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Barrierefreier Zugang zu Materialien naturwissen- schaftlicher ...

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<strong>Barrierefreier</strong> <strong>Zugang</strong> <strong>zu</strong> <strong>Materialien</strong> <strong>naturwissen</strong><strong>schaftlicher</strong><br />

Vorlesungen mit Hilfe von Wikis<br />

Karin Müller (SZS), Stefan Seifert (IISM), Till Fischer (IISM)<br />

Universität Karlsruhe (TH)<br />

Engesserstr. 4<br />

76131 Karlsruhe<br />

Abstract<br />

Der <strong>Zugang</strong> <strong>zu</strong> Vorlesungsmaterialien in <strong>naturwissen</strong>schaftlichen Fächern ist für Blinde<br />

ohne Hilfe kaum möglich. Besondere Barrieren stellen mathematische Formeln und Abbildungen<br />

dar. Um den <strong>Zugang</strong> <strong>zu</strong> diesen <strong>Materialien</strong> <strong>zu</strong> erleichtern, wurde an der Universität<br />

Karlsruhe (TH) eine Erweiterung für MediaWiki entwickelt. Diese Erweiterung erlaubt<br />

die Einbindung komplexer mathematischer Formeln, die von Screen-Readern und auf<br />

Braille-Displays in ihrem LaTeX-Quellcode <strong>zu</strong>sammen mit den anderen Textinhalten<br />

transparent wiedergegeben werden. Außerdem können <strong>zu</strong> allen Abbildungen Beschreibungen<br />

und alternative, beispielsweise taktile Grafiken hinterlegt werden. Ferner erlaubt<br />

das Wiki die Bearbeitung der Inhalte durch die Blinden selbst und verbessert damit ihre<br />

Integration in Lehrveranstaltungen mit Sehenden.<br />

1 Einleitung<br />

In natur- und ingenieurwissenschaftlichen Vorlesungen spielen mathematische<br />

Formeln und grafische Darstellungen wie Diagramme, Schaltpläne, Fotografien<br />

oder Zeichnungen eine wesentliche Rolle. Mit ihrer Hilfe können komplizierte<br />

Sachverhalte kompakt dargestellt, einfach erklärt und schnell erfasst werden. Für<br />

blinde Studierende bilden sie jedoch eine natürliche Barriere, die nicht nur hinsichtlich<br />

der Teilnahme an Präsenzveranstaltungen, sondern auch bei traditionellen<br />

Lehrmaterialien wie Folien, Skripten und Büchern besteht. Selbst wenn diese<br />

<strong>Materialien</strong> in digitaler Form vorliegen und Texte über Screen-Reader oder Braillezeilen<br />

wiedergegeben werden können, sind Formeln und Abbildungen ohne weitere<br />

textuelle Beschreibungen blinden Studierenden nicht <strong>zu</strong>gänglich, da sich<br />

grafische Elemente weder vorlesen noch von einer Braillezeile darstellen lassen.<br />

Aus diesem Grund sind sehgeschädigte Studierende in der Regel abhängig von<br />

persönlicher Assistenz oder von Einrichtungen, die diese Lehrmaterialien geeignet<br />

aufbereiten.<br />

Eine solche Aufbereitung ist mit erheblichem Aufwand und entsprechenden Kosten<br />

verbunden. Im praktischen Lehrbetrieb ergeben sich Probleme insbesondere<br />

aus der organisatorischen Trennung der Verantwortung für die fachlichen Inhalte<br />

der Lehrmaterialien und deren blindengerechte Aufbereitung. So erhalten blinde<br />

Studierende ihre Unterlagen im Vergleich <strong>zu</strong> den sehenden Kommiliton(inn)en<br />

erst mit zeitlicher Verzögerung. Daraus ergeben sich <strong>zu</strong>sätzliche Hürden, die es<br />

Blinden erschweren, dem Verlauf einer Lehrveranstaltung <strong>zu</strong> folgen und sich aktiv<br />

an ihr <strong>zu</strong> beteiligen. Außerdem fehlen meist hochwertige digitale Vorlagen,<br />

was einerseits den Prozess der Aufbereitung erschwert und andererseits die Qualität<br />

der Unterlagen schmälert. Liegt beispielsweise ein Skript nur in Papierform<br />

vor, so wird dieses in der Regel eingescannt und ein Fließtext mit Hilfe einer automatischen<br />

Texterkennung (OCR) generiert. Dieser Text ist selten fehlerfrei und<br />

insbesondere die aus wissen<strong>schaftlicher</strong> Sicht bedeutsamen Details, wie Indizes<br />

oder der Fettdruck von Symbolen, der beispielsweise Variablen von Vektoren un-<br />

- 1 -


terscheidet, gehen dabei verloren. Ferner fehlen Informationen über die Dokumentenstruktur<br />

wie Verzeichnisse, Überschriften oder Querverweise, die es dem<br />

Nutzer ermöglichen, sich schnell einen Überblick <strong>zu</strong> verschaffen und innerhalb<br />

des Dokuments <strong>zu</strong> navigieren. Dies gilt leider auch für viele PDF-Dokumente, die<br />

in den seltensten Fällen barrierefrei erzeugt werden. Ein <strong>zu</strong>sätzliches Problem<br />

liegt im Versionsmanagement der Dokumente: Vorlesungsunterlagen werden typischerweise<br />

jedes Semester überarbeitet, aber nicht vollständig neu erstellt.<br />

Hier ist jedes Mal durch mühsame Einzelprüfungen <strong>zu</strong> entscheiden, welche Passagen<br />

von früheren Versionen übernommen werden können und welche Absätze,<br />

Abbildungen und Formeln <strong>zu</strong> überarbeiten, neu dar<strong>zu</strong>stellen bzw. neu <strong>zu</strong> beschreiben<br />

sind.<br />

Die vorliegende Arbeit stellt das Projekt „Interaktive Gestaltung von<br />

Lehrveranstaltungen mit moderner IT-Technologie (IGeL)“ vor, das die<br />

genannten Herausforderungen adressiert und das im Wintersemester 2008/09 an<br />

der Universität Karlsruhe (TH) durchgeführt wurde. 1 Ziel des Projekts „IGeL“ war<br />

die kollaborative und interaktive Erstellung eines Vorlesungsskripts durch<br />

Studierende und Dozenten. Da eine der Vorlesungen des Projekts auch von<br />

einem blinden Studenten gehört wurde, sollte für diese Veranstaltung ein<br />

barrierefreier <strong>Zugang</strong> <strong>zu</strong>m Skript gewährleistet und eine aktive Mitarbeit des<br />

blinden Studenten ermöglicht werden.<br />

2 Das Projekt „IGeL“<br />

2.1 Hintergrund und Zielset<strong>zu</strong>ng<br />

Die Vorlesungsevaluation des WS 2007/08 der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften<br />

an der Universität Karlsruhe (TH) belegt u. a. das Bedürfnis der Studierenden<br />

nach vorlesungsbegleitenden Skripten. Darüber hinaus stellt der Bericht<br />

über die studentische Lehrevaluation eine allenfalls durchschnittliche Mitarbeit<br />

der Kommiliton(inn)en fest und merkt an, dass es „auch der studentischen Eigeninitiative<br />

und -verantwortung bedarf, eine Lehrveranstaltung ‚gut‘ bzw. ‚erfolgreich‘<br />

<strong>zu</strong> gestalten“. 2 Eine ähnliche Einschät<strong>zu</strong>ng vertreten auch Fadel und<br />

Lemke (2008) in ihrem Artikel <strong>zu</strong> verschiedenen Studien, welche die Interaktivität<br />

von Vorlesungen und den Einsatz multimedialer Hilfsmittel untersuchen.<br />

Demnach erzielen Studierende bessere Leistungen, wenn sie interaktiv in die<br />

Lehrveranstaltungen einbezogen und Transferleistungen gefördert werden. Vor<br />

diesem Hintergrund zielte das Projekt IGeL darauf ab, die Qualität der Lehre<br />

durch folgende Maßnahmen <strong>zu</strong> verbessern:<br />

1. Unterstüt<strong>zu</strong>ng bei der Erstellung und Pflege hochwertiger Vorlesungsunterlagen<br />

durch ein geeignetes Dokumentenverwaltungssystem;<br />

2. interaktive Einbindung der Studierenden in die Lehrveranstaltung durch<br />

eine Beteiligung an der Erstellung und Verbesserung von Lehrmaterialien;<br />

3. Anleitung <strong>zu</strong>m wissenschaftlichen Schreiben durch spezifisches Feedback.<br />

In einer Pilotstudie wurden in mehreren Vorlesungen unterschiedliche Wiki-<br />

Systeme und verschiedene Mechanismen <strong>zu</strong>r Schaffung von Anreizen <strong>zu</strong>r<br />

1<br />

Das Projekt wurde vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) aus Mitteln der<br />

Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert.<br />

2<br />

Der Bericht ist ein nicht-veröffentlichtes fakultätsinternes Papier.<br />

- 2 -


Mitarbeit getestet (vgl. hier<strong>zu</strong> Seifert et al., 2009). Der Fokus der vorliegenden<br />

Arbeit liegt auf einer Erweiterung <strong>zu</strong> MediaWiki, die im Rahmen von IGeL mit<br />

dem Ziel entwickelt wurde, einerseits ein Skript in hoher Druckqualität für die<br />

sehenden Studierenden <strong>zu</strong> erstellen und andererseits einen barrierefreien<br />

<strong>Zugang</strong> für Sehgeschädigte <strong>zu</strong> gewährleisten. Darüber hinaus sollten blinde<br />

Studierende in die Erstellung und Überarbeitung genauso wie ihre sehenden<br />

Kommiliton(inn)en eingebunden werden. In diesem Sinn knüpft die Arbeit an die<br />

Projekte MAVIS (Karshmer et al., 1999), Lambda (Edwards et al., 2006) oder<br />

MaWen (Archambault et al., 2007) an, die ebenfalls das Ziel verfolgen, die<br />

Zusammenarbeit zwischen blinden und sehenden Studierenden <strong>zu</strong> vereinfachen.<br />

Allerdings setzen diese Autoren auf Zusatzwerkzeuge, die beispielsweise Formeln<br />

in eine spezielle für Blinde lesbare Mathematikschrift umwandeln. Zielset<strong>zu</strong>ng in<br />

IGeL war es hingegen, soweit wie möglich auf verfügbare Technologien<br />

<strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>greifen. Ferner sollte es für die Nut<strong>zu</strong>ng nicht notwendig sein, spezielle<br />

Tools oder Beschreibungssprachen <strong>zu</strong> erlernen. In IGeL wurde das barrierefreie<br />

Wiki in der Vorlesung „Auktionstheorie“ eingesetzt, die eine besonders formale<br />

Ausrichtung besitzt. Aus diesem Grund lag auf der Darstellung von<br />

mathematischen Formeln ein besonderes Gewicht.<br />

2.2 Technische Anforderungen<br />

Aus der in Abschnitt 2.1 beschriebenen Zielset<strong>zu</strong>ng ergeben sich einige<br />

technische Anforderungen an ein Informationssystem, das die Erstellung und<br />

Wartung von Vorlesungsunterlagen unterstützt:<br />

1. Dezentraler <strong>Zugang</strong>, so dass Dozenten, Studierende und unterstützendes<br />

Personal gleichermaßen Lese- und Schreib<strong>zu</strong>griff erhalten. Sämtliche<br />

Änderungen sollten in Echtzeit allen Nutzern <strong>zu</strong>r Verfügung stehen.<br />

2. Datenformat, das je nach Ausgabe und Verwendungszweck unterschiedliche<br />

Versionen bzw. Medien unterstützt: z. B. punktorientierte Grafiken<br />

für den Online<strong>zu</strong>griff, hochwertige Vektorgrafiken für Printausgaben oder<br />

taktile Grafiken bzw. textuelle Ersatzbeschreibungen für Blinde.<br />

3. Einheitliches Repository mit einem integrierten Versionsmanagement auf<br />

einer möglichst filigranen Ebene, wie z. B. Abschnitten, Abbildungen,<br />

oder sogar einzelnen Formeln. Damit sollen redundante Arbeitsschritte,<br />

wie beispielsweise die Erstellung einer textuellen Ersatzdarstellung von<br />

Grafiken vermieden werden, wenn sich innerhalb eines Kapitels nur eine<br />

von mehreren Grafiken ändert.<br />

Diese Anforderungen legen den Einsatz eines Wikis nahe. Für das barrierefreie<br />

Wiki im Projekt IGeL wurde speziell MediaWiki als Basissystem gewählt. Media-<br />

Wiki ist eine der am häufigsten eingesetzten Wiki-Engines. Zu den Vorteilen zählen<br />

die zahlreichen frei verfügbaren Erweiterungen sowie die Möglichkeit, das<br />

MediaWiki-System durch eigene Erweiterungen <strong>zu</strong> ergänzen. Wie andere Wiki-<br />

Engines, unterstützt MediaWiki den dezentralen <strong>Zugang</strong>, die gleichzeitige kollaborative<br />

Arbeit 3 sowie ein weitreichendes Versionsmanagement. In Be<strong>zu</strong>g auf die<br />

obigen Anforderungen mussten daher lediglich für die unterschiedlichen Ausgabemedien<br />

spezifische Erweiterungen bereit gestellt werden. Darüber hinaus wurde<br />

die Unterstüt<strong>zu</strong>ng der Einbindung mathematischer Formeln verbessert.<br />

3<br />

Von den Problemen bei tatsächlich gleichzeitiger Überarbeitung derselben<br />

Abschnitte soll an dieser Stelle abgesehen werden.<br />

- 3 -


2.3 Erweiterungen für MediaWiki<br />

Aufgrund der hohen Eignung von Wikis für die kollaborative Dokumenterstellung,<br />

werden Wikis in verschiedenen Projekten eingesetzt, in denen (unter anderem)<br />

Dokumente für den Druck (typischerweise PDF-Dateien) generiert werden sollen.<br />

Einen solchen Ansatz, der auf PmWiki basiert und insbesondere auf multi-mediale<br />

Inhalte abzielt, wird von Gieseking und Vornberger (2008) vorgestellt. Ähnliche<br />

Projekte gibt es auch in Verbindung mit MediaWiki (z. B. Wikibooks).<br />

Die Erzeugung des PDFs erfolgt in IGeL automatisch, indem die Inhalte des Wikis<br />

aus der Datenbank ausgelesen, in LaTeX-Quelltexte übersetzt und serverseitig<br />

mit Standardprogrammen weiterverarbeitet werden. Die resultierende PDF-Datei<br />

wird dann <strong>zu</strong>m Download angeboten. Die Umwandlung der Wiki-Syntax in LaTeX<br />

beruht im Wesentlichen auf einfacher Texterset<strong>zu</strong>ng mit Hilfe regulärer Ausdrücke.<br />

So werden Wiki-Anweisungen (z. B. ... ) ebenso wie HTML-<br />

Formatangaben (z. B. ... ) durch entsprechenden LaTeX-Code (z. B.<br />

\footnote{ ... } bzw. \textit{ ... }) ersetzt. Etwas aufwändiger gestalten<br />

sich die Umwandlung von Tabellen, die Anbindung an BibTeX, die Erweiterung<br />

der mathematischen Funktionalität sowie die explizite Unterstüt<strong>zu</strong>ng unterschiedlicher<br />

Ausgabemedien für Sehende und Blinde. Die folgenden Abschnitte<br />

erläutern die aus Sicht des barrierefreien <strong>Zugang</strong>s besonders kritische Einbindung<br />

mathematischer Formeln und Abbildungen.<br />

2.3.1 Mathematische Formeln<br />

Formeln sind grundsätzlich schwer barrierefrei darstellbar. Typischerweise<br />

werden linearisierte textbasierte Formate in Marburg Braille, ASCII-Mathematikschrift,<br />

Nemeth oder LaTeX-Code eingesetzt. In IGeL wurde die Darstellung in<br />

LaTeX-Code gewählt, da dieser den meisten blinden und sehenden Studierenden<br />

bekannt ist und folglich keine neue Barriere schafft.<br />

MediaWiki bietet standardmäßig eine Unterstüt<strong>zu</strong>ng für mathematische Formeln.<br />

Mit Hilfe des Programms texvc von Tomasz Wegrzanowski wird LaTeX-Code<br />

innerhalb des Tagpaares ... geparst und geprüft, ob eine<br />

Darstellung in HTML möglich ist. Anderenfalls wird der LaTeX-Code von einem<br />

LaTeX-Compiler übersetzt und als Bild im PNG-Format eingebunden. Während<br />

diese Methode für viele Fälle ausreichend und – insbesondere durch die HTML-<br />

Darstellung – optisch recht ansprechend ist, eignet sie sich für ein Vorlesungswiki<br />

und die Skripterstellung nur bedingt. Zum einen werden identische Symbole u.<br />

U. unterschiedlich dargestellt: Beispielsweise ersetzt MediaWiki \Omega<br />

durch das HTML-Zeichen &Omega;, andererseits wird <br />

\sqrt{\Omega} als Bild eingebunden und dabei das ‚Ω‘-Zeichen größer<br />

und in einer anderen Schriftart als in der HTML-Variante dargestellt. Weitere<br />

Schwächen der Standardvariante liegen in dem begrenzten Sprachumfang von<br />

texvc: Viele LaTeX-Anweisungen wie beispielsweise der Abstand \enspace<br />

führen <strong>zu</strong> Fehlermeldungen. Ebenso sind keine mehrzeiligen Formeln und keine<br />

Formelnummerierungen vorgesehen.<br />

Aus diesem Grund wurde in IGeL ein <strong>zu</strong>sätzliches ... -<br />

Tagpaar bereit gestellt, das die Eingabe von beliebigem nativen LaTeX-Code<br />

erlaubt. Insbesondere beschränkt sich dieses Tag nicht auf Formeln. Daher muss<br />

auch die Umschaltung in den mathematischen Modus explizit angegeben werden.<br />

Dabei kann der Nutzer zwischen Inline- ($...$) und abgesetzten Formeln (z. B.<br />

\begin{eqnarray} ... \end{eqnarray}) wählen. Abbildung 1<br />

zeigt<br />

- 4 -


eispielhaft die grafische Anzeige des eingebetteten Bildes im Wiki <strong>zu</strong> der<br />

Anweisung:<br />

\begin{eqnarray} E[X] & = & \int_0^1 x\; dx\\ & =<br />

& \frac{1}{2}\end{eqnarray}<br />

Abbildung 1: Anzeige einer LaTeX-Formel im Wiki<br />

Blinden Nutzern wird – wie beim -Tag von MediaWiki – der <strong>Zugang</strong> <strong>zu</strong><br />

Formeln dadurch gewährt, dass der entsprechende LaTeX-Code in das alt-<br />

Attribut des -Tags übernommen wird. Nicht-grafische Wiedergabegeräte<br />

wie Screen-Reader oder Braillezeilen geben damit den LaTeX-Code akustisch<br />

oder in Braille aus.<br />

2.3.2 Abbildungsbeschreibungen<br />

Durch Bilder und Grafiken erhalten Sehende einen visuellen <strong>Zugang</strong> <strong>zu</strong><br />

Lerninhalten. Ihr Einsatz sorgt nicht nur für eine attraktive und<br />

abwechslungsreiche Lehre. Vielmehr fördert die Verwendung von Grafiken in<br />

Ergän<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> reinen Textinhalten das Verständnis für den Lernstoff und erhöht<br />

die Transferleistung der Studierenden (vgl. z. B. Tindall-Ford, Chandler und<br />

Sweller, 1997). Blinden ist dieser visuelle <strong>Zugang</strong> verschlossen.<br />

Um Blinden dennoch die in den Bildern enthaltene Information <strong>zu</strong>gänglich <strong>zu</strong><br />

machen, müssen diese aufbereitet, d. h. textuell beschrieben oder durch Ersatzdarstellungen<br />

ergänzt werden. MediaWiki stellt standardmäßig die im Bildbefehl<br />

angegebene Beschreibung als alt-Attribut für das Bild <strong>zu</strong>r Verfügung. So wird z.<br />

B. der Befehl [[image:FlowerAuction.jpg|Blumenauktion in den<br />

Niederlanden]] von MediaWiki als in die HTML-Ausgabe übernommen.<br />

Nachteilig ist daran, dass Nutzer hier typischerweise kompakte<br />

Bildbeschreibungen hinterlegen, die eher etwas über das Bild aussagen als den<br />

Inhalt des Bildes beschreiben. Folglich werden diese Beschreibungen in IGeL<br />

auch als Bildunterschriften bzw. Bildtitel im Abbildungsverzeichnis des<br />

gedruckten Vorlesungsskripts für die Sehenden Studierenden verwendet.<br />

Für Blinde wurde die Online-Darstellung von MediaWiki dahingehend erweitert,<br />

dass ein anderer Text für das alt-Attribut verwendet wird. Interessanter Weise<br />

kann nämlich in MediaWiki <strong>zu</strong> jeder hochgeladenen Datei ein beliebiger Freitext<br />

angegeben werden. Dieser Eintrag bietet sich für eine blindengerechte<br />

Beschreibung an, die von geschultem Personal oder von Kommiliton(inn)en ins<br />

Wiki eingestellt werden kann. Abbildung 2 zeigt das Bild einer holländischen<br />

Blumenauktion mit einer textuellen Alternativdarstellung.<br />

2.3.3 Alternativgrafiken<br />

Eine Alternative <strong>zu</strong>r textuellen Beschreibung sind taktile Grafiken, die Blinde mit<br />

ihrem Tastsinn lesen. Für die taktile Aufbereitung wird eine Originalgrafik in<br />

einem Vektor-orientierten Format benötigt. Aus diesem Grund wurde in IGeL<br />

eine Grafikverwaltung in MediaWiki integriert, die es erlaubt, <strong>zu</strong> jeder Grafik<br />

verschiedene Versionen <strong>zu</strong> hinterlegen. Z. B. kann eine Grafik in CorelDraw<br />

- 5 -


Abbildung 2: Beispiel eines Bildes im Auktionstheorie-Wiki 4 mit einer<br />

entsprechenden Bildbeschreibung<br />

erstellt werden; aus dieser Grafik wird dann für die Onlineversion eine PNG- und<br />

für die Printversion eine EPS-Grafik erzeugt. Die Wiki-Software wählt für die<br />

unterschiedlichen Ausgabemedien jeweils das geeignetste Format aus. Zusätzlich<br />

können weitere Versionen, wie z. B. taktile Grafiken für den Ausdruck auf einem<br />

taktilen Drucker hinterlegt werden. Abbildung 3 zeigt ein Beispiel: Die<br />

Originalgrafik ist links, die taktile Version rechts <strong>zu</strong> sehen. Bei letzterer ist der<br />

Prägedruck durch Punkte angedeutet (unterschiedliche Farben werden durch eine<br />

unterschiedliche Höhe der Prägung umgesetzt). Die zentrale Grafikverwaltung<br />

innerhalb des Wiki-Systems hat außerdem den Vorteil, dass Einrichtungen, die<br />

für die Unterstüt<strong>zu</strong>ng sehgeschädigter Studierender <strong>zu</strong>ständig sind, auf<br />

Originalgrafiken <strong>zu</strong>rückgreifen können, die ihnen sonst nicht <strong>zu</strong>r Verfügung<br />

stehen.<br />

Mehrgüterauktionen 2. Schritt<br />

f(w)<br />

p t = 3<br />

E[W]<br />

Nutzen kleine Lizenz<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wert/Preis [GE]<br />

v klein<br />

Nutzen große Lizenz<br />

v groß<br />

Abbildung 3: Grafik in zwei Varianten: visuelle Version (links), taktile Version (rechts)<br />

4<br />

Foto: http://www.panoramio.com/photo/3318282, Nutzer costablancascuba.<br />

- 6 -


3 Zusammenfassung und Ausblick<br />

Im vorliegenden Beitrag wurden Erweiterungen für MediaWiki vorgestellt, die sich<br />

für den Betrieb von barrierefreien Wikis und die kollaborative Erstellung von<br />

Vorlesungsskripten eignen. Im Projekt IGeL wurde ein solches Wiki in der<br />

Vorlesung Auktionstheorie eingesetzt und von sehenden und einem blinden<br />

Studenten genutzt. Entstanden ist dabei ein Skript von über 100 Seiten.<br />

Die wesentlichen Neuerungen bestehen darin, blinden Studierenden diese<br />

<strong>Materialien</strong> ohne zeitliche Verzögerung <strong>zu</strong>r Verfügung <strong>zu</strong> stellen und sie darüber<br />

hinaus in die Erstellung der Unterlagen <strong>zu</strong> integrieren. Insbesondere in Hinblick<br />

auf Formeln und Abbildungen wurden <strong>Zugang</strong>sbarrieren abgebaut. Verbessert<br />

wurde über das zentrale Dokumentenmanagementsystem auch die<br />

Zusammenarbeit zwischen Dozenten und Einrichtungen, die sehgeschädigte<br />

Studierende in ihrem Studium unterstützen.<br />

Das Projekt soll im kommenden Semester fortgeführt werden. Dabei sollen<br />

einerseits die Unterlagen weiter verbessert und andererseits auch technische<br />

Erweiterungen geprüft werden. Zu den möglichen Verbesserungen gehören<br />

Schlagworte in einer Marginalspalte, die einerseits die Unterlagen für Sehende<br />

übersichtlicher gestalten und andererseits Blinden als <strong>zu</strong>sätzliche Navigationshilfe<br />

dienen können. Darüber hinaus ist LaTeX als Mathematikschrift umstritten, da<br />

der LaTeX-Quellcode Layoutinformationen und Inhalte miteinander vermischt.<br />

Möglich wäre, den LaTeX-Code vor der Verwendung im alt-Attribut von Grafiken<br />

<strong>zu</strong> filtern und durch eine kompaktere und leichter lesbare Beschreibung <strong>zu</strong><br />

ersetzen.<br />

4 Literaturverzeichnis<br />

Archambault, Dominique; Stöger, Bernhard; Batusic, Mario; Fahrengruber, Claudia;<br />

Miesenberger, Klaus (2007): A software model to support collaborative<br />

mathematical work between braille and sighted users. In: Proceedings<br />

of the Ninth International ACM SIGACCESS Conference on Computers and<br />

Accessibility, S. 115.<br />

Edwards, Alistair D. N., McCartney, Heather & Fogarolo, Flavio (2006): Lambda:<br />

a multimodal approach to making mathematics accessible to blind students.<br />

In: Proceedings of the Eighth International ACM SIGACCESS Conference<br />

on Computers & Accessibility, S. 48-54.<br />

Fadel, Charles; Lemke, Cheryl (2008): Multimodal Learning through Media: What<br />

the Research Says. Cisco Systems, Inc.<br />

Gieseking, Martin; Vornberger, Oliver (2008): Zwillings-Dokumente. PDF und<br />

HTML aus einer Vorlage generieren. In: c't, Heft 18, S. 186-190.<br />

Karshmer, Arthur; Gupta, Gopal; Geiger, Sandy; Weaver, Chris (1999): Reading<br />

and Writing Mathematics: The MAVIS Project. In: Behaviour and Information<br />

Technology, S. 2-10.<br />

Seifert, Stefan; Krämer, Jan; Mazarakis, Athanasios (2009): Anreize <strong>zu</strong>r Nut<strong>zu</strong>ng<br />

von Wikis in der Hochschullehre: Ergebnisse eines Pilotprojekts. Arbeitspapier,<br />

Universität Karlsruhe (TH).<br />

Tindall-Ford, Sharon; Chandler, Paul; Sweller, John (1997): When two sensory<br />

modes are better than one. In: Journal of Experimental Psychology: Applied,<br />

3(4), 257-287.<br />

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