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Politik ohne Überzeugung - Institut für Staatspolitik

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gelten. Zwar gab es aufgrund des anfangs recht starken Einflusses von katholischen<br />

Gewerkschaftern der Weimarer Republik einen großen programmatischen<br />

Schlenker in Richtung eines »christlichen Sozialismus« im Ahlener Programm<br />

vom 3. Februar 1947. Dies entpuppte sich aber bald als lediglich taktisch begründete<br />

Durchgangsstation hin zu den »Düsseldorfer Leitsätzen« vom 15. Juli 1949,<br />

welche inhaltlich stark von den marktwirtschaftlichen Forderungen der Unternehmer<br />

geprägt waren. Seither dominiert im großen und ganzen der Wirtschaftsliberalismus<br />

die <strong>Politik</strong> der Union, allerdings immer eingeschränkt durch viele<br />

programmatische und häufig auch praktische Zugeständnisse an den sozialen<br />

Flügel der Partei. Diese sozialen Zugeständnisse sind in ihrer Integrationkraft<br />

kaum zu unterschätzen. Immer wenn die CDU in der Vergangenheit auf eine wirtschaftsliberale<br />

Programmverschärfung drang – etwa unter Erhard, auch wieder<br />

unter Franz Josef Strauß, scheiterte sie damit. Diesem Schicksal konnte Merkel<br />

nur knapp und nur aufgrund der Spaltung der Linken entgehen.<br />

Gesellschaftspolitische Liberalisierung<br />

Die wirtschaftsliberale Radikalisierung verknüpfte Merkel zudem mit einem Kurs,<br />

der bei gesellschaftspolitischen Themen ebenfalls auf Liberalisierung setzte.<br />

Zunächst revidierte Merkel schon früh das traditionelle Familienbild der Union,<br />

nahm Alleinerziehende oder nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern<br />

in die Familiendefinition mit auf und ließ im Programm »Respekt« gegenüber<br />

homosexuellen Partnerschaften bekunden. Forderungen nach mehr und besserer<br />

Kinderbetreuung, um Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Karriere zu<br />

erleichtern, rundeten dieses Bild ab. Auch das war kein Bruch der CDU-Tradition,<br />

hatte doch schon Heiner Geißler mit seiner »Neuen sozialen Frage« in den Siebzigern<br />

diese Gruppen <strong>für</strong> die Union entdeckt. Merkel stärkte außerdem die »Lesben<br />

und Schwulen in der Union« (LSU) und wertete sie als Parteiorganisation auf. Um<br />

die Wahlergebnisse in urbanen Siedlungsgebieten aufzubessern, initiierte Merkel<br />

nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 den Arbeitskreis »Große Städte« unter<br />

der Führung von Jürgen Rüttgers, der Konzepte zur programmatischen Annäherung<br />

an die »angegrünten« urbanen Mittel- und Oberschichten ausarbeitete, vor<br />

allem in der Familien-, Bildungs- und Kulturpolitik, aber auch bei den Themen<br />

Ausländerintegration sowie Umwelt- und Verbraucherschutz. Man öffnete sich<br />

<strong>für</strong> kommunales Ausländerwahlrecht, muttersprachlichen Unterricht <strong>für</strong> Türken,<br />

ärztlich kontrollierte Heroinabgabe an Schwerstabhängige und steuerliche<br />

Verbesserung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. 1 Im Zuge dieser<br />

ganz in Orange gehaltenen Imageerneuerung erfolgte auch die Aufwertung des<br />

Deutsch-Türkischen Forum (DTF) der CDU nebst Infragestellung der Ablehnung<br />

eines Türkeibeitritts zur EU, um die türkischstämmigen Wähler in den Städten<br />

anzusprechen. Langfristig sollten auf diesem Wege schwarz-grüne Koalitionen<br />

INSTITUT FÜR STAATSPOLITIK · POLITIK OHNE ÜBERZEUGUNG 5

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