Öffentlicher Sektor - Institut für soziale Gegenwartsfragen
Öffentlicher Sektor - Institut für soziale Gegenwartsfragen
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B - Zentrale Fragen<br />
1. Ist die Ertragsteilung Grundlage jedes Systems <strong>soziale</strong>r<br />
Sicherung? Wie müssten die grundsätzlichen<br />
Überlegungen zum Umbau der <strong>soziale</strong>n Sicherung<br />
im Konfliktfeld von individueller Verantwortung und<br />
gesellschaftlicher Solidarität aussehen?<br />
2. Ist der primäre Gesichtspunkt beim Sozialausgleich,<br />
dass er Menschenrecht ist oder ist er eine Zuwendung<br />
nach Kassenlage des Staates? Ist eine Bedürfnisprüfung<br />
bei Leistungen der Sozialen Sicherung erforderlich, um<br />
Missbrauch zu verhindern oder ist eine Bedürfnisprüfung<br />
unvereinbar mit der Menschenwürde?<br />
3. Ist die Aufgabe des Sozialausgleichs die Lebensstandardsicherung<br />
oder die Gewährleistung<br />
<strong>soziale</strong>r Mindeststandards mit der Möglichkeit,<br />
sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen?<br />
Wie und von wem werden ggf. gesellschaftliche<br />
Mindeststandards festgelegt? Durch Gesetze und<br />
Verordnungen, Volksentscheide, Rechtsprechung,<br />
Experten, Verbände der Wirtschaft?<br />
4. Wenn Lebensstandardsicherung nicht die Aufgabe<br />
des Sozialausgleichs ist, welche Formen der<br />
Zusatzsicherung kommen dann in Frage?<br />
5. Soll die Soziale Sicherung durch Schenkgeld<br />
finanziert werden oder ist eine Finanzierung über<br />
Kaufgeld in bestimmten Bereichen vorzuziehen (Beispiele:<br />
Bildung, Pflege, Gesundheitsleistungen) ? Wer<br />
entscheidet das nach welchen Kriterien?<br />
6. Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn<br />
der Sozialausgleich als gesellschaftliche und nicht<br />
primär als staatliche Aufgabe verstanden wird?<br />
Welche Formen der Selbstverwaltung wären dann<br />
erforderlich?<br />
C. Weitere Fragen<br />
7. Wäre die „Arbeitslosenversicherung“ ein guter Bereich<br />
der Sozialen Sicherung, um eine Umstellung auf<br />
eine mehrwertsteuerartige Finanzierung zu erproben?<br />
8. Sollte das vielfältige System <strong>soziale</strong>r Sicherung<br />
durch einen einheitlichen Sozialausgleich in Form eines<br />
bedingungslosen Grundeinkommens ersetzt werden?<br />
9. Welche Form der Finanzierung des Sozialausgleichs<br />
ist anzustreben? (Vertiefung im 5. Gesprächsabschnitt)<br />
D. Welche Themen wären in<br />
weiteren Workshops zu vertiefen?<br />
› Inhaltliche Gestaltung der einzelnen Bereiche der<br />
<strong>soziale</strong>n Sicherung<br />
› Finanzierungsformen, vor allem Einkommensteuer,<br />
Verbrauchssteuer, Ausgabensteuer<br />
› Organisation einer direkten Ertragsteilung bei der<br />
Entstehung der Wertschöpfung<br />
› Verhältnis von individueller Lebensgestaltung und<br />
-verantwortung einerseits und Sozialausgleich<br />
andererseits.<br />
Sozialausgleich<br />
Sozialausgleich<br />
Inhaltliche Bestimmung und Finanzierung<br />
(Thesen/Fragen von Prof. Dr. Andrè Bleicher)<br />
(1) Gesellschaftliche Koordinationsformen der Moderne<br />
sind: Reziprozität (Gabe und Gegengabe<br />
sensu Marcel Mauss, mit der spezifischen Charakteristik,<br />
dass im Ungewissen bleibt, wie schnell und<br />
in welcher Höhe die Gegengabe erfolgt, Redistribution<br />
und Markttausch (Systematik stammt von Karl<br />
Polanyi). - Diese Modi lassen sich, in unterschiedlichem<br />
Zusammenspiel, in allen Gesellschaften der<br />
Moderne wiederfinden. Der Sozialausgleich findet<br />
Ausdruck in diesen Koordinationsformen.<br />
(2) Reziprozität stellt den vergessenen gesellschaftlichen<br />
Koordinationsmodus dar, welcher im Zuge<br />
der sich einerseits verstärkenden Vermarktlichung<br />
und andererseits dem Bestreben, die Folgen derselben<br />
mittels Redistribution abzumildern, aus dem<br />
Bewusstsein getilgt wurde.<br />
(3) Wie kann Sozialausgleich stattfinden? Durch<br />
Redistribution, durch Reziprozität und mittels Gestaltung<br />
des ökonomischen Prozesses.<br />
(4) Die Grundidee des <strong>soziale</strong>n Organismus (Rudolf<br />
Steiner) beschreibt drei aufeinander bezogene<br />
gesellschaftliche Systeme: Das Geistesleben als<br />
dem Ort der Entwicklung, Wiederherstellung und<br />
Erhaltung von Fähigkeiten (im weitesten Sinne), das<br />
Wirtschaftsleben als Ort der Produktion von Wirtschaftsgütern.<br />
Sowie das Rechts- oder Staatsleben<br />
als Ort des staatlichen strukturierenden Handelns.<br />
Vor diesem Hintergrund wäre somit zu bestimmen,<br />
wie Sozialausgleich innerhalb dieses Konzeptes<br />
erfolgen kann:<br />
a. Das Verhältnis von Wirtschaftsleben zu Geistesleben<br />
ist reziprok gestaltet als ein Verhältnis von<br />
Gabe und Gegengabe. Ein Beispiel: Das Geistesleben<br />
ist - auf die Gegenwart bezogen - immer<br />
konsumtiv, d.h. es bekommt sein Einkommen<br />
geschenkt. Die Gegengabe erfolgt zu einem<br />
späteren Zeitpunkt und hinsichtlich Höhe und zeitlicher<br />
Distanz unbestimmt - es handelt sich somit<br />
um ein idealtypisches Verhältnis von Gabe und<br />
Gegengabe, das auf dem Reziprozitätsmodus<br />
basiert. Hierunter zu subsumieren sind Formen des<br />
Sozialausgleiches, wie etwa Gesundheitssystem<br />
oder die Altersrente.<br />
b. Das Verhältnis von Wirtschaftsleben und Staat<br />
ist klassisch eines der Redistribution, d.h. des<br />
Sozialausgleiches durch Umverteilung.<br />
c. Sozialausgleich innerhalb des Wirtschaftslebens<br />
kann etwa erfolgen, indem Produktivitätsfortschritte<br />
in Preissenkungen weitergereicht werden,<br />
anstatt diese zu privatisieren.<br />
(5) Beispiel Gesundheitssystem: Im Zusammenspiel<br />
von Patient und Arzt werden (organische, psychische<br />
oder geistige) Fähigkeiten wieder hergestellt (also<br />
GL). Dieser Prozess wird finanziert durch Leistungen<br />
Sozialimpulse 1/12 19