Leben in der Schule - Katholische Schulen Schweiz KSS
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<strong>Leben</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />
Abschiebestation für schwierige Sprössl<strong>in</strong>ge, Luxusbleibe für verwöhnte K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
o<strong>der</strong> aufregende Lernburg à la Hogwarts? wir eltern hat sich <strong>in</strong> verschiedenen<br />
Internaten umgeschaut.<br />
Ist von <strong>Schweiz</strong>er Internaten die Rede, wird meist nur die Luxusklasse erwähnt: Superreiche Eltern,<br />
die Jahresgebühren von 60 000 Franken o<strong>der</strong> mehr h<strong>in</strong>blättern; Elite-Sprössl<strong>in</strong>ge, die Kricket o<strong>der</strong><br />
Golf spielen und auch schon mal mit dem Porsche auf den Campus brausen.<br />
Sab<strong>in</strong>e Greisers Welt ist das nicht. Sie leitet das Gymnasium Marienburg <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>eck SG, e<strong>in</strong><br />
bodenständiges Internat für Mädchen und Knaben. Und e<strong>in</strong>es, das mit Jahresgebühren ab rund<br />
9000 Franken auch für Eltern mit schmälerem E<strong>in</strong>kommen erschw<strong>in</strong>glich ist. Ebenso stört sich<br />
die Rektor<strong>in</strong> an <strong>der</strong> Behauptung, Internate seien nichts als Abschiebestationen für<br />
pubertierende Gören und Flegel, mit denen sich die Eltern nicht länger abmühen wollen.<br />
«Me<strong>in</strong>e Erfahrung ist e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e», sagt sie. In ihrem Internat seien beispielsweise Jugendliche<br />
von alle<strong>in</strong> erziehenden Eltern. Diese seien gezwungen, ganztags zu arbeiten, um ihren<br />
<strong>Leben</strong>sunterhalt bestreiten zu können – «und sie s<strong>in</strong>d froh, ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> unter <strong>der</strong> Woche<br />
begleitet und betreut zu wissen». An<strong>der</strong>e Eltern werten es als Vorteil, wenn ihre Sprössl<strong>in</strong>ge im<br />
Internat <strong>in</strong> die Geme<strong>in</strong>schaft mit an<strong>der</strong>en Jugendlichen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wachsen. Teenager befänden sich<br />
ohneh<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Leben</strong>sphase, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie sich vom Elternhaus lösen.<br />
Dass Eltern damit die Erziehung abschieben, auch das lässt die Rektor<strong>in</strong> des Internats für 13-<br />
bis 20-Jährige nicht gelten.<br />
«Natürlich übernehmen die Internats-Präfekten <strong>in</strong> mancher H<strong>in</strong>sicht Erziehungsaufgaben.»<br />
Aber die Eltern erkundigten sich vorher über Anschauungen und Werte des Internats. So werde<br />
sichergestellt, dass ke<strong>in</strong>e grundlegend unterschiedlichen Ansichten bestehen. «Stellen wir im<br />
Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zu starke Diskrepanzen fest, trennen wir uns auch schon mal von Schülern.» Dass<br />
am Gymnasium Marienburg christliche Werte im S<strong>in</strong>ne von Toleranz und Verantwortungsgefühl<br />
sowohl für sich selbst als auch für die Geme<strong>in</strong>schaft vermittelt werden, hat mit <strong>der</strong> Tradition zu<br />
tun: Die <strong>Schule</strong> wurde 1930 vom Orden <strong>der</strong> Steyler Missionare gegründet; seit 1999 wird sie als<br />
Stiftung geführt. Der Orden ist weiterh<strong>in</strong> im Stiftungsrat vertreten, drei Patres <strong>der</strong> Steyler<br />
Missionare unterrichten an <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. Religionsunterricht ist Pflicht, es gibt zudem regelmässig<br />
Gottesdienste.<br />
«Viele Internate s<strong>in</strong>d von Ordensgeme<strong>in</strong>schaften gegründet worden», erläutert Pater Robert<br />
Bürcher, Rektor <strong>der</strong> Stiftsschule Engelberg. Sie ermöglichten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, die<br />
nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe e<strong>in</strong>es Gymnasiums wohnten, e<strong>in</strong>e weiterführende <strong>Schule</strong> zu besuchen.<br />
Zugleich sei es e<strong>in</strong> Anliegen gewesen, dem <strong>Leben</strong> <strong>der</strong> jungen Menschen e<strong>in</strong>e christliche<br />
Ausrichtung zu geben. Die Stiftsschule, unterdessen ebenfalls e<strong>in</strong> Mädchen- und Knaben-<br />
Internat, ist auch heute noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> benedikt<strong>in</strong>ischen Tradition des Klosters Engelberg<br />
verankert. Und obwohl die Stiftsschule im Herbst den<br />
ersten weltlichen Rektor <strong>in</strong> ihrer Geschichte bekommt, wird an diesen Grundfesten nicht<br />
gerüttelt.<br />
Konfessionell ungebunden, so bezeichnet sich das Gymnasium Immensee im Kanton Schwyz,<br />
obwohl es bis 1995 von <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>erischen Missionsgesellschaft Bethlehem (SMB) geführt<br />
wurde. Heute ist die <strong>Schule</strong> e<strong>in</strong>e eigenständige Stiftung – Religion wird nicht mehr unterrichtet,<br />
dafür werden <strong>in</strong> diversen Schulfächern Themen wie Menschenrechte, Solidarität o<strong>der</strong> Nord-<br />
Süd-Dialog behandelt.<br />
Was unterscheidet das Internat noch von an<strong>der</strong>en Instituten? «Immensee hat sich e<strong>in</strong>en Namen<br />
gemacht mit dem selbstorganisierten Lernen», sagt Rektor Aldo Magno. Das Konzept werde<br />
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jetzt <strong>in</strong> allen Zürcher Mittelschulen e<strong>in</strong>geführt. Zudem gebe es Epochenunterricht: zwei Fächer<br />
bilden e<strong>in</strong> Epochenpaar. Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen haben zum Beispiel e<strong>in</strong>en Monat lang nur<br />
Mathematik, dafür ke<strong>in</strong> Deutsch. Vorteil: Weniger Fächer gleichzeitig, man kann sich eher auf<br />
e<strong>in</strong>en Stoff konzentrieren und ihn zudem dank Langzeitlektionen von 70 M<strong>in</strong>uten besser<br />
vertiefen.<br />
Was br<strong>in</strong>gt es K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, <strong>in</strong>s Internat zu gehen? Als wesentliche Vorteile<br />
werden die För<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>es stark ausgeprägten Geme<strong>in</strong>schaftss<strong>in</strong>ns genannt, die klaren<br />
Strukturen und die geregelten Abläufe. «Auf Jugendliche strömen sehr viele Reize e<strong>in</strong>», sagt<br />
Pater Robert Bürcher aus Engelberg. Ob Medien o<strong>der</strong> Konsum – manchmal sei alles an<strong>der</strong>e<br />
wichtiger, als sich ums Lernen zu kümmern.<br />
E<strong>in</strong> Internat biete den optimalen Rahmen, sich auf <strong>Schule</strong> und Hausaufgaben zu konzentrieren.<br />
Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen lernen effizient und können ihre Fähigkeiten besser entfalten. In<br />
Engelberg verbr<strong>in</strong>gen die Jugendlichen auch die Wochenenden im Internat. «Das birgt vielleicht<br />
die Gefahr, dass sie etwas stärker vom Weltgeschehen abgekoppelt s<strong>in</strong>d», sagt <strong>der</strong> Rektor.<br />
Aber es br<strong>in</strong>ge auch e<strong>in</strong>e gewisse Ruhe und Konstanz <strong>in</strong>s <strong>Leben</strong> <strong>der</strong> jungen Leute.<br />
Eigenverantwortung, Selbstvertrauen, Lernfreude und Lernkompetenz hätten sie im Internat<br />
gelernt, sagen ehemalige Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen des Instituts Beatenberg im Berner<br />
Oberland. Die Ehemaligen wurden für e<strong>in</strong>e Studie <strong>der</strong> Pädagogischen Hochschule<br />
Zentralschweiz befragt. Weiterer Pluspunkt: Die Zusammenarbeit mit dem persönlichen Coach<br />
prägt, und zwar weit übers Schulische h<strong>in</strong>aus. Sie sei wichtig gewesen für die eigene<br />
Entwicklung. Für Rektor Andreas Müller e<strong>in</strong>e Bestätigung: Lerncoach<strong>in</strong>g, vor vielen Jahren <strong>in</strong><br />
Beatenberg gestartet, habe sich mittlerweile etabliert.<br />
Internatsplätze s<strong>in</strong>d gefragt. «Trotz wirtschaftlich harter Zeiten gibt es momentan ke<strong>in</strong>en<br />
E<strong>in</strong>bruch bei <strong>der</strong> Nachfrage», hat Maja We<strong>in</strong>er von <strong>der</strong> Agentur für Privatschulen beobachtet.<br />
Sie erlebt häufig, dass beide Elternteile arbeiten, um sich die Schulgebühren leisten zu können.<br />
Warum Eltern e<strong>in</strong>e Internats-Ausbildung für ihren Nachwuchs wünschen, dafür gibt es e<strong>in</strong>e<br />
Reihe von Gründen, sagt Brigitta Wyss, Rektor<strong>in</strong> des Internats St. Antonius <strong>in</strong> Appenzell<br />
Innerrhoden. E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelk<strong>in</strong>d beispielsweise möchte oft Altersgenossen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em nahen Umfeld.<br />
Auch komme es vor, dass Jugendliche <strong>in</strong> ihrer bisherigen <strong>Schule</strong> nicht glücklich waren,<br />
vielleicht e<strong>in</strong>e Mobb<strong>in</strong>ggeschichte zu ertragen hatten und im Internat e<strong>in</strong>en Neuanfang machen<br />
möchten. Zudem spiele die Familientradition e<strong>in</strong>e Rolle: Bei vielen Schülern seien schon Vater,<br />
Onkel und Grossvater im 1908 von Kapuz<strong>in</strong>ern gegründeten St. Antonius zur <strong>Schule</strong> gegangen<br />
und hätten gute Erfahrungen gemacht.<br />
Oliver Schmid, Direktor des Instituts Montana auf dem Zugerberg, hat zurzeit Schüler<strong>in</strong>nen und<br />
Schüler aus 37 Län<strong>der</strong>n – die Eltern gehören zur oberen Mittelschicht, sagt er. Die Gründe für<br />
den Internatsaufenthalt unterscheiden sich je nach Herkunft: Manchmal sei <strong>der</strong> voruniversitäre<br />
Abschluss ausschlaggebend, <strong>der</strong> im Heimatland nicht angeboten wird. Manchmal spiele die<br />
Sicherheit e<strong>in</strong>e Rolle – wegen <strong>der</strong> hohen Krim<strong>in</strong>alitätsrate <strong>in</strong> gewissen Herkunftslän<strong>der</strong>n.<br />
Wor<strong>in</strong> sich alle von wir eltern befragten Internate e<strong>in</strong>ig s<strong>in</strong>d: E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d gegen se<strong>in</strong>en Willen <strong>in</strong>s<br />
Internat zu stecken, ist kontraproduktiv und geht auf Dauer schief. Die Schulzeit im Internat zu<br />
verbr<strong>in</strong>gen, sei schliesslich ke<strong>in</strong>e Strafe. «Abgeschobene Jugendliche wollen wir nicht, weil das<br />
we<strong>der</strong> für sie noch für uns gut ist – und letztlich auch für die Familie nicht stimmt», sagt Brigitte<br />
Wyss vom St. Antonius. Das K<strong>in</strong>d sollte sich aus freien Stücken fürs Internat entscheiden,<br />
an<strong>der</strong>nfalls sei davon abzuraten. Unbed<strong>in</strong>gt empfehlenswert: Schnuppertage, damit sich K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
und Jugendliche selbst e<strong>in</strong> Bild machen können, ob sie sich das <strong>Leben</strong> im Internat vorstellen<br />
können – o<strong>der</strong> eben nicht.<br />
Vera Sohmer<br />
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Woran Sie bei <strong>der</strong> Suche nach e<strong>in</strong>em Internat denken sollten<br />
Vorteile e<strong>in</strong>es Internats<br />
- ke<strong>in</strong> Schulweg<br />
- strukturierter Tagesablauf<br />
- e<strong>in</strong>geschränkter PC- und Fernsehkonsum<br />
- <strong>in</strong>dividuelle Betreuung und För<strong>der</strong>ung<br />
- ausgeprägtes Geme<strong>in</strong>schaftsgefühl<br />
- Freundschaften halten oft fürs <strong>Leben</strong><br />
- weniger Reibungsfläche mit den Eltern (auch punkto Hausaufgaben)<br />
- frühe Selbstständigkeit<br />
Nachteile<br />
- frühes Abnabeln von den Eltern<br />
- Eltern s<strong>in</strong>d weit weg von den Alltagsproblemen<br />
- K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche wechseln die <strong>Schule</strong> und verlieren dadurch den Kontakt zu den<br />
alten Freunden<br />
- Heimweh<br />
Checkliste<br />
- Der persönliche E<strong>in</strong>druck ist wichtig. Schauen Sie sich das Internat selbst an<br />
- Kriterien für die Schulwahl können se<strong>in</strong>: Lage <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>, Schulgrösse, Klassengrösse,<br />
Freizeitangebot<br />
- Bietet die <strong>Schule</strong> <strong>Schweiz</strong>er Abschlüsse o<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationale?<br />
- Pädagogischer Schwerpunkt: Ist das K<strong>in</strong>d überdurchschnittlich begabt und muss speziell<br />
geför<strong>der</strong>t werden? O<strong>der</strong> hat es schwache Schulleistungen und braucht Unterstützung?<br />
- Sollen die Mädchen und Jungen auch am Wochenende betreut werden?<br />
- Schulkosten: Bei religionsneutralen <strong>Schule</strong>n muss man mit Kosten zwischen 35 000 und<br />
60 000 Franken pro Schuljahr für Unterricht, Unterkunft und Verpflegung rechnen.<br />
Die Kosten tragen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die Eltern.<br />
Konfessionell geführte <strong>Schule</strong>n s<strong>in</strong>d wesentlich günstiger. Die Schulkosten werden häufig nach<br />
dem steuerbaren E<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong> Eltern berechnet. In e<strong>in</strong>igen Internaten wird beim Schulgeld<br />
auch zwischen kantonalen und ausserkantonalen Schülern und Schüler<strong>in</strong>nen unterschieden,<br />
weil <strong>der</strong> Staat e<strong>in</strong>en Anteil <strong>der</strong> Kosten übernimmt (beispielsweise Klosterschule Disentis).<br />
E<strong>in</strong>zelne Internate<br />
haben Stipendienfonds o<strong>der</strong> Stiftungen. Damit werden Familien unterstützt, die das Schulgeld<br />
nicht aufbr<strong>in</strong>gen können (etwa das Gymnasium Immensee o<strong>der</strong> die Stiftsschule Engelberg)<br />
Weitere Informationen und Internats-Übersicht<br />
www.swiss-schools.ch<br />
www.katholischeschulen.ch<br />
www.privatschul-beratung.ch<br />
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Zeitschrift wir eltern 6/09