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<strong>Originalarbeit</strong><br />

Datum der Einreichung: 28.8.2007<br />

Veröffenlicht in: Fortschr Neurol Psychiat 2008; 76; 160-165<br />

Nützen Behandlungsempfehlungen in psychiatrischen<br />

versicherungsrechtlichen Gutachten?<br />

Autoren: C. Nussbaum 1 , A. Riecher-Rössler 2 , L. Grize 3 , T. Apfel 4<br />

1 Medizinische Fakultät der Universität Basel<br />

2 Psychiatrische Universitätspoliklinik Basel<br />

3 Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Basel<br />

4 Privatklinik Hohenegg, Meilen<br />

Institut: Psychiatrische Universitätspoliklinik Basel (Chefärztin: Prof. Dr. med.<br />

A. Riecher-Rössler)<br />

Korrespondenzadresse<br />

Prof. Dr. med. A. Riecher-Rössler, Psychiatrische Universitätspoliklinik, Petersgraben<br />

4, CH - 4031 Basel, ariecher@uhbs.ch<br />

Die Studie wurde unterstützt durch einen Klinikkredit des Universitätsspit<strong>als</strong> Basel<br />

1/21


Zusammenfassung<br />

Hintergrund: Die Gesamtzahl der Rentenbezüger – insbesondere auch aus<br />

psychischen Gründen – stieg in den letzten Jahren in der Schweizerischen<br />

Invalidenversicherung (IV) zunehmend an. Wie wir in einer früheren<br />

Untersuchung zeigen konnten, werden psychiatrische Gutachten aber häufig<br />

angefordert, ohne dass die Betroffenen vorher psychiatrisch adäquat behandelt<br />

wurden [1].<br />

Wir begannen deshalb in eigenen psychiatrischen Gutachten, Berentungen<br />

zunächst nur zeitlich begrenzt zu empfehlen und mit Behandlungsempfehlungen<br />

zu verknüpfen.<br />

Fragestellung: In vorliegender Studie wurde nun untersucht, ob und mit<br />

welchem Erfolg diese Behandlungsempfehlungen umgesetzt werden.<br />

Methodik: 40 Exploranden, die im Jahr 2004 an der Psychiatrischen<br />

Universitätspoliklinik Basel im Auftrag der Invalidenversicherung Basel Stadt<br />

begutachtet wurden, sowie ihre zuweisenden Ärzte erhielten<br />

Behandlungsempfehlungen. Die Exploranden wurden 2005 wiederbegutachtet.<br />

Ergebnisse: Bei der Wiederbegutachtung waren mit 58% deutlich mehr<br />

Patienten in psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung <strong>als</strong> bei der<br />

Erstbegutachtung mit 32%. Die empfohlene medikamentöse Behandlung wurde<br />

nur in 43% der Fälle umgesetzt; die empfohlene psychotherapeutische<br />

Behandlung nur bei 9%; ein empfohlener Klinikaufenthalt bei 14%.<br />

Bei 33% der Patienten hatte sich die Symptomatik im Laufe des<br />

Beobachtungsjahres deutlich abgeschwächt oder war nicht mehr vorhanden; bei<br />

9% hatte sie sich verstärkt.<br />

Es zeigte sich aber kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der<br />

Compliance bzgl. unseren Behandlungsempfehlungen einerseits und der<br />

Änderung der Krankheitsausprägung andererseits.<br />

Als stärkster Einflussfaktor auf die Krankheitsausprägung wurde die<br />

Partnerschaft identifiziert: bei Probanden mit fester Partnerschaft entwickelte sich<br />

der Krankheitsverlauf während des Beobachtungsjahrs signifikant besser <strong>als</strong> bei<br />

Exploranden ohne feste Partnerschaft.<br />

2/21


Do treatment recommendations make a difference in the outcome of<br />

disability insurance-related psychiatric expertises?<br />

Abstract<br />

Background: In recent years the total number of people drawing a pension –<br />

especially of psychiatric reasons – from Switzerland's Federal Disability<br />

Insurance ("IV") has been steadily climbing. As we in earlier studies revealed, of<br />

persons applying for a disability pension for psychiatric reasons only 64%<br />

received psychiatric treatment and only 20% received adequate drug therapy [1].<br />

Hypothesis: In this study we examined in a 1-year follow-up whether, and if so,<br />

how successful the treatment recommendations made by the medical experts<br />

were followed.<br />

Methods: In 40 patients who had got a psychiatric expertise in 2004 at the<br />

Psychiatric Outpatient Clinic, University of Basel in behalf of the Swiss Disability<br />

Insurance, a 1-year follow-up was done and the results were compared.<br />

Results: At reassessment significantly more patients (58%) were in psychiatricpsychotherapeutic<br />

treatment than at first assessment (32%). The recommended<br />

drug treatments were fully complied with in 43% of the cases; the recommended<br />

psychotherapy in 9% of the cases; and recommended in-patient treatment at a<br />

psychiatric hospital in 14% of the cases.<br />

During the time between evaluations, the seriousness of the condition had<br />

altered in a number of cases: in 33% the condition had noticeably improved (e. g.<br />

from severe to mild depression) or was no longer present, and in 9% the<br />

condition had worsened (e. g. from mild to severe depression).<br />

No significant relationship was found between compliance (full, partial or no<br />

implementation of recommended treatments) and change in the diagnosis.<br />

At follow-up, the change in diagnosis had developed significantly better in<br />

subjects who were married or living with a partner than in subjects who were not.<br />

Schlüsselwörter<br />

Invalidenversicherung - Invalidenrente - psychiatrisches Gutachten -Compliance -<br />

Medikamentenspiegel<br />

3/21


disability insurance - disability pension - psychiatric expertise - compliance - drug<br />

monitoring<br />

4/21


Einführung<br />

Die Gesamtzahl der Rentenbezüger in der Schweizerischen<br />

Invalidenversicherung (IV) stieg in den letzten Jahren zunehmend, sowohl im<br />

Hinblick auf Berentungen aufgrund psychischer Erkrankungen <strong>als</strong> auch im<br />

Hinblick auf alle Berentungsursachen. Zwar ist in beiden Gruppen seit 2004 ein<br />

Rückgang der Neuberentungen festzustellen (Tabelle 1); da jedoch die Anzahl<br />

der Neurenten immer noch grösser war <strong>als</strong> die Anzahl der Rentenabgänge, stieg<br />

die Gesamtzahl auch seither weiter an [2].<br />

- <strong>hier</strong> Tabelle 1 einfügen -<br />

Eine ähnliche Tendenz der Rentensteigerung zeigte sich in den letzten Jahren<br />

auch international, z. B. in Belgien, Kanada, Deutschland, den Niederlanden und<br />

Schweden [3]. In Finnland stieg die Zahl der Invalidenrenten, die aufgrund einer<br />

Depression zugesprochen wurden, von 1987 bis 1994 auf das Dreifache an [4].<br />

Als mögliche Gründe dafür wurden die wirtschaftliche Rezession, Änderungen im<br />

Diagnosesystem und grössere diagnostische Kenntnisse genannt. Gleichzeitig<br />

fiel auf, dass sich trotz verbesserter medikamentöser und anderer<br />

Behandlungsmassnahmen die funktionelle Belastbarkeit der Patienten deutlich<br />

verschlechtert hatte [4].<br />

In der Schweiz wurden im Jahr 1985 24% der Erstrenten wegen<br />

psychiatrischen Krankheiten vergeben [5]; 2004 und 2005 waren dies schon 40%<br />

[6]. Als mögliche Gründe für die Zunahme wurden verschiedene Faktoren<br />

genannt, z. B. eine zunehmende psychische Belastung im Berufs- und<br />

Privatleben und eine damit verbundene Zunahme psychischer Erkrankungen;<br />

eine grosszügige Begutachtungs- und Berentungspraxis; das Auffangen sozialer<br />

Probleme wie z. B. Arbeitslosigkeit durch eine Berentung; eine Anspruchshaltung<br />

der Versicherten nach jahrelanger Beitragszahlung in die Rentenkasse; der<br />

Migrantenstatus mit den verbundenen psychosozialen Problemen wie z. B.<br />

Schwierigkeiten bei der kulturellen Eingewöhnung, Arbeitsplatzproblemen und<br />

finanziellen Schwierigkeiten; schliesslich auch das Berentungsverfahren selbst,<br />

das sich über mehrere Jahre hinziehen und psychische Befindlichkeitsstörungen<br />

verursachen kann [7] [8] [9]. Kaum berücksichtigt wurde jedoch, welchen Anteil<br />

die Rentenantragssteller selbst und ihre Ärzte hatten.<br />

5/21


Im Jahr 2002 führten wir an der Psychiatrischen Universitätspoliklinik Basel<br />

101 psychiatrische Gutachten für die Schweizerische Invalidenversicherung<br />

durch. Eine Untersuchung an diesen Gutachten ergab, dass nur bei 83% der<br />

Personen, die aus psychiatrischen Gründen für eine Invalidenrente angemeldet<br />

worden waren, eine psychiatrische Diagnose mit Auswirkung auf die<br />

Arbeitsfähigkeit vorhanden war. Weiterhin zeigte sich, dass von diesen Personen,<br />

deren Arbeitsfähigkeit gemindert war, zum Gutachtenszeitpunkt nur 64% in<br />

regelmässiger psychiatrischer Behandlung waren und dass nur 20% adäquat<br />

medikamentös behandelt waren [1].<br />

Wir begannen deshalb in eigenen psychiatrischen Gutachten, Berentung<br />

zunächst nur zeitlich begrenzt zu empfehlen und mit Behandlungsempfehlungen<br />

zu verknüpfen.<br />

In vorliegender Studie haben wir untersucht, ob und mit welchem Erfolg<br />

Behandlungsempfehlungen, die in Gutachten ausgesprochen werden, umgesetzt<br />

werden. Dies überprüften wir anhand von Begutachtungen und<br />

Wiederbegutachtungen, die wir in zwei aufeinanderfolgenden Jahren<br />

durchführten.<br />

Methoden<br />

Im Jahr 2004 führten wir 124 psychiatrische Begutachtungen für die IV-Stelle<br />

Basel-Stadt durch. 40 der Exploranden wurden 2005 nochm<strong>als</strong> begutachtet und<br />

der Verlauf ausgewertet.<br />

1. Erstbegutachtung 2004<br />

In der Begutachtung wurden die Daten, welche bzgl. Anamnese,<br />

Vorbehandlung, Diagnosestellung und Beurteilung der Arbeitsfähigkeit notwendig<br />

sind, erhoben und standardisiert erfasst. Sie wurden überprüft und ergänzt durch<br />

das psychiatrisch-medizinische Dossier. Fehlende Berichte wurden nach<br />

Entbindung von der Schweigepflicht von den entsprechenden Institutionen<br />

angefordert. Ein Fragebogen zur subjektiven Beeinträchtigung durch körperliche<br />

und psychische Symptome (SCL-90-R) [10] wurde von den Exploranden<br />

ausgefüllt. Falls zur Diagnosestellung und zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit<br />

erforderlich, wurden zusätzlich diagnosespezifische Fragebögen bearbeitet oder<br />

eine ausführliche psychologische Testung durchgeführt. Bei der Untersuchung<br />

6/21


wurden die psychopathologischen Symptome routinemässig mittels der AMDP-<br />

Skala [11] erhoben. Für die psychiatrischen Diagnosen wurde die Internationale<br />

Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) [12] angewandt.<br />

Falls ein Explorand angab, ein psychiatrisches Medikament einzunehmen,<br />

wurde mit seinem Einverständnis eine Serumspiegelbestimmung des Wirkstoffes<br />

durchgeführt. Falls abklärungsbedürftige somatische Erkrankungen bestanden,<br />

welche die psychiatrische Diagnose möglicherweise beeinflussten, wurde ein<br />

somatisches Untergutachten in Auftrag gegeben.<br />

Nach der Untersuchung wurden der Explorand und – nach Entbindung von<br />

der Schweigepflicht – der behandelnde Arzt und/oder Psychotherapeut über das<br />

Ergebnis der Begutachtung und über unsere Therapieempfehlungen mündlich<br />

informiert. Zusätzlich erhielt der Arzt und/oder Therapeut – nach Entbindung von<br />

der Schweigepflicht – eine Kopie unseres Gutachtens mit den schriftlichen<br />

Empfehlungen. Unsere Therapieempfehlungen folgten den internationalen<br />

Guidelines. Sie umfassten Vorschläge zu medikamentösen,<br />

psychotherapeutischen und ggf. rehabilitativen Massnahmen.<br />

Bei fremdsprachigen Exploranden war immer – falls vom Explorand nicht<br />

ausdrücklich abgelehnt – eine professionelle muttersprachliche dolmetschende<br />

Person anwesend. Das Vorgehen deckte sich insgesamt mit den Leitlinien für die<br />

Begutachtung psychischer Störungen der Schweizerischen Gesellschaft für<br />

Versicherungspsychiatrie [13].<br />

In die Studie wurden nur Exploranden aufgenommen, die ihr Einverständnis<br />

schriftlich erklärt hatten (informed consent). Damit eine mögliche<br />

Teilnahmeverweigerung nicht das Ergebnis der Begutachtung beeinflussen<br />

konnte, wurde das entsprechende Formular von einer neutralen dritten Person<br />

entgegengenommen und die Entscheidung der Exploranden für oder gegen eine<br />

Teilnahme dem Forschungsteam erst nach Fertigstellung des Gutachtens<br />

mitgeteilt.<br />

2. Wiederbegutachtung 2005<br />

Wiederbegutachtet werden sollten alle Personen, die zum ersten Mal<br />

begutachtet wurden waren und bei denen eine Rente vorerst nur auf Zeit und<br />

verbunden mit Behandlungsempfehlungen ausgesprochen worden waren.<br />

Von den 124 Exploranden, die 2004 an der Studie teilgenommen hatten, hatte<br />

bei 36 die Arbeitsfähigkeit 100% betragen, so dass keine<br />

7/21


Behandlungsempfehlungen gegeben worden waren; bei 18 war die<br />

Arbeitsfähigkeit höher <strong>als</strong> 60%, so dass kein Rentenanspruch und somit keine<br />

Indikation der IV zur Wiederbegutachtung bestand; bei 5 war wegen<br />

Chronifizierung des Krankheitsbildes keine Änderung des psychischen<br />

Zustandes zu erwarten gewesen und eine Dauerrente bewilligt worden; bei 7<br />

hatte es sich bereits 2004 um eine Wiederbegutachtung gehandelt. So blieben<br />

für die Wiederbegutachtung 58 Exploranden, von denen von der IV-Stelle Basel-<br />

Stadt 40 zur Wiederbegutachtung zugewiesen wurden.<br />

Den 18 Personen, die nicht zur Wiederbegutachtung geschickt worden waren,<br />

und den 18 Personen, die zwar keinen Rentenanspruch, aber doch eine<br />

eingeschränkte Arbeitsfähigkeit hatten, boten wir eine grosszügige<br />

Aufwandsentschädigung für eine freiwillige Reevaluation an, was jedoch von<br />

keinem Exploranden wahrgenommen wurde.<br />

Die Verlaufsuntersuchung 2005 fand mit demselben Ablauf wie die<br />

Begutachtung 2004 statt. Zusätzlich wurden die Exploranden zu den<br />

zwischenzeitlich durchgeführten Behandlungen befragt. Die Veränderungen des<br />

Gesundheitszustandes wurden sowohl subjektiv (Eigeneinschätzung der<br />

Exploranden) <strong>als</strong> auch objektiv (Gleichbleiben oder Änderung von Diagnose,<br />

Testergebnissen und Arbeitsfähigkeit) festgestellt und in Korrelation zu den<br />

durchgeführten Behandlungen gesetzt. Die Wiederbegutachtungen wurden durch<br />

dieselben Gutachter wie 2004 durchgeführt. Bei fremdsprachigen Exploranden<br />

war nach Möglichkeit dieselbe dolmetschende Person wie bei der ersten<br />

Untersuchung anwesend.<br />

Auch die behandelnden Ärzte und/oder Therapeuten wurden schriftlich über<br />

die zwischenzeitliche Durchführung bzw. Nichtdurchführung der vorgeschlagenen<br />

Therapie sowie über mögliche Gründe dafür befragt.<br />

Die Umsetzung der von uns gemachten Therapieempfehlungen wurde wie<br />

folgt operationalisiert: Empfehlungen zur Medikation vollständig umgesetzt: die<br />

empfohlene Medikamentenklasse (z. B. Antidepressivum) wurde über den<br />

empfohlenen Mindestzeitraum (z. B. mindestens 3 Monate) in der empfohlenen<br />

Dosierung (z. B. Standarddosierung oder gemäss Serumspiegel) regelmässig<br />

eingenommen; teilweise umgesetzt: die empfohlene Medikamentenklasse (z. B.<br />

Antidepressivum) wurde nicht über den empfohlenen Mindestzeitraum (z. B.<br />

mindestens 3 Monate) und/oder in zu niedriger Dosierung (z. B.<br />

8/21


Standarddosierung oder gemäss Serumspiegel) und/oder unregelmässig<br />

eingenommen. Empfehlungen zur Psychotherapie vollständig umgesetzt: die<br />

empfohlene Frequenz (z. B. 1x/Woche) und die empfohlene Mindestdauer (z. B.<br />

6 Monate) wurden eingehalten; teilweise umgesetzt: die empfohlene Frequenz (z.<br />

B. 1x/Woche) und/oder die empfohlene Mindestdauer (z. B. 6 Monate) wurden<br />

nicht eingehalten, eine Behandlung fand aber mindestens einmal pro Monat statt.<br />

Die Daten wurden anonym erhoben und mit dem Statistikprogramm SPSS<br />

Version 11.0 ausgewertet. Die Studie wurde von der Ethikkommission beider<br />

Basel geprüft und akzeptiert. Von allen Teilnehmenden lag ein „informed<br />

consent“ vor.<br />

Ergebnisse<br />

Die 40 Wiederbegutachtungen im Jahr 2005 erfolgten zwischen 9 und 17<br />

Monate nach der ersten Begutachtung (Median 13 Monate).<br />

Von den Exploranden waren 21 Frauen (52%) und 19 Männer (48%). Sie<br />

waren bei der Erstbegutachtung zwischen 22 und 62 Jahre alt, im Durchschnitt<br />

44.0 Jahre (Median 42 Jahre).<br />

13 stammten aus der Türkei (32.5%), 11 aus Ex-Jugoslawien (27.5%), 4 aus<br />

Italien (10%), 2 aus Spanien (5%) und je 1 aus Algerien, Finnland, Liberia und<br />

Vietnam (2.5%). 6 (15%) waren Schweizer.<br />

11 Personen hatten in der Zwischenzeit einen Entscheid der<br />

Invalidenversicherung erhalten: 3 bezogen nun ¼ Rente (8%), 5 bezogen ½<br />

Rente (12%), 3 eine ganze Rente (8%).<br />

Der Antrag auf Leistungen hatte sich in der Zwischenzeit bei einigen verändert:<br />

während 2004 von diesen 40 Personen 5 (13%) eine Umschulung beantragt<br />

hatten, waren dies 2005 nur noch 2 (5%). 2004 wollten 3 Personen (8%) Hilfe bei<br />

der Stellensuche, jetzt war es nur noch 1 (3%). Einen Rentenwunsch hatten bei<br />

der ersten Begutachtung 32 Personen (80%), bei der Wiederbegutachtung 37<br />

Personen (93%).<br />

Bei den 40 Personen, die 2005 wiederbegutachtet wurden, waren 2004 zum<br />

grössten Teil affektive und neurotische/somatoforme Störungen mit Auswirkung<br />

auf die Arbeitsfähigkeit vorhanden gewesen. In der Zwischenzeit hatte sich nach<br />

Einschätzung der Gutachter die Ausprägung der Krankheit verändert: bei 13<br />

Personen (33%) hatte sich die Symptomatik deutlich abgeschwächt (z. B. war<br />

9/21


vorher die Diagnose einer schweren depressiver Episode gestellt worden, jetzt<br />

einer mittelgradig depressiven Episode) oder war nicht mehr vorhanden; bei 23<br />

Personen (58%) war die Krankheitsausprägung gleichgeblieben. Bei 4 Personen<br />

(9%) war die Erkrankung stärker ausgeprägt (z. B. vorher leichtgradig depressiv,<br />

jetzt mittelgradig depressiv). Die Diagnosen und deren Veränderungen zeigt<br />

Tabelle 2.<br />

- <strong>hier</strong> Tabelle 2 einfügen -<br />

Subjektiv empfanden 5 Exploranden (13%) ihren psychischen Zustand <strong>als</strong><br />

gebessert, 28 (70%) <strong>als</strong> gleich, 7 (17%) <strong>als</strong> schlechter. Bei denjenigen, die<br />

mündlich eine Verbesserung ihres Zustandes angaben, war die Veränderung<br />

auch bei der Selbstbeurteilung mit Hilfe der SCL-90-R im Verlauf deutlich<br />

sichtbar. Bei denjenigen, die mündlich eine Verschlechterung angaben, lagen<br />

entweder keine Verlaufswerte zum SCL-90-R vor oder eine Verschlechterung<br />

war im Verlauf der Selbsteinschätzung mit SCL-90-R nicht auszumachen.<br />

In psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung mit mindestens 1 Sitzung<br />

pro Monat über mindestens 6 Monate zu sein gaben 23 Personen, d. h. 58% der<br />

jetzt Wiederbegutachteten an; 2004 waren es 13 (32%) gewesen. 7 der 13<br />

Personen, die bereits 2004 in psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung<br />

waren, waren dies auch noch 2005 (54%). Eine Psychotherapie im engeren<br />

Sinne (Frequenz mindestens einmal pro Woche über 50 Minuten) gaben im Jahr<br />

2005 nur 3 Personen (8%) an; 2004 waren es noch 12 Personen (30%) gewesen.<br />

Bei der Erstbegutachtung hatten 29 (73%) der 40 Personen angegeben,<br />

psychiatrische Medikamente einzunehmen, jetzt gaben dies 28 (70%) an.<br />

Bei der Wiederbegutachtung lag der Serumspiegel bei 18 (64%) im<br />

therapeutischen Bereich, bei 4 (14%) weit unterhalb des therapeutischen<br />

Bereiches und bei 6 (22%) war er nicht nachweisbar. 2004 war bei 14 (50%) von<br />

diesen Personen der Medikamentenserumspiegel im therapeutischen Bereich<br />

gewesen, bei 7 (25%) weit unterhalb des therapeutischen Bereiches und bei<br />

ebenfalls 7 (25%) nicht nachweisbar (p=0.4978). Somit zeigte sich keine<br />

signifikante Änderung bzgl. Medikamentencompliance zwischen Erst- und<br />

Wiederbegutachtung.<br />

Im Jahr 2004 hatten wir individuelle Behandlungsempfehlungen zu<br />

medikamentöser Behandlung, Psychotherapie und stationärer Behandlung<br />

10/21


gegeben. Von den 35 Empfehlungen zu Medikamenten wurden in der<br />

Zwischenzeit 43% vollständig umgesetzt, 20% teilweise und 37% überhaupt nicht.<br />

Von den 34 Empfehlungen bzgl. Psychotherapie wurden 9% ganz umgesetzt,<br />

59% teilweise und 32% nicht. Von 7 Empfehlungen bzgl. Klinikaufenthalts<br />

wurden nur 14% umgesetzt.<br />

Als Gründe für die mangelnde Umsetzung der Therapieempfehlungen gaben<br />

die Exploranden an: keine Empfehlung bekommen (7), Therapie zu teuer (4),<br />

Therapie nicht notwendig (3), kein Therapie-Angebot (2), Therapieabbruch<br />

wegen mangelnder Wirksamkeit (2), prinzipielle Ablehnung einer Therapie (1).<br />

Als Gründe für die mangelnde Wirksamkeit einer durchgeführten Therapie gaben<br />

sie an: die Krankheit selbst (13), eine körperliche Krankheit (1), Unzufriedenheit<br />

mit der ärztlichen Behandlung (1), Zunahme der Probleme durch die Behandlung<br />

(1).<br />

Die behandelnden Ärzte gaben <strong>als</strong> Grund für die mangelnde Befolgung der<br />

Therapieempfehlungen auf Seiten ihrer Patienten an: mangelnde Compliance<br />

(13), Therapieresistenz (5), fehlendes Interesse (4), komplexe Probleme (2),<br />

psychosoziale Probleme (2), Chronifizierung (2).<br />

Allerdings zeigte sich kein Einfluss der Compliance (vollständige, teilweise<br />

oder fehlende Durchführung der empfohlenen Behandlungen) auf die<br />

Entwicklung der Krankheitsausprägung (Tabelle 3).<br />

- <strong>hier</strong> Tabelle 3 einfügen -<br />

In der Folge prüften wir den Einfluss verschiedener soziodemografischer und<br />

sozialer Faktoren auf die Entwicklung der Krankheitsausprägung. Jedoch zeigten<br />

weder Alter noch Geschlecht, Herkunft, Berufsausbildung, finanzielle Probleme,<br />

familiäre Probleme oder Eheprobleme einen signifikanten Einfluss. In 11 Fällen<br />

war der Ehepartner krank oder invalide. Auch dies zeigte keinen Einfluss auf den<br />

Krankheitsverlauf eines Exploranden.<br />

Ein statistisch signifikanter Zusammenhang bestand nur bezüglich<br />

vorhandener Partnerschaft: bei allen 23 Personen in einer Partnerschaft hatte<br />

sich die Erkrankung gebessert oder mindestens nicht verschlechtert. Der Faktor<br />

„Muttersprache Deutsch“ war zumindest tendenziell signifikant (Tabelle 4).<br />

- <strong>hier</strong> Tabelle 4 einfügen -<br />

Diskussion<br />

11/21


Zwischen der Erstbegutachtung im Jahr 2004 und der Wiederbegutachtung im<br />

Jahr 2005 stieg der Anteil der Exploranden mit psychiatrischpsychotherapeutischer<br />

Behandlung leider nur leicht an. Dagegen gingen der<br />

Anteil den Personen, die eine spezifische Medikation in adäquater Dosierung<br />

einnahmen, und der Anteil derjenigen, die eine Psychotherapie in Anspruch<br />

nahmen, zurück. Obwohl in vielen Fällen eine Therapieauflage durch die<br />

Invalidenversicherung gemacht wurde, d. h. die Personen der Versicherung<br />

gegenüber nachweisen mussten, dass sie in fachspezifischer Behandlung waren,<br />

wurden unsere Therapieempfehlungen <strong>als</strong>o nur zögerlich umgesetzt und die<br />

spezifischen Behandlungen nahmen ab.<br />

Bei einer Gesamtschau der „vollständigen oder teilweisen<br />

Umsetzung“ wurden die Medikamentenempfehlungen mit 63% ähnlich häufig wie<br />

die Empfehlung zu einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung mit<br />

68% befolgt. Dabei wurden auch schon sehr niedrigfrequente Behandlungen<br />

berücksichtigt („teilweise Umsetzung“: mindestens 1x/Monat). Einer<br />

Psychotherapie im engeren Sinne unterzogen sich nur 3 Personen.<br />

Foerster [14] nennt <strong>als</strong> Prognosekriterien bei Patienten mit neurotischen und<br />

somatoformen Störungen im Bereich der Rentenversicherung u. a. einen<br />

mehrjährigen und chronisch-kontinuierlichen Krankheitsverlauf, (fehlende)<br />

regelmässige ambulante Therapie, (fehlende) Durchführung stationärer<br />

Behandlungen, Scheitern von Rehabilitationsmassnahmen. Auch bei unseren<br />

Exploranden waren neurotische und somatoforme Störungen die<br />

Hauptdiagnosen. Eine regelmässige ambulante Therapie und die Durchführung<br />

stationärer Behandlungen wären <strong>als</strong>o entscheidend für die Prognose. Leider<br />

wurden beide aber nicht ausreichend genutzt.<br />

Die Therapeuten waren zwar bereit, den Therapieempfehlungen zu folgen und<br />

sie an ihre Patienten weiterzugeben. Allerdings waren im Verlauf des Jahres nur<br />

in wenigen Fällen Medikamentenspiegelbestimmungen, die wir aufgrund der<br />

Ergebnisse zum Zeitpunkt der ersten Begutachtung empfohlen hatten, durch die<br />

behandelnden Ärzte durchgeführt worden. Die Bestimmung von<br />

Psychopharmaka-Medikamentenspiegeln wird jedoch angeraten, um die<br />

klinische Wirksamkeit einer Behandlung zu steigern und um die Compliance zu<br />

überprüfen [15]. Die Therapeuten gaben <strong>als</strong> Hauptgründe für die mangelnde<br />

Durchführung der Spiegelbestimmungen eine „mangelnde Compliance“ der<br />

12/21


Patienten an. Diese bezog sich meist auf die Malcompliance bzgl. regelmässiger<br />

Medikamenteneinnahme, so dass ihnen eine Serumspiegelbestimmung nicht<br />

sinnvoll erschien. In einigen Fällen bestand aber auch eine Verweigerung der<br />

Blutentnahme durch die Patienten. Die Aussage der Therapeuten erstaunt in<br />

Anbetracht der Tatsache, dass nach gängigen Guidelines (15) Spiegelkontrollen<br />

u. a. gerade bei Verdacht auf Malcompliance empfohlen werden.<br />

„Mangelnde Compliance“ ist jedoch möglicherweise nicht nur auf Seiten der<br />

Patienten zu finden, welche die Medikamente nicht einnahmen oder die<br />

Blutentnahme verweigerten. Vielmehr können auch Ärzte Bedenken haben, z. B.<br />

dass Spiegelbestimmungen von ihren Patienten <strong>als</strong> Kontrolle und Misstrauen<br />

aufgefasst werden. Manche sind möglicherweise auch unsicher, wie sie eine<br />

solche Massnahme mit ihren Patienten besprechen und in den Behandlungsplan<br />

einbauen können. Dabei wird leider auch nicht berücksichtigt, dass durch die<br />

Spiegelbestimmung z. B. auch Patienten mit rascher Verstoffwechselung (fast<br />

metabolizer) gefunden werden können, bei denen eine viel höhere<br />

Medikamentendosierung <strong>als</strong> gewöhnlich notwendig sein kann. Fehlende<br />

Medikamentenspiegel können auch Anlass ein, das Krankheitskonzept nochm<strong>als</strong><br />

mit dem Patienten zu besprechen und möglicherweise eine andere, dem<br />

Patienten mehr zusagende Therapieform zu finden. In anderen Fällen sahen die<br />

Ärzte ihre Patienten <strong>als</strong> „therapieresistent“ an. Sie hatten offenbar selbst die<br />

Hoffnung auf Besserung aufgegeben, obwohl - wie unsere Ergebnisse nahelegen<br />

- bei weitem noch nicht alle therapeutischen Optionen ausgeschöpft waren.<br />

Wie andere Untersuchungen zeigen, ist die Behandlungscompliance von<br />

vielen allgemeinen Faktoren abhängig, wie z. B. von der Schulbildung des<br />

Patienten, von der sozialen Unterstützung durch Familie und Freunde oder von<br />

dem Fehlen sprachlicher Probleme. Sehr bedeutsam sind aber auch viele<br />

Faktoren, die ganz entscheidend vom Arzt beeinflusst werden können wie<br />

frühere positive Behandlungserfahrungen, die Überzeugung des Patienten, ein<br />

positives Behandlungsergebnis erreichen zu können, eine gute Patienten-Arzt-<br />

Beziehung, ein einfacher Behandlungsplan mit wenigen Medikamenten [16].<br />

Weitere wichtige Faktoren sind Vertrauen zum Arzt, Wirksamkeit und<br />

Verträglichkeit der Medikamente und schliesslich auch eine gute Information über<br />

die Medikation [17] sowie über die verschiedenen anderen, insbesondere auch<br />

psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten.<br />

13/21


Unsere Exploranden hatten häufig die Therapieempfehlungen nicht realisiert<br />

oder empfanden die Therapie <strong>als</strong> zu teuer oder nicht notwendig. Die „Krankheit<br />

selbst“ war für die meisten der Grund für den mangelnden Therapieerfolg.<br />

Welche Überzeugungen hinter dieser Aussage stehen, wäre genauer zu<br />

untersuchen. Zu vermuten ist aber, dass Menschen, die eine solche Aussage<br />

machen, wenig Hoffnung haben, ihren Krankheitszustand beeinflussen zu<br />

können, was zu mangelnder Compliance und Resignation führen kann. Hier wäre<br />

mehr Aufklärung über die Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten unter<br />

Berücksichtigung des individuellen Krankheitskonzeptes notwendig.<br />

Entscheidend könnte <strong>hier</strong> aber auch die Haltung des Arztes sein, die im<br />

Patienten Resignation oder auch Hoffnung wecken kann.<br />

Innerhalb des Jahres zwischen den beiden Begutachtungen nahm bei den<br />

Exploranden der Wunsch nach Wiedereingliederung ab, obwohl sich das<br />

Befinden subjektiv nicht verschlechtert und objektiv sogar verbessert hatte.<br />

Beobachtungen in einer psychosomatischen Klinik zeigten, dass die Entwicklung<br />

des Rentenbegehrens bei diesen Patienten häufig nicht direkte Folge einer<br />

Krankheit mit der daraus folgenden krankheitsbedingten Behinderung ist,<br />

sondern dass eine psychosoziale Rückzugsbewegung im Vordergrund steht. An<br />

dieser können mehrere Faktoren beteiligt sein [18], z. B. ein ständiges<br />

Überforderungsgefühl, eine subjektive Minderbelastbarkeit, die Aufgabe der<br />

Verantwortung im Beruf und in der Familie. Diese psychosoziale<br />

Rückzugsbewegung kann nach einer Desorientierungs- und einer<br />

Ambivalenzphase schliesslich dazu führen, dass die Betroffenen von ihrer<br />

Invalidität überzeugt sind und ihre gesundheitlichen Beschwerden nicht mehr nur<br />

<strong>als</strong> Leiden schildern, um dafür eine Behandlung zu bekommen, sondern auch <strong>als</strong><br />

Argumente für den Rentenantrag [18] verwenden.<br />

Bei der Untersuchung, ob weitere Faktoren wie Partnerschaft, Alter,<br />

Geschlecht, Herkunft, Berufsausbildung, finanzielle Probleme, familiäre oder<br />

Eheprobleme oder auch ein kranker oder invalider Ehepartner einen Einfluss auf<br />

den Verlauf der Krankheit haben, erwies sich nur eine vorhandene Partnerschaft<br />

<strong>als</strong> signifikanter positiver Einflussfaktor; tendenziell zeigten auch Patienten, bei<br />

denen die Muttersprache nicht Deutsch war, eine stärkere Besserung im Verlauf.<br />

Jedoch ist die untersuchte Gruppengrösse mit 40 Personen zu gering, um auch<br />

kleinere Effekte nachweisen zu können.<br />

14/21


Eine Untersuchung in Finnland [19] an 213 Patienten mit der Erstdiagnose<br />

einer Depression, die sich in verschiedenen Polikliniken für eine Behandlung<br />

gemeldet hatten, zeigte, dass nach 30 Monaten etwa 22% der Personen eine<br />

Invalidenrente wegen Depression erhielten. Risikofaktoren dafür waren: höheres<br />

Alter von mindestens 43 Jahren, niedriges Bildungsniveau, Dauer und<br />

Ausprägungsgrad der Depression, somatische Komorbidität und niedriges<br />

Selbstbewusstsein. Der Einfluss der Partnerschaft oder des Migrantenstatus war<br />

<strong>hier</strong> nicht untersucht worden.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Patienten mit psychischen Leiden oder unerklärten somatischen Beschwerden<br />

sollten möglichst rasch eine psychiatrische Abklärung und ggf. Behandlung unter<br />

Ausschöpfung aller therapeutischen Optionen erhalten, bevor die Anmeldung für<br />

eine Berentung in Erwägung gezogen wird. Der Bedeutung der Partnerschaft<br />

sollte in der Therapie Rechnung getragen werden, z. B. durch Einbezug des<br />

Partners. Auch wenn die Anmeldung beim Rententräger erfolgt, sollte die<br />

Behandlung fortgeführt werden und zunächst häufiger Massnahmen zur<br />

beruflichen Reintegration angestrebt werden. Resignation und Hoffnungslosigkeit<br />

auf Seiten des Patienten wie auch des Behandlers scheinen wichtige<br />

Risikofaktoren der Berentung zu sein.<br />

Anmerkung<br />

Herrn Paul Meier, Leiter der IV-Stelle Basel-Stadt, und seinen Mitarbeitenden<br />

danken wir für die Unterstützung und für ihre Kooperation.<br />

Weiterhin danken wir dem Klinikfonds des Universitätsspit<strong>als</strong> Basel für die<br />

finanzielle Unterstützung unserer Studie.<br />

Literatur<br />

1 Apfel T, Riecher-Rössler A, Werden psychisch Kranke zu schnell in die Rente<br />

„abgeschoben“? Psychiat Prax 2005; 32: 172-6<br />

15/21


2 Statistiken zur sozialen Sicherheit. IV-Statistik 2006 - Tabellenteil. Bern:<br />

Bundesamt für Sozialversicherungen, 2006<br />

3 Heijdel W, Prins J. Disability benefits due to mental health problems. Bern:<br />

Bundesamt für Sozialversicherung, 2005. http://www.bsv.admin.ch<br />

(7_05e_eBericht.<strong>pdf</strong>)<br />

4 Salminen K, Saarijärvi S, Raitasalo R. Depression and disability pension in<br />

Finland. Acta Psychiatr Scand 1997; 95: 242-3<br />

5 Breitenmoser B. Die zunehmende Bedeutung der psychiatrischen<br />

Begutachtung aus Sicht der Invalidenversicherung: Ja! – aber warum? Referat,<br />

Schweizerische Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie, Jahrestagung vom 2.<br />

November 2000. http://www.bsv.admin.ch/aktuell/referate/d/00110201.htm<br />

6 Statistiken zur sozialen Sicherheit. IV-Statistik 2005. Bern: Bundesamt für<br />

Sozialversicherungen, 2005<br />

7 Herzer H. Zunehmende Invalidisierung trotz medizinischem Fortschritt bei<br />

Schweizern und Ausländern. Schweizerische Ärztezeitung 2000; 81: 2668-72<br />

8 Schär M, Germer H. Gefälligkeitsgutachten. Weltwoche 2003; 33: 38-42<br />

9 Weber T. Krankheiten, die keine sind. Weltwoche 2004; 4: 44-8<br />

10 Franke GH. Die Symptom-Checkliste von Derogatis (SCL-90-R). Göttingen:<br />

Beltz, 1995<br />

11 Fähndrich E, Stieglitz RD. Das AMDP-System. Manual zur Dokumentation<br />

psychiatrischer Befunde. Göttingen: Hogrefe, 1995<br />

12 Dilling H, Freyberger HJ. Taschenführer zur Klassifikation psychischer<br />

Störungen. Mit Glossar und diagnostischen Kriterien ICD-10. Bern: Huber, 2001<br />

13 Schweizerische Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie. Leitlinien der<br />

Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie für die Begutachtung<br />

psychischer Störungen. Schweizerische Ärztezeitung 2004; 85: 1048-51<br />

14 Foerster K. Die psychiatrische Beurteilung von Patienten mit neurotischen und<br />

somatoformen Störungen im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung.<br />

Psychiat Prax 1993; 20: 15-7<br />

15 Baumann P, Hiemke C, Ulrich S, Eckermann G, Gaertner I, Gerlach M, et al.<br />

The AGNP-TDM expert group consensus guidelines: therapeutic drug monitoring<br />

in psychiatry. Pharmacopsychiatry 2004; 37: 243-65<br />

16 Ebner G. Kulturelle Aspekte der Psychopharmakotherapie. Psychiatrie 2003;<br />

2: 4-11<br />

16/21


17 Rudolph C, Mattiesen C, Neumann NU. Medikamentöse Compliance und<br />

Noncompliance psychiatrischer Patienten - Motive und krankheitsspezifische<br />

Zusammenhänge. Krankenhauspsychiatrie 2002; 13: 78-80<br />

18 Plassmann R, Schepank H. Rentenentwicklungen und ihre psychosomatische<br />

Beurteilung. Rehabilitation 1998; 37: 14-20<br />

19 Sorvaniemi M, Helenius H, Salokangas RKR. Factors associated with being<br />

granted a pension among psychiatric outpatients with major depression. J Affect<br />

Disord 2003; 75: 43-8<br />

Tab. 1: NeurentenbezügerInnen und Gesamtzahl Invalider RentnerInnen in der Schweiz aufgrund psychischer<br />

Krankheiten und aufgrund aller Ursachen, 1997 - 2005 [2]<br />

Psychische Krankheit Alle Ursachen<br />

17/21


Neurenten Gesamtzahl der<br />

Renten<br />

Neurenten Gesamtzahl der<br />

Renten<br />

1997 6’611 48’479 21’970 173’216<br />

1998 7’090 52’047 22’968 180’217<br />

1999 7’802 56’067 23’711 188’063<br />

2000 8’492 60’741 23’691 196’956<br />

2001 9’807 65’818 26’626 205’086<br />

2002 1’980 72’924 28’147 219’659<br />

2003 1’663 80’051 26’983 231’954<br />

2004 9’678 86’432 24’441 242’067<br />

2005 8’354 91’593 20’887 249’353<br />

Tab. 2: Änderung der Krankheitsausprägung zwischen Erstbegutachtung (2004) und Wiederbegutachtung (2005),<br />

n = 40<br />

18/21


Art und Anzahl der Diagnosen 2004 n<br />

Änderung der<br />

Krankheitsausprägung*<br />

2004 - 2005<br />

schwächer gleich stärker<br />

F 0x (Organische Störungen): 1 0 1 0<br />

F 2x (Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen): 5 2 1 2<br />

F 3x (Affektive Störungen): 22 9 11 2<br />

F 4x (Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen): 9 2 7 0<br />

F 6x (Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen): 3 0 3 0<br />

*schwächere Ausprägung: z. B. 2004 schwergradige Depression, 2005 mittelgradige Depression;<br />

stärkere Ausprägung: z. B. 2004 leichtgradige Depression, 2005 mittelgradige Depression<br />

Tab. 3: Einfluss der Umsetzung der Behandlungsempfehlungen auf die Krankheitsausprägung,<br />

2005, n = 40<br />

19/21


Therapie<br />

Medikamente<br />

Durchführung der<br />

empfohlenen<br />

Therapie<br />

Änderung der Krankheitsausprägung*<br />

schwächer/gleich stärker<br />

n (%) n (%)<br />

Ja/Teilweise 20 (91) 2 (9)<br />

(n=35) Nein 11 (85) 2 (15)<br />

Psychotherapie<br />

(n=34)<br />

Klinikaufenthalt<br />

(n=7)<br />

§ Fisher's exakter Test<br />

Ja/Teilweise 22 (96) 1 (4)<br />

Nein 10 (91) 1 (9)<br />

Ja 0 (0) 1 (100)<br />

Nein 5 (83) 1 (17)<br />

*schwächere Ausprägung: z. B. 2004 schwergradige Depression, 2005 mittelgradige Depression;<br />

stärkere Ausprägung: z. B. 2004 leichtgradige Depression, 2005 mittelgradige Depression<br />

Tab. 4: Entwicklung der Krankheitsausprägung 2004 - 2005 in Abhängigkeit von<br />

soziodemographischen und sozialen Faktoren, n = 40<br />

p-Wert §<br />

0.61<br />

0.98<br />

0.28<br />

20/21


Mögliche soziale Einflussfaktoren<br />

Partnerschaftsverhältnis<br />

vorhanden<br />

Alter < 43 Jahre +<br />

Geschlecht Mann<br />

Muttersprache Deutsch<br />

Berufsausbildung<br />

Finanzielle Probleme<br />

Probleme in Ehe/Familie<br />

Änderung der Krankheitsausprägung*<br />

schwächer/gleich<br />

(n=36)<br />

stärker<br />

(n=4)<br />

n (%) n (%)<br />

Ja (n=23) 23 (100) 0 (0)<br />

Nein (n=17) 13 (76) 4 (24)<br />

Ja (n=20) 16 (80) 4 (20)<br />

Nein (n=20) 20 (100) 0 (0)<br />

Ja (n=19) 18 (95) 1 (5)<br />

Nein (n=21) 18 (86) 3 (14)<br />

Ja (n=6) 4 (67) 2 (33)<br />

Nein (n=34) 32 (94) 2 (6)<br />

Ja (n=7) 6 (86) 1 (14)<br />

Nein (n=33) 30 (91) 3 (9)<br />

Ja (n=23) 21 (91) 2 (9)<br />

Nein (n=17) 15 (88) 2 (12)<br />

Ja (n=25) 23 (92) 2 (8)<br />

Nein (n=15) 13 (87) 2 (13)<br />

§ Fisher's exakter Test *p < 0.05: signifikant °p < 0.1: tendenziell signifikant<br />

+ Der Cutoff wurde auf < 43 Jahre festgesetzt, da das Durchschnittsalter 44 Jahre, der Median 42<br />

Jahre betrug<br />

*schwächere Ausprägung: z. B. 2004 schwergradige Depression, 2005 mittelgradige Depression;<br />

stärkere Ausprägung: z. B. 2004 leichtgradige Depression, 2005 mittelgradige Depression<br />

p-Wert §<br />

0.02*<br />

0.10<br />

0.60<br />

0.09°<br />

0.55<br />

0.99<br />

0.62<br />

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