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im Schwarzen Meer - Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

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FOKUS<br />

Bereits an Bord werden die Sed<strong>im</strong>entproben einer ersten Analyse<br />

unterzogen (<strong>im</strong> Bild links Marcel Kuypers, rechts Gaute Lavik).<br />

bereits bei 50 bis 100 Meter Tiefe;<br />

darunter steigt die Temperatur wieder<br />

an und erreicht am Boden neun<br />

Grad Celsius.<br />

Als isoliertes Randmeer reagiert<br />

das Schwarze <strong>Meer</strong> sehr empfindlich<br />

auf Änderungen der Umwelt – und<br />

zwar nicht nur der heutigen, sondern<br />

ebenso der erdgeschichtlich weiter<br />

zurückliegenden. Für Forscher bietet<br />

es daher hervorragende Möglichkeiten<br />

<strong>für</strong> hoch auflösende Untersuchungen<br />

des Paläokl<strong>im</strong>as. Dabei<br />

lassen sich auch Kl<strong>im</strong>asignale aus<br />

dem südost- und zentraleuropäischen<br />

Raum erfassen, die <strong>im</strong> eingetragenen<br />

Schwemm-Material aus der<br />

Donau stecken. Darüber hinaus ist<br />

das Schwarze <strong>Meer</strong> – als Lagerstätte<br />

organisch reicher Sed<strong>im</strong>ente aus geologischer<br />

Vergangenheit – auch der<br />

ideale Ort, um biogeochemische Stoffkreisläufe<br />

zu studieren.<br />

RÜCKBLICK AUF<br />

7500 JAHRE KLIMA<br />

Die spezifischen Sed<strong>im</strong>entationsbedingungen<br />

führten zur Ablagerung<br />

fein aufgebauter, während der<br />

vergangenen 7500 Jahre größtenteils<br />

sogar jahreszeitlich geschichteter<br />

Sed<strong>im</strong>ente. Das gestattet, die erdgeschichtlichen<br />

Kl<strong>im</strong>aschwankungen –<br />

deren Verständnis <strong>für</strong> Aussagen über<br />

die zukünftige Kl<strong>im</strong>aentwicklung un-<br />

36 M AXP LANCKF ORSCHUNG 3/2003<br />

verzichtbar ist – bis auf Jahres-Zeitskalen<br />

zu analysieren. Von deren<br />

Vergleich mit anderen hoch aufgelösten<br />

Zeitreihen sowohl aus kontinentalen<br />

Regionen (etwa von Baumringen<br />

aus Europa sowie Eiskernen<br />

und Seesed<strong>im</strong>enten aus Grönland)<br />

als auch aus marinen Bereichen<br />

(Arabische See, östliches Mittelmeer<br />

und Rotes <strong>Meer</strong>) erhoffen sich die<br />

Forscher ein besseres Verständnis der<br />

längerfristigen Variabilität globaler<br />

oder zumindest hemisphärischer<br />

Kl<strong>im</strong>asignale wie beispielsweise von<br />

ENSO (besser bekannt unter den Namen<br />

El Niño und La Niña).<br />

Die Reise der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Forscher<br />

begann mit einigen Hindernissen.<br />

So schreibt der wissenschaftliche<br />

Leiter der Expedition, Bo Barker<br />

Jørgensen, in seinem Wochenbericht<br />

von Bord der METEOR: „Die Vorbereitung<br />

der Fahrt <strong>im</strong> Hafen von Istanbul<br />

war schwierig, weil unsere<br />

Container zwei Tage lang nicht an<br />

Bord kommen konnten. Sie standen<br />

zwar da <strong>im</strong> Hafen, aber wegen der<br />

Bürokratie und des Endes des Ramadan<br />

wurde die Zollabfertigung verzögert,<br />

und danach war der Pier<br />

plötzlich von Lkws einen ganzen Tag<br />

einfach blockiert. […] Wegen der<br />

Hafenprobleme konnte eine In-situ-<br />

Pump-CTD (conductivity-temperature-depth)<br />

<strong>für</strong> kontinuierliche Profile<br />

und Proben aus der Wassersäule<br />

nicht aufgebaut und getestet werden.<br />

Zwei Techniker aus dem <strong>Institut</strong><br />

<strong>für</strong> Ostseeforschung in Warnemünde<br />

(IOW) sind deswegen zwei Tage mitgefahren<br />

und haben die Messungen<br />

erfolgreich durchgeführt. Um diesen<br />

Gerätetest zu ermöglichen, mussten<br />

wir <strong>im</strong> Marmarameer anfangen und<br />

sind dann nach Istanbul zurückgekehrt,<br />

wo wir auf Reede lagen, bis<br />

die beiden Kollegen mit einem Boot<br />

wieder an Land gebracht werden<br />

konnten.“<br />

Im Marmarameer ziehen die Wissenschaftler<br />

an drei Stationen in<br />

300 bis 1200 Meter Wassertiefe Sed<strong>im</strong>entkerne;<br />

sie erscheinen sehr viel<br />

Laborgerät zum Aufreinigen von Stickstoffgas und anderen Verbindungen aus Wasserproben.<br />

versprechend <strong>für</strong> eine detaillierte<br />

Analyse der holozänen und frühen<br />

Entwicklung des Kl<strong>im</strong>as und der Verbindung<br />

zwischen Mittelmeer und<br />

Schwarzem <strong>Meer</strong>, denn sie weisen<br />

nach drei bis vier Metern laminierte<br />

Schichten auf. Auch die ersten Bohrkerne<br />

<strong>im</strong> <strong>Schwarzen</strong> <strong>Meer</strong> sind gut,<br />

obwohl ihre Gewinnung aus dem Sed<strong>im</strong>ent<br />

in der schwefelhaltigen Tiefsee<br />

besondere Maßnahmen erfordert:<br />

Dem Multicorer (MUC), einem Gerät<br />

zur Entnahme von 40 bis 50 Zent<strong>im</strong>eter<br />

langen Sed<strong>im</strong>entkernen, müssen<br />

„Entenfüße“ angepasst werden,<br />

damit er nicht zu tief in den weichen<br />

<strong>Meer</strong>esboden einsinkt. In der oberen,<br />

holozänen Abfolge des Sed<strong>im</strong>ents<br />

zeigen die Kerne fein laminierte<br />

Jahresschichten – ein Traum <strong>für</strong> jeden<br />

Paläokl<strong>im</strong>atologen.<br />

Die zweite Woche beginnt sehr<br />

stürmisch und stellt die Seetauglichkeit<br />

der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Forscher auf eine<br />

harte Probe: „Bei Windstärke acht<br />

bis neun muss die Arbeit unterbrochen<br />

werden, und die METEOR kann<br />

nur gegen den Wind fahren“,<br />

schreibt Jørgensen in seinem Fahrtenbericht.<br />

Die Fachleute <strong>für</strong>chten,<br />

dass die Wetterbedingungen ihre Arbeit<br />

weiter beeinträchtigen könnten<br />

– doch glücklicherweise flaut der<br />

Wind wieder ab, und die Untersuchungen<br />

<strong>im</strong> westlichen <strong>Schwarzen</strong><br />

<strong>Meer</strong> können weitergehen. Entlang<br />

des Kontinentalhangs vom 2100 Meter<br />

tiefen Becken bis auf den Schelf<br />

werden neben Schwerelot- und<br />

MUC-Kernen auch Proben aus der<br />

Wassersäule genommen, um die<br />

Geochemie und die <strong>Mikrobiologie</strong><br />

zu analysieren.<br />

„Die Beprobung der Wassersäule<br />

mit In-situ-Pumpen und mit einem<br />

neuen Pump-CTD hat hervorragend<br />

funktioniert. Das Schlauchsystem<br />

des Pump-CTD’s bringt kontinuierlich<br />

<strong>Meer</strong>wasser aus verschiedenen<br />

Tiefen auf Station direkt ins Labor,<br />

wo online die Chemie analysiert<br />

wird. […] Obwohl die Exper<strong>im</strong>ente zu<br />

Denitrifikation, Manganreduktion,<br />

anaerober (?) Ammoniumoxidation<br />

und Sulfidoxidation noch laufen,<br />

gibt es die ersten Ergebnisse aus der<br />

Zonierung in der Wassersäule. Im<br />

zentralen <strong>Schwarzen</strong> <strong>Meer</strong> sind in 95<br />

Meter Wassertiefe grüne Schwefelbakterien<br />

vorhanden, die dort als<br />

phototrophe Sulfidoxidierer bei extrem<br />

niedriger Lichtintensität leben.“<br />

Die anaerobe, also ohne Sauerstoff-<br />

Zufuhr erfolgende Ammoniumoxidation<br />

versieht Bo Barker Jørgensen<br />

in seinem Bericht noch mit einem<br />

Fragezeichen. Denn Mikroorganismen,<br />

die in der Lage sind, Ammonium<br />

auch unter sauerstofffreien Bedingungen<br />

zu konsumieren, sind erst<br />

vor wenigen Jahren entdeckt worden<br />

– und zwar in Kläranlagen.<br />

KLÄRANLAGEN – NÄHRBÖDEN<br />

FÜR UNBEKANNTE SPEZIES<br />

Diese so genannten Anammox-<br />

Bakterien setzen Ammonium mithilfe<br />

von Nitrit zu Stickstoff um (anaerobe<br />

Ammonium-Oxidation) und werden<br />

be<strong>im</strong> Betrieb moderner Kläranlagen<br />

in Zukunft eine wichtige Rolle spielen,<br />

da sie die teuere Belüftung des<br />

Klärwassers ersparen. Weil die Kläranlagen-Bakterien<br />

aber nur sehr<br />

langsam wachsen, nahm man bisher<br />

an, dass sie keine marinen Verwand-<br />

ANAMMOX IM SCHWARZEN MEER<br />

ten hätten, die <strong>im</strong> <strong>Meer</strong> eine wesentliche<br />

Rolle spielen könnten. Vielmehr<br />

galt die Nitrifikation oder Denitrifikation<br />

als der einzig relevante Prozess,<br />

der die stickstoffhaltigen Nährstoffe<br />

<strong>im</strong> Ozean vermindert: Dabei<br />

oxidieren Mikroorganismen zunächst<br />

das Ammonium (NH 4) mit Sauerstoff<br />

(O 2) über Nitrit (NO - 2) zu Nitrat (NO - 3).<br />

Ist kein freier molekularer Sauerstoff<br />

vorhanden, kann das Nitrat anschließend<br />

von heterotrophen Bakterien<br />

benutzt werden, um organisches<br />

Material zu oxidieren. Dabei wird<br />

molekularer Stickstoff (N 2) frei, der<br />

als Gas in die Atmosphäre entweicht.<br />

Diese Freisetzung bezeichnen die<br />

Fachleute als Denitrifikation.<br />

Umfang und Geschwindigkeit, mit<br />

der Stickstoff in Form von Nitrat, Nitrit,<br />

Ammonium und anderen anorganischen<br />

Verbindungen gespeichert<br />

(fixiert) oder umgekehrt als Gas freigesetzt<br />

wird, best<strong>im</strong>men den globalen<br />

Stickstoffhaushalt. Mit der Freisetzung<br />

von gasförmigem Stickstoff<br />

wird dieser als Nährstoff jedoch<br />

unzugänglich – und genau deshalb<br />

hängt der Prozess auch unmittelbar<br />

mit dem Umsatz von Kohlendioxid<br />

3/2003 M AXP LANCKF ORSCHUNG 37<br />

MIKROBEN<br />

Schema der neu entdeckten Stickstoff-Freisetzung <strong>im</strong> <strong>Schwarzen</strong> <strong>Meer</strong>. Zwischen der<br />

sauerstoffreichen Zone (rot) und der Ammonium-Zone (blau) haben sich Nahrungsspezialisten,<br />

die so genannten Anammox-Bakterien (grün), angesiedelt.

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