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Baby da, Lust weg?

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Partnerschaft | Sex<br />

«Die Last hat die <strong>Lust</strong> vertrieben, so einfach ist <strong>da</strong>s.»<br />

B Vanessa (35), Fulltime-Mami,<br />

und Johannes (33), Maschineningenieur,<br />

seit vier Jahren ein Paar.<br />

Kinder: Stefan (2,5), Nora (1).<br />

rückstehen Vanessa<br />

ettgeschichten früher:<br />

begehren, heissmachen, vögeln, hemmungslos<br />

lieben bis zum Morgengrauen.<br />

Bettgeschichten heute: <strong>Baby</strong>wimmern,<br />

nuckeln, wiegen, erschöpft einschlafen bis<br />

zum nächsten Säuglingsbedürfnis.<br />

Das Liebesleben nimmt nach der Geburt<br />

zeitweise zölibatäre Züge an. Zwar spricht<br />

niemand gern <strong>da</strong>rüber, aber Zahlen zeigen<br />

es deutlich: 15 Prozent der Paare haben<br />

sechs Wochen nach der Geburt <strong>da</strong>s<br />

erste Mal wieder Sex, so eine Umfrage der<br />

deutschen Zeitschrift «Eltern». 40 Prozent<br />

warten <strong>da</strong>mit bis zu elf Wochen, weitere<br />

25 Prozent bis zu sechs Monaten. Klipp<br />

und klar sagt es Claus Buddeberg, emeritierter<br />

Professor und ehemaliger Leiter<br />

der sexualmedizinischen Sprechstunde<br />

am Universitätsspital Zürich: «Kinder<br />

sind Sexualhemmer.» Fast immer sind es<br />

die Frauen, die Mühe haben, die schönste<br />

Nebensache der Welt in ihr neues Leben<br />

mit Kind zu integrieren. Buddeberg: «Sexuelles<br />

Interesse und Aktivität nehmen im<br />

Verlauf des ersten postnatalen Jahres bei<br />

den meisten Frauen nur langsam zu.»<br />

Libidokiller<br />

Die Liste der Gründe <strong>da</strong>für ist lang und<br />

sowohl körperlicher, psychologischer wie<br />

sozialer Natur. Das Bindungshormon<br />

Oxytocin und <strong>da</strong>s Milchbildungshormon<br />

Prolaktin, beide von stillenden Frauen in<br />

Höchstmengen produziert, dämpfen die Libido.<br />

Das macht aus biologischer Sicht Sinn,<br />

denn eine Frau, die gerade ein Kind bekommen<br />

hat, soll sich erstmal um dieses eine<br />

kümmern und nicht schon wieder mit der<br />

nächsten Schwangerschaft beschäftigt sein.<br />

Doch die Erotik wird nicht nur von den<br />

Hormonen aus dem Schlafzimmer gedrängt:<br />

Junge Mütter sind derart mit ihrem Rollenwechsel<br />

vom Berufs- zum Mutteralltag beschäftigt<br />

mit dieser neuen Rund-um-die-<br />

Uhr-Verantwortung für <strong>da</strong>s <strong>Baby</strong> – alle zwei<br />

bis vier Stunden füttern, Windeln wechseln,<br />

in den Schlaf wiegen – <strong>da</strong>ss alles andere zu-<br />

muss, auch die eigenen Bedürfnisse.<br />

Sex sowieso. Schläft <strong>da</strong>s nähebedürftige<br />

Wesen nach einem langen Tag endlich,<br />

bleibt allzu oft nur: Müdigkeit. Und der<br />

Wunsch nach Ruhe, nach nichts geben<br />

müssen.<br />

Die Last hat die <strong>Lust</strong> vertrieben, so einfach<br />

ist <strong>da</strong>s. Doch kein Grund zur Sorge. Das<br />

ist nichts Aussergewöhnliches! «Gibt es tatsächlich<br />

Eltern, die noch Sex haben?», fragt<br />

Merle Wuttke, Mutter von drei Kindern in<br />

ihrem kürzlich erschienen Buch «Neue Verkehrsregeln<br />

– der erste ehrliche Sexratgeber<br />

für Eltern» mit einem Augenzwinkern. Und<br />

präzisiert: Sex mit diesem Körper? Mit einem<br />

Bauch wie eine Fleischschürze, mit<br />

Brüsten, die schmerzen und an<strong>da</strong>uernd ihren<br />

Inhalt verlieren? Doch die Autorin<br />

weiss, <strong>da</strong>ss nicht alle wie sie empfinden: «Da<br />

kommt der Mann und sagt: Wahnsinn, sind<br />

die etwa noch grösser geworden? Darf ich<br />

mal anfassen?» Merle Wuttke wundert sich<br />

und wahrscheinlich viele Frauen mit ihr:<br />

Milchmaschine und Pornostar gleichzeitig<br />

sein – wie soll <strong>da</strong>s gehen?<br />

Das ist die Krux mit dem Sex nach der<br />

Geburt: Mann und Frau wollen oft nicht<br />

gleich viel. Denn weder ist der Mann im<br />

Prolaktintaumel, noch haben seine Geschlechtsteile<br />

wie bei der Frau temporär eine<br />

andere Funktion erhalten. War er bei der<br />

Geburt <strong>da</strong>bei und ist er vom archaischen beziehungsweise<br />

brachialen Geschehen nicht<br />

traumatisiert – was natürlich vorkommt<br />

und sich in fehlendem Begehren äussern<br />

kann – wird sich sein sexueller Appetit wohl<br />

bereits wieder geregt haben. Zumal er vielleicht<br />

schon vor der Geburt längere Zeit auf<br />

Geschlechtsverkehr verzichten musste.<br />

Zwar fühlen sich manche Frauen mit ihren<br />

prallen Brüsten und Bäuchen in der Schwangerschaft<br />

wie wahre Sexgöttinnen, doch in<br />

den letzten Monaten wird den allermeisten<br />

<strong>da</strong>s Liebesspiel schlicht zu anstrengend.<br />

«Die sexuelle Durststrecke kann für den<br />

Mann also recht lang sein», fasst Claus Buddeberg<br />

zusammen.<br />

Wenn ich von anderen Müttern höre,<br />

<strong>da</strong>ss sie einen Monat nach der Geburt<br />

wieder Sex haben, frage ich mich: Bin ich<br />

nicht normal? Bei mir ging <strong>da</strong>s nicht. Seit<br />

ich Nora stille, habe ich <strong>da</strong>s Gefühl, mein<br />

Körper werde ständig beansprucht. Ich<br />

bin so gesättigt mit Nähe, <strong>da</strong>ss ich sonst<br />

einfach in Ruhe gelassen werden will.<br />

Johannes hat nicht viel Verständnis für<br />

diesen Wunsch. Zwei Monate nach der<br />

Geburt hat er mich gefragt: «Bleibt <strong>da</strong>s<br />

jetzt die nächsten sechs Jahre so?»<br />

Ich habe ihm erklärt, was in mir vorgeht;<br />

er hat es akzeptiert. Wir sind aber an einem<br />

Punkt, wo wir wissen, es wäre wieder<br />

an der Zeit für mehr Sex und Nähe,<br />

aber wir wissen nicht so recht wie. Die<br />

aufgebaute Distanz zu überwinden, ist<br />

schwer. In zwei Monaten habe ich abgestillt,<br />

<strong>da</strong>nn wird es bestimmt wieder besser.<br />

Beim ersten Kind kam die <strong>Lust</strong> nach<br />

dem Abstillen schnell wieder zurück.<br />

Johannes<br />

Für mich geht es beim Sex um die Sache,<br />

ich brauche kein langes Vorspiel. Bei Vanessa<br />

ist <strong>da</strong>s anders, sie braucht die richtige<br />

Stimmung, braucht Zeit. Und genau<br />

die Zeit fehlt uns mit zwei Kindern.<br />

Wenn die Kleinen im Bett sind, müssen<br />

wir Organisatorisches klären, sind müde<br />

oder haben unseren freien Abend. Sonntage<br />

zu zweit im Bett gibt es auch nicht<br />

mehr. Überhaupt ist die Privatsphäre im<br />

Schlafzimmer <strong>weg</strong>. Das finde ich nicht<br />

gut und wir hatten deshalb auch schon<br />

Streit. Für mich ist es schwierig, mit der<br />

neuen Sexsituation klarzukommen.<br />

Durch <strong>da</strong>s Stillen hat Vanessa viel Nähe,<br />

ich nicht. Mir fehlen die Zärtlichkeiten.<br />

Ich denke <strong>da</strong>nn genervt: Wann wird <strong>da</strong>s<br />

endlich wieder anders? Dann gehe ich<br />

eine Runde Fahrrad fahren. Ich<br />

muss und kann die Situation akzeptieren.<br />

Es ist schon verrückt, auf wie viel man<br />

bereit ist, zu verzichten für die Kinder.<br />

«Entspann dich,<br />

Maus ...» – «Wie soll<br />

ich mich entspannen,<br />

wenn Mia sowieso<br />

gleich nach ihrem<br />

Schoppen schreit?»<br />

22 wireltern 2/2012<br />

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