Karl Simrock - Nibelungenrezeption.de
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Der werte Held vertauschte sein ritterlich Gewand<br />
Mit eines Fischers Klei<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n er am Ufer fand<br />
Den Helm mit <strong>de</strong>m Barette, sein getreues Roß,<br />
Mit einem guten Schifflein, das lustig auf <strong>de</strong>n Wellen floß.<br />
Seine Waffe war das Ru<strong>de</strong>r, die Stange war sein Speer,<br />
So kreuzt’ er auf <strong>de</strong>n Wellen manch lieben Tag umher<br />
Und fischte nach <strong>de</strong>m Horte; die Zeit ward ihm nicht lang,<br />
Er erholte von <strong>de</strong>r Arbeit sich bei Zechgelag und Gesang.<br />
Um das alte Wormes und tiefer um <strong>de</strong>n Rhein,<br />
Bis sich die Berge senken, da wächst ein guter Wein:<br />
Er gleicht so recht an Farbe <strong>de</strong>m Nibelungengold,<br />
Das in <strong>de</strong>r Flut zerronnen in <strong>de</strong>r Reben A<strong>de</strong>rn rollt.<br />
Den trank er alle Tage bei<strong>de</strong>s, spät und früh,<br />
Wenn er Rast sich gönnte von <strong>de</strong>r Arbeit Müh’.<br />
Er war so rein und lauter, er war so hell und gut,<br />
Er stärkte seine Sinne und erhöht’ ihm Kraft und Mut.<br />
Auch hört’ er Märe singen, die sang <strong>de</strong>r Degen nach,<br />
Von Alberich <strong>de</strong>m Zwerge, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Hortes pflag,<br />
Von hohem Liebeswerben, von Siegfrie<strong>de</strong>ns Tod,<br />
Von Kriemhilds grauser Rache und <strong>de</strong>r Nibelungen Not.<br />
Da nahm <strong>de</strong>r Degen wie<strong>de</strong>r das Ru<strong>de</strong>r in die Hand<br />
Und forschte nach <strong>de</strong>m Horte am weingrünen Strand.<br />
Mit Hacken und mit Schaufeln drang er auf <strong>de</strong>n Grund,<br />
Mit Netzen und mit Stangen, ihm wur<strong>de</strong>n Mühsale kund.<br />
Von <strong>de</strong>s Weines Güte empfing er Kraft genug,<br />
Daß er <strong>de</strong>s Tags Beschwer<strong>de</strong> wohlgemut ertrug;<br />
Sein Lied mit solcher Fülle aus seiner Kehle drang,<br />
Daß es nachgesungen von allen Bergen wi<strong>de</strong>rklang.<br />
So schifft’ er immer weiter zu Tal <strong>de</strong>n grünen Rhein,<br />
Nach <strong>de</strong>m Horte forschend bei Hochgesang und Wein.<br />
Am großen Loch bei Bingen erst seine Stimme schwoll,<br />
Hei! wie sein starkes Singen an <strong>de</strong>r Lurlei wi<strong>de</strong>rscholl!<br />
Doch fand er in <strong>de</strong>r Tiefe vom Gol<strong>de</strong> keine Spur,<br />
Nicht in <strong>de</strong>s Stromes Bette, im Becher blinkt’ es nur.<br />
Da sprach <strong>de</strong>r biedre Degen: „Nun leuchtet mir erst ein:<br />
Ich ging <strong>de</strong>n Hort zu suchen, <strong>de</strong>r große Hort, das ist <strong>de</strong>r Wein.<br />
Der hat aus alten Zeiten noch bewahrt die Kraft,<br />
Daß er zu großen Taten erregt die Ritterschaft.<br />
Aus <strong>de</strong>r Berge Schachten stammt sein Feuergeist,<br />
Der <strong>de</strong>n blö<strong>de</strong>n Sänger in hohen Lie<strong>de</strong>rn unterweist.<br />
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