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Generative Phonologie II: Distinktive Merkmale

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Universität Bielefeld<br />

Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft<br />

Phonetik k <strong>Phonologie</strong><br />

<strong>Generative</strong> <strong>Phonologie</strong><br />

(Hall, Kapitel 4)<br />

Christian Ebert<br />

christian.ebert@uni-bielefeld.de


Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

Aufgabe 6<br />

(1) Geben Sie die vier charakteristischen Parameter der<br />

Assimilationsregel der englischen Pluralalternation auf S. 23 an.<br />

(1) Betroffener Laut: [z]<br />

(2) Auslösende Laute: stimmlose Konsonanten<br />

(3) Eigenschaft: Stimmhaftigkeit<br />

(4) Richtung: progressiv<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

Aufgabe 6<br />

(2) Wenden Sie die beiden Regeln der englischen Pluralalternation in<br />

der Reihenfolge Assimilation > Epenthese auf die zugrundeliegenden<br />

Repräsentationen für dishes, snakes und aims an.<br />

/dIS+z/ /sneIk+z/ /eIm+z/ ZR<br />

â â - Assimilation<br />

dISs sneIks eImz<br />

- - - Epenthese<br />

*[dISs] [sneIks] [eImz] OR<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

Aufgabe 6<br />

Wenden Sie anschliessend die Regeln in der umgekehrten<br />

Reihenfolge an.<br />

/dIS+z/ /sneIk+z/ /eIm+z/ ZR<br />

â - - Epenthese<br />

dISIz sneIkz eImz<br />

- â - Assimilation<br />

[dISIz] [sneIks] [eImz] OR<br />

Welche Regelordnung liefert die richtigen Ergebnisse? Diese hier!<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

Aufgabe 6<br />

(3) Betrachten Sie folgende Daten des Deutschen:<br />

Bank [baNk] eng [EN]<br />

denken [dENk@n] Ding [dIN]<br />

Stunk [StUNk] jung [jUN]<br />

Manche Phonologen gehen davon aus, dass obigen Realisierungen<br />

Formen mit /nk/ bzw. /ng/ zugrundeliegen, also z.B. /bank/ und<br />

/Eng/.<br />

Geben Sie Regeln an (Sie benötigen zwei!), die die<br />

Oberflächenrepräsentationen aus diesen zugrundeliegenden Formen<br />

ableiten. Um welche Prozesse handelt es sich hierbei?<br />

Tipp: Überlegen Sie zunächst wie das [N] zustande kommt und<br />

kümmern sie sich dann um den wortfinalen Konsonanten. 5


Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

Aufgabe 6<br />

Das gewünschte Ergebnis erhält man durch eine regressive<br />

Ortsassimilation für den Nasal<br />

(1) Betroffener Laut: [n]<br />

[n] > [N] / __ [g k]<br />

(2) Auslösende Laute: [g k]<br />

(3) Eigenschaft: Artikulationsort (Velum)<br />

(4) Richtung: regressiv<br />

mit folgender nachgeordneter 'g'-Tilgung<br />

[g] > Ø / [N] __ #<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

Aufgabe 6<br />

Damit lassen sich die Daten korrekt ableiten:<br />

/bank/ /Eng/ ZR<br />

â â Assimilation<br />

baNk ENg<br />

- â 'g'-Tilgung<br />

[baNk] [EN] OR<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Grundlagen<br />

Obwohl die bisher angegebenen Regeln die richtigen Ableitungen<br />

geliefert haben, beschreiben Sie die zugrundeliegenden Prozesse<br />

nicht adäquat.<br />

Beispiel: Die folgende Regel beschreibt die Assimilation im Plains Cree<br />

(s. letzte Sitzung, S. 10) „stimmlose Plosive unterliegen zwischen<br />

Vokalen einer Assimilation bzgl. der Stimmhaftigkeit“.<br />

/p t k/ > [b d g] / V __ V<br />

An der Regel ist nicht zu erkennen, dass...<br />

● es sich bei den betroffenen Lauten um eine natürliche<br />

Klasse handelt.<br />

● es sich um eine Assimilation handelt.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Grundlagen<br />

Eine natürliche Klasse ist eine Menge von Lauten, die durch eine Menge<br />

von gemeinsamen phonetischen Eigenschaften/<strong>Merkmale</strong>n<br />

(Features) beschrieben werden kann.<br />

/p t k/ sind konsonantisch, stimmlos, obstruent (d.h. nicht-sonorant),<br />

etc. und bilden eine natürliche Klasse (im Plains Cree).<br />

Die Assimilation bezieht sich auf eine solche Eigenschaft/Merkmal:<br />

aus stimmlos wird stimmhaft; andere Eigenschaften/<strong>Merkmale</strong><br />

bleiben unverändert.<br />

Aus diesem Grund beziehen sich Regeln in der generativen Grammatik<br />

nicht auf einzelne Segmente sondern auf Merkmalsmengen.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Grundlagen<br />

<strong>Merkmale</strong> werden in eckige Klammern geschrieben (und oft abgekürzt).<br />

Beispiel:<br />

um zu kennzeichnen, dass ein Laut stimmhaft ist, würde man z.B.<br />

[+stimmhaft] oder [+sth] notieren.<br />

Stimmlosigkeit würde entsprechend mit [-stimmhaft] oder<br />

[-sth] gekennzeichnet werden.<br />

Es gibt viele verschiedene Vorschläge für Merkmalssysteme.<br />

Wir orientieren uns an den SPE <strong>Merkmale</strong>n von Chomsky & Halle (1968)<br />

in der Version von Hall, Kapitel 4.<br />

Siehe Clark & Yallop, Appendix 2 für eine Übersicht über andere<br />

Systeme.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Grundlagen<br />

Ein weiteres wichtiges Merkmal neben [±sth] betrifft z.B. die<br />

Kennzeichnung der Sonoranz mittels [±sonorant] ([±son]).<br />

Ein sonoranter Laut trägt das Merkmal [+son], ein Obstruent hingegen<br />

[−son].<br />

Damit lässt sich beispielsweise die natürliche Klasse der stimmlosen<br />

Obstruenten durch gleichzeitige Angabe beider <strong>Merkmale</strong> in einer<br />

Merkmalsmatrix beschreiben:<br />

[ [-son, -sth] oder<br />

-son]<br />

-sth<br />

Die <strong>Merkmale</strong> werden entweder nebeneinander oder untereinander in<br />

eckigen Klammern geschrieben.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Grundlagen<br />

Ein weiteres Merkmal [±kontinuierlich] ([±kont]) bezieht sich auf die<br />

Kontinuität des Luftstroms bei der Aussprache.<br />

Fließt der Luftstrom ungehindert über den Zunge und Lippen, so wird der<br />

Laut mit [+kont] gekennzeichnet, sonst [−kont] mit .<br />

Im Moment können wir beispielsweise folgende Klassen beschreiben:<br />

[-son] Nicht-Sonoranten = Obstruenten = Plosive & Frikative<br />

im Deutschen z.B. [b p d t g k v f S s z C x h ?]<br />

[-son, -kont] Nicht-kontinuierliche Obstruenten = Plosive<br />

im Deutschen z.B. [b p d t g k ?]<br />

[-son, -kont, Stimmlose nicht-kontinuierliche Obstruenten<br />

-sth] im Deutschen z.B. [p t k ?]<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Grundlagen<br />

Grafisch veranschaulicht (bzgl. des Deutschen):<br />

+sth<br />

-sth<br />

u:<br />

a:<br />

E<br />

O<br />

I<br />

+son -son<br />

w<br />

j<br />

@<br />

y<br />

m<br />

n<br />

l N<br />

d<br />

?<br />

p<br />

b<br />

t<br />

x<br />

k<br />

g<br />

-kont<br />

+kont<br />

z<br />

f<br />

v<br />

S<br />

C<br />

s<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Grundlagen<br />

Die <strong>Merkmale</strong> selbst sind sprachübergreifende, universelle<br />

Beschreibungsmittel.<br />

Welche Laute konkret dadurch beschrieben werden hängt aber von der<br />

jeweiligen Sprache ab.<br />

Da es im Plains Cree keinen glottalen Plosiv [?] gibt, besteht die durch<br />

[-son,-kont,-sth] beschriebene natürliche Klasse dort nur aus<br />

den Lauten [p t k].<br />

Damit ist die Eingabe der Regel charakterisiert und man kann wie<br />

folgt umformulieren:<br />

[<br />

-son<br />

] -kont > [+sth] / V __ V<br />

-sth<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Grundlagen<br />

Diese neue Form der Regel ist so zu lesen:<br />

Bei allen Lauten, die die Eingabemerkmale haben und im<br />

angegebenen Kontext vorkommen, werden die Ausgabemerkmale<br />

entsprechend geändert.<br />

Alle nicht erwähnten <strong>Merkmale</strong> bleiben gleich.<br />

Die Regel sagt damit direkt aus, dass stimmlose Plosive zwischen<br />

Vokalen stimmhaft werden.<br />

Ausserdem ist ersichtlich, dass es sich bei der Eingabe um eine<br />

natürliche Klasse und keine willkürliche Menge von phonetisch<br />

unzusammenhängenden Lauten handelt.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Merkmalssysteme<br />

Ein Merkmal, das zwischen Phonemen einer Sprache unterscheiden<br />

kann, nennt man distinktiv (für diese Sprache).<br />

Genauer: Ein Merkmal ist distinktiv, wenn es zwei Phoneme gibt, die<br />

sich nur in diesem Merkmal unterscheiden.<br />

Beispielsweise ist [±stimmhaft] distinktiv für das Deutsche, da sich die<br />

beiden Phoneme [p] und [b] nur in ihrer Stimmhaftigkeit<br />

unterscheiden.<br />

Ein Merkmal für Aspiration [±aspiriert] wäre für das Deutsche nicht<br />

distinktiv: aspirierte Plosive wie [p ] kommen zwar vor, jedoch<br />

nicht kontrastierend.<br />

Im Gegensatz dazu ist Aspiration distinktiv im Hindi (vgl. Folien<br />

<strong>Phonologie</strong>: Grundbegriffe; S. 5).<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Merkmalssysteme<br />

Ein System von <strong>Merkmale</strong>n muss entsprechende distinktive <strong>Merkmale</strong><br />

bereitstellen, um alle Kontraste in allen Sprachen der Welt zu<br />

erfassen.<br />

Im Folgenden betrachten wir das System in Hall (2000), Kapitel 4, dem<br />

das prominente System von Chomsky & Halle (1968)<br />

zugrundeliegt.<br />

Wie oben sind viele <strong>Merkmale</strong> binär, d.h. sie haben entweder den<br />

Wert + oder -.<br />

Weiterhin gibt es privative <strong>Merkmale</strong>, die entweder vorhanden sind<br />

oder nicht und dadurch andere <strong>Merkmale</strong> mit sich bringen.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Merkmalssysteme<br />

Die <strong>Merkmale</strong> lassen sich in vier Kategorien einteilen:<br />

Oberklassenmerkmale<br />

erfassen „große“ Segmentklassen<br />

laryngale <strong>Merkmale</strong><br />

drücken verschiedene Stellungen der Stimmbänder aus<br />

<strong>Merkmale</strong> der Artikulationsart<br />

geben Auskunft über die Art der Luftstrombehinderung<br />

Ortsmerkmale<br />

beschreiben Artikulationsstellen und Zungenposition<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Oberklassenmerkmale<br />

[±konsonantisch] ([±kons])<br />

Laute mit [+kons] sind durch eine Verengung im Ansatzrohr<br />

gekennzeichnet.<br />

[+kons] sind z.B. Plosive wie /p b/, Frikative wie /f v/,<br />

Affrikaten wie /tþs/, Nasale wie /m n/, Laterale wie /l/,<br />

Vibranten wie<br />

/r/, geschlagene Laute wie /4/ und Approximanten wie /£ ²/.<br />

[-kons] sind Laute ohne Verengung im Ansatzrohr, wie Vokale<br />

und Gleitlaute /j w/ und laryngale Laute wie /h ?/, da hier<br />

die Verengung im Kehlkopf (d.h. an der Glottis) und nicht im<br />

Ansatzrohr stattfindet.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Oberklassenmerkmale<br />

[±sonorantisch] ([±son])<br />

Dieses Merkmal unterscheidet Sonoranten ([+son]) von<br />

Obstruenten ([-son]).<br />

Artikulatorisch gesehen ist bei [+son] Segmenten der Luftdruck vor<br />

und hinter der Engstelle ungefähr gleich, während er bei<br />

[-son] Segmenten unterschiedlich ist, da eine Engstelle einen<br />

Luftdruckanstieg im Ansatzrohr verursacht.<br />

[-son] sind z.B. Plosive, Affrikaten und Frikative und Laryngale.<br />

[+son] sind z.B. /m n N l r £ ³/, Gleitlaute, Vokale.<br />

sind spontan stimmhaft, d.h. dass die gesamte Konfiguration von<br />

Kehlkopf und Ansatzrohr zur Stimmlippenschwingung führt.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Oberklassenmerkmale<br />

[±approximantisch] ([±appr])<br />

Dieses Merkmal kennzeichnet Laute bei denen der Luftstrom den<br />

Mund ohne Verschluss oder eine Reibegeräusch produzierende<br />

Engstelle verlässt.<br />

[+appr] sind damit z.B. Approximanten, Gleitlaute und Vokale.<br />

[-appr] sind alle anderen Laute, z.B. Plosive, Frikative,<br />

Affrikaten, Nasale, Vibranten und geschlagene Laute.<br />

[±silbisch] ([±silb])<br />

Alternativ zum Merkmal [±appr] wird auch oft das Merkmal<br />

[±silb] benutzt, das angibt, ob der Laut einen Silbengipfel<br />

bilden kann.<br />

[+silb] sind damit Vokale, [-silb] sind insbesondere Gleitlaute.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Oberklassenmerkmale<br />

Mit den Oberklassenmerkmalen lassen sich eine Reihe von wichtigen<br />

Segmentklassen charakterisieren:<br />

Obstruenten Nasale Liquide Laryngale Vokale Gleitlaute<br />

[±kons] + + + - - -<br />

[±son] - + + - + +<br />

[±appr] - - + - + +<br />

[±silb] - - - - + -<br />

Die Liquide umfassen nach dieser Definition die lateralen und die<br />

zentralen Approximanten /l/ bzw. /£ ²/, aber nicht die<br />

vibrierenden rhotics wie z.B. /r ³/.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Laryngale <strong>Merkmale</strong><br />

[±stimmhaft] ([±sth])<br />

Dieses Merkmal gibt an, ob der entsprechende Laut mit<br />

Stimmlippenschwingung ([+sth]) oder ohne ([-sth])<br />

artikuliert wird.<br />

[+sth] sind damit Vokale, Gleitlaute, sonorantische Konsonaten<br />

wie /m n l r/ und stimmhafte Obstruenten wie /b d g v z/.<br />

[-sth] sind im Deutschen nur die stimmlosen Obstruenten wie<br />

/p t k f s/, d.h. im Deutschen (wie in vielen anderen<br />

Sprachen) ist [±sth] nur für Obstruenten distinktiv und<br />

Sonoranten sind immer stimmhaft..<br />

In anderen Sprachen gibt es allerdings auch [-sth] Sonoranten,<br />

wie z.B. /lß/ im Toda: [kalß] („Perle“) vs. [kal] („studieren“).<br />

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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Laryngale <strong>Merkmale</strong><br />

[±aspiriert] ([±asp]) [±spread] ([±spread])<br />

Dieses Merkmal gibt an, ob die Glottis gespreizt ist und dadurch<br />

ein Hauchgeräusch bei der Lautproduktion entsteht.<br />

[+asp] sind z.B. aspirierte Laute wie /p t /, behauchte Laute<br />

wie /bÐ mÐ/ sowie der Frikativ /h/, alle anderen Segmente sind<br />

[-asp].<br />

[±glottalisiert] ([±glottal]) [±constricted] ([±constr])<br />

Bei [+glottal] sind die Stimmlippen soweit angenähert, dass sie<br />

einen Verschluss oder fast einen Verschluss bilden.<br />

[+glottal] Segmente sind z.B. Ejektive, Implosive, der<br />

Glottisverschlusslaut /?/oder laryngalisierte Laute.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

<strong>Merkmale</strong> der Artikulationsart<br />

[±kontinuierlich] ([±kont])<br />

Bei kontinuierlichen Lauten strömt die Luft, ohne dass es einen<br />

Verschluss im mediosagittalen Bereich gibt, über<br />

Zungenrücken, -blatt, -spitze und die Lippen.<br />

[+kont] sind deshalb Frikative, Vibranten, Gleitlaute, Vokale<br />

und zentrale Approximanten.<br />

[-kont] sind dagegen Plosive, Affrikaten, Nasale (die Luft<br />

strömt hier durch die Nase) und laterale Approximanten (da<br />

es hier einen Verschluss in der Mundraummitte gibt).<br />

Mittels dieses Merkmals lassen sich also Plosive ([-son,-kont])<br />

von Frikativen ([-son,+kont]) unterscheiden.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

<strong>Merkmale</strong> der Artikulationsart<br />

[±nasal] ([±nas])<br />

Laute, die das Merkmal [+nas] tragen, werden mit gesenktem<br />

Velum artikuliert.<br />

[+nas] sind deshalb nasale Konsonanten und nasale Vokale,<br />

[-nas] alle anderen Laute.<br />

[±lateral] ([±lat])<br />

Bei [+lat] Lauten wird der Luftstrom im Mundraum durch einen<br />

zentralen Verschluss blockiert, sodass die Luft über einen<br />

oder beide Ränder der Zunge abfließt.<br />

[+lat] sind z.B. /l ¢ K ¡/, [-lat] alle anderen Laute.<br />

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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

<strong>Merkmale</strong> der Artikulationsart<br />

[±sibilantisch] ([±sibil]) [±strident] ([±strid])<br />

Sibilantische Laute werden dadurch gebildet, dass die Luft durch<br />

eine komplexe Engstelle an zwei Oberflächen<br />

vorbeistreicht.<br />

Deshalb sind können nur Frikative und Affrikaten [±sibil] sein.<br />

Auf auditiver Seite zeichnen sie sich durch einen intensiven<br />

hohen („zischenden“) Klang aus.<br />

[+sibil] sind z.B. /s z S Z tþs tþS dþZ/ während /T D C x/<br />

[-sibil] sind.<br />

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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

<strong>Merkmale</strong> der Artikulationsart<br />

Mit den zusätzlichen <strong>Merkmale</strong>n der Artikulationsart erreicht man eine<br />

noch feinere Segmentklassifikation:<br />

Plosive<br />

[-kont]<br />

Obstruenten<br />

[-son]<br />

Frikative<br />

[+kont]<br />

Konsonanten<br />

[+kons]<br />

Laterale<br />

[+lat]<br />

Liquide<br />

[-nas]<br />

Sonoranten<br />

[+son]<br />

Vibranten<br />

[-lat]<br />

Nasale<br />

[+nas]<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Ortsmerkmale<br />

Bei den Ortsmerkmalen treten Probleme auf, wenn man weiterhin mit<br />

binären <strong>Merkmale</strong>n arbeitet.<br />

Zur Unterscheidung von labialen vs. nicht-labialen Lauten wird oft ein<br />

binäres Merkmal [±labial] benutzt.<br />

Damit sagt man im Prinzip zwei natürliche Klassen voraus: die Klasse<br />

der [+labial] und die Klasse der [-labial] Laute.<br />

Das Problem hierbei ist, dass man keine Sprache kennt, in der<br />

irgendeine Regel auf die Klasse der [-labial] Laute Bezug<br />

nehmen würde.<br />

Man hat also keine phonologische Evidenz für diese Klasse.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Ortsmerkmale<br />

Aus diesem Grund benutzt man besser privative <strong>Merkmale</strong>.<br />

Privative <strong>Merkmale</strong> sind vorhanden oder nicht, haben also keine Werte<br />

und sagen daher auch nicht zwei sondern nur eine Klasse voraus.<br />

Privative <strong>Merkmale</strong> schreibt man mit Kapitälchen, z.B. [LABIAL].<br />

Folgende werden benutzt:<br />

[LABIAL] eine oder beide Lippen an Artikulation beteiligt.<br />

[KORONAL] Zungenspitze oder -blatt -“-<br />

[DORSAL] Zungenrücken -“-<br />

[RADIKAL] Zungenwurzel -“-<br />

Zu diesen privativen <strong>Merkmale</strong>n gibt es jeweils binäre <strong>Merkmale</strong> zur<br />

weiteren Spezifikation des Artikulationsorts.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Ortsmerkmale<br />

[LABIAL] ([LAB]) [±rund]<br />

Laute mit dem Merkmal [LAB] werden unter Beteiligung einer oder<br />

beider Lippen gebildet, z.B. labiale Konsonanten wie /p b f v m/,<br />

Gleitlaute wie /w/ und gerundete Vokale wie /y 2 o u/.<br />

Je nach Lippenstellung können [LAB] Laute<br />

sein.<br />

[+rund] bei gerundeten Lippen, wie z.B. bei /y 2 o u/ oder<br />

[-rund] bei ungerundeten Lippen, wie z.B. bei /p b f v m/<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Ortsmerkmale<br />

[KORONAL] ([KOR]) [±anterior] ([±ant])<br />

[±apikal] ([±apik])<br />

Laute mit dem Merkmal [KOR] werden unter Beteiligung der<br />

Zungenspitze oder des Zungenblattes artikuliert.<br />

Dazu gehören dentale, alveolare, postalveolare und retroflexe Laute,<br />

sowie palatale Plosive, Nasale, Laterale und Gleitlaute, nicht<br />

aber palatale Frikative wie /C/.<br />

[+ant] Koronallaute werden am oder vor dem Zahndamm artikuliert<br />

(z.B. /t d s z/), [-ant] Laute dahinter (z.B. /S Z/).<br />

Mittels [±ant] kann man also dentale und alveolare Laute von<br />

postalveolaren Lauten unterscheiden. 32


Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Ortsmerkmale<br />

[+apik] Koronallaute werden mit der Zungenspitze im Mundraum<br />

artikuliert, [-apik] Koronallaute mit dem Zungenblatt (d.h.<br />

laminal).<br />

Oft wird auch [±distributed] benutzt (etwa: Luftstrom kann längere<br />

Zeit ungehindert über Engstelle im mediosagitalen Bereich fließen),<br />

womit [-distributed]=[+apikal] ist.<br />

Retroflexe Laute wie /µ ´/ und alveolare Laute wie /t/ sind ([+apik]),<br />

postalveolare Lauten wie /S/ und dentale Laute wie /tÏ/ ([-apik]).<br />

/tÏ/ /t/ /µ/ /c/<br />

[KOR] ü ü ü ü<br />

[±ant] + + - -<br />

[±apik] - + + - 33


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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Ortsmerkmale<br />

[DORSAL] ([DORS]) [±hinten] ([±hint])<br />

[±hoch]<br />

[±tief]<br />

[±gespannt] ([±gesp])<br />

Laute mit dem Merkmal [DORS] werden mit dem Zungenrücken<br />

(Dorsum) artikuliert.<br />

Dazu gehören palatale Frikative, velare und uvulare Laute, der<br />

Gleitlaut /w/ sowie alle Vokale.<br />

[-hint] Segmente werden mit vorverlagertem Dorsum artikuliert<br />

(z.B. vordere Vokale wie /i y e/ oder palatale Frikative /C/),<br />

[+hint] Segmente mit zurückgezogenem Dorsum (z.B.<br />

hintere/zentrale Vokalewie /u o a/, velare und uvulare<br />

Konsonanten wie /k g x X ³/). 34


Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Ortsmerkmale<br />

Bei [+hoch] Lauten wird das Dorsum angehoben, bei [-hoch] nicht.<br />

Damit gehören zu den [+hoch] Lauten die hohen (d.h.<br />

geschlossenen) Vokale wie /i y u/, palatale Laute wie /C/, sowie<br />

velare Laute wie /k g x N/.<br />

Uvulare Segmente wie /X ³/ und mittlere und tiefe (d.h. offene)<br />

Vokale wie /e o a/ sind dagegen [-hoch].<br />

Bei [+tief] Lauten wird das Dorsum nach unten verlagert.<br />

Zu den [+tief] Lauten zählen die tiefe Vokale /{ a/.<br />

Zu den [-tief] Lauten alle anderen Vokale und alle palatalen,<br />

velaren und uvularen Konsonanten. 35


Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Ortsmerkmale<br />

Folgende Tabelle illustriert die Unterscheidung von palatalen, velaren<br />

und uvularen Frikativen:<br />

/C/ /x/ /X/<br />

[DORS] ü ü ü<br />

[±hint] - + +<br />

[±hoch] + + -<br />

Mittels der beiden <strong>Merkmale</strong> [±hoch] und [±tief] lassen sich<br />

ingesamt drei Vokalhöhen darstellen:<br />

hoch = [+hoch, -tief]<br />

mittel = [-hoch, -tief]<br />

tief = [-hoch, +tief]<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Ortsmerkmale<br />

Folgende Tabelle illustriert die Merkmalsverteilung bei einigen Vokalen:<br />

/i/ /y/ /u/ /e/ /2/ /o/ /a/<br />

[DORS] ü ü ü ü ü ü ü<br />

[±hint] - - + - - + +<br />

[±hoch] + + + - - - -<br />

[±tief] - - - - - - +<br />

[LAB] ü ü ü ü<br />

[±rund] + + + +<br />

37


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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Ortsmerkmale<br />

[±gespannt] ([±gesp]) [±advanced tongue root] ([±ATR])<br />

[+gesp] Laute werden mit einer „gespannten“ Zungenposition<br />

artikuliert, bei der die Zungenmitte etwas weiter vom<br />

Zentrum entfernt ist als bei [-gesp] Lauten.<br />

Oft wird stattdessen auch oft das Merkmal [±ATR] benutzt, das<br />

eine vorgeschobene Zungenwurzel anzeigen soll.<br />

Zu den gespannten ([+gesp]) Vokalen zählen /i y e o u/,<br />

während /I Y E O U/ das Merkmal [-gesp] tragen.<br />

[RADIKAL] ([RAD])<br />

Zeigt die Artikulation mit der Zungenwurzel an, wie z.B. bei den<br />

pharyngalen Segmenten [ ]. 38


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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Länge<br />

[±lang]<br />

Das Merkmal [±lang] wird benutzt, um einen Laut als lang bzw.<br />

kurz zu kennezeichnen.<br />

Im Deutschen sind damit alle langen Vokale wie z.B. /u: i: y: a:/<br />

[+lang], während alle kurzen Vokale [-lang] sind.<br />

Der Zusammenhang zwischen Gespanntheit und Länge lässt sich<br />

damit als Regularität zwischen den <strong>Merkmale</strong>n [±gesp] und<br />

[±lang] ausdrücken.<br />

In neueren Ansätzen zur <strong>Phonologie</strong> wird die Lautlänge allerdings<br />

anders behandelt und nicht mehr durch ein Merkmal<br />

ausgedrückt.<br />

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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

<strong>Merkmale</strong> & Regeln<br />

Mit diesen <strong>Merkmale</strong>n eröffnet sich eine neue Sicht auf Segmente.<br />

Ein Segment ist damit nichts anderes als ein Merkmalsbündel/-matrix.<br />

Folgende <strong>Merkmale</strong> charakterisieren beispielsweise das Segment /m/:<br />

+kons<br />

+son<br />

-appr<br />

+sth<br />

-glottal<br />

-kont<br />

+nas<br />

-lat<br />

-sibil<br />

LAB<br />

-rund<br />

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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

<strong>Merkmale</strong> & Regeln<br />

Die zugrundelegende Repräsentation ist damit nur noch eine lineare<br />

Abfolge von Merkmalsmatrizen.<br />

Regeln greifen auf <strong>Merkmale</strong> dieser Matrizen zu und ändern manche.<br />

Beispiel: Auslautverhärtung im Deutschen (s. Folien 5. Sitzung, S. 18ff)<br />

/b d g v z Z/ > [p t k f s S] / __ #<br />

„Stimmhafte Obstruenten werden am Wortende stimmlos“<br />

Die natürliche Klasse der stimmhaften Obstruenten /b d g v z Z/ kann<br />

ganz einfach mittels der Merkmalsspezifikation [+sth, -son]<br />

erfasst werden.<br />

41


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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

<strong>Merkmale</strong> & Regeln<br />

Im neuen Format sieht die Regel damit wie folgt aus:<br />

[+sth, -son] > [-sth] / __ #<br />

Damit sieht die Auslautverhärtung /ta:g/ > [ta:k] eigentlich so aus:<br />

+kons<br />

-son<br />

-appr<br />

-sth<br />

-glottal<br />

-kont<br />

-nas<br />

-lat<br />

-sibil<br />

KOR<br />

+ant<br />

-kons<br />

+son<br />

+appr<br />

+sth<br />

-glottal<br />

+kont<br />

-nas<br />

-lat<br />

-sibil<br />

DORS<br />

+hint<br />

-hoch<br />

+tief<br />

-gesp<br />

+kons<br />

-son<br />

-appr<br />

+sth<br />

-glottal<br />

-kont<br />

-nas<br />

-lat<br />

-sibil<br />

DORS<br />

+hint<br />

+hoch<br />

-tief<br />

-gesp<br />

# ><br />

+kons<br />

-son<br />

-appr<br />

-sth<br />

-glottal<br />

-kont<br />

-nas<br />

-lat<br />

-sibil<br />

KOR<br />

+ant<br />

-kons<br />

+son<br />

+appr<br />

+sth<br />

-glottal<br />

+kont<br />

-nas<br />

-lat<br />

-sibil<br />

DORS<br />

+hint<br />

-hoch<br />

+tief<br />

-gesp<br />

+kons<br />

-son<br />

-appr<br />

-sth<br />

-glottal<br />

-kont<br />

-nas<br />

-lat<br />

-sibil<br />

DORS<br />

+hint<br />

+hoch<br />

-tief<br />

-gesp42


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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

<strong>Merkmale</strong> & Regeln<br />

Man kann die Regel noch weiter vereinfachen zu:<br />

[-son] > [-sth] / __ #<br />

Diese Regel besagt, dass alle Obstruenten im Auslaut stimmlos werden.<br />

Das ist natürlich kein Problem: [+sth] Obstruenten werden zu<br />

[-sth], [-sth] Obstruenten bleiben ganz einfach [-sth], d.h.<br />

sie durchlaufen die Regel leer.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

<strong>Merkmale</strong> & Regeln<br />

Durch <strong>Merkmale</strong> lassen sich auch Assimilationen besser charakterisieren.<br />

In der Sprache Arabela (Peru) gibt es eine progressive Assimilation bzgl.<br />

Nasalisiertheit.<br />

Alle Vokale, Gleitlaute und Laryngale, die einem nasalisierten<br />

Konsonanten folgen, werden auch nasalisiert:<br />

/nuwa/ > [nu~w~a~] („Rebhuhn“)<br />

Für Arabela könnte man deshalb folgende segmentale Regel aufstellen:<br />

/i e o u a j w h/ > [i~ e~ o~ u~ a~ j~ w~ h~] / [m n] __ (iterativ)<br />

Die Spezifikation (iterativ) hinter der Regel gibt an, dass sie wiederholt<br />

angewendet werden muss (sonst würde man nur [nu~wa] ableiten). 44


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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

<strong>Merkmale</strong> & Regeln<br />

Die gewünschte Assimilation lässt sich wie folgt beschreiben:<br />

[-kons] > [+nas] /[+kons, +nas] __ (iterativ)<br />

„Ein Nicht-Konsonant wird Nasal nach einem nasalen Konsonanten“<br />

Dass es sich hierbei um eine Assimilation handelt sieht man daran, dass<br />

in der Ausgabe der Regel ein Merkmal ([+nas]) mit einem<br />

Merkmal im Kontext übereinstimmt.<br />

Die Richtung der Assimilation lässt sich auch ablesen:<br />

kommt das entsprechende Merkmal vom linken Kontext ist sie<br />

progressiv, kommt es vom rechten Kontext ist sie regressiv.<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

<strong>Merkmale</strong> & Regeln<br />

Weiteres Beispiel: Vokalharmonie im Ungarischen (s. letzte Sitzung,<br />

S. 13ff)<br />

[te:rke:p+r2:l] „Landkarte“ [lA:J+ro:l] „Mädchen“<br />

[f2:ld+r2:l] „Land“ [u:r+ro:l] „Herr“<br />

[y +r2:l] „Geschäft“ [fog+ro:l] „Zahn“<br />

[si:n+r2:l] „Farbe“<br />

Beobachtung:<br />

die Stammvokale sind alle entweder [-hint] oder [+hint].<br />

Ist der Stammvokal [-hint] bzw. [+hint], so ist auch der<br />

Suffixvokal entsprechend [-hint] bzw. [+hint].<br />

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Phonetik & <strong>Phonologie</strong> WS 2005/2006 Christian Ebert<br />

<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

<strong>Merkmale</strong> & Regeln<br />

Die geforderte Ortsassimilation muss also sicherstellen, dass der<br />

Suffixvokal genau den gleichen Wert für das Merkmal [±hinten]<br />

trägt, wie die Stammvokale (z.B. der letzte Stammvokal).<br />

Um das auszudrücken benutzt man griechische Buchstaben wie z.B. α<br />

(Alpha) als Variablen.<br />

Die Vokalharmonieregel sieht damit wie folgt aus:<br />

[-kons] > [αhint] /[-kons, αhint] C 0 + C 0 __ C 0 #<br />

Die Regel besagt:<br />

Ein Vokal, der im Suffix zwischen keinen oder mehreren<br />

Konsonanten vorkommt hat den gleichen Wert für [±hinten],<br />

wie der letzte Vokal im Stamm. 47


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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Redundanz & Unterspezifikation<br />

Gewisse Regularitäten im Lautinventar einer Sprache lassen sich durch<br />

Redundanzregeln (oder Defaultregeln) über den <strong>Merkmale</strong>n<br />

ausdrücken.<br />

Beispielsweise sind aus anatomischen Gründen in allen Sprachen der<br />

Welt [+hoch] Vokale notwendigerweise [-tief] und [+tief]<br />

Vokale notwendigerweise [-hoch].<br />

Dieser universelle Zusammenhang lässt sich wie folgt ausdrücken:<br />

[+hoch] => [-tief]<br />

[+tief] => [-hoch]<br />

Redundanzregeln drücken also vorhersagbare Informationen bzgl. der<br />

Merkmalsspezifikationen einer Sprache aus.<br />

48


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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Redundanz & Unterspezifikation<br />

Es gibt auch nicht-universelle, sprachspezifische Redundanzen:<br />

Beispiel: Vokale im Spanischen<br />

/i/ /e/ /u/ /o/ /a/<br />

[DORS] ü ü ü ü ü<br />

[±hint] - - + + +<br />

[±hoch] + - + - -<br />

[±tief] - - - - +<br />

[LAB] ü ü<br />

[±rund] + +<br />

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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Redundanz & Unterspezifikation<br />

Folgende Redundanzen lassen sich erkennen:<br />

[-hint] => [-tief]<br />

„Alle vorderen Vokale sind nicht tief.“<br />

[+tief] => [+hint]<br />

„Alle tiefen Vokale sind hintere Vokale.“<br />

[LAB] => [+rund]<br />

„Alle labialen Vokale sind gerundet.“<br />

[LAB] => [+hint]<br />

„Alle labialen Vokale sind hintere Vokale.“<br />

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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Redundanz & Unterspezifikation<br />

Damit kann man Merkmalsspezifikationen vereinfachen, indem man<br />

redundante (=vorhersagbare) <strong>Merkmale</strong> weglässt:<br />

/i/ /e/ /u/ /o/ /a/<br />

[DORS] ü ü ü ü ü<br />

[±hint] - -<br />

[±hoch] + - + -<br />

[±tief] - +<br />

[LAB] ü ü<br />

Man spricht in diesem Zusammenhang von Unterspezifikation und sagt,<br />

dass die Merkmalsmatrizen für die redundanten <strong>Merkmale</strong><br />

unterspezifiziert sind.<br />

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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Deutsche Phoneme<br />

Die Vokalphoneme des Deutschen sind durch folgende distinktiven<br />

<strong>Merkmale</strong> charakterisiert:<br />

i: I y Y e: E E: 2: 9 u: U o: O a a: @<br />

[±kons] - - - - - - - - - - - - - - - -<br />

[±hint] - - - - - - - - - + + + + + + +<br />

[±hoch] + + + + - - - - - + + - - - - -<br />

[±tief] - - - - - - - - - - - - - + + -<br />

[LAB] ü ü ü ü ü ü ü ü<br />

[±gesp] + - + - + - - + - + - + - - - -<br />

[±lang] + - + - + - + + - + - + - - + -<br />

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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Deutsche Phoneme<br />

Da lange und kurze Vokale komplentär verteilt sind, legt man die<br />

langen Vokale zugrunde.<br />

[+gesp] Vokale sind damit immer auch [+lang].<br />

/E:/ und /a:/ und sind im Deutschen die einzigen [+lang] Vokale die<br />

[-gesp] sind.<br />

Kurze Vokale lassen sich durch folgende Vokalkürzung ableiten (vgl.<br />

4. Sitzung (Artikulatorische Phonetik), S. 13f):<br />

[+gesp] > [-lang] / __ (wenn unbetont vor der Wortakzentstelle)<br />

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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Deutsche Phoneme<br />

Die Konsonantenphoneme des Deutschen sind durch folgende<br />

distinktiven <strong>Merkmale</strong> charakterisiert:<br />

[-sth] p t k f s S C h<br />

[+sth] b d g v z Z m n N l ³ j<br />

[±kons] + + + + + + + + + + + + - -<br />

[±son] - - - - - - - + + + + + + +<br />

[±kont] - - - + + + + - - - - + + +<br />

[±nas] - - - - - - - + + + - - - -<br />

[LAB] ü ü ü<br />

[KOR] ü ü ü ü ü ü<br />

[±ant] + -<br />

[DORS] ü ü ü ü<br />

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<strong>Distinktive</strong> <strong>Merkmale</strong><br />

Deutsche Phoneme<br />

Weitere <strong>Merkmale</strong> können durch Redundanzregeln eingeführt werden:<br />

[-kons] => [+son] [-kons] => [+sth]<br />

[-kons] => [DORS] [-kons] => [-lat]<br />

[-kons] => [-asp] [-kons] => [+kont]<br />

[-kons,LAB] => [+rund]<br />

[+kons] => [-glottal]<br />

[+kons,LAB] => [-rund]<br />

[-son,+kont,KOR] => [+sibil]<br />

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