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Rundgang in Orem - Rolf Tiemann

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<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong><br />

Das historische Gau-Odernheim<br />

b1)<br />

E<strong>in</strong> <strong>Rundgang</strong> von Ernst Mayer und <strong>Rolf</strong> <strong>Tiemann</strong><br />

Gau-Odernheim, ehemalige Reichsstadt (1286 - 1579), pfälzisches Amtsstädtchen<br />

und rhe<strong>in</strong>hessischer Marktflecken (ab 1816) ist heute - zusammen mit dem Ortsteil<br />

Gau-Köngernheim - e<strong>in</strong>e attraktive Wohngeme<strong>in</strong>de am Rande des Ballungsgebietes<br />

Rhe<strong>in</strong>-Ma<strong>in</strong>. Das Kle<strong>in</strong>zentrum (3600 E<strong>in</strong>wohner) verfügt über e<strong>in</strong>e ausgewogene<br />

Infrastruktur.<br />

Die große, spätgotische Kirche, <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>st die Gebe<strong>in</strong>e des hl. Rufus, Bischof von<br />

Metz, ruhten, lässt die religionsgeschichtliche Relevanz erkennen. Schloss- und<br />

Mauerreste er<strong>in</strong>nern an die reichsstädtische Zeit. Den weitschichtigen Höfen und<br />

prächtigen Bürgerhäusern vermag man unschwer die frühere Bedeutung<br />

anzusehen. Sie verkörpern etwas von den Rittern, Burgmännern, Lehensleuten,<br />

kurpfälzischen Kammer- und Gerichtsräten. Herrschende Adelsfamilien waren u. a.<br />

von Dalberg, Vetzer von Geispitzheim, von Friesenhausen, von Ketschau, von<br />

Klippel, von Oberste<strong>in</strong>, Hunt von Saulheim, von Sturmfeder, von Wangenheim...<br />

Um Verwechslungen mit Odernheim am Glan bzw. Köngernheim bei Undenheim<br />

auszuschließen, erhielten beide Geme<strong>in</strong>den nach dem Bau der Bahnstrecke Alzey-<br />

Bodenheim (1896) den Namenszusatz “Gau-”.<br />

H<strong>in</strong>weis: Die Nummern mit Klammer beziehen sich auf die Quellenangabe, die mit<br />

vorangestelltem b (siehe oben) auf die Bildquellenangabe.<br />

Wir beg<strong>in</strong>nen unseren <strong>Rundgang</strong> auf dem<br />

[P]arkplatz zwischen Untermarkt und Festplatz<br />

und gehen zuerst durch die Mühlstraße und die<br />

Wallgasse. Der Weg ist im Plan grün markiert.<br />

Rote Pfeile zeigen jeweils die Blickrichtung auf<br />

die blau markierten Objekte.<br />

Der Name [Mühlstraße] knüpft an den Weg zur<br />

Stegmühle. Sie stand außerhalb der Stadt <strong>in</strong><br />

Höhe des heutigen Feuerwehrgerätehauses und<br />

wurde 1969 abgerissen.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 1 / 55


Wir gehen nach rechts entlang der Mühlstraße und bewegen uns auf dem früheren<br />

Wall. Das tiefer gelegene Gartengelände zum Ort h<strong>in</strong> er<strong>in</strong>nert an die mittelalterliche<br />

Festungsanlage.<br />

Sie bestand aus e<strong>in</strong>er 5 bis 6 Meter hohen Stadtmauer (rechts). Davor waren zwei<br />

15 Meter breite und 6 bis 7 Meter tiefe Wassergräben, aus deren Mitte e<strong>in</strong><br />

m<strong>in</strong>destens 2,5 Meter breiter Erdwall ragte. Die Gräben füllte man mit Wasser aus<br />

der Selz über unterirdische Tonröhren bzw. durch e<strong>in</strong>e fünf Meter tief liegende<br />

Wasserader <strong>in</strong> Höhe der Ma<strong>in</strong>zer Straße. Damit sie stets gefüllt waren, staute man<br />

sie abschnittsweise. An den Böschungen des <strong>in</strong>neren Grabens wuchsen Ulmen<br />

(regionale Bezeichnung: Effen); diese wurden <strong>in</strong> Mannshöhe abgehauen. Die<br />

liegenden Stämme und dazwischen wuchernde Hecken bildeten das schwer zu<br />

durchdr<strong>in</strong>gende “Gebück”. Die kreisförmige Festungsanlage hatte sieben Türme und<br />

war 1170 Meter lang. 2) Das entspricht e<strong>in</strong>em Orts-Durchmesser von rund 370<br />

Metern.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 2 / 55


Gegenüber der E<strong>in</strong>mündung der [Wallgasse] <strong>in</strong><br />

die [Wormser Straße] zeigt uns das<br />

Straßenschild, wo ehemals der Stadtgraben<br />

weiter verlief.<br />

An der Kreuzung von Wormser und Alzeyer<br />

Straße, im Volksmund Drehscheibe genannt,<br />

wenden wir uns auf der Hauptstraße nach<br />

rechts und dr<strong>in</strong>gen durch das längst nicht mehr<br />

vorhandene Untertor <strong>in</strong> die Stadt e<strong>in</strong>.<br />

L<strong>in</strong>ks an der E<strong>in</strong>mündung der [Mehlstraße]<br />

sehen wir e<strong>in</strong> Fachwerkhaus aus dem Jahre<br />

1738.<br />

Der Name hat nichts mit Mehl zu tun; er enthält<br />

das Wort “Mal”, mittelhochdeutsch “mãl”, im<br />

S<strong>in</strong>ne von “Abgestecktes, Abgemessenes”. Hier<br />

endete nämlich das mittelalterliche Odernheim.<br />

Vor der E<strong>in</strong>mündung der Mehlstraße <strong>in</strong> die<br />

Wormser Straße stand das Untertor<br />

(Unterpfort).<br />

Die Viertel im Areal der Wormser bzw. Alzeyer<br />

Straße entstanden erst nach dem Abriss der<br />

Mauern und Schleifen der Wälle (1826 - 1834).<br />

Dort f<strong>in</strong>det man ke<strong>in</strong>e Fachwerkbauten. Die<br />

Häuser wurden aus Lehm, später aus Backste<strong>in</strong>en gebaut.<br />

In der Mehlstraße stand e<strong>in</strong> viereckiger, weißer Turm, der im Grundriss etwa fünf<br />

Meter vor die Stadtmauer sprang. Er diente als Gefängnis (oberer Käfig,<br />

Bockskäfig). 3)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 3 / 55


Schräg gegenüber bei der [Wormser Straße 4] erkennt man deutlich e<strong>in</strong>s der<br />

Probleme alter Fachwerkhäuser: waagrecht und senkrecht gab es früher e<strong>in</strong>mal.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 4 / 55


Das Fachwerkhaus nebenan, [Wormser Straße 2], im Besitz der Familie Bertram,<br />

stammt ebenfalls aus der Zeit vor 1600. 4)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 5 / 55


Das ehemalige Herrschaftshaus “derer von Rieth” am [Untermarkt 4] (Eigentümer<br />

Michael Eberhardt), wurde 1567 im Stil des “Fränkischen Barock” erbaut. Das<br />

Adelsgeschlecht der nachfolgenden “von Sturmfeder” verfügte über e<strong>in</strong>en<br />

Wohnkomplex, der sich vom Untermarkt bis zum Kahlenfels erstreckte (heutiges<br />

Gebiet von Werner Boos).<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 6 / 55


Das Fachwerkhaus des ehemaligen Gasthauses “Zur Krone”, [Untermarkt 14], ist<br />

im Besitz der Familie L<strong>in</strong>d. Auf e<strong>in</strong>em Gesimsbalken stand die - heute nicht mehr<br />

lesbare - Inschrift: “Wernherus Does un Elisabetha se<strong>in</strong>e Ehefrau han off Gott<br />

vertraut und dies Haus bauvet, den 14. November 1697”. 5)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 7 / 55


Das Fachwerkhaus [Untermarkt 2], aus dem 16. Jahrhundert, ist Eigentum der<br />

Familie Schärer. Davor sprudelte bis 1834 der “Löwenbrunnen”. Das Wasser aller<br />

Stadtbrunnen stammte aus e<strong>in</strong>er Quelle “Am Pfaffenrech” (Gewann unterhalb des<br />

Wasserhauses auf dem Homberg, Richtung Biebelnheim). Dort wurde es bereits im<br />

16. Jahrhundert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brunnenhaus gesammelt und durch Holz- und Tonröhren<br />

<strong>in</strong> die Stadt geleitet.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 8 / 55


An den “Löwenbrunnen” er<strong>in</strong>nert heute der Brunnen des Buswartehäuschens<br />

(1986), Nachfolger des früheren Wiegehäuschens (1886). 6)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 9 / 55


Wir wenden uns wieder ortsauswärts, biegen<br />

rechts <strong>in</strong> die Badgasse e<strong>in</strong> und erreichen nach<br />

ca. 70 Metern rechts e<strong>in</strong>en Durchgang mit<br />

lauschigen Innenhöfen. Dieses Areal gehörte bis<br />

1800 zum Gut des Sankt Klara Nonnenhofes<br />

und reichte bis zur Kirchgasse.<br />

Das gelegentlich auch als “Kle<strong>in</strong> Frankreich” bezeichnete “Gängeviertel” an der<br />

[Badgasse].<br />

In der Badgasse befand sich bis Ende des 18. Jh. die Badestube.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 10 / 55


E<strong>in</strong> Durchgang und e<strong>in</strong> Hof im Gängeviertel.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 11 / 55


Auf dem Obermarkt sehen wir den schlichten Dorfbrunnen und das heutige<br />

Rathaus. Es wurde 1828 als Schulhaus für drei Klassen erbaut, nachdem man den<br />

mittelalterlichen Fachwerkbau (siehe oben rechts) abgerissen hatte.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 12 / 55<br />

b2)


Am E<strong>in</strong>gang f<strong>in</strong>det man e<strong>in</strong> Ellenmaß. Der Vergleich<br />

zeigt deutlich, dass die ehemalige Elle mit 65,5 cm<br />

reichlich groß und ke<strong>in</strong> “menschliches” Maß war.<br />

Die Gravur: 1 Elle = 24 Zoll weist e<strong>in</strong>erseits darauf<br />

h<strong>in</strong>, dass früher das Zwölfersystem allgeme<strong>in</strong><br />

gebräuchlich war. Andererseits stimmt e<strong>in</strong> Zoll mit<br />

655 mm : 24 = 27,3 mm nicht mit den<br />

angloamerikanischen Zoll von 25,4 mm übere<strong>in</strong>.<br />

Maße waren früher eben ortsabhängig. Genau deshalb<br />

waren ja am Marktplatz Vergleichsstücke angebracht.<br />

Die Oppenheimer Elle war allerd<strong>in</strong>gs ganz genau so<br />

groß. Man kann es hier sehen und am dortigen<br />

Rathaus nachmessen.<br />

Die Elle er<strong>in</strong>nert daran, dass der Obermarkt Zentrum<br />

des mittelalterlichen Handels- und Wirtschaftslebens<br />

war. Hier befanden sich die Backhäuser, das obere<br />

Geme<strong>in</strong>debackhaus, die Fleischscharrn = Fleischbank (Anwesen Pizzeria Da Franco<br />

Jolly und Rauscher; Obermarkt 9), das “geme<strong>in</strong>e” oder Unterbackhaus (Anwesen<br />

Metz, Obermarkt 19). Hier reihten sich die Gasthäuser.<br />

Im Ratssaal kann man das Ortswappen<br />

bewundern. Es wurde mit Urkunde vom<br />

15.4.1961 genehmigt. “In Gold e<strong>in</strong> rot bekrönter<br />

roter Königskopf zwischen zwei schwarzen<br />

Adlerflügeln”. Seit 1300 ist e<strong>in</strong> Siegel von<br />

“Odirnheim” mit der late<strong>in</strong>ischen Bezeichnung<br />

als “Stadt des römischen Reiches” belegt; das<br />

jetzige Wappen seit 1555. Der rote Königskopf,<br />

vulgo “Indianer” genannt, stellt Rudolf von<br />

Habsburg dar, welcher dem Ort am 16.4.1286<br />

mit dem Oppenheimer Rat die Reichsfreiheit<br />

verlieh. 13) Dies bedeutete: Selbstverwaltung<br />

(der städtische Rat aus Burgleuten, Adeligen und<br />

Bürgern war höchste Behörde), Verordnungs-<br />

und Besteuerungsrecht, unbeschränktes<br />

Gerichts- und Strafrecht, Ausbau der Burg- und<br />

Festungsanlage, Marktrecht.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 13 / 55


Mitteilungen der Geme<strong>in</strong>de wurden bis <strong>in</strong> die fünfziger<br />

Jahre durch den “Polizeidiener”, zuletzt Philipp Zulauf,<br />

an Straßen und Plätzen der Geme<strong>in</strong>de verlesen. Bevor<br />

das lang gezogene “Be-kannt-ma-chung” ertönte, rief er<br />

die Hörer mit Hilfe der Ortsschelle zusammen. Sie<br />

wurde im Juni 1957 durch das Megaphon und später<br />

durch das Mitteilungsblatt der Geme<strong>in</strong>de abgelöst. 18)<br />

Bis 1895 gab es auch das Amt des Nachtwächters. Mit<br />

dem Blashorn gab er Signal.<br />

Die erste Verpfändung erfolgte 1315; sie war<br />

der Beg<strong>in</strong>n zahlloser weiterer Verpfändungen<br />

durch Könige und Kaiser, die <strong>in</strong><br />

Geldschwierigkeiten waren. Ab 1482<br />

beschränkten die pfälzischen Kurfürsten die<br />

Rechte und Freiheiten der Odernheimer. Der<br />

erfolglose Aufstand gegen den Kurfürsten<br />

Ludwig VI., Pfalzgraf bei Rhe<strong>in</strong>, bedeutete das<br />

Ende der Reichsstadt. Odernheim wird ab<br />

13.4.1579 pfälzisches Amtsstädtchen. Der<br />

“Pfandherr” wurde zum “Landesherrn” (KERN).<br />

14)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 14 / 55


Das Fachwerkhaus [Obermarkt 2], Ecke Burggasse, im Fundament auf Pfosten<br />

stehend, stammt wahrsche<strong>in</strong>lich aus den Jahren 1608/9, obwohl es die Jahreszahl<br />

1700 zeigt. Es wurde vom jetzigen Besitzer Ulrich Merz im Jahre 1999 restauriert.<br />

8)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 15 / 55


Das Gasthaus “Deutsches Haus”, [Ma<strong>in</strong>zer Straße 1], ist die “Dorfkneipe” und wird<br />

von den E<strong>in</strong>geborenen nach se<strong>in</strong>em Besitzer (Arthur Matthäus) “beim Attsche”<br />

genannt. Das Haus wurde 1603 erbaut und 1985 renoviert. Im Jahre 1821 wird es<br />

als Gasthaus “Zum Engel” erwähnt. 7)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 16 / 55


Die westliche Häuserfront des Obermarktes ist jünger. Das Fachwerkhaus der<br />

Familie Nehrbass, [Obermarkt 5] (Bildmitte), lässt sich auf den Beg<strong>in</strong>n des 18.<br />

Jahrhunderts datieren. Das Gebäude gehörte bis <strong>in</strong>s 19. Jahrhundert der Geme<strong>in</strong>de<br />

und wurde als Herberge für Reisende und Händler verpachtet. Bis 1882 war es<br />

Gastwirtschaft (“Zum Ochsen”). Weitere Eigner: Kolonialwarenhändler und<br />

Postagent W<strong>in</strong>ter aus Dittelsheim (1882), Ferd<strong>in</strong>and Lieber (Textilien,<br />

Landesprodukte), Kaufmann Jean Wilk (ab 1896), Familie Nehrbass (ab 1972). 9)<br />

Der rote Sandste<strong>in</strong>brunnen er<strong>in</strong>nert an den Brunnenschacht im südlichen Teil des<br />

Obermarktes; bis 1920 stand hier e<strong>in</strong>e Pumpe. Von 1576 bis 1834 floss vor dem<br />

Gasthaus Matthäus der Römerbrunnen, auch als Marktbrunnen oder fließender<br />

Brunnen bezeichnet. Er wurde über die bereits erwähnte Rohrleitung vom<br />

Pfaffenbrunnen (8) versorgt. 11)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 17 / 55


Das restaurierte Gebäude der Kreissparkasse, [Obermarkt 17], stammt aus dem<br />

Anfang des 17. Jahrhunderts. Das Haus nebenan war früher die Gastwirtschaft von<br />

Valent<strong>in</strong> Bürky und trug den Namen “Zum Römer”, den heute die Gaststätte <strong>in</strong> der<br />

[Kirchgasse 2] (zwei Häuser weiter rechts) trägt.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 18 / 55


Wir biegen rechts <strong>in</strong> die Kirchstraße e<strong>in</strong> und<br />

folgen ihr etwa 50 Meter.<br />

Das kle<strong>in</strong>e Haus Mühlbauer <strong>in</strong> der Kirchgasse 5 war das katholische Schulhaus<br />

(1757). Es nahm e<strong>in</strong>e Klasse und e<strong>in</strong>en Lehrer (e<strong>in</strong>e Lehrerwohnung) auf. Der<br />

früher häufiger übliche Zugang zum Keller von der Straße aus, wurde hier<br />

geschlossen.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 19 / 55


Die beiden Jahreszahlen, 1609<br />

über der Tür und 1614 am Erker,<br />

legen die Vermutung nahe, dass es<br />

sich hier nicht um e<strong>in</strong> Fertighaus<br />

handelt.<br />

Die ehemalige Stadtschreiberei <strong>in</strong> der<br />

Kirchgasse 15. Am Erker ist der Reichsadler<br />

abgebildet, der im 17. Jahrhundert Teil des<br />

kle<strong>in</strong>en Stadtsiegels und des Gerichtssiegels<br />

war. 19)<br />

Im Keller gibt es, wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen anderen<br />

Gebäuden auch, noch “Zugänge” zu dem<br />

früheren unterirdischen Gängesystem, das<br />

allerd<strong>in</strong>gs heute nicht mehr existiert.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 20 / 55


Neben dem stattlichen evangelischen Pfarrhaus aus dem 16. Jh. steht (rechts) e<strong>in</strong><br />

niedrigeres Gebäude. E<strong>in</strong> Vorgängerbau bestand seit 1500 und diente ab 1705 als<br />

Schulhaus der reformierten Geme<strong>in</strong>de. Das jetzige Gebäude entstand im Jahre<br />

1744. Ab 1830 wurde es als Lehrerwohnung genutzt. Im Jahre 1960 richtete die<br />

evangelische Kirchengeme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong>deraum e<strong>in</strong>, bevor das große<br />

Geme<strong>in</strong>dehaus (Jugendheim) am 1.12.1974 nebenan <strong>in</strong> Dienst genommen wurde.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 21 / 55


Die Kirche hat gleich drei Besitzer. Der 56 m hohe Turm gehört der bürgerlichen<br />

Geme<strong>in</strong>de, der niedrigere Mittelteil, das Schiff oder Langhaus, der evangelischen<br />

Geme<strong>in</strong>de und der höhere rechte Teil mit dem Chor der katholischen Geme<strong>in</strong>de.<br />

An der Außenwand f<strong>in</strong>det man Grabste<strong>in</strong>e des kurpfälzischen Amtmannes Siegfried<br />

von Oberste<strong>in</strong> (verstorben 1413) und des Gerhard Fetzer von Geispitzheim<br />

(verstorben 1392).<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 22 / 55


Der Turm wurde 1830-33 von der bürgerlichen<br />

Geme<strong>in</strong>de errichtet und ist “e<strong>in</strong> für Rhe<strong>in</strong>hessen<br />

frühes Beispiel der Neugotik.” 20) Der gotische<br />

Vorgängerturm (1344) stand auf dem heutigen<br />

Kirchplatz <strong>in</strong> Höhe des E<strong>in</strong>gangs zum<br />

Kirchenschiff. Während e<strong>in</strong>es Gottesdienstes am<br />

17. Februar 1799, um 13 Uhr, stürzte er e<strong>in</strong><br />

und begrub sieben Menschen unter sich -<br />

ausschließlich Männer, die auf der<br />

“Männerseite” saßen.<br />

Der gotischen Kirche g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> romanischer<br />

Vorgängerbau voraus. Auf Grund von<br />

Ausgrabungen ist davon auszugehen, dass er<br />

die selben Maße hatte wie die jetzige Kirche.<br />

Näheres s. Jürgen Kaiser, Kunstführer<br />

Simultankirche Gau-Odernheim, Verlag Schnell<br />

und Ste<strong>in</strong>er, Regensburg 2002, Nr. 2498<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 23 / 55


Evangelische Kirche<br />

Das Langhaus errichtete Baumeister Johann von Diepach (1415-20). Das<br />

Langhaus und die barocke Orgel wurden 1965/66 renoviert.<br />

Gemäldereste an der Westseite (jüngstes Gericht, zehn ägyptische Plagen,<br />

zehn Gebote).<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 24 / 55


Hl. Stefanus und hl. Rufus neben dem ehemaligen Nordportal.<br />

Wandmalerei mit Darstellungen aus dem Passionszyklus.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 25 / 55


An der Ostwand e<strong>in</strong>e Rankenbordüre “Anbetung der Könige”.<br />

Hier fehlt noch e<strong>in</strong> Bild vom Renaissance-Epithaph des kurpfälzischen Rats<br />

und Kanzlers Conrad Reuber von Enger (1542-1607).<br />

Kunsthistorisch bedeutsame Renaissancekanzel.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 26 / 55


E<strong>in</strong>e Wandverkleidung (Intarsienarbeit), 17. Jahrhundert, vermutlich aus<br />

der Burg stammend.<br />

Barockorgel.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 27 / 55


Katholische Kirche<br />

Den Chor erbaute Meister<br />

Arnold aus Frankfurt<br />

(1497-1507).<br />

In den Jahren 1963-1966<br />

und 1996-2001 wurden<br />

der Chor<strong>in</strong>nenraum und<br />

die Stummorgel (s.u.)<br />

restauriert.<br />

Spätgotischer Chor mit Netzrippengewölbe, als blaues Himmelzelt mit<br />

goldenen Sternen gestaltet.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 28 / 55


Hier fehlt noch e<strong>in</strong> Bild vom Rufus-Sarkophag aus dem 8./9. Jh., ältestes<br />

Ausstellungsstück; er enthielt die Gebe<strong>in</strong>e des hl. Rufus, Bischof von Metz<br />

und Schutzpatron der Kirche; Reliquienverehrung im Mittelalter.<br />

Grabplatte des hl. Rufus (1418).<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 29 / 55


Barocker Hochaltar.<br />

Renaissancegrabmal für<br />

Eberhard Vetzer von<br />

Geispitzheim und<br />

dessen Frau Lisa von<br />

Ingelheim (verstorben<br />

1520 bzw. 1519).<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 30 / 55


Orgel der Brüder Stumm (1773).<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 31 / 55


Das ehemalige evangelische Schulhaus, Kirchplatz 14, wurde 1844 erbaut. Es<br />

enthielt e<strong>in</strong>e Lehrerwohnung und darüber e<strong>in</strong>en Schulsaal. Hier verlief die westliche<br />

Stadtmauer. Das Schulhaus entstand an der Stelle des früheren “Jungfernturmes”<br />

für weibliche Gefangene.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 32 / 55


Vor dem Haus, Kirchplatz 14, er<strong>in</strong>nert e<strong>in</strong> 1874 errichtetes Denkmal an die<br />

Teilnehmer des deutsch-französischen Krieges 1870/71.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 33 / 55


Die Eiche wurde am 3.3.1872 als “Friedenseiche” gepflanzt. In der E<strong>in</strong>weihungsrede<br />

taucht das Repertoire rechter Sesselgeneräle auf:<br />

• die Eiche als S<strong>in</strong>nbild deutscher Kraft und Stärke,<br />

• der freche Erbfe<strong>in</strong>d Frankreich,<br />

• der lang gehemmte Volksgeist,<br />

• das heilige Gefühl der Vaterlandsliebe,<br />

• kämpfen, bluten und sterben für Deutschlands Macht, Ehre und Freiheit,<br />

• Taten, welche durch unser Volk <strong>in</strong> Waffen geschahen. s<strong>in</strong>d so groß, dass wir <strong>in</strong><br />

ihnen das Walten der Gottheit erkennen. 22)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 34 / 55


Die Ergebnisse dieser Sprüche s<strong>in</strong>d<br />

wenige Meter weiter auf dem Friedhof zu<br />

sehen. Auf der rechten Seite steht das<br />

Denkmal für die Opfer des ersten<br />

Weltkrieges (63 Gefallene) und des<br />

zweiten (67 Gefallene, 52 Vermisste).<br />

L<strong>in</strong>ks daneben Gräber, <strong>in</strong> denen fünf<br />

Soldaten und drei jugendliche Opfer von<br />

Bombenangriffen bestattet s<strong>in</strong>d. Name,<br />

Geburts- und Todesjahr s<strong>in</strong>d auf den<br />

niedrigen Ste<strong>in</strong>kreuzen vermerkt.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 35 / 55


Gegenüber steht e<strong>in</strong> Gedenkste<strong>in</strong> mit der Inschrift:<br />

Den Toten zur Ehre<br />

Den Lebenden zur Mahnung<br />

Den Mördern zur Schande.<br />

Er er<strong>in</strong>nert an zwei Opfer, die am 21.11.1944 <strong>in</strong> Frankfurt/Ma<strong>in</strong><br />

wegen Hörens ausländischer Sender h<strong>in</strong>gerichtet wurden.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 36 / 55


Auf e<strong>in</strong>em weiteren Gedenkste<strong>in</strong> ist der siebenarmige Leuchter (Menora)<br />

e<strong>in</strong>graviert. Die Inschrift:<br />

“Der jüdischen Geme<strong>in</strong>de und allen Opfern des Faschismus <strong>in</strong> Gau-Odernheim -<br />

Gegen das Vergessen”.<br />

In Gau-Odernheim existierte wahrsche<strong>in</strong>lich schon im 17. Jahrhundert e<strong>in</strong>e jüdische<br />

Geme<strong>in</strong>de. Zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts gab es 12 bis 15 jüdische Familien, die<br />

sozial <strong>in</strong>tegriert waren. In der Ma<strong>in</strong>zer Straße 12 (Haus Kratz) stand die Synagoge,<br />

erbaut 1868, <strong>in</strong> der auch die israelitische Elementarschule untergebracht war. E<strong>in</strong><br />

jüdischer Friedhof befand sich auf dem breiten Wall zwischen der Stadtmauer und<br />

der oberen Brunnenstraße, also außerhalb der Stadtmauer.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 37 / 55


Außerhalb:<br />

Jüdischer Friedhof<br />

E<strong>in</strong> weiterer jüdischer Friedhof “Am Schallenberg”, 1830 weit außerhalb des Ortes<br />

angelegt, ist mit Grabste<strong>in</strong>en bis 1935 erhalten.<br />

Von 47 Personen kamen 13 <strong>in</strong> der Deportation um, fünf verstarben noch <strong>in</strong> Gau-<br />

Odernheim. Die übrigen (29) Personen konnten noch <strong>in</strong> die USA “auswandern” oder<br />

flüchten. 23)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 38 / 55


Der Kirchplatz diente bis 1839 als Friedhof. Der Straßenname “Am Alten Friedhof”<br />

(siehe nächste Seite) deutet noch darauf h<strong>in</strong>. Danach wurde er e<strong>in</strong>geebnet. Die<br />

Gebe<strong>in</strong>e der Toten bewahrte man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Be<strong>in</strong>haus bei der alten Schule auf.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 39 / 55


Nach langen Streitigkeiten mit der bürgerlichen Geme<strong>in</strong>de wurden 1853 die beiden<br />

Kirchengeme<strong>in</strong>den Eigentümer<strong>in</strong>nen des Geländes.<br />

An den früheren Friedhof er<strong>in</strong>nert nur noch das Straßenschild.<br />

Karol<strong>in</strong>gische Gräber aus der Zeit um 800 fand man 1955 an der Ecke Obermarkt-<br />

Kirchgasse.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 40 / 55


In Höhe des früheren Kaufmarktes und des Hauses Matthäus, Ma<strong>in</strong>zer Straße 28,<br />

stand das Obertor. Es bildete den zweiten Zugang von B<strong>in</strong>gen her und war durch<br />

e<strong>in</strong>en breiten Wall, Gräben und e<strong>in</strong>e Zugbrücke gesichert. Vor dem äußeren Graben<br />

stand an jeder Straßenseite e<strong>in</strong> rundes Wächtertürmchen.<br />

b3)<br />

Die Stadtmauer verlief etwa 80 Meter zur Brunnenstraße und bog am Eppichturm<br />

(= Ewig-Turm) nach Osten ab. 24)<br />

SCHOLL bezeichnet das Areal um das Obertor als “Mausfall”. Der Begriff hat jedoch<br />

nichts mit der Mausefalle zu tun, sondern leitet sich von “Maut = Zoll” ab, der am<br />

Obertor erhoben wurde (vgl. B<strong>in</strong>ger Mäuseturm = Mautturm). 25)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 41 / 55


[Ma<strong>in</strong>zer Straße 19] (Haus Weber)<br />

und …<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 42 / 55


[Ma<strong>in</strong>zer Straße 15] (Haus Grode) s<strong>in</strong>d Beispiele fränkischer Wohnanlagen. Die<br />

Dreiseithöfe mit Wohnhaus, Stallung und querstehender rückwärtiger Scheune s<strong>in</strong>d<br />

nach der Straße durch e<strong>in</strong> großes Tor mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en, seitlichen Pforte<br />

abgeschlossen.<br />

Die Gutshöfe, deren Anfänge aus dem 16. Jahrhundert stammen, gehörten den<br />

adeligen Pfandherren und Amtmännern der Familien von Sturmfeder, von<br />

Friesenhausen, von Ketschau und von Lehrbach (16.-18. Jh.).<br />

In den Kellern beider Häuser gibt es, wie auch im Stadtschreiberhaus <strong>in</strong> der<br />

Kirchgasse 15 (18), <strong>in</strong> der Wormser Straße 9 (Haus Becker) und <strong>in</strong> der Mehlstraße<br />

15 (Haus Johnson) Zugänge zu e<strong>in</strong>em ehemaligen System von unterirdischen<br />

Ausfall- und Fluchtgängen.<br />

Die meisten Zugänge s<strong>in</strong>d jedoch zugemauert und die Gänge längst nicht mehr<br />

begehbar.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 43 / 55


Im nördlichen Teil der Zehnthofstraße bef<strong>in</strong>det man sich genau an der Stadtmauer.<br />

Wenn man sich etwas genauer umsieht, fällt auf, dass das Gelände nördlich davon<br />

erheblich tiefer liegt. Es lag früher außerhalb der Stadtmauer.<br />

Von der Stadtmauer selbst kann man im W<strong>in</strong>ter von der nördlich parallel<br />

verlaufenden Brunnenstraße aus noch kle<strong>in</strong>e Stücke entdecken.<br />

Im Sommer ist alles durch die Pflanzen verdeckt. Aber, e<strong>in</strong> Stück alte Mauer nicht<br />

zu sehen, ist auch ke<strong>in</strong> all zu großer Verlust.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 44 / 55


Die Burg, auch das “Schloss”, wurde im Zuge der Stadtbefestigung nach 1286 als<br />

Wasserburg auf e<strong>in</strong>er 1490 Quadratmeter großen Fläche erbaut. An drei Seiten war<br />

sie vom Schlossgraben umgeben, der <strong>in</strong> den Stadtgraben mündete. Nach Norden<br />

schützte sie e<strong>in</strong> 14 Meter breiter und 4 bis 5 Meter hoher Quaderwall. Der E<strong>in</strong>gang<br />

lag nach Süden (Straße “Nach dem Alten Schloss” - früher “Froschaugasse”).<br />

E<strong>in</strong>en Vorgängerbau vermutet GREDY <strong>in</strong> der Zeit, als Odernheim im Besitz der<br />

Bischöfe von Metz war (600-1187). Im Teilungsvertrag der Brüder Werner II. und<br />

Philipp von Bolanden (1187) werden “Seßmannen <strong>in</strong> der Burg zu Odernheim”<br />

(Bewohner) namentlich genannt.<br />

Zerstört wurde die Burg gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648);<br />

lediglich Reste des mächtigen Turmes und e<strong>in</strong> paar Mauerreste blieben übrig. 29)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 45 / 55


Elementare Gewalt traf Odernheim <strong>in</strong> verschiedenen Epochen, darunter drei<br />

Feuersbrünste: 1479 (Rest: sechs Häuser), 1553 und 1689 (Brandsstiftung im<br />

Pfälzischen Erbfolgekrieg). H<strong>in</strong>zu kamen Kriegslasten <strong>in</strong> Form von Kriegsdienst,<br />

Geldbeträgen, Naturalien, Hand- und Spanndiensten, Besatzung, Plünderung,<br />

Zerstörung (1664, 1668, 1673).<br />

Während man im Mittelalter von etwa 1000 E<strong>in</strong>wohnern ausgehen kann, zählte<br />

Odernheim nach dem Dreißigjährigen Krieg (1648) noch 30 Familien (ca. 160<br />

Personen). 30)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 46 / 55


Im Jahre 1938 baute die Geme<strong>in</strong>de den nunmehr<br />

“Hembel'schen Gutshof” zur Schule um. Diese nahm<br />

fünf Volksschulklassen mit 257 Schülern auf, dazu<br />

gewerbliche und landwirtschaftliche<br />

Berufsschulklassen.<br />

Von 1964 bis 1999 wurde sie zur Mittelpunktschule<br />

(Grund- und Hauptschule) ausgebaut. Der<br />

Waschbeton-Neubau mit Turnhalle stammt aus dem<br />

Jahre 1968; die “Brücke” mit vier Klassensälen und<br />

e<strong>in</strong>em Computerraum aus den Jahren 1998-99.<br />

Ab 1.8.2000 bis Sommer 2004 wurde stufenweise<br />

die Hauptschule geschlossen und e<strong>in</strong>e dreizügige<br />

Realschule e<strong>in</strong>gerichtet. 31)<br />

Das Areal von der Burg bis zum Untermarkt<br />

gehörte im 11.-16. Jahrhundert zum Besitz des<br />

Rittergeschlechts derer “von Geispitzheim”.<br />

1731 bauten die “von Wangenheim” das große<br />

Herrschaftshaus. Sie waren Nachfahren des<br />

Ludwig Burkhard von Sturmfeder (gest.<br />

6.8.1573) und dessen Ehefrau Agnes von<br />

Cämmerer von Worms genannt von Dalberg.<br />

32)<br />

Dabei entstand der Rossmarkt, auf dem später<br />

Pferde gehandelt wurden. Bei SCHOLL wird das<br />

Gebiet als “Froschau” = Froschwiese<br />

bezeichnet.<br />

Im Torhaus des alten Schulgebäudes ist e<strong>in</strong> Wappenste<strong>in</strong> der Adelsfamilien “von<br />

Dalberg” und “von Sturmfeder” zu sehen.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 47 / 55


Die heutigen Rosshalter s<strong>in</strong>d dagegen Zierrat und werden<br />

wohl nie e<strong>in</strong> Ross zu halten haben.<br />

Die frühere Bedeutung des Rossmarktes<br />

erkennt man an den vere<strong>in</strong>zelt noch an den<br />

Hauswänden vorhandenen R<strong>in</strong>gen, an denen<br />

früher die Rösser festgebunden wurden.<br />

Auch die “Pferdetränke” wird wohl nur selten Pferde erfrischen.<br />

E<strong>in</strong> bronzener Kanaldeckel schmückt den<br />

neu gepflasterten Platz.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 48 / 55


Der neu gestaltete Untermarkt bietet unter anderem Parkplätze, die mit<br />

Parkscheibe begrenzte Zeit kostenlos benutzt werden können, und e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en<br />

Sitz- und Spielplatz.<br />

E<strong>in</strong> bronzener Kanaldeckel zeigt den “Indianer”. E<strong>in</strong> anderer Kanaldeckel verweist<br />

auf die Partnerschaft mit der französischen Geme<strong>in</strong>de Pulnoy.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 49 / 55


Untermarkt und Rossmarkt wurden 2001 im Rahmen des<br />

Dorferneuerungsprogramms zu Schmuckstücken der Geme<strong>in</strong>de hergerichtet.<br />

Seit Frühsommer 2002 f<strong>in</strong>det auch wieder e<strong>in</strong> Wochenmarkt mit umfangreichem<br />

Angebot statt.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 50 / 55


Die Sankt-Urban-Apotheke, 1832 erbaut und eröffnet, ist heute im Besitz von Dr.<br />

Georg Bellenberg und wurde 1991 stilgerecht renoviert.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 51 / 55


Die [Kegelbahnstraße] er<strong>in</strong>nert an den früheren Brauch, im Freien zu kegeln.<br />

“Den 24. April 1728 kaufte Peter Schar von Leonhard Bauer e<strong>in</strong> Wohnhaus auf dem<br />

Kegelplatz nach rh<strong>in</strong> die Stadtmauer.” 1)<br />

Die Kegelbahnstraße, früher Enggasse, endete vor der Stadtmauer, an die das<br />

Steghaus lehnte; es diente zur Aufbewahrung der Stege, mit denen man bei Bedarf<br />

die Stadtgräben überbrücken konnte.<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 52 / 55


5)<br />

Odernheim als Reichsstadt,<br />

nach e<strong>in</strong>em Entwurf von Baurat Stephan<br />

I Kirche a Obertor 1 Zehnthof<br />

II Spitalhof b Eppichturm 2 Hof “von Sturmfeder”<br />

III Burg c Unterkäfig 3 Säuhofviertel<br />

IV Rathaus d Burgwall 4 Hof “von Sturmfeder”<br />

V Backhaus e Untertor 5 Hof “von Ried”<br />

VI Steghaus f Bockskäfig 6 Hof “von Prob”<br />

VII Kloster g Jungfernturm 7 Nonnenhof<br />

VIII Siechenhaus 8 Probstei<br />

IX Zollstock 9 Hof “von Klippel”<br />

X Stadtschreiberhaus 10 Königsmühle<br />

11 Stegmühle<br />

12 Klostermühle<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 53 / 55


Quellen<br />

1 Die Geschichte von Gau-Odernheim. Band II: Bilderband und Ergänzungen<br />

über die letzten hundert Jahre; zusammenge-stellt von Christoph E<strong>in</strong>sfeld, Dr.<br />

Adam Reck, He<strong>in</strong>rich Mildenberger. Herausgegeben von der Geme<strong>in</strong>de Gau-<br />

Odern-heim, Ma<strong>in</strong>z 1957, S. 104<br />

2 Die Geschichte von Gau-Odernheim. Band I: Die Geschichte der ehemaligen<br />

freien Reichsstadt “Odernheim”. Herausge-geben von der Geme<strong>in</strong>de Gau-<br />

Odernheim, Worms 1982, S. 197 ff<br />

3 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O., S. 39 - Gredy, a. a. O. S. 198<br />

4 Reck, Adam, Odernheimer Familien im 19. Jh., Sonderdruck aus Alzeyer<br />

Geschichtsblätter, Heft 5/1968, S. 33<br />

5 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 31<br />

6 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 31 und 167 f<br />

7 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 27 f<br />

8 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 28 - AZ Alzey 12.6.1957<br />

9 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 28 - AZ Alzey 11.8.1952<br />

10 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 47 und 55<br />

11 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 167 ff<br />

12 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 28 und 163 ff - Gredy, a. a. O. S. 120 ff<br />

13 Mayer, Ernst, Geschichte von Gau-Odernheim. Band III (1957 bis 1984). Mit<br />

Beiträgen von He<strong>in</strong>rich Mildenberger und Friedrich Wörner. Herausgegeben<br />

von der Geme<strong>in</strong>de Gau-Odernheim, Worms 1985, S.40 - E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a.<br />

O. S. 176 f (Bildseite)<br />

14 Kern, Mechthild, 700 Jahre Stadtrechte Gau- Odernheim, Heimatjahrbuch des<br />

Landkreises Alzey-Worms, 1987,S. 101 ff<br />

15 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 176 ff (Bildseiten 2 und 3)<br />

16 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 176 ff (Bildseiten 4 und 5)<br />

17 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 80 f<br />

18 AZ Alzey vom 12.6.1957<br />

19 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 176 f (Bildseite) - Gredy, a. a. O. S. 210 ff<br />

20 Kaiser, Jürgen, Simultankirche Gau-Odernheim, Schnell Kunstführer Nr. 2498,<br />

Regensburg 2002, S. 25<br />

21 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 17 und 33<br />

22 Mayer, a. a. O. S. 263 ff<br />

23 Arnsberg, Paul, Die jüdischen Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Hessen, Anfang - Untergang -<br />

Neubeg<strong>in</strong>n. Herausgegeben vom Landesverband der Jüdischen Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong><br />

Hessen, Erster Band, Frankfurt /Ma<strong>in</strong> 1971<br />

24 Gredy, a. a. O. S. 198 ff - E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 30<br />

25 Reck, Adam, Adelige Familien der früheren Reichsstadt 0dernheim im 17. und<br />

18. Jahrhundert, Sonderdruck aus Al-zeyer Geschichtsblätter, Heft 3, o. J., S.<br />

82<br />

26 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O., S. 16 und 31<br />

27 Gredy, a. a. O. S. 287 ff<br />

28 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 38<br />

29 Gredy, a. a. O. S. 185<br />

30 Kern, a. a. O. S. 106 - Gredy, a. a. O. S. 50 f<br />

31 Blodt, Johannes, Geschichte der Schule von Gau-Odernheim, Aufzeichnungen<br />

über die Schulgeschichte von Gau-Odernheim 1282 - 1945, Selbstverlag o. J.<br />

- E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S.36 und 156 ff<br />

32 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 36<br />

33 E<strong>in</strong>sfeld u. a., a. a. O. S. 32 f (Bildseite 2)<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 54 / 55


Andere Bilder:<br />

Außerdem:<br />

Bildquellen<br />

Alle Bilder ohne Quellenangabe © <strong>Rolf</strong> <strong>Tiemann</strong>.<br />

Die Geschichte von Gau-Odernheim. Band II:<br />

Bilderband und Ergänzungen über die letzten hundert Jahre;<br />

zusammengestellt von Christoph E<strong>in</strong>sfeld, Dr. Adam Reck,<br />

He<strong>in</strong>rich Mildenberger.<br />

Herausgegeben von der Geme<strong>in</strong>de Gau-Odernheim, Ma<strong>in</strong>z 1957.<br />

b1 Seite 33<br />

b2 Seite 26<br />

b3 Seite 80ff<br />

b5 Seite32ff<br />

Sonderdruck aus Alzeyer Geschichtsblätter Heft 3.<br />

b4 Seite 67<br />

© <strong>Rolf</strong> <strong>Tiemann</strong><br />

Silvanerstr. 20<br />

55239 Gau-Odernheim<br />

Tel.: 06733 8351<br />

Email: mail@rolf-tiemann.de<br />

Internet: http://rolf-tiemann.de<br />

<strong>Rundgang</strong> <strong>in</strong> <strong>Orem</strong> 55 / 55

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