Rundgang in Orem - Rolf Tiemann
Rundgang in Orem - Rolf Tiemann
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<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong><br />
Das historische Gau-Odernheim<br />
b1)<br />
E<strong>in</strong> <strong>Rundgang</strong> von Ernst Mayer und <strong>Rolf</strong> <strong>Tiemann</strong><br />
Gau-Odernheim, ehemalige Reichsstadt (1286 - 1579), pfälzisches Amtsstädtchen<br />
und rhe<strong>in</strong>hessischer Marktflecken (ab 1816) ist heute - zusammen mit dem Ortsteil<br />
Gau-Köngernheim - e<strong>in</strong>e attraktive Wohngeme<strong>in</strong>de am Rande des Ballungsgebietes<br />
Rhe<strong>in</strong>-Ma<strong>in</strong>. Das Kle<strong>in</strong>zentrum (3600 E<strong>in</strong>wohner) verfügt über e<strong>in</strong>e ausgewogene<br />
Infrastruktur.<br />
Die große, spätgotische Kirche, <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>st die Gebe<strong>in</strong>e des hl. Rufus, Bischof von<br />
Metz, ruhten, lässt die religionsgeschichtliche Relevanz erkennen. Schloss- und<br />
Mauerreste er<strong>in</strong>nern an die reichsstädtische Zeit. Den weitschichtigen Höfen und<br />
prächtigen Bürgerhäusern vermag man unschwer die frühere Bedeutung<br />
anzusehen. Sie verkörpern etwas von den Rittern, Burgmännern, Lehensleuten,<br />
kurpfälzischen Kammer- und Gerichtsräten. Herrschende Adelsfamilien waren u. a.<br />
von Dalberg, Vetzer von Geispitzheim, von Friesenhausen, von Ketschau, von<br />
Klippel, von Oberste<strong>in</strong>, Hunt von Saulheim, von Sturmfeder, von Wangenheim...<br />
Um Verwechslungen mit Odernheim am Glan bzw. Köngernheim bei Undenheim<br />
auszuschließen, erhielten beide Geme<strong>in</strong>den nach dem Bau der Bahnstrecke Alzey-<br />
Bodenheim (1896) den Namenszusatz “Gau-”.<br />
H<strong>in</strong>weis: Die Nummern mit Klammer beziehen sich auf die Quellenangabe, die mit<br />
vorangestelltem b (siehe oben) auf die Bildquellenangabe.<br />
Wir beg<strong>in</strong>nen unseren <strong>Rundgang</strong> auf dem<br />
[P]arkplatz zwischen Untermarkt und Festplatz<br />
und gehen zuerst durch die Mühlstraße und die<br />
Wallgasse. Der Weg ist im Plan grün markiert.<br />
Rote Pfeile zeigen jeweils die Blickrichtung auf<br />
die blau markierten Objekte.<br />
Der Name [Mühlstraße] knüpft an den Weg zur<br />
Stegmühle. Sie stand außerhalb der Stadt <strong>in</strong><br />
Höhe des heutigen Feuerwehrgerätehauses und<br />
wurde 1969 abgerissen.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 1 / 55
Wir gehen nach rechts entlang der Mühlstraße und bewegen uns auf dem früheren<br />
Wall. Das tiefer gelegene Gartengelände zum Ort h<strong>in</strong> er<strong>in</strong>nert an die mittelalterliche<br />
Festungsanlage.<br />
Sie bestand aus e<strong>in</strong>er 5 bis 6 Meter hohen Stadtmauer (rechts). Davor waren zwei<br />
15 Meter breite und 6 bis 7 Meter tiefe Wassergräben, aus deren Mitte e<strong>in</strong><br />
m<strong>in</strong>destens 2,5 Meter breiter Erdwall ragte. Die Gräben füllte man mit Wasser aus<br />
der Selz über unterirdische Tonröhren bzw. durch e<strong>in</strong>e fünf Meter tief liegende<br />
Wasserader <strong>in</strong> Höhe der Ma<strong>in</strong>zer Straße. Damit sie stets gefüllt waren, staute man<br />
sie abschnittsweise. An den Böschungen des <strong>in</strong>neren Grabens wuchsen Ulmen<br />
(regionale Bezeichnung: Effen); diese wurden <strong>in</strong> Mannshöhe abgehauen. Die<br />
liegenden Stämme und dazwischen wuchernde Hecken bildeten das schwer zu<br />
durchdr<strong>in</strong>gende “Gebück”. Die kreisförmige Festungsanlage hatte sieben Türme und<br />
war 1170 Meter lang. 2) Das entspricht e<strong>in</strong>em Orts-Durchmesser von rund 370<br />
Metern.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 2 / 55
Gegenüber der E<strong>in</strong>mündung der [Wallgasse] <strong>in</strong><br />
die [Wormser Straße] zeigt uns das<br />
Straßenschild, wo ehemals der Stadtgraben<br />
weiter verlief.<br />
An der Kreuzung von Wormser und Alzeyer<br />
Straße, im Volksmund Drehscheibe genannt,<br />
wenden wir uns auf der Hauptstraße nach<br />
rechts und dr<strong>in</strong>gen durch das längst nicht mehr<br />
vorhandene Untertor <strong>in</strong> die Stadt e<strong>in</strong>.<br />
L<strong>in</strong>ks an der E<strong>in</strong>mündung der [Mehlstraße]<br />
sehen wir e<strong>in</strong> Fachwerkhaus aus dem Jahre<br />
1738.<br />
Der Name hat nichts mit Mehl zu tun; er enthält<br />
das Wort “Mal”, mittelhochdeutsch “mãl”, im<br />
S<strong>in</strong>ne von “Abgestecktes, Abgemessenes”. Hier<br />
endete nämlich das mittelalterliche Odernheim.<br />
Vor der E<strong>in</strong>mündung der Mehlstraße <strong>in</strong> die<br />
Wormser Straße stand das Untertor<br />
(Unterpfort).<br />
Die Viertel im Areal der Wormser bzw. Alzeyer<br />
Straße entstanden erst nach dem Abriss der<br />
Mauern und Schleifen der Wälle (1826 - 1834).<br />
Dort f<strong>in</strong>det man ke<strong>in</strong>e Fachwerkbauten. Die<br />
Häuser wurden aus Lehm, später aus Backste<strong>in</strong>en gebaut.<br />
In der Mehlstraße stand e<strong>in</strong> viereckiger, weißer Turm, der im Grundriss etwa fünf<br />
Meter vor die Stadtmauer sprang. Er diente als Gefängnis (oberer Käfig,<br />
Bockskäfig). 3)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 3 / 55
Schräg gegenüber bei der [Wormser Straße 4] erkennt man deutlich e<strong>in</strong>s der<br />
Probleme alter Fachwerkhäuser: waagrecht und senkrecht gab es früher e<strong>in</strong>mal.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 4 / 55
Das Fachwerkhaus nebenan, [Wormser Straße 2], im Besitz der Familie Bertram,<br />
stammt ebenfalls aus der Zeit vor 1600. 4)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 5 / 55
Das ehemalige Herrschaftshaus “derer von Rieth” am [Untermarkt 4] (Eigentümer<br />
Michael Eberhardt), wurde 1567 im Stil des “Fränkischen Barock” erbaut. Das<br />
Adelsgeschlecht der nachfolgenden “von Sturmfeder” verfügte über e<strong>in</strong>en<br />
Wohnkomplex, der sich vom Untermarkt bis zum Kahlenfels erstreckte (heutiges<br />
Gebiet von Werner Boos).<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 6 / 55
Das Fachwerkhaus des ehemaligen Gasthauses “Zur Krone”, [Untermarkt 14], ist<br />
im Besitz der Familie L<strong>in</strong>d. Auf e<strong>in</strong>em Gesimsbalken stand die - heute nicht mehr<br />
lesbare - Inschrift: “Wernherus Does un Elisabetha se<strong>in</strong>e Ehefrau han off Gott<br />
vertraut und dies Haus bauvet, den 14. November 1697”. 5)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 7 / 55
Das Fachwerkhaus [Untermarkt 2], aus dem 16. Jahrhundert, ist Eigentum der<br />
Familie Schärer. Davor sprudelte bis 1834 der “Löwenbrunnen”. Das Wasser aller<br />
Stadtbrunnen stammte aus e<strong>in</strong>er Quelle “Am Pfaffenrech” (Gewann unterhalb des<br />
Wasserhauses auf dem Homberg, Richtung Biebelnheim). Dort wurde es bereits im<br />
16. Jahrhundert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brunnenhaus gesammelt und durch Holz- und Tonröhren<br />
<strong>in</strong> die Stadt geleitet.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 8 / 55
An den “Löwenbrunnen” er<strong>in</strong>nert heute der Brunnen des Buswartehäuschens<br />
(1986), Nachfolger des früheren Wiegehäuschens (1886). 6)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 9 / 55
Wir wenden uns wieder ortsauswärts, biegen<br />
rechts <strong>in</strong> die Badgasse e<strong>in</strong> und erreichen nach<br />
ca. 70 Metern rechts e<strong>in</strong>en Durchgang mit<br />
lauschigen Innenhöfen. Dieses Areal gehörte bis<br />
1800 zum Gut des Sankt Klara Nonnenhofes<br />
und reichte bis zur Kirchgasse.<br />
Das gelegentlich auch als “Kle<strong>in</strong> Frankreich” bezeichnete “Gängeviertel” an der<br />
[Badgasse].<br />
In der Badgasse befand sich bis Ende des 18. Jh. die Badestube.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 10 / 55
E<strong>in</strong> Durchgang und e<strong>in</strong> Hof im Gängeviertel.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 11 / 55
Auf dem Obermarkt sehen wir den schlichten Dorfbrunnen und das heutige<br />
Rathaus. Es wurde 1828 als Schulhaus für drei Klassen erbaut, nachdem man den<br />
mittelalterlichen Fachwerkbau (siehe oben rechts) abgerissen hatte.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 12 / 55<br />
b2)
Am E<strong>in</strong>gang f<strong>in</strong>det man e<strong>in</strong> Ellenmaß. Der Vergleich<br />
zeigt deutlich, dass die ehemalige Elle mit 65,5 cm<br />
reichlich groß und ke<strong>in</strong> “menschliches” Maß war.<br />
Die Gravur: 1 Elle = 24 Zoll weist e<strong>in</strong>erseits darauf<br />
h<strong>in</strong>, dass früher das Zwölfersystem allgeme<strong>in</strong><br />
gebräuchlich war. Andererseits stimmt e<strong>in</strong> Zoll mit<br />
655 mm : 24 = 27,3 mm nicht mit den<br />
angloamerikanischen Zoll von 25,4 mm übere<strong>in</strong>.<br />
Maße waren früher eben ortsabhängig. Genau deshalb<br />
waren ja am Marktplatz Vergleichsstücke angebracht.<br />
Die Oppenheimer Elle war allerd<strong>in</strong>gs ganz genau so<br />
groß. Man kann es hier sehen und am dortigen<br />
Rathaus nachmessen.<br />
Die Elle er<strong>in</strong>nert daran, dass der Obermarkt Zentrum<br />
des mittelalterlichen Handels- und Wirtschaftslebens<br />
war. Hier befanden sich die Backhäuser, das obere<br />
Geme<strong>in</strong>debackhaus, die Fleischscharrn = Fleischbank (Anwesen Pizzeria Da Franco<br />
Jolly und Rauscher; Obermarkt 9), das “geme<strong>in</strong>e” oder Unterbackhaus (Anwesen<br />
Metz, Obermarkt 19). Hier reihten sich die Gasthäuser.<br />
Im Ratssaal kann man das Ortswappen<br />
bewundern. Es wurde mit Urkunde vom<br />
15.4.1961 genehmigt. “In Gold e<strong>in</strong> rot bekrönter<br />
roter Königskopf zwischen zwei schwarzen<br />
Adlerflügeln”. Seit 1300 ist e<strong>in</strong> Siegel von<br />
“Odirnheim” mit der late<strong>in</strong>ischen Bezeichnung<br />
als “Stadt des römischen Reiches” belegt; das<br />
jetzige Wappen seit 1555. Der rote Königskopf,<br />
vulgo “Indianer” genannt, stellt Rudolf von<br />
Habsburg dar, welcher dem Ort am 16.4.1286<br />
mit dem Oppenheimer Rat die Reichsfreiheit<br />
verlieh. 13) Dies bedeutete: Selbstverwaltung<br />
(der städtische Rat aus Burgleuten, Adeligen und<br />
Bürgern war höchste Behörde), Verordnungs-<br />
und Besteuerungsrecht, unbeschränktes<br />
Gerichts- und Strafrecht, Ausbau der Burg- und<br />
Festungsanlage, Marktrecht.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 13 / 55
Mitteilungen der Geme<strong>in</strong>de wurden bis <strong>in</strong> die fünfziger<br />
Jahre durch den “Polizeidiener”, zuletzt Philipp Zulauf,<br />
an Straßen und Plätzen der Geme<strong>in</strong>de verlesen. Bevor<br />
das lang gezogene “Be-kannt-ma-chung” ertönte, rief er<br />
die Hörer mit Hilfe der Ortsschelle zusammen. Sie<br />
wurde im Juni 1957 durch das Megaphon und später<br />
durch das Mitteilungsblatt der Geme<strong>in</strong>de abgelöst. 18)<br />
Bis 1895 gab es auch das Amt des Nachtwächters. Mit<br />
dem Blashorn gab er Signal.<br />
Die erste Verpfändung erfolgte 1315; sie war<br />
der Beg<strong>in</strong>n zahlloser weiterer Verpfändungen<br />
durch Könige und Kaiser, die <strong>in</strong><br />
Geldschwierigkeiten waren. Ab 1482<br />
beschränkten die pfälzischen Kurfürsten die<br />
Rechte und Freiheiten der Odernheimer. Der<br />
erfolglose Aufstand gegen den Kurfürsten<br />
Ludwig VI., Pfalzgraf bei Rhe<strong>in</strong>, bedeutete das<br />
Ende der Reichsstadt. Odernheim wird ab<br />
13.4.1579 pfälzisches Amtsstädtchen. Der<br />
“Pfandherr” wurde zum “Landesherrn” (KERN).<br />
14)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 14 / 55
Das Fachwerkhaus [Obermarkt 2], Ecke Burggasse, im Fundament auf Pfosten<br />
stehend, stammt wahrsche<strong>in</strong>lich aus den Jahren 1608/9, obwohl es die Jahreszahl<br />
1700 zeigt. Es wurde vom jetzigen Besitzer Ulrich Merz im Jahre 1999 restauriert.<br />
8)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 15 / 55
Das Gasthaus “Deutsches Haus”, [Ma<strong>in</strong>zer Straße 1], ist die “Dorfkneipe” und wird<br />
von den E<strong>in</strong>geborenen nach se<strong>in</strong>em Besitzer (Arthur Matthäus) “beim Attsche”<br />
genannt. Das Haus wurde 1603 erbaut und 1985 renoviert. Im Jahre 1821 wird es<br />
als Gasthaus “Zum Engel” erwähnt. 7)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 16 / 55
Die westliche Häuserfront des Obermarktes ist jünger. Das Fachwerkhaus der<br />
Familie Nehrbass, [Obermarkt 5] (Bildmitte), lässt sich auf den Beg<strong>in</strong>n des 18.<br />
Jahrhunderts datieren. Das Gebäude gehörte bis <strong>in</strong>s 19. Jahrhundert der Geme<strong>in</strong>de<br />
und wurde als Herberge für Reisende und Händler verpachtet. Bis 1882 war es<br />
Gastwirtschaft (“Zum Ochsen”). Weitere Eigner: Kolonialwarenhändler und<br />
Postagent W<strong>in</strong>ter aus Dittelsheim (1882), Ferd<strong>in</strong>and Lieber (Textilien,<br />
Landesprodukte), Kaufmann Jean Wilk (ab 1896), Familie Nehrbass (ab 1972). 9)<br />
Der rote Sandste<strong>in</strong>brunnen er<strong>in</strong>nert an den Brunnenschacht im südlichen Teil des<br />
Obermarktes; bis 1920 stand hier e<strong>in</strong>e Pumpe. Von 1576 bis 1834 floss vor dem<br />
Gasthaus Matthäus der Römerbrunnen, auch als Marktbrunnen oder fließender<br />
Brunnen bezeichnet. Er wurde über die bereits erwähnte Rohrleitung vom<br />
Pfaffenbrunnen (8) versorgt. 11)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 17 / 55
Das restaurierte Gebäude der Kreissparkasse, [Obermarkt 17], stammt aus dem<br />
Anfang des 17. Jahrhunderts. Das Haus nebenan war früher die Gastwirtschaft von<br />
Valent<strong>in</strong> Bürky und trug den Namen “Zum Römer”, den heute die Gaststätte <strong>in</strong> der<br />
[Kirchgasse 2] (zwei Häuser weiter rechts) trägt.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 18 / 55
Wir biegen rechts <strong>in</strong> die Kirchstraße e<strong>in</strong> und<br />
folgen ihr etwa 50 Meter.<br />
Das kle<strong>in</strong>e Haus Mühlbauer <strong>in</strong> der Kirchgasse 5 war das katholische Schulhaus<br />
(1757). Es nahm e<strong>in</strong>e Klasse und e<strong>in</strong>en Lehrer (e<strong>in</strong>e Lehrerwohnung) auf. Der<br />
früher häufiger übliche Zugang zum Keller von der Straße aus, wurde hier<br />
geschlossen.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 19 / 55
Die beiden Jahreszahlen, 1609<br />
über der Tür und 1614 am Erker,<br />
legen die Vermutung nahe, dass es<br />
sich hier nicht um e<strong>in</strong> Fertighaus<br />
handelt.<br />
Die ehemalige Stadtschreiberei <strong>in</strong> der<br />
Kirchgasse 15. Am Erker ist der Reichsadler<br />
abgebildet, der im 17. Jahrhundert Teil des<br />
kle<strong>in</strong>en Stadtsiegels und des Gerichtssiegels<br />
war. 19)<br />
Im Keller gibt es, wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen anderen<br />
Gebäuden auch, noch “Zugänge” zu dem<br />
früheren unterirdischen Gängesystem, das<br />
allerd<strong>in</strong>gs heute nicht mehr existiert.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 20 / 55
Neben dem stattlichen evangelischen Pfarrhaus aus dem 16. Jh. steht (rechts) e<strong>in</strong><br />
niedrigeres Gebäude. E<strong>in</strong> Vorgängerbau bestand seit 1500 und diente ab 1705 als<br />
Schulhaus der reformierten Geme<strong>in</strong>de. Das jetzige Gebäude entstand im Jahre<br />
1744. Ab 1830 wurde es als Lehrerwohnung genutzt. Im Jahre 1960 richtete die<br />
evangelische Kirchengeme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong>deraum e<strong>in</strong>, bevor das große<br />
Geme<strong>in</strong>dehaus (Jugendheim) am 1.12.1974 nebenan <strong>in</strong> Dienst genommen wurde.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 21 / 55
Die Kirche hat gleich drei Besitzer. Der 56 m hohe Turm gehört der bürgerlichen<br />
Geme<strong>in</strong>de, der niedrigere Mittelteil, das Schiff oder Langhaus, der evangelischen<br />
Geme<strong>in</strong>de und der höhere rechte Teil mit dem Chor der katholischen Geme<strong>in</strong>de.<br />
An der Außenwand f<strong>in</strong>det man Grabste<strong>in</strong>e des kurpfälzischen Amtmannes Siegfried<br />
von Oberste<strong>in</strong> (verstorben 1413) und des Gerhard Fetzer von Geispitzheim<br />
(verstorben 1392).<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 22 / 55
Der Turm wurde 1830-33 von der bürgerlichen<br />
Geme<strong>in</strong>de errichtet und ist “e<strong>in</strong> für Rhe<strong>in</strong>hessen<br />
frühes Beispiel der Neugotik.” 20) Der gotische<br />
Vorgängerturm (1344) stand auf dem heutigen<br />
Kirchplatz <strong>in</strong> Höhe des E<strong>in</strong>gangs zum<br />
Kirchenschiff. Während e<strong>in</strong>es Gottesdienstes am<br />
17. Februar 1799, um 13 Uhr, stürzte er e<strong>in</strong><br />
und begrub sieben Menschen unter sich -<br />
ausschließlich Männer, die auf der<br />
“Männerseite” saßen.<br />
Der gotischen Kirche g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> romanischer<br />
Vorgängerbau voraus. Auf Grund von<br />
Ausgrabungen ist davon auszugehen, dass er<br />
die selben Maße hatte wie die jetzige Kirche.<br />
Näheres s. Jürgen Kaiser, Kunstführer<br />
Simultankirche Gau-Odernheim, Verlag Schnell<br />
und Ste<strong>in</strong>er, Regensburg 2002, Nr. 2498<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 23 / 55
Evangelische Kirche<br />
Das Langhaus errichtete Baumeister Johann von Diepach (1415-20). Das<br />
Langhaus und die barocke Orgel wurden 1965/66 renoviert.<br />
Gemäldereste an der Westseite (jüngstes Gericht, zehn ägyptische Plagen,<br />
zehn Gebote).<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 24 / 55
Hl. Stefanus und hl. Rufus neben dem ehemaligen Nordportal.<br />
Wandmalerei mit Darstellungen aus dem Passionszyklus.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 25 / 55
An der Ostwand e<strong>in</strong>e Rankenbordüre “Anbetung der Könige”.<br />
Hier fehlt noch e<strong>in</strong> Bild vom Renaissance-Epithaph des kurpfälzischen Rats<br />
und Kanzlers Conrad Reuber von Enger (1542-1607).<br />
Kunsthistorisch bedeutsame Renaissancekanzel.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 26 / 55
E<strong>in</strong>e Wandverkleidung (Intarsienarbeit), 17. Jahrhundert, vermutlich aus<br />
der Burg stammend.<br />
Barockorgel.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 27 / 55
Katholische Kirche<br />
Den Chor erbaute Meister<br />
Arnold aus Frankfurt<br />
(1497-1507).<br />
In den Jahren 1963-1966<br />
und 1996-2001 wurden<br />
der Chor<strong>in</strong>nenraum und<br />
die Stummorgel (s.u.)<br />
restauriert.<br />
Spätgotischer Chor mit Netzrippengewölbe, als blaues Himmelzelt mit<br />
goldenen Sternen gestaltet.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 28 / 55
Hier fehlt noch e<strong>in</strong> Bild vom Rufus-Sarkophag aus dem 8./9. Jh., ältestes<br />
Ausstellungsstück; er enthielt die Gebe<strong>in</strong>e des hl. Rufus, Bischof von Metz<br />
und Schutzpatron der Kirche; Reliquienverehrung im Mittelalter.<br />
Grabplatte des hl. Rufus (1418).<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 29 / 55
Barocker Hochaltar.<br />
Renaissancegrabmal für<br />
Eberhard Vetzer von<br />
Geispitzheim und<br />
dessen Frau Lisa von<br />
Ingelheim (verstorben<br />
1520 bzw. 1519).<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 30 / 55
Orgel der Brüder Stumm (1773).<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 31 / 55
Das ehemalige evangelische Schulhaus, Kirchplatz 14, wurde 1844 erbaut. Es<br />
enthielt e<strong>in</strong>e Lehrerwohnung und darüber e<strong>in</strong>en Schulsaal. Hier verlief die westliche<br />
Stadtmauer. Das Schulhaus entstand an der Stelle des früheren “Jungfernturmes”<br />
für weibliche Gefangene.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 32 / 55
Vor dem Haus, Kirchplatz 14, er<strong>in</strong>nert e<strong>in</strong> 1874 errichtetes Denkmal an die<br />
Teilnehmer des deutsch-französischen Krieges 1870/71.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 33 / 55
Die Eiche wurde am 3.3.1872 als “Friedenseiche” gepflanzt. In der E<strong>in</strong>weihungsrede<br />
taucht das Repertoire rechter Sesselgeneräle auf:<br />
• die Eiche als S<strong>in</strong>nbild deutscher Kraft und Stärke,<br />
• der freche Erbfe<strong>in</strong>d Frankreich,<br />
• der lang gehemmte Volksgeist,<br />
• das heilige Gefühl der Vaterlandsliebe,<br />
• kämpfen, bluten und sterben für Deutschlands Macht, Ehre und Freiheit,<br />
• Taten, welche durch unser Volk <strong>in</strong> Waffen geschahen. s<strong>in</strong>d so groß, dass wir <strong>in</strong><br />
ihnen das Walten der Gottheit erkennen. 22)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 34 / 55
Die Ergebnisse dieser Sprüche s<strong>in</strong>d<br />
wenige Meter weiter auf dem Friedhof zu<br />
sehen. Auf der rechten Seite steht das<br />
Denkmal für die Opfer des ersten<br />
Weltkrieges (63 Gefallene) und des<br />
zweiten (67 Gefallene, 52 Vermisste).<br />
L<strong>in</strong>ks daneben Gräber, <strong>in</strong> denen fünf<br />
Soldaten und drei jugendliche Opfer von<br />
Bombenangriffen bestattet s<strong>in</strong>d. Name,<br />
Geburts- und Todesjahr s<strong>in</strong>d auf den<br />
niedrigen Ste<strong>in</strong>kreuzen vermerkt.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 35 / 55
Gegenüber steht e<strong>in</strong> Gedenkste<strong>in</strong> mit der Inschrift:<br />
Den Toten zur Ehre<br />
Den Lebenden zur Mahnung<br />
Den Mördern zur Schande.<br />
Er er<strong>in</strong>nert an zwei Opfer, die am 21.11.1944 <strong>in</strong> Frankfurt/Ma<strong>in</strong><br />
wegen Hörens ausländischer Sender h<strong>in</strong>gerichtet wurden.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 36 / 55
Auf e<strong>in</strong>em weiteren Gedenkste<strong>in</strong> ist der siebenarmige Leuchter (Menora)<br />
e<strong>in</strong>graviert. Die Inschrift:<br />
“Der jüdischen Geme<strong>in</strong>de und allen Opfern des Faschismus <strong>in</strong> Gau-Odernheim -<br />
Gegen das Vergessen”.<br />
In Gau-Odernheim existierte wahrsche<strong>in</strong>lich schon im 17. Jahrhundert e<strong>in</strong>e jüdische<br />
Geme<strong>in</strong>de. Zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts gab es 12 bis 15 jüdische Familien, die<br />
sozial <strong>in</strong>tegriert waren. In der Ma<strong>in</strong>zer Straße 12 (Haus Kratz) stand die Synagoge,<br />
erbaut 1868, <strong>in</strong> der auch die israelitische Elementarschule untergebracht war. E<strong>in</strong><br />
jüdischer Friedhof befand sich auf dem breiten Wall zwischen der Stadtmauer und<br />
der oberen Brunnenstraße, also außerhalb der Stadtmauer.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 37 / 55
Außerhalb:<br />
Jüdischer Friedhof<br />
E<strong>in</strong> weiterer jüdischer Friedhof “Am Schallenberg”, 1830 weit außerhalb des Ortes<br />
angelegt, ist mit Grabste<strong>in</strong>en bis 1935 erhalten.<br />
Von 47 Personen kamen 13 <strong>in</strong> der Deportation um, fünf verstarben noch <strong>in</strong> Gau-<br />
Odernheim. Die übrigen (29) Personen konnten noch <strong>in</strong> die USA “auswandern” oder<br />
flüchten. 23)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 38 / 55
Der Kirchplatz diente bis 1839 als Friedhof. Der Straßenname “Am Alten Friedhof”<br />
(siehe nächste Seite) deutet noch darauf h<strong>in</strong>. Danach wurde er e<strong>in</strong>geebnet. Die<br />
Gebe<strong>in</strong>e der Toten bewahrte man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Be<strong>in</strong>haus bei der alten Schule auf.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 39 / 55
Nach langen Streitigkeiten mit der bürgerlichen Geme<strong>in</strong>de wurden 1853 die beiden<br />
Kirchengeme<strong>in</strong>den Eigentümer<strong>in</strong>nen des Geländes.<br />
An den früheren Friedhof er<strong>in</strong>nert nur noch das Straßenschild.<br />
Karol<strong>in</strong>gische Gräber aus der Zeit um 800 fand man 1955 an der Ecke Obermarkt-<br />
Kirchgasse.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 40 / 55
In Höhe des früheren Kaufmarktes und des Hauses Matthäus, Ma<strong>in</strong>zer Straße 28,<br />
stand das Obertor. Es bildete den zweiten Zugang von B<strong>in</strong>gen her und war durch<br />
e<strong>in</strong>en breiten Wall, Gräben und e<strong>in</strong>e Zugbrücke gesichert. Vor dem äußeren Graben<br />
stand an jeder Straßenseite e<strong>in</strong> rundes Wächtertürmchen.<br />
b3)<br />
Die Stadtmauer verlief etwa 80 Meter zur Brunnenstraße und bog am Eppichturm<br />
(= Ewig-Turm) nach Osten ab. 24)<br />
SCHOLL bezeichnet das Areal um das Obertor als “Mausfall”. Der Begriff hat jedoch<br />
nichts mit der Mausefalle zu tun, sondern leitet sich von “Maut = Zoll” ab, der am<br />
Obertor erhoben wurde (vgl. B<strong>in</strong>ger Mäuseturm = Mautturm). 25)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 41 / 55
[Ma<strong>in</strong>zer Straße 19] (Haus Weber)<br />
und …<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 42 / 55
[Ma<strong>in</strong>zer Straße 15] (Haus Grode) s<strong>in</strong>d Beispiele fränkischer Wohnanlagen. Die<br />
Dreiseithöfe mit Wohnhaus, Stallung und querstehender rückwärtiger Scheune s<strong>in</strong>d<br />
nach der Straße durch e<strong>in</strong> großes Tor mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en, seitlichen Pforte<br />
abgeschlossen.<br />
Die Gutshöfe, deren Anfänge aus dem 16. Jahrhundert stammen, gehörten den<br />
adeligen Pfandherren und Amtmännern der Familien von Sturmfeder, von<br />
Friesenhausen, von Ketschau und von Lehrbach (16.-18. Jh.).<br />
In den Kellern beider Häuser gibt es, wie auch im Stadtschreiberhaus <strong>in</strong> der<br />
Kirchgasse 15 (18), <strong>in</strong> der Wormser Straße 9 (Haus Becker) und <strong>in</strong> der Mehlstraße<br />
15 (Haus Johnson) Zugänge zu e<strong>in</strong>em ehemaligen System von unterirdischen<br />
Ausfall- und Fluchtgängen.<br />
Die meisten Zugänge s<strong>in</strong>d jedoch zugemauert und die Gänge längst nicht mehr<br />
begehbar.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 43 / 55
Im nördlichen Teil der Zehnthofstraße bef<strong>in</strong>det man sich genau an der Stadtmauer.<br />
Wenn man sich etwas genauer umsieht, fällt auf, dass das Gelände nördlich davon<br />
erheblich tiefer liegt. Es lag früher außerhalb der Stadtmauer.<br />
Von der Stadtmauer selbst kann man im W<strong>in</strong>ter von der nördlich parallel<br />
verlaufenden Brunnenstraße aus noch kle<strong>in</strong>e Stücke entdecken.<br />
Im Sommer ist alles durch die Pflanzen verdeckt. Aber, e<strong>in</strong> Stück alte Mauer nicht<br />
zu sehen, ist auch ke<strong>in</strong> all zu großer Verlust.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 44 / 55
Die Burg, auch das “Schloss”, wurde im Zuge der Stadtbefestigung nach 1286 als<br />
Wasserburg auf e<strong>in</strong>er 1490 Quadratmeter großen Fläche erbaut. An drei Seiten war<br />
sie vom Schlossgraben umgeben, der <strong>in</strong> den Stadtgraben mündete. Nach Norden<br />
schützte sie e<strong>in</strong> 14 Meter breiter und 4 bis 5 Meter hoher Quaderwall. Der E<strong>in</strong>gang<br />
lag nach Süden (Straße “Nach dem Alten Schloss” - früher “Froschaugasse”).<br />
E<strong>in</strong>en Vorgängerbau vermutet GREDY <strong>in</strong> der Zeit, als Odernheim im Besitz der<br />
Bischöfe von Metz war (600-1187). Im Teilungsvertrag der Brüder Werner II. und<br />
Philipp von Bolanden (1187) werden “Seßmannen <strong>in</strong> der Burg zu Odernheim”<br />
(Bewohner) namentlich genannt.<br />
Zerstört wurde die Burg gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648);<br />
lediglich Reste des mächtigen Turmes und e<strong>in</strong> paar Mauerreste blieben übrig. 29)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 45 / 55
Elementare Gewalt traf Odernheim <strong>in</strong> verschiedenen Epochen, darunter drei<br />
Feuersbrünste: 1479 (Rest: sechs Häuser), 1553 und 1689 (Brandsstiftung im<br />
Pfälzischen Erbfolgekrieg). H<strong>in</strong>zu kamen Kriegslasten <strong>in</strong> Form von Kriegsdienst,<br />
Geldbeträgen, Naturalien, Hand- und Spanndiensten, Besatzung, Plünderung,<br />
Zerstörung (1664, 1668, 1673).<br />
Während man im Mittelalter von etwa 1000 E<strong>in</strong>wohnern ausgehen kann, zählte<br />
Odernheim nach dem Dreißigjährigen Krieg (1648) noch 30 Familien (ca. 160<br />
Personen). 30)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 46 / 55
Im Jahre 1938 baute die Geme<strong>in</strong>de den nunmehr<br />
“Hembel'schen Gutshof” zur Schule um. Diese nahm<br />
fünf Volksschulklassen mit 257 Schülern auf, dazu<br />
gewerbliche und landwirtschaftliche<br />
Berufsschulklassen.<br />
Von 1964 bis 1999 wurde sie zur Mittelpunktschule<br />
(Grund- und Hauptschule) ausgebaut. Der<br />
Waschbeton-Neubau mit Turnhalle stammt aus dem<br />
Jahre 1968; die “Brücke” mit vier Klassensälen und<br />
e<strong>in</strong>em Computerraum aus den Jahren 1998-99.<br />
Ab 1.8.2000 bis Sommer 2004 wurde stufenweise<br />
die Hauptschule geschlossen und e<strong>in</strong>e dreizügige<br />
Realschule e<strong>in</strong>gerichtet. 31)<br />
Das Areal von der Burg bis zum Untermarkt<br />
gehörte im 11.-16. Jahrhundert zum Besitz des<br />
Rittergeschlechts derer “von Geispitzheim”.<br />
1731 bauten die “von Wangenheim” das große<br />
Herrschaftshaus. Sie waren Nachfahren des<br />
Ludwig Burkhard von Sturmfeder (gest.<br />
6.8.1573) und dessen Ehefrau Agnes von<br />
Cämmerer von Worms genannt von Dalberg.<br />
32)<br />
Dabei entstand der Rossmarkt, auf dem später<br />
Pferde gehandelt wurden. Bei SCHOLL wird das<br />
Gebiet als “Froschau” = Froschwiese<br />
bezeichnet.<br />
Im Torhaus des alten Schulgebäudes ist e<strong>in</strong> Wappenste<strong>in</strong> der Adelsfamilien “von<br />
Dalberg” und “von Sturmfeder” zu sehen.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 47 / 55
Die heutigen Rosshalter s<strong>in</strong>d dagegen Zierrat und werden<br />
wohl nie e<strong>in</strong> Ross zu halten haben.<br />
Die frühere Bedeutung des Rossmarktes<br />
erkennt man an den vere<strong>in</strong>zelt noch an den<br />
Hauswänden vorhandenen R<strong>in</strong>gen, an denen<br />
früher die Rösser festgebunden wurden.<br />
Auch die “Pferdetränke” wird wohl nur selten Pferde erfrischen.<br />
E<strong>in</strong> bronzener Kanaldeckel schmückt den<br />
neu gepflasterten Platz.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 48 / 55
Der neu gestaltete Untermarkt bietet unter anderem Parkplätze, die mit<br />
Parkscheibe begrenzte Zeit kostenlos benutzt werden können, und e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en<br />
Sitz- und Spielplatz.<br />
E<strong>in</strong> bronzener Kanaldeckel zeigt den “Indianer”. E<strong>in</strong> anderer Kanaldeckel verweist<br />
auf die Partnerschaft mit der französischen Geme<strong>in</strong>de Pulnoy.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 49 / 55
Untermarkt und Rossmarkt wurden 2001 im Rahmen des<br />
Dorferneuerungsprogramms zu Schmuckstücken der Geme<strong>in</strong>de hergerichtet.<br />
Seit Frühsommer 2002 f<strong>in</strong>det auch wieder e<strong>in</strong> Wochenmarkt mit umfangreichem<br />
Angebot statt.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 50 / 55
Die Sankt-Urban-Apotheke, 1832 erbaut und eröffnet, ist heute im Besitz von Dr.<br />
Georg Bellenberg und wurde 1991 stilgerecht renoviert.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 51 / 55
Die [Kegelbahnstraße] er<strong>in</strong>nert an den früheren Brauch, im Freien zu kegeln.<br />
“Den 24. April 1728 kaufte Peter Schar von Leonhard Bauer e<strong>in</strong> Wohnhaus auf dem<br />
Kegelplatz nach rh<strong>in</strong> die Stadtmauer.” 1)<br />
Die Kegelbahnstraße, früher Enggasse, endete vor der Stadtmauer, an die das<br />
Steghaus lehnte; es diente zur Aufbewahrung der Stege, mit denen man bei Bedarf<br />
die Stadtgräben überbrücken konnte.<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 52 / 55
5)<br />
Odernheim als Reichsstadt,<br />
nach e<strong>in</strong>em Entwurf von Baurat Stephan<br />
I Kirche a Obertor 1 Zehnthof<br />
II Spitalhof b Eppichturm 2 Hof “von Sturmfeder”<br />
III Burg c Unterkäfig 3 Säuhofviertel<br />
IV Rathaus d Burgwall 4 Hof “von Sturmfeder”<br />
V Backhaus e Untertor 5 Hof “von Ried”<br />
VI Steghaus f Bockskäfig 6 Hof “von Prob”<br />
VII Kloster g Jungfernturm 7 Nonnenhof<br />
VIII Siechenhaus 8 Probstei<br />
IX Zollstock 9 Hof “von Klippel”<br />
X Stadtschreiberhaus 10 Königsmühle<br />
11 Stegmühle<br />
12 Klostermühle<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 53 / 55
Quellen<br />
1 Die Geschichte von Gau-Odernheim. Band II: Bilderband und Ergänzungen<br />
über die letzten hundert Jahre; zusammenge-stellt von Christoph E<strong>in</strong>sfeld, Dr.<br />
Adam Reck, He<strong>in</strong>rich Mildenberger. Herausgegeben von der Geme<strong>in</strong>de Gau-<br />
Odern-heim, Ma<strong>in</strong>z 1957, S. 104<br />
2 Die Geschichte von Gau-Odernheim. Band I: Die Geschichte der ehemaligen<br />
freien Reichsstadt “Odernheim”. Herausge-geben von der Geme<strong>in</strong>de Gau-<br />
Odernheim, Worms 1982, S. 197 ff<br />
3 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O., S. 39 - Gredy, a. a. O. S. 198<br />
4 Reck, Adam, Odernheimer Familien im 19. Jh., Sonderdruck aus Alzeyer<br />
Geschichtsblätter, Heft 5/1968, S. 33<br />
5 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 31<br />
6 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 31 und 167 f<br />
7 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 27 f<br />
8 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 28 - AZ Alzey 12.6.1957<br />
9 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 28 - AZ Alzey 11.8.1952<br />
10 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 47 und 55<br />
11 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 167 ff<br />
12 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 28 und 163 ff - Gredy, a. a. O. S. 120 ff<br />
13 Mayer, Ernst, Geschichte von Gau-Odernheim. Band III (1957 bis 1984). Mit<br />
Beiträgen von He<strong>in</strong>rich Mildenberger und Friedrich Wörner. Herausgegeben<br />
von der Geme<strong>in</strong>de Gau-Odernheim, Worms 1985, S.40 - E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a.<br />
O. S. 176 f (Bildseite)<br />
14 Kern, Mechthild, 700 Jahre Stadtrechte Gau- Odernheim, Heimatjahrbuch des<br />
Landkreises Alzey-Worms, 1987,S. 101 ff<br />
15 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 176 ff (Bildseiten 2 und 3)<br />
16 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 176 ff (Bildseiten 4 und 5)<br />
17 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 80 f<br />
18 AZ Alzey vom 12.6.1957<br />
19 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 176 f (Bildseite) - Gredy, a. a. O. S. 210 ff<br />
20 Kaiser, Jürgen, Simultankirche Gau-Odernheim, Schnell Kunstführer Nr. 2498,<br />
Regensburg 2002, S. 25<br />
21 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 17 und 33<br />
22 Mayer, a. a. O. S. 263 ff<br />
23 Arnsberg, Paul, Die jüdischen Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Hessen, Anfang - Untergang -<br />
Neubeg<strong>in</strong>n. Herausgegeben vom Landesverband der Jüdischen Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong><br />
Hessen, Erster Band, Frankfurt /Ma<strong>in</strong> 1971<br />
24 Gredy, a. a. O. S. 198 ff - E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 30<br />
25 Reck, Adam, Adelige Familien der früheren Reichsstadt 0dernheim im 17. und<br />
18. Jahrhundert, Sonderdruck aus Al-zeyer Geschichtsblätter, Heft 3, o. J., S.<br />
82<br />
26 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O., S. 16 und 31<br />
27 Gredy, a. a. O. S. 287 ff<br />
28 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 38<br />
29 Gredy, a. a. O. S. 185<br />
30 Kern, a. a. O. S. 106 - Gredy, a. a. O. S. 50 f<br />
31 Blodt, Johannes, Geschichte der Schule von Gau-Odernheim, Aufzeichnungen<br />
über die Schulgeschichte von Gau-Odernheim 1282 - 1945, Selbstverlag o. J.<br />
- E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S.36 und 156 ff<br />
32 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 36<br />
33 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 32 f (Bildseite 2)<br />
<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 54 / 55
Andere Bilder:<br />
Außerdem:<br />
Bildquellen<br />
Alle Bilder ohne Quellenangabe © <strong>Rolf</strong> <strong>Tiemann</strong>.<br />
Die Geschichte von Gau-Odernheim. Band II:<br />
Bilderband und Ergänzungen über die letzten hundert Jahre;<br />
zusammengestellt von Christoph E<strong>in</strong>sfeld, Dr. Adam Reck,<br />
He<strong>in</strong>rich Mildenberger.<br />
Herausgegeben von der Geme<strong>in</strong>de Gau-Odernheim, Ma<strong>in</strong>z 1957.<br />
b1 Seite 33<br />
b2 Seite 26<br />
b3 Seite 80ff<br />
b5 Seite32ff<br />
Sonderdruck aus Alzeyer Geschichtsblätter Heft 3.<br />
b4 Seite 67<br />
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