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Bericht - Neuenbürg

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Archäologische Aktivtäten am Schlossberg:<br />

Keltische Siedlung größer als bislang angenommen<br />

Dozent und Studenten der Universität Straßburg führten weitere Sondage-<br />

Grabungen durch / Reste keltischer Werkstatt- und Wohngebäude kommen<br />

zum Vorschein<br />

Der <strong>Neuenbürg</strong>er Schlossberg hat bedeutende Geschichte „geschrieben“, und zwar<br />

schon viele Jahrhunderte, bevor er überhaupt ein Schlossberg war. Denn rings um<br />

diesen Umlaufberg der Enz ist dank von Begehungen und speziellen Vermessungen<br />

wie mit Laser (vom Flugzeug aus) und Georadar ein Ringwall und ein<br />

Siedlungsgebiet der Kelten – vor rund 2500 Jahren – zum Vorschein gekommen.<br />

Aufgrund der diesjährigen, vom Land finanzierten Sondierungs- bzw. Lehrgrabungen<br />

von Archäologiestudenten und ihrem Dozenten Dr. Loup Bernard von der Universität<br />

Straßburg (Elsass) zeigt sich, dass diese keltische Siedlung mit Resten von Wohn-<br />

und Werkstattgebäuden weitaus umfangreicher ist als bislang angenommen. Durch<br />

neue Erkenntnisse und weitere spektakuläre Funde aus der prähistorischen Epoche<br />

gewinnt <strong>Neuenbürg</strong> diesbezüglich immer mehr an Bedeutung, zumal es sich um<br />

älteste keltische Zeugnisse im Mitteleuropäischen Raum handelt. Rund 80<br />

Verhüttungsplätze sind auf der heutigen Stadtgemarkung bekannt – die meisten im<br />

Bereich des Höhenstadtteils Waldrennach.<br />

<strong>Neuenbürg</strong> hat aufgrund der mehr als 2500 Jahre zurück reichenden bergbaulichen<br />

Vergangenheit und der inzwischen langjährigen archäologischen<br />

Forschungsgrabungen als Stadt des Eisens und der Kelten auch über Deutschlands<br />

Grenzen hinaus inzwischen einen guten Namen. Nun kommt zur keltischen<br />

Eisenerzgewinnung und Eisenverhüttung zusätzlich auch „Licht“ in die<br />

Siedlungsgeschichte dieser bislang grauen Vorzeit. Tatsache ist, dass sich am<br />

heutigen Schlossberg das eigentliche logistische Zentrum der keltischen<br />

Eisenproduktion mitsamt dem Vertriebsgeschehen befand. Somit werden also die<br />

von Archäologiestudenten vor drei Jahren am Nord- bzw. Nordwesthang<br />

begonnenen Grabungen immer wichtiger.<br />

Logistik am Schlossberg<br />

Denn bereits vor mehr als 2500 Jahren haben hier die Kelten in großem Umfang<br />

wertvolles, Sulfid freies Eisen- und Manganerz gegraben, verhüttet und weithin<br />

Handel damit betrieben. Sensationelle Funde und wissenschaftliche Erkenntnisse<br />

belegen, dass sich auf der heutigen <strong>Neuenbürg</strong>er Stadtgemarkung das älteste, wohl<br />

auch größte und bedeutendste keltische Eisenproduktionszentrum nördlich der<br />

Alpen, also im mitteleuropäischen Raum befindet. Dieses Wissen führte – neben den<br />

anderen archäologischen Grabungen im „Oberen Schnaizteich“ und im<br />

„Hirschgarten“ bei Waldrennach sowie im Grösseltal – auch zu den sogenannten<br />

archäologischen Sondierungs-Grabungen am Schlossberg.<br />

Der Grabungsleiter, Dr. Günther Wieland von der archäologischen Denkmalpflege<br />

des Regierungspräsidiums Karlsruhe, erläuterte zusammen mit dem<br />

Universitätsdozenten Dr. Loup Bernard während eines Besuchs von Bürgermeister<br />

Horst Martin „vor Ort“ die neuesten Erkenntnisse dieses Jahres über Art und Umfang


der Siedlung sowie der Funde dieser – bis in eine Tiefe von rund zwei Metern<br />

reichenden – Grabungen. Dr. Wieland wörtlich: „Vor über 2500 Jahren entstand hier<br />

ein eindrucksvolles prähistorisches Siedlungsgebiet und Eisen-Verarbeitungszentrum<br />

und dies ist eine ziemlich einzigartige Sache, die immer interessanter und<br />

bedeutsamer wird“. Vor allem deshalb, weil diese Reichhaltigkeit nördlich der Alpen<br />

einmalig sei. Ein erster Nachweis dafür sei ja bereits in den 30er-Jahren des<br />

vergangenen Jahrhunderts geliefert worden, als der Heimatforscher Dr. Emil Feiler<br />

bis dahin nicht bekannte Funde ausgegraben hat. Des Weiteren habe sich die<br />

Existenz eines solch umfangreichen keltischen Eisenzentrums verhärtet, als in den<br />

Jahren 1995/96 die Ausgrabung eines keltischen Verhüttungsofens im oberen<br />

„Schnaitzteich“, etwa zwei Kilometer vom Schlossberg entfernt, vorgenommen<br />

wurde.<br />

Über die Bauweise und Struktur der Siedlung am Schlossberg gibt es immer mehr<br />

spektakuläre Erkenntnisse. Fest steht, dass diese Siedlung mit den Wohn- und<br />

Werkstattgebäuden sehr bedeutend war. Es ist davon auszugehen, dass mindestens<br />

rund 1000 Einwohner am heutigen Schlossberg gesiedelt haben. Ziel der aktuellen<br />

Forschungen ist es also, immer mehr über diese Siedlung zu erfahren. Dazu<br />

verhelfen auch die Daten einer Befliegung durch das Landesvermessungsamt,<br />

wodurch ein Geländerelief entstand, auf dem ersichtlich ist, dass die Siedlung mit<br />

Wällen befestigt war. Außerdem zeigt das Relief, dass nicht nur die Südseite,<br />

sondern vor allem auch der nordwestliche Teil des Schlossberges besiedelt war.<br />

Reichlich Funde<br />

Durch die Sondage-Grabungen am Nordhang wurden auch diesmal verschiedene<br />

Kulturschichten freigelegt. Dabei kamen neben Eisenschlacken insgesamt rund 2000<br />

prähistorische Keramikscherben (darunter auch Scherben späterer Epochen wie z.<br />

B. von einem Kachelofen und einer Öllampe) zutage, die von Vasen und<br />

Kochgefäßen stammen. Manche dieser Scherben lassen darauf schließen, dass sie<br />

von gut betuchten keltischen Siedlungsbewohnern stammen. Interessant ist der Fund<br />

eines Schwungrädchens, Spinnwirtel genannt, der somit auf die Verarbeitung von<br />

Wolle hindeutet. Spektakulär ist der ausgegrabene sehr gut erhaltene Amboss-Stein,<br />

der deutliche Spuren der keltischen Eisenverarbeitung aufweist. Dies sind nur wenige<br />

Beispiele der diesjährigen Fundgegenstände, denn viele weitere – darunter auch<br />

verschiedene Metallgegenstände – müssen wissenschaftlich untersucht werden, um<br />

letztendlich Gewissheit über Art und Weise haben zu können.<br />

Bürgermeister Horst Martin zeigte sich sehr beeindruckt von den diesjährigen<br />

Grabungsergebnissen und auch darüber, dass der Student Steve Gentner bereits<br />

hervorragende 160 Seiten umfassende wissenschaftliche Darstellung bezüglich<br />

seiner Magisterarbeit geleistet hat und nun diese neuen Erkenntnisse mit einfließen<br />

lassen kann. Dr. Loup Bernard, völlig fasziniert von dieser großen<br />

montanhistorischen Vergangenheit in <strong>Neuenbürg</strong>, ist überzeugt, dass hier auf der<br />

Gemarkung nicht nur Verhüttung von Eisenerz stattfand, sondern am Schlossberg<br />

auch Produkte aus dem Roheisen hergestellt wurden. Wörtlich „Hier in <strong>Neuenbürg</strong><br />

haben nachweislich unterschiedliche Handwerker gearbeitet; unsere<br />

Grabungsergebnisse und diverse Funde belegen dies“. Obwohl wieder alle<br />

Sondierungsplätze zugedeckt wurden, werden die Grabungen in den nächsten


Jahren verstärkt weitergehen. Und zwar – wie Dr. Wieland sagte – an verschiedenen<br />

Plätzen des Schlossbergs gleichzeitig – übrigens auch am Ringwall, den es genauso<br />

zu erforschen gilt. Das gemeinsame Ziel der Archäologen Dr. Günther Wieland und<br />

Dr. Loup Bernard ist und bleibt, die wissenschaftliche Arbeit fortzuführen, um noch<br />

intensiver zu erfahren, wie die Kelten am heutigen Schlossberg gelebt, gearbeitet<br />

und Handel betrieben haben, aber auch um Vergleiche zu keltischen Siedlungen in<br />

den Vogesen herstellen zu können. Der Schlossberg ist aufgrund dieser<br />

Forschungen die am besten untersuchte Siedlung aus dieser Zeitstellung (Ende<br />

Hallstatt bzw. Frühlatené). Und er wird<br />

Bildunterschriften<br />

Dozent Dr. Loup Bernard (rechts) von der Uni Straßburg und Grabungsleiter Dr.<br />

Günther Wieland (links) von der archäologischen Denkmalpflege des<br />

Regierungspräsidiums Karlsruhe zusammen mit Bürgermeister Horst Martin beim<br />

Begutachten eines Fundes.


Neue Funde – neue Erkenntnisse über die Siedlung der Kelten am Schlossberg:<br />

Archäologiestudenten und ihr Dozent Dr. Loup Bernard von der Universität Straßburg<br />

bringen damit immer mehr „Licht ins Dunkel“ dieser bedeutenden grauen<br />

Vergangenheit <strong>Neuenbürg</strong>s vor rund 2500 Jahren. Das Bild zeigt (von rechts) Dr.<br />

Günther Wieland; Dr. Loup Bernard; Bürgermeister Horst Martin und Andreas<br />

Neuweiler (ehrenamtlicher Beauftragter für die archäologische Denkmalpflege).<br />

Ein überaus spektakulärer Fund – der gut erhaltene Ambossstein (rechts) mit den<br />

gut sichtbaren Spuren der Eisenverarbeitung.

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