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Sherlock Holmes an der Stella Matutina - in Feldkirch

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<strong>Feldkirch</strong> aktuell /4.2009 A U S A L T E N Z E I T E N ......................................................<br />

<strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Stella</strong> <strong>Matut<strong>in</strong>a</strong><br />

Am 22. Mai 2009 jährte sich <strong>der</strong><br />

Geburtstag von Sir Arthur Con<strong>an</strong><br />

Doyle, dem geistigen Vater von<br />

<strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong>, zum 150. Mal. E<strong>in</strong>en<br />

Teil se<strong>in</strong>er Ausbildung verbrachte<br />

<strong>der</strong> junge Con<strong>an</strong> Doyle am Jesuitengymnasium<br />

<strong>Stella</strong> <strong>Matut<strong>in</strong>a</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>Feldkirch</strong>. E<strong>in</strong>e Spurensuche.<br />

„In <strong>der</strong> Zwischenzeit hatte er die Person<br />

vor sich wahrgenommen und beg<strong>an</strong>n<br />

sie zu sherlockholmesieren ...” -<br />

<strong>der</strong> Satz entstammt e<strong>in</strong>em Rom<strong>an</strong>, dessen<br />

„Schicksal” sich 1915 am Bahnhof<br />

<strong>Feldkirch</strong> entschieden haben soll: „Ulysses”<br />

von James Joyce. Als <strong>der</strong> Autor sich<br />

1932 abermals <strong>in</strong> <strong>der</strong> Montfortstadt aufhielt<br />

und gerade <strong>an</strong> se<strong>in</strong>em f<strong>in</strong>alen Werk<br />

„F<strong>in</strong>neg<strong>an</strong>s Wake” arbeitete, sche<strong>in</strong>t er<br />

beson<strong>der</strong>e Inspiration im Jesuitenkonvikt<br />

<strong>Stella</strong> <strong>Matut<strong>in</strong>a</strong> gefunden zu haben -<br />

denn mehr als e<strong>in</strong>mal ließ er die <strong>Stella</strong><br />

aus se<strong>in</strong>em letzten Rom<strong>an</strong> funkeln.<br />

E<strong>in</strong> englischer Schüler<br />

<strong>in</strong> <strong>Feldkirch</strong><br />

Im September 1875 entsteigt am<br />

Bahnhof <strong>Feldkirch</strong> e<strong>in</strong> sechzehnjähriger<br />

Junge aus dem schottischen Ed<strong>in</strong>burgh<br />

e<strong>in</strong>em Zug, <strong>der</strong> ihn, über Paris und die<br />

Schweiz reisend, hierher gebracht hat.<br />

In e<strong>in</strong>em nagelneuen Tweed-Anzug und<br />

mit glattgestrichenen Haaren unter e<strong>in</strong>er<br />

Schirmmütze begibt er sich mit se<strong>in</strong>en<br />

Siebensachen <strong>in</strong> das hiesige Jesuitengymnasium<br />

<strong>Stella</strong> <strong>Matut<strong>in</strong>a</strong>. In den Jahren<br />

davor hat er das Jesuitenkolleg im<br />

schottischen Stonyhurst besucht und es<br />

mit Auszeichnung abgeschlossen. Er ist<br />

noch zu jung für e<strong>in</strong> reguläres Studium<br />

<strong>an</strong> e<strong>in</strong>er Universität. Deshalb hat ihm<br />

Rektor Edward Ignatius Purbrick e<strong>in</strong> weiteres<br />

Jahr bei den Jesuiten empfohlen:<br />

VON DR. PHILIPP SCHÖBI<br />

Sir Arthur Con<strong>an</strong> Doyle<br />

„Da gibt es e<strong>in</strong>e großartige Schule <strong>in</strong><br />

<strong>Feldkirch</strong> ...”. Und nun ist er da. Se<strong>in</strong><br />

Name: Arthur Ignatius Con<strong>an</strong> Doyle.<br />

Obwohl aus eher bescheidenen Verhältnissen<br />

stammend, k<strong>an</strong>n Arthur d<strong>an</strong>k <strong>der</strong><br />

selbstlosen Unterstützung se<strong>in</strong>er Mutter<br />

Mary Doyle <strong>an</strong> dieser elitären Schule studieren,<br />

die sonst fast nur deutschsprachigen<br />

Jungs aus besserem Hause vorbehalten<br />

ist. 1<br />

1) Auch Leo Naphta, e<strong>in</strong>e <strong>der</strong><br />

Hauptfiguren <strong>in</strong> Thomas M<strong>an</strong>ns<br />

Rom<strong>an</strong> „Der Zauberberg”, würde<br />

sich <strong>der</strong>e<strong>in</strong>st als ehemaliger Zögl<strong>in</strong>g<br />

<strong>der</strong> <strong>Stella</strong> <strong>Matut<strong>in</strong>a</strong> entpuppen.<br />

Die <strong>Stella</strong> um 1900<br />

Se<strong>in</strong> größter Lapsus<br />

54<br />

„Die Alpen s<strong>in</strong>d wun<strong>der</strong>schön und ich<br />

denke, die Stadt ist nett”, schreibt er<br />

gleich nach Ankunft se<strong>in</strong>er Mutter. Was<br />

Arthur ihr aber verschweigt: Bereits <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> ersten Nacht <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Stella</strong> ist er, mit<br />

e<strong>in</strong>er Bettschere 2 bewaffnet, im großen<br />

Schlafsaal <strong>in</strong> den Kampf gezogen, um<br />

e<strong>in</strong>en schnarchenden Mitschüler uns<strong>an</strong>ft<br />

verstummen zu lassen - was ihm am Morgen<br />

d<strong>an</strong>ach prompt schon e<strong>in</strong>e Lektion<br />

<strong>in</strong> Sachen „freiem und lockerem englischem<br />

Benehmen” e<strong>in</strong>trägt. Später würde<br />

er das als se<strong>in</strong>en größten Lapsus <strong>in</strong><br />

<strong>Feldkirch</strong> bezeichnen, und h<strong>in</strong>zufügen:<br />

„Hier waren die Bed<strong>in</strong>gungen viel hum<strong>an</strong>er<br />

und ich begegnete weit mehr<br />

Menschenliebe als <strong>in</strong> Stonyhurst, mit<br />

dem sofortigen Ergebnis, dass ich aufhörte,<br />

e<strong>in</strong> nachtragen<strong>der</strong> junger Rebell<br />

zu se<strong>in</strong> und zu e<strong>in</strong>em Hüter von Recht<br />

und Ordnung wurde.” 3 Damit war die<br />

Saat gelegt für se<strong>in</strong>en späteren fiktiven<br />

Hüter von Recht und Ordnung <strong>in</strong> krim<strong>in</strong>alistischen<br />

D<strong>in</strong>gen, den Meisterdetektiv<br />

<strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong>.<br />

S e i t e


<strong>Feldkirch</strong> aktuell /4.2009 A U S A L T E N Z E I T E N ......................................................<br />

Fußball auf Stelzen<br />

Aber nun ist er <strong>in</strong> <strong>Feldkirch</strong>, um se<strong>in</strong><br />

Deutsch zu perfektionieren und akademisch<br />

her<strong>an</strong>zureifen. Später er<strong>in</strong>nert er<br />

sich: „Ich machte weniger Fortschritte <strong>in</strong><br />

Deutsch als ich sollte, denn es gab da<br />

auch noch etwa zw<strong>an</strong>zig englische und<br />

irische Jungs, welche natürlich die Wünsche<br />

ihrer Eltern h<strong>in</strong>tertrieben, <strong>in</strong>dem sie<br />

sich zusammen rotteten.” Allzu schlimm<br />

k<strong>an</strong>n es nicht gewesen se<strong>in</strong>, schrieb er<br />

doch im März 1876 <strong>an</strong> se<strong>in</strong>e Mutter:<br />

„Mit dem Deutsch geht es gut vor<strong>an</strong> [...]<br />

und ich habe e<strong>in</strong>e solche Redegew<strong>an</strong>dt-<br />

2) Bettschere = scherenförmiges Gerät,<br />

das zwischen Bettgestell und Matratze<br />

gesteckt wird, um das Herausfallen <strong>der</strong><br />

Bettdecke des Schlafenden zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Bettscheren kamen vor allem zum E<strong>in</strong>satz<br />

bei engen Betten, die beson<strong>der</strong>s im<br />

W<strong>in</strong>ter ihre Vorteile hatten. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

waren die Schlafsäle <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Stella</strong> schon<br />

damals beheizt, wie Con<strong>an</strong> Doyle freudig<br />

bemerkte - g<strong>an</strong>z im Gegensatz zu jenen<br />

<strong>in</strong> Stonyhurst.<br />

3) Wie gut sich Con<strong>an</strong> Doyle künftig<br />

tatsächlich hielt, zeigt sich auch dar<strong>an</strong>,<br />

dass er im Laufe se<strong>in</strong>es <strong>Feldkirch</strong>er<br />

Jahres <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Stella</strong> <strong>Matut<strong>in</strong>a</strong> noch bis<br />

zum schul<strong>in</strong>ternen Türhüter und<br />

Laufjungen aufsteigen sollte, e<strong>in</strong>em Amte<br />

also, das ihm, dem Schulneul<strong>in</strong>g, größte<br />

Vertrauenswürdigkeit attestierte.<br />

4) Aus <strong>der</strong> Festschrift zu 100 Jahre<br />

<strong>Stella</strong> <strong>Matut<strong>in</strong>a</strong> (Seite 70): Die neuen<br />

Spielplätze boten e<strong>in</strong>e willkommene<br />

Gelegenheit, das Stelzenspiel<br />

abzuschaffen. Das war e<strong>in</strong> altes Spiel<br />

im Kolleg, bei dem die Buben auf<br />

ziemlich hohen Stelzen h<strong>in</strong> und her liefen<br />

und dabei Ball spielten. Die Oberen des<br />

Hauses, viele Eltern und <strong>der</strong> Hausarzt<br />

wünschten das Spiel schon längst<br />

abzuschaffen wegen m<strong>an</strong>cher Nachteile<br />

und Gefahren (Be<strong>in</strong>brüche beim Stürzen);<br />

aber es war bei <strong>der</strong> lebhaften Jugend<br />

so beliebt, daß m<strong>an</strong> nicht dar<strong>an</strong> zu rühren<br />

wagte. Nun, da die weiten Spielplätze<br />

da waren, g<strong>in</strong>g es mit e<strong>in</strong>em Schlag und<br />

ohne allzuviel Lärm. Es war aber doch<br />

die „unpopulärste Maßregel”,<br />

die <strong>der</strong> neue Rektor P. Löffler<br />

getroffen hatte.<br />

heit erl<strong>an</strong>gt, dass ich zweimal die Woche,<br />

wenn wir unsere Spaziergänge haben,<br />

mit zwei Deutschen während dreier<br />

Stunden e<strong>in</strong>e ununterbrochene Konversation<br />

führen k<strong>an</strong>n; denn bei e<strong>in</strong>em Spazierg<strong>an</strong>g<br />

gehen wir <strong>in</strong> Dreierreihen nebene<strong>in</strong><strong>an</strong><strong>der</strong>,<br />

und e<strong>in</strong> Englän<strong>der</strong> muss<br />

immer zwei Deutsche begleiten.” Arthur<br />

nimmt se<strong>in</strong> Dase<strong>in</strong> als e<strong>in</strong>ziger Auslän<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Vorbereitungsklasse offenbar mit<br />

Humor, wenn er etwa über se<strong>in</strong>e Late<strong>in</strong>stunden<br />

berichtet: „Unser guter Magister<br />

ermuntert mich jeden Tag, den armen Cicero<br />

zu zerstümmeln und ihn <strong>in</strong> schlechtes<br />

Deutsch zu übersetzen, unter dem<br />

Gr<strong>in</strong>sen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>geborenen.” Immerh<strong>in</strong><br />

verb<strong>in</strong>den ihn mit den „aborig<strong>in</strong>es”, so<br />

geht aus se<strong>in</strong>en Briefen hervor, viele<br />

fröhliche Stunden, auch feuchtfröhliche.<br />

Begeistert berichtet er von se<strong>in</strong>en sportlichen<br />

Aktivitäten <strong>in</strong> <strong>Feldkirch</strong> wie Schlittschuhlaufen,<br />

Rodeln, W<strong>an</strong><strong>der</strong>n, Fußball<br />

(damals e<strong>in</strong> Novum <strong>in</strong> Österreich; <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Feldkirch</strong>er <strong>Stella</strong> wurde überhaupt erstmals<br />

<strong>in</strong> Österreich Fußball gespielt) und<br />

von e<strong>in</strong>em bei den Zögl<strong>in</strong>gen sehr beliebten<br />

Spiel namens Stelzen-Fußball. An<br />

<strong>der</strong> <strong>Stella</strong> spielte m<strong>an</strong> es damals vor allem<br />

aus Platzm<strong>an</strong>gel; schon kurz darauf,<br />

als die Schule 1877 mit dem Kauf des<br />

Reichenfeldes ihr Platz<strong>an</strong>gebot erweitern<br />

konnte, wurde das verletzungsfreudige<br />

Stelzenspiel verboten. 4<br />

Arthur Con<strong>an</strong> Doyle <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Stella</strong>-Blaskapelle<br />

Schattenburg, Ill und<br />

Fridol<strong>in</strong>-Ste<strong>in</strong><br />

55<br />

Wie<strong>der</strong>holt beschreibt Arthur <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Briefen nach Hause fasz<strong>in</strong>iert die<br />

herrlichen Berge, die reiche Fauna und<br />

Flora sowie diverse Sehenswürdigkeiten<br />

rund um <strong>Feldkirch</strong>. Auf Fotos und Ansichtskarten<br />

zeigt und kommentiert er se<strong>in</strong>en<br />

Eltern etwa die „mittelalterliche Festung,<br />

welche über <strong>der</strong> Stadt hängt”<br />

(Schattenburg), die <strong>Stella</strong> <strong>Matut<strong>in</strong>a</strong>, den<br />

Stadtschrofen und die Ill (welch „kr<strong>an</strong>kes”<br />

Wort für e<strong>in</strong>en Englän<strong>der</strong>). Anget<strong>an</strong><br />

sche<strong>in</strong>t er auch von jener „berühmten<br />

Wallfahrtsstätte ungefähr drei Meilen<br />

von hier, wo sich sehr viele Wun<strong>der</strong> zugetragen<br />

haben”, <strong>der</strong> Basilika R<strong>an</strong>kweil,<br />

und g<strong>an</strong>z beson<strong>der</strong>s vom sagenumwobenen<br />

Fridol<strong>in</strong>-Ste<strong>in</strong>, dem felsigen Betstuhl<br />

des Heiligen Fridol<strong>in</strong>. „Den größten<br />

Fortschritt erzielt m<strong>an</strong> auf Knien”, sollte<br />

er über vierzig Jahre später als e<strong>in</strong>e zentrale<br />

Erkenntnis se<strong>in</strong>es Lebens zu Protokoll<br />

geben - es mag e<strong>in</strong> Zufall se<strong>in</strong>.<br />

S e i t e


<strong>Feldkirch</strong> aktuell /4.2009 A U S A L T E N Z E I T E N ......................................................<br />

Bombenhorn und<br />

Andreas-Hofer-Lied<br />

Arthur lobt das gute Essen <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Stella</strong> und das „deutsche Leichtbier <strong>an</strong>stelle<br />

<strong>der</strong> entsetzlichen Keulen <strong>in</strong><br />

Stonyhurst”. Geradezu <strong>in</strong>s Schwärmen<br />

gerät er, wenn er von <strong>der</strong> schuleigenen<br />

Blaskapelle erzählt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> er das Bombardon<br />

o<strong>der</strong> „Bombenhorn” spielen<br />

darf, e<strong>in</strong>e heute als Helikon bek<strong>an</strong>nte<br />

Riesentuba, <strong>der</strong>en Aussehen <strong>an</strong> e<strong>in</strong> Bombenrohr<br />

gemahnt: „Das Bombenhorn<br />

kommt nur <strong>an</strong> bei e<strong>in</strong>em <strong>an</strong>gemessenen<br />

Rhythmus mit e<strong>in</strong>em gelegentlichen Ausstoß,<br />

<strong>der</strong> tönt wie e<strong>in</strong> Nilpferd bei e<strong>in</strong>em<br />

Steppt<strong>an</strong>z.” Er erzählt von allerh<strong>an</strong>d<br />

Schabernack mit dem Bombenhorn, so<br />

etwa von <strong>der</strong> leichten Verwirrung, die er<br />

immer wie<strong>der</strong> bei Fuhrwerks-Ochsen<br />

auslöst, wenn er ihnen beim Vorübergehen<br />

direkt <strong>in</strong>s Ohr „schränzt”. Erstaunlich<br />

offen schreibt Arthur se<strong>in</strong>en Eltern<br />

von den vierzehntäglichen Ausflügen<br />

zum L<strong>an</strong>dsitz „Gar<strong>in</strong>a” <strong>der</strong> <strong>Stella</strong>, <strong>an</strong>geführt<br />

durch fliegende B<strong>an</strong>ner und die<br />

Blaskapelle, bei denen regelmäßig ziemlich<br />

viel getrunken und gesungen wird.<br />

Beson<strong>der</strong>s <strong>an</strong>s Herz gewachsen ist ihm<br />

das Andreas-Hofer-Lied: „Es hat e<strong>in</strong>e<br />

wun<strong>der</strong>schön traurige Melodie und schil<strong>der</strong>t<br />

den Tod des mutigen alten Burschen;<br />

ich glaube nicht, dass ich jemals so zufrieden<br />

war, wie als ich es hörte, und ich<br />

s<strong>in</strong>ge es seither immerfort.”<br />

Arthur schreibt<br />

se<strong>in</strong>en Eltern von<br />

vierzehntäglichen Ausflügen<br />

zum L<strong>an</strong>dsitz „Gar<strong>in</strong>a”<br />

<strong>der</strong> <strong>Stella</strong>.<br />

ACD und die „Liebe”<br />

zur Geometrie<br />

„Die Parabel habe ich besiegt, aber<br />

die Ellipse ist e<strong>in</strong> schrecklicher Gesell”,<br />

schreibt Arthur im Mai 1876 nach Hause<br />

über se<strong>in</strong>en <strong>Feldkirch</strong>er Kampf mit<br />

den zum Verzweifeln trotzigen Kegelschnitten<br />

und allgeme<strong>in</strong> mit <strong>der</strong> Mathematik.<br />

Dabei fällt auf, dass e<strong>in</strong>er <strong>der</strong><br />

berüchtigtsten Bösewichte <strong>der</strong> Literatur,<br />

James Moriarty, Erzfe<strong>in</strong>d von <strong>Sherlock</strong><br />

<strong>Holmes</strong> und „Napoleon des Verbrechens”,<br />

<strong>der</strong>e<strong>in</strong>st ausgerechnet e<strong>in</strong> Mathematiklehrer<br />

se<strong>in</strong> würde.<br />

Erste literarische<br />

Versuche<br />

56<br />

Arthur gibt <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Stella</strong> e<strong>in</strong>e Schulzeitung<br />

namens „The <strong>Feldkirch</strong>i<strong>an</strong> Gazette”<br />

heraus mit dem Untertitel: „Wissenschaftliches<br />

und literarisches Monatsmagaz<strong>in</strong>,<br />

herausgegeben von Arthur C.<br />

Doyle”. In <strong>der</strong> zweiten Ausgabe vom<br />

November 1875 veröffentlicht er unter<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>em vier eigene Gedichte mit den<br />

Überschriften „A Football Match”, „<strong>Feldkirch</strong>i<strong>an</strong><br />

Notes”, „The Song of the Bombardier”<br />

und „The Roundabout Papers”.<br />

Diese und <strong>an</strong><strong>der</strong>e se<strong>in</strong>er Gedichte sendet<br />

Arthur <strong>an</strong> se<strong>in</strong>en Paten, Großonkel<br />

Michael Con<strong>an</strong> <strong>in</strong> Paris, <strong>der</strong> se<strong>in</strong> großes<br />

schriftstellerisches Talent würdigt und <strong>in</strong><br />

Briefen von Con<strong>an</strong> Doyles „<strong>Feldkirch</strong><br />

Newspaper” schreibt. So f<strong>an</strong>d Con<strong>an</strong><br />

Doyles „<strong>Feldkirch</strong>er Zeitung” denn auch<br />

S e i t e


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E<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g <strong>in</strong> die erste autorisierte Biographie<br />

über ihn von John Dickson Carr,<br />

dem noch E<strong>in</strong>sicht gewährt wurde <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e<br />

private Korrespondenz. 5 Dieser Umst<strong>an</strong>d<br />

dürfte dazu geführt haben, dass<br />

seit heute mehr als dreißig Jahren beharrlich<br />

die Legende kolportiert wird,<br />

Con<strong>an</strong> Doyle hätte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zeit <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Stella</strong> Kurzgeschichten für den „<strong>Feldkirch</strong>er<br />

Anzeiger” geschrieben. Vor allem<br />

die Erzählung „E<strong>in</strong> schlauer Betrüger”<br />

(1.Teil erschienen im FAZ vom 23. November<br />

1875) wurde dabei immer wie<strong>der</strong><br />

als Paradebeispiel gen<strong>an</strong>nt, weil sie<br />

„unverkennbar se<strong>in</strong>e H<strong>an</strong>dschrift” trüge.<br />

Nun hat aber <strong>der</strong> Doyle-Forscher Michael<br />

Ross vor kurzem herausgefunden,<br />

dass jedenfalls diese Geschichte unmöglich<br />

von Con<strong>an</strong> Doyle se<strong>in</strong> k<strong>an</strong>n, weil sie<br />

bereits e<strong>in</strong>mal am 29. September 1837<br />

im Prager Unterhaltungsblatt „Bohemia”<br />

(Nr. 117) veröffentlicht wurde - allerd<strong>in</strong>gs<br />

unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em Titel: „E<strong>in</strong>e wohlfeile<br />

Reise nach Batavia”. Natürlich muss<br />

dies nicht zw<strong>in</strong>gend heißen, dass nicht<br />

doch e<strong>in</strong>e <strong>an</strong><strong>der</strong>e <strong>der</strong> diversen Erzählungen<br />

im <strong>Feldkirch</strong>er Anzeiger <strong>der</strong> Jahrgänge<br />

1875/76 von Con<strong>an</strong> Doyle stammen<br />

könnte. Dem Schreibenden fehlt<br />

dafür aber je<strong>der</strong> Beleg, und auch e<strong>in</strong><br />

Studium von Con<strong>an</strong> Doyles Briefen aus<br />

<strong>Feldkirch</strong> lässt kaum diesen Schluss zu.<br />

5) E<strong>in</strong> erheblicher Teil von Con<strong>an</strong> Doyles<br />

Nachlass und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e se<strong>in</strong>er<br />

privaten Korrespondenz wurde erst im<br />

Jahre 2004 wie<strong>der</strong> freigegeben.<br />

6) Die erste Geschichte, die Con<strong>an</strong> Doyle<br />

<strong>in</strong> Poe’s Buch „Tales of Mystery <strong>an</strong>d<br />

Imag<strong>in</strong>ation” f<strong>an</strong>d, war „The Gold-Bug”<br />

(Der Goldkäfer), e<strong>in</strong>e 1843 erstmals<br />

veröffentlichte Kurzgeschichte, <strong>in</strong> <strong>der</strong> im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er Schatzsuche ausführlich<br />

die Dechiffrierung e<strong>in</strong>er Geheimschrift<br />

<strong>an</strong>h<strong>an</strong>d von Häufigkeitszahlen <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen Buchstaben <strong>in</strong> englischen<br />

Texten erläutert wird.<br />

Immerh<strong>in</strong> darf gesagt se<strong>in</strong>, dass die<br />

<strong>in</strong> Con<strong>an</strong> Doyles <strong>Feldkirch</strong>er Schulzeitung<br />

veröffentlichten Gedichte sicher zu<br />

se<strong>in</strong>en ersten eigenen literarischen Publikationen<br />

gehören. Zudem lernte er <strong>in</strong><br />

<strong>Feldkirch</strong> e<strong>in</strong> Buch kennen, das ihn<br />

„nicht nur bee<strong>in</strong>druckte, son<strong>der</strong>n elektrisierte”<br />

und das se<strong>in</strong>e späteren literarischen<br />

Neigungen entscheidend formte:<br />

„Tales of Mystery <strong>an</strong>d Imag<strong>in</strong>ation” von<br />

Edgar All<strong>an</strong> Poe - e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Urväter <strong>der</strong><br />

Krim<strong>in</strong>alliteratur. 6 Biograph John Dickson<br />

Carr brachte es auf den Punkt, als er beschrieb,<br />

wie Con<strong>an</strong> Doyle nach se<strong>in</strong>em<br />

Abschied von <strong>Feldkirch</strong> im Juni 1876 <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er nächsten Station e<strong>in</strong>traf: „So erreichte<br />

er Paris mit e<strong>in</strong>em Buch über Kegelschnitte<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er H<strong>an</strong>d, Edgar All<strong>an</strong><br />

Poe <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kopf und zwei Pence <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Tasche.”<br />

The Song of the Bombardier<br />

There is <strong>an</strong> <strong>in</strong>strument whose power<br />

Does all others far surpass<br />

Far o’er the rest one sees him tower<br />

A mighty <strong>in</strong>strument of brass.<br />

The soundest sleeper, far or near,<br />

I th<strong>in</strong>k would scarcely slumber on,<br />

If close to his unconscious ear<br />

You played upon the Bombardon.<br />

(ACD, November 1875 <strong>in</strong> <strong>Feldkirch</strong>)<br />

Anh<strong>an</strong>g<br />

<strong>Feldkirch</strong>er Anzeiger<br />

von 23. November 1875<br />

57<br />

Bildnachweise<br />

<strong>Stella</strong> um 1900, ACD <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Stella</strong>-<br />

Blaskapelle, <strong>Feldkirch</strong>er Anzeiger vom<br />

23.11.1875: alle Stadtarchiv <strong>Feldkirch</strong>,<br />

mit freundlicher Genehmigung<br />

Sir Arthur Con<strong>an</strong> Doyle & Con<strong>an</strong><br />

Doyle 1890: Public-Doma<strong>in</strong>-Bil<strong>der</strong> (heute<br />

nicht mehr geschützt)<br />

Literaturtipp<br />

D<strong>an</strong>iel Stashower: Sir Arthur Con<strong>an</strong><br />

Doyle - Das Leben des Vaters von<br />

<strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong>. Erste deutschsprachige<br />

Biografie über Con<strong>an</strong> Doyle, aus dem<br />

Englischen von Michael Ross und Klaus-<br />

Peter Walter. Köln: Baskerville Bücher<br />

2008<br />

Zum Autor<br />

Philipp Schöbi stammt aus Altstätten<br />

(CH), ist promovierter Mathematiker und<br />

Mitbegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> seit 1994 jährlich<br />

stattf<strong>in</strong>denden <strong>Feldkirch</strong>er Literaturtage.<br />

S e i t e

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