<br />

zum Monitoring von Schmerz und Sedierungstiefe können einerseits Einflussgrößen<br />

der Strukturqualität einer Intensivstation sein und <strong>and</strong>ererseits auch notwendige<br />

Voraussetzungen für die Erhebung von Prozess- und Ergebnisparametern in der<br />

Qualitätssicherung. Indikatoren für die Prozessqualität sind zum Beispiel das<br />

regelmäßige Monitoring von Schmerz und Sedierungstiefe. Zu den<br />

Ergebnisparametern zählen unter <strong>and</strong>erem Beatmungsdauer, Liegedauer, Sterblichkeit<br />

und Lebensqualität der Intensivpatienten (Heyl<strong>and</strong> et al. 1999).<br />

Schon durch das Verändern von Organisationsstrukturen, wie zum Beispiel der<br />

protokollgestützten Analgosedierung durch das Pflegepersonal, kann eine<br />

Verbesserung der Prozess- und Ergebnisqualität erreicht werden (Weissner et al.<br />

2001). Die Verbesserung der Zusammenarbeit an der Schnittstelle zwischen Ärzten<br />

und Pflegepersonal bringt wesentliche Vorteile in der Patientenbeh<strong>and</strong>lung. Das<br />

Pflegepersonal ist unter <strong>and</strong>erem für die Ermittlung von Analgesie- und<br />

Sedierungsbedarf zuständig und sollte diese Informationen zeitnah an den Arzt<br />

weiterleiten. Speziell bei Schwerbr<strong>and</strong>verletzten, die in Isolationszimmern therapiert<br />

werden, ist diese reibungslose Kommunikation kaum möglich und es kann viel Zeit<br />

verstreichen, bis eine angemessene Adaption der Analgosedierung erfolgt. Die<br />

Steuerung der Analgesie und Sedierung mittels Spritzenpumpen nach vorgegebenen<br />

17


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

ärztlich angeordneten Protokollen durch das entsprechend qualifizierte<br />

Intensivpflegepersonal trägt zur Verbesserung der Strukturqualität bei. Mehrere<br />

Studien belegen das verbesserte Outcome der Patienten. Unter pflegegeleiteter,<br />

protokollgestützter Analgosedierung kommt es zu einer signifikanten Verkürzung der<br />

Beatmungsdauer (Brattebo et al. 2002) und einer wesentlichen Verringerung der<br />

Inzidenz beatmungsassoziierter Pneumonien (VAP) (Quenot et al. 2007).<br />

Die konsequente Anwendung evidenz-basierter klinischer Beh<strong>and</strong>lungspfade unter<br />

Verwendung von Sedierungsprotokollen führte nach einer Untersuchung von Burns et<br />

al. zu einer signifikanten Verbesserung des Patienten-Outcomes. Sowohl<br />

Beatmungszeiten als auch die intensivstationäre Beh<strong>and</strong>lungs- und<br />

Krankenhausverweildauer konnten erheblich gesenkt werden (Burns et al. 2003,<br />

Robinson et al. 2008).<br />

Das Einführen der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte ist ein Projekt, das ebenfalls der Qualitätssicherung dient. Zu<br />

Beginn des Projekts wurde retrospektiv die Häufigkeit des Sedierungsscorings vor der<br />

Implementierung der Leitlinien analysiert. Diese Zahlen wurden mit jenen verglichen,<br />

die nach Einführung der Leitlinien erhoben wurden. Dadurch sollten Veränderungen in<br />

der Prozessqualität auf der Intensivstation der BGU Tübingen in Bezug auf die<br />

Leitlinieneinführung untersucht werden. Ebenso wurden die Beatmungszeiten der<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzten vor und nach der Implementierung der S3 Leitlinie als Indikator<br />

für die Beh<strong>and</strong>lungsqualität ausgewertet. Beide Untersuchungen dienten der<br />

Erfolgskontrolle von qualitätssichernden Maßnahmen und gaben Aufschluss darüber,<br />

ob auch <strong>and</strong>ere Projekte in der Zukunft, wie zum Beispiel das Implementieren einer<br />

Sepsis-Leitlinien, auf ähnliche Art und Weise durchführbar wären.<br />

4.5 Ökonomie und intensivmedizinische Versorgung Schwerbr<strong>and</strong>verletzter<br />

Die Intensivmedizin als zentraler Baustein der stationären Versorgung kritisch<br />

erkrankter Patienten verursacht seit Jahrzehnten extrem hohe Beh<strong>and</strong>lungskosten. In<br />

Krankenhäusern der Maximalversorgung werden für die Intensivstationen ungefähr 20<br />

Prozent des Etats aufgewendet, obwohl nur circa 5 Prozent aller Patienten in diesem<br />

Bereich therapiert werden (Barckow 2000). Speziell die intensivmedizinische<br />

Versorgung Schwerbr<strong>and</strong>verletzter ist teuer und somit ein wesentlicher Kostenfaktor an<br />

der BGU Tübingen. Ein nicht unwesentlicher Teil der Ausgaben entstehen durch<br />

medikamentöse Therapien (Weber et al. 2003). Vergleicht man die Kosten einer<br />

empirischen Sedierung und Analgesie mit einer kontrollierten, zeigt sich, dass sowohl<br />

die Dosierungen als auch die Kosten der empirischen höher sind als die der<br />

18


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

kontrollierten, protokollierten Sedierung und Analgesie (Devlin et al 1999, Awissi et al.<br />

2012).<br />

Die Medikamentenapplikation verursacht jedoch nicht nur direkte, sondern auch<br />

indirekte Kosten. Bei suboptimal gesteuerten medikamentösen Therapien nimmt die<br />

Beatmungsdauer zu und die Pneumonieinzidenz steigt, was infolge zu einer<br />

signifikanten Erhöhung der Beh<strong>and</strong>lungskosten führt (Mascia et al. 2000). Die<br />

protokollgestützte im Vergleich zur empirischen Therapie erreicht sowohl eine<br />

Verbesserung der Sedierungs- und Analgesiequalität, als auch eine Kostenreduktion<br />

(Mac Laren et al. 2000). Das Einführen von Leitlinien steigert, dies zeigen auch <strong>and</strong>ere<br />

Studienergebnisse, nicht nur die Beh<strong>and</strong>lungsqualität, sondern trägt wesentlich zu<br />

ökonomischen Vorteilen bei (Burns et al. 2003).<br />

Auch am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte sollten durch die Einführung der S3<br />

Leitlinie die Kosten für Sedierung und Analgesie reduziert werden. Scoringsysteme und<br />

klinische Beh<strong>and</strong>lungspfade vermitteln Hilfen zur Entscheidungsfindung nicht nur im<br />

Bezug auf das therapeutische Vorgehen, sondern auch im Hinblick auf eine<br />

kosteneffiziente Therapie. Die endgültige Entscheidungsfindung erfolgt grundsätzlich<br />

individuell und im Interesse der Patienten. Bei einer solchen Vorgehensweise sollten<br />

Abweichungen von den Protokollen nach Einführung der Leitlinie prinzipiell begründet<br />

werden.<br />

5. Medikamente zur Sedierung und Analgesie von br<strong>and</strong>verletzten<br />

Patienten<br />

Um das gewünschte Sedierungsniveau und Schmerzfreiheit mit geringer Toxizität und<br />

ohne Überdosierung zu erlangen, werden beim Schwerbr<strong>and</strong>verletzten<br />

Medikamentengruppen eingesetzt, da die erwünschte Wirkung mit nur einer einzigen<br />

Substanz nicht zu erreichen ist (Tabelle 3).<br />

19


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Sufentanil 0,2-1,5<br />

Dosierung Anwendung Hinweise für die Praxis<br />

µg/kg/h<br />

1 mg/50ml<br />

1-5 ml/h<br />

Remifentanil 2,5-6 µg/kg/h 1 mg/50ml<br />

Ketamin 1,5-3<br />

mg/kg/h<br />

Midazolam 0,1-0,3<br />

mg/kg/h<br />

Propofol 1-3,5<br />

mg/kg/h<br />

Clonidin 1-2,5<br />

µg/kg/h<br />

7-20 ml/h<br />

1250<br />

mg/50ml<br />

4-10 ml/h<br />

250mg/50ml<br />

2-6 ml/h<br />

1g/50ml<br />

3-12 ml/h<br />

1,5 mg/50ml<br />

2-8 ml/h<br />

Hypnoanalgetischer Effekt und kurze<br />

kontextsensitive Halbwertszeit<br />

Teuer<br />

Ideal zur Analgesie bei kurzen schmerzhaften<br />

Prozessen<br />

Immer in Kombination mit Sedativum<br />

Günstiges Nebenwirkungsprofil<br />

Hohe therapeutische Breite<br />

Beste Steuerbarkeit aller gängiger<br />

Benzodiazepine<br />

Bei kontinuierlicher Gabe hohe<br />

Kumulationsgefahr<br />

Anxiolytische Wirkung<br />

Paradoxe Reaktionen möglich<br />

Maximale Anwendungsdauer von 7 Tagen bei<br />

maximaler Dosierung von 4 mg/kg/h zur<br />

Vermeidung der Propofol-Infusionssyndroms<br />

Häufig brauchen Verbrennungspatienten<br />

höhere Dosierung<br />

Anwendung bei starker vegetativer<br />

Symptomatik oder Entzugssyndrom<br />

Nebenwirkungen: Bradykardie, Hypotension,<br />

Darmatonie<br />

Tabelle 3: Dosierung gebräuchlicher Analgetika und Sedativa für erwachsene br<strong>and</strong>verletzte<br />

Patienten (modifiziert nach: Wappler (Hrsg.) 2009)<br />

Verglichen mit <strong>and</strong>eren Traumapatienten haben br<strong>and</strong>verletzte Patienten einen<br />

deutlich erhöhten Analgetika- und Sedativabedarf, für den es zurzeit keine schlüssige<br />

Erklärung gibt. Vermutlich werden die Medikamente im Rahmen des<br />

verbrennungsbedingten Hypermetabolismus beschleunigt abgebaut. Weiterhin besteht<br />

auf der Basis von Verbrennungsödemen ein größeres Verteilungsvolumen für<br />

wasserlösliche Medikamente. Proteingebundene Pharmakoanteile gehen durch die<br />

großen Proteinverluste über die großflächigen Wunden vermehrt verloren (Blanchet et<br />

al. 2008).<br />

Folgend werden Sedativa und Analgetika, die auf der Intensivstation der BG<br />

Unfallklinik Tübingen beim schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten im Rahmen der<br />

Einführung der S3 Leitlinie zum Einsatz kommen, beschrieben.<br />

20


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

5.1 Sedierung - Aufgabe und Wirkung<br />

Mehr als 75 Prozent aller beatmeten Patienten in Europa erhalten eine sedierende<br />

und/oder analgetische Therapie (Soliman et al. 2001). Dabei steht unter <strong>and</strong>erem als<br />

Ziel im Vordergrund, dass wache, kooperative Patienten die entsprechenden<br />

intensivmedizinischen Maßnahmen gut tolerieren. Eine moderate Sedierung bewirkt<br />

ein hohes Maß an Patientenzufriedenheit mit niedrigem Risiko für schwere<br />

Nebenwirkungen. Vegetative Stressreaktionen von Patienten wie Angst- und<br />

Unruhezustände werden gedämpft und deren negative Auswirkungen auf den<br />

Organismus begrenzt (Mc Quaid und Laine 2008).<br />

Ein ideales Sedativum müsste neben der effektiven Sedierung mit schnellem<br />

Wirkungseintritt und kurzer Wirkdauer einfach anwend- und titrierbar sein. Es sollte<br />

keine Akkumulation hervorrufen oder aktive Metabolite bilden und zu keinen<br />

schwerwiegenden kardiopulmonalen Depressionen führen. Die Metabolisierung sollte<br />

weder durch Organinsuffizienzen beeinträchtigt werden, noch sollte es Toleranz- bzw.<br />

Suchtentwicklungen geben (Fragen 1997).<br />

Bei einer Befragung in 16 europäischen Ländern wurden deutliche regionale<br />

geographische Unterschiede in der Anwendung von Sedativa festgestellt. Während in<br />

Großbritannien 75% aller beatmeten Patienten kontinuierlich sowohl Sedativa als auch<br />

Analgetika erhielten, wurden nur 30% der italienischen Patienten ständig sediert<br />

(Soliman et al. 2001). Auch in Bezug auf die Medikamente, die zur Anwendung<br />

kommen, finden sich auf internationaler Ebene Unterschiede. In Deutschl<strong>and</strong> wird zu<br />

92% bei längerfristiger Sedierung (>72 Stunden) Midazolam angew<strong>and</strong>t. Im Rahmen<br />

der amerikanischen Leitlinien wird Lorazepam zur Langzeitsedierung bevorzugt (Jacobi<br />

et al. 2002). Die beschriebenen Unterschiede zeigen, wie schwierig die Frage nach<br />

dem geeignetsten Medikament und der besten Sedierungspraxis ist. Hauptkriterium für<br />

die Auswahl der Medikamente auf der Intensivstation der BG Unfallklinik Tübingen<br />

waren die zu erwartende Sedierungsdauer unter Berücksichtigung der<br />

kontextsensitiven Halbwertszeit (siehe Abbildung 3).<br />

5.1.1 Medikamente mit hauptsächlich sedierender Wirkung<br />

Midazolam gehört zur Medikamentengruppe der Benzodiazepine. Diese vermitteln ihre<br />

Wirkung dadurch, dass diese modulierend auf die Bindungsstelle des<br />

Neurotransmitters GABA (γ-Aminobuttersäure) am GABAa-Rezeptor, einem Chlorid-<br />

Ionenkanal, wirken. Dadurch wird die Wirksamkeit des inhibitorisch wirkenden<br />

Neurotransmitters GABA verstärkt. Daraus folgt, dass die Öffnungswahrscheinlichkeit<br />

21


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

des Chlorid-Kanals erhöht wird und sich somit der Einstrom der Chlorid-Ionen in die<br />

Nervenzelle vergrößert. Diese Hyperpolarisation führt zu einer geringeren Erregbarkeit<br />

der Neuronenmembran und somit zur sedierenden Wirkung (Braun et al. 1995).<br />

Das zur Zeit in Deutschl<strong>and</strong> am häufigsten zur Sedierung und auch auf der<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzten- Intensivstation der BG Unfallklinik eingesetzte Benzodiazepin<br />

ist Midazolam (Young et al. 2000, Martin et al. 2007). Die vorrangige<br />

Indikationsstellung ist die Langzeitsedierung (>72 Stunden). Die Anwendung von<br />

Midazolam zur kurz- und mittellangen Sedierung nahm im Laufe der letzten Jahre in<br />

Deutschl<strong>and</strong> ab, hier kommt mittlerweile hauptsächlich Propofol zum Einsatz. Bei einer<br />

Sedierungsdauer von über 7 Tagen bietet Propofol jedoch im Vergleich zu Midazolam<br />

keinen Vorteil in Bezug auf die Dauer der Entwöhnung vom Respirator (Martin et al.<br />

2007).<br />

Die sedierende Wirkung von Midazolam tritt schnell ein, da das Medikament bei<br />

physiologischen pH-Werten eine hohe Lipophilie besitzt. Wie <strong>and</strong>ere Benzodiazepine<br />

hat es dosisabhängig hypnotische, anxiolytische, amnestische und antikonvulsive<br />

Eigenschaften, wobei folgende Rezeptorbesetzung notwendig ist (Tabelle 4):<br />

Effekt Rezeptorbesetzung<br />

Sedierung 30-50%<br />

Hypnose >60%<br />

Anxiolyse


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Entzugssymptomatik. Aktive Metabolite der Benzodiazepine haben häufig eine längere<br />

Halbwertszeit als die Grundsubstanz selbst, was die Gefahr der Kumulation erhöht<br />

(Bremer et al. 2004).<br />

Bei kurzfristiger Verabreichung oder nach einer einzelnen Injektion von Sedativa wird<br />

der klinische Effekt durch eine Umverteilung determiniert. Nach längerfristiger<br />

Applikation ist die Dauer der Wirkung von der Kumulation in verschiedenen Geweben<br />

abhängig. Ein Parameter, der die Dynamik der Langzeitsedierung berücksichtigt, ist die<br />

kontextsensitive Halbwertszeit. Dieser Parameter beschreibt die Zeit, in der die<br />

Plasmakonzentration eines Medikaments nach Abstellen der kontinuierlichen Infusion<br />

um 50% fällt (Van Aken 2007). Diese nimmt beim Midazolam in Abhängigkeit der<br />

Infusionsdauer stark zu (Stoelting 1999) (Abbildung 3). Beim Abbau von<br />

Benzodiazepinen entstehen in der Leber Metabolite, die zum Teil selbst noch sedativ<br />

wirksam sind. Ihre Wirkung hält so lange an, bis diese von der Niere ausgeschieden<br />

werden. Die Fähigkeit der Leber, Benzodiazepine abzubauen, sinkt mit zunehmendem<br />

Lebensalter. Diese Tatsache führt zu weiteren Schwierigkeiten, die Wirkdauer des<br />

Medikamentes einzuschätzen und die Gabe zu steuern (Löss 2003).<br />

Abbildung 3: Kontextsensitive Halbwertszeit verschiedener Sedativa (Tonner et al. 2007)<br />

Eine weitere Problematik von Benzodiazepinen ist der sogenannte Ceiling-Effekt. Die<br />

Wirkung des Medikaments verhält sich nicht proportional zur Dosierung, sondern<br />

nimmt bei gleichbleibender kontinuierlicher Infusion ab (Amrein und Hetzel 1990). Um<br />

23


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

in der klinischen Praxis die gewünschte Sedierungstiefe aufrecht erhalten zu können,<br />

führt dieser Effekt häufig zu stetiger Dosissteigerung.<br />

Das Sedativum Propofol ist ein schlecht wasserlösliches Phenolderivat. Es wird zurzeit<br />

in einer Öl-Wasser-Emulsion angeboten. Durch seine ausgeprägte Lipophilie passiert<br />

das Medikament schnell die Blut-Hirn-Schranke, somit tritt eine schnelle sedierende<br />

Wirkung ein. Diese Wirkung wird hauptsächlich über GABA-Rezeptoren vermittelt<br />

(Tonner et al. 2007).<br />

Während in Deutschl<strong>and</strong> zur Langzeitsedierung hauptsächlich Midazolam zum Einsatz<br />

kommt, wird vor allem Propofol für die Kurzzeitsedierung (


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Folge. Die Analgesie wird unter <strong>and</strong>erem auf eine Bindung an spinale Rezeptoren<br />

zurückgeführt (Link et al. 1996).<br />

Auf nahezu allen deutschen Intensivstationen findet sich eine breite Anwendung von<br />

Clonidin als adjuvante Substanz in allen Sedierungsphasen. Clondin wird in 34%<br />

deutscher Kliniken bei einer Sedierungsdauer bis 24 Stunden, in 50% zwischen 24 und<br />

72 Stunden und in 53% bei der Langzeitsedierung von über 72 Stunden eingesetzt<br />

(Martin et al. 2007). Auch am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik<br />

Tübingen kommt Clonidin zum Einsatz.<br />

Im Rahmen der Sedierungstherapie werden Alpha2-Adrenozeptor-Agonisten<br />

insbesondere zur Anxiolyse, Potenzierung von Analgetika und Sedativa und zur<br />

Sympathikolyse genutzt. Die Nebenwirkungen von Benzodiazepinen und Opioiden<br />

(z.B. Atemdepression) werden reduziert, Medikamente können eingespart werden<br />

(Bohrer et al. 1990). Neben dem Einsatz zur Analgosedierung wird Clonidin zur<br />

Beh<strong>and</strong>lung von Entzugssymptomen angewendet, die im Rahmen einer<br />

Intensivtherapie häufig auftreten (Spies et al. 1996). Die Dosierung liegt bei 1-2,5<br />

µg/kg/h.<br />

Die Nebenwirkungen von Clonidin sind bradykarde Herzrhythmusstörungen durch<br />

Verlängerung der Refraktärzeit des AV-Knotens, Blutdruckabfall durch Reduktion des<br />

peripheren Widerst<strong>and</strong>es und Hemmung der gastrointestinalen Motilität. Diese<br />

begrenzen den klinischen Einsatz von Clonidin. Jedoch ist die Hemmung der<br />

gastrointestinalen Sekretion und Peristaltik geringer ausgeprägt als bei Opioiden und<br />

beeinträchtigt die Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt nicht (Herbert et al. 2002).<br />

5.2 Analgesie - Aufgabe und Wirkung<br />

Patienten auf Intensivstationen bedürfen einer gezielten und adäquaten<br />

Schmerztherapie, um die negativen Auswirkungen von schmerzbedingten<br />

Stressreaktionen auf den gesamten Organismus zu verhindern. Schmerzen beim<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzten entstehen dabei im Rahmen des thermischen Traumas und als<br />

Folge von Operationen, Verb<strong>and</strong>swechseln, notwendiger diagnostischer,<br />

therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen.<br />

Das ideale Analgetikum sollte eine effektive Schmerztherapie bei schnellem<br />

Wirkungseintritt und kurzer Wirkdauer erreichen. Des Weiteren sollte es weder zu<br />

Akkumulation noch zur Bildung aktiver Metabolite kommen. Die einfache Anwendung<br />

und Titration ist gefordert, das Medikament sollte keine schwerwiegende<br />

kardiopulmonale Depression hervorrufen und von Organinsuffizienzen unbeeinträchtigt<br />

metabolisiert werden können (Brodner et al. 2000).<br />

25


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

5.2.1 Medikamente mit hauptsächlich analgesierender Wirkung<br />

5.2.1.1 Opioidanalgetika<br />

Opioide bewirken eine Analgesie über die Modulation der nozizeptiven<br />

Signaltransmission im ZNS, aber auch in peripheren Nerven. Die einzelnen<br />

Substanzen unterscheiden sich vor allem in ihrer Pharmakokinetik, während<br />

Wirkspektrum und Nebenwirkungen relativ ähnlich sind (Tonner et al. 2007).<br />

Neben der hervorragenden analgetischen Wirkung haben Opioide einen sedierenden<br />

Effekt und unerwünschte Nebenwirkungen. Zu diesen zählen die Atemdepression,<br />

Bradykardie, Hypothermie, Miosis, Übelkeit und Erbrechen, die Verminderung der<br />

Motilität des Magen-Darm-Traktes, Hypotonie, Bronchokonstriktion, eine<br />

Toleranzentwicklung und physische Abhängigkeit (Tonner et al. 2007).<br />

Auf deutschen Intensivstationen wird mittlerweile Sufentanil signifikant häufiger zur<br />

systemischen Analgesie eingesetzt als Fentanyl. Bei einer Sedierungsdauer von 24-72<br />

Stunden verwenden 58% der Kliniken Sufentanil und nur 41% Fentanyl (Martin et al.<br />

2007). In allen Sedierungsphasen wird Fentanyl seltener eingesetzt als noch 4 Jahre<br />

zuvor (Martin et al. 2005). Bei einer Sedierungsdauer bis 24 Stunden und in der<br />

Weaningphase wurde Remifentanil im Vergleich 2002 versus 2006 vermehrt<br />

eingesetzt. Die Applikationsraten von Morphin, Piritramid und nicht-opioid Analgetika<br />

waren vergleichbar (Martin et al. 2005, Martin et al. 2007).<br />

Sufentanil wird zur Langzeitanalgesie (>72 Stunden) in 64% der deutschen<br />

Universitätskliniken eingesetzt (Martin et al. 2007). Es zeichnet sich neben der<br />

analgetischen Wirkung dadurch aus, dass die Patienten unter Gabe von Sufentanil im<br />

Vergleich zu <strong>and</strong>eren Opioiden kardiovaskulär stabil bleiben (Ethuin et al. 2003). In<br />

einer Dosierung von 1µg/kg/h ist Sufentanil bei kritisch kranken beatmeten Patienten<br />

ein adäquates Analgetikum, die Dosierung von 0,25-0,35 µg/kg/h lässt die Anwendung<br />

auch im Weanigprozess bei spontan atmenden Patienten ohne Auftreten einer<br />

Atemdepression zu (Kroll und List 1992).<br />

Sufentanil hat neben den analgetischen auch sedierende Eigenschaften und kann<br />

auch als Monosubstanz zur Sedierung und Analgesie verwendet werden (Wappler et<br />

al. 1998). Die rasche Verteilung des Medikamentes und relativ kurze<br />

Eliminationshalbwertszeit führen zu einer schnellen Reversibilität der Analgesie auch<br />

nach längerer Infusion mit geringer Kumulationsgefahr (Ethuin et al. 2003). Auch in<br />

Bezug auf die kontextsensitive Halbwertszeit weist Sufentanil eindeutig Vorteile<br />

gegenüber zum Beispiel Fentanyl auf (Abbildung 4).<br />

26


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Abbildung 4: Kontextsensitive Halbwertszeit verschiedener Opioide (Tonner et al. 2007)<br />

Remifentanil ist ein Medikament, das sich durch eine für Opioide besondere<br />

Pharmakokinetik auszeichnet. Aufgrund seiner Struktur wird Remifentanil nach<br />

intravenöser Injektion unabhängig von der Leber- und Nierenfunktion durch<br />

unspezifische Esterasen in Blut und Gewebe innerhalb weniger Minuten hydrolytisch<br />

gespalten (Tonner et al. 2007).<br />

Remifentanil gewinnt zunehmend an Bedeutung im intensivmedizinischen<br />

Analgesiekonzept (Karabinis et al. 2004). Besonders Patienten mit Leber- und/oder<br />

Nierenfunktionsstörungen profitieren von der gut steuerbaren Substanz. Bei<br />

Intensivpatienten mit renaler Dysfunktion treten selbst bei längerfristiger<br />

Remifentanilanwendung keine prolongierten Wirkungen auf (Rozendaal et al. 2009).<br />

Bei geplanten Kurzzeitsedierungen


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Piritramid wird auf deutschen Intensivstationen häufig während der Kurzzeitsedierung<br />

und zur diskontinuierlichen Analgesie eingesetzt. 35% aller deutschen Kliniken<br />

verwenden das Medikament für eine Analgesiedauer von bis zu 24 Stunden, 17% im<br />

Bereich zwischen 24 und 72 Stunden. Im Rahmen des Beatmungsweanings wird in<br />

24% der Intensivstationen Piritramid verwendet (Martin et al. 2007). Auch am Zentrum<br />

für Verbrennungsmedizin der BGU Tübingen kommt dieses Analgetikum zum Einsatz.<br />

Die Dosierung für die kontinuierliche Gabe liegt in der Regel bei 0,03-0,05 mg/kg/h.<br />

Die sedierende und atemdepressive Wirkung von Piritramid ist geringer ausgeprägt als<br />

bei <strong>and</strong>eren Opioiden. Deshalb ist dieses Medikament besonders geeignet, um in Form<br />

von Bolusgaben appliziert zu werden (Tonner 2007). Hierbei werden 3-4,5 mg des<br />

Medikaments injiziert, bis die gewünschte Schmerzfreiheit erreicht ist.<br />

5.2.1.2 Ketamin<br />

Das Phencyclidinderivat Ketamin nimmt unter den Analgetika und Sedativa eine<br />

Sonderstellung ein. Das pharmakologische Profil umfasst eine Vielzahl an Wirkungen.<br />

Antagonistische und agonistische Effekte an verschiedenen Rezeptoren bewirken<br />

Analgesie, Sedierung und stimulierende Kreislaufeffekte.<br />

Ketamin wird auf deutschen Intensivstationen vorwiegend adjuvant zur Sedierung und<br />

Analgesie eingesetzt. 26% der Kliniken verwenden das Medikament bei einer<br />

Analgesiedauer von 24-72 Stunden. Bei der Kurzzeitsedierung und in der<br />

Weaningphase spielt der Einsatz von Ketamin eine untergeordnete Rolle (Martin et al.<br />

2007). Bei der Therapie von Br<strong>and</strong>verletzten hat das Medikament einen besonderen<br />

Stellenwert (Klose 1991). Ketamin wird auch in der BGU Tübingen für br<strong>and</strong>verletzte<br />

Patienten zur Analgesie verwendet. Die Dosierung liegt bei 1,5-3 mg/kg/h.<br />

Br<strong>and</strong>verletzte haben aufgrund des Kapillarlecks eine hypotensive Kreislaufsituation<br />

ohne kardiale Ursache und fallen deshalb in den vorrangigen Indikationsbereich von<br />

Ketamin (Bell et al. 2006). Die gute Analgesie mit Kreislaufstabilität und<br />

unbeeinträchtigter Magen-Darm-Funktion sind Vorteile bei der Beh<strong>and</strong>lung<br />

schwerbr<strong>and</strong>verletzter Patienten (Ceber und Salihoglu 2006). Der Einsatz von Ketamin<br />

kann den Opioidbedarf und die damit verbundenen unerwünschten Nebenwirkungen<br />

reduzieren (Edrich et al. 2004).<br />

Ketamin wirkt gering atemdepressiv bei erhaltenen Schutzreflexen. In niedrigen<br />

Dosierungen hat es fast ausschließlich einen analgetischen Effekt, in höheren<br />

Konzentrationen bewirkt es auch eine Somnolenz bis hin zur dissoziativen Anästhesie.<br />

Hierbei können alptraumartige Halluzinationen auftreten, weshalb die gleichzeitige<br />

Gabe von Midazolam oder Propofol indiziert ist. Die sympathomimetischen<br />

Eigenschaften von Ketamin können zu Hypertension, Tachykardie, Hypersalivation und<br />

28


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

zur Steigerung des myokardialen und zerebralen Sauerstoffverbrauchs führen (Tonner<br />

2007).<br />

5.2.1.3 Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR)<br />

NSARs hemmen die Prostagl<strong>and</strong>insynthese und führen somit zu einer Verminderung<br />

von Schmerz- und Entzündungsreaktionen.<br />

24% der deutschen Kliniken verwenden diese Nicht-Opioidanalgetika zur<br />

Kurzzeitanalgesie bis 24 Stunden, 17% im Analgesieintervall zwischen 24 und 72<br />

Stunden (Martin et al. 2007). Auf der Intensivstation für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU<br />

Tübingen kommen die Medikamente Paracetamol und Metamizol zum Einsatz. Die<br />

Dosierung liegt bei jeweils bis zu 4 x 1g pro Tag, die Applikationsart ist je nach<br />

Funktionalität der Magen-Darm-Passage intravenös als Kurzinfusion oder enteral.<br />

Die Vorteile des Einsatzes von NSARs liegen im opioidsparenden Effekt bei suffizienter<br />

Analgesie und somit Reduktion von Ileusgefahr, geringere Atemdepression und<br />

weniger beeinträchtigte Bewusstseinslage (Peduto et al. 1998). Eine weitere<br />

erwünschte Wirkung ist der antipyretische Effekt (Cruz et al. 2002) und speziell bei<br />

Metamizol die spasmolytische Wirkung.<br />

Die Nebenwirkungen von NSARs sind Hypotension, renale Vasokonstriktion und<br />

gastrointestinale Toxizität. Paracetamol führt bei länger anhaltender Überdosierung zu<br />

Leberzellnekrosen, schon ab 6-10g wird die Kapazität der Leber zur Verstoffwechslung<br />

überschritten. Eine schwere unerwünschte Nebenwirkung von Metamizol ist die<br />

allergische Agranulozytose. Das Risiko für diesen Effekt steigt bei zunehmender<br />

Dosierung und Beh<strong>and</strong>lungsdauer (Gilron et al. 2003). Ebenso besteht bei schneller<br />

intravenöser Injektion von Metamizol die Gefahr der schweren Schockreaktion auf<br />

Grundlage einer direkten Vasodilatation.<br />

6. Methoden zum Monitoring von Sedierung und Analgesie von<br />

br<strong>and</strong>verletzen Patienten<br />

Zum Monitoring von Schmerzen und Sedierungstiefe stehen verschiedene validierte<br />

Systeme zur Verfügung. Die Skalen sollten in diesem Kontext im Wesentlichen von<br />

einer großen Gruppe der Pflegenden vollständig akzeptiert werden und plausible Werte<br />

ergeben. Durch den engen Kontakt des Pflegepersonals zum Patienten, vor allem auch<br />

während potentiell schmerzhafter Interventionen wie endotrachealem Absaugen,<br />

Verb<strong>and</strong>swechsel, Betten und Lagern der Patienten wird hauptsächlich diese<br />

Berufsgruppe die Skalen benutzen. Nach Einführung der Leitlinien wird ein<br />

29


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

entsprechend qualifiziertes Pflegepersonal anh<strong>and</strong> von ärztlich angeordneten<br />

Protokollen und aufgrund der erhobenen Werte sedierende und analgesierende<br />

Medikamente selbständig steuern, um sowohl die zu tiefe, als auch die zu flache<br />

Analgosedierung zu vermeiden.<br />

6.1 Richmond Agitation Sedation Score (RASS) - Skala zum Erfassen der<br />

Sedierungstiefe<br />

Der Richmond Agitation Sedation Score (RASS) ist eine 10 Punkte-Skala, die ein<br />

schnelles Scoring in drei klar definierten Schritten ermöglicht. Zuerst wird geprüft, ob<br />

der Patient ohne äußere Stimuli Aktivitäten zeigt. Diese werden nach Vorgaben der<br />

Skala mit positiven Zahlen festgehalten. Der wache, ruhige und kooperative Patient<br />

wird mit dem Wert 0 gescort. Beim nicht wachen Patienten werden die Stimuli, die zum<br />

Erwecken nötig sind, klar definiert und in rein verbale und verbale plus physische Reize<br />

eingeteilt. Je stärker der angew<strong>and</strong>te Reiz, desto negativer ist die Zahl, die gescort<br />

wird (Tabelle 4).<br />

Ausdruck Beschreibung<br />

+4 Sehr streitlustig Offene Streitlust, gewalttätig, unmittelbare Gefahr für Personal<br />

+3 Sehr agitiert Zieht oder entfernt Schläuche oder Katheter, aggressiv<br />

+2 Agitiert Häufige ungezielte Bewegung, atmet gegen das<br />

Beatmungsgerät<br />

+1 Unruhig Ängstlich aber Bewegungen nicht aggressiv oder lebhaft<br />

0 Aufmerksam und ruhig<br />

-1 Schläfrig Nicht ganz aufmerksam, aber erwacht anhaltend durch<br />

Stimme mit längerem Augenkontakt (>10s)<br />

-2 Leichte Sedierung Erwacht kurz mit Augenkontakt durch Stimme (


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Br<strong>and</strong>verletzten wichtig, die für schmerzhafte Interventionen wie z.B. Verb<strong>and</strong>swechsel<br />

und Physiotherapie immer wieder intermittierend tiefer sediert werden müssen.<br />

Die durch den bereits vorh<strong>and</strong>enen hohen Bekanntheitsgrad, den logischen Aufbau<br />

des Scorings und die einfache, schnelle H<strong>and</strong>habung zu erwartende gute Akzeptanz<br />

beim Personal sind weitere Gründe für die Implementierung der RASS am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen.<br />

6.2 Numerische Rating Skala (NRS) - Skala zum Erfassen von Schmerz beim<br />

kommunikationsfähigen Patienten<br />

Die Selbsteinschätzung von Patienten ist das Instrument mit der höchsten Validität und<br />

Reliabilität bei der Schmerzerfassung (Jeitzinger 2006). Schmerzempfindungen sind<br />

subjektiv und jeder Patient besitzt eine individuelle Schmerzakzeptanz und –toleranz.<br />

Um die Selbsteinschätzung von Patienten eindeutig dokumentieren und<br />

kommunizieren zu können, wird am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte die NRS<br />

verwendet (Abbildung 5).<br />

Abbildung 5: Numerische Rating Skala (DGAI, S3-Leitlinie: Analgesie, Sedierung und<br />

Delirmanagement in der Intensivmedizin 2010)<br />

Die Patienten geben auf einer Skala von 1-10 verbal oder mit Hilfe eines<br />

Schiebeinstruments die Stärke der bestehenden Schmerzen an.<br />

Das Festsetzen von Interventionsgrenzen kann mit Hilfe der NRS über einen<br />

Zahlenwert erfolgen. Es können auf der Zahlenskala der NRS eindeutige Werte<br />

ermittelt werden, die ein H<strong>and</strong>eln nach ärztlich angeordneter Vorgabe ohne<br />

Kommunikationsschwierigkeiten ermöglichen. So werden die Werte von 1 bis 4 als<br />

leichte, von 5 bis 6 als mittelstarke und von 7 bis 10 als starke Schmerzen eingestuft.<br />

Deutliche schmerzbedingte Funktionseinschränkungen werden bei Werten über 4<br />

festgestellt, somit ist dieser Wert auch gleichzeitig als Interventionsgrenze zu<br />

definieren (Serlin et al. 1995).<br />

31


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Die Skala ist auch beim Verbrennungspatienten mit Verletzungen im Bereich der<br />

Hände leicht anwendbar, da verbal ein Zahlenwert ermittelt werden kann. Die Skala hat<br />

bereits einen hohen Bekanntheitsgrad in der BGU Tübingen. Die Allgemeinstationen<br />

und der Aufwachraum der Anästhesie scoren bereits seit mehreren Monaten<br />

erfolgreich mit der NRS.<br />

6.3 Behavioral Pain Scale (BPS) - Skala zum Erfassen von Schmerz beim nicht<br />

kommunikationsfähigen Patienten<br />

Häufig ist der schwerbr<strong>and</strong>verletzte Patient nicht in der Lage, eine Selbsteinschätzung<br />

seiner Schmerzsituation abzugeben. Ein großer Teil der Patienten ist aufgrund der<br />

Schwere ihrer Erkrankung sediert und maschinell beatmet. Durch endotracheale<br />

Intubation, Sedation und Analgesie sind diese Patienten nur sehr eingeschränkt<br />

kommunikationsfähig und somit besonders gefährdet, nicht schmerzadäquat therapiert<br />

zu werden (Jeitzinger 2006). Ein regelmäßiges Erfassen der Analgesie ist<br />

unabdingbar, um sowohl Unter- als auch Überdosierung von Schmerzmitteln zu<br />

verhindern. Bei Patienten, die gar nicht oder nicht entsprechend kommunizieren<br />

können, müssen subjektive Parameter zur Einschätzung des Schmerzniveaus durch<br />

das Personal herangezogen werden. Es existieren keine objektiven und verlässlichen<br />

Schmerzparameter, anh<strong>and</strong> derer eine analgetische Therapie beim nicht<br />

kommunikationsfähigen Patienten gesteuert werden könnte (Dimopoulou 2005). Nach<br />

wie vor ist die Schmerzerfassung und –dokumentation beim Intensivpatienten<br />

mangelhaft (Jeitzinger 2006). Hier besteht H<strong>and</strong>lungsbedarf, um die Patientensituation<br />

zu optimieren.<br />

So lange keine optimalen Möglichkeiten zur Schmerzbeurteilung beim intubierten und<br />

beatmeten Patienten existieren, muss mit Hilfe der vorh<strong>and</strong>enen Skalen das<br />

regelmäßige Monitoring durchgeführt werden (Gelinas et al. 2004). Auch das<br />

regelmäßige subjektive Beurteilen durch das medizinische Personal mit Hilfe dieser<br />

Skalen bringt große Erfolge in der Beh<strong>and</strong>lungsqualität der Patienten (Puntillo et al.<br />

1997).<br />

Die Merkmale, die zur Fremdbeurteilung der Schmerzen herangezogen werden, sind<br />

Bewegung und Mimik, sowie physiologische Parameter wie Herz-, Atemfrequenz und<br />

Blutdruck (Tabelle 6). Jedoch gibt es immer noch kein Instrument, keinen Algorithmus<br />

für ein objektives, effektives Schmerzmanagement. Skalen sind nur Hilfsmittel, die<br />

adäquate fachliche Qualifikation des Personals ist beim Erfassen der Analgesie von<br />

beatmeten und sedierten Patienten unabdingbar (Shannon und Bucknall 2003).<br />

Insbesondere eine ausreichende Sedierung kann nicht mit Schmerzfreiheit<br />

32


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

gleichgesetzt werden und sollte beim Schmerzscoring bedacht werden (Tonner et al.<br />

2007).<br />

Item Beschreibung Punkte<br />

Gesichtsausdruck Entspannt<br />

Teilweise angespannt<br />

Stark angespannt<br />

Grimmassieren<br />

Obere Extremität Keine Bewegung<br />

Adaption an das<br />

Beatmungsgerät<br />

Teilweise Bewegung<br />

Anziehen mit Bewegung der Finger<br />

Ständiges Anziehen<br />

Toleration<br />

Seltenes Husten<br />

Kämpfen mit dem Beatmungsgerät<br />

Kontrollierte Beatmung nicht möglich<br />

Tabelle 6: Behavioral Pain Skala (modifiziert nach Payen et al. 2001)<br />

Die ermittelten Punktzahlen werden zu einer Gesamtpunktzahl von maximal 12<br />

Punkten addiert. Je höher diese ausfällt, desto wahrscheinlicher hat der Patient<br />

Schmerzen.<br />

Die BPS bewertet die Schmerzsituation des Patienten anh<strong>and</strong> der Kriterien<br />

Gesichtsausdruck, Bewegung der oberen Extremität und Adaption an das<br />

Beatmungsgerät. Die Validität der Skala wurde mehrfach untersucht, Studien konnten<br />

zeigen, dass eine Quantifizierung der Schmerzintensität bei sedierten und nicht<br />

kommunikationsfähigen Patienten mit Hilfe dieses Instruments vorgenommen werden<br />

können (Ahlers 2010, Younes et al. 2005). Offensichtlich führt schon alleine das<br />

Implementieren der BPS auf der Intensivstation mit regelmäßig vorgenommenem<br />

Schmerzmonitoring zu einer signifikant besseren Versorgung der Patienten mit<br />

Analgetika und damit zu einer wesentlich verbesserten Therapiequalität (Erdek und<br />

Pronovost 2004).<br />

Die Skala besitzt generell in Deutschl<strong>and</strong> und auch am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte bereits einen hohen Bekanntheitsgrad und kann deshalb ohne<br />

größere Probleme geschult und etabliert werden.<br />

Die Beurteilung von Schmerz beim nicht kommunikationsfähigen Patienten ist nach wie<br />

vor schwierig durch Skalen zu erfassen. Deshalb bedarf es qualifizierten Personals mit<br />

Kenntnis der Vor- und Nachteile der BPS, um vor allem beim tief sedierten Patienten<br />

keine falschen Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen. Die BPS wird auf der<br />

Intensivstation der BGU Tübingen als Instrument zur systematischen<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

33


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Herangehensweise bei der Schmerzerfassung als Basis für eine adäquate<br />

Schmerzbeh<strong>and</strong>lung genutzt.<br />

7. Protokollgestützte Therapie bei br<strong>and</strong>verletzten Patienten<br />

Auf Grundlage eines regelmäßigen, mindestens 8-stündlichen Scorings von Patienten<br />

durch das Pflegepersonal, werden br<strong>and</strong>verletzte Patienten nach Einführung der S3<br />

Leitlinie protokollgestützt therapiert.<br />

7.1 Schmerztherapie beim kommunikationsfähigen Patienten<br />

Grundsätzlich liegt das Analgesieziel des wachen br<strong>and</strong>verletzten Patienten, wie<br />

bereits ausgeführt wurde, bei einem NRS-Score von unter 4 (Serlin et al. 1995). Liegt<br />

der durch die Patienten angegebene Zahlenwert bei 4 oder darüber, sollen vom<br />

Pflegepersonal nach ärztlich angeordnetem Protokoll Analgetika verabreicht werden<br />

(Abbildung 6).<br />

NRS ≥4<br />

Piritramid 3,75 mg i.v.<br />

und / oder NSAR n.V.<br />

Monitoring nach 30<br />

min. wiederholen<br />

Abbildung 6: Protokoll zur Steuerung der Analgesie beim kommunikationsfähigen Patienten<br />

(modifiziert nach DGAI, S3-Leitlinie: Analgesie, Sedierung und Delirmanagement<br />

in der Intensivmedizin 2010)<br />

Analgesieziel<br />

festgelegt NRS


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Das Opioid Piritramid wird in Boli von 3,75 mg i.v. verabreicht, bis das Analgesieziel<br />

erreicht ist. Gleichzeitig, oder bei geringer Abweichung vom Zielwert stattdessen,<br />

können NSAR i.v. als Kurzinfusion infundiert werden. Wenn keine Kontraindikationen<br />

gegeben sind, wird im Verordnungsbogen bis zu 4 x 1g Metamizol und bis zu 4 x 1g<br />

Paracetamol zur Bedarfsmedikation angeordnet.<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte Patienten sind besonders häufig potentiell schmerzhaften<br />

Interventionen ausgesetzt und benötigen deshalb immer wieder höhere Gaben von<br />

Analgetika und Sedativa. Um das Weaning wacher Patienten nicht zu gefährden und<br />

Reintubationen mit prolongierter Beatmungszeit zu vermeiden, werden zur<br />

Kurznarkose (z.B. beim Verb<strong>and</strong>swechsel), Remifentanil und Propofol verwendet.<br />

Diese Medikamente besitzen eine sehr kurze Halbwertszeit und sind somit gut<br />

steuerbar.<br />

7.2 Schmerztherapie beim beatmeten Patienten<br />

Das Analgesieziel des beatmeten Intensivpatienten wird mittels der BPS festgelegt und<br />

evaluiert. Aufgrund der bekannten Schwächen dieses Scoringsystems müssen auch<br />

die physiologischen Parameter wie Herzfrequenz und Blutdruck, Atemfrequenz,<br />

Tränenfluss und Schweißsekretion beim Schmerzmonitoring berücksichtigt werden.<br />

Die Anpassung der Analgetika erfolgt nach ärztlich angeordnetem Protokoll durch die<br />

entsprechend qualifizierten Pflegekräfte.<br />

35


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Sufentanil ↑ 1-2 ml/h<br />

Ketamin ↑ 1-2 ml/h oder<br />

Piritramid ↑ 1-2 ml/h Gabe<br />

von NSAR n.V.<br />

Abbildung 7: Protokoll zur Steuerung der Analgesie beim beatmeten Patienten (modifiziert nach<br />

DGAI, S3-Leitlinie: Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der<br />

Intensivmedizin 2010)<br />

Grundsätzlich werden zur längerfristigen Schmerztherapie beim beatmeten<br />

schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten Sufentanil, Piritramid und Ketamin eingesetzt.<br />

Sufentanil wird gemäß St<strong>and</strong>ard in der Dosierung 0,02 mg/ml, Piritramid in 1,8 mg/ml<br />

und Ketamin in 0,25 mg/ml per Spritzenpumpe verabreicht. Sufentanil und Ketamin<br />

kommen eher bei einer zu erwartenden Beatmungsdauer von über 72 Stunden zum<br />

Einsatz. Piritramid hingegen wird zur Kurzzeittherapie und im Weaning verwendet.<br />

Beim beatmeten br<strong>and</strong>verletzten Patienten kommen zusätzlich zu den Opioiden NSAR<br />

zur Anwendung. Gibt es keine Kontraindikationen, werden bis zu jeweils 4 x 1g tgl.<br />

Metamizol und Paracetamol als Kurzinfusion zur Bedarfsmedikation angeordnet.Zu<br />

schmerzhaften Interventionen erhält der thermisch verletzte Intensivpatient zusätzlich<br />

entsprechende Boligaben zur Analgesie. Die Wirkung dieser Boli muss per<br />

Schmerzmonitoring überwacht werden.<br />

Analgesieziel<br />

festgelegt<br />

Mind. 8 - stündl. Monitoring mittels BPS Beachten<br />

von physiol. Parametern<br />

Ziel überschritten Analgesieziel<br />

erreicht<br />

Monitoring nach 30<br />

min. wiederholen<br />

Ziel unterschritten<br />

Sufentanil ↓ 1-2 ml/h<br />

Ketamin ↓ 1-2 ml/h oder<br />

Piritramid ↓ 1-2 ml/h<br />

Monitoring nach 30<br />

min. wiederholen<br />

36


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

7.3 Sedierung<br />

Das Sedierungsziel wird mit Hilfe der RASS festgelegt. Grundsätzlich fordert die S3-<br />

Leitlinie den wachen, kooperativen Intensivpatienten, der alle therapeutisch<br />

notwendigen H<strong>and</strong>lungen gut toleriert. Dies entspricht einem RASS von 0. Beim<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzten kann zum Schutz der Hauttransplantate immer wieder eine<br />

tiefere Sedierung gefordert sein, die individuell vom Arzt angeordnet werden muss.<br />

Um die kontinuierliche Anpassung an das geforderte Ziel gewährleisten zu können,<br />

steuert das Pflegepersonal die Sedierung nach dem ärztlich angeordneten Protokoll<br />

mit den entsprechenden Vorgaben (Abbildung 8).<br />

Midazolam ↑ 1-3 ml/h<br />

oder<br />

Propofol 2% ↑ 1-3 ml/h<br />

Sedierungsziel<br />

festgelegt<br />

Mind. 8 - stündl. Monitoring mittels RASS<br />

Ziel überschritten Sedierungsziel<br />

erreicht<br />

Monitoring nach 30 min.<br />

wiederholen<br />

Abbildung 8: Protokoll zur Steuerung der Sedierung (modifiziert nach DGAI, S3-Leitlinie:<br />

Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin 2010)<br />

Zur Sedierung des Schwerbr<strong>and</strong>verletzten werden Midazolam und Propofol verwendet.<br />

Midazolam wird gemäß St<strong>and</strong>ard in der Dosierung 2 mg/ml und Propofol in 20 mg/ml<br />

intravenös per Spritzenpumpe verabreicht. Midazolam kommt bei der<br />

Langzeitsedierung von über 72 Stunden zum Einsatz, Propofol ist durch seine kurze<br />

Halbwertszeit sehr gut steuerbar und findet deshalb eher bei kürzeren<br />

Sedierungszeiten und im Weaning Anwendung.<br />

Ziel unterschritten<br />

Midazolam ↓ 1-3 ml/h<br />

oder<br />

Propofol 2% ↓ 1-3ml/h<br />

Monitoring nach 30 min.<br />

wiederholen<br />

37


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Bei entsprechender Kreislaufsituation kann zur Unterstützung der oben genannten<br />

Sedativa, bei paradoxen Aufwachreaktionen im Weaning und zur Prophylaxe und<br />

Therapie von Entzugssymptomen Clonidin eingesetzt werden. Clonidin wird in der<br />

St<strong>and</strong>arddosierung von 0,03 mg/ml per Spritzenpumpe verabreicht.<br />

Zur kurzfristig tieferen Sedierung aufgrund von Verb<strong>and</strong>swechseln, Wundreinigungen<br />

etc. sollen Boli der sedierenden Medikamente verabreicht werden. Da Midazolam stark<br />

kumuliert, kann zu oben genanntem Zweck stattdessen die zusätzliche Gabe von<br />

Propofol angebracht sein, um nach der therapeutischen Intervention schneller wieder<br />

das ursprüngliche Sedierungsziel zu erreichen. Hier ist ein sorgfältiges Monitoring<br />

mittels RASS besonders wichtig.<br />

8. Konzeption der S3 Leitlinieneinführung Sedierung und Analgesie auf<br />

der Intensivstation am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG<br />

Unfallklinik Tübingen<br />

8.1 Leitlinieneinführung als Projekt<br />

Vielfältige Aktivitäten und Formen der Problembearbeitung und Problemlösung können<br />

als "Projekt" bezeichnet werden. Es h<strong>and</strong>elt sich dabei immer um eine<br />

Ausein<strong>and</strong>ersetzung mit relativ komplexen Aufgaben durch eine Vielzahl von Akteuren.<br />

Weitere Merkmale von Projekten sind eine zielgerichtete Arbeitsweise, ein begrenzter<br />

Rahmen und eine definierte Struktur. Projekte werden genutzt, um mit Problemen und<br />

Risiken in besonderer Weise umgehen zu können. Auch im Rahmen von<br />

organisatorischen Lernprozessen spielen Projekte eine große Rolle. Diese stehen für<br />

eine zielgerichtete und strukturierte Art des Zusammenarbeitens, in der die Verbindung<br />

von Theorie und Praxis besonders leicht möglich ist.<br />

Der Auftrag zur Einführung der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie auf der<br />

Intensivstation am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen<br />

erfüllte alle vorgenannten Merkmale (Abbildung 9).<br />

38


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

1.<br />

Neuartige,<br />

einmalige<br />

Aufgabenstellung/<br />

Herausforderung<br />

8.<br />

Die Organisation<br />

definiert Auftrag<br />

und einen<br />

speziellen Rahmen<br />

für das Vorhaben<br />

7.<br />

Aufgabe und<br />

Ergebnisse haben<br />

für die Organisation<br />

eine hohe<br />

Bedeutung<br />

Abbildung 9: Merkmale von Projekten (Rosenthal und Wagner 2004)<br />

Um Gestaltungs- und Optimierungsprozesse im Gesundheitswesen zu realisieren,<br />

bedarf es profunder Kenntnisse von Projektformen und Projektmanagement<br />

(Grossmann und Scala, 1996). So haben die unter medizinischen Aspekten<br />

entwickelten Leitlinien inzwischen eine solche Komplexität angenommen, dass zu<br />

deren Umsetzung der Organisationsablauf einer von dieser Maßnahme betroffenen<br />

Station erheblich modifiziert werden musste. Dies ist womöglich einer der Gründe,<br />

warum Leitlinien zum Thema Analgosedierung in Deutschl<strong>and</strong> noch nicht befriedigend<br />

umgesetzt wurden beziehungsweise werden (Martin et al. 2007). Generell stellt die<br />

Einführung von Leitlinien nach Gross et al. in die medizinisch/pflegerische Praxis ein<br />

Problem dar (Gross et al. 2001). Des Weiteren wird die meist unzureichende<br />

Implementierung häufig vom betroffenen medizinischen Personal sehr mangelhaft<br />

wahrgenommen. Bei einer Befragung von Brunkhorst et al. gingen Leiter von<br />

Intensivstationen deutlich häufiger davon aus, dass Leitlinien auf ihrer Station<br />

befriedigend umgesetzt werden, als in einer Untersuchung festgestellt wurde<br />

(Brunkhorst et al. 2008).<br />

Die Einführung der S3 Leitlinie Analgesie und Sedierung auf der Intensivstation der<br />

BGU Tübingen wurde auf der Basis dieser Erkenntnisse mit Hilfe von Techniken aus<br />

dem Projektmanagement und der Organisationspsychologie umgesetzt. Es wurde zur<br />

Konzepterstellung auf medizinische und betriebswirtschaftliche Grundlagen und<br />

Recherchen zurückgegriffen.<br />

2.<br />

Zielorientierung<br />

Projekt<br />

6.<br />

Bei aller Planung<br />

bleibt eine gewisse<br />

Offenheit bezüglich<br />

des Ergebnisses<br />

sowie ein Risiko<br />

3.<br />

Begrenzung<br />

bezüglich Zeit,<br />

Personen und<br />

Mittel<br />

4.<br />

Aufgabe ist<br />

komplex, von<br />

größerem Umfang<br />

und mit <strong>and</strong>eren<br />

Bereichen vernetzt<br />

5.<br />

Zusammenwirken<br />

unterschiedlicher<br />

Organisationseinhei<br />

ten/Fachdisziplinen<br />

39


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Um den Prozess der Leitlinien-Einführung zu veranschaulichen wurde der PDCA-Kreis<br />

verwendet (Abbildung 10). Das phasenhafte Regelkreismodell gilt sowohl für das<br />

Erreichen des übergeordneten Ziels, als auch für Teilziele.<br />

Plan<br />

(Ziel: Leitlinieneinführung)<br />

Act Do<br />

(Therapie nach Leitlinie (Umsetzung in kleinen<br />

festigen und beibehalten) Teilschritten)<br />

Check<br />

(Ergebnisse, z.B. Scoringverhalten überprüfen)<br />

Abbildung 10: PDCA-Kreis (modifiziert nach Wiendieck 1994)<br />

8.2 Strukturplanung des Projekts S3 Leitlinieneinführung<br />

Für die Einführung der S3 Leitlinie war es notwendig, Stationsabläufe im Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte mit all den gebotenen Konsequenzen zu verändern. Dies<br />

erforderte eine sorgfältige vorausgehende Planung. Der Planungsphase kam auch<br />

deshalb große Bedeutung zu, weil die durch mangelhafte Planung entstehenden<br />

Fehler im Nachhinein nur schwer korrigierbar sind (Patzak und Rattay 2004).<br />

Die Einführung der Leitlinie war mit einer Vielzahl von zumeist vonein<strong>and</strong>er<br />

abhängigen Aufgaben verbunden. Diese Aufgaben galt es mit Hilfe von Management-<br />

Techniken systematisch zu erfassen und in Arbeitspakete zu differenzieren.<br />

40


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Einstieg<br />

Ausstieg<br />

Projektbilanz <br />

Erfolgskontrolle <br />

Nachsteuern <br />

Maßnahmen<br />

in<br />

Gang<br />

setzen<br />

Zwischencheck:<br />

grünes<br />

Licht<br />

Problemdefinition<br />

und<br />

Auftrag<br />

Umsetzungvorbereiten <br />

Situationsanalyse <br />

Kompetenzen<br />

klären<br />

Problem<br />

Einflussanalyse<br />

Durchführung Idee<br />

Plan<br />

Ressourcen<br />

und<br />

Grenzen<br />

sichern<br />

Diagnose<br />

Aktionsplan<br />

Abbildung 11: Projekt-Planungs-Quadrat (Rosenthal und Wagner 2004)<br />

Mit Hilfe des Projekt-Planungs-Quadrats (Abbildung 11) konnte die Komplexität des<br />

Projektes, die Einführung der S3 Leitlinie Analgesie und Sedierung auf der<br />

Intensivstation für Br<strong>and</strong>verletzte, detailliert veranschaulicht werden.<br />

8.2.1 Bildung des Projektteams zur Einführung der S3 Leitlinie<br />

Zu Beginn des Projektes erfolgte die Bildung eines Projektteams.<br />

Zwischencheck<br />

(Auftrag)<br />

Ziele<br />

formulieren <br />

Lösungsideen<br />

erzeugen<br />

Lösungsinteressen<br />

klären<br />

H<strong>and</strong>lungs<br />

optionen<br />

wählen<br />

Zwischencheck:<br />

Ziele<br />

In einem Projekt werden die Projektgruppenmitglieder in der Regel entsprechend ihrer<br />

fachlichen Qualifikation rekrutiert. Aspekte, ob diese Personen auch aufgrund ihrer<br />

Persönlichkeit zusammenpassen, werden oft mit entsprechenden Folgen<br />

vernachlässigt. Das klassische Projektmanagement empfiehlt, die Teams<br />

entsprechend einer bestimmten Personentypologie zusammenzustellen. Es werden in<br />

diesem Kontext zum Beispiel fünf Team-Typen unterschieden (Macher, Förderer,<br />

41


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Visionär, Spezialist, Mittler) und mit ihren spezifischen Potentialen charakterisiert<br />

(Belbin 2010). Praktisch war diese Typologie zur Auswahl des Projekt-Teams zur<br />

Leitlinieneinführung an der BGU Tübingen wenig hilfreich. Ärztliches und pflegerisches<br />

Personal, welches für die Mitarbeit im Projekt zur Verfügung st<strong>and</strong>, unterschied sich<br />

nicht signifikant, um den Anforderungen an die klassische Typologie gerecht zu<br />

werden.<br />

Andererseits verdeutlicht diese Typologie, dass unterschiedliche Haltungen,<br />

Fähigkeiten und Qualifikationen benötigt werden, um ein produktives und kreatives<br />

Team zu bilden. Sowohl in der betriebswirtschaftlichen, als auch der medizinischen<br />

Literatur f<strong>and</strong>en sich Hinweise darauf, dass Akzeptanz und Umsetzung von<br />

beschlossenen Inhalten auch davon abhängen, ob Vertreter aller Berufsgruppen in das<br />

Projekt einbezogen waren (Patzak und Rattay 2004, Prior et al. 2008). Nicht gewahrte<br />

Interessen führen zu Widerständen und Demotivation. Die Wünsche verschiedener<br />

Berufsgruppen sollten daher zur erfolgreichen Umsetzung eines Projekt berücksichtigt<br />

werden (Grol 2001, Bero et al. 1998). Ebenso ist die Fachkompetenz der einzelnen<br />

Berufsgruppen notwendig, um Maßnahmen optimal an die lokalen Verhältnisse<br />

anpassen zu können. Die Einbindung aller Mitarbeitergruppen fördert die Akzeptanz<br />

der Ziele und ermöglicht, zeitnah kritische Erfolgsfaktoren zu erkennen (Patzak und<br />

Rattay 2004). Dieser Erkenntnis folgend wurden zu Beginn der Leitlinieneinführung die<br />

ärztlichen und pflegerischen Stationsverantwortlichen akquiriert. Ein leitender Oberarzt<br />

und eine leitende Pflegekraft waren Mitglieder des Projektteams und unterstützten<br />

einerseits das Projekt uneingeschränkt und gaben <strong>and</strong>ererseits die Notwendigkeit der<br />

Durchführung und Unterstützung des Projekts an ihre Teams weiter. Neben den<br />

leitenden Mitarbeitern wurden ein Assistenzarzt und eine Pflegekraft ins Projektteam<br />

berufen. Diese Personen waren in ihren jeweiligen Teams als Meinungsbildner<br />

anerkannt. Untersuchungen konnten zeigen, dass die Akzeptanz beschlossener<br />

Maßnahmen bei den Mitarbeitern auch davon abhängt, ob die Mitglieder der<br />

Projektgruppe als kompetent erachtet werden (Cabana et al. 1999).<br />

Als Teamleiter wurde der leitende Oberarzt eingesetzt. Durch seine umfängliche<br />

Entscheidungsbefugnis für die Umsetzung aller Maßnahmen war es möglich, die<br />

Implementierung reibungslos durchzuführen.<br />

Wie in der Literatur zum Projektmanagement beschrieben, entwickelte sich auch das<br />

Projektteam am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte entsprechend der vier Phasen<br />

"Forming, Storming, Norming und Performing" (Francis und Young 2006):<br />

42


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Forming: Alle Teammitglieder kannten sich bereits und es best<strong>and</strong><br />

Transparenz darüber, welche Persönlichkeiten mit welchen<br />

Fachkompetenzen aufein<strong>and</strong>er treffen.<br />

Storming: Diskussion genereller Konflikte (zum Beispiel mangelhafte<br />

interdisziplinäre Kommunikation und Zusammenarbeit, Regelung<br />

der Dienstzeiten und die Arbeitsmotivation einzelner Mitarbeiter)<br />

zwischen dem ärztlichen und pflegerischen Personal,<br />

Hinterfragen von Kompetenzen und Problemen im Kontext der<br />

Projektaufgabe (zum Beispiel geringe zeitliche<br />

Ressourcen für umfangreiche Aufgaben).<br />

Norming: Rückkehr zum Fokus Leitlinieneinführung, Umsetzung von Ideen<br />

zur besseren Zusammenarbeit im Sinne der Verbesserung der<br />

Patientenversorgung (zum Beispiel die gegenseitige<br />

Präsenzpflicht bei Übergaben und Visiten).<br />

Performing: Lösung von Aufgaben (zum Beispiel das Erstellen des<br />

Schulungskonzeptes), gemeinsames Arbeiten an der Umsetzung<br />

der Leitlinie.<br />

8.2.2 Analyse der Situation vor Einführung der S3 Leitlinie<br />

Die S3-Leitlinie der DGAI stellt eine allgemeine Empfehlung dar, nicht alle<br />

Empfehlungen sind für jede Station relevant. In Bezug auf die Beh<strong>and</strong>lung<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzter waren nicht alle Vorgaben der Leitlinie direkt umsetzbar. Es<br />

wurde deshalb zunächst ein Vergleich zwischen den Inhalten der Leitlinie (Sollzust<strong>and</strong>)<br />

und dem Ist-Zust<strong>and</strong> vorgenommen (siehe Kapitel 3). Die Fragen, welche<br />

Empfehlungen auf der Intensivstation der BGU Tübingen relevant waren und an<br />

welchen Punkten Differenzen zwischen vorgeschlagener und tatsächlicher Therapie<br />

auftraten, wurden diskutiert. Außerdem wurden die Intentionen der aktuellen<br />

durchzuführenden sedierenden und analgesierenden Therapien am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte und der potentielle Nutzen zukünftiger leitlinienkonformer<br />

Maßnahmen hinterfragt. Folgerichtig wurde dadurch die Notwendigkeit der<br />

Leitlinieneinführung analysiert und begründet (siehe Kapitel 4).<br />

43


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

8.2.3 Zieldefinition bezüglich der Einführung der S3 Leitlinie<br />

Um den Aufw<strong>and</strong> für Planung und Durchführung von Projekten einschätzen zu können,<br />

sollten Ziele eindeutig definiert werden. Im vorliegenden Projekt wurde nicht nur die<br />

formale Einführung der S3 Leitlinie, sondern auch die Erfolgskontrolle der<br />

Implementierung als Ziel definiert. Diese Erfolgskontrolle sollte unter <strong>and</strong>erem<br />

Aufschluss darüber geben, ob mit Hilfe gleicher strategischer Maßnahmen weitere<br />

Leitlinien auf der Intensivstation der BGU Tübingen eingeführt werden können.<br />

Als Teilziele des Projektes wurden die Einführung von geeigneten Schmerz- und<br />

Sedierungsscores und die Implementierung von st<strong>and</strong>ardisierten Protokollen zur<br />

analgesierenden und sedierenden Therapie determiniert.<br />

Bei der Formulierung der Ziele wurde die "SMART"-Methode angew<strong>and</strong>t, die sich<br />

schon in Managementzusammenhängen bewährt hat (Armstrong 1996) (Tabelle 7).<br />

Tabelle 7: Zielformulierung nach der Methode SMART (Jendrosch 1998)<br />

8.2.4 Festlegung der Instrumente für die Schmerz- und Sedierungstherapie und<br />

das Monitoring<br />

In der Leitlinie f<strong>and</strong>en sich verschiedene, wissenschaftlich validierte Scores zum<br />

Erfassen von Schmerz und Sedierungstiefe. Anh<strong>and</strong> einer Literaturrecherche wurden<br />

jene Scores ausgewählt, die zur Therapie von Schwerbr<strong>and</strong>verletzten als am<br />

geeignetsten erschienen. Kriterien für diese Auswahl waren eine einfache<br />

Anwendbarkeit, hohe Validität und Reliabilität und eine Darstellung des<br />

Therapieverlaufs während potentiell schmerzhafter Interventionen. Außerdem wurde<br />

Bezug auf vorh<strong>and</strong>ene Kenntnisse und klinische Erfahrungen genommen, um die<br />

Scores so praktikabel wie möglich etablieren zu können (siehe Kapitel 6). Die strikte<br />

Trennung der Scores für zum einen Analgesie und zum <strong>and</strong>eren Sedierung war<br />

deshalb gefordert, weil ein sedierendes Medikament eine Schmerzsituation<br />

überdecken, aber nicht adäquat beheben kann. Im selben Maße gilt dies auch<br />

entsprechend für Analgetika.<br />

S stretching (anspruchsvoll)<br />

M measurable (meßbar)<br />

A agreed (vereinbart)<br />

R realistic (realistisch)<br />

T time-related (zeitlich eingegrenzt)<br />

44


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Zur Erstellung der ärztlich anzuordnenden Protokolle, anh<strong>and</strong> derer nach Festlegung<br />

eines Analgesie- und Sedierungsziels durch den Arzt die Schmerz- und<br />

Sedierungstherapie durch das Pflegepersonal erfolgen sollte, wurden verschiedene<br />

Sedativa und Analgetika anh<strong>and</strong> von Literaturrecherchen und eigenen beruflichen<br />

Erfahrungen für den Einsatz beim Schwerbr<strong>and</strong>verletzten analysiert und ausgewählt<br />

(siehe Kapitel 5). Die Protokolle wurden in Anlehnung an die Vorgaben in der Leitlinie<br />

erstellt (siehe Kapitel 7). Des Weiteren wurde das Vorgehen bei potentiell<br />

schmerzhaften Interventionen wie Verb<strong>and</strong>swechsel, Wundreinigungen, Betten und<br />

Physiotherapie sowohl beim wachen, als auch beim beatmeten Intensivpatienten<br />

festgelegt.<br />

8.2.5 Berücksichtigen kritischer Erfolgsfaktoren<br />

Als Teil des Aktionsplans wurden im Vorfeld kritische Erfolgsfaktoren analysiert. Diese<br />

Faktoren können ein Projekt zum Scheitern bringen, weshalb die entsprechende<br />

Berücksichtigung schon in der Planungsphase ganz besonders wichtig ist (Patzak<br />

2004). Kritische Erfolgsfaktoren können eingeteilt werdenin sogenannte "harte<br />

Faktoren", diese sind meist rational und quantitativ determiniert und "weiche Faktoren",<br />

die vorwiegend emotional und qualitativ determiniert sind (Vahs 2007).<br />

Als harter kritischer Erfolgsfaktor (Tabelle 8) bei der Leitlinieneinführung am Zentrum<br />

für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte wurden die fehlenden Ressourcen für Planung und<br />

Umsetzung festgestellt. Für keinen der Mitglieder des Projektteams konnte zur<br />

intensiven Beschäftigung mit den komplexen Projektaufgaben eine Freistellung erreicht<br />

werden. Aus diesem Grund wurde von Anfang an eine längere Projektdauer<br />

eingeplant. Die ursprüngliche Projektdauer von einem halben Jahr wurde auf ein Jahr<br />

verlängert, um den Beteiligten einen größeren Zeitrahmen und mehr Flexibilität für<br />

Planung und Umsetzung zu geben. Außerdem wurde die Erfolgskontrolle auf einen<br />

späteren Zeitpunkt verschoben und sollte im Rahmen einer wissenschaftlichen<br />

Untersuchung (<strong>Bachelor</strong>-<strong>Thesis</strong>) bearbeitet werden. Neben dem Zeitgewinn ergab dies<br />

den weiteren Vorteil, dass unter Betrachtung eines längeren Untersuchungszeitraumes<br />

eine bessere Aussage zur Vorher-/Nachher-Situation getätigt werden konnte. Alle<br />

Aufgaben im Projektteam wurden so verteilt, dass diese gut mit der jeweiligen<br />

alltäglichen Klinikarbeit zu vereinbaren waren.<br />

Weiterhin wurde als kritischer harter Erfolgsfaktor die mangelnde Zeit der pflegerischen<br />

und ärztlichen Mitarbeiter zur Umsetzung der Leitlinie gesehen. Um die<br />

Veränderungsfähigkeit des Stationsteams nicht zu überfordern und die Schulungen<br />

nicht zu komplex werden zu lassen, wurde vom ursprünglichen Plan, gleichzeitig mit<br />

45


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

der Leitlinieneinführung für Analgesie und Sedierung auch das Delirscoring zu<br />

implementieren, abgesehen. Die Einführung eines Delirscorings wurde auf einen<br />

späteren Zeitpunkt verschoben.<br />

Tabelle 8: Mögliche harte kritische Erfolgsfaktoren (Tränkle und Riessen 2010)<br />

Die Festlegung der weichen kritischen Erfolgsfaktoren (Tabelle 9), die emotional und<br />

qualitativ definiert sind, nahm bei der Projektplanung einen großen Raum ein.<br />

Untersuchungen konnten zeigen, dass zum Beispiel das Sedierungsverhalten von<br />

Pflegekräften maßgeblich von persönlichen und sozialen Faktoren beeinflusst wurde.<br />

Diese weichen Faktoren werden häufig unterschätzt und sollten deshalb eine<br />

wesentliche Rolle bei der Auswahl der Implementierungsmaßnahmen spielen. Nur<br />

wenn Schulungen die betreffenden Mitarbeiter auch emotional involvieren, werden<br />

diese eine dauerhafte Verhaltensänderung umsetzen können (Weinert und Chlan<br />

2001).<br />

persönliche<br />

soziale<br />

professionelle<br />

Mögliche harte kritische Erfolgsfaktoren<br />

Ressourcen Zeit der Projektverantwortlichen für Planung und Implementierung<br />

Zeit der Mitarbeiter zur Umsetzung zusätzlicher Aufgaben<br />

Qualifikation des Personals (z.B. Fachpflegest<strong>and</strong>ard)<br />

Struktur Verfügbarkeit von Dokumentations-, Informations- und<br />

Weiterbildungssystemen<br />

Prozess Stabilität und Qualität des Beh<strong>and</strong>lungsprozesses<br />

Mögliche weiche kritische Erfolgsfaktoren<br />

Fachwissen bzgl. der Inhalte der Leitlinie<br />

Motivation, Leistungs- und Veränderungsbereitschaft<br />

Leistungs- und Veränderungsfähigkeit<br />

Emotionaler und politischer Widerst<strong>and</strong><br />

Moralische und religiöse Vorstellungen<br />

Kommunikationsstruktur<br />

Rollenverständnis der jeweiligen Berufsgruppe<br />

Einfluss von Angehörigen<br />

Rationaler Widerst<strong>and</strong>: Konstruktive Kritik an der Leitlinie<br />

Tabelle 9: Mögliche weiche kritische Erfolgsfaktoren (Tränkle und Riessen 2010)<br />

46


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Die mangelhafte Kommunikationsstruktur zwischen Ärzten und Pflegekräften wurde in<br />

Bezug auf die Leitlinienimplementierung vom Projektteam als weicher kritischer<br />

Erfolgsfaktor determiniert. So nahmen weder die Pflegekräfte regelmäßig an den<br />

ärztlichen Visiten teil, noch waren die Ärzte bei den täglichen Dienstübergaben des<br />

pflegerischen Personals anwesend. Fehlende Kommunikation wurde unter <strong>and</strong>erem<br />

als Grund für eine häufig auftretende Wahrnehmungsdifferenz zwischen Ärzten und<br />

Pflegenden bezüglich realisierbarer Sedierungsziele und aktueller Sedierungssituation<br />

angesehen (Berenholtz und Pronovost 2003). Es wurde deshalb im Projekt eine<br />

Anwesenheitspflicht der Pflegekräfte bei der ärztlichen Morgenvisite und eine<br />

verbindliche Teilnahme der Ärzte bei der Dienstübergabe im Bereich Pflege<br />

beschlossen. Diese Zeiten sollten genutzt werden, um Fragen zu Sedierung und<br />

Analgesie zu klären, neue Sedierungsziele festzulegen und Therapiekonzepte<br />

abzusprechen.<br />

Ebenfalls war eine mangelnde persönliche Veränderungsbereitschaft bei einigen<br />

Mitarbeitern festgestellt worden, da die Einsicht in die Notwendigkeit eines<br />

Veränderungsprozesses fehlte. Diese Mitarbeiter vertraten die Meinung, dass die<br />

bisherige Therapie in Bezug auf Analgesie und Sedierung der br<strong>and</strong>verletzen<br />

Patienten qualitativ ausreichend war. Diese Art von Widerst<strong>and</strong> wird in der<br />

betriebswirtschaftlichen Literatur als unumgänglich beschrieben. So findet sich bei<br />

allen Veränderungsprozessen immer ein Drittel der Mitarbeiter, die den W<strong>and</strong>el<br />

unterstützen, ein Drittel, die sich neutral verhalten und ein Drittel, die den<br />

Veränderungsprozess zu verhindern suchen (Vahs 2007). Ein geeignetes<br />

Schulungskonzept sollte am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte diese Widerstände bei<br />

der Einführung der Leitlinien überwinden helfen.<br />

Emotionaler Widerst<strong>and</strong> entsteht oftmals auch durch Angst, persönliche Nachteile<br />

durch die Veränderungsmaßnahme zu erleiden. Dieser persönlich motivierte<br />

Widerst<strong>and</strong> wird häufig von den Betroffenen nicht offen vorgetragen sondern als<br />

sachliches Argument getarnt (Vahs 2007). Ein solcher kritischer Erfolgsfaktor kann<br />

durch frühzeitige, offene und umfassende Information über alle Projektdetails abgebaut<br />

werden. In diesem Zusammenhang könnte ein geeignetes Schulungskonzept dazu<br />

beitragen, das Projekt zum Erfolg zu bringen.<br />

8.2.6 Planung der Veränderungsmaßnahmen<br />

Die Frage nach effizienten und effektiven Schulungsmaßnahmen für ein großes<br />

interdisziplinäres Team war Hauptgegenst<strong>and</strong> der Planung der<br />

Veränderungsmaßnahmen. Die Umsetzung der Leitlinie wurde von Individuen mit<br />

persönlichen und fachlichen Kompetenzen vollzogen, das heißt auch, dass sich zur<br />

47


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Verhaltensänderung sich deren Wissen, Einstellung und Fähigkeiten ändern sollten.<br />

Dies konnte nur durch der Situation und den Akteuren angepasste<br />

Schulungsmaßnahmen erreicht werden.<br />

8.2.6.1 Vergleich einzelner Schulungsmethoden<br />

Auf dem Gebiet der medizinischen Implementierungsforschung wurden in den letzten<br />

Jahren mehrere systematische Reviews veröffentlicht (Grol und Grimshaw 2003, Gross<br />

et al. 2001, Prior et al. 2008). Alle Arbeiten kamen zu dem Ergebnis, dass alleinige<br />

Maßnahmen zur Einführung von Leitlinien ineffektiv sind. Besonders die<br />

ausschließliche Weitergabe von Informationsmaterial bringt praktisch keine<br />

Veränderung im Verhalten der Mitarbeiter. Ebenso wenig erfolgreich ist die alleinige<br />

Ausbildung des Teams in Form von Frontalunterricht. Besser geeignet zur<br />

Implementierung von Veränderungsmaßnahmen sind z.B. Audits, die den Ist-Zust<strong>and</strong><br />

vor Ort erheben und eine entsprechende Rückmeldung geben (Pun et al. 2005),<br />

genauso wie jede Form der aktiven Schulung, die Nachfragen und Diskussionen mit<br />

einschließen. In allen Arbeiten wurde die Kombination mehrerer Techniken favorisiert.<br />

Aufgrund dieser Tatsache wurden die Schulungsmaßnahmen zur Leitlinieneinführung<br />

auf der Intensivstation der BG Unfallklinik wie folgt durchgeführt:<br />

halbstündige Schulungen mit 15 Minuten Vortrag und 15 Minuten Diskussion<br />

Zugriff auf Informationsmaterial<br />

regelmäßiges Überprüfen des Scoringverhaltens mit entsprechender<br />

Rückmeldung<br />

8.2.6.2 Gestaltung der Veränderungsmaßnahmen<br />

Das Drei-Phasen-Modell von Lewin war eines der ersten Modelle, das sich<br />

systematisch mit den Veränderungsprozessen in Organisationen ausein<strong>and</strong>ersetzte<br />

(Lewin 1947) (Abbildung 12). Es gilt gegenwärtig als Grundlage der<br />

Organisationsentwicklung. Am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte orientierten sich die<br />

Projektverantwortlichen bei der Leitlinieneinführung an diesem Modell, um die<br />

Veränderungsprozesse besser zu steuern.<br />

48


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Freeze (Einfrieren)<br />

Abbildung 12: Drei-Phasen-Modell nach Lewin (modifiziert nach Lewin 1947)<br />

In der Phase des "Unfreeze" sollen die Bedingungen für den nachfolgenden<br />

Veränderungsprozess geschaffen werden. Diese Phase ist stark von den<br />

kommunikativen Fähigkeiten der Verantwortlichen abhängig, weil es darum geht, die<br />

von der Veränderung betroffenen Mitarbeiter von der Notwendigkeit der Veränderung<br />

zu überzeugen. Die Nachteile des bisherigen und die Vorteile des neuen Verhaltens<br />

sollten aufgezeigt werden. Deshalb wurde in der Planungsphase für die Kick-offs zur<br />

Leitlinieneinführung vereinbart, die Mitarbeiter über die eindeutige Studienlage der<br />

Vorteile für die Patienten aufzuzeigen, die eine protokollgesteuerte Therapie und ein<br />

regelmäßiges Scoring mit sich bringen. Ebenso sollte im Rahmen dieser<br />

Veranstaltungen die Vorher/Nachher-Situation angesprochen und diskutiert werden.<br />

Den Ängsten der Mitarbeiter, dass Ihnen durch die geplanten Veränderungen Nachteile<br />

entstehen könnten, sollten offen im Anschluss der Kick-offs kommuniziert und zur<br />

Diskussion gestellt werden.<br />

Neue Struktur<br />

Alte Struktur<br />

Change (Bewegen)<br />

Unfreeze (Auftauen)<br />

In der Phase des "Change" wird die geplante Veränderung praktisch umgesetzt. Um<br />

die Fachkompetenz der Mitarbeiter zu nutzen und um Demotivation zu verhindern,<br />

sollten alle Akteure aktiv in den Veränderungsprozess mit einbezogen werden (Grol<br />

und Grimshaw 2003). Um dieser Forderung gerecht zu werden, wurde geplant, die<br />

Schulungsmaßnahmen nicht nur als Frontalunterricht abzuhalten, sondern ebenfalls<br />

Raum für Diskussionen zu geben. Weiterhin wurde vereinbart, auch nach der<br />

Schulungsphase regelmäßig halbstündige Treffen festzulegen. Während dieser Treffen<br />

sollten sowohl negative als auch positive Rückmeldungen zum Veränderungsprozess<br />

diskutiert und Kritik gegebenenfalls konstruktiv umgesetzt werden.<br />

In der Phase des "Freeze" werden die erreichten Veränderungen auch nach der<br />

Implementierung aufrecht erhalten. Das Zurückfallen in alte Verhaltensmuster sollte<br />

zum Beispiel durch regelmäßige Kontrolle der Ergebnisse verhindert werden (Vahs<br />

2007). Als Konsequenz wurde deshalb vom Projektteam beschlossen, nach Abschluss<br />

49


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

der Implementierung in regelmäßigen Abständen das Scoringverhalten der Mitarbeiter<br />

weiter zu überprüfen und die Ergebnisse rückzumelden.<br />

8.3 Planung des zeitlichen Ablaufs zur Implementierung der S3 Leitlinie<br />

Analgesie und Sedierung<br />

Nach Festlegung von Inhalt und Ausmaß der einzelnen Maßnahmen wurde der<br />

Strukturplan um die zeitliche Dimension erweitert. Hierzu wurde geklärt, welche<br />

Maßnahmen sinnvollerweise hinterein<strong>and</strong>er erfolgen sollten und welche gleichzeitig<br />

implementiert werden konnten.<br />

Implementierung S3-LL<br />

1. Planung<br />

1.1 Projektteam gründen<br />

1.2 Ziele definieren / Ist-Soll-Analyse<br />

1.3 Leitlinie BG erstellen ←<br />

2010 Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sep Okt Nov Dez<br />

1.4 Schulungskonzept erarbeiten ←<br />

1.5 Schulungsmaterial erstellen<br />

2. Implementierungsprozess<br />

2.1 Kick off<br />

2.2 Informationsmaterial veröffentlichen<br />

2.3 Schulungsmaßnahmen durchführen ←<br />

2.3 Rückmeldungen<br />

3. Projektabschluss<br />

3.1 Information aller Beteiligten<br />

Tabelle 10: Ablaufplan Implementierung S3-Leitlinie (modifiziert nach Steinbuch 1995)<br />

Um die komplexen Zusammenhänge der Leitlinieneinführung anschaulich und<br />

übersichtlich zu machen, wurde am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU<br />

Tübingen die Darstellung mittels GANTT-Diagramm gewählt (Steinbuch 1995) (Tabelle<br />

10). Das GANTT-Diagramm ist gekennzeichnet durch eine horizontale Zeitachse, eine<br />

vertikale Auflistung der Projektaufgaben und einem horizontalen Balken, der die<br />

einzelnen Aufgaben in Bezug auf den Zeitraum der Bearbeitung darstellt. Anfang- und<br />

Endzeitpunkt der einzelnen Projektphasen und des gesamten Projekts sind auf einen<br />

Blick zu erkennen.<br />

Der zeitliche Ablauf des Projekts wurde in sogenannte "Meilensteine" unterteilt.<br />

Meilensteine sind Zeitpunkte, zu denen markante Zwischenergebnisse erreicht und<br />

geprüft werden sollten, sowie festgelegt wird, welche weiteren Maßnahmen noch zur<br />

Zielerreichung notwendig sind (Rosenthal und Wagner 2004). Als Meilensteine wurden<br />

50


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

in diesem Projekt die Erstellung der Leitlinie für das Schwerbr<strong>and</strong>verletzten-Zentrum<br />

der BGU Tübingen, das Schulungskonzept und die Schulungsmaßnahmen definiert.<br />

Um Ablauffehler zu vermeiden, war es speziell bei diesen Punkten wichtig, dass diese<br />

zum vorgegebenen Zeitpunkt fertig gestellt werden sollten.<br />

8.4 Implementierungsprozess<br />

Das Projekt zur Einführung der S3 Leitlinie Analgesie und Sedierung in der<br />

Intensivmedizin wurde am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik<br />

Tübingen auf der Intensivstation im Zeitraum Januar 2010 bis Dezember 2010<br />

durchgeführt. Der Implementierungsprozess begann nach der halbjährigen<br />

Planungsphase im Juli 2010.<br />

Die Intensivstation der Klinik hält 17 Bettplätze für Patienten aus den Bereichen der<br />

Traumatologie, Orthopädie, Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie und der H<strong>and</strong>-,<br />

Plastischen-, Rekonstruktions- und Verbrennungschirurgie vor. Dem Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte sind davon 4 Betten zugeordnet, die sich in einem separaten<br />

Teil der Intensivstation befinden.<br />

Da sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte im Rotationsverfahren alle Patientengruppen<br />

medizinisch bzw. pflegerisch versorgen, sollte das gesamte therapeutische Team der<br />

Intensivstation geschult werden. Zum Zeitpunkt der Leitlinieneinführung waren 13 Ärzte<br />

und 66 Pflegekräfte auf der Intensivstation der BGU Tübingen tätig. Der Arbeitsumfang<br />

der Pflegekräfte verteilte sich auf 48 Volltagsstellen.<br />

8.4.1 Kick-off-Veranstaltungen<br />

Kick-off-Veranstaltungen stehen im Projektmanagement zu Beginn eines<br />

Implementierungsprozesses. Während der Kick-offs sollten die Weichen für den<br />

Veränderungsprozess gestellt und die Vorgehensweise dargestellt werden. Nach<br />

Möglichkeit sollten alle am Projekt beteiligten Mitarbeiter über die Kick-off-<br />

Veranstaltungen erreicht werden (Bohnic 2010).<br />

Am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen wurde den<br />

Mitarbeitern während der Kick-offs die Notwendigkeit eines Veränderungsprozesses<br />

zur Optimierung der Patientenversorgung vermittelt. Die Kick-offs f<strong>and</strong>en in Form von<br />

15 minütigen Power-Point-Präsentationen statt, die während des Monats viermal<br />

durchgeführt wurden. Im Anschluss an die Präsentationen wurden die Inhalte weitere<br />

15 Minuten mit dem Team diskutiert. Die Hauptpunkte der Vorträge waren die<br />

Vorstellung der Inhalte der S3 Leitlinie und deren Nutzen für das Outcome von<br />

51


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten. Weiterhin wurde das Team über die Ziele des<br />

Projekts und die geplanten Implementierungsmaßnahmen informiert. Es wurde<br />

ebenso erläutert, inwiefern es Differenzen zwischen dem Ist-Zust<strong>and</strong> auf der<br />

Intensivstation der BG Unfallklinik und dem in der Leitlinie geforderten Soll-Zust<strong>and</strong><br />

gab. Als Ergebnis wurde der entsprechende Veränderungsbedarf definiert, was zur<br />

Motivation der Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter führen sollte. Die sich<br />

anschließenden Diskussionen gaben den Beteiligten die Möglichkeit, Bedenken<br />

rationaler oder/und emotionaler Art sowie weitere Fragen zu äußern. Gleichzeitig<br />

waren die Diskussionsbeiträge für die Projektverantwortlichen wichtige<br />

Rückmeldungen in Bezug auf die Durchführbarkeit der geplanten<br />

Implementierungsmaßnahmen.<br />

8.4.2 Informationsmaterial<br />

Zeitgleich zu den Kick-off-Veranstaltungen wurde am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte das Informationsmaterial zur Leitlinieneinführung bereitgestellt.<br />

Die Mitarbeiter sollten jederzeit die Möglichkeit haben, sich über die Inhalte des<br />

Projekts zu informieren und vertiefende Themen und Aspekte nachzulesen. Folgende<br />

Möglichkeiten zur Beschaffung von Informationsmaterial wurden den Akteuren zur<br />

Verfügung gestellt:<br />

Zugriff auf die S 3 Leitlinie der DGAI im Intranet der BGU Tübingen<br />

Zugriff auf die adaptierte, stationsinterne Leitlinie sowohl im Intranet als auch in<br />

gedruckter Form an der Stationsleitstelle<br />

Laminierte Karten im Taschen-Format mit allen Scoringsystemen für jeden<br />

Mitarbeiter<br />

Aushänge der Scoringsysteme in jedem Br<strong>and</strong>verletzten-Zimmer<br />

Aushänge der Protokolle zu Sedierung und Analgesie in jedem Br<strong>and</strong>verletzten-<br />

Zimmer<br />

8.4.3 Schulungsveranstaltungen<br />

Um die Mitarbeiter mit der Komplexität der Veränderungsmaßnahmen nicht zu<br />

überfordern, wurden zuerst die Scoringsysteme NRS, BPS und RASS geschult. Die<br />

Schulungsveranstaltungen hatten jeweils einen Umfang von 30 Minuten, die zur einen<br />

Hälfte als Frontalunterricht (mit Power-Point-Präsentation) und zur <strong>and</strong>eren Hälfte als<br />

Diskussionsforum gestaltet wurden. Die Vor- und Nachteile der einzelnen<br />

52


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Scoringsysteme wurden erläutert und die praktische H<strong>and</strong>habung erklärt. Weiterhin<br />

wurde, genau wie im Kick-off, nochmals auf die Vorteile des regelmäßigen Monitorings<br />

von Schmerz und Sedierungstiefe für den schwerbr<strong>and</strong>verletzten Intensivpatienten<br />

hingewiesen und die aktuelle Studienlage zu dieser Thematik präsentiert. Die<br />

Schulungsveranstaltungen zur Einführung der Scoringsysteme wurden über 6 Wochen<br />

jeweils einmal wöchentlich abgehalten.<br />

Der zweite Teil der Schulungsmaßnahmen betraf die Etablierung der ärztlich<br />

angeordneten Protokolle zur Steuerung der Sedierung und Analgesie. In diesem<br />

Rahmen wurden zur Implementierung über einen Zeitraum von 6 Wochen einmal<br />

wöchentlich halbstündige Schulungsveranstaltungen durchgeführt. Die Protokolle<br />

wurden mit Hilfe einer 15 minütigen Power-Point-Präsentation vorgestellt und erläutert<br />

sowie die Notwendigkeit der Festlegung eines Analgesie- und Sedierungsziels erklärt.<br />

Die Vorteile der pflegegesteuerten, protokollgestützten Schmerz- und<br />

Sedierungstherapie wurden anh<strong>and</strong> von Studienergebnissen dargestellt. Nach der<br />

theoretischen Schulung wurden die Inhalte von den Beteiligten diskutiert und Fragen<br />

geklärt.<br />

In den Monaten August bis Oktober 2010 wurde das gesamte Team der Intensivstation<br />

der BG Unfallklinik Tübingen im Hinblick auf die Anwendung der Scores und Protokolle<br />

geschult. Jene Mitarbeiter, die während dieser Zeit keine Schulungsveranstaltung<br />

besucht hatten, wurden persönlich von Mitgliedern des Projektteams angesprochen,<br />

über die Veränderungsmaßnahmen informiert und auf das bereitgestellte<br />

Informationsmaterial aufmerksam gemacht.<br />

8.4.4 Rückmeldungen an die Pflegekräfte über das Scoringverhalten<br />

Um das Scoringverhalten der Mitarbeiter nach den erfolgten Schulungen zu festigen,<br />

wurde bereits während des laufenden Projektes in den Monaten Oktober und<br />

November 2010 einmal monatlich seitens der Projektverantwortlichen per<br />

Stichprobenkontrolle in 20 Patientenkurven geprüft, wie häufig die vereinbarten Scores<br />

während des Routine-Monitorings zu Schichtbeginn angew<strong>and</strong>t wurden. Die<br />

erhobenen Werte wurden dem Team rückgemeldet und das Ergebnis erörtert. Noch<br />

bestehende Fragen zur Anwendung der Scores wurden geklärt.<br />

53


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

8.4.5 Projektabschluss<br />

Zum Projektabschluss wurden im Rahmen einer halbstündigen Veranstaltung die<br />

Ergebnisse der Leitlinieneinführung thematisch wie folgt präsentiert:<br />

Erfassen von Schmerz und Sedierungstiefe als Teil des Routine-Monitorings<br />

mittels der Skalen NRS, BPS und RASS durch das Pflegepersonal<br />

Ärztliche Festlegung der Analgesie- und Sedierungsziele als Teil der täglichen<br />

Verordnungen<br />

Steuern von Sedierung und Analgesie mittels ärztlich angeordneten Protokollen<br />

durch das Pflegepersonal<br />

Anwesenheit des Pflegepersonals bei der ärztlichen Morgenvisite<br />

Anwesenheit der Ärzte bei der mittäglichen Pflegeübergabe<br />

9. Darstellung der Einschätzungen und Erfahrungen nach Abschuss des<br />

Projekts<br />

Im Folgejahr (2011) nach Abschluss des Projekts wurden vier Feedback-<br />

Veranstaltungen durchgeführt, während derer die Rückmeldungen der ärztlichen und<br />

pflegerischen Mitarbeiter in Bezug auf die Anwendung der Scores und die<br />

leitliniengerechte Therapie gesammelt wurden. Die Mitglieder des Projektteams<br />

werteten anschließend die Rückmeldungen und Einschätzungen aus.<br />

9.1 Einschätzungen und Erfahrungen bei der Anwendung der Numerischen<br />

Rating Skala (NRS)<br />

Die Einführung eines regelmäßigen Schmerzmonitorings bei wachen Patienten mit<br />

Hilfe der NRS wurde sowohl vom Pflegepersonal, als auch von den Ärzten und<br />

Patienten nach Einführung der Leitlinien sehr gut akzeptiert. Wie schon in der Literatur<br />

beschrieben, kommen auch am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte insbesondere ältere<br />

Patienten mit dieser Skala sehr gut zurecht (Gagliese et al. 2005). Das Pflegepersonal<br />

schätzt die einfache H<strong>and</strong>habung der Skala, die ohne Hilfsmittel möglich ist. Vor allem<br />

bei der Beh<strong>and</strong>lung von Br<strong>and</strong>verletzten ist dies von großem Vorteil, da die betroffenen<br />

Patienten häufig Verletzungen im Bereich der Hände haben und somit haptische<br />

Hilfsmittel kaum benutzt werden können. Die verbale Erfassung des Schmerzscores<br />

bietet in diesem Zusammenhang eindeutige Vorteile. Außerdem ist jeder Kontakt mit<br />

54


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Gegenständen für die Patienten mit einem erhöhten Infektionsrisiko und für das<br />

Pflegepersonal mit einem größeren hygienischen Aufw<strong>and</strong> verbunden, weil zum<br />

Beispiel die Benutzung steriler H<strong>and</strong>schuhe notwendig wird.<br />

Die eindeutige Interventionsgrenze, die auf der Intensivstation der BGU Tübingen beim<br />

Zahlenwert von kleiner oder gleich 4 liegt, findet ebenfalls Zustimmung sowohl von<br />

Seiten der Patienten als auch der ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter. Dieser<br />

Aspekt der NRS wird ebenfalls in der entsprechenden Literatur bestätigt (Serlin et al<br />

1995). Des Weiteren berichten Patienten, dass die Frage nach dem Schmerzscore<br />

einfacher zu beantworten ist, als zum Beispiel Fragen wie "Haben Sie Schmerzen?"<br />

oder "Möchten Sie ein Schmerzmittel?". Bei der Frage nach einem Zahlenwert, der die<br />

Schmerzstärke abbilden soll, müssen die Patienten keine Entscheidung darüber<br />

treffen, ob sie Schmerzen weiterhin ertragen können oder wollen. Die Patienten<br />

quantifizieren ihre Schmerzwahrnehmung und werden dann entsprechend therapiert.<br />

Auch das Personal befürwortet, dass mit Hilfe des Schmerzscorings durch die NRS die<br />

Interpretationsspielräume verringert wurden und die analgetische Therapie beim<br />

wachen Br<strong>and</strong>verletzten effektiver und effizienter wurde. Dies bestätigt sich durch die<br />

größtenteils sehr positive Rückmeldung der Patienten in Bezug auf eine qualitativ<br />

hochwertige und professionelle Schmerztherapie.<br />

9.2 Einschätzungen und Erfahrungen bei der Anwendung der Behavioral Pain<br />

Scale (BPS)<br />

Die Erfahrungen auf der Intensivstation der BGU Tübingen bei der Anwendung der<br />

BPS zur subjektiven Beurteilung des Schmerzes beim nicht kommunikationsfähigen<br />

Patienten finden ihre Entsprechung ebenfalls in der einschlägigen Fachliteratur. Es<br />

wird in diesem Kontext die mangelhafte Objektivität der BPS kritisiert und die BPS<br />

allenfalls als Hilfsmittel bezeichnet, das eine adäquate fachliche Qualifikation des<br />

Personals beim Erfassen der Analgesie sedierter und beatmeter Patienten<br />

unabdingbar macht (Shannon und Bucknall 2003).<br />

Ein Parameter, der beim Scoring mit der BPS beobachtet wird, ist der<br />

Gesichtsausdruck. Dieser kann beim Schwerbr<strong>and</strong>verletzten nicht immer beurteilt<br />

werden, zum Beispiel dann nicht, wenn sich die Verletzungen im Gesichtsbereich<br />

befinden, was in der klinischen Praxis sehr häufig vorkommt. Selbst nach Abnehmen<br />

der Verbände ist die Gesichtshaut oft nicht elastisch genug, um eine interpretierbare<br />

Mimik zuzulassen.<br />

Auch das Beurteilen der Extremitätenbewegungen führt beim br<strong>and</strong>verletzten<br />

Intensivpatienten häufig zu Schwierigkeiten. Einerseits kommt es bei Verbrennungen<br />

im Bereich der Arme, Hände und Schultern verletzungsbedingt zu einer<br />

55


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Bewegungseinschränkung, <strong>and</strong>ererseits können Bewegungen physiologisch intentiert<br />

sein. Beim gering sedierten Patienten können Bewegungen aber auch den Versuch<br />

darstellen, sich optimal zu lagern oder die Umgebung wahrzunehmen.<br />

Generell wurde vom Personal immer wieder kritisiert, dass die BPS beim tief sedierten<br />

Patienten nicht anwendbar ist und dass die Ursache von verzerrtem Gesichtsausdruck<br />

und starken Bewegungen bei gering sedierten Patienten statt Schmerzen auch<br />

Agitiertheit oder Verwirrtheit sein könnte.<br />

Die geäußerte Kritik an der BPS wurde auch nach Einführung der Leitlinien an der BG<br />

Unfallklinik Tübingen offen kommuniziert und diskutiert. Um einen Rückfall in "alte<br />

Gewohnheiten" bezüglich der Anwendung der BPS zu verhindern und die Etablierung<br />

des Scorings weiter zu festigen, wurde darauf hingewiesen, dass in Ermangelung<br />

besserer, objektiver Methoden selbst die Messung mit einem nicht optimalen System<br />

entscheidende Vorteile für den Patienten bringt. So führt alleine das Implementieren<br />

der BPS mit regelmäßig vorgenommenem Schmerzmonitoring zu einer signifikant<br />

besseren Versorgung der Patienten mit Analgetika und damit zu einer wesentlich<br />

verbesserten Beh<strong>and</strong>lungsqualität (Erdek und Pronovost 2004).<br />

9.3 Einschätzungen und Erfahrungen bei der Anwendung der Richmond<br />

Agitation Sedation Scale (RASS)<br />

Die Anwendung der RASS zum Ermitteln der Sedierungstiefe und Kontrolle des<br />

Sedierungsverlaufs f<strong>and</strong> generell Zustimmung beim Beh<strong>and</strong>lungsteam der BGU<br />

Tübingen. Der logische Aufbau der Skala, der agitierte Zustände mit einem positiven<br />

Zahlenwert und sedierte bis komatöse Zustände mit einem negativen Wert belegt,<br />

wurde sehr positiv bewertet. Vor allem unerfahrene Mitarbeiter berichteten, dass sie<br />

mit Hilfe der RASS den Sedierungszust<strong>and</strong> der br<strong>and</strong>verletzten Patienten besser<br />

bewerten und die Sedierung leichter steuern konnten, weil unter <strong>and</strong>erem der<br />

subjektive Interpretationsspielraum eingeschränkt wurde. Als weiterer Vorteil der RASS<br />

wurde die problemlose und zeitsparende Einbindung in den Routinecheck genannt, der<br />

schon vor Einführung der Leitlinien zu Beginn jeder Schicht vom Pflegepersonal<br />

vorgenommen wurde. Da hier sowieso ein Ansprechen und initiales Berühren der<br />

Patienten gefordert war, konnten die Beobachtungen nach Implementieren der RASS<br />

einfach per Zahlenwert dokumentiert werden. Dadurch erübrigte sich das Beschreiben<br />

der Sedierungstiefe im Freitextfeld der Patientenkurve.<br />

Ein Kritikpunkt am Scoring mittels RASS war, dass sich nicht alle Faktoren, die den<br />

Sedierungsbedarf der Patienten beeinflussen können, abbilden lassen. So kann auch<br />

eine Entzugssymptomatik Ursache für motorische Unruhe sein. Die Gabe von Sedativa<br />

wäre bei diesem Krankheitsbild jedoch nicht die geeignete Therapie.<br />

56


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte Patienten haben häufig lange Krankheitsverläufe und müssen<br />

über Wochen sediert und beatmet werden. Im Falle dieser Langzeitsedierungen tritt bei<br />

mehr als der Hälfte der Patienten eine Entzugssymptomatik auf (Martin et al. 2005).<br />

Dies und eventuell vorbestehende Abhängigkeitserkrankungen sollten im Scoring<br />

Beachtung finden. Um diese Problematik entsprechend zu berücksichtigen, werden<br />

perspektivisch am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte im Rahmen eines weiteren<br />

Projekts Delirscores implementiert. Somit ist eine weitere Differenzierung der Ursachen<br />

für den Sedierungsbedarf von schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten und eine Optimierung<br />

der Therapie möglich.<br />

9.4 Emotionale und persönliche Einflüsse des medizinischen Personals auf die<br />

sedierende und analgesierende Therapie von schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten<br />

Das Verhalten der an der sedierenden und analgesierenden Therapie beteiligten<br />

Akteure wird von einer Reihe von Faktoren beeinflusst, die auch nach Einführen der S3<br />

Leitlinie am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte erkennbar waren. Patienten sind wie<br />

Pflegende und Ärzte Individuen, bei deren Arbeit das H<strong>and</strong>eln auch durch zum Beispiel<br />

biographische, soziale und emotionale Aspekte beeinflusst wird. Scores und Protokolle<br />

sind unverzichtbar, um die Sedierungstiefe und Schmerzsituation zu dokumentieren<br />

und den Bedarf der jeweiligen Medikamente für <strong>and</strong>ere Mitarbeiter, auch über die<br />

eigene Betreuungsschicht hinaus, nachvollziehbar zu machen. Die Anwendung von<br />

Scores und Protokollen ist aber nicht immer objektivierbar sondern beruhen ebenfalls<br />

auf die subjektive Einschätzung der jeweilig Beteiligten.<br />

Die Vorteile einer leitliniengerechten Beh<strong>and</strong>lung für den Patienten sind unumstritten<br />

und wurden in zahlreichen Studien und Untersuchungen hinlänglich belegt (Arabi et al.<br />

2007, Girard et al. 2008, Martin et al. 2007). Nach Einführung der Leitlinie auf der<br />

Intensivstation der BGU Tübingen sind diese positiven Effekte erkennbar. Die<br />

nachfolgend beschriebenen emotionalen und persönlichen Aspekte können dennoch<br />

zum Ignorieren der Umsetzung der Leitlinien führen. Das Erkennen dieses<br />

Gesichtspunktes und die Ausein<strong>and</strong>ersetzung mit der Thematik sind zur optimalen<br />

Therapie der Patienten dauerhaft notwendig. Um diese Problematik offen zu<br />

diskutieren, finden am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte alle zwei Wochen moderierte<br />

Gesprächsrunden statt, auf die durch einen Aushang aufmerksam gemacht wird. Diese<br />

Gesprächsrunden werden durch Klinikpsychologen oder entsprechend qualifizierte<br />

Klinikseelsorger geleitet und sind für Ärzte, Pflegepersonal und Physiotherapeuten<br />

optional.<br />

57


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

9.4.1 Einfluss der personellen Besetzung von Pflegekräften bei der Therapie von<br />

schwerbr<strong>and</strong>verletzten Intensivpatienten<br />

Bei der Beh<strong>and</strong>lung schwerbr<strong>and</strong>verletzter Intensivpatienten, die hygienebedingt in<br />

Einzelzimmern untergebracht werden, lässt die personelle Besetzung nicht immer eine<br />

eins zu eins Betreuung seitens des Pflegepersonals zu. Beim leitliniengerecht gering<br />

sedierten Patienten steigt jedoch das Risiko der Selbstgefährdung durch Extubation<br />

oder Ziehen von Kathetern, insbesondere wenn kein medizinisches Personal im<br />

Patientenzimmer anwesend ist. Um die psychische Belastung für das Pflegepersonal<br />

zu minimieren, werden Schwerbr<strong>and</strong>verletzte häufig tiefer als laut Leitlinie notwendig<br />

sediert. Eine Untersuchung konnte zeigen, dass Pflegekräfte zur Zeitersparnis,<br />

besseren Planbarkeit der Arbeit und zur Vermeidung von Stress bei schlechter<br />

personeller Besetzung die Patienten tiefer sedierten als notwendig (Weinert et al.<br />

2001).<br />

Internationale Studien belegen, dass eine höhere Pflegekapazität mit einem besseren<br />

Outcome der Patienten assoziiert ist (Kazanjian et al. 2005, Lang et al. 2004). In<br />

Deutschl<strong>and</strong> existiert jedoch bislang kein zuverlässiges System, das eine<br />

Verschlechterung der Beh<strong>and</strong>lungsergebnisse aufgrund nicht ausreichender<br />

Pflegekapazität anzeigt (IQWiG 2006). Personalverh<strong>and</strong>lungen mit dem Ziel, den<br />

Stellenabbau in der Pflege zu reduzieren, gestalten sich deshalb nach wie vor<br />

schwierig.<br />

9.4.2 Der Einfluss von persönlichen Wertvorstellungen des Pflegepersonals bei<br />

der Therapie von schwerbr<strong>and</strong>verletzten Intensivpatienten<br />

Das schwere thermische Trauma löst schon allein durch die physische Entstellung des<br />

Patienten eine emotionale Reaktion beim an der Therapie beteiligten medizinischen<br />

Personal aus. Schwerbr<strong>and</strong>verletzte Patienten werden deshalb vom Pflegepersonal<br />

häufig zu tief sediert, weil das Schicksal für die Betroffenen als schwer bewältigbar<br />

empfunden wird. Durch Untersuchungsergebnisse konnte verifiziert werden, dass<br />

Pflegepersonen so sedieren, wie sie selbst im Ernstfall beh<strong>and</strong>elt werden wollen<br />

(Guttersom et al. 2010, Sneyers et al. 2012). Speziell bei großflächig Br<strong>and</strong>verletzten<br />

mit vermeintlich geringer Überlebenswahrscheinlichkeit befürchten die Mitglieder des<br />

Beh<strong>and</strong>lungsteams häufig, dem Patienten durch zu geringe Sedierung unnötige<br />

Qualen zuzufügen. Außerdem kann hinter zu tiefer Sedierung das selbstschützende<br />

Bedürfnis der Pflegenden stehen, sich selbst das Erleben solchen Leidens zu<br />

ersparen. Die persönliche Abgrenzung vom tief sedierten Patienten fällt unter diesem<br />

58


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Aspekt leichter, auch wenn leitliniengerechte Sedierungsziele ein <strong>and</strong>eres H<strong>and</strong>eln<br />

fordern (Sneyers et al. 2012).<br />

Die offene Kommunikation und Möglichkeiten zur Supervision stehen bei der<br />

Bearbeitung dieser Problematik im Vordergrund. Speziell die Beantwortung der Frage<br />

nach der Sinnhaftigkeit von Therapiemaßnahmen sollte offen im interdisziplinären<br />

Kontext diskutiert werden (Fewster-Thuente et al. 2008). Die Frage nach der<br />

Überlebenswahrscheinlichkeit schwerbr<strong>and</strong>verletzter Patienten sollte so objektiv wie<br />

möglich von den Experten der einzelnen Fachdisziplinen beantwortet werden, um dem<br />

medizinischen Personal mit hoher Kontaktzeit zum Patienten die Motivation für<br />

leitliniengerechte Therapie zu geben. Um eine Plattform für einen offenen Austausch<br />

und Dialog zu schaffen, findet deshalb am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU<br />

Tübingen eine wöchentliche Besprechung statt, an der sowohl Pflegepersonal,<br />

Intensivmediziner, plastische Chirurgen als auch Physiotherapeuten teilnehmen.<br />

9.4.3 Einfluss der Angehörigen auf die Therapie von schwerbr<strong>and</strong>verletzten<br />

Intensivpatienten<br />

Die Angehörigen spielen bei der Begleitung des schwerbr<strong>and</strong>verletzten<br />

Intensivpatienten eine wichtige Rolle. Angehörige können einen wesentlichen Beitrag<br />

zur Bewältigung unfall- und beh<strong>and</strong>lungsbedingter Belastungen leisten (Dorfmüller<br />

2006). Aus diesem Grund gestattet es die Besuchsregelung der Intensivstation der<br />

BGU Tübingen den Angehörigen jeden Nachmittag, die Patienten zu besuchen.<br />

Die Anwesenheit von Angehörigen kann neben den positiven Aspekten auch zu<br />

Problemen bei der Patientenbeh<strong>and</strong>lung führen. In einer Studie wurde beobachtet,<br />

dass das Pflegepersonal von Angehörigen gebeten wurde, entweder mehr Sedierung<br />

zu verabreichen, um das Leiden des Angehörigen zu lindern, oder weniger sedierende<br />

Medikamente zu geben, um die Kontaktaufnahme zu verbessern (Weinert et al. 2001).<br />

Tief sedierte Patienten erleichtern nahestehenden Personen, den Anblick des<br />

schwerbr<strong>and</strong>verletzten Körpers zu ertragen, da eine tiefe Sedierung den Eindruck von<br />

Schmerzfreiheit und Linderung vermitteln kann.<br />

Da Angehörige in der Regel nicht über professionelles Wissen im Kontext der<br />

Analgesie und Sedierung verfügen und stark emotional betroffen sind, sollten diese die<br />

sedierende und analgesierende Therapie nicht direkt beeinflussen können.<br />

Andererseits sollten Hinweise und Wünsche von Angehörigen in die<br />

Patientenbeobachtung einfließen und dazu führen, gegebenenfalls den Analgo- und<br />

Sedierungsbedarf der Patienten kritisch zu überprüfen. Auf der Intensivstation der BGU<br />

Tübingen werden deshalb regelmäßig Gespräche mit den Angehörigen von<br />

br<strong>and</strong>verletzten Patienten geführt, um über die Hintergründe und die Arten der<br />

59


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Therapien aufzuklären und die Angehörigen mit in das Therapiekonzept der Patienten<br />

einzubeziehen.<br />

9.4.4 Einfluss durch das persönliche Verhältnis der Beh<strong>and</strong>elnden zum Patienten<br />

In einer Studie führen Autoren zur Interaktion zwischen Personal und Sterbenden aus,<br />

dass diese beim Personal Emotionen auslösen können. So erweckten einerseits<br />

alkoholabhängige Patienten und suizidale Patienten bei den Therapeuten<br />

Aggressionen, da ihre Erkrankung als unnötig und selbst verschuldet angesehen<br />

wurde, <strong>and</strong>ererseits riefen vermeintlich unverschuldete Krankheiten Mitleid hervor.<br />

Patienten, die sich nach Ansicht des Personals freundlich und tapfer verhielten,<br />

bekamen eine intensivere Betreuung als jene, deren Verhalten negativ bewertet wurde<br />

(Glaser und Strauss 1974). Aktuelle Untersuchungen bestätigen, dass das persönliche<br />

Verhältnis zwischen Pflegeperson und Patient den Erfolg einer Therapie mit<br />

beeinflussen kann (Sneyers et al. 2012).<br />

In der Patientengruppe der Schwerbr<strong>and</strong>verletzten finden sich überproportional häufig<br />

Menschen mit vorexistierenden Persönlichkeitsstörungen, Alkohol- und Drogenabusus<br />

und psychotischen Erkrankungen (Dorfmüller 1996). Dementsprechend steht zu<br />

vermuten an, dass diese Patienten ebenfalls beim medizinischen Personal des<br />

Zentrums für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte in der BGU Tübingen Gefühle wie Mitleid oder<br />

Sympathie, aber auch Antipathie und Aggression erzeugen. Diese Emotionen könnten<br />

das Verhalten der Beh<strong>and</strong>elnden in Bezug auf Analgesie und Sedierung trotz<br />

leitliniengerechter Therapievorgaben beeinflussen.<br />

Bei der Bearbeitung dieser Thematik steht die Selbstreflektion des medizinischen<br />

Personals im Vordergrund. Am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte in Tübingen wird<br />

dieser Aspekt durch die Möglichkeit zur freiwilligen internen Supervision durch<br />

Psychologen und Seelsorger unterstützt.<br />

10. Evaluation des Projektes anh<strong>and</strong> der Untersuchung des<br />

Scoringverhaltens des Pflegepersonals und dem Vergleich der<br />

Beatmungszeiten vor und nach der S3 Leitlinieneinführung am Zentrum<br />

für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen<br />

Um den Erfolg der S3 Leitlinieneinführung am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der<br />

BGU Tübingen darzustellen, wurden zwei Untersuchungen durchgeführt. Einerseits<br />

wurde evaluiert, ob sich nach Einführung der S3 Leitlinie das Verhalten der Mitarbeiter<br />

in Bezug auf das Monitoring der Sedierung tatsächlich verändert hatte und ob somit die<br />

Implementierungsmaßnahmen erfolgreich waren. Andererseits wurde untersucht, ob<br />

60


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

die in der medizinischen Literatur beschriebenen positiven Effekte des<br />

leitlinienkonformen Arbeitens auch bei schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten auf der<br />

Intensivstation der BGU Tübingen messbar waren.<br />

10.1 Untersuchung des Effektes der S3 Leitlinieneinführung am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen auf das Scoringverhalten des<br />

Pflegepersonals<br />

Die S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie in der Intensivmedizin der DGAI fordert eine<br />

mindestens 8-stündliche Untersuchung der Schmerz- und Sedierungssituation von<br />

Intensivpatienten mittels geeigneter Scores. Das regelmäßige Monitoring von<br />

Analgesie und Sedierung bringt nämlich entscheidende Vorteile für das Outcome der<br />

Patienten (Pronovost et al. 2008). Dementsprechend wurde am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen untersucht, ob sich nach Einführung der S3<br />

Leitlinie das Scoringverhalten des Pflegepersonals verändert hatte. Hierzu wurde die<br />

Anzahl der in der Patientenkurve dokumentierten RASS-Werte zu Beginn jeder<br />

Arbeitsschicht im Jahr 2009 mit jenen im Jahr 2011 verglichen. Bereits vor der S3<br />

Leitlinieneinführung gab es am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte die Vorgabe, den<br />

Sedierungszust<strong>and</strong> jedes beatmeten Intensivpatienten mit Hilfe der RASS bei<br />

Schichtbeginn zu prüfen und den ermittelten Wert in ein dafür vorgesehenes Feld auf<br />

der Patientenkurve einzutragen.<br />

Anh<strong>and</strong> der Daten, die vom Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen an<br />

die Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbeh<strong>and</strong>lung (DAV) jährlich<br />

übermittelt werden, wurden im Jahr 2009 br<strong>and</strong>verletzte Intensivpatienten in der BGU<br />

Tübingen an 426 Tagen maschinell beatmet. Im Jahr 2011 waren 274 Beatmungstage<br />

in den Listen der DAV erfasst. Da schwerbr<strong>and</strong>verletzte Intensivpatienten pro Tag in<br />

drei Arbeitsschichten vom Pflegepersonal therapiert werden, ergaben sich für das Jahr<br />

2009 1278 und für das Jahr 2011 822 mögliche Dokumentationen des RASS bei<br />

Schichtbeginn.<br />

Da die Dokumentation der Werte in den Patientenkurven am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen papiergestützt vorgenommen wurde und<br />

somit eine Durchsicht der Patientenakten im Krankenblattarchiv der Klinik notwendig<br />

war, wurde eine geeignete Stichprobengröße errechnet, damit eine statistisch<br />

relevante Aussage zur möglichen Veränderung der Anzahl der dokumentierten RASS-<br />

Werte getätigt werden konnte.<br />

61


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Zur Berechnung des Stichprobenumfangs n wurde folgende Formel zugrunde gelegt<br />

(Cochran 1972):<br />

n=(t 2 PQ/d 2 )/(1-1/N(t 2 PQ/d 2 -1))<br />

N Umfang der Grundgesamtheit der Beatmungstage<br />

t Abszissenwert unter der Normalverteilung, der die Fläche alpha<br />

(Irrtumswahrscheinlichkeit) an den Enden der Verteilung abschneidet<br />

d gewählter Fehlerbetrag<br />

Q,P Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. Gegenwartswahrscheinlichkeit, also "ja, es<br />

wurde der RASS gescort" oder "nein, es wurde kein RASS gescort"<br />

Es wurde zur Stichprobenberechnung angenommen, dass eine Normalverteilung<br />

vorlag und dass die Wahrscheinlichkeit der Dokumentation bzw. fehlenden<br />

Dokumentation des RASS bei 50% lag. Bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%<br />

und einem gewählten Fehlerbetrag von 5% ergab sich eine Stichprobengröße von 295<br />

für das Jahr 2009 und von 262 für das Jahr 2011.<br />

Entsprechend wurden im Krankenblattarchiv der BGU Tübingen nach dem<br />

Zufallsprinzip für beide zu untersuchende Jahre je 100 Patiententageskurven<br />

ausgewählt. Pro Jahr wurde blind auf 50 Patientenakten zugegriffen und jeweils die<br />

Tageskurven des 2. und 3. Liegetages ausgewertet. Bei drei Arbeitsschichten ergaben<br />

sich daraus für das Jahr 2009 und das Jahr 2011 jeweils 300 Beobachtungen um<br />

festzustellen, ob das Pflegepersonal zu Schichtbeginn den RASS dokumentiert hatte<br />

oder nicht.<br />

10.2 Untersuchung des Effektes der S3 Leitlinieneinführung am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen auf das Patienten-Outcome<br />

Zahlreiche Untersuchungen konnten zeigen, dass leitliniengerechte sedierende<br />

Therapien auf Intensivstationen zu einer Verkürzung der Beatmungszeiten und somit<br />

einem verbesserten Patienten-Outcome führen (Brattebo et al. 2002, Burns et al. 2003,<br />

Hogarth und Hall 2004, Jakob et al. 2007). Entsprechend wurden am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen als Indikator für diesen Effekt des im Jahr<br />

2010 stattgefundenen Projekts der S3 Leitlinieneinführung die durchschnittliche<br />

Beatmungsdauer der Patienten in den Jahren 2009 (vor Einführung der Leitlinie) und<br />

2011 (nach Einführung der Leitlinie) verglichen. Des Weiteren wurden Alter,<br />

Geschlecht, Verbrennungsausmaß, das Vorliegen eines Inhalationstraumas und der<br />

62


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

ABSI-Score untersucht, um die Vergleichbarkeit der durchschnittlichen<br />

Beatmungszeiten in den Jahren 2009 und 2011 darzustellen. Alle in dieser<br />

Untersuchung verwendeten Zahlen wurden jenen Listen entnommen, die vom Zentrum<br />

für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen jährlich an die Deutschsprachige<br />

Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbeh<strong>and</strong>lung (DAV) weitergeleitet werden. Die<br />

DAV fördert die Zusammenarbeit der Zentren für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte im<br />

deutschsprachigen Raum. Auf jährlich stattfindenden Kongressen werden aktuelle<br />

Forschungsergebnisse der Verbrennungsbeh<strong>and</strong>lung vorgestellt und die<br />

Jahresstatistiken der deutschsprachigen Schwerpunkt-Zentren als Maßnahme zur<br />

Qualitätssicherung und zum Qualitätsvergleich ausgewertet.<br />

10.2.1 Darstellung von Alter, Geschlecht, Verbrennungsausmaß,<br />

Inhalationstrauma und ABSI-Score der Patienten am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte in den Jahren 2009 und 2011<br />

Im Jahr 2009 wurden auf der Intensivstation der BGU Tübingen 75<br />

schwerbr<strong>and</strong>verletzte Patienten beh<strong>and</strong>elt. Im Jahr 2011 belief sich die Zahl der<br />

schwer thermisch traumatisierten Patienten auf 114 (Abbildung 13).<br />

Anzahl<br />

Patienten<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Pat. Gesamt<br />

Abbildung 13: Anzahl der schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten<br />

(modifiziert nach DAV-Zahlen 2009 und 2011)<br />

Die prozentuale Altersverteilung stellte sich im Jahr 2009 wie folgt dar: 27,9% der<br />

schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten waren 10-29, 55,9% 30-60 und 16,2% der Patienten<br />

waren über 60 Jahre alt. Im Jahr 2011 waren 33,4% der am Zentrum für<br />

2009<br />

2011<br />

63


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte therapierten Patienten 10-29, 42,1% der Patienten 30-60 und<br />

24,5% über 60 Jahre alt (Abbildung 14).<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

Anzahl Patienten 30%<br />

in Prozent<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Alter 10-<br />

29<br />

Alter 30-<br />

60<br />

Alter >60<br />

Jahr 2009<br />

Jahr 2011<br />

Abbildung 14: Altersverteilung der schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten<br />

(modifiziert nach DAV-Zahlen 2009 und 2011)<br />

Im Jahr 2009 waren 72% der schwer thermisch traumatisierten Patienten männlich und<br />

28% weiblich, im Jahr 2011 waren 74% männlich und 26% weiblich (Abbildung 15).<br />

Abbildung 15: Geschlechterverteilung der schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten<br />

(modifiziert nach DAV-Zahlen 2009 und 2011)<br />

Im Jahr 2009 lag das durchschnittliche Ausmaß der verbrannten Körperoberfläche bei<br />

insgesamt 39,6%, wovon 31,2% zweitgradige und 8,4% drittgradige<br />

64


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Verbrennungsflächen waren. Im Jahr 2011 waren die Patienten im Durchschnitt<br />

insgesamt an 30,2% der Körperoberfläche verbrannt, 20,3% dieser Verbrennungen<br />

waren durchschnittlich zweitgradig und 9,9% drittgradig (Abbildung 16).<br />

Abbildung 16: Verteilung der verbrannten Körperoberfläche (VKOF)<br />

(modifiziert nach DAV-Zahlen 2009 und 2011)<br />

Im Jahr 2009 zeigten im Rahmen ihrer schweren thermischen Verletzung 48% der<br />

Patienten, im Jahr 2011 29% der Patienten bronchoskopisch nachgewiesen ein<br />

Inhalationstrauma (Abbildung 17).<br />

Abbildung 17: Verteilung der Inhalationstraumata<br />

(modifiziert nach DAV-Zahlen 2009 und 2011)<br />

Zur Einschätzung des Erkrankungsausmaßes und der Überlebenswahrscheinlichkeit<br />

wird am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen bei Aufnahme der<br />

65


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Patienten der Abbreviated Burn Severity Index (ABSI) erhoben (Tobiasen et al. 1982)<br />

(Tabelle 11).<br />

ABSI-Score<br />

1 Punkt je 10% VKOF<br />

1 Punkt für das Vorliegen eines Inhalationstraumas<br />

1 Punkt für das Vorliegen drittgradiger Verbrennungen<br />

1 Punkt je 20 Lebensjahre<br />

1 Punkt für das weibliche Geschlecht<br />

je 1 Punkt für jede schwerwiegende Begleiterkrankung<br />

Gesamt-<br />

Punktzahl<br />

2-3 80%<br />

Sterbewahrscheinlichkeit<br />

Tabelle 11: ABSI-Score (modifiziert nach Tobiasen et al. 1982)<br />

Im Jahr 2009 lag der durchschnittliche ABSI-Score der schwerbr<strong>and</strong>verletzten<br />

Patienten bei 8,9 Punkten, im Jahr 2011 bei 7,8 Punkten (Abbildung 18).<br />

Abbildung 18: Verteilung der ABSI-Scores<br />

(modifiziert nach DAV-Zahlen 2009 und 2011)<br />

66


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

11. Ergebnisse der Untersuchung des Effektes der S3 Leitlinieneinführung<br />

am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen auf das<br />

Scoringverhalten des Pflegepersonals und die Beatmungsdauer der<br />

Patienten<br />

Bei einer Stichprobengröße N=300 wurde vom Pflegepersonal im Jahr 2009 zu Beginn<br />

jeder Arbeitsschicht in 116 Fällen der RASS erhoben und dokumentiert. Dies entspricht<br />

einem Anteil von 39%. In 184 Fällen wurde der RASS nicht in der Patientenkurve<br />

dokumentiert, was einem Anteil von 61% entspricht (Abbildung 19).<br />

184<br />

Jahr 2009<br />

Abbildung 19: Dokumentation des RASS 2009 (Sabine Dorn 2012)<br />

Bei einer Stichprobengröße N=300 wurde vom Pflegepersonal im Jahr 2011 zu Beginn<br />

jeder Arbeitsschicht in 231 Fällen der RASS erhoben und dokumentiert. Dies entspricht<br />

einem Anteil von 77%. In 69 Fällen wurde der RASS nicht in der Patientenkurve<br />

dokumentiert, was einem Anteil von 23% entspricht (Abbildung 20).<br />

116<br />

RASS dokumentiert<br />

RASS nicht<br />

dokumentiert<br />

Abbildung 20: Dokumentation des RASS 2011 (Sabine Dorn 2012)<br />

67


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Die Intensivpatienten wurden am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU Tübingen<br />

im Jahr 2009 durchschnittlich 5,7 Tage lang beatmet, im Jahr 2011 lag die<br />

durchschnittliche Beatmungsdauer bei 3,9 Tagen (Abbildung 21).<br />

Abbildung 21: Verteilung der Beatmungsdauer<br />

(modifiziert nach DAV-Zahlen 2009 und 2011)<br />

12. Diskussion der Ergebnisse hinsichtlich der Beatmungsdauer der<br />

Patienten und des Scoringverhaltens der pflegerisch tätigen Mitarbeiter<br />

vor und nach der S3-Leitlinieneinführung am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen<br />

Während im Jahr 2009 der RASS bei Arbeitsschichtbeginn nur zu 39% vom<br />

Pflegepersonal erhoben und dokumentiert wurde, lag der Anteil der dokumentierten<br />

RASS-Werte im Jahr 2011 bei 77%. Nach der Implementierung der S3 Leitlinie hatten<br />

sich somit die pflegerisch tätigen Mitarbeiter am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der<br />

BGU Tübingen doppelt so häufig entschieden, zu Beginn ihrer Arbeitsschicht den<br />

RASS-Wert der Patienten zu erheben und zu dokumentieren. Es kann davon<br />

ausgegangen werden, dass diese Verhaltensänderung auf erfolgreiche<br />

Implementierungsmaßnahmen zurückzuführen ist.<br />

In der medizinischen Fachliteratur finden sich zahlreiche Hinweise darauf, dass die<br />

große Komplexität und die tatsächlichen Kosten einer Leitlinieneinführung von den<br />

Krankenhausführungen unterschätzt werden (Ploeg et al. 2007, Marchionni und Ritchie<br />

2008, Knops et al. 2010). Dieser Erkenntnis entsprechend gab es am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen keine Möglichkeit, einen oder<br />

68


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

mehrere Projektverantwortliche für die Projektarbeit freizustellen, da hierfür keine<br />

finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Somit f<strong>and</strong>en alle Treffen des<br />

Projektteams während der regulären Arbeitszeit der Mitarbeiter statt, was dazu führte,<br />

dass die Teamsitzungen häufig zum Beispiel durch Telefonate unterbrochen wurden.<br />

Dies bedingte zum einen zahlreiche Unterbrechungen der Denk- und<br />

Entwicklungsprozesse in Bezug auf die Implementierungsmaßnahmen und führte zum<br />

<strong>and</strong>eren zu Frustrationen bei den Mitgliedern des Projektteams, weil der Projektarbeit<br />

offensichtlich wenig Wertschätzung durch die Krankenhausführung entgegengebracht<br />

wurde. Wissenschaftliche Artikel bestätigen, dass eine Arbeitsatmosphäre mit hoher<br />

Wertschätzung für Lern- und Entwicklungsprozesse das erfolgreiche Implementieren<br />

von Leitlinien fördert (Marchionni und Ritchie 2008). Trotz dieser Widrigkeiten wurden<br />

sehr positive Untersuchungsergebnisse in Bezug auf das veränderte Scoringverhalten<br />

der Mitarbeiter festgestellt, was wahrscheinlich einem hohen persönlichen Engagement<br />

geschuldet war, da ein Teammitglied einen Großteil der Implementierungs- und<br />

Schulungsmaßnahmen selbständig außerhalb der bezahlten Arbeitszeit im Rahmen<br />

eines Studiums entwickelt hatte.<br />

Ein weiterer Grund für die Verhaltensänderung der pflegerischen Mitarbeiter nach<br />

Einführung der S3 Leitlinie auf der Intensivstation für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG<br />

Unfallklinik Tübingen könnte die geeignete Auswahl der Projektteam-Mitglieder<br />

gewesen sein. Neben der pflegerischen Stationsleitung war eine Pflegefachkraft<br />

wesentlich an der Implementierung der S3 Leitlinie beteiligt, deren fachliche und<br />

persönliche Fähigkeiten vom gesamten therapeutischen Team anerkannt wurden. Des<br />

Weiteren konnte dieses Mitglied des Projektteams persönliche Stärken und<br />

Schwächen des pflegerisch tätigen therapeutischen Teams einschätzen und in<br />

individuellen Gesprächen die eigene Überzeugung in Bezug auf die Wichtigkeit des<br />

leitliniengerechten H<strong>and</strong>elns auch außerhalb der offiziellen Schulungen vermitteln. Hier<br />

wurde vor allem darauf Wert gelegt, die Meinungsbildner des Teams von den Vorteilen<br />

des leitliniengerechten H<strong>and</strong>elns zu überzeugen. Wie wichtig gerade die positive<br />

Einstellung von Schlüsselpersonen in Bezug auf erfolgreiches Implementieren von<br />

Leitlinien ist, zeigen auch wissenschaftliche Untersuchungen (Ring et al. 2005, Ploeg<br />

et al. 2007). Es kann abschließend nicht eingeschätzt werden, inwiefern die Mitglieder<br />

des pflegerisch tätigen Teams tatsächlich von den Vorteilen des leitliniengerechten<br />

H<strong>and</strong>elns überzeugt werden konnten und ob sie aufgrund dieser Überzeugung ihr<br />

Verhalten geändert hatten oder eine Verhaltensänderung aufgrund von persönlicher<br />

Sympathie gegenüber einzelnen Projektverantwortlichen stattf<strong>and</strong>.<br />

69


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Durch den Vergleich des Scoringverhaltens in den Jahren 2009 und 2011 konnte<br />

gezeigt werden, dass die S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie in der Intensivmedizin<br />

in Bezug auf das Folgejahr erfolgreich implementiert wurde. Inwiefern dieses positive<br />

Ergebnis ebenso auf die Langzeitanwendung der Leitlinien am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen zu übertragen ist, kann erst in<br />

zukünftig durchzuführenden Evaluationen aufgezeigt werden. In der wissenschaftlichen<br />

Literatur finden sich Hinweise darauf, dass eine erfolgreiche Implementierung alleinig<br />

für den Langzeiterfolg einer Leitlinieneinführung nicht ausreichend ist (Storm-Versloot<br />

et al. 2011). Um die leitliniengerechte Verhaltensänderung der Mitarbeiter langfristig zu<br />

etablieren, müssen die Leitlinien im klinischen Alltag bei einem Großteil der Patienten<br />

anwendbar sein und unmittelbare Vorteile für den Patienten und die eigenen<br />

Arbeitsabläufe bieten (Knops et al. 2010). Außerdem sollten die Mitarbeiter auch nach<br />

der Implementierung langfristig Unterstützung durch interaktive Schulungen erhalten,<br />

um die H<strong>and</strong>lungen beizubehalten (Storm-Versloot et al. 2011). Diese Erkenntnisse<br />

gelten auch für die Leitlinieneinführung am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte und<br />

fordern eine entsprechende Unterstützung durch die Krankenhausführung der BG<br />

Unfallklinik Tübingen, um neben dem durch die oben beschriebene Untersuchung<br />

dargestellten Implementierungserfolg auch den Langzeiterfolg der<br />

Implementierungsmaßnahmen zu gewährleisten.<br />

Die Untersuchung der durchschnittlichen Beatmungsdauer der Patienten am Zentrum<br />

für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen zeigt eine deutliche<br />

Verbesserung der Situation der Patienten nach der Leitlinieneinführung. Im Jahr 2009<br />

vor Einführung der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie waren die<br />

schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten auf der Intensivstation der BGU Tübingen 5,7 Tage<br />

beatmet, im Jahr nach Einführung der S3 Leitlinie 2011 verringerte sich die<br />

Beatmungsdauer auf durchschnittliche 3,9 Tage. Dies entspricht einem signifikanten<br />

Rückgang der durchschnittlichen Beatmungsdauer im Vergleich der Jahre 2009 zu<br />

2011 um 32%. Zahlreiche Studien belegen, dass leitliniengerechte sedierende<br />

Therapien auf Intensivstationen zu einer Verkürzung der Beatmungszeiten und somit<br />

einem verbesserten Patienten-Outcome führen (Brattebo et al. 2002, Burns et al. 2003,<br />

Hogarth und Hall 2004, Jakob et al. 2007). Das Untersuchungsergebnis am Zentrum<br />

für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen bestätigt diese<br />

wissenschaftliche Erkenntnis.<br />

Neben der Implementierung der S3-Leitlinie Sedierung und Analgesie wurden am<br />

Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen in den Jahren 2009<br />

und 2010 weitere Schulungen durchgeführt, um die Beatmungs-Therapie der Patienten<br />

70


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

zu verbessern. Unter Umständen hatten auch diese Maßnahmen einen Einfluss auf<br />

das positive Untersuchungsergebnis. Es wurden in den Jahren 2009 und 2010<br />

insgesamt 4 jeweils eintägige Veranstaltungen durchgeführt, während derer das<br />

Pflegepersonal zu den wissenschaftlich aktuellen Beatmungs- und Weaningstrategien<br />

geschult wurde. Diese Schulungen wurden von zwei entsprechend durch Teilnahme an<br />

Kongressen und Symposien qualifizierten Fachkrankenpflegern durchgeführt, es<br />

konnten 29 von insgesamt 68 Pflegekräften der Intensivstation teilnehmen. Ein Ziel<br />

dieser Maßnahme war, das Pflegepersonal über das lungenprotektive maschinelle<br />

Beatmen mittels geringer Tidalvolumina und höherem positiven endexpiratorischem<br />

Druck (PEEP) zu informieren. Diese Beatmungsstrategien führten laut Studien zu<br />

verkürzten Beatmungszeiten und einem verbesserten Patienten-Outcome (Villar et al.<br />

2006, Schultz 2008, Lipes et al. 2012). Dementsprechend könnten Gründe für die<br />

kürzeren Beatmungszeiten im Jahr 2011 im Vergleich zum Jahr 2009 am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen ebenfalls die Therapieänderungen<br />

des durch die vorgenannten Beatmungs-Schulungen sensibilisierten Pflegepersonals<br />

in Bezug auf die Einstellung der Tidalvolumina und des PEEPs sein.<br />

Seit 2010 werden am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen<br />

potentiell langzeitbeatmete Patienten (Beatmungsdauer über 7 Tage) von<br />

Intensivmedizinern bettseitig tracheotomiert. In den Jahren davor wurden in der BG<br />

Unfallklinik Tübingen Tracheostomata ausschließlich von Mund-, Kiefer-, Gesichts-<br />

Chirurgen oder Plastischen Chirurgen im OP angelegt. Seit Einführen der<br />

intensivmedizinisch gesteuerten Punktionstracheotomie wurden potentiell<br />

langzeitbeatmete Patienten früher tracheotomiert, da jene ärztliche Berufsgruppe, die<br />

die Entscheidung zur Tracheotomie traf, diese auch durchführte. Zeitverluste und<br />

Organisationsfehler wurden somit vermieden. Die Vorteile der frühen Tracheotomie für<br />

Patienten, die eine voraussichtlich lange Beatmungstherapie haben, wurden in Studien<br />

belegt (Lee und Fink 2005, Rumback et al. 2004). Es konnte gezeigt werden, dass sich<br />

die Beatmungsdauer der früh tracheotomierten Patienten im Vergleich zu den<br />

Patienten, die länger intubiert waren, verkürzt. Desgleichen könnte am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen eine frühe Punktionstracheotomie<br />

der br<strong>and</strong>verletzten Intensivpatienten zu einer Verkürzung der Beatmungszeiten<br />

geführt haben.<br />

Die durchschnittliche Beatmungsdauer von schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten in den<br />

Jahren 2009 und 2011 wurden mitein<strong>and</strong>er verglichen, um einen möglichen Effekt der<br />

S3 Leitlinieneinführung auf das Outcome der Patienten belegen zu können. Nicht nur<br />

eine geeignete Therapie, sondern auch Alter, Geschlecht, Größe der verbrannten<br />

71


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Körperoberfläche, Vorh<strong>and</strong>ensein eines Inhalationstraumas und Vorerkrankungen<br />

können die Dauer der maschinellen Beatmung beim schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten<br />

beeinflussen. Als Indikator für die Vergleichbarkeit der in den jeweilig untersuchten<br />

Jahren am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte in Tübingen therapierten Patienten<br />

wurde der durchschnittliche ABSI-Score der Jahre 2009 und 2011 in Bezug zur Dauer<br />

der Beatmung gesetzt, da dieser Score alle oben genannten Aspekte beinhaltet.<br />

Mit der chi 2 -Formel wurde anh<strong>and</strong> der durchschnittlichen Beatmungstage und dem<br />

durchschnittlichen ABSI-Score der beiden Jahre ein chi 2 von 0,13 errechnet. Die<br />

Nullhypothese musste entsprechend verworfen werden, da die chi 2 -Tabelle nach<br />

Einfügen des errechneten Wertes das Vorh<strong>and</strong>ensein eines Zusammenhangs<br />

anzeigte. Um die Ausprägung des Zusammenhangs bewerten zu können, wurde ein<br />

phi von 0,2 errechnet. Die Statistik beschreibt ein phi von ≤ 0,2 als geringen bis<br />

vernachlässigbaren Zusammenhang (Benninghaus 1979).<br />

Entsprechend kann die durchschnittliche Beatmungsdauer im Jahr 2009 mit jener im<br />

Jahr 2011 unter dem Aspekt einer ähnlichen Erkrankungsschwere der jeweiligen<br />

Patientengruppen verglichen werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass<br />

geeignete Therapiemaßnahmen wie zum Beispiel das erfolgreiche Implementieren der<br />

S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BGU<br />

Tübingen zu einer Verringerung der Beatmungszeiten und somit zu einer<br />

Verbesserung der Situation der Patienten geführt haben.<br />

13. Zusammenfassung<br />

Der Erfolg einer Leitlinieneinführung hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. So<br />

können sowohl die Qualität der medizinischen und organisatorischen Inhalte der<br />

Leitlinie, die Maßnahmen zur Implementierung und deren Ausführung als auch<br />

persönliche Einstellungen der Mitarbeiter und strukturelle Bedingungen des<br />

Arbeitsumfeldes die Implementierung von Leitlinien beeinflussen. Deshalb sind bei<br />

einer Leitlinieneinführung eine komplexe Vorbereitung und ein strukturierter<br />

Implementierungsprozess unter Beachtung kritischer Erfolgsfaktoren mit hohem<br />

persönlichem Engagement der Projektverantwortlichen unabdingbar.<br />

Die Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind<br />

Entscheidungshilfen für Ärzte und Pflegepersonal in spezifischen Situationen. Diese<br />

Leitlinien sind rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende<br />

noch haftungsbefreiende Wirkung. Ziel einer Leitlinie ist, eine möglichst hohe Qualität<br />

und Sicherheit in der Therapie kritisch kranker Patienten zu gewährleisten.<br />

72


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Aus der im Jahr 2002 in den USA publizierten Leitlinie zur Analgesie und Sedierung<br />

intensivpflichtiger Patienten wurde im Jahr 2005 eine S2 Leitlinie für Deutschl<strong>and</strong><br />

entwickelt, die in den Jahren 2006-2009 durch die Deutsche Gesellschaft für<br />

Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und die Deutsche Interdisziplinäre<br />

Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in Zusammenarbeit mit weiteren<br />

Fachgesellschaften auf eine S3 Leitlinie erweitert wurde, um die Qualität der Sedierung<br />

und Analgesie auf deutschen Intensivstationen zu sichern und weiter zu optimieren.<br />

Die S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie fordert ein regelmäßiges Monitoring von<br />

Schmerz und Sedierungstiefe von Patienten mittels geeigneter Skalen und<br />

Scoringsystemen, die Definition klar formulierter Beh<strong>and</strong>lungsziele, den Einsatz von<br />

Analgesie- und Sedierungsprotokollen und die Überprüfung von Therapieanpassungen<br />

und -veränderungen. Diese Maßnahmen sind mit einer geringeren Inzidenz<br />

nosokomialer Infektionen, einer Verkürzung der Beatmungs- und<br />

Intensivbeh<strong>and</strong>lungsdauer, einer niedrigeren Letalitätsrate sowie einem geringeren<br />

Ressourcenverbrauch assoziiert.<br />

Vor Einführung der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie gab es auf der Intensivstation<br />

des Zentrums für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen weder Vorgaben,<br />

wie häufig Analgesie und Sedierung der Patienten überprüft werden sollten, noch gab<br />

es eine Festlegung auf ein definiertes Instrumentarium zum Monitoring von Schmerz<br />

und Sedierungstiefe von Patienten. Es wurden keine Therapieziele in Bezug auf<br />

Sedierung und Analgesie dokumentiert und regelmäßig evaluiert und keine<br />

protokollgestützten Beh<strong>and</strong>lungen durchgeführt. Dieses Procedere entsprach<br />

insgesamt nicht den wissenschaftlich begründeten Forderungen der Leitlinie Sedierung<br />

und Analgesie der DGAI (DGAI 2010).<br />

Speziell schwerbr<strong>and</strong>verletzte Intensivpatienten benötigen zur Stabilisierung und<br />

Verbesserung ihres Gesundheitszust<strong>and</strong>es protokollgestützte Therapiekonzepte. Zur<br />

erfolgreichen plastischen Deckung von Verbrennungsflächen kann eine tiefe Sedierung<br />

und Ruhigstellung der Patienten notwendig sein. Diese tiefe Sedierung sollte<br />

regelmäßig evaluiert werden, um die negativen Effekte für den Patienten so gering wie<br />

möglich zu halten. Des Weiteren benötigen schwerbr<strong>and</strong>verletzte Patienten im<br />

Vergleich zu nicht thermisch geschädigten Intensivpatienten höhere<br />

Schmerzmittelmengen und sollten durch Einsatz geeigneter Scoringsysteme davor<br />

geschützt werden, mit Analgetika unterversorgt zu werden. Auch täglich notwendige,<br />

potentiell schmerzhafte Prozeduren wie Verb<strong>and</strong>swechsel, Wundreinigungen und<br />

Physiotherapie fordern ein exaktes Monitoring von Sedierung und Analgesie, um<br />

zusätzliche Stressfaktoren für den Patienten weitestgehend zu vermeiden. Eine<br />

adäquate, angepasste sedierende und analgesierende Therapie führt zur Reduktion<br />

73


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

psychischer Belastungen und Stressreaktionen, was zum verminderten<br />

Sauerstoffbedarf und einer verbesserten hämodynamischen Stabilisierung der<br />

Patienten beiträgt.<br />

Die hygienisch notwendige Therapie von thermisch verletzten Intensivpatienten in<br />

Isolationszimmern können zu Störungen in der interdisziplinären Kommunikation<br />

führen. Hier können protokollgestützte Therapiekonzepte mit klar formulierten Zielen zu<br />

einer Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Krankenpflegepersonal und<br />

Physiotherapeuten beitragen.<br />

Weitere Gründe für das Implementieren der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie am<br />

Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen waren die<br />

Qualitätssicherung und potentielle Reduktion der Beh<strong>and</strong>lungskosten. Sowohl<br />

Beatmungszeiten als auch intensivmedizinische Beh<strong>and</strong>lungs- und<br />

Krankenhausverweildauer konnten bei Anwendung evidenz-basierter klinischer<br />

Beh<strong>and</strong>lungspfade unter Verwendung von Sedierungs- und Analgesieprotokollen<br />

erheblich gesenkt werden. Die protokollgestützte im Vergleich zur empirischen<br />

Therapie erreichte nachgewiesenerweise sowohl eine Verbesserung der Sedierungs-<br />

und Analgesiequalität, als auch eine Kostenreduktion.<br />

Auch nach Einführung der S3 Leitlinie erfolgt die endgültige Entscheidungsfindung in<br />

Bezug auf die analgesierende und sedierende Therapie der schwerbr<strong>and</strong>verletzten<br />

Patienten auf der Intensivstation der BG Unfallklinik Tübingen individuell und im<br />

Interesse der Patienten, Abweichungen von Protokollen sollten prinzipiell begründet<br />

werden.<br />

Die Auswahl der Medikamente, die zu Sedierung und Analgesie von<br />

schwerbr<strong>and</strong>verletzten Intensivpatienten an der BG Unfallklinik Tübingen nach<br />

Einführung der S3 Leitlinie zum Einsatz kommen, wurde unter Berücksichtigung von<br />

Wirkungen, Nebenwirkungen und Wirkdauer getroffen. Um das gewünschte<br />

Sedierungsniveau und Schmerzfreiheit mit geringer Toxizität und ohne Über- bzw.<br />

Unterdosierung zu erlangen, werden beim Schwerbr<strong>and</strong>verletzten Kombinationen von<br />

Medikamenten eingesetzt, da Sedierungs- und Analgesieziele gemeinsam mit nur<br />

einer einzigen Substanz nicht zu erreichen sind. Als Medikamente mit hauptsächlich<br />

sedierender Wirkung kommen am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG<br />

Unfallklinik Tübingen Midazolam, Propofol und Clonidin zum Einsatz, die Substanzen<br />

mit hauptsächlich analgesierender Wirkung sind Sufentanil, Remifentanil, Piritramid,<br />

Ketamin und nicht steroidale Antirheumatika.<br />

Ein wesentlicher Inhalt der S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie ist das regelmäßige<br />

(z.B. 8-stündliche) Monitoring von Schmerz und Sedierungstiefe bei den<br />

74


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

entsprechenen Patienten. Hierfür stehen verschiedene validierte Systeme zur<br />

Verfügung. Die Auswahl der Systeme, die am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der<br />

BG Unfallklinik Tübingen im Kontext der Leitlinieneinführung zum Einsatz kamen,<br />

wurde aufgrund der speziellen Anforderungen bei der Therapie br<strong>and</strong>verletzter<br />

Intensivpatienten getroffen.<br />

Zum Erfassen der Sedierungstiefe wurde der Richmond Agition Sedation Score<br />

(RASS) implementiert. Der RASS ermöglicht ein schnelles Scoring in drei klar<br />

definierten Schritten auf einer 10 Punkte-Skala. Dieses Scoringsystem unterscheidet<br />

genau zwischen verbalen und physischen Stimuli und lässt somit eine Abstufung der<br />

Sedierungstiefe zu.<br />

Um Schmerzen beim kommunikationsfähigen Patienten zu erfassen, wurde die<br />

Numerische Rating Skala (NRS) eingeführt. Die Selbsteinschätzung von Schmerzen<br />

lässt sich mit diesem System eindeutig dokumentieren. Mit oder ohne Hilfe eines<br />

Schiebeinstruments geben die Patienten auf einer Skala von 1-10 die Stärke der<br />

bestehenden Schmerzen an.<br />

Ein großer Teil der schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten ist aufgrund der<br />

Erkrankungsschwere sediert und wird maschinell beatmet und somit nur sehr<br />

eingeschränkt kommunikationsfähig. Um auch bei diesen Patienten eine Über- bzw.<br />

Unterversorgung mit Schmerzmitteln zu verhindern, wurde auf der Intensivstation der<br />

BG Unfallklinik Tübingen die Behavioral Pain Scale (BPS) eingeführt. Die BPS<br />

bewertet die Schmerzsituation der Patienten anh<strong>and</strong> der Kriterien Gesichtsausdruck,<br />

Bewegung der oberen Extremität und Adaption an das Beatmungsgerät und belegt<br />

diese Kriterien jeweils mit einem Zahlenwert von 1-4.<br />

Nach Einführung der S3 Leitlinie werden Sedierung und Analgesie auf der<br />

Intensivstation der BG Unfallklinik Tübingen beim schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten<br />

durch die entsprechend qualifizierten Pflegekräfte nach ärztlich angeordneten<br />

Protokollen gesteuert. In diesen Protokollen ist nach entsprechend vorab festgelegten<br />

Analgesie- und Sedierungszielen die Medikamententherapie angeordnet, sofern diese<br />

Ziele unter- oder überschritten werden. Sowohl Analgesie- und Sedierungsziele, als<br />

auch die Evaluation des Ist-Zust<strong>and</strong>es der Patienten und die Erfolgskontrolle der<br />

Therapiemaßnahmen werden mittels der oben erwähnten Scoringsysteme<br />

vorgenommen.<br />

Die Implementierung der S3 Leitlinie Analgesie und Sedierung auf der Intensivstation<br />

der BGU Tübingen wurde auf der Basis der Erkenntnis, dass Leitlinien in Deutschl<strong>and</strong><br />

generell unbefriedigend in der Praxis umgesetzt werden, mit Hilfe von Techniken aus<br />

dem Projektmanagement und der Organisationspsychologie von Januar 2010 bis<br />

75


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Dezember 2010 durchgeführt. Es wurde zur Konzepterstellung auf medizinische und<br />

betriebswirtschaftliche Datenbanken zurückgegriffen und weiterhin an der Bibliothek<br />

der Eberhard-Karls-Universität Tübingen recherchiert. Der Auftrag zur Einführung der<br />

S3 Leitlinie Sedierung und Analgesie auf der Intensivstation am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen erfüllte alle<br />

wirtschaftswissenschaftlich geforderten Projektmerkmale.<br />

Nach Erstellen eines Strukturplans wurde ein Projektteam gebildet, die Situation auf<br />

der Intensivstation am Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte vor Einführung der S3<br />

Leitlinie analysiert, Ziele bezüglich der Implementierung definiert und die Instrumente<br />

für die Schmerz- und Sedierungstherapie sowie für das Monitoring festgelegt. In der<br />

Planungsphase wurden kritische Erfolgsfaktoren analysiert, weil diese Faktoren ein<br />

Projekt zum Scheitern bringen können. Sie wurden in "weiche" und "harte" kritische<br />

Erfolgsfaktoren eingeteilt und durch entsprechende Maßnahmen in den Aktionsplan<br />

integriert. Als harte kritische Erfolgsfaktoren bei der Leitlinieneinführung am Zentrum<br />

für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen wurden fehlende Ressourcen<br />

für Planung und Umsetzung des Projekts, sowie mangelnde Zeit der pflegerischen<br />

Mitarbeiter zur Umsetzung der Leitlinie in die Praxis identifiziert. Aus diesen Gründen<br />

wurde die ursprünglich geplante Projektdauer von einem halben Jahr auf ein Jahr<br />

verlängert und die anfänglich zeitgleich geplante Einführung eines Delirscorings auf<br />

einen späteren Zeitpunkt verschoben. Als weiche kritische Erfolgsfaktoren wurde<br />

mangelnde Veränderungsbereitschaft bei den Mitarbeitern festgestellt werden, die in<br />

der mangelhaften Kommunikationsstruktur zwischen Ärzten und Pflegekräften, der<br />

fehlenden Einsicht in die Notwendigkeit eines Veränderungsprozesses und in der<br />

Angst, persönliche Nachteile durch die Veränderungsmaßnahme zu erleiden,<br />

begründet war. Im Zuge der Leitlinieneinführung auf der Intensivstation der BG<br />

Unfallklinik Tübingen wurde deshalb im Projekt eine Anwesenheitspflicht der<br />

Pflegekräfte bei der ärztlichen Morgenvisite und eine verbindliche Teilnahme der Ärzte<br />

bei der Dienstübergabe im Bereich der Pflege beschlossen, um<br />

Kommunikationsproblemen entgegenzuwirken. Des Weiteren wurde emotionalen<br />

Widerständen durch offene und umfassende Information über alle Projektdetails und<br />

ein geeignetes Schulungskonzept begegnet.<br />

Die Frage nach effizienten und effektiven Schulungsmaßnahmen für ein großes<br />

interdisziplinäres Team war somit Hauptgegenst<strong>and</strong> der Planung der<br />

Veränderungsmaßnahmen. Verschiedene Schulungsmethoden wurden analysiert und<br />

ein Veränderungsprozess entwickelt.<br />

Nach Planung des zeitlichen Ablaufs wurde der Implementierungsprozess mittels Kick-<br />

off-Veranstaltungen, Schulungsveranstaltungen, Bereitstellen von Informationsmaterial,<br />

76


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Rückmeldungen über das Scoringverhalten der pflegerisch tätigen Mitarbeiter und<br />

einer Projektabschluss-Veranstaltung von Juli 2010 bis Dezember 2010 durchgeführt.<br />

Nach Abschluss des Projektes wurden im Jahr 2011 mehrere Feedback-<br />

Veranstaltungen durchgeführt, während derer die Rückmeldungen der Mitarbeiter in<br />

Bezug auf eine leitliniengerechte Therapie gesammelt und von den Mitgliedern des<br />

Projektteams evaluiert wurden. Während dieser Veranstaltungen konnten<br />

Einschätzungen und Erfahrungen bei der Anwendung der Skalen zum Erfassen von<br />

Schmerz und Sedierungstiefe geäußert und diskutiert werden. Des Weiteren konnten<br />

Rückschlüsse auf emotionale und persönliche Einflüsse des medizinischen Personals<br />

auf die sedierende und analgesierende Therapie von schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten<br />

gezogen werden. Sowohl die personelle Besetzung des medizinischen Personals, als<br />

auch persönliche Wertvorstellungen, die Anwesenheit von Angehörigen und das<br />

persönliche Verhältnis der Beh<strong>and</strong>elnden zum Patienten beeinflussen das<br />

therapeutische H<strong>and</strong>eln und sollten bei der Einführung von Leitlinien Beachtung finden.<br />

Zur Darstellung des Erfolgs der S3 Leitlinieneinführung am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen wurden zwei Analysen<br />

durchgeführt. Um den Erfolg der Implementierungsmaßnahmen einschätzen zu<br />

können, wurde untersucht, wie häufig die pflegerisch tätigen Mitarbeiter beim<br />

beatmeten schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten vor und nach der Leitlinieneinführung den<br />

RASS erhoben und dokumentiert hatten. Im Krankenblattarchiv der BG Unfallklinik<br />

Tübingen wurde für das Jahr 2009 und für das Jahr 2011 stichprobenartig (jeweils<br />

n=300) untersucht, wie oft in den relevanten Patientenkurven vom Pflegepersonal ein<br />

RASS-Wert dokumentiert war. Die Untersuchung ergab, dass im Jahr 2009 39% der<br />

möglichen RASS-Werte erhoben und dokumentiert wurden, im Jahr 2011 stieg der<br />

Anteil auf 77%. Dies entspricht einer Verdopplung der in der Patientenkurve<br />

dokumentierten Scores und kann auf eine erfolgreiche Implementierung der S3 Leitlinie<br />

Sedierung und Analgesie mit geeigneten Maßnahmen beim pflegerisch tätigen<br />

Personal hinweisen. Trotz mangelhafter Unterstützung des Projekts von Seiten der<br />

Krankenhausführung konnten die oben genannten positiven Untersuchungsergebnisse<br />

in Bezug auf das veränderte Scoringverhalten der Mitarbeiter festgestellt werden, was<br />

wahrscheinlich neben der Auswahl der geeigneten Schulungsmethoden einem hohen<br />

persönlichen Engagement der Akteure geschuldet war. Des Weiteren könnte die<br />

geeignete Auswahl der Projektteam-Mitglieder, die aufgrund fachlicher und<br />

persönlicher Stärken ihre Teams von der Notwendigkeit eines Veränderungsprozesses<br />

überzeugen konnten, zum Erfolg der Leitlinien-Implementierung beigetragen haben.<br />

77


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Nach der Bestätigung der erfolgreichen Implementierung der S3 Leitlinie sollte<br />

untersucht werden, inwiefern die in der medizinischen Fachliteratur publizierten<br />

positiven Effekte des leitliniengerechten Arbeitens auf das Patienten-Outcome auch auf<br />

die schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten der BG Unfallklinik Tübingen übertragbar waren.<br />

Hierzu wurden die durchschnittlichen Beatmungszeiten der Jahre 2009 (n=75) und<br />

2011 (n=114) mitein<strong>and</strong>er verglichen und mittels entsprechenden durchschnittlichen<br />

ABSI-Werten ein Bezug zur Erkrankungsschwere statistisch ausgeschlossen. Alle<br />

Werte wurden den DAV-Listen der jeweiligen Jahre entnommen. Diese ergaben eine<br />

durchschnittliche Beatmungsdauer von 5,7 Tagen im Jahr 2009 und von 3,9 Tagen im<br />

Jahr 2011. Daraus resultiert eine Verringerung von 1,8 Tagen nach Implementierung<br />

der S3 Leitlinie. Neben <strong>and</strong>eren Maßnahmen, wie die Durchführung von Schulungen<br />

für das Pflegepersonal zum Thema Beatmung und das frühe bettseitige<br />

Tracheotomieren von schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten durch Intensivmediziner, kann<br />

das erfolgreiche Implementieren der S3 Leitlinie Analgesie und Sedierung in der<br />

Intensivmedizin zur gezeigten Verkürzung der Beatmungszeiten am Zentrum für<br />

Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen geführt haben und bestätigt somit<br />

die Erkenntnisse der medizinischen Fachliteratur, wonach leitliniengerechtes Arbeiten<br />

zu einem verbesserten Patienten-Outcome führt.<br />

Inwiefern das Untersuchungsergebnis ebenso auf die Langzeitanwendung der<br />

Leitlinien mit den gezeigten positiven Effekten auf das Patienten-Outcome zu<br />

übertragen ist, kann erst in zukünftig durchzuführenden Evaluationen aufgezeigt<br />

werden. Eine erfolgreiche Implementierung scheint für den Langzeiterfolg von Leitlinien<br />

nicht alleinig ausreichend zu sein. Mitarbeiter sollten auch perspektivisch regelmäßig<br />

an interaktiven Schulungen teilnehmen, um modifizierte bzw. neue H<strong>and</strong>lungsmuster<br />

beizubehalten. Zur Umsetzung dieser Schritte bedarf es unter <strong>and</strong>erem auch einer<br />

entsprechenden Unterstützung durch die Krankenhausführung. Um Strategien zur<br />

Optimierung der medizinischen Versorgung von schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten<br />

erfolgreich umsetzen zu können, bedarf es einer engagierten interdisziplinären<br />

Zusammenarbeit aller an der Therapie der Patienten beteiligten Akteure, einschließlich<br />

Administration und Klinikleitung.<br />

14. Ausblick<br />

Wie gezeigt werden konnte, war die Einführung der S3 Leitlinie Sedierung und<br />

Analgesie in der Intensivmedizin nach den Kriterien der vorliegenden Projektarbeit am<br />

Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen erfolgreich. Die<br />

78


<strong>Bachelor</strong> <strong>Thesis</strong> Sabine Dorn<br />

Resultate der Untersuchung konnten zeigen, dass mittels geeigneter<br />

Schulungsmaßnahmen das Verhalten der Mitarbeiter verändert werden konnte und<br />

dass in der Folge die Situation der schwerbr<strong>and</strong>verletzten Patienten dahingehend<br />

verbessert wurde, dass diese kürzer maschinell beatmet werden mussten. Um solche<br />

positiven Effekte auch auf <strong>and</strong>ere medizinische Therapien auszudehnen, sollen am<br />

Zentrum für Schwerbr<strong>and</strong>verletzte der BG Unfallklinik Tübingen perspektivisch weitere<br />

Leitlinien nach den in dieser Arbeit vorgestellten Prinzipien eingeführt werden. Aktuell<br />

sind dies die Leitlinien zu den Themen Delir und Sepsis.<br />

Um auch den Langzeiterfolg der in dieser Arbeit beschriebenen Implementierung<br />

gewährleisten zu können, müssen im Verlauf der kommenden Jahre weiterhin<br />

Schulungs- und Unterstützungsmaßnahmen bei den Mitarbeitern durchgeführt werden,<br />

um die leitliniengerechte Therapie weiter zu fördern und zu etablieren. Vor allem<br />

Führungs- und Schlüsselpersonen der therapeutischen Teams sollten dauerhaft von<br />

den Vorteilen des leitliniengerechten Arbeitens überzeugt sein, da sie als<br />

Meinungsbildner eine wichtige Rolle beim Umsetzen von Veränderungsmaßnahmen<br />

einnehmen.<br />

Sowohl die Implementierung von Leitlinien als auch die folgenden Maßnahmen zur<br />

langfristigen Etablierung der Veränderungen sind geprägt von großer Komplexität und<br />

verursachen kurzfristig zusätzliche Kosten, die von den Krankenhausführungen nur<br />

selten wahrgenommen werden, genauso wie langfristig zu erwartenden Einsparungen<br />

bei steigender Qualität der Patientenversorgung. Hochwertige<br />

Implementierungskonzepte mit entsprechenden patientenorientierten Erfolgen<br />

bedürfen personeller, zeitlicher und finanzieller Ressourcen, die den Mitarbeitern auf<br />

Intensivstationen nur selten gewährt werden. Insgesamt bedarf es bei der Umsetzung<br />

von patientenzentrierter und evidenz-basierter Medizin nicht nur eines Umdenkens des<br />

medizinischen Versorgungspersonals, sondern auch einer Veränderung ökonomischer<br />

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