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Verbote des Handels mit irakischen Kulturgütern (.pdf) - Lanter ...

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Artikel<br />

<strong>Verbote</strong> <strong>des</strong> <strong>Handels</strong> <strong>mit</strong> <strong>irakischen</strong><br />

<strong>Kulturgütern</strong>*<br />

von Marc Weber **<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

A. Einleitung<br />

B. Ausländischer Schutz von irakischem Kulturgut<br />

I. Internationales Recht<br />

1. Haager Landkriegsordnung von 1954<br />

2. UNO-Resolution Nr. 1483 (2003)<br />

3. UNESCO-Übereinkommen von 1970<br />

4. UNIDROIT-Konvention von 1995<br />

II. Supranationales Recht<br />

1. Allgemeines<br />

2. Verordnung (EG) Nr. 1210/2003<br />

III. Nationales Recht<br />

1. USA<br />

a) Executive Orders<br />

b) Emergency Protection for Iraqi Cultural Antiquities Act 2004<br />

2. Vereinigtes Königreich<br />

a) Iraq (United Nations Sanctions) Order 2003<br />

b) Dealing in Cultural Objects (Offences) Act 2003<br />

3. Schweiz<br />

4. Deutschland<br />

C. Wirkungen von <strong>irakischen</strong> Kulturgutschutznormen im Ausland<br />

D. Grabungskontrolle <strong>mit</strong> Satellitentechnik<br />

E. Bilaterale Abkommen zum Schutz von Kulturgut<br />

F. Rückgabevereinbarungen zwischen Staaten und Museen<br />

G. Politisch motivierte Rückgaben von Kulturgut<br />

H. Zusammenfassung<br />

A. Einleitung<br />

Bereits während <strong>des</strong> Irakisch-Iranischen Krieges (1980–1988) [Erster Golfkrieg]<br />

wurden Kulturgüter gestohlen, Fundstätten geplündert und die wertvollen<br />

Stücke in andere Länder geschmuggelt. 1 Durch die während <strong>des</strong> Zweiten Golf-<br />

* Erweiterte Fassung eines am 6. April 2006 im Schweizerischen Lan<strong>des</strong>museum gehaltenen Vortrags<br />

anlässlich der Tagung «Kunst und Recht», organisiert vom Europa Institut an der Universität<br />

Zürich.<br />

** Dr. iur., LL.M. (Berkeley), Rechtsanwalt in Zürich.<br />

1 Allgemein zur Gefährdung von archäologischem Kulturgut durch Diebstahl, Raubgrabungen und<br />

Schmuggel vgl. RogeR Atwood, Stealing history: tomb raiders, smugglers, and the looting of the<br />

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Artikel<br />

krieges (1990–91) gegen den Irak weltweit verhängten Wirtschaftssanktionen 2<br />

nahm das illegale Graben nach archäologischen Fundstücken in den ungezählten<br />

archäologischen Grabungsstätten Iraks drastisch zu. 3<br />

Der Dritte Golfkrieg (Ausbruch am 20. März 2003) zeigt einmal mehr, dass<br />

nicht nur militärische Handlungen Kulturgut gefährden, sondern auch der unkontrollierte<br />

Zustand nach dem Zusammenbruch eines politischen Regimes. 4<br />

Im April 2003 haben professionelle Diebe und Plünderer, die teilweise das Museum<br />

genau kannten und wussten, welche Objekte die wertvollsten waren, das<br />

Irakische Nationalmuseum 5 in Bagdad systematisch 6 geplündert und zwischen<br />

13 000 und 15 000 Objekte gestohlen. 7 So blieben lediglich Kopien oder weniger<br />

wertvolle Objekte als minderwertiges Material zurück. 8 Die Diebe stahlen<br />

nur gerade 42 Kulturgüter aus den Museumsvitrinen; 9 die weitaus grössere Zahl<br />

und die wohl wichtigeren Kunstwerke waren bereits vor Kriegsausbruch in De-<br />

ancient world, New York 2004, und hierzu die Buchbesprechung von PAtty geRstenblith, in: American<br />

Journal of Archaeology 110 (2006) S. 168.<br />

2 [UN] Resolution 661 (1990), adopted by the Security Council at its 2933rd meeting, on 6 August<br />

1990, I.L.M. 29 (1990) S. 1325.<br />

3<br />

neil bRodie, Spoils of War, Archaeology, Juli/August 2003, S. 16–19 (18).<br />

4 So blieben namentlich nach dem Ende <strong>des</strong> Zweiten Weltkrieges viele Kunstwerke für Jahrzehnte<br />

verschollen. Beispiele: 1946 wurde aus dem Museum in Gotha ein Gemälde von Joachim Wtewael<br />

(1566–1630) entwendet und erst in den 1990er Jahren zurückgegeben; vgl. City of Gotha v. Sotheby’s<br />

and Cobert Finance S.A.; abgedr. bei: MichAel h. cARl/heRbeRt güttleR/KuRt siehR, Kunstdiebstahl<br />

vor Gericht. City of Gotha v. Sotheby’s/Cobert Finance S.A., Berlin/New York 2001, S. 78ff.<br />

– Im Fall Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 678 Federal Reporter 2d 1150 (2d Circuit 1982),<br />

wurden von Albrecht Dürer (1471–1528) gemalte Porträts von einem amerikanischen Soldaten 1945<br />

bei Weimar gestohlen und an den gutgläubigen Rechtsanwalt Elicofon in New York für $ 450 verkauft.<br />

20 Jahre später entdeckte Mr. Elicofon, welche Schätze er erworben hatte; vgl. hierzu ulRich<br />

dRobnig, Amerikanische Gerichte zum internationalen Sachenrecht auf dem Hintergrund der Teilung<br />

Deutschlands, IPRax 1984, S. 61–65.<br />

5 Zu den dortigen Sammlungen vgl. winfRied oRthMAnn, Ein Rundgang durch die Menschheitsgeschichte<br />

– Die Sammlungen <strong>des</strong> Irakischen Nationalmuseums in Bagdad, NZZ 26./27.4.2003,<br />

S. 79.<br />

6<br />

MARtin bAiley, Iraq museum losses exaggerated, The Art Newspaper, Juni 2003, S. 1, 6 (1).<br />

7 Die wohl informativste Darstellung der Plünderungen stammt von MAtthew bogdAnos, The Casualties<br />

of War: The Truth About the Iraqi Museum, American Journal of Archaeology 109 (2005)<br />

S. 477–526, der die Zahl von 13 864 nennt (S. 515); vgl. auch MicAh gARen/MARie-hélène cARleton,<br />

Erasing the past: looting of archaeological sites in southern Iraq, in: Milbry Polk/Angela M. H.<br />

Schuster (Hrsg.), The Looting of the Iraq Museum, Baghdad – The lost legacy of ancient Mesopotamia,<br />

New York 2005, S. 15–19; MAtthew bogdAnos/williAM PAtRicK, The Thieves of Baghdad,<br />

London 2005; eRnest becK/Andy MccoRd, What Was Taken and When, ARTnews, Juni 2003,<br />

S. 44, 46, 48; RogeR Atwood, Inside Iraq’s National Museum, ARTnews, Sommer 2003, S. 142– 145;<br />

MicAh gARen, The War Within the War, Archaeology, Juli/August 2004, S. 28–31; MARtin bAiley,<br />

US army estimates 13,000 objets are now missing from National Museum in Baghdad, The Art<br />

Newspaper, September 2003, S. 3.<br />

8 Vgl. ViKtoR KocheR, Die sumerische Mona Lisa lächelt wieder, NZZ 27./28.9.2003, S. 5.<br />

9<br />

bAiley (Fn. 7), S. 1; Atwood (Fn. 8), S. 144.<br />

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Artikel<br />

pots eingelagert worden. 10 So fand man beispielsweise den Schatz von Nimrud,<br />

den bedeutendsten archäologischen Fund aus dem 20. Jahrhundert überhaupt,<br />

kurz nach dem Fall Bagdads in den Trümmern der <strong>irakischen</strong> Zentralbank im<br />

Juni 2003 wieder. 11<br />

In den ersten vier Monaten nach dem Kulturgutraub im <strong>irakischen</strong> Nationalmuseum<br />

konnten die Behörden in Europa und in den USA 675 Objekte beschlagnahmen.<br />

Bereits bis zur ersten Hälfte <strong>des</strong> Jahres 2005 sind rund 8000<br />

archäologische Objekte – also mehr als die Hälfte aller aus dem Nationalmuseum<br />

gestohlenen Güter – zurückgegeben worden, wobei 4000 davon den Irak<br />

nie verlassen haben. 12<br />

Der Verlust von Kulturgut schädigt nicht nur das kulturelle Erbe der Herkunftsstaaten<br />

(source states) 13 , sondern bei Raubgrabungen auch die wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse der Archäologen. Denn <strong>mit</strong> jeder Zerstörung eines<br />

Fundzusammenhangs 14 geht immer auch ein Zeugnis der Menschheitsgeschichte<br />

verloren. Die Plünderungen von Ausgrabungsstätten 15 im Irak sowie der zielstrebige<br />

Kulturgüterraub im Irakischen Nationalmuseum im April 2003 zeitigten relativ<br />

schnell Wirkung auf den Erlass internationaler und nationaler Vorschriften.<br />

B. Ausländischer Schutz von irakischem Kulturgut<br />

I. Internationales Recht<br />

1. Haager Landkriegsordnung von 1954<br />

Der Schutz von Kulturgut in Kriegszeiten besteht auf internationaler Ebene<br />

nicht erst seit Inkrafttreten <strong>des</strong> Haager Abkommens vom 14. Mai 1954 für den<br />

Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten 16 , sondern bereits seit 1899,<br />

10 Vgl. bAiley (Fn. 7), S. 6; Atwood (Fn. 8), S. 143.<br />

11 Vgl. Schatz von Nimrud wiedergefunden, NZZ 10.6.2003, S. 27.<br />

12<br />

MARtin bAiley, Seized: over 600 objects looted from Iraq, The Art Newspaper, September 2003,<br />

S. 1, 3 (3).<br />

13 Vgl. hierzu lyndel V. PRott, Cultural Heritage Law: the Perspective of the Source Nations, Art<br />

Antiquity and Law 5 (2000) S. 333–342.<br />

14 Zum Problem <strong>des</strong> Verlustes <strong>des</strong> archäologischen Zusammenhangs vgl. RicARdo J. eliA, Looting,<br />

Collecting, and the Destruction of Archaeological Resources, Nonrenewable Resources 6 (1997)<br />

S. 85–98; chRistoPheR chiPPindAle/dAVid w. J. gill, Material Consequences of Contemporary<br />

Classical Collecting, American Journal of Archaeology 104 (2000) S. 463–511.<br />

15 Vgl. hierzu chARlotte tRüMPleR, Sie kamen nach Bagdad, NZZ 4.6.2003, S. 57.<br />

16 Hague Convention of 14 May 1954 for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed<br />

Conflict, 249 U.N.T.S. 240; SR 0.520.3; abgedr. auch bei bARnett hollAndeR, The International<br />

Law of Art. For Lawyers, Collectors and Artists, London 1959, S. 253–270; und auszugsweise bei<br />

lyndel V. PRott, Commentary on the Unidroit Convention on Stolen and Illegally Exported Cul-<br />

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Artikel<br />

als die Internationale Übereinkunft betreffend die Gesetze und Gebräuche <strong>des</strong><br />

Landkriegs 17 angenommen wurde. 18<br />

Gemäss dem Haager Abkommen von 1954 sind die Beschädigung, die Zerstörung<br />

sowie die Plünderung von Kulturgut verboten (Art. 4 Abs. 3). 19 Darunter<br />

fallen alle Gegenstände von künstlerischem, historischem oder archäologischem<br />

Interesse sowie wissenschaftliche Sammlungen und bedeutende<br />

Sammlungen von Büchern, Archivalien oder auch deren Reproduktionen<br />

(Art. 1). Die Vertragsstaaten sehen in ihren Umsetzungsgesetzen strafrechtliche<br />

Sanktionen vor (Art. 28).<br />

Der Irak ist der Haager Landkriegsordnung bis heute nicht beigetreten. Die<br />

Konvention ist bisher fast toter Buchstabe geblieben und wurde nur selten vor<br />

einem Gericht angewendet. Einzig der Internationale Gerichtshof für das ehemalige<br />

Jugoslawien (ICTY = International Criminal Tribunal for Former Yugoslavia)<br />

hat den Verstoss gegen die Haager Landkriegsordung zum letzten Mal<br />

zur Anwendung gebracht. 20<br />

2. UNO-Resolution Nr. 1483 (2003)<br />

Der UNO-Sicherheitsrat hat am 22. Mai 2003 in seiner Resolution Nr. 1483 21<br />

erklärt, dass alle UNO-Mitgliedstaaten – seit 2002 also auch die Schweiz – eine<br />

sichere Rückgabe von jenen <strong>Kulturgütern</strong> in den Irak zu erleichtern hätten, die<br />

tural Objects 1995, Leicester 1997, Anhang IX (inkl. Erstes Protokoll). Zum Abkommen vgl. etwa<br />

VictoRiA A. biRoV, Prize or Plunder?: The Pillage of Works of Art and the International Laws of War,<br />

International Law and Politics 30 (1997) S. 201–249; RüdigeR wolfRuM, Reflections on the Protection<br />

of Cultural Property in Armed Conflict, in: Heinz-Peter Mansel et al. (Hrsg.), Festschrift für<br />

Erik Jayme, Band 2, Berlin 2004, S. 1789–1800. Vgl. zudem Zweites Protokoll zum Haager Abkommen<br />

von 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, SR 0.520.33.<br />

17 International Convention [of 29 July 1899]with respect to the Laws and Customs of War by Land<br />

187 C.T.S. 429 (frz.); SR 0515.111. Gemäss deren Art. 27 Abs. 1 <strong>des</strong> Reglements sind bei Belagerungen<br />

und Beschiessungen die der Kunst gewidmeten Gebäude zu schonen. Zudem ist es nach Art.<br />

28 <strong>des</strong> Reglements verboten, Städte der Plünderung preiszugeben. Die nachfolgende IV. Konvention<br />

[Hague] Regulations of 18 October 1907 Concerning the Laws and Customs of War on Land (205<br />

C.T.S. 277; SR 0.515.112) weitete den Anwendungsbereich auf private Kulturgüter aus (Art. 46–47<br />

und 56 Abs. 2 der Ordnung).<br />

18 Bei der Haager Landkriegsordnung von 1954 handelt es sich lediglich um einen Anhang und integrierenden<br />

Bestandteil der Konvention von 1907.<br />

19 So bereits das Haager Abkommen von 1907 (Fn. 18) in seinem Art. 56 Abs. 2 der Ordnung.<br />

20 Verurteilt wurden Angehörige der ehemaligen jugoslawischen Luftwaffe für die Zerstörung von<br />

historischen Denkmälern in der Stadt Dubrovnik; vgl. JeAn-fRAnçois lAsnieR, Destruction of monuments<br />

ruled a war crime, The Art Newspaper, Mai 2001, S. 5. Zur Zerstörung Dubrovniks vgl.<br />

RobeRt beVAn, The Destruction of Memory – Architecture at War, London 2006, S. 85–87.<br />

21 [UN] Resolution 1483 (2003), adopted by the Security Council at its 4761st meeting, on 22 May<br />

2003, I.L.M. 42 (2003) S. 1610; Journal du droit international [Clunet] 130 (2003) S. 765 [frz.].<br />

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Artikel<br />

nach dem 6. August 1990 – Datum der Verabschiedung der Resolution Nr. 661<br />

(1990) 22 – aus dem Irak geschmuggelt wurden (Ziff. 7 der Resolution): 23<br />

«[Der Sicherheitsrat beschliesst], dass alle Mitgliedstaaten geeignete Schritte unternehmen,<br />

um die sichere Rückgabe von irakischem Kulturgut und anderen Gegenständen<br />

von archäologischer, historischer, kultureller und religiöser Bedeutung und wissenschaftlichem<br />

Seltenheitswert, die seit der Verabschiedung der Resolution 661 (1990)<br />

vom 6. August 1990 unrechtmässig aus dem Irakischen Nationalmuseum, der Nationalbibliothek<br />

und von anderen Orten in Irak entfernt wurden, an die <strong>irakischen</strong> Institutionen<br />

zu erleichtern, namentlich durch die Verhängung eines Verbots <strong>des</strong> <strong>Handels</strong> <strong>mit</strong> oder<br />

der Weitergabe von solchen Gegenständen sowie Gegenständen, bei denen der begründete<br />

Verdacht besteht, dass sie unrechtmässig entfernt wurden, und fordert die Organisation<br />

der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur [UNESCO], die Interpol<br />

sowie gegebenenfalls andere internationale Organisationen auf, bei der Durchführung<br />

dieser Ziffer behilflich zu sein.»<br />

Die Analyse dieser Resolution führt zur Feststellung folgender Ungenauigkeiten:<br />

Es scheint zunächst problematisch, dass die Händler zwingend wissen, dass<br />

es sich bei der <strong>Handels</strong>ware um einen ursprünglich aus dem Irak stammenden<br />

Gegenstand handelt und dieser gestohlen oder geraubt worden ist. Vor dem<br />

Zweiten und Dritten Golfkrieg, die beide Irak stark erschütterten, hatten Ausländer<br />

praktisch keinen Zugang zu den Sammlungen oder Inventarlisten. Deshalb<br />

ist es häufig schwierig, Kulturgüter aus dem Irak zu identifizieren. Abhilfe<br />

mag eine internationale Datenbank schaffen, die Händler und alle anderen Erwerber<br />

von Kulturgut konsultieren müssen, um dem Erfordernis <strong>des</strong> guten<br />

Glaubens gerecht zu werden. Denn schon heute muss nach der schweizerischen<br />

und ausländischen Rechtsprechung der Käufer sich nach einem Diebstahl oder<br />

einer illegalen Ausfuhr erkundigen und Nachforschungen anstellen. Wer das<br />

nicht tut, haftet für Rechtsmängel und wird schadenersatzpflichtig. 24<br />

Um den hohen Anforderungen an den guten Glauben gerecht zu werden, hat<br />

der Internationale Museumsrat (International Council of Museums = ICOM)<br />

im Juni 2003 die sogenannte «Red List» über irakische Kulturgüter veröffent-<br />

22 Vgl. Fn. 2.<br />

23 Ziff. 7 der Resolution Nr. 1483 (Fn. 22) lautet im Originaltext: «All Member States shall take appropriate<br />

steps to facilitate the safe return to Iraqi institutions of Iraqi cultural property and other items<br />

of archaeological, historical, cultural, rare scientific, and religious importance illegally removed<br />

from the Iraq National Museum, the National Library, and other locations in Iraq since the adoption<br />

of resolution 661 (1990) of 6 August 1990, including by establishing a prohibition on trade in or<br />

transfer of such items and items with respect to which reasonable suspicion exists that they have<br />

been illegally removed, and calls upon [originale Hervorhebung] the United Nations Educational,<br />

Scientific, and Cultural Organization, Interpol, and other international organizations, as appropriate,<br />

to assist in the implementation of this paragraph.»<br />

24 Vgl. MARc webeR, Unveräusserliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr,<br />

Berlin: 2002, S. 252–255.<br />

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Artikel<br />

licht. 25 Auf dieser Liste stehen die am meisten durch Diebstahl und Plünderungen<br />

gefährdeten Kulturgüter.<br />

Schliesslich ist zu betonen, dass die UNO-Resolution rückwirkend ist, denn<br />

sie betrifft alle Kulturgüter, die seit dem 6. August 1990 illegal aus Irak ausgeführt<br />

worden sind. Die Resolution ist gültig, solange der UNO-Sicherheitsrat<br />

die Wirtschaftssanktionen 26 nicht ausdrücklich aufhebt.<br />

3. UNESCO-Übereinkommen von 1970<br />

Die Generalkonferenz der UNESCO hat am 14. November 1970 das Übereinkommen<br />

über Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen<br />

Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut 27 beschlosssen. Das Übereinkommen<br />

ist am 24. April 1972 in Kraft getreten und gilt heute in insgesamt 109<br />

Staaten, wobei die Republik Irak bereits am 12. Februar 1973 als zwölfter Mitgliedstaat<br />

beigetreten ist. Wichtig ist, dass die grossen Kunsthandelsländer wie<br />

Frankreich, Grossbritannien, Japan, die Schweiz und die USA das Übereinkommen<br />

ratifiziert oder angenommen haben bzw. diesem beigetreten sind. 28<br />

Primärer Zweck <strong>des</strong> Übereinkommens ist die Bekämpfung der rechtswidrigen<br />

Ein- und Ausfuhr von Kulturgut, wobei es jedem einzelnen Staat obliegt,<br />

das in seinem Hoheitsgebiet befindliche Kulturgut vor den Gefahren <strong>des</strong> Diebstahls,<br />

der unerlaubten Ausgrabung und der rechtswidrigen Ausfuhr zu schützen<br />

(4. Präambel).<br />

Das Übereinkommen erfasst auch archäologische Kulturgüter; denn zu den<br />

von dieser Konvention geschützten <strong>Kulturgütern</strong> gehören nach dem Anhang<br />

auch die beiden folgenden Kategorien:<br />

«c) Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen (sowohl vorschriftsmässiger als auch unerlaubter)<br />

oder archäologischer Entdeckungen;<br />

d) Teile künstlerischer oder geschichtlicher Denkmäler oder archäologischer Lagerstätten,<br />

die zerstückelt sind.»<br />

25 Die «Red List» kann abgerufen werden unter www.icom.museum/redlist/irak/en/index.html (besucht<br />

am 31.12.2006).<br />

26 Vgl. Fn. 2.<br />

27 Originalfassung: Multilateral Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit<br />

Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property, 823 UNTS 231; I.L.M. 10 (1971)<br />

S. 289; BBl. 2002, 635.<br />

28 Von den 25 Mitgliedstaaten der EU haben 17 Staaten das Übereinkommen ratifiziert: Dänemark,<br />

Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Italien, Litauen, Polen, Portugal,<br />

Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern. Neben Deutschland<br />

fehlen auch Belgien, Irland, Lettland, Luxemburg, Malta, Niederlande und Österreich (Stand:<br />

31.12.2006).<br />

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Artikel<br />

Zudem zählen generell Antiquitäten zum Schutzgut, die mehr als hundert Jahre<br />

alt sind, wie beispielsweise Inschriften, Münzen und gravierte Siegel (s. lit. e<br />

<strong>des</strong> Übereinkommens).<br />

Nach Art. 7 <strong>des</strong> Übereinkommens übernehmen die Vertragsstaaten folgende<br />

drei Verpflichtungen: (1) Museen und ähnliche Einrichtungen sollen gehindert<br />

werden, Kulturgüter zu erwerben, die aus den Herkunftsstaaten widerrechtlich<br />

ausgeführt worden sind (lit. a); (2) die Vertragsstaaten verbieten die Einfuhr<br />

von Kulturgut, das aus einem ausländischen Museum oder einer ähnlichen Einrichtung<br />

entwendet worden ist (lit. b [i]); und (3) die Vertragsstaaten sind behilflich<br />

bei der Durchsetzung von Gesuchen um Rückgabe gestohlener oder illegal<br />

exportierter Kulturgüter (lit. b [ii]).<br />

Die Konvention hat jedoch mehrere Nachteile: (1) Sie gilt nur zwischen<br />

Vertragsstaaten; (2) bis jetzt haben wenige Staaten, in die Kulturgüter verbracht<br />

werden, die Konvention ratifiziert; es genügt daher nicht, dass nur diejenigen<br />

Staaten zahlreich sind, aus denen Kulturgüter verschwinden; (3) die Konvention<br />

ist nicht un<strong>mit</strong>telbar anwendbar, sondern bedarf innerstaatlicher Normen, die<br />

ihre Verwirklichung durch Zoll- und Einfuhrvorschriften, Ankaufsverbote und<br />

Rückforderungsansprüche sicherstellen; (4) schliesslich ist die Konvention<br />

nicht rückwirkend, erfasst also nicht die vor Inkrafttreten illegal ausser Lan<strong>des</strong><br />

gebrachten Kulturgüter.<br />

4. UNIDROIT-Konvention von 1995<br />

Die von der intergouvermentalen privaten Organisation UNIDROIT <strong>mit</strong> Sitz in<br />

Rom geschaffene Konvention vom 24. Juni 1995 über gestohlene oder rechtswidrig<br />

ausgeführte Kulturgüter 29 ist in den Vertragsstaaten direkt anwendbar<br />

und regelt die Rückgabe von gestohlenen <strong>Kulturgütern</strong> (Art. 3–4) sowie die<br />

Rückführung von <strong>Kulturgütern</strong> (Art. 5–7), die unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet<br />

eines Vertragsstaats verbracht worden und nun in einem anderen Vertragsstaat<br />

gelegen sind. Das heute in 27 Staaten 30 geltende Übereinkommen<br />

29 Originalfassung: Convention of June 24, 1995 on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects,<br />

I.L.M. 34 (1995) S. 1330; IJCP 5 (1996) S. 155; ZvglRWiss 95 (1996) S. 214 (nichtamtl. dt. Übers.).<br />

Vgl. hierzu etwa MARc-AndRé Renold, Les principales règles de la Convention d’Unidroit sur les<br />

biens culturels volés ou illicitement exportés, AJP/PJA 1998, S. 1179–1186; JeAn-sylVestRe beRgé,<br />

La Convention d’Unidroit sur les biens culturels, Journal du droit international [Clunet] 127 (2000)<br />

S. 215–262; zum kollisionsrechtlichen Kontext vgl. Alfonso-luis cAlVo cARAVAcA, Private international<br />

law and the Unidroit convention of 24th June 1995 on stolen or illegally exported cultural<br />

objects, in: H.-P. Mansel et al. (Hrsg.), Festschrift für Erik Jayme, Bd. I, Berlin 2004, S. 87–104.<br />

30 Das UNIDROIT-Übereinkommen gilt seit dem 1. Juni 2006 in folgenden 27 Staaten: Afghanistan,<br />

Argentinien, Aserbaidschan, Bolivien, Brasilien, China, Ekuador, El Salvador, Gabun, Finnland,<br />

Guatemala, Iran, Italien, Kambodscha, Kroatien, Litauen, Nigeria, Norwegen, Portugal, Rumänien,<br />

Paraguay, Peru, Slowakei, Slowenien, Spanien, Ungarn und Zypern.<br />

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Artikel<br />

hilft bei <strong>irakischen</strong> <strong>Kulturgütern</strong> aber nicht weiter, da die Republik Irak die<br />

Konvention nicht unterzeichnet hat.<br />

II. Supranationales Recht<br />

1. Allgemeines<br />

Die Richtlinie 93/7/EWG <strong>des</strong> Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von<br />

unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten <strong>Kulturgütern</strong><br />

31 will das unrechtmässige Verbringen von Kulturgut innerhalb der EU<br />

regeln. Sie greift nicht für die Rückführung von Kulturgut, das im Irak gestohlen<br />

und illegal ausser Lan<strong>des</strong> geschafft worden ist; denn beide Staaten – der<br />

ersuchende und der ersuchte Staat – müssen Mitgliedstaaten der EU sein.<br />

Die Richtlinie will den unerlaubten Handel <strong>mit</strong> bereits klassifizierten <strong>Kulturgütern</strong><br />

unterbinden, befasst sich jedoch nicht speziell <strong>mit</strong> dem Schmuggel<br />

von Raubgrabungsgut. Der Rat der Europäischen Union hat <strong>des</strong>halb zusätzlich<br />

eine Verordnung erlassen, die den Handel <strong>mit</strong> <strong>irakischen</strong> <strong>Kulturgütern</strong> verbietet,<br />

die illegal nach dem 6. August 1990 aus dem Irak verbracht worden sind.<br />

2. Verordnung (EG) Nr. 1210/2003<br />

Die Verordnung (EG) Nr. 1210 vom 7. Juli 2003 über <strong>Handels</strong>beschränkungen<br />

<strong>mit</strong> dem Irak 32 nimmt ausdrücklich Bezug auf die UNO-Resolution Nr. 1483<br />

vom 22. Mai 2003 und hält in ihrer dritten Präambel fest, dass das <strong>Handels</strong>embargo<br />

gegen den Irak <strong>mit</strong> Ausnahme <strong>des</strong> <strong>Handels</strong> <strong>mit</strong> <strong>irakischen</strong> <strong>Kulturgütern</strong><br />

nicht länger angewandt werden soll, um «eine sichere Rückgabe dieser Güter<br />

zu ermöglichen».<br />

31 ABl. L 74/74 vom 27.3.1993. Alle vor dem 1.5.2004 beigetretenen EU-Mitgliedstaaten – <strong>mit</strong> Ausnahme<br />

Portugals – sowie das Fürstentum Liechtenstein, die Republik Island und das Königreich<br />

Norwegen haben die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt.<br />

32 Verordnung (EG) Nr. 1210/2003 <strong>des</strong> Rates vom 7. Juli 2003 über bestimmte spezifische Beschränkungen<br />

in den wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zu Irak und zur Aufhebung der Verordnung<br />

(EG) Nr. 2465/1996, ABl. Nr. L 169/6 vom 8.7.2003; geändert durch Verordnung (EG) Nr.<br />

1566/2004 der Kommission vom 31. August 2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1210/2003<br />

<strong>des</strong> Rates vom 7. Juli 2003 über bestimmte spezifische Beschränkungen in den wirtschaftlichen und<br />

finanziellen Beziehungen zu Irak und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2465/96, ABl. Nr. L<br />

285/6 vom 4.9.2004.<br />

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Artikel<br />

Diese seit dem 23. Mai 2003 geltende Verordnung Nr. 1210/2003 (Art. 18<br />

Abs. 2) ist un<strong>mit</strong>telbar anwendbar und bedarf keiner Umsetzung in innerstaatliches<br />

Recht. 33<br />

Die Verordnung verbietet die Einfuhr in die EU, die Ausfuhr aus der EU<br />

sowie den Handel innerhalb der EU <strong>mit</strong> <strong>irakischen</strong> <strong>Kulturgütern</strong>, wenn diese<br />

nach dem 6. August 1990 aus dem Irak ausgeführt wurden (vgl. Art. 3 Abs. 1<br />

lit. a–c i.V.m. Abs. 2 lit. a).<br />

Das Einfuhr-, Ausfuhr- und <strong>Handels</strong>verbot gilt für alle <strong>irakischen</strong> Kulturgüter<br />

und andere Gegenstände von archäologischer, historischer, kultureller, besonderer<br />

wissenschaftlicher und religiöser Bedeutung (Art. 3 Abs. 1). Welche<br />

Güter unter das Verbot fallen, bestimmt der Anhang II zur Verordnung. Namentlich<br />

gehören zu den geschützten <strong>Kulturgütern</strong> archäologische Objekte und<br />

Bücher, wenn sie älter als 100 Jahre sind, sowie mehr als 50 Jahre alte und nicht<br />

dem Urheber gehörende Gemälde.<br />

Das <strong>Handels</strong>verbot gilt zum einen für gestohlenes 34 und andererseits für geschmuggeltes<br />

35 Kulturgut. Wichtig ist, dass nach irakischem Kulturgüterrecht<br />

die Ausfuhr von jeglichem Kulturgut verboten ist. 36<br />

33 Gemäss Art. 249 Abs. 2 EG haben Verordnungen allgemeine Geltung; sie sind in allen Teilen verbindlich<br />

und gelten (ohne Umsetzungsakte) in allen Mitgliedstaaten.<br />

34 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. c) sublit. i) VO (EG) Nr. 1210/2003 (Fn. 33): «Es ist untersagt, […] <strong>mit</strong> ihnen<br />

zu handeln, wenn sie illegal von <strong>irakischen</strong> Orten entfernt wurden, insbesondere, wenn diese Gegenstände<br />

entweder Teil öffentlicher Sammlungen sind, die in den Bestandsverzeichnissen von <strong>irakischen</strong><br />

Museen, Archiven oder besonderen Sammlungen von Bibliotheken oder aber in den Bestandsverzeichnissen<br />

religiöser Einrichtungen Iraks aufgeführt sind.»<br />

35 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. c) sublit. ii) VO (EG) Nr. 1210/2003 (Fn. 33): «Es ist untersagt, […] <strong>mit</strong> ihnen<br />

zu handeln, wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass die Kulturgüter ohne Zustimmung <strong>des</strong><br />

rechtmässigen Besitzers aus Irak oder aber unter Verstoss gegen die einschlägigen <strong>irakischen</strong> Gesetze<br />

und Bestimmungen aus Irak verbracht wurden.»<br />

36 Vgl. Art. 26 Satz 1 <strong>des</strong> Antikengesetzes [Antiquities Law] Nr. 59 von 1936 (Regierungsgazette<br />

Nr. 1507 vom 23.4.1933), ergänzt durch die Gesetze Nr. 120 von 1974 (Regierungsgazette Nr. 2396<br />

vom 14.9.1974; Iraqi Gazette Nr. 4 vom 22.1.1975, S. 9) und Nr. 164 von 1975 (Regierungsgazette<br />

Nr. 249G vom 3.11.1975; Iraqi Gazette Nr. 12 vom 24.3.1976, S. 15); abgedr. auch in: The protection<br />

of movable cultural property II. Compendium of legislative texts, Paris 1984, S. 99–111. Das<br />

Exportverbot gilt nur für Privatpersonen; denn das Direktorium darf Kulturgüter aus Irak ausführen<br />

für wissenschaftliche Studien, den Austausch und für Ausstellungen (Art. 26 Satz 2 Antikengesetz).<br />

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III. Nationales Recht<br />

1. USA<br />

a) Executive Orders<br />

Artikel<br />

Die USA hoben im Mai 2003 das <strong>Handels</strong>embargo gegen den Irak auf, liessen<br />

aber Importbeschränkungen betreffend Kulturgüter aus dem Irak in Kraft. 37<br />

Diese Anordnungen in Form von sog. Executive Orders sind bisher je<strong>des</strong> Jahr<br />

erneuert worden, zuletzt am 20. Mai 2005, als Präsident George W. Bush erklärte,<br />

dass ein Notzustand in Bezug auf Irak bestünde. 38<br />

b) Emergency Protection for Iraqi Cultural Antiquities Act 2004<br />

Sodann setzte Präsident Bush am 4. Dezember 2004 den Emergency Protection<br />

for Iraqi Cultural Antiquities Act (EPIC Antiquities Act) in Kraft. 39 Dieses<br />

Gesetz ermächtigt den Präsidenten, gestützt auf den Convention on Cultural<br />

Property Implementation Act (CPIA) 40 (Umsetzung <strong>des</strong> UNESCO-Übereinkommens<br />

von 1970) Importbeschränkungen betreffend irakische Kulturgüter<br />

einseitig – d.h. ohne Ersuchen der Republik Irak – zu erlassen. Der Präsident<br />

hat von seiner Ermächtigung, die am 30. September 2009 abläuft, noch keinen<br />

Gebrauch gemacht. Dies ist auch nicht unbedingt notwendig, es sei denn, er<br />

unterlässt es, die Executive Orders zu erneuern.<br />

Neben den Zusatzabkommen der USA <strong>mit</strong> anderen UNESCO-Vertragsstaaten<br />

41 besteht eine ganze Reihe von einseitig erlassenen Importbeschränkungen,<br />

die der US-Präsident gestützt auf Art. 9 UNESCO-Konvention 1970 in<br />

sog. Notverordnungen (Emergency Import Restrictions) erlassen hat. Wie bei<br />

37 Vgl. 31 CFR 575 533 (b)(4): «This transaction does not authorize any transactions with respect to<br />

Iraqi cultural property or other items of archaeological, historical, cultural, rare scientific, and religious<br />

importance illegally removed from the Iraqi National Museum, the National Library, and other<br />

locations in Iraq since August 6, 1990. Any trade in or transfer of such items, including items with<br />

respect to which reasonable suspicion exists that they have been illegally removed, remains prohibited<br />

by subpart B of 31 CFR part 575.»<br />

38 Vgl. Executive Order 13350, 70 Federal Register 29435, 2005 W[est][L]aw 1243182.<br />

39 Sections 3001–03, P[ublic]L[aw] 108–429.<br />

40 Cultural Property Implementation Act, sections 301–315, Public Law 97-446, title III, 96 Stat. 2329<br />

(1983), ergänzt durch Public Law 100-204, 101 Stat. 1331 (1987), kodifiziert als 19 U.S.C. §§ 2601–<br />

2613 (1988 und Supp. 1994); teilweise abgedr. bei John henRy MeRRyMAn/AlbeRt e. elsen (Hrsg.),<br />

Law, Ethics and the Visual Arts, 4. Aufl., London et al. 2002, S. 1203ff.; und hierzu JAMes f. fitzPAtRicK,<br />

Stealth Unidroit: is USIA the villain?, N.Y.Univ.J.Int’l L. & Pol. 31 (1998) S. 47–77 (47–<br />

53).<br />

41 Vgl. hierzu MARc webeR, Archäologische Objekte vor US-amerikanischen Gerichten, in: P.J. Weber<br />

et al. (Hrsg.), Liber discipulorum et amicorum. Festschrift für Prof. Dr. Kurt Siehr zum 65. Geburtstag,<br />

Zürich 2001, S. 225–264 (238).<br />

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Artikel<br />

den bilateralen Zusatzabkommen bedarf die Einfuhr in die USA einer Exportlizenz<br />

<strong>des</strong> Herkunftsstaates oder <strong>des</strong> Nachweises, dass das Objekt vor Inkrafttreten<br />

der Notverordnung aus dem Herkunftsstaat ausgeführt worden ist.<br />

Gegenwärtig sind sechs solcher Notverordnungen in Kraft: 42 <strong>mit</strong> El Salvador<br />

(1987), Guatemala (1991), Kambodscha (1999), Mali (1993), Peru (1990)<br />

und Zypern (1999). Verhandlungen <strong>mit</strong> China sind im Gang. Die USA soll die<br />

Einfuhr von chinesischem Kulturgut verbieten, das vor 1911 hergestellt worden<br />

ist. 43<br />

Dass die US-amerikanischen Strafgesetze zum Schutz von irakischem Kulturgut<br />

nicht toter Buchstabe geblieben sind, zeigt ein Urteil eines New Yorker<br />

Bun<strong>des</strong>zivilgerichts vom 25. Oktober 2004. Ein amerikanischer Journalist stand<br />

vor dem Richter, weil er drei Rollsiegel mesopotamischer Herkunft in die USA<br />

geschmuggelt hatte, <strong>mit</strong> dem Wissen, dass sie aus dem Nationalmuseum in<br />

Bagdad entwendet wurden. 44<br />

In den USA ist der Kauf, Verkauf, Tausch und Transport von archäologischem<br />

Kulturgut grundsätzlich verboten, wenn das archäologische Material<br />

unter Verletzung von Bun<strong>des</strong>recht oder lokalem Recht gehandelt oder transportiert<br />

wurde. 45 Archäologische Objekte, die unter Verstoss <strong>des</strong> Gesetzes in Besitz<br />

genommen wurden, können eingezogen werden (section 8[b]: forfeiture).<br />

2. Vereinigtes Königreich<br />

a) Iraq (United Nations Sanctions) Order 2003<br />

Im Vereinigten Königreich gilt – da Mitgliedstaat der EU – einerseits die un<strong>mit</strong>telbar<br />

anwendbare EG Verordnung Nr. 1210/2003 46 und andererseits seit dem<br />

42 Vgl. hierzu webeR (Fn. 42), S. 242.<br />

43 heAtheR Russell/luciAn hARRis, Chinese request for import restrictions fails to dampen mood, The<br />

Art Newspaper, Mai 2005, S. 1.<br />

44 Der Schuldspruch soll der erste überhaupt sein betreffend die im April 2003 aus dem Bagdad Museum<br />

gestohlenen Artefakte; zu diesem Strafverfahren vgl. RogeR Atwood, Journalist Pleas Guilty to<br />

Smuggling, ARTnews, Oktober 2004, S. 76; MARtin bAiley (Fn. 13), S. 3.<br />

45 So Section 6(c) Archaeological Resources Protection Act of 1979, 16 U.S.C. 470aa–mm: «No person<br />

may sell, purchase, exchange, transport, receive, or offer to sell, purchase, or exchange, in interstate<br />

or foreign commerce, any archaeological resource excavated, removed, sold, purchased, exchanged,<br />

transported, or received in violation of any provision, rule, regulation, ordinance, or per<strong>mit</strong><br />

in effect under State or local law.» Zu diesem Gesetz vgl. J. l. fRiedMAn, A History of the Archaeological<br />

Resources Protection Act: Law and Regulations, American Archaeology 5 (2001) S. 82–<br />

119.<br />

46 Vgl. Fn. 33.<br />

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Artikel<br />

14. Juni 2003 die Vorschriften der Iraq (United Nations Sanctions) Order<br />

2003, 47 die der Konkretisierung der UNO-Resolution Nr. 1483 (2003) 48 dient.<br />

Section 8(1) <strong>des</strong> Order verbietet jegliche Ein- oder Ausfuhr von illegal aus<br />

dem Irak ausgeführtem Kulturgut. Jeder, der ein solches besitzt, muss den Besitz<br />

anzeigen, ausser der Besitzer wusste nicht und musste auch nicht annehmen,<br />

dass der Gegenstand ein aus dem Irak unrechtmässig ausgeführtes Kulturgut<br />

ist. Dieselbe Regelung gilt für den Handel (section 8[3]). Illegal bedeutet<br />

auch hier, dass Kulturgüter erst dann in den Anwendungsbereich <strong>des</strong> Order <strong>des</strong><br />

Vereinigten Königreiches fallen, wenn sie nach dem 6. August 1990 aus dem<br />

Irak unrechtmässig ausgeführt worden sind (section 8[4]).<br />

Section 8 ist auf jeden britischen Staatsbürger sowie jeden «British overseas<br />

territories citizen» und «British overseas citizen» anwendbar, auch wenn er ausserhalb<br />

<strong>des</strong> Vereinigten Königreichs gegen den Order verstösst (section<br />

1[4][a]).<br />

b) Dealing in Cultural Objects (Offences) Act 2003<br />

Noch weiter geht der Dealing in Cultural Objects (Offences) Act 2003 49 . Der<br />

am 30. Dezember 2003 in Kraft getretene Act stellt die Ein- und Ausfuhr, die<br />

Veräusserung und den Erwerb von Kulturgut unter Strafe. 50 Dabei spielt es<br />

keine Rolle, woher das Kulturgut stammt und ob der Täter weiss («know») oder<br />

annehmen muss («believe»), dass es sich um ein Kulturgut handelt (section<br />

2[3][a] und 1([2]). Das Objekt kann also irgendwo auf der Welt ausgegraben<br />

worden sein.<br />

Kulturgut ist je<strong>des</strong> Objekt von historischer, architektonischer oder archäologischer<br />

Bedeutung. Das Kulturgut ist «belastet», wenn es illegal ausgegraben<br />

oder aus einem Gebäude von historischer, architektonischer und archäologischer<br />

Bedeutung entfernt wurde (section 2[2][a]). Die Handlungen sind aber<br />

nur strafbar, wenn sie auch nach dem Recht <strong>des</strong> Ortes, wo das Kulturgut entfernt<br />

oder ausgegraben wurde, strafbar sind (section 2[2][b]). Das Gesetz ist<br />

nicht anwendbar auf «nur» geschmuggelte Kulturgüter und auf Kulturgutverluste<br />

aus Museen. 51<br />

47 The Iraq (United Nations Sanctions) Order 2003, S.I. 2003 No. 1519. Section 8 trägt die Überschrift<br />

«Illegally Removed Iraqi Cultural Property». Der Order trat am 14.6.2003 in Kraft. Zum Order vgl.<br />

KAtheRine syKes, Sudden and draconian, The Art Newspaper, Juli–August 2004, S. 23–24.<br />

48 Vgl. Fn. 22.<br />

49 Dealing in Cultural Objects (Offences) Act 2003 (ch. 27).<br />

50 Vgl. hierzu MARtin bAiley, A new law to fight the illicit trade, The Art Newspaper, Januar 2004,<br />

S. 8.<br />

51 Richtig daher siMon R.M. MAcKenzie, Going, Going, Gone: Regulating the Market in Illicit Anti-<br />

quities, Leicester 2005, S. 72.<br />

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Artikel<br />

Zu bestrafen ist jeder, der weiss oder annehmen muss, dass das Kulturgut<br />

unrechtmässig entfernt oder ausgegraben wurde (section 1 [1]), Verdacht («suspicion»)<br />

hingegen genügt nicht. Da die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand<br />

sehr hoch sind, werden es die Strafverfolgungsbehörden schwer haben,<br />

überhaupt Anklage zu erheben. Die Befürchtungen <strong>des</strong> britischen Kunsthandels,<br />

den Stellenwert als wichtiger Kunsthandelsplatz zu verlieren, sind <strong>des</strong>halb<br />

unbegründet. 52<br />

Der Act von 2003 gilt innerhalb Englands, Wales und Nordirlands 53 und ist<br />

nicht rückwirkend, ist also nicht anwendbar auf Kulturgüter, die im April 2003<br />

aus dem Nationalmuseum in Bagdad gestohlen wurden, sondern nur auf Kulturgüter,<br />

die nach dem 30. Dezember 2003 illegal ausgegraben oder aus einem<br />

architektonisch wertvollen Gebäude entfernt wurden.<br />

3. Schweiz<br />

Die Schweiz <strong>mit</strong> ihrem – nach den USA, Grossbritannien, Frankreich und<br />

Deutschland – weltweit fünftgrössten Kunsthandelsplatz 54 weist im Gegensatz<br />

zu anderen grossen Kunsthandelsnationen ein Regelungsdefizit betreffend den<br />

Schutz von Kulturgut auf. Das am 1. Juni 2005 in Kraft getretene Kulturgütertransfergesetz<br />

(KGTG) 55 schliesst eine Lücke, schafft Spezialnormen und ergänzt<br />

das Zivilgesetzbuch.<br />

Wie bereits gesehen, bedarf der erfolgreiche Rückgabeanspruch nach dem<br />

US-amerikanischen Modell, für welches sich auch die Schweiz entschieden hat,<br />

zweier Voraussetzungen: Erstens muss der Herkunftsstaat ein Vertragsstaat <strong>des</strong><br />

UNESCO-Übereinkommens sein, und zweitens muss der Herkunftsstaat <strong>mit</strong><br />

der Schweiz ein Zusatzabkommen (Vereinbarung i. S. <strong>des</strong> Art. 7 KGTG) abgeschlossen<br />

haben. 56<br />

52 Das Vereinigte Königreich steht weltweit an erster Stelle bezüglich Export von «heritage goods»<br />

bzw. zweiter Stelle betreffend Import; vgl. unesco institute foR stAtistics, International flows of<br />

selected cultural goods and services, 1994–2003. Defining and capturing the flows of global cultural<br />

trade, Montreal 2005, S. 76.<br />

53 Gemäss section 6(3) ist Schottland vom territorialen Anwendungsbereich ausgenommen.<br />

54 Im Jahr 2001 wurden in der Schweiz EUR 625 000 000 – entsprechend einem Anteil von 2,3% am<br />

Weltmarkt – durch Verkäufe von Kunstwerken umgesetzt; vgl. the euRoPeAn fine ARt foundAtion,<br />

Der europäische Kunstmarkt im Jahr 2002. Eine Studie, Helvoirt 2002, S. 31.<br />

55 Bun<strong>des</strong>gesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTG), SR 444.1, sowie Verordnung<br />

über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTV), SR 444.11; und hierzu MARc webeR, Bun<strong>des</strong>gesetz<br />

über den internationalen Kulturgütertransfer, ZSR nF 123 I (2004) S. 495–527; felix h.<br />

siegfRied, Internationaler Kulturgüterschutz in der Schweiz. Das Bun<strong>des</strong>gesetz über den internationalen<br />

Kulturgütertransfer, Bern 2006; PieRRe gAbus/MARc-AndRé Renold, Commentaire LTBC.<br />

Commentaire fédérale sur le transfert international <strong>des</strong> biens culturels (LTBC), Zürich 2006.<br />

56 So geschehen am 20.10.2006 <strong>mit</strong> Italien. Das Abkommen regelt die Einfuhr und die Rückführung<br />

archäologischer Objekte aus der Zeitspanne von 130 000 v. bis 1 500 n. Chr.; vgl. NZZ 21./22.10.2006,<br />

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Artikel<br />

Der Irak hat zwar das UNESCO-Übereinkommen von 1970 unterzeichnet,<br />

aber nicht in nationales Recht umgesetzt. Klagt also der Irak in der Schweiz auf<br />

Rückführung von Kulturgut aus dem Irak, so kann das KGTG nicht als Rechtsgrundlage<br />

angerufen werden. Schliesslich würde eine Rückgabe an der Nichtrückwirkung<br />

<strong>des</strong> Kulturgütertransfergesetzes (Art. 33 KGTG) scheitern.<br />

Da supranationales (Gemeinschafts-)Recht – <strong>mit</strong>hin die EG-Verordnung<br />

Nr. 1210/2003 – für die Schweiz keine Geltung hat, ist die Umsetzung der<br />

UNO-Resolution Nr. 1483 von besonderer Wichtigkeit. Der Schweizerische<br />

Bun<strong>des</strong>rat hat <strong>mit</strong> der Verordnung vom 28. Mai 2003 57 die Ein-, Durch- und<br />

Ausfuhr sowie den Verkauf, den Vertrieb, die Ver<strong>mit</strong>tlung, den Erwerb und die<br />

anderweitige Übertragung von <strong>irakischen</strong> <strong>Kulturgütern</strong> verboten, die seit dem<br />

2. August 1990 58 in der Republik Irak gestohlen wurden, gegen den Willen <strong>des</strong><br />

Eigentümers abhanden gekommen oder rechtswidrig aus der Republik Irak ausgeführt<br />

worden sind.<br />

Kann der Nachweis erbracht werden, dass sich das Kulturgut nach dem<br />

2. August 1990 in der Republik befunden hat, so wird die rechtswidrige Ausfuhr<br />

aus dem Irak vermutet. 59<br />

Der Verstoss gegen die Kulturgut-Vorschriften wird <strong>mit</strong> Gefängnis bis zu<br />

einem Jahr oder <strong>mit</strong> Busse bis zu CHF 500 000 bestraft (Art. 5 Abs. 1 der Verordnung<br />

i. V. m Art. 9 Abs. 1 Embargogesetz 60 ).<br />

4. Deutschland<br />

Deutschland hat weder das UNESCO-Übereinkommen von 1970 61 noch die<br />

UNIDROIT-Konvention von 1995 62 unterzeichnet. 63 Allerdings hat das Kabi-<br />

S. 16. Ein zweites Abkommen wurde am 28.12.2006 <strong>mit</strong> Peru abgeschlossen; vgl. NZZ<br />

30./31.12.2006, S. 13.<br />

57 Art. 1a Abs. 1 Verordnung über Wirtschaftsmassnahmen gegenüber der Republik Irak vom 7. August<br />

1990, SR 946.206, eingefügt durch Ziff. I der Verordnung vom 28.5.2003, AS 2003 1887.<br />

58 Es fällt auf, dass die bun<strong>des</strong>rätliche Verordnung vom 28. Mai 2003 (Fn. 58) den 2. August 1990<br />

[Datum <strong>des</strong> Einmarsches irakischer Truppen in das Emirat Kuwait] nennt und nicht den 6. August<br />

1990 [Datum der UN-Resolution Nr. 661 von 1990], wie es beispielsweise Art. 3 Abs. 2 lit. a VO<br />

(EG) Nr. 1210/2003 (Fn. 33) und Section 8(4) Iraq (United Nations Sanctions) Order 2003 (Fn. 48)<br />

tun.<br />

59 Art. 1a Abs. 2 Verordnung über Wirtschaftsmassnahmen gegenüber der Republik Irak vom 7. August<br />

1990, SR 946.206, eingefügt durch Ziff. I der Verordnung vom 28. Mai 2003, AS 2003 1887.<br />

60 Bun<strong>des</strong>gesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen, SR 946.231.<br />

61 Vgl. Fn. 28.<br />

62 Vgl. Fn. 30.<br />

63 Deutschland hat es bisher wegen verfassungsrechtlicher Bedenken abgelehnt, der UNIDROIT-Konvention<br />

von 1995 beizutreten; vgl. hierzu heinRich schweizeR, Die Position der Bun<strong>des</strong>republik<br />

Deutschland während der diplomatischen Konferenz zur Annahme <strong>des</strong> Entwurfs der Unidroit-Konvention<br />

über die internationale Rückgabe gestohlener oder illegal ausgeführter Kulturgüter von 1995<br />

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Artikel<br />

nett am 15. Februar 2006 den Entwurf zum Ausführungsgesetz zum UNESCO-<br />

Übereinkommen beschlossen. 64 Da Deutschland EU-Mitgliedstaat ist, gilt in<br />

Deutschland die VO (EG) Nr. 1210 vom 7. Juli 2003. Deutschland kennt weder<br />

eine Konkretisierung der VO (EG) Nr. 1210/2003 noch der UNO-Resolution<br />

Nr. 1483 (2003).<br />

C. Wirkungen von <strong>irakischen</strong> Kulturgutschutznormen<br />

im Ausland<br />

Gemäss dem <strong>irakischen</strong> Antikengesetz von 1936 65 sind archäologische Fundstücke<br />

zwar Staatseigentum, der irakische Staat kann aber sein Eigentum durch<br />

Ersitzung, Verjährung oder gutgläubigen Erwerb im Ausland verlieren. Die<br />

Ausfuhr jeglichen Kulturguts ist verboten (Art. 26 Satz 1). Exportverbote sind<br />

jedoch im Ausland als öffentliches Recht in der Regel nicht vollstreckbar. 66 Der<br />

Erwerb von irakischem Kulturgut unterliegt dem internationalprivatrechtlichen<br />

Grundsatz der lex rei sitae, wonach der Erwerb dem Recht <strong>des</strong> Staates unterliegt,<br />

in welchem das Gut im Zeitpunkt <strong>des</strong> Erwerbsvorgangs gelegen war. 67<br />

Wurde also ein irakisches Kulturgut vor dem 6. August 1990 (in der Schweiz<br />

vor dem 2. August 1990 68 ) unrechtmässig beispielsweise nach Italien verbracht<br />

und einem gutgläubigen Erwerber in Italien verkauft, so nützen auch die nahezu<br />

weltweit geltenden Spezialvorschriften über den Handel <strong>mit</strong> irakischem Kulturgut<br />

nichts. Denn diese Spezialvorschriften sind nur anwendbar, wenn das Kulturgut<br />

nach dem 6. August 1990 illegal ausser Lan<strong>des</strong> verbracht wurden. Auch<br />

das Staatsvertragsrecht hilft nicht weiter, weil Irak dem UNESCO-Übereinkommen<br />

von 1970 zwar beigetreten ist, es aber noch nicht ratifiziert hat und<br />

auch kein Vertragsstaat der UNIDROIT-Konvention von 1995 ist. Selbst wenn<br />

für den Irak beide Staatsverträge anwendbar wären, kämen sie in vielen Fällen<br />

nicht zum Tragen, da beide Konventionen nicht rückwirkend sind und Kultur-<br />

unter besonderer Berücksichtigung deutschen Verfassungsrechts, Kunst- und Urheberrecht 2 (2003)<br />

S. 25–41.<br />

64 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung <strong>des</strong> UNESCO-Übereinkommens vom 14. November<br />

1970 über Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und<br />

Übereignung von Kulturgut, Drucksache 159/06.<br />

65 Vgl. Fn. 36.<br />

66 Vgl. z.B. Attorney General of New Zealand v. Ortiz, [1982] 2 W.L.R. 10 (QB). Die englischen Lordrichter<br />

lehnten es ab, neuseeländisches Recht über die Ausfuhr von <strong>Kulturgütern</strong> in England durchzusetzen.<br />

67 Vgl. statt vieler giAn cARlo VentuRini, Property. [Chapter 21], in: International Encyclopedia of<br />

Comparative Law. Bd. 3 (Private International Law). Mouton etc. 1976, S. 1–37.<br />

68 Vgl. Fn. 59.<br />

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Artikel<br />

gut, das vor Inkrafttreten dieser Abkommen aus dem Irak unrechtmässig ausgeführt<br />

wurde, nicht rückgeführt werden muss.<br />

D. Grabungskontrolle <strong>mit</strong> Satellitentechnik<br />

Herkunftsländer werden durch Normen über die internationale Zusammenarbeit<br />

nicht von ihrer Pflicht befreit, das Kulturgut in ihrem Hoheitsbereich zu<br />

schützen. Internationale Normen, aber auch nationale Vorschriften allein lösen<br />

kein Problem. Obwohl der Schutz von Kulturgut letztlich von der Geldmenge<br />

abhängt, die der Staat aufbringen kann und will, um eigenes Kulturgut besser<br />

vor illegalen Grabungen und Schmuggel zu schützen, beginnt der effiziente<br />

Schutz schon vor Ort. Das illegale Graben nach archäologischem Material hat<br />

oft einen sozialökonomischen Aspekt. Weniger die Gier nach geldwerten Mitteln,<br />

sondern vielmehr die schlechten Lebensumstände in den Herkunftsstaaten<br />

zwingen die Grabräuber (tombaroli, haqueros) zu dieser strafbaren Tätigkeit.<br />

Die Herkunftsstaaten müssten ihr Kulturerbe selber besser schützen, und<br />

zwar bevor die Kulturgüter unrechtmässig in andere Staaten verbracht werden,<br />

die frem<strong>des</strong> Kulturgut weniger schützen als das ihrige. Unterstützung aus dem<br />

Ausland auf gegenseitiger Basis ist wohl eine sinnvolle und wahrscheinlich<br />

letztlich auch die einzig erfolgversprechende Lösung.<br />

Genau diesen Weg schlagen zurzeit China und Italien ein. Die beiden Staaten<br />

– übrigens beide Vertragsstaaten <strong>des</strong> bereits erwähnten UNIDROIT-Abkommens<br />

von 1995 – haben Ende Januar 2006 in Beijing ein Abkommen zur Verhinderung<br />

von Raubgrabungen und der unrechtmässigen Ausfuhr von<br />

Antiquitäten unterzeichnet. 69 Die beiden Staaten haben zudem Informationskanäle<br />

errichtet <strong>mit</strong> dem Zweck, den schnellen Datenaustausch betreffend<br />

Schmuggel von Kulturgut zu ermöglichen. Hierzu soll das Galileo Navigationssystem<br />

– im Bereich <strong>des</strong> Staatsvertrags dann Cultural Heritage Space Management<br />

System (CUSPIS) genannt – verwendet werden. Mit modernster europäischer<br />

Satellitentechnik wird also versucht, illegale Feldgrabungen früh zu<br />

entdecken.<br />

E. Bilaterale Abkommen zum Schutz von Kulturgut<br />

Für die Republik Irak besteht eine zweite – nur aber immerhin <strong>mit</strong>telbare – Möglichkeit,<br />

ihr Kulturerbe besser zu schützen. Irak könnte <strong>mit</strong> sog. Importstaaten –<br />

69 Vgl. luciAn hARRis, China and Italy team up to fight illicit trade, The Art Newspaper, März 2006,<br />

S. 1.<br />

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Staaten also, die Kulturgut importieren – bilaterale Vereinbarungen abschliessen.<br />

Diese Abkommen regeln das Verfahren der Rückführung und bestimmen, welche<br />

Kategorien von <strong>Kulturgütern</strong> zurückgegeben werden müssen. Beispielsweise<br />

haben die USA <strong>mit</strong> anderen Vertragsstaaten <strong>des</strong> UNESCO-Übereinkommens<br />

von 1970 bilaterale Abkommen über die Einfuhr von Kulturgut abgeschlossen. 70<br />

Gegenwärtig bestehen Zusatzabkommen zwischen den USA und süd- und<br />

zentralamerikanischen Staaten sowie <strong>mit</strong> Italien 71 . In dem auf fünf Jahre befristeten<br />

und kürzlich um weitere fünf Jahre verlängerten Abkommen USA–Italien<br />

72 sind nur archäologische Objekte Gegenstand einer Importbeschränkung,<br />

wenn es sich beim Schmuggelgut um Artefakte aus dem 9. Jh. v. Chr. bis 4. Jh.<br />

n. Chr. handelt. Im Gegenzug verpflichtet sich Italien, die Anzahl von Leihgaben<br />

an amerikanische Museen zu erhöhen.<br />

F. Rückgabevereinbarungen zwischen Staaten und<br />

Museen<br />

Die Unterzeichnung von Rückgabevereinbarungen betreffend Kulturgut, wie<br />

sie in jüngster Zeit erfolgt sind, 73 könnte Schule machen. Denn die behaupteten<br />

Ansprüche von Staaten auf Herausgabe von gestohlenen und/oder geschmuggelten<br />

<strong>Kulturgütern</strong> können gerichtlich oft nicht durchgesetzt werden. Einerseits<br />

kann Staatseigentum im Ausland durch einen gutgläubigen Erwerb verlo-<br />

70 Zuletzt <strong>mit</strong> Honduras am 12.3.2004 (Memorandum of Understanding between the Government of<br />

the United States of America and the Government of the Republic of Honduras Concerning the Imposition<br />

of Import Restrictions on Archaeological Material from the Pre-Columbian Cultures of<br />

Honduras, Federal Register 16.3.2004, 69(51): 12267–12271) sowie am 15.3.2006 <strong>mit</strong> Kolumbien<br />

(Memorandum of Understanding between the Government of the United States of America and the<br />

Government of the Republic of Colombia Concerning the Imposition of Import Restrictions on Archaeological<br />

Material from the Pre-Columbian Cultures and Certain Ecclesiastical Material from<br />

the Colonial Period of Colombia, Federal Register 17.3.2006, 71(52): 13757–13766). Letztere Vereinbarung<br />

verbietet die Einfuhr von archäologischem Material aus der Zeit zwischen 1500 v. Chr.<br />

und 1530; dieses und andere Zusatzabkommen sind abrufbar unter www.exchanges.state.gov/culprop/index.html<br />

(besucht am 31.12.2006). Zu anderen Zusatzabkommen vgl. webeR (Fn. 42),<br />

S. 238.<br />

71 Agreement between the Government of the United States of America and the Government of the<br />

Republic of Italy Concerning the Imposition of Import Restrictions on Categories of Archaeological<br />

Material Representing the Pre-Classical, Classical and Imperial Roman Periods of Italy vom<br />

19.1.2001, Federal Register 23.1.2001, 66(15): 7399–7402.<br />

72<br />

JAson edwARd KAufMAn, US renews agreement with Italy restricting imports of artefacts, The Art<br />

Newspaper, Februar 2006, S. 9.<br />

73 Am 21.2.2006 schloss Italien <strong>mit</strong> dem Metropolitan Museum of Art, New York, einen Vertrag zur<br />

Rückgabe von 20 Antiken nach Italien; vgl. J[Ason] e[dwARd] K[AufMAn], Metropolitan to return<br />

antiquities to Italy, The Art Newspaper, März 2006, S. 5. Das Abkommen ist abrufbar unter<br />

www.scoop.co.nz/stories/HL0602/S00265.htm (besucht am 31.12.2006).<br />

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ren gehen, 74 und andererseits sind fremde Exportverbote im Inland nicht zu<br />

vollstrecken. 75 Vor allem Italien hat während der letzten Jahre Druck auf amerikanische<br />

Museen ausgeübt. Es verlangt die Rückgabe hunderter archäologischer<br />

Objekte, die in amerikanischen Museen ausgestellt sind und die angeblich illegal<br />

in Italien ausgegraben wurden. 76<br />

H. Politisch motivierte Rückgaben von Kulturgut<br />

Da nicht selten ein Anspruch auf Rückgabe eines Kulturguts von nationaler<br />

Bedeutung an den Herkunftsstaat wegen Fehlens einer Rechtsgrundlage scheitert,<br />

versuchen die Herkunftsstaaten auf diplomatischem Weg, national bedeuten<strong>des</strong><br />

Kulturgut zurückzuerhalten. Dies geschah etwa 2002 in Äthiopien, als<br />

der italienische Staat die 1937 von Mussolinis Truppen gestohlene Stele von<br />

Axum nach über 60 Jahren zurückgegeben hat. 77<br />

I. Zusammenfassung<br />

1. Internationale Konventionen, supranationale Vorschriften der Europäischen<br />

Union und die UNO-Resolution Nr. 1483/2003 sowie deren konkretisierende<br />

nationale Vorschriften können zum Schutz archäologischer Kulturgüter<br />

und zum Schutz von Fundstätten vor Räubern und Dieben wenig beitragen.<br />

2. In den USA gelten präsidiale Executive Orders über Importbeschränkungen<br />

betreffend Kulturgut aus dem Irak. Der Emergency Protection for Iraqi Cultural<br />

Antiquities Act von 2004 ermächtigt zusätzlich den Präsidenten, bis am<br />

30. September 2009 Importbeschränkungen in Form von sog. Emergency<br />

Import Restrictions zu erlassen.<br />

3. Das Vereinigte Königreich kennt strenge Strafgesetze über den Handel <strong>mit</strong><br />

archäologischen <strong>Kulturgütern</strong>. Die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand<br />

sind hoch, so dass die Wirkung der Rechtsnormen beschränkt ist.<br />

4. In Deutschland gilt lediglich die VO (EG) Nr. 1210/2003. Es bestehen keine<br />

74 Vgl. z.B. Corte di cassazione 24.11.1995, n. 12166, Governo di Francia c. De Contessini e altri, Foro<br />

it. 1996, I, 1, 907, Riv.dir.int. 80 (1997) 515–519; Riv.dir.int.priv.proc. 33 (1997) 427: In Frankreich<br />

gestohlene Tapisserien waren nach französischem Recht unveräusserlich und konnten trotzdem in<br />

Italien gutgläubig erworben werden.<br />

75 Vgl. Fn. 67.<br />

76 Vgl. hierzu hugh eAKin, Looted Antiquites? Italy is claiming that hundreds of objects in American<br />

museums were illegally excavated, ARTnews, Oktober 2002, S. 122–129.<br />

77 Vgl. iAn liMbAch, The Axum Obelisk Returns, but Some Still Grumble, Archaeology, Juli/August<br />

2005, S. 10–11.<br />

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zusätzlichen Erlasse über den Handel <strong>mit</strong> <strong>irakischen</strong> <strong>Kulturgütern</strong>. Ein Ausführungsgesetz<br />

<strong>des</strong> UNESCO-Übereinkommens von 1970 ist in Vorbereitung.<br />

5. In der Schweiz gilt die bun<strong>des</strong>rätliche Verordnung über Wirtschaftsmassnahmen<br />

gegenüber der Republik Irak vom 7. August 1990 i. d. F. vom 28.<br />

Mai 2003. Das Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 2003 ist nicht rückwirkend<br />

und hilft bei Rückgabeprozessen nur, wenn der Herkunftsstaat<br />

ebenfalls ein Vertragsstaat <strong>des</strong> UNESCO-Übereinkommens von 1970 ist<br />

und <strong>mit</strong> der Schweiz eine Vereinbarung über die Rückführung von Kulturgut<br />

geschlossen hat.<br />

6. Archäologische Kulturgüter sind am besten an Ort und Stelle vom Herkunftsstaat<br />

zu schützen. Rechtliche Regelungen können eine Rechtsverfolgung<br />

erleichtern, aber kaum einen Dieb von seinem illegalen Tun abhalten.<br />

Nur die wirksame Durchsetzung rechtlicher Vorschriften <strong>des</strong> Herkunftsstaats<br />

kann Missstände beseitigen und deren Eintritt verhindern.<br />

7. Eine internationale Zusammenarbeit <strong>mit</strong> gemeinsamen technischen Mitteln<br />

wird dazu beitragen, Plünderungen von Fundstätten zu verhindern. Der Erlass<br />

von Strafgesetzen allein nützt dabei wenig.<br />

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