AJP 03_2009.indb - Dike Verlag AG
AJP 03_2009.indb - Dike Verlag AG
AJP 03_2009.indb - Dike Verlag AG
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Inhaltsverzeichnis/Sommaire<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Aufsätze / Articles Seite / page<br />
Nathalie Voser / Sonja Stark-Traber / Andrea Dorjee-Good:<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen 251<br />
Roland Müller / Stefan Rieder:<br />
Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber 267<br />
Sandrine Giroud-Roth/ Laurent Moreillon:<br />
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants:<br />
les cas Duvalier et Mobutu 275<br />
Marnie Engewald-Dannacher:<br />
Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen? 288<br />
Andrea Mondini / Manuel Liatowitsch:<br />
Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort<br />
Schweiz 294<br />
Daniel Trachsel / Margherita Bortolani-Slongo:<br />
«Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat»: Taugliches Instrument familienrechtlichen<br />
Risikomanagements? 301<br />
Urs Feller:<br />
Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld 323<br />
Franco Lorandi / Michael Erismann:<br />
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG) 331<br />
Chronik der Rechtsetzung / Législation<br />
Daniel Füllemann, St. Gallen 346<br />
Rechtsprechungsübersicht / Répertoire de jurisprudence<br />
Rebekka Keller, St. Gallen 353<br />
Entscheidungen / Jurisprudence<br />
(1) Mit Bemerkungen von Dominika Blonski:<br />
Die unbeschränkte Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profi len und Fingerabdrücken<br />
von einst verdächtigten jedoch nicht verurteilten Personen ist mit<br />
Art. 8 EMRK nicht vereinbar.<br />
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Grosse Kammer, 4. Dezember 2008,<br />
S. und Marper gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 30562/04 und 30566/04. 363<br />
(2) Mit Bemerkungen von Alfred Koller:<br />
Art. 965 ZGB, Art. 24 Abs. 1 bis lit. a GBV, Art. 164 Abs. 1 und 2 OR. Die Vereinbarung,<br />
wonach die Übertragung eines selbständigen und dauernden Baurechts der<br />
Genehmigung durch die Grundeigentümerin bedarf, hat keine dinglich wirkende<br />
Verfügungsbeschränkung zur Folge. Wird das Baurecht veräussert, hat demnach der<br />
Grundbuchverwalter nicht zu prüfen, ob der dienstbarkeitsbelastete Grundeigentümer<br />
seine Zustimmung zur Veräusserung erteilt hat.<br />
Bundesgericht, II. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 5A_614/ 2008 vom<br />
26. November 2008 i.S. Burgergemeinde Bern gegen Justiz-, Gemeinde- und<br />
Kirchendirektion des Kantons Bern, Beschwerde in Zivilsachen (BGE 134 III …). 369<br />
(3) Mit Bemerkungen von Alfred Koller:<br />
Vorzeitige Kündigung des Mietverhältnisses (Art. 257 f. Abs. 3 OR); Untervermietung<br />
ohne Zustimmung des Vermieters (Art. 262 OR). Der Mieter, der das<br />
Mietobjekt untervermietet, ohne die Zustimmung des Vermieters einzuholen,<br />
riskiert eine vorzeitige Aufl ösung des Mietverhältnisses, wenn er auf eine schriftliche<br />
Abmahnung des Vermieters nicht reagiert und dieser sich aus einem der in Art. 262<br />
Abs. 2 OR genannten Gründe der Untervermietung hätte widersetzen können.<br />
Bundesgericht, I. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 4A_516/ 2007 vom 6. März 2008<br />
(BGE 134 III 300 = Pra 2008 Nr. 130). 371<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 249 10.3.2009 9:11:52 Uhr
Schriftleitung / Direction:<br />
Prof. Dr. Ivo Schwander, Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen<br />
Tel. 071 224 22 42, Fax 071 224 28 70,<br />
E-Mail: ivo.schwander@unisg.ch<br />
<strong>Verlag</strong> und Abonnementverwaltung /<br />
Edition et administration:<br />
<strong>Dike</strong> Zeitschriften <strong>AG</strong>, Zürich/St. Gallen<br />
Postadresse: Weinbergstr. 41, 8006 Zürich<br />
Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29<br />
E-Mail: auslieferung@dike.ch, Internet: http://www.dike.ch<br />
Inseratenverwaltung / Annonces:<br />
<strong>Dike</strong> Zeitschriften <strong>AG</strong>, Zürich/St. Gallen<br />
Postadresse: Weinbergstr. 41, 8006 Zürich<br />
Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29<br />
E-Mail: auslieferung@dike.ch, Internet: http://www.dike.ch<br />
Erscheint monatlich / Paraît chaque mois<br />
Abonnementspreis:<br />
Fr. 352.–/Jahr, inkl. Mehrwertsteuer;<br />
– für Studierende (bitte Kopie der Legitimationskarte<br />
beilegen) Fr. 228.–/Jahr, inkl. Mehrwertsteuer.<br />
– Preis für Einzelnummer Fr. 39.–<br />
(Sondernummer Fr. 55.–), inkl. Mehrwertsteuer.<br />
– Für Abonnemente ins Ausland erfolgt zusätzliche<br />
Rechnungstellung für die effektiven Portikosten.<br />
– Bestellungen sind ausschliesslich direkt an den <strong>Verlag</strong><br />
(Abonnementverwaltung) zu richten.<br />
– Die Bezugsgebühren von Zeitschriften des <strong>Verlag</strong>es<br />
werden zu Beginn eines jeden Jahres in voller Höhe<br />
für das laufende Kalenderjahr berechnet.<br />
Inhaltsverzeichnis/Sommaire<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
(4) Mit Bemerkungen von Christof Riedo / Matthias Zurbrügg:<br />
Der Jetlag dauert an oder Neue Unwägbarkeiten im Recht der strafrechtlichen<br />
Verjährung.<br />
Bundesgericht, Urteil der Strafrechtlichen Abteilung vom 16. Oktober 2008,<br />
6B_686/2008 (BGE 134 IV 328). 372<br />
Literaturübersicht / Bibliographie<br />
Rebekka Keller, St. Gallen 381<br />
Mitteilungen / Communications<br />
Veranstaltungskalender / Calendrier des manifestations 388<br />
Impressum 391<br />
Autorenverzeichnis / Adresse des auteurs 392<br />
Vorschau <strong>AJP</strong> / Aperçu PJA 4 /2009 392<br />
Impressum<br />
Prix de l'abonnement:<br />
Frs. 352.–/année, TVA incluse;<br />
– pour les étudiants (prière de joindre une copie de la carte<br />
de légitimation) frs. 228.–/année, TVA incluse.<br />
– Prix à la vente au numéro frs. 39.– (numéro spécial<br />
frs. 55.–), TVA incluse.<br />
– Pour les abonnements à l'étranger, les frais de port effectifs<br />
s'ajoutent à ces montants.<br />
– Les commandes doivent être exclusivement adressées à<br />
l'éditeur (Service des abonnements).<br />
Kündigungen für die neue Abonnementsperiode sind schriftlich<br />
und bis spätestens 31. Oktober des vorangehenden Jahres<br />
mitzuteilen. Beanstandungen können nur innert 8 Tagen nach<br />
Eingang der Sendung berücksichtigt werden. Für durch die Post<br />
herbeigeführte Beschädigungen sind Reklamationen direkt bei<br />
der Poststelle am Zustellort anzubringen.<br />
La résiliation de l'abonnement pour une nouvelle période doit être<br />
communiquée par écrit au plus tard jusqu'au 31 octobre de l'année<br />
précédant la nouvelle période.<br />
Seules les réclamations faites dans les huit jours dès réception du<br />
numéro seront prises en compte. Les réclamations relatives aux<br />
dommages causés par les services postaux doivent être directement<br />
adressées à l'offi ce postal de distribution.<br />
Alle Urheber- und <strong>Verlag</strong>srechte an dieser Zeitschrift und allen<br />
ihren Teilen sind vorbehalten. Das Recht zum Nachdruck, zur<br />
Vervielfältigung, Mikroverfi lmung, Übernahme auf elektronische<br />
Datenträger und andere Verwertungen jedes Teils dieser<br />
Zeitschrift steht ausschliesslich der <strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong> <strong>AG</strong> zu.<br />
ISSN 1660-3362.<br />
Les droits de réimpression, de reproduction, de mise sur microfi lm,<br />
d'enregistrement sur un support électronique de données et d'exploitation<br />
sous toute autre forme de chacune des parties de cette revue<br />
appartiennent exclusivement à <strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong> SA. ISSN 1660-3362.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 250 10.3.2009 9:11:54 Uhr
NATHALIE VOSER<br />
PD Dr. iur. LL.M.<br />
(Columbia University),<br />
Rechtsanwältin<br />
Zürich, Lehrbeauftragte<br />
an der Universität<br />
Basel<br />
SONJA STARK-TRABER<br />
lic. iur., Rechtsanwältin<br />
Zürich<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
Eine Einführung unter besonderer Berücksichtigung möglicher<br />
Einfl üsse auf das gesetzliche Gewährleistungsrecht<br />
ANDREA DORJEE-GOOD<br />
lic. iur., Rechtsanwältin<br />
Zürich<br />
Inhaltsübersicht<br />
1. Einleitung<br />
2. Begriff und Erscheinungsformen von Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
3. Funktion von Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
3.1 Präventionsfunktion<br />
3.2 Rationalisierungsfunktion<br />
3.3 Perpetuierungsfunktion<br />
3.4 Haftungsverteilungsfunktion<br />
4. Typischer Inhalt von QS-Vereinbarungen<br />
4.1 Qualitätssicherungsmassnahmen<br />
4.2 Spezifi kation<br />
4.3 Freigabe durch Abnehmer bzw. Erstmusterprüfung<br />
4.4 Informationsaustausch<br />
4.5 Geheimhaltung<br />
4.6 <strong>Verlag</strong>erung der Warenkontrolle<br />
4.7 Haftungsregelung<br />
5. Rechtliche Qualifi kation von QS-Vereinbarungen<br />
6. Vergütungsanspruch des Zulieferers<br />
7. Aufl ösung von QS-Vereinbarungen<br />
8. Wechselwirkungen zwischen QS-Vereinbarungen und gesetzlichem<br />
Gewährleistungsrecht<br />
8.1 Ausgangslage<br />
8.2 Übersicht über das werkvertragliche Gewährleistungsrecht<br />
8.2.1 Allgemeines<br />
8.2.2 Der Begriff des Werkmangels<br />
8.2.3 Die Mängelrüge<br />
8.2.4 Die einzelnen Mängelrechte<br />
8.3 Auswirkungen von QS-Vereinbarungen auf die werkvertragliche<br />
Mängelhaftung<br />
8.3.1 Allgemeines<br />
8.3.2 Gewährleistungspfl icht trotz Einhaltung des vereinbarten<br />
QS-Systems?<br />
8.3.2.1 Grundsatz: Die Pfl icht zur Lieferung mängelfreier<br />
Produkte gilt unabhängig vom<br />
Vorliegen einer QS-Vereinbarung<br />
8.3.2.2 Ausnahme: Einschränkung der Gewährleistungspfl<br />
icht infolge Mitverantwortung<br />
des Bestellers<br />
8.3.3 Mängelhaftung infolge Nichteinhaltung des vereinbarten<br />
QS-Systems?<br />
8.3.3.1 Allgemeines<br />
8.3.3.2 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als<br />
vereinbarte oder vorausgesetzte Eigenschaften<br />
8.3.3.3 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als<br />
vertragliche Haupt- oder Nebenpfl ichten<br />
8.4 Ersatz des Mangelfolgeschadens<br />
9. Zusammenfassende Bemerkungen<br />
1. Einleitung<br />
Sowohl in der Industrie wie auch im Dienstleistungssektor<br />
ist in den vergangenen Jahren eine zunehmende Tendenz<br />
festzustellen, einzelne Schritte im Rahmen der Produktion<br />
eines Gutes an spezialisierte Drittunternehmen auszulagern<br />
(Stichwort: Outsourcing bzw. Abnahme der eigenen Fertigungstiefe).<br />
Gründe hierfür sind in erster Linie erwartete<br />
Kosteneinsparungen, aber auch die Möglichkeit, eigene<br />
Überlastungssituationen besser auffangen zu können. Gleichzeitig<br />
sind die Ansprüche an die Qualität der Produkte stark<br />
gestiegen und das Thema Qualitätsmanagement ist mehr und<br />
mehr zu einem wesentlichen Bestandteil der Unternehmenspolitik<br />
geworden 1 .<br />
Diese beiden Entwicklungen haben die Notwendigkeit<br />
mit sich gebracht, mit der Qualitätssicherung nicht erst im<br />
eigenen Betrieb, sondern bereits auf der Stufe des Drittunternehmens<br />
anzusetzen. Als Instrument hierzu dienen sogenannte<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen Drittunternehmer<br />
(Zulieferer) und Besteller (Abnehmer). Solche<br />
Vereinbarungen ermöglichen es, die Leistung des Drittunternehmens<br />
schon früh im Fertigungsprozess zu überprüfen<br />
und eventuell auftretende Fehler, die sich im Endprodukt<br />
fortsetzen könnten, bereits in diesem Stadium festzustellen<br />
und zu beseitigen 2 .<br />
1 Einen Überblick über den Stand und die Effekte von Out- und<br />
Insourcing im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands bieten<br />
Steffen Kinkel/Gunter Lay, Fertigungstiefe – Ballast oder<br />
Kapital?; Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung<br />
(ISI), Mitteilungen aus der Produktionsinnovationserhebung,<br />
30/20<strong>03</strong>, abrufbar unter http://www.publica.<br />
fraunhofer.de.<br />
2 Horst Franke, Qualitätsmanagement und Bauvertrag, in: Jürgen<br />
Doerry (Hrsg.), FS für Wolfgang Heiermann zum 60. Geburtstag,<br />
Wiesbaden, Berlin 1995, 63; Maximilian Teichler,<br />
Qualitätssicherung und Qualitätssicherungsvereinbarungen,<br />
Wirtschaftliche und rechtliche Auswirkungen, Versicherungsaspekte,<br />
Betriebs-Berater 1991, 428.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 251 10.3.2009 9:11:54 Uhr<br />
251
252<br />
Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />
Trotz der erheblichen Bedeutung, welche Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
in der Praxis erlangt haben, sind<br />
sie bislang nur vereinzelt Gegenstand der schweizerischen<br />
Rechtsliteratur gewesen 3 . Der vorliegende Aufsatz soll einen<br />
Beitrag leisten, um diese Lücke zu füllen und einen Überblick<br />
über verschiedene Aspekte der Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
geben. Der Fokus liegt dabei auf Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
im Rahmen von industriellen<br />
Lieferbeziehungen. In solchen treten Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
primär im Zusammenhang mit Kauf- und Werk-<br />
bzw. Werklieferungsverträgen auf. Überwiegend dürften die<br />
Vertragswerke zwischen Besteller und Zulieferer dabei als<br />
Werklieferungsverträge zu qualifi zieren sein, denn Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
enthalten zumeist umfassende<br />
Anforderungen an das zu liefernde Produkt sowie Vorgaben<br />
hinsichtlich des Herstellungs- und Prüfungsverfahrens, was<br />
gerade für den Werklieferungsvertrag typisch ist. Trotzdem<br />
sind Abgrenzungsschwierigkeiten zum Kaufvertrag durchaus<br />
denkbar 4 . Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung<br />
wird indessen vom Regelfall des Werklieferungsvertrages<br />
ausgegangen.<br />
Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht der<br />
Einfl uss von Qualitätssicherungsvereinbarungen auf die Haftungssituation<br />
zwischen dem Besteller (Abnehmer) und dem<br />
Drittunternehmen (Zulieferer), wobei insbesondere die Wechselwirkungen<br />
zwischen Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
und Gewährleistungsrecht näher untersucht werden sollen.<br />
2. Begriff und Erscheinungsformen von<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
Unter Qualitätssicherung (im Folgenden «QS» genannt) 5<br />
werden im allgemeinen Massnahmen bzw. ein System an<br />
Massnahmen verstanden, die von einem Unternehmen eingesetzt<br />
werden, um die Erfüllung der Kundenanforderungen<br />
3 Dies im Gegensatz zur deutschen Rechtsliteratur, die sich sehr<br />
umfassend mit der Thematik beschäftigt hat.<br />
4 Namentlich bei serienmässig hergestellten Produkten, welche<br />
unter Einhaltung eines allgemeinen Qualitätssicherungssystems<br />
(z.B. Qualitätsmanagement nach ISO 9000 ff.) produziert<br />
werden, kann sich u.E. im Einzelfall die Anwendung der kaufrechtlichen<br />
Bestimmungen aufdrängen. Für Einzelheiten zu<br />
den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Kaufvertrag und<br />
Werklieferungsvertrag kann auf die umfangreiche Literatur<br />
verwiesen werden; vgl. insbesondere: Walter Grob, Qualitätsmanagement,<br />
Sachverhalt und schuldrechtliche Aspekte,<br />
Diss., Freiburg 1995, 175; Claire Huguenin, Obligationenrecht<br />
Besonderer Teil, 3. A., Zürich 2008, N 51; Heinrich<br />
Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer<br />
Teil, 8. A., Bern 2006, 271; Roland Hürlimann/Thomas Siegenthaler,<br />
in: Marc Amstutz (et al.) (Hrsg.), Handkommentar<br />
zum Schweizer Privatrecht, Zürich 2007, Art. 363 OR N 3.<br />
5 Der Begriff «Qualitätssicherung» wird in der Literatur häufi g<br />
mit dem Begriff «Qualitätsmanagement» gleichgesetzt.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
nach qualitativ hochstehenden Produkten bestmöglich zu<br />
gewährleisten 6 . Das gesamte QS-System verfolgt primär das<br />
Ziel, die Erfüllung der Spezifi kationen (vgl. dazu hinten,<br />
Ziff. 4.2) zuverlässig und andauernd zu erfüllen 7 .<br />
Ein Hersteller von Gütern oder auch ein Erbringer von<br />
Dienstleistungen kann zur Verbesserung der Qualität seiner<br />
Produkte und zur Reduzierung seiner Haftungsrisiken aus<br />
eigenem Antrieb geeignete QS-Massnahmen ergreifen. Daneben<br />
kann sich ein Unternehmen gegenüber dem Besteller<br />
aber auch vertraglich hierzu verpfl ichten. Dies geschieht in<br />
Form von sog. QS-Vereinbarungen 8 .<br />
QS-Vereinbarungen werden in den allermeisten Fällen<br />
zwischen unmittelbar aufeinanderfolgenden Gliedern einer<br />
Wertschöpfungskette geschlossen, also zwischen Unternehmen,<br />
die im Rahmen des Produkteherstellungsprozesses<br />
aufeinanderfolgende Beiträge leisten. Typischerweise treten<br />
QS-Vereinbarungen deshalb in Branchen auf, welche die Serienfertigung<br />
von Gütern oder deren Absatz zum Gegenstand<br />
haben 9 . Vertragspartner sind in der Regel Teile- und Endhersteller,<br />
in der Fertigung aufeinanderfolgende Teilehersteller<br />
untereinander oder auch Endhersteller und Händler 10 .<br />
In vielen Fällen handelt es sich bei QS-Vereinbarungen<br />
sodann um vorformulierte Regelwerke, die zur Verwendung<br />
gegenüber allen bzw. noch nicht konkretisierten mehreren<br />
Zulieferern vorgesehen sind 11 . Es handelt sich mithin sehr oft<br />
6 Rainer Schumacher, Vertragsgestaltung, Systemtechnik für<br />
die Praxis, Zürich 2004, N 2141. Durch den Erlass der ISO-<br />
Normenreihe 9000 ff. im Jahre 1987 seitens der International<br />
Organization for Standardization (ISO) wurde das Qualitätsmanagement<br />
international einheitlich defi niert, normiert und<br />
zertifi ziert. Die Schweiz hat die Normen 1990 unverändert<br />
übernommen. Die ISO-Normenreihe defi niert in einem umfassenden<br />
Regelungswerk den Qualitätsbegriff, gibt mögliche<br />
Modelle für die Qualitätssicherung vor und leistet Hilfe für das<br />
interne Qualitätsmanagement; vgl. dazu Grob (FN 4), 37 ff.;<br />
Anton Henninger, Die Qualitätssicherung beim Bauen, BRT<br />
1995, Bd. II, Freiburg 1995, 49 f.<br />
7 Hans-Joachim Hess/Hasso Werk, Qualitätssicherung und<br />
Produktehaftung, Zürich 1994, 242.<br />
8 Grob (FN 4), 149.<br />
9 QS-Vereinbarungen können durchaus auch in anderen Bereichen<br />
abgeschlossen werden, beispielsweise in der Bau- oder<br />
Dienstleistungsbranche; siehe dazu Henninger (FN 6), 45 ff.;<br />
Martin Moser, Die Haftung für Dienstleistungen im Lichte<br />
eines zertifi zierten Qualitätsmanagementsystems, <strong>AJP</strong>/PJA<br />
1997, 181 ff.<br />
10 Axel Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen: Zulieferverträge,<br />
Vertragstypologie, Risikoverteilung, <strong>AG</strong>B-Kontrolle,<br />
Köln 1992, 155 f.; Grob (FN 4), 150.<br />
11 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 157;<br />
Jürgen Ensthaler (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum<br />
Handelsgesetzbuch mit UN-Kaufrecht, 7.A., Neuwied 2007,<br />
nach § 377 HGB N 5; Peter Sina, Qualitätssicherungsvereinbarung<br />
– Einordnung und Rechtsfolgen, Monatsschrift für<br />
Deutsches Recht 48, 1994, 332. Zur Verwendung vorgeschlagen<br />
werden QS-Vereinbarungen denn auch regelmässig vom<br />
Besteller; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 252 10.3.2009 9:11:55 Uhr
um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Teilweise werden<br />
QS-Vereinbarungen jedoch auch an das jeweilige spezifi sche<br />
Einzellieferverhältnis und die individuellen Interessen der<br />
beteiligten Parteien angepasst 12 .<br />
Die Unterscheidung von QS-Vereinbarungen als Individualvertrag<br />
im Gegensatz zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
hat im Anwendungsbereich des schweizerischen<br />
Rechts zwar nicht die gleiche Bedeutung wie beispielsweise<br />
im deutschen Recht 13 . Trotzdem sind bei allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
die von der Praxis entwickelte Unklarheitenregel<br />
sowie die Ungewöhnlichkeitsregel zu beachten.<br />
Nach Art. 8 UWG handelt zudem unlauter, wer Allgemeine<br />
Geschäftsbedingungen verwendet, die in irreführender Weise<br />
zum Nachteil einer Vertragspartei von der unmittelbar oder<br />
sinngemäss anwendbaren gesetzlichen Ordnung erheblich<br />
abweichen oder eine der Vertragsnatur erheblich widersprechende<br />
Verteilung von Rechten und Pfl ichten vorsehen 14 .<br />
Neben der Frage, ob es sich bei den massgebenden QS-<br />
Vereinbarungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen oder<br />
um Individualverträge handelt, muss sodann auch stets untersucht<br />
werden, in welcher Form QS-Vereinbarungen Eingang<br />
in die konkrete Lieferbeziehung fi nden. In der Praxis<br />
geschieht dies im Wesentlichen auf zwei Arten: Einerseits<br />
können QS-Vereinbarungen in Einkaufs-, Liefer-, Prüf- oder<br />
Abnahmebedingungen eingebettet sein, die Bestandteil des<br />
158 f.; Detlef Schmidt, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
und ihr rechtlicher Rahmen, NJW 1991, 145.<br />
12 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 157; Sina<br />
(FN 11), 332. Gemäss Hess/Werk (FN 7), 278 f., sollten QS-<br />
Vereinbarungen stets individuell ausgehandelt und den Gegebenheiten<br />
der jeweiligen Geschäftsbeziehung angepasst werden.<br />
Diese Forderung dürfte indessen schon deswegen nicht<br />
realistisch sein, weil ein Besteller die Qualität und Sicherheit<br />
seiner Produkte häufi g generell wird regeln wollen und nicht<br />
nur im Einzelfall. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der<br />
Besteller ein just-in-time-delivery System eingeführt hat; vgl.<br />
dazu Schmidt (FN 11), 146.<br />
13 Im Anwendungsbereich des deutschen Rechts sind die Bestimmungen<br />
der §§ 305 bis 310 BGB zu berücksichtigen, mit<br />
welchen im Rahmen des Schuldrechtmodernisierungsgesetzes<br />
die Vorschriften des früheren <strong>AG</strong>B-Gesetzes weitgehend unverändert<br />
in das BGB überführt wurden. Besondere Beachtung<br />
verdient dabei § 307 BGB, der eine Inhaltskontrolle von Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen vorsieht. Danach sind Bestimmungen<br />
in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam,<br />
wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten<br />
von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.<br />
14 Art. 8 UWG lehnt sich zwar eng an § 307 Abs. 2 BGB an, unterscheidet<br />
sich jedoch durch das Erfordernis der Irreführung.<br />
Eine generelle Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
fi ndet im Anwendungsbereich des schweizerischen<br />
Rechts trotz entsprechender Forderungen aus der Lehre bislang<br />
nicht statt; vgl. dazu Ingeborg Schwenzer, Schweizerisches<br />
Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 4. A., Bern 2006,<br />
N 44.01 ff.; Peter Gauch/Walter R. Schluep/Jörg Schmid/<br />
Heinz Rey, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner<br />
Teil, Band I, 9. A., Zürich/Basel/Genf 2008, N 1118 ff.<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Zuliefervertrags und/oder jedes einzelnen konkreten Liefergeschäfts<br />
sind 15 . Andererseits können QS-Vereinbarungen<br />
als äusserlich verselbständigte Vertragswerke ausgestaltet<br />
sein 16 . Letztere stellen häufi g Rahmenvereinbarungen dar,<br />
welche typischerweise dazu dienen, die gleichbleibenden<br />
Modalitäten künftiger Beschaffungsverträge vorab (umfassend<br />
oder teilweise) festzulegen. Sie sind demzufolge in ihrer<br />
Wirkung in der Regel vom Bestand eines konkreten Zuliefervertrags<br />
abhängig 17 . Allerdings fi nden sich in solchen<br />
QS-Vereinbarungen oftmals auch Rechte und Pfl ichten, die<br />
unabhängig von einem konkreten Geschäft bestehen, so z.B.<br />
die Verpfl ichtung zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung<br />
eines QS-Systems 18 . Dadurch wird insbesondere versucht,<br />
die generelle Qualitätsfähigkeit des Lieferanten zu beeinfl ussen<br />
und die Voraussetzungen für das Zustandekommen und<br />
die komplikationslose Abwicklung künftiger Geschäfte zu<br />
schaffen 19 . Vorvertragliche Elemente, d.h. die Verpfl ichtung<br />
zum Abschluss nachfolgender Einzelverträge, sind in QS-<br />
Vereinbarungen demgegenüber eher unüblich 20 .<br />
3. Funktion von Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
QS-Vereinbarungen erfüllen im Wesentlichen die folgenden<br />
vier Funktionen 21 :<br />
3.1 Präventionsfunktion<br />
Die primäre Funktion von QS-Vereinbarungen ist es, die<br />
Voraussetzungen für sichere Fertigungsprozesse beim Zu-<br />
15 Michael Martinek, Zulieferverträge und Qualitätssicherung,<br />
Köln 1991, 133; Joachim Quittnat, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
und Produkthaftung, Betriebs-Berater 1989,<br />
571 f.; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),<br />
158; Sina (FN 11), 332.<br />
16 Martinek (FN 15), 133; Quittnat (FN 15), 571 f.; Merz,<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 158 und 217;<br />
Grob (FN 4), 150. Gemäss Hess/Werk (FN 7), 243, sollten<br />
Beschaffungsvertrag sowie QS-Vereinbarung stets in zwei unabhängigen<br />
Vereinbarungen festgeschrieben werden. Dadurch<br />
soll eine Vermengung der beiden unterschiedlichen juristischen<br />
Materien verhindert und die Übersichtlichkeit erhöht werden.<br />
17 Dies gilt beispielsweise für Haftungsregelungen oder konkrete<br />
Prüfungspfl ichten; vgl. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 218 f.; Grob (FN 4), 151 und 163 f.<br />
18 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 220 ff.;<br />
Grob (FN 4), 151 f. und 164 f., bezeichnet solche QS-Vereinbarungen<br />
als systembezogen.<br />
19 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 220.<br />
20 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 225 ff.;<br />
Grob (FN 4), 163.<br />
21 Jürgen Ensthaler, Haftungsrechtliche Bedeutung von Qualitätssicherungsvereinbarungen,<br />
NJW 1994, 817 f.; Ensthaler,<br />
Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 6;<br />
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 196 ff.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 253 10.3.2009 9:11:55 Uhr<br />
253
254<br />
Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />
lieferer und damit eine effi ziente Prävention gegenüber jeder<br />
Art von Qualitätsabweichung zu schaffen. Durch ein geeignetes<br />
QS-System wird die Qualität eines Produktes während<br />
des gesamten Produktionsprozesses laufend überprüft. Auf<br />
diese Weise sollen Abweichungen in der vorangehenden Fertigungsstufe<br />
möglichst frühzeitig und effi zient vermieden<br />
oder zumindest entdeckt werden 22 .<br />
3.2 Rationalisierungsfunktion<br />
Durch die Einführung von Qualitätssicherungsmassnahmen<br />
auf der Stufe des Zulieferers und gleichzeitiger Reduktion<br />
des Umfangs und der Häufi gkeit der Wareneingangskontrollen<br />
beim Abnehmer sollen die Qualitätskontrollkosten gesenkt<br />
werden 23 .<br />
3.3 Perpetuierungsfunktion<br />
Mittels QS-Vereinbarungen soll die generelle Qualitätsfähigkeit<br />
des Zulieferers gefördert und damit zugleich die Grundlage<br />
für eine langfristige Geschäfts- bzw. Lieferbeziehung<br />
geschaffen werden, die sich jederzeit kurzfristig aktivieren<br />
lässt 24 .<br />
3.4 Haftungsverteilungsfunktion<br />
QS-Vereinbarungen bezwecken schliesslich regelmässig, die<br />
Verantwortungsbereiche und Haftungsrisiken von Abnehmer<br />
und Zulieferer festzulegen und abzugrenzen. Dies geschieht<br />
beispielsweise durch einen Verzicht auf die Einrede der verspäteten<br />
Mängelrüge, durch eine Verlängerung der Gewährleistungsfristen,<br />
durch Freizeichnungsklauseln oder durch<br />
eine Vereinbarung der Haftungsverteilung im Innenverhältnis<br />
25 .<br />
4. Typischer Inhalt von QS-Vereinbarungen<br />
In Bezug auf ihren Inhalt lassen sich QS-Vereinbarungen<br />
grundsätzlich in produktbezogene, organisatorische (insbesondere<br />
verfahrensbezogene) und rechtliche Aspekte unter-<br />
22 Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 196 ff.; Grob (FN 4), 161.<br />
23 Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 206 ff.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 21), 818; Grob (FN 4), 161.<br />
24 Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 208 f.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 21), 818; Grob (FN 4), 161 f.<br />
25 Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 210 ff.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 21), 818.; Grob (FN 4), 162.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
teilen 26 . Die Ausgestaltung variiert dabei je nach Art der Zusammenarbeit<br />
und des zu liefernden Produkts. Im Folgenden<br />
werden einige der in QS-Vereinbarungen typischerweise<br />
vereinbarten Inhalte dargestellt.<br />
4.1 Qualitätssicherungsmassnahmen<br />
Den eigentlichen Kern von QS-Vereinbarungen bildet naturgemäss<br />
die Verpfl ichtung des Zulieferers, bestimmte QS-<br />
Massnahmen zu treffen bzw. ein ganzes QS-System einzurichten.<br />
Dabei können die einzelnen QS-Massnahmen in der<br />
QS-Vereinbarung selbst oder in einer separat beigefügten<br />
Anlage enthalten sein oder sie werden durch eine Bezugnahme<br />
auf externe Regelwerke, wie z.B. die ISO Normenreihe<br />
9000 ff. konkretisiert 27 .<br />
Nebst der Vereinbarung von QS-Massnahmen, die unmittelbar<br />
den Fertigungsvorgang betreffen, bestimmte Prüfverfahren<br />
vorschreiben (z.B. Warenausgangskontrollen) oder<br />
verwaltungsorganisatorische (insbesondere Dokumentations-<br />
und Änderungswesen) oder personalwirtschaftliche<br />
Massnahmen (Bestellung eines betrieblichen QS-Beauftragten)<br />
vorsehen, regeln QS-Vereinbarungen häufi g auch die<br />
dem eigentlichen Fertigungsprozess vor- und nachgelagerten<br />
Bereiche (z.B. Werkstoffbeschaffung, Art der Verpackung<br />
und Lagerung, Modalitäten der Anlieferung) 28 .<br />
Daneben können auch generelle Massnahmen vereinbart<br />
werden. Sie dienen in erster Linie dem Aufbau einer längerfristigen<br />
Geschäftsbeziehung 29 .<br />
4.2 Spezifi kation<br />
In QS-Vereinbarungen fi nden sich sodann häufi g Spezifi kationen,<br />
d.h. detaillierte technische Beschreibungen des zu<br />
liefernden Produktes. Sie legen seine vertraglich geforderten<br />
Eigenschaften fest und sind als vereinbarte «Soll-Beschaffenheit»<br />
insbesondere massgeblich für die Beurteilung der<br />
Frage, ob ein Sach- oder Werkmangel vorliegt (dazu nachfolgend<br />
Ziff. 8.2.2) 30 .<br />
Wird eine QS-Vereinbarung als Rahmenvertrag für<br />
künftige Einzelverträge abgeschlossen, werden die Produktspezifi<br />
kationen in der Regel in eigenständigen Spezifi -<br />
kationsvereinbarungen festgelegt, deren Einhaltung die QS-<br />
Vereinbarung vorschreibt.<br />
26 Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377<br />
HGB N 7.<br />
27 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 198; siehe<br />
auch FN 6.<br />
28 Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 199 ff.; Grob (FN 4), 152.<br />
29 Grob (FN 4), 152 f.<br />
30 Grob (FN 4), 153.; Schmidt (FN 11), 144.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 254 10.3.2009 9:11:56 Uhr
4.3 Freigabe durch Abnehmer bzw.<br />
Erstmusterprüfung<br />
Häufi g ist in QS-Vereinbarungen eine Erstmusterprüfung<br />
durch den Abnehmer vorgesehen.<br />
Sog. Bemusterungsverfahren fi nden in der Regel vor dem<br />
Beginn der Serienlieferungen (Serienphase) statt 31 . Die sog.<br />
Erstmuster werden ausschliesslich mit den für die Serienfertigung<br />
vorgesehenen Einrichtungen und Verfahren unter den<br />
entsprechenden Rahmenbedingungen gefertigt. Sie werden<br />
dem Abnehmer zusammen mit den sog. Erstmusterprüfberichten<br />
zur Prüfung hinsichtlich ihrer Anforderungskonformität<br />
unterbreitet. Gelangt der Abnehmer bei seiner Prüfung<br />
zum Ergebnis, dass die Erstmuster den Anforderungen entsprechen,<br />
erteilt er die «technische Freigabe».<br />
Vorserienphase und Serienphase bilden zwar einen einheitlichen<br />
wirtschaftlichen Vorgang, rechtlich sind die beiden<br />
Stufen aber klar zu trennen. In der Regel handelt es sich<br />
bereits bei der ersten Stufe (Vorserienphase) um einen eigenständigen<br />
Kauf- oder Werk(lieferungs)vertrag, in welchem<br />
sich der Lieferant verpfl ichtet, ein Muster zu übergeben bzw.<br />
herzustellen, und zwar meist gegen entsprechende Vergütung<br />
32 .<br />
Um einen eigenständigen Kauf- oder Werk(lieferungs)vertrag<br />
handelt es sich sodann auch bei der zweiten Stufe<br />
(Serienphase) 33 . In der Regel wird die Wirksamkeit dieses<br />
Liefervertrages vom positiven Ergebnis des Bemusterungsverfahrens<br />
abhängen 34 . Es handelt sich mithin regelmässig<br />
um einen suspensiv bedingten Vertrag 35 .<br />
Bei Vorliegen einer Erstmusterprüfung stellt sich die Frage,<br />
ob das Erstmuster ausschliesslich zur Ermittlung der<br />
vom Lieferanten geschuldeten Sollbeschaffenheit der zu<br />
liefernden Ware herangezogen werden kann oder ob daneben<br />
auch die ursprünglichen Spezifi kationen und Begleitabreden<br />
für Mängel in der zweiten Stufe (Serienphase) weiterhin<br />
massgeblich sind. Diese Frage ist in der deutschen<br />
Lehre strittig 36 . Es empfi ehlt sich daher, bei Erteilung der<br />
31 Ein Bemusterungsverfahren kann infolge von Produkt- oder<br />
Verfahrensänderungen allerdings auch während eines laufenden<br />
Liefervertrages notwendig werden; vgl. Merz (FN 10), 100.<br />
32 Denkbar ist grundsätzlich auch ein Kauf auf Probe gemäss<br />
Art. 223 ff. OR; vgl. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 1<strong>03</strong> ff. Die Erstmusterpräsentation kann gemäss Merz<br />
sodann auch lediglich Teil der Vertragsanbahnung hinsichtlich<br />
eines Liefervertrages sein und damit Aquisitionszwecken dienen.<br />
Diesfalls liegt kein selbständiges Erwerbsgeschäft vor;<br />
vgl. zum Ganzen auch Grob (FN 4), 154.<br />
33 Grob (FN 4), 154.<br />
34 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 107; Grob<br />
(FN 4), 154 f.<br />
35 Grob (FN 4), 155.<br />
36 Gemäss Ensthaler Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach<br />
§ 377 HGB N 21, berechtigt die Durchführung einer Erstmusterprüfung<br />
ohne deutliche, gegenteilige Anhaltspunkte nicht zur<br />
Annahme, dass mit der Freigabeerteilung die Spezifi kationsvor-<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
technischen Freigabe eine entsprechende Klarstellung anzubringen.<br />
4.4 Informationsaustausch<br />
Des Weiteren sind in QS-Vereinbarungen regelmässig auch<br />
Bestimmungen über die Dokumentationspfl ichten des Zulieferers<br />
enthalten 37 . Der Abnehmer strebt damit in der Regel<br />
die Einrichtung eines Frühwarnsystems an, mit welchem<br />
bereits frühzeitig kontrolliert und beurteilt werden kann, ob<br />
die Lieferqualität den Vorgaben entspricht. So können Fehler<br />
systematisch ausgeschaltet werden 38 .<br />
Der Zulieferer wird beispielsweise verpfl ichtet, seinen<br />
Lieferungen Dokumente beizulegen, welche dem Abnehmer<br />
Auskunft über Durchführung und Ergebnis von an den gelieferten<br />
Produkten vorgenommenen Prüfungen erteilen 39 . Diese<br />
Pfl icht ist oft verbunden mit einer Aufbewahrungs- und<br />
Offenbarungspfl icht des Zulieferers hinsichtlich Dokumenten,<br />
welche die einzelnen Schritte der Qualitätssicherung<br />
aufzeichnen 40 . Sie sollen dem Abnehmer in einem etwaigen<br />
Haftungsstreit mit einem Endabnehmer ermöglichen, den<br />
Beweis zu erbringen, dass sämtliche Sorgfaltsanforderungen<br />
eingehalten worden sind 41 .<br />
Diese lieferungsbezogenen Informationspfl ichten des<br />
Zulieferers werden häufi g mit dem Recht des Abnehmers<br />
kombiniert, die Produktionsstätten des Zulieferers zu betreten,<br />
Einsicht in dessen Unterlagen zu nehmen und Kontrol-<br />
gaben bzw. Begleitabreden gegenstandslos sein sollen. Demgegenüber<br />
wertet Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 108 ff., die vorbehaltlose Freigabeerklärung als umfassende<br />
Billigung aller vom Abnehmer erkannten sowie – verschuldet<br />
oder unverschuldet – nicht erkannten Abweichungen<br />
von den zuvor als verbindlich zugrunde gelegten Spezifi kationen.<br />
Dies jedenfalls insoweit, als die vereinbarten Leistungsmerkmale<br />
überhaupt im Erstmuster verkörperungsfähig sind<br />
(als weitergeltend erachtet werden bspw. die in den Spezifi kationen<br />
festgelegten Toleranzen). Im Gegenzug anerkennt Merz<br />
allerdings ein (sehr stark eingeschränktes) Anfechtungsrecht<br />
des Abnehmers hinsichtlich seiner Freigabeerklärung. Im Übrigen<br />
geht Merz (FN 10), 115, von einem Kauf nach Muster<br />
aus, wobei sich die als zugesichert geltenden Eigenschaften aus<br />
den mitgelieferten Erstmusterprüfberichten ergeben würden.<br />
37 Vgl. zum Ganzen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 202 ff.; Grob (FN 4), 155; Ensthaler, Gemeinschaftskommentar<br />
(FN 11), nach § 377 HGB N 30 ff., N 39 ff.;<br />
Martinek (FN 15), 139 ff.<br />
38 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 202; Ensthaler,<br />
Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB<br />
N 39.<br />
39 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 202; zu<br />
Umfang und Inhalt der Dokumentation vgl. Ensthaler, Gemeinschaftskommentar<br />
(FN 11), nach § 377 HGB N 45 ff.<br />
40 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 2<strong>03</strong>; siehe<br />
auch Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach<br />
§ 377 HGB N 50 ff. und N 54 ff.<br />
41 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 2<strong>03</strong>; vgl.<br />
auch Hess/Werk (FN 7), 270.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 255 10.3.2009 9:11:56 Uhr<br />
255
256<br />
Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />
len durchzuführen (sog. Audits oder Auditierungen) 42 . Diese<br />
Massnahmen dienen der Überwachung und Sicherung der<br />
generellen (d.h. nicht lediglich produktbezogenen) Qualitätsfähigkeit<br />
des Zulieferers 43 . Im Gegenzug ist der Abnehmer in<br />
der Regel verpfl ichtet, den Zulieferer über die Ergebnisse der<br />
Audits zu informieren 44 .<br />
4.5 Geheimhaltung<br />
Die gegenseitigen Informationspfl ichten und die Zutritts-,<br />
Einblick- und Kontrollrechte des Abnehmers im Speziellen<br />
führen in der Regel zur Vereinbarung einer gegenseitigen<br />
Geheimhaltungspfl icht 45 .<br />
4.6 <strong>Verlag</strong>erung der Warenkontrolle<br />
Wie bereits ausgeführt wurde, bezwecken QS-Massnahmen<br />
unter anderem die Rationalisierung der Betriebsabläufe und<br />
insbesondere die Minimierung der Qualitätskontrollkosten<br />
beim Abnehmer (vgl. dazu vorstehend Ziff. 3) 46 . Letzteres<br />
soll vor allem mit Durchführung geeigneter Zwischen- und<br />
Endprüfungen beim Zulieferer erreicht werden, so dass die<br />
Wareneingangskontrolle beim Abnehmer reduziert werden<br />
kann. Auf diese Weise werden einerseits doppelte Prüfungen<br />
vermieden. Andererseits wird aber auch sichergestellt, dass<br />
dieselben möglichst frühzeitig im Produktionsprozess durchgeführt<br />
werden. Die Wahrscheinlichkeit, Fehler zu entdecken<br />
ist dadurch grösser und die Möglichkeiten zur Beseitigung<br />
der Fehler sind einfacher und billiger 47 .<br />
Vor diesem Hintergrund enthalten die meisten QS-Vereinbarungen<br />
Bestimmungen, wonach der Abnehmer berechtigt<br />
ist, seine eigene Wareneingangskontrolle hinsichtlich Prüfschärfe<br />
und -intensität 48 zu reduzieren oder gar ganz darauf<br />
zu verzichten 49 . Die Eingangskontrolle des Bestellers wird<br />
auf diese Weise auf den Zulieferer verlagert.<br />
42 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 204; Grob<br />
(FN 4), 155; Quittnat (FN 15), 573; Hess/Werk (FN 7), 272.<br />
43 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 204 f.;<br />
Grob (FN 4), 155.<br />
44 Grob (FN 4), 156; vgl. auch Hess/Werk (FN 7), 272.<br />
45 Grob (FN 4), 156; Hess/Werk (FN 7), 273.<br />
46 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 206 f.<br />
47 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 207; Grob<br />
(FN 4), 157; Schmidt (FN 11), 148.<br />
48 Siehe dazu Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),<br />
207: Die «Prüfschärfe» bezeichnet den Anteil der untersuchten<br />
im Verhältnis zur ungeprüft entgegen genommenen Ware; die<br />
«Prüfi ntensität» bezeichnet den Umfang der durchgeführten<br />
Untersuchung (Sichtprüfung, Funktionsprüfung, Lebensdauerprüfung<br />
etc.).<br />
49 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 207; Grob<br />
(FN 4), 157; Quittnat (FN 15), 572; Schmidt (FN 11), 148.<br />
Denkbar ist insbesondere eine Beschränkung der Wareneingangsprüfung<br />
auf äusserlich erkennbare Transport- und Verpackungsschäden<br />
sowie auf die Menge und Identität der gelieferten<br />
Ware.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Die Reduzierung der Wareneingangskontrolle seitens des<br />
Bestellers birgt für diesen trotz vorgeschalteter QS-Massnahmen<br />
allerdings ein schwer kalkulierbares Fehlerrestrisiko.<br />
Namentlich wenn sich herausstellt, dass das vereinbarte<br />
QS-System Qualitätsmängel nicht verhindern oder rechtzeitig<br />
aufdecken konnte, muss sich der Besteller die Möglichkeit<br />
offen halten, erst später aufgedeckte Mängel ungeachtet<br />
der zeitlichen Verzögerung ohne Verlust seiner Gewährleistungsrechte<br />
rügen zu können. Ergänzend wird in QS-Vereinbarungen<br />
deshalb regelmässig vereinbart, dass der Zulieferer<br />
auf die Einrede der verspäteten Mängelrüge verzichtet 50 .<br />
Es handelt sich dabei mithin um eine Modifi kation oder<br />
gar eine Abbedingung von Art. 367 Abs. 1 OR (bzw. Art. 201<br />
Abs. 1 OR). Aufgrund der dispositiven Natur dieser Bestimmungen<br />
sind solche Klauseln in QS-Vereinbarungen unter<br />
Schweizer Recht grundsätzlich zulässig 51 . Gemäss Bundesgericht<br />
ist allerdings zu verlangen, dass solche Regelungen<br />
ausdrücklich und klar verfasst sind 52 .<br />
4.7 Haftungsregelung<br />
Nebst der Modifi zierung der gesetzlichen Bestimmungen<br />
über die Prüf- und Rügeobliegenheiten sind es vorab Haftungsfreizeichnungsklauseln,<br />
welche die Verteilung der vertraglichen<br />
Haftungsrisiken beeinfl ussen. Gemäss Art. 100<br />
Abs. 1 OR kann die Haftung allerdings nur für leichte Fahrlässigkeit,<br />
nicht aber für rechtswidrige Absicht oder grobe<br />
Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden 53 . Da QS-Vereinbarungen<br />
indessen regelmässig vom Abnehmer vorformuliert<br />
werden, der naturgemäss kein Interesse an einer Haftungsfreizeichnung<br />
zu seinen eigenen Lasten hat, sind solche Freizeichnungsklauseln<br />
zu Gunsten des Zulieferers in QS-Vereinbarungen<br />
eher selten zu fi nden.<br />
50 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 212 f.;<br />
Grob (FN 4), 157; Quittnat (FN 15), 572; Schmidt (FN 11),<br />
148.<br />
51 Heinrich Honsell, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/<br />
Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht<br />
I, 4. A., Basel/Genf/München 2007, Art. 201 N 13;<br />
Gaudenz G. Zindel/Urs Pulver, in: Heinrich Honsell/Nedim<br />
Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar,<br />
Obligationenrecht I, 4. A., Basel/Genf/München 2007, Art. 367<br />
N 29. Unter deutschem Recht ist stark umstritten, ob solche Regelungen<br />
in QS-Vereinbarungen, die als <strong>AG</strong>B zu qualifi zieren<br />
sind, gültig sind; siehe dazu bspw. Ensthaler, Gemeinschaftskommentar<br />
(FN 11), nach § 377 N 8 ff.; Schmidt (FN 11),<br />
148.<br />
52 Siehe BGE 4C.401/1999, E. 4b.<br />
53 Ebenfalls zulässig ist ein Ausschluss der Haftung für Hilfspersonen,<br />
der sich gemäss Art. 101 Abs. 2 OR grundsätzlich<br />
auch auf Absicht und grobe Fahrlässigkeit erstrecken kann.<br />
Ob der bei Kaufverträgen zu beachtende Art. 199 OR auch bei<br />
Werk- und Werklieferungsverträgen anwendbar ist, ist in der<br />
Lehre umstritten. Für eine Übersicht zum momentanen Meinungsstand;<br />
vgl. Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht<br />
(FN 4), 291.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 256 10.3.2009 9:11:56 Uhr
Hinsichtlich der Haftungsrisiken im Aussenverhältnis<br />
sind QS-Vereinbarungen insoweit relevant, als die Parteien<br />
darin eine Regelung treffen können, unter welchen Voraussetzungen<br />
und in welchem Umfang die von einem Geschädigten<br />
belangte Partei auf den Vertragspartner Rückgriff nehmen<br />
kann 54 .<br />
5. Rechtliche Qualifi kation von<br />
QS-Vereinbarungen<br />
Merz legt für das deutsche Recht dar, dass die Pfl ichten<br />
des Zulieferers unter einer QS-Vereinbarung funktional mit<br />
denjenigen eines Architekten vergleichbar seien. Gleich wie<br />
der Zulieferer übernehme auch der Architekt Aufgaben der<br />
Qualitätsplanung, Qualitätslenkung, Qualitätssicherung und<br />
Qualitätskontrolle. Aufgrund der in hohem Masse geforderten<br />
Verlässlichkeit dieser Qualitätssicherungsmassnahmen<br />
geht Merz von einer Erfolgsbezogenheit derselben aus und<br />
schliesst deshalb – in Übereinstimmung zum Architektenvertrag<br />
– insoweit auf die Anwendbarkeit von Werkvertragsrecht<br />
55 .<br />
Der Vergleich der Qualitätssicherungsaufgaben des Zulieferers<br />
mit denjenigen des Architekten vermag zwar zu<br />
überzeugen, führt aber nach schweizerischem Recht zur Anwendbarkeit<br />
von Auftragsrecht 56 , denn die vom Zulieferer<br />
geschuldeten Qualitätssicherungsmassnahmen entsprechen<br />
funktional in der Tat weitgehend den Bauleitungspfl ichten<br />
des Architekten, die gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung<br />
dem Auftragsrecht zuzuordnen sind 57 . Der Erfolg der<br />
eingeführten Qualitätssicherungsmassnahmen wird denn<br />
auch vielfach nicht anhand objektiver Kriterien überprüft<br />
werden können. Dies schliesst indessen nicht aus, dass eine<br />
QS-Vereinbarung nach Schweizer Recht auch werkvertragliche<br />
Elemente enthält, beispielsweise die Pfl icht des Zulieferers<br />
zur Abgabe einer umfassenden schriftlichen Dokumentation<br />
seiner Massnahmen.<br />
QS-Vereinbarungen haben zudem häufi g auch gesellschaftsähnlichen<br />
Charakter 58 . Die Implementierung von feh-<br />
54 Grob (FN 4), 160; Hess/Werk (FN 7), 256.<br />
55 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 242 f.;<br />
Axel Merz, in: Dr. Friedrich Graf von Westphalen (Hrsg.),<br />
Produkthaftungshandbuch, Band 1: Vertragliche und deliktische<br />
Haftung, Strafrecht und Produkt-Haftpfl ichtversicherung, 2. A.,<br />
München 1997, § 44 N 11; ebenfalls für die Anwendbarkeit<br />
von Werkvertragsrecht spricht sich für das Schweizer Recht<br />
Theodor Bühler, in: Jörg Schmid/Peter Gauch (Hrsg.), Zürcher<br />
Kommentar, V. Band Obligationenrecht, Teilband V 2d,<br />
Art. 363–379 OR, 3. A., Zürich 1998, Art. 363 N 189 aus, dies<br />
allerdings ohne weitere Begründung.<br />
56 Von der weitgehenden Anwendbarkeit von Auftragsrecht geht<br />
wohl auch Grob (FN 4), 169 f., aus.<br />
57 Vgl. BGE 109 II 462, 465 f.<br />
58 Siehe dazu Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),<br />
257 ff. und insbesondere 260 f.; Grob (FN 4), 170; Bühler<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
ler- bzw. schadenspräventiven Massnahmen liegt nämlich im<br />
Interesse beider Parteien. Während Qualitätssicherungsmassnahmen<br />
im Aussenverhältnis zur Senkung des Haftungsrisikos<br />
beitragen, führen sie im Innenverhältnis zu Kosteneinsparungen<br />
59 . Aufgrund dieser Interessenparallelität kann<br />
sich zur Beantwortung von Einzelfragen die (analoge) Anwendung<br />
der Regeln der einfachen Gesellschaft anbieten 60 .<br />
Nach dem Gesagten sind QS-Vereinbarungen deshalb in<br />
der Regel als Innominatverträge, und zwar als gemischte<br />
Verträge, zu qualifi zieren 61 .<br />
Zu beachten ist indessen, dass QS-Massnahmen, welche<br />
lediglich für einen einzelnen Beschaffungsvertrag vereinbart<br />
werden und damit keine Wirkungen haben, die über das<br />
betreffende Geschäft hinausgehen, zumeist als vertragliche<br />
Nebenpfl ichten zu qualifi zieren sind und somit grundsätzlich<br />
den Bestimmungen des entsprechenden Einzelvertrages unterliegen<br />
62 .<br />
6. Vergütungsanspruch des Zulieferers<br />
Die Verpfl ichtung des Zulieferers zum Aufbau und Betrieb<br />
eines QS-Systems stellt regelmässig eine eigenständige wirtschaftliche<br />
Leistung dar, da die in der QS-Vereinbarung festgelegten<br />
Pfl ichten über die im eigentlichen Liefergeschäft<br />
vereinbarte Herstellung und Lieferung eines bestimmten<br />
Produktes hinausgehen 63 . Daraus wird mangels gegenteiliger<br />
Vereinbarung der Parteien ein eigenständiger Entschädigungsanspruch<br />
des Zulieferers für die zusätzlichen, unter der<br />
QS-Vereinbarung erbrachten Leistungen abgeleitet 64 .<br />
(FN 55), Art. 363 N 189; vgl. auch Hans Caspar von der<br />
Crone, Rahmenverträge: Vertragsrecht, Systemtheorie, Ökonomie,<br />
Habil., Zürich 1993, 322 ff. zur Qualifi kation von Rahmenverträgen,<br />
die transaktionsbezogene Investitionen beinhalten,<br />
als einfache Gesellschaft.<br />
59 Siehe dazu insbesondere Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 231 ff. und Grob (FN 4), 170.<br />
60 Siehe z.B. nachfolgend FN 68 zum Investitionsersatz und<br />
Ziff. 7 zur Aufl ösung von QS-Vereinbarungen.<br />
61 Gl.M. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 261;<br />
Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 6.<br />
62 Grob (FN 4), 151.<br />
63 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 7 f.: Während<br />
der Zulieferer aufgrund des Liefervertrages die Produktion<br />
und Lieferung eines mangelfreien, näher spezifi zierten<br />
Produktes schuldet (ergebnisbezogene Pfl icht), ist er aufgrund<br />
der QS-Vereinbarung verpfl ichtet, einen qualitätsgesicherten<br />
Produktionsvorgang einzurichten und aufrecht zu erhalten (verfahrensbezogene<br />
Pfl icht). Auch wenn die beiden Elemente in<br />
der Regel eng miteinander verfl ochten sind, handelt es sich um<br />
inhaltlich unterschiedliche Pfl ichtenkreise, die je einen eigenständigen<br />
(Dienstleistungs-)Wert darstellen. Dieser Ansicht ist<br />
beizupfl ichten. Vgl. dazu auch Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 261; Grob (FN 4), 168, mit Bezug auf<br />
systembezogene QS-Vereinbarungen.<br />
64 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 244 f.;<br />
Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 9 ff; Grob<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 257 10.3.2009 9:11:57 Uhr<br />
257
258<br />
Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />
Dem ist unseres Erachtens jedenfalls für eigenständige<br />
QS-Vereinbarungen beizupfl ichten. Hier übernimmt der Zulieferer<br />
unter anderem Pfl ichten zur Implementierung eines<br />
QS-Systems, die unabhängig von konkreten Beschaffungsverträgen<br />
geschuldet sind. Deshalb wird ein Vergütungsanspruch<br />
des Zulieferers auch ohne ausdrückliche Vereinbarung<br />
häufi g zu bejahen sein. Dies gilt insbesondere, wenn die<br />
Übernahme der betreffenden Pfl ichten nach den Umständen<br />
nur gegen Entgelt zu erwarten war. Diesfalls ist von einer<br />
stillschweigenden Vergütungsabrede auszugehen (vgl. auch<br />
Art. 394 Abs. 3 OR) 65 .<br />
Als Kriterien für die Frage, welche QS-Massnahmen der<br />
Besteller vom Zulieferer nur gegen gesonderte Vergütung erwarten<br />
darf, werden etwa die folgenden genannt66 :<br />
Grad der Abnehmerspezifi tät der QS-Leistungen des Zulieferers<br />
bzw. Umfang der notwendigen Zusatzleistungen;<br />
Ausmass der Kosteneinsparungsmöglichkeiten beim Abnehmer<br />
als Folge der QS-Leistungen des Zulieferers;<br />
Deckungsgrad zwischen der Betriebsorganisation des Zulieferers<br />
mit den organisationsbezogenen Vorgaben des<br />
Abnehmers.<br />
Nebst dem Anspruch des Zulieferers auf eine Vergütung für<br />
die vertragsgemäss erbrachten QS-Massnahmen ist in der<br />
genannten Konstellation auch ein Ersatzanspruch für die<br />
vereinbarten oder tatsächlich notwendigen Investitionen, die<br />
der Zulieferer für den konkreten Fall getätigt hat (sog. vertragszweckbedingte<br />
transaktionsspezifi sche Investitionen67 ),<br />
zu bejahen68 . In der Regel dürfte dieser Ersatzanspruch nach<br />
dem Willen der Parteien indessen in die für die QS-Massnahmen<br />
zu bezahlende Vergütung integriert sein69 •<br />
•<br />
•<br />
.<br />
(FN 4), 168 und 170 ff.; wohl auch Ensthaler, Gemeinschaftskommentar<br />
(FN 11), nach § 377 HGB N 43 (im Zusammenhang<br />
mit Dokumentationsregelungen in QS-Vereinbarungen).<br />
65 Gl.M. Grob (FN 4), 172, FN 130; Walter Fellmann, Berner<br />
Kommentar, VI/2/4, Bern 1992, Art. 394 N 369 f. m.w.H., welcher<br />
darauf hinweist, dass die Vergütung in solchen Fällen gewöhnlich<br />
als «üblich» zu bezeichnen ist.<br />
66 Siehe Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),<br />
244 f.<br />
67 Siehe dazu von der Crone (FN 58), 254 ff. und 277 ff.; Grob<br />
(FN 4), 170 f.<br />
68 Dabei ist mit von der Crone (FN 58, 311 ff., insbesondere<br />
320 f.) und Grob (FN 4, 171) von der Anwendbarkeit der Regeln<br />
der einfachen Gesellschaft auszugehen, die zu einem sachgerechteren<br />
Resultat führen als die Bestimmungen des Auftragsrechts<br />
(insbesondere Art. 402 Abs. 1 OR). Abzulehnen ist<br />
demgegenüber ein Entschädigungsanspruch für Investitionen,<br />
die auf einseitigen Entscheid des Zulieferers zurückgehen, vgl.<br />
von der Crone (FN 58), 320; Grob (FN 4), 170.<br />
69 Vgl. zu dieser Möglichkeit Rolf H. Weber, in: Heinrich Honsell/Nedim<br />
Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar,<br />
Obligationenrecht I, 4. A., Basel/Genf/München 2007,<br />
Art. 402 N 16; Fellmann (FN 65), Art. 402 N 64.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Ohnehin dürfte die geschuldete Vergütung für die Pfl icht<br />
des Zulieferers, ein QS-System zu unterhalten, kaum je als<br />
zusätzliches Fixum bezahlt werden, sondern von den Vertragsparteien<br />
regelmässig in die vereinbarten Stückpreise<br />
einberechnet werden 70 . Ist die QS-Vereinbarung daher in einen<br />
konkreten Liefervertrag integriert, d.h. beispielsweise in<br />
den Lieferbedingungen enthalten, oder wird sie zumindest<br />
im Zusammenhang mit einem oder mehreren bereits konkreten<br />
Lieferverträgen abgeschlossen, so besteht unseres Erachtens<br />
die Vermutung, dass die Vergütung für die vereinbarten<br />
QS-Massnahmen durch den Werklohn (bzw. Kaufpreis)<br />
abgegolten ist 71 .<br />
7. Aufl ösung von QS-Vereinbarungen<br />
Verletzt der Zulieferer qualitätssichernde Pfl ichten, die lediglich<br />
für einen einzelnen, konkreten Beschaffungsvertrag vereinbart<br />
wurden, und hat diese Vertragsverletzung die Mangelhaftigkeit<br />
des Produktes zur Folge, so führt dies vorab<br />
zur Anwendbarkeit der Gewährleistungsbestimmungen des<br />
entsprechenden Vertragstyps (dazu nachfolgend Ziff. 9.3) 72 .<br />
Die Verletzung von produktbezogenen Pfl ichten kann unter<br />
Umständen aber auch die Aufl ösung des betreffenden Beschaffungsvertrages<br />
rechtfertigen 73 , und zwar gestützt auf die<br />
auf den Beschaffungsvertrag anwendbaren Bestimmungen 74 .<br />
Gleiches gilt auch für die Verletzung von Pfl ichten, die nicht<br />
produktbezogen sind 75 und deren Nichtbeachtung deshalb<br />
keinen Produktmangel zur Folge haben.<br />
Verletzt der Zulieferer demgegenüber qualitätssichernde<br />
Pfl ichten, die in einer eigenständigen, als Rahmenvertrag<br />
zu qualifi zierenden QS-Vereinbarung und damit für eine<br />
Vielzahl von Beschaffungsverträgen oder gar unabhängig<br />
von solchen festgelegt wurden (vgl. vorstehend Ziff. 2), so<br />
stellt sich die Frage, nach welchen Bestimmungen sich das<br />
Recht zur Aufl ösung der QS-Vereinbarung beurteilt 76 . Aufgrund<br />
der Natur der QS-Vereinbarung als Dauerschuldverhältnis<br />
kommt nur ein Kündigungsrecht, nicht aber ein<br />
Rücktrittsrecht in Betracht 77 . Da QS-Vereinbarungen dar-<br />
70 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 17.<br />
71 Vgl. auch Grob (FN 4), 172.<br />
72 Grob (FN 4), 173.<br />
73 A.M. wohl Grob (FN 4), 173.<br />
74 Wie vorstehend (Ziff. 5) ausgeführt, unterliegen Qualitätssicherungsmassnahmen,<br />
die für einen Einzelvertrag vereinbart wurden,<br />
grundsätzlich dessen Bestimmungen. Als Grundlage für<br />
die Vertragsaufl ösung kann beispielsweise Art. 366 Abs. 2 OR<br />
dienen.<br />
75 Beispielsweise Informations- und Dokumentationspfl ichten.<br />
76 Die Verletzung von produktbezogenen Pfl ichten, die zur Mangelhaftigkeit<br />
des Produktes führt, ist gleich wie bei Einzelverträgen<br />
vorab nach den Gewährleistungsbestimmungen zu ahnden.<br />
77 Grob (FN 4), 173; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 301.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 258 10.3.2009 9:11:57 Uhr
auf ausgerichtet sind, die Grundlagen für eine längerfristige<br />
Geschäftsbeziehung zu schaffen, befriedigt das jederzeitige<br />
Kündigungsrecht nach Auftragsrecht (Art. 404 OR) nicht.<br />
Aufgrund der gegebenen Interessenparallelität 78 anerbietet<br />
sich vielmehr die Anwendung der Aufl ösungsregel der einfachen<br />
Gesellschaft 79 . Danach kann eine auf unbestimmte<br />
Dauer geschlossene QS-Vereinbarung mit einer Frist von<br />
sechs Monaten gekündigt werden (Art. 546 Abs. 1 OR) 80 .<br />
Daneben muss aber auch ein jederzeitiges Aufl ösungsrecht<br />
aus wichtigem Grund bejaht werden, das bei Dauerschuldverhältnissen<br />
allgemein gilt 81 .<br />
Die Aufl ösung einer QS-Vereinbarung führt nicht automatisch<br />
auch zur Beendigung bereits laufender Beschaffungsverträge.<br />
Eine solche wird sich aber in der Regel aufdrängen,<br />
da mit dem Verlust des Vertrauens in die Qualitätsfähigkeit<br />
des Zulieferers auch die Geschäftsgrundlage für einzelne<br />
Lieferverträge entfällt 82 . Haben es die Parteien versäumt,<br />
eine ausdrückliche Regelung für diesen Fall zu treffen 83 , ist<br />
durch Auslegung der einzelnen Beschaffungsverträge zu ermitteln,<br />
ob die Parteien beabsichtigten, deren Wirksamkeit<br />
vom Bestand der QS-Vereinbarung abhängig zu machen 84 .<br />
8. Wechselwirkungen zwischen<br />
QS-Vereinbarungen und gesetzlichem<br />
Gewährleistungsrecht<br />
8.1 Ausgangslage<br />
Das primäre Ziel von QS-Vereinbarungen besteht nach dem<br />
Gesagten regelmässig darin, mittels gezielter QS-Massnahmen<br />
bestmögliche Voraussetzungen zu schaffen, damit jeg-<br />
78 Siehe dazu vorstehend Ziff. 5.<br />
79 Gl.M. Grob (FN 4), 173; von der Crone (FN 58), 323; Rolf<br />
H. Weber, Rahmenverträge als Mittel zur rechtlichen Ordnung<br />
langfristiger Geschäftsbeziehungen, ZSR 106/1987, I, 430.<br />
80 Art. 546 OR ist dispositiver Natur und kann deshalb vertraglich<br />
abgeändert werden. Wird indessen eine bestimmte vertragliche<br />
Mindestdauer vereinbart, so treffen die Parteien für die davon<br />
erfasste Zeit eine abschliessende Beendigungsordnung, die die<br />
Anwendung der ordentlichen gesetzlichen Kündigungsregel<br />
ausschliesst (BGE 106 II 229).<br />
81 BGE 128 III 429 m.w.H. Das Klageerfordernis gemäss Art. 545<br />
Abs. 1 Ziff. 7 OR ist für QS-Vereinbarungen abzulehnen. Vgl.<br />
auch Weber, Rahmenverträge (FN 79), 430, der eine ausserordentliche<br />
Aufl ösung eines Rahmenvertrages aus wichtigem<br />
Grund z.B. bei permanenter Verletzung der Einzelverträge bejaht.<br />
82 Grob (FN 4), 174.<br />
83 Denkbar ist z.B., dass die Beschaffungsverträge aufl ösend bedingt<br />
geschlossen werden, vgl. Grob (FN 4), 174. Möglich ist<br />
aber auch eine Regelung, wonach bereits eingegangene Einzelverträge<br />
vollständig abgewickelt werden, und zwar mit bisherigem<br />
Vertragsinhalt und unter Zugrundelegung der Regelungen<br />
der QS-Vereinbarung.<br />
84 Grob (FN 4), 174.<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
liche Arten von Qualitätsabweichungen vermieden werden<br />
können und das bestellte Produkt bei seiner Ablieferung<br />
letztlich vollumfänglich den vertraglich vereinbarten Eigenschaften<br />
entspricht (vgl. auch vorstehend Ziff. 3.1) 85 . Kein<br />
noch so durchdachtes QS-System vermag in der Praxis indessen<br />
die völlige Fehlerfreiheit der Produkte zu gewährleisten,<br />
weshalb immer wieder Mängel am zu liefernden Produkt<br />
zu Tage treten, welche durch eben diese QS-Massnahmen<br />
hätten verhindert werden sollen 86 .<br />
Die Ursachen für Mängel können dabei sehr vielfältig<br />
sein. Denkbar ist einerseits, dass das vereinbarte QS-System<br />
fehlerhaft bzw. unzureichend ist oder aber, dass es der<br />
Zulieferer mangelhaft umgesetzt hat. Daneben können aber<br />
auch gänzlich ausserhalb des QS-Systems anzusiedelnde<br />
Faktoren für die Fehlerhaftigkeit der Produkte mitursächlich<br />
sein 87 . In der Praxis ist es zumeist schwierig, die effektiv<br />
massgeblichen Fehlerquellen zu eruieren.<br />
Interessant und in der Schweizer Literatur bis anhin wenig<br />
diskutiert ist in diesem Zusammenhang die Frage, wer<br />
das Risiko für solche Mängel zu tragen hat, die trotz oder<br />
möglicherweise gerade infolge des vereinbarten QS-Systems<br />
eingetreten sind, und ob bzw. inwieweit sich der Zulieferer<br />
allenfalls durch den Nachweis einer vertragsgemässen<br />
Durchführung des vereinbarten QS-Systems von seiner Haftung<br />
entlasten kann 88 .<br />
Die nachfolgenden Ausführungen wollen diese Frage mit<br />
Blick auf das werkvertragliche Gewährleistungsrecht im<br />
Sinne von Art. 367 ff. OR näher beleuchten. Da die Pfl icht<br />
des Zulieferers zur Ablieferung mangelfreier Ware nach<br />
der Konzeption des schweizerischen Obligationenrechts als<br />
verschuldensunabhängige Garantiehaftung ausgestaltet ist,<br />
ist diese Anspruchsgrundlage für den Besteller äusserst interessant.<br />
Gleichzeitig birgt die Gewährleistungspfl icht für<br />
den Zulieferer ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko.<br />
Es würde den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen,<br />
auch die Aspekte der verschuldensabhängigen Vertragshaftung<br />
sowie der ausservertraglichen Haftung, insbesondere<br />
der Produktehaftpfl icht, in die Untersuchung miteinzubeziehen.<br />
Es sei diesbezüglich auf die einschlägige Literatur verwiesen<br />
89 .<br />
85 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 196;<br />
Peter Gauch, Der Werkvertrag, 4. A., Zürich 1996, N 2560;<br />
Hess/Werk (FN 7), 242.<br />
86 Grob (FN 4), 41.<br />
87 Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377<br />
HGB N 18.<br />
88 Grob (FN 4), 176.<br />
89 Vgl. insb. Hess/Werk (FN 7), 256; zum deutschen Recht vgl.<br />
sodann auch Quittnat (FN 15), 571 ff.; Teichler (FN 2),<br />
428 ff.; Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44<br />
N 27 ff.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 21), 817 ff.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 259 10.3.2009 9:11:57 Uhr<br />
259
260<br />
Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />
8.2 Übersicht über das werkvertragliche<br />
Gewährleistungsrecht<br />
8.2.1 Allgemeines<br />
Ähnlich wie im Kaufvertragsrecht (Art. 197 ff. OR) gilt auch<br />
im Werkvertragsrecht eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung<br />
des Unternehmers für allfällige Werkmängel im<br />
Zeitpunkt der Ablieferung (vgl. Art. 367 ff. OR) 90 .<br />
Mit einem überwiegenden Teil der Lehre ist davon auszugehen,<br />
dass sich die kaufvertraglichen Gewährleistungsbestimmungen<br />
nach Art. 197 OR und die werkvertraglichen<br />
Bestimmungen nach Art. 368 OR hinsichtlich des Mangelbegriffes<br />
und der Prüfungs- und Rügeobliegenheiten weitgehend<br />
entsprechen. Die unterschiedliche Formulierung<br />
des Sachmangel- bzw. Fehlerbegriffs in den entsprechenden<br />
Bestimmungen hat im Ergebnis daher kaum praktische Relevanz<br />
91 . Entsprechend sind auch allfällige Abgrenzungsschwierigkeiten<br />
zwischen Werklieferungs- und Kaufvertrag<br />
mit Blick auf die Gewährleistungspfl icht des Zulieferers nur<br />
von untergeordneter Bedeutung (vgl. vorstehend die einleitenden<br />
Bemerkungen in Ziff. 1) 92 .<br />
8.2.2 Der Begriff des Werkmangels<br />
Art. 368 OR unterscheidet zwischen «erheblichen Mängeln»<br />
und sonstigen Abweichungen vom Vertrag, die das Werk für<br />
den Besteller unbrauchbar machen oder aufgrund welcher<br />
ihm die Annahme des Werkes billigerweise nicht zugemutet<br />
werden kann. Ungeachtet dieser Differenzierung handelt es<br />
sich bei einem Werkmangel nach schweizerischer Rechtsauffassung<br />
ganz allgemein um einen vertragswidrigen Zustand,<br />
der darin besteht, dass der gelieferten Ware eine vertraglich<br />
geforderte Eigenschaft fehlt, sei diese vertraglich vereinbart<br />
bzw. zugesichert oder aber vertraglich vorausgesetzt 93 . Vertraglich<br />
vorausgesetzt sind Eigenschaften, welche von den<br />
Parteien zwar nicht besonders vereinbart wurden, deren Vorhandensein<br />
der Besteller im Sinne einer gewöhnlich vorausgesetzten<br />
Beschaffenheit aufgrund des Vertrauensprinzips<br />
jedoch erwarten darf. Vereinbarte Eigenschaften sind demgegenüber<br />
Vertragsabreden, in denen die Parteien (ausdrück-<br />
90 Ausführlich zur werkvertraglichen Mängelhaftung Gauch<br />
(FN 85), N 1352 ff.<br />
91 Huegenin (FN 4), N 637; Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht<br />
(FN 4), 281; für eine «eigenständige Begriffsbestimmung»<br />
des Werkmangels dagegen Gauch (FN 85), N 1352 ff.<br />
92 Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 281;<br />
Thomas Siegenthaler, Die Mängelhaftung bei der Lieferung<br />
von Maschinen: Nach schweizerischem Obligationenrecht und<br />
unter Berücksichtigung der Liefer- und Montagebedingungen<br />
des Vereins schweizerischer Maschinen-Industrieller, Diss. Zürich<br />
2000, 19; Zindel/Pulver (FN 51), Art. 367 N 2; Grob<br />
(FN 4), 193; BGE 104 II 355.<br />
93 Gauch (FN 85), N 1356; Hürlimann/Siegenthaler (FN 4),<br />
Art. 367 OR N 3; Siegenthaler (FN 92), 19.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
lich oder konkludent) übereinkommen, dass das geschuldete<br />
Werk bestimmte Eigenschaften aufweisen muss.<br />
Daraus ergibt sich, dass immer dann ein Werkmangel vorliegt,<br />
wenn die «Ist-Beschaffenheit» des Werkes nicht mit<br />
der «Soll-Beschaffenheit» übereinstimmt, sei diese nun vertraglich<br />
festgelegt oder vorausgesetzt 94 . Die Frage, was ein<br />
Mangel im Rechtssinne darstellt, hängt damit jeweils vom<br />
konkreten Vertrag ab und fällt nicht notwendigerweise mit<br />
dem zusammen, was unter technischen Gesichtspunkten als<br />
«Mangel» anzusehen ist 95 .<br />
Ein Mangel kann beispielsweise körperlicher, ästhetischer<br />
oder auch wirtschaftlicher Natur sein (z.B. zu hoher Energieverbrauch).<br />
Sodann wird gemeinhin anerkannt, dass auch<br />
ausserhalb der physischen und technischen Beschaffenheit<br />
liegende Sachverhalte für die Sachmängelhaftung relevante<br />
Eigenschaften sein können 96 . Erfasst werden beispielsweise<br />
auch innere Eigenschaften (z.B. Funktionsfähigkeit, Sparsamkeit<br />
oder Unterhaltsfreiheit) 97 .<br />
Kein Mangel liegt indessen vor, wenn ein völlig anderes<br />
Werk als das geschuldete geliefert wird (Aliudlieferung) 98 .<br />
8.2.3 Die Mängelrüge<br />
Die Gewährleistungspfl icht setzt sowohl nach Kaufvertrag<br />
als auch nach Werkvertrag voraus, dass der Besteller die<br />
Sache, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich<br />
ist, prüft und dem Zulieferer allfällige Mängel unverzüglich<br />
anzeigt (vgl. Art. 201 OR und Art. 367 OR). Unterbleibt die<br />
Rüge offenkundiger Mängel, so gilt die Ware grundsätzlich<br />
als genehmigt und der Besteller verliert seine Mängelrechte.<br />
Versteckte Mängel, d.h. Mängel, die bei Abnahme und ordnungsmässiger<br />
Prüfung nicht erkennbar waren oder erst später<br />
zu Tage getreten sind, müssen sofort nach Entdecken gerügt<br />
werden (Art. 370 Abs. 3 OR).<br />
94 Bühler (FN 55), Art. 368 N 28; vgl. auch Huguenin (FN 4),<br />
N 637: Werkmangel als Differenz zum vereinbarten Leistungsprogramm.<br />
95 Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 77 und<br />
281; Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 367 OR N 3;<br />
Gauch (FN 85), N 919 und 1357; Bühler (FN 55), Vorbemerkungen<br />
zu Art. 367–371 N 2; Grob (FN 4), 192.<br />
96 Grob (FN 4), 178.<br />
97 Gauch (FN 85), N 1358.<br />
98 Zur Abgrenzung Schlechterfüllung vs. Aliud vgl. Gauch<br />
(FN 85), N 1443 ff.; sehr weitgehend BGE 4C.204/2002<br />
Erw. 5.1, wonach immer dann, wenn die Vertragsparteien das<br />
Vertragsobjekt detailliert defi nieren, das Fehlen eines Elementes<br />
dieser Defi nition zur Folge hat, dass dieses als aliud zu qualifi -<br />
zieren ist. Diese Auffassung ist u.E. abzulehnen, zumal das vertragliche<br />
Gewährleistungsrecht gerade im Anwendungsbereich<br />
von QS-Vereinbarungen, welche oft umfassende Produktspezifi -<br />
kationen enthalten, andernfalls weitgehend obsolet würde.<br />
Nach herrschender Lehre treten bei einer Aliudlieferung ausschliesslich<br />
die Rechtsfolgen der Nichterfüllung bzw. der nicht<br />
gehörigen Erfüllung nach Art. 97 ff OR ein und nicht diejenigen<br />
der Gewährleistung; vgl. Bühler (FN 55), Art. 368 N 35.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 260 10.3.2009 9:11:58 Uhr
8.2.4 Die einzelnen Mängelrechte<br />
Die einzelnen Mängelrechte des Bestellers ergeben sich aus<br />
Art. 368 OR. Es sind dies Nachbesserung, Wandelung, Minderung<br />
und Schadenersatz 99 .<br />
8.3 Auswirkungen von QS-Vereinbarungen<br />
auf die werkvertragliche Mängelhaftung<br />
8.3.1 Allgemeines<br />
Aufgrund des Werklieferungsvertrages verpfl ichtet sich der<br />
Zulieferer zur Produktion und Ablieferung eines näher spezifi<br />
zierten Werkes bzw. Produktes. Im Rahmen von QS-Vereinbarungen<br />
bzw. den zugehörigen Spezifi kationsvereinbarungen<br />
werden die einzelnen Qualitätsmerkmale, welchen<br />
das zu liefernde Produkt entsprechen soll, von den Parteien<br />
mehr oder weniger umfassend festgelegt (sog. Spezifi kationen,<br />
vgl. vorstehend Ziff. 4.2). Gleichzeitig wird der Zulieferer<br />
im Rahmen von QS-Vereinbarungen regelmässig zur<br />
Einrichtung und Aufrechterhaltung eines bestimmten QS-<br />
Systems verpfl ichtet, welches sich in aller Regel allein auf<br />
die Ausgestaltung des Fertigungs- und Qualitätsprüfungsverfahrens<br />
bezieht, um sicherzustellen, dass das zu liefernde<br />
Produkt letztlich tatsächlich den vereinbarten Qualitätsmerkmalen<br />
entspricht. Für die Behandlung der Auswirkungen von<br />
QS-Vereinbarungen auf das Gewährleistungsrecht sollten die<br />
produktbezogenen QS-Vereinbarungen (Spezifi kationen bzw.<br />
Qualitätsmerkmale des zu liefernden Produktes) einerseits<br />
und die verfahrensbezogenen QS-Vereinbarungen (einzelne<br />
QS-Massnahmen bzw. QS-System) andererseits grundsätzlich<br />
stets auseinander gehalten werden, da es jeweils um einen<br />
ihrer Natur nach grundsätzlich anderen Regelungsinhalt<br />
geht 100 . In der Praxis lässt sich die Grenze zwischen verfahrens-<br />
und produktbezogenen Vorgaben allerdings kaum je<br />
ganz klar ziehen 101 .<br />
Auch wenn der Abschluss von QS-Vereinbarungen zweifellos<br />
zu einer stärkeren Zusammenarbeit der Vertragspartner<br />
führt, als es dem klassischen Austausch- oder Werklieferungsvertrag<br />
entspricht, rechtfertigt eine entsprechende<br />
Vereinbarung, wie nachfolgende Ausführungen zeigen wer-<br />
99 Für weitergehende Ausführungen zu den werkvertraglichen<br />
Mängelrechten vgl. Gauch (FN 85), N 1352 ff.<br />
100 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 45 N 1 ff. Dabei<br />
ist im Einzelfall zu untersuchen, wie detailliert die Parteien die<br />
Anforderungen an das QS-System defi niert haben. Denkbar ist,<br />
dass die Parteien sich lediglich auf die Einführung und Aufrechterhaltung<br />
eines «geeigneten» QS-Systems geeinigt haben,<br />
auf ein genormtes QS-System (z.B. durch Bezugnahme auf den<br />
umfassende Regelungswert der DIN ISO 9000 bis 9004) oder<br />
aber die Parteien arbeiten gemeinsam ein detailliertes fallspezifi<br />
sches QS-System aus.<br />
101 Ausführlich Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44<br />
N 6 ff.<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
den, unseres Erachtens keine prinzipielle Verdrängung des<br />
klassischen Gewährleistungsrechts 102 . Indessen lässt der Abschluss<br />
von QS-Vereinbarungen das werkvertragliche Gewährleistungsrecht<br />
nicht gänzlich unberührt.<br />
Häufi g erfährt das Gewährleistungsrecht im Rahmen von<br />
QS-Vereinbarungen sodann eine umfassende Regelung,<br />
sei es, dass die dispositiven gesetzlichen Bestimmungen<br />
modifi ziert werden oder dass deren Anwendbarkeit gänzlich<br />
ausgeschlossen wird. So wird namentlich die Wareneingangskontrolle<br />
des Bestellers häufi g auf den Zulieferer<br />
vorverlagert (vgl. vorstehend Ziff. 4.6) 1<strong>03</strong> . Überdies wird<br />
der Zulieferer regelmässig versucht sein, seine Haftung für<br />
verbleibende Mängel im Rahmen von QS-Vereinbarungen<br />
soweit als möglich auszuschliessen (vorstehend Ziff. 3.4) 104 .<br />
Es versteht sich von selbst, dass entsprechende Individualabreden<br />
aufgrund des dispositiven Charakters der gesetzlichen<br />
Bestimmungen den nachfolgenden, allgemeinen Ausführungen<br />
vorgehen.<br />
8.3.2 Gewährleistungspfl icht trotz Einhaltung<br />
des vereinbarten QS-Systems?<br />
8.3.2.1 Grundsatz: Die Pfl icht zur Lieferung<br />
mängelfreier Produkte gilt unabhängig vom<br />
Vorliegen einer QS-Vereinbarung<br />
Die Kernfrage im Rahmen der Wechselwirkung zwischen<br />
QS-Vereinbarungen und werkvertraglichem Gewährleistungsrecht<br />
ist, ob dem Besteller auch dann Gewährleistungsansprüche<br />
offenstehen, wenn der Zulieferer sämtliche<br />
verfahrensbezogenen Vorgaben der QS-Vereinbarung eingehalten<br />
hat, die abgelieferte Ware aber dennoch einen Mangel<br />
aufweist und somit nicht den vereinbarten produktbezogenen<br />
Qualitätsmerkmalen entspricht, oder ob sich der Zulieferer<br />
diesfalls durch den Nachweis der Befolgung des vereinbarten<br />
QS-Systems von seiner vertraglichen Mängelhaftung befreien<br />
kann.<br />
Auf den ersten Blick könnte man dem Gedanken verfallen,<br />
dass die Festlegung der vom Zulieferer zu erbringenden<br />
QS-Massnahmen das Gewährleistungsrecht verdrängt, zumal<br />
der Besteller durch sein Einverständnis bzw. allenfalls<br />
seine eigenen Vorgaben hinsichtlich der anzuwendenden QS-<br />
Massnahmen implizit zu erkennen gibt, dass er das Auftreten<br />
fehlerhafter Teile unter Einhaltung des entsprechenden QS-<br />
Systems selbst nicht mehr für möglich hält. Daraus wieder-<br />
102 Ebenso Franke (FN 2), 68; Gauch (FN 85), N 2560 f.<br />
1<strong>03</strong> Grob (FN 4), 157; Zindel/Pulver (FN 51), Art. 367 N 29;<br />
Schmidt (FN 11), 148; ebenso Quittnat (FN 15), 572.<br />
104 Für arglistig verschwiegene Mängel ist eine vertragliche Beschränkung<br />
oder Aufhebung der Haftung nach h.L. generell unzulässig<br />
(Art. 199 OR); vgl. Huguenin (FN 4), N 634; Bühler<br />
(FN 55), Art. 368 N 249; a.M. Honsell, Schweizerisches<br />
Obligationenrecht (FN 4), 290 f.; vgl. auch Hess/Werk (FN 7),<br />
253 f.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 261 10.3.2009 9:11:58 Uhr<br />
261
262<br />
Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />
um könnte der Schluss gezogen werden, dass der Zulieferer<br />
für dennoch eintretende Mängel an der abgelieferten Ware<br />
nicht zu haften braucht, wenn er nachzuweisen vermag, dass<br />
er sich vollumfänglich an das vertraglich vereinbarte QS-<br />
System gehalten hat 105 .<br />
Eine solche pauschale Verdrängung des Gewährleistungsrechts<br />
durch die Vereinbarung eines QS-Systems oder einzelner<br />
QS-Massnahmen ist indessen abzulehnen. Vielmehr ist<br />
mit der überwiegenden Lehre vom Grundsatz auszugehen,<br />
dass die Pfl icht zur Lieferung mängelfreier Ware unabhängig<br />
davon besteht, ob zwischen den Parteien eine QS-Vereinbarung<br />
abgeschlossen wurde 106 . Andernfalls würde der<br />
Abschluss einer QS-Vereinbarung indirekt implizieren, dass<br />
die Fertigungsprozesse durch Einhaltung entsprechender<br />
QS-Massnahmen 100 %ig sicher gestaltet werden und folglich<br />
letztlich eine Nullfehlerquote erzielt werden könnte, was<br />
indessen nicht der Realität entspricht 107 .<br />
In aller Regel kann sich der Zulieferer deshalb nicht durch<br />
den Nachweis, dass er das vereinbarte QS-System eingehalten<br />
hat, von seiner Pfl icht zur Lieferung mängelfreier Ware<br />
entlasten 108 . Produktmängel, welche trotz des vereinbarten<br />
Qualitätssicherungssystems eintreten, unterliegen deshalb<br />
grundsätzlich weiterhin der Untersuchungs- und Rügepfl<br />
icht 109 .<br />
Anders lautende Vereinbarungen der Parteien bleiben<br />
selbstverständlich vorbehalten 110 .<br />
8.3.2.2 Ausnahme: Einschränkung der Gewährleistungspfl<br />
icht infolge Mitverantwortung<br />
des Bestellers<br />
8.3.2.2.1 Allgemeines<br />
Auch bei Geltung des soeben dargelegten Grundsatzes muss<br />
indessen berücksichtigt werden, dass die beim abgelieferten<br />
Produkt festgestellte Abweichung der Ist-Beschaffenheit<br />
von der Soll-Beschaffenheit auf unterschiedliche Ursachen<br />
zurückzuführen sein kann. Wie bereits dargelegt wurde (vgl.<br />
Ziff. 8.1 vorstehend), können sich die aufgetretenen Mängel<br />
105 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 265.<br />
106 Franke (FN 2), 68; ebenso Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 265 f., mit dem Hinweis, dass auch das<br />
Argument der doppelten Vergütung (für die Herstellung des<br />
Sachgutes einerseits und die Qualitätssicherungsleistung andererseits)<br />
gegen eine Beschränkung auf die Haftung für die Qualität<br />
des QS-Systems spricht.<br />
107 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 22.<br />
108 Gauch (FN 85), N 2560; Henninger (FN 6), 65.<br />
109 Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 820.<br />
110 So wäre beispielsweise eine Abrede, wonach der Zulieferer<br />
nicht verpfl ichtet ist, mängelfreie Ware zu liefern, sondern einzig,<br />
das vereinbarte QS-System zu befolgen, durchaus denkbar.<br />
Allein aufgrund des Umstandes, dass sich der Lieferant zur<br />
Durchführung einzelner QS-Massnahmen verpfl ichtet hat, darf<br />
indessen nicht auf eine solche (stillschweigende) Abrede geschlossen<br />
werden; vgl. Gauch (FN 85), N 2561.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
am gelieferten Produkt namentlich deshalb eingestellt haben,<br />
weil das vereinbarte QS-System von den Parteien unzureichend<br />
ausgestaltet wurde. Denkbar ist aber auch, dass<br />
die Mängel gerade durch die Einhaltung eines vom Besteller<br />
abverlangten QS-Systems bedingt sind 111 .<br />
Haben sich Mängel gerade deshalb eingestellt, weil der<br />
Zulieferer sich an gemeinsam vereinbarte oder allenfalls<br />
vom Besteller alleine aufgezwungene QS-Massnahmen<br />
gehalten hat, wäre es in der Regel stossend, wenn sich der<br />
Besteller bei Mängeln an der gelieferten Ware auf die Alleinverantwortlichkeit<br />
des Zulieferers berufen könnte 112 . Je<br />
weitreichender die Einwirkungsherrschaft des Bestellers ist,<br />
umso weitreichender muss nach dem Grundsatz der Parallelität<br />
von Herrschaft und Haftung deshalb auch seine Mitverantwortung<br />
für eingetretene Mängel sein 113 .<br />
8.3.2.2.2 Einschränkung der Gewährleistung<br />
infolge Anweisung<br />
Erteilt der Besteller im Rahmen der QS-Vereinbarung verbindlich<br />
Anweisungen, wie der Zulieferer das Werk in dieser<br />
oder jener Hinsicht auszuführen bzw. eine Ware herzustellen<br />
hat, so handelt es sich aus Sicht des Schweizer Rechts regelmässig<br />
um werkvertragliche Ausführungsanweisungen im<br />
Sinne von Art. 369 OR. Resultiert aus der Befolgung einer<br />
derartigen Weisung (z.B. über das anzuwendende Arbeitsverfahren,<br />
den zu verwendenden Werkstoff oder den Beizug<br />
eines bestimmten Subunternehmers) folglich ein Mangel, so<br />
kann der Zulieferer nach Massgabe des Art. 369 OR von seiner<br />
Gewährleistungspfl icht befreit sein.<br />
Es muss jedoch stets im Einzelfall geprüft werden, ob sich<br />
die Einfl ussnahme des Bestellers effektiv auf den eingetretenen<br />
Sachmangel ausgewirkt hat. Wird ein Sachmangel beispielsweise<br />
aufgrund des vom Besteller angeordneten Sicherungskonzepts<br />
lediglich nicht frühzeitig aufgedeckt, so hat<br />
dies nicht ohne weiteres einen Verlust der Gewährleistungsansprüche<br />
zur Folge, da zwischen der Anweisung des Bestellers<br />
und der Mangelentstehung kein Kausalzusammenhang<br />
besteht114 .<br />
Damit sich der Zulieferer entlasten kann, wird zudem vorausgesetzt,<br />
dass dieser den Besteller rechzeitig abgemahnt<br />
und unmissverständlich darauf hingewiesen hat, dass die erteilte<br />
Weisung seines Erachtens zu einem Werkmangel führen<br />
könnte und er die Verantwortung für die entsprechende<br />
Ausführung ablehne115 .<br />
Nur ausnahmsweise, wenn die Weisung des Bestellers<br />
sachverständig erteilt wurde und der Zulieferer deren Fehler-<br />
111 Vgl. auch Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 21), 820 f.<br />
112 Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 820;<br />
Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 25.<br />
113 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 267; vgl.<br />
auch Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 45.<br />
114 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 280.<br />
115 Zindel/Pulver (FN 51), Art. 369 N 9.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 262 10.3.2009 9:11:58 Uhr
haftigkeit weder erkannt hat noch hat erkennen müssen, kann<br />
letzterer auch ohne Abmahnung von der Sachgewährleistung<br />
befreit sein. Als sachverständig gilt eine Weisung, wenn der<br />
Besteller oder sein Berater über jene fachlichen Kenntnisse<br />
verfügen, die es ihnen gestatten, die erteilten Weisungen auf<br />
ihre Richtigkeit hin zu durchschauen und ihre Fehlerhaftigkeit<br />
zu erkennen 116 . Indessen muss der Zulieferer den Besteller<br />
auch im Falle einer sachverständig erteilten Weisung<br />
unverzüglich abmahnen, nachdem er deren Fehlerhaftigkeit<br />
erkannt hat oder hätte erkennen müssen 117 .<br />
Schliesslich setzt ein haftungsausschliessendes Selbstverschulden<br />
des Bestellers im Sinne von Art. 369 OR nach h.L.<br />
voraus, dass die Verursachung des Mangels ausschliesslich<br />
dem Besteller zuzurechnen ist 118 . An dieser Voraussetzung<br />
fehlt es, wenn daneben auch Ursachen aus der Pfl icht- und<br />
Risikosphäre des Unternehmers zur Entstehung des Mangels<br />
beigetragen haben 119 . Im Rahmen einvernehmlich festgelegter<br />
QS-Massnahmen trägt der Zulieferer in aller Regel<br />
ebenfalls zur Entstehung des Mangels bei und er dürfte sich<br />
deshalb kaum je gänzlich von der Gewährleistungspfl icht<br />
befreien können. Durch die analoge Anwendung von Art. 99<br />
Abs. 3 OR i.V.m. Art. 44 Abs. 1 OR kann der Zulieferer aber<br />
immerhin teilweise entlastet werden, soweit den Besteller<br />
ebenfalls ein gewisses Selbstverschulden trifft 120 .<br />
8.3.2.2.3 Einschränkung der Gewährleistung<br />
infolge Datentransparenz<br />
Neben der Weisungsbefugnis des Bestellers führt namentlich<br />
auch die im Rahmen von QS-Vereinbarungen erhöhte<br />
Datentransparenz (siehe auch vorstehend Ziff. 4.4) häufi g zu<br />
einer Mitverantwortung des Bestellers. Durch den erhöhten<br />
Informationsaustausch zwischen den Parteien befi ndet sich<br />
der Besteller regelmässig in einer im Vergleich zur gesetzlichen<br />
Regelung verbesserten Informationslage: Während er<br />
im Normalfall erst nach Ablieferung des Werkes eine Prüfung<br />
desselben vornehmen kann, erlauben es ihm die vereinbarten<br />
Informationsrechte, Mängel früher und leichter festzustellen121<br />
. Jede vorwerfbar nicht ausreichend verwertete<br />
Information (z.B. auch Erkenntnisse, die im Rahmen einer<br />
Auditierung erlangt werden oder hätten erlangt werden können),<br />
welche objektiv erkennbar auf Mängel im QS-System<br />
oder auf drohende bzw. bereits realisierte Qualitätsmängel<br />
hinweist, führt letztlich zu einer Mitverantwortung des Bestellers<br />
infolge Untätigkeit und entlastet im Ergebnis den Zulieferer<br />
von seiner alleinigen Haftung122 .<br />
116 Zindel/Pulver (FN 51), Art. 369 N 14.<br />
117 Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 369 OR N 5.<br />
118 Zindel/Pulver (FN 51), Art. 369 N 3.<br />
119 Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 369 OR N 7.<br />
120 Huguenin (FN 4), N 634; Hürlimann/Siegenthaler (FN 4),<br />
Art. 369 OR N 7.<br />
121 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 47.<br />
122 Parallelität von Informationsherrschaft und Haftung; vgl. auch<br />
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 268; sie-<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Insbesondere wird durch die dem Besteller eingeräumten<br />
Informationsrechte auch die Grenze zwischen erkennbaren<br />
und verborgenen Mängeln verschoben: Mängel, die aufgrund<br />
herkömmlicher Prüfung kaum feststellbar sind, können<br />
allenfalls aufgrund der dem Abnehmer verfügbaren Information<br />
erkennbar werden 123 .<br />
Daraus folgt, dass der Abnehmer dem Zulieferer ausnahmsweise<br />
124 noch vor der Ablieferung der Ware Mängel<br />
anzuzeigen hat, die er beispielsweise aufgrund eines durchgeführten<br />
Audits oder aufgrund von Prüfberichten des Zulieferers<br />
festgestellt hat oder hätte feststellen können. Andernfalls<br />
verliert er seine Mängelrechte 125 .<br />
8.3.3 Mängelhaftung infolge Nichteinhaltung<br />
des vereinbarten QS-Systems?<br />
8.3.3.1 Allgemeines<br />
Nachdem vorstehend untersucht wurde, inwieweit der Zulieferer<br />
trotz Einhaltung des vereinbarten QS-Systems für<br />
die Mängelfreiheit seiner Produkte Gewähr zu leisten hat<br />
(vgl. vorstehend Ziff. 8.3.2), soll nachfolgend geprüft werden,<br />
welche Auswirkungen die Nichteinhaltung des vereinbarten<br />
QS-Systems auf die Gewährleistungspfl ichten des<br />
Zulieferers haben.<br />
In diesem Zusammenhang sind wiederum verschiedene<br />
Fallkonstellationen denkbar. Einerseits ist es möglich, dass<br />
das vereinbarte QS-System nicht eingehalten wurde und das<br />
vom Zulieferer abgelieferte Produkt darüber hinaus auch<br />
nicht den in der QS-Vereinbarung festgelegten Qualitätsanforderungen<br />
bezüglich Güte und Beschaffenheit entspricht<br />
(produktbezogene QS-Vereinbarungen, vgl. vorstehend<br />
Ziff. 8.3.1). Solche in den technischen Spezifi kationen festgelegten<br />
Eigenschaftsmerkmale fl iessen zweifellos in die<br />
Defi nition dessen ein, was nach dem Willen der Vertragsparteien<br />
als «mangelfreie Ware» anzusehen ist («Soll-Beschaffenheit»)<br />
126 . Fehlen entsprechende produktbezogene<br />
Qualitätsmerkmale am gelieferten Produkt, liegt folglich<br />
ein mangelhaftes Produkt vor. Hinsichtlich der Gewährleistungspfl<br />
ichten des Zulieferers kann nichts anderes gelten als<br />
he auch 278; Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44<br />
N 42 ff.; vgl. auch Peter Gauch, Garantie pour les défauts –<br />
Application par analogie de CO 200?, in: BR 1992, 96, der sich<br />
für eine analoge Anwendung von Art. 200 OR nach teleologischen<br />
Kriterien ausspricht.<br />
123 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 47; Ders.,<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 297.<br />
124 Im Grundsatz besteht vor der Ablieferung des beendeten<br />
Werkes für den Besteller weder eine Prüfungs- noch eine Anzeigepfl<br />
icht; vgl. Roman Bögli, Der Übergang von der Leistungspfl<br />
icht zur Mängelhaftung beim Werkvertrag – Zeitpunkt<br />
und Voraussetzungen, Diss., St. Gallen 1996, N 140; Zindel/<br />
Pulver (FN 51), Art. 367 N 5; BGE 4C.190/20<strong>03</strong>, E. 5.2.<br />
125 Überzeugend Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 297 ff.; Grob (FN 4), 158.<br />
126 Franke (FN 2), 69.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 263 10.3.2009 9:11:59 Uhr<br />
263
264<br />
Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />
bei Mängeln, die sich trotz Einhaltung des vereinbarten QS-<br />
Systems eingestellt haben. Der Zulieferer hat vorbehaltlich<br />
eines Mitverschuldens des Bestellers deshalb vollumfänglich<br />
für die eingetretenen Mängel einzustehen; es kann insoweit<br />
auf die voranstehenden Ausführungen verwiesen werden<br />
(vgl. Ziff. 8.3.2). Vorbehalten bleiben sodann allfällige Schadenersatzansprüche<br />
infolge Nichteinhaltung des QS-Systems<br />
(vgl. sogleich).<br />
Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob der Besteller<br />
auch dann in den Genuss der Gewährleistungsrechte<br />
kommen soll, wenn er zwar ein einwandfreies Produkt erhält,<br />
mithin also die produktbezogenen Bestimmungen der<br />
QS-Vereinbarung eingehalten wurden, das vom Zulieferer<br />
im Rahmen des Herstellungsprozesses gemäss QS-Vereinbarung<br />
einzuhaltende QS-System (verfahrensbezogene QS-<br />
Vereinbarung, vgl. Ziff. 8.3.1 vorstehend) aber mangelhaft<br />
umgesetzt wird 127 . Dies kann beispielsweise dann zutreffen,<br />
wenn sich aus den abzuliefernden Dokumentationen ergibt,<br />
dass bestimmte Testverfahren nicht im vereinbarten Rahmen<br />
durchgeführt wurden (es fanden z.B. nur 10 anstatt wie<br />
vereinbart 50 Testläufe zur Überprüfung der Widerstandsfähigkeit<br />
eines Produktes statt), das abgelieferte Produkt aber<br />
dennoch die vereinbarte Widerstandsfähigkeit aufweist.<br />
Ob und in welchem Umfang den Zulieferer diesfalls eine<br />
Gewährleistungspfl icht trifft, muss je nach Inhalt der konkreten<br />
QS-Vereinbarung gesondert bestimmt werden und<br />
hängt insbesondere davon ab, wie die entsprechende QS-Vereinbarung<br />
im Einzelfall rechtlich zu qualifi zieren ist 128 . Wie<br />
im Folgenden dargelegt wird, sind verschiedene Lösungsansätze<br />
denkbar.<br />
8.3.3.2 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen<br />
als vereinbarte oder vorausgesetzte<br />
Eigenschaften<br />
Wie bereits dargelegt wurde (vgl. Ziff. 8.2.2), ist gemeinhin<br />
anerkannt, dass nicht nur die physische und technische Beschaffenheit<br />
des zu liefernden Produkts als relevante Eigenschaft<br />
von den Parteien vereinbart oder vorausgesetzt sein<br />
kann, sondern auch innere Eigenschaften129 .<br />
In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, ob<br />
neben den im Rahmen von Spezifi kationen festgelegten<br />
Produktanforderungen130 auch verfahrensbezogene Bestimmungen<br />
von QS-Vereinbarungen über unmittelbar fertigungsbezogene<br />
Vorgänge (Fertigungs-, Ablauforganisation<br />
und -planung), über Qualitätskontrollmechanismen (z.B.<br />
127 Ausführlich hierzu Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55),<br />
§ 44 N 18 ff.<br />
128 Ausführlich hierzu Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55),<br />
§ 44 N 18 ff.<br />
129 Grob (FN 4), 178.<br />
130 Die in Spezifi kationen festgelegten Eigenschaftsmerkmale<br />
fl iessen ohne weiteres in die Defi nition dessen ein, was nach<br />
dem Willen der Vertragsparteien als «mangelfreie Ware» anzusehen<br />
ist; vgl. auch Ziff. 4.2).<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Prüfplanerstellung, Warenausgangskontrollen etc.) oder über<br />
den der Fertigung nachgelagerten Bereich (so z.B. im Zusammenhang<br />
mit der Art der Verpackung und der Lagerung,<br />
der Kennzeichnung der fertigen Lieferteile, Modalitäten der<br />
Anlieferung) Eigenschaften im Sinne von Art. 368 OR darstellen<br />
können 131 .<br />
Grundsätzlich ist es durchaus denkbar, dass auch der<br />
Umstand, wonach eine Sache unter Anwendung bestimmter<br />
QS-Massnahmen hergestellt werden soll, nach dem Willen<br />
der Parteien derart mit der Sache verknüpft wird, dass<br />
er zur Eigenschaft der Sache wird. Ob die QS-Massnahmen<br />
im Einzelfall auch tatsächlich vorausgesetzt werden durften<br />
bzw. zugesichert wurden, ist aufgrund des Vertrages und der<br />
konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden 132 . Namentlich<br />
wenn aus den Umständen des Vertragsschlusses für<br />
den Zulieferer klar erkennbar ist, dass die Einhaltung eines<br />
bestimmten QS-Systems aufgrund der individuellen Interessen<br />
des Bestellers einen massgebenden Einfl uss auf den Wert<br />
oder die Gebrauchstauglichkeit der Lieferung hat, insbesondere<br />
etwa weil er das Produkt unter Hinweis auf die QS-<br />
Massnahmen weiterverkaufen will, so muss die Anwendung<br />
der entsprechenden QS-Massnahmen als vorausgesetzte oder<br />
vereinbarte Eigenschaft gelten 133 .<br />
Die Parteien sind jedoch gut beraten, die Nichteinhaltung<br />
sämtlicher QS-Massnahmen ausdrücklich als Mangel im<br />
Sinne des Gewährleistungsrechts zu defi nieren und auf diese<br />
Weise das gesamte Qualitätsmanagement durch Vereinbarung<br />
der Mängelhaftung zu unterstellen, falls dies ihrem<br />
Willen entspricht 134 .<br />
Die blosse Bezugnahme im Vertrag der Parteien auf von<br />
der Industrie aufgestellte allgemeine Qualitätssicherungsnormen<br />
(z.B. ISO-Normen) berechtigt nach nicht unumstrittener<br />
Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes –<br />
sofern keine besonderen Umstände dazukommen – indessen<br />
regelmässig nicht zur Annahme, der Zulieferer wolle für die<br />
Einhaltung dieser Normen im Sinne einer Zusicherung oder<br />
Eigenschaftsvereinbarung nach den Bestimmungen des Gewährleistungsrechts<br />
einstehen 135 .<br />
8.3.3.3 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als<br />
vertragliche Haupt- oder Nebenpfl ichten<br />
Fehlt es an einer ausdrücklichen Vereinbarung und ist für den<br />
Zulieferer auch aus den Umständen des Vertragsschlusses<br />
131 Grob (FN 4), 176; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
(FN 10), 199 f.<br />
132 Grob (FN 4), 181.<br />
133 Grob (FN 4), 183; Siegenthaler (FN 92), 54.<br />
134 Beispiel nach Siegenthaler (FN 92), 54: «Diese Qualitätssicherungsvereinbarung<br />
ist Bestandteil der gültigen und vom<br />
Lieferer bestätigten Prüf- und Lieferspezifi kationen».<br />
135 Kritiker wollen die Bezugnahme auf allgemeine technische<br />
Normen für eine schlüssige Eigenschaftszusicherung bereits<br />
genügen lassen; vgl. Birgit Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
und Produkthaftung, Diss., München 1994, 84 f.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 264 10.3.2009 9:11:59 Uhr
nicht klar erkennbar, dass die Einhaltung der QS-Massnahmen<br />
als vorausgesetzte Eigenschaft gelten soll, stellt die<br />
Einhaltung der entsprechenden Massnahmen unseres Erachtens<br />
in aller Regel lediglich eine vertragliche Pfl icht dar, für<br />
deren Erfüllung der Zulieferer nach Art. 97 OR einzustehen<br />
hat. Ob es sich dabei um eine Haupt- oder eine blosse selbstständige<br />
Nebenpfl icht handelt, ist aufgrund der Umstände<br />
des Einzelfalles zu entscheiden. Eine Hauptpfl icht dürfte namentlich<br />
dann vorliegen, wenn die Pfl icht zur Errichtung und<br />
Aufrechterhaltung eines QS-Systems unabhängig von einem<br />
konkreten Liefergeschäft besteht. Die Frage ist aber insofern<br />
von untergeordneter Bedeutung, als sich die Haftung in beiden<br />
Fällen nach Art. 97 OR richtet.<br />
Die Verletzung der entsprechenden Massnahmen führt<br />
diesfalls nicht zu einem Werkmangel am Produkt im vorne<br />
dargelegten Sinne und lässt die Bestimmungen über die<br />
Mängelhaftung unberührt. Dem Besteller stehen folglich regelmässig<br />
keine Gewährleistungsansprüche offen – zumindest<br />
soweit die Ware im Übrigen den vertraglich getroffenen<br />
Vereinbarungen entspricht – und der Zulieferer haftet nur,<br />
wenn ihn ein Verschulden trifft 136 und ein Schaden eingetreten<br />
ist 137 .<br />
Soweit das vereinbarte QS-System indessen auch werkvertragliche<br />
Elemente enthält, wie beispielsweise eine Pfl icht<br />
zur Dokumentation der vorgenommenen Massnahmen, ist<br />
eine selbständige werkvertragliche Gewährleistungspfl icht<br />
gestützt auf die QS-Vereinbarung ausnahmsweise denkbar,<br />
so dass für den Besteller folglich zwei Anspruchssysteme<br />
gleichzeitig nebeneinander bestehen: Ansprüche aus der QS-<br />
Vereinbarung einerseits und Ansprüche aus dem Werklieferungsvertrag<br />
andererseits (differenziertes Gewährleistungssystem),<br />
wobei selbständige Gewährleistungsansprüche aus<br />
der QS-Vereinbarung namentlich in den Fällen interessant<br />
sind, in denen rein verfahrensbezogene Verhaltenspfl ichten<br />
der QS-Vereinbarung verletzt werden, ohne dass sich diese<br />
unmittelbar in Gestalt eines Produktemangels auswirken 138 .<br />
8.4 Ersatz des Mangelfolgeschadens<br />
Gesondert muss schliesslich die Frage untersucht werden, ob<br />
auch für Mangelfolgeschäden – also für Schäden, die nicht<br />
im Mangel selbst gründen, aber auf das mangelhafte Produkt<br />
zurückzuführen sind 139 – gehaftet wird. Sowohl Art. 208<br />
136 Franke (FN 2), 68; ebenso Sina (FN 11), 332 f.<br />
137 Zur Verstärkung der Pfl icht zur Einhaltung von QS-Massnahmen<br />
kann es sich daher aufdrängen, schadensunabhängige Konventionalstrafen<br />
für deren Nichteinhaltung zu vereinbaren.<br />
138 Ausführlich hierzu Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55),<br />
§ 44 N 18 ff.<br />
139 Auf eine detaillierte Darlegung des Lehrmeinungsstreites hinsichtlich<br />
der Frage, welche Schäden nach schweizerischer<br />
Rechtsauffassung als Mangelschäden und welche als Mangelfolgeschäden<br />
qualifi ziert werden müssen, wird vorliegend<br />
Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Abs. 3 OR als auch Art. 368 Abs. 1 OR setzen für eine entsprechende<br />
Haftung ein Verschulden des Zulieferers für die<br />
Mangelhaftigkeit des Werkes und damit ein pfl ichtwidriges<br />
Verhalten voraus.<br />
Wurde ein vereinbartes QS-System vom Zulieferer nicht<br />
eingehalten, dürfte dem Zulieferer eine Exkulpation in der<br />
Regel schwer fallen 140 . Demgegenüber lässt umgekehrt die<br />
Einhaltung des massgebenden QS-Systems die Vermutung<br />
entstehen, dass der Zulieferer seiner Sorgfaltspfl icht nachgekommen<br />
ist und ihm somit kein Verschulden vorgeworfen<br />
werden kann. Dem Besteller steht es jedoch offen, nachzuweisen,<br />
dass der Zulieferer trotz Einhaltung der Qualitätssicherungsvereinbarung<br />
seine Sorgfaltspfl ichten verletzt und<br />
er folglich ein Recht auf Ersatz des Mangelfolgeschadens<br />
hat 141 .<br />
9. Zusammenfassende Bemerkungen<br />
QS-Vereinbarungen werden in der Regel zwischen aufeinanderfolgenden<br />
Gliedern einer Wertschöpfungskette<br />
geschlossen, insbesondere im Rahmen industrieller Lieferbeziehungen.<br />
Sie verpfl ichten den Zulieferer zur Ergreifung<br />
gezielter Massnahmen zur Qualitätssicherung und<br />
bezwecken primär, Qualitätsabweichungen des bestellten<br />
Produktes von den vertraglich geschuldeten Eigenschaften<br />
möglichst zu vermeiden oder wenigstens deren frühzeitige<br />
Erkennbarkeit sicherzustellen.<br />
Die Einhaltung vereinbarter verfahrensbezogener QS-<br />
Massnahmen bzw. des vereinbarten QS-Systems führt indessen<br />
grundsätzlich nicht zu einer Verdrängung des Gewährleistungsrechts,<br />
falls am gelieferten Endprodukt trotzdem<br />
Mängel auftreten (Nichteinhaltung von produktbezogenen<br />
QS-Vereinbarungen). Allerdings kann der Abschluss einer<br />
QS-Vereinbarung zu gewissen Modifi kationen des<br />
gesetzlichen Gewährleistungsrechts führen, sei es durch<br />
Abänderung dispositiver gesetzlicher Gewährleistungsbestimmungen,<br />
sei es zufolge typischer Mitverantwortung des<br />
Bestellers.<br />
Daneben ist es denkbar, dass der Zulieferer ein grundsätzlich<br />
mangelfreies Endprodukt abliefert, gleichzeitig aber<br />
das vereinbarte QS-System bzw. die verfahrensbezogenen<br />
QS-Vereinbarungen, nicht eingehalten hat. Ob der Besteller<br />
auch in solchen Fällen Gewährleistungsansprüche geltend<br />
machen kann, hängt primär davon ab, ob die Einhaltung der<br />
QS-Massnahmen gestützt auf die konkreten Umstände des<br />
Einzelfalles als vereinbarte oder vorausgesetzte Eigenschaft<br />
des zu liefernden Produktes qualifi ziert werden kann.<br />
verzichtet. Es sei hierzu auf die Ausführungen in Honsell,<br />
Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 104 ff. verwiesen.<br />
140 Grob (FN 4), 194.<br />
141 Henninger (FN 6), 65; Moser (FN 9), 191 f.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 265 10.3.2009 9:11:59 Uhr<br />
265
266<br />
Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />
Um möglichen Unklarheiten und Missverständnissen vorzubeugen,<br />
empfi ehlt es sich im Ergebnis, die Bedeutung der<br />
vereinbarten qualitätssichernden Massnahmen hinsichtlich<br />
der Gewährleistungsansprüche vertraglich eindeutig zu regeln.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Les conventions d’assurance qualité jouent aujourd’hui un rôle<br />
important dans le cadre des relations de livraison industrielles.<br />
Par de telles conventions, le fournisseur s’engage en premier<br />
lieu à prendre des mesures destinées à assurer la qualité. Celles-ci<br />
permettent d’écarter autant que possible des pertes de<br />
qualité sur le produit commandé et donc d’éviter, ou au moins<br />
reconnaître à temps, des écarts par rapport aux qualités dues<br />
par contrat. Outre le problème de la qualifi cation juridique des<br />
conventions d’assurance qualité, la question de l’interaction<br />
avec la garantie légale en raison des défauts en particulier se<br />
pose quelle est la situation juridique si le produit livré présente<br />
des défauts malgré le respect des mesures d’assurance qualité<br />
convenues? Comment apprécier la responsabilité, si les<br />
mesures d’assurance qualité n’ont pas été respectées, mais<br />
qu’aucun défaut ne survient? Il faut de manière générale partir<br />
du principe que les conventions d’assurance qualité ne supplantent<br />
pas la garantie légale pour les défauts. Mais chaque<br />
cas particulier pourra appeler une solution différente.<br />
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 266 10.3.2009 9:12:00 Uhr
Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber<br />
ROLAND MÜLLER<br />
Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt,<br />
Staad/SG<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Retentionsrecht des Arbeitnehmers –<br />
Konsequenzen für den Arbeitgeber<br />
STEFAN RIEDER<br />
M.A. HSG, St.Gallen<br />
Inhaltsübersicht<br />
A. Einleitung<br />
I. Gesetzliche Regelung aber fehlende Spezialliteratur<br />
II. Vielfältige Retentionsprobleme<br />
1. Übersicht über die Retentionsprobleme<br />
2. Unberechtigte Retention<br />
3. Unberechtigte Nutzung des Retentionsobjektes<br />
4. Untergang oder Beschädigung des Retentionsobjektes<br />
5. Die Haftung des retinierenden Arbeitnehmers<br />
B. Rechtsgrundlagen des Retentionsrechts<br />
I. Voraussetzungen des Retentionsrechts<br />
II. Unselbständiger Besitzer oder Besitzdiener<br />
C. Retentionsprobleme in der Praxis<br />
I. Retention eines Geschäftswagens als Beispiel<br />
1. Ausgangslage des konkreten Falles<br />
2. Gerichtliche Hinterlegung einer hinreichenden Sicherheit<br />
3. Fortsetzung der Retention trotz Hinterlegung einer<br />
Sicherheit<br />
4. Urteil und Rückgabe des Fahrzeuges ohne strafrechtliche<br />
Folgen<br />
II. Erkenntnisse aus dem konkreten Fall<br />
III. Verwertung eines retinierten, geleasten Geschäftswagen<br />
D. Zusammenfassung und Empfehlungen<br />
A. Einleitung<br />
I. Gesetzliche Regelung aber fehlende<br />
Spezialliteratur<br />
In vielen Unternehmen werden Arbeitnehmern fi rmeneigene<br />
Muster, Geräte oder Fahrzeuge im Zusammenhang mit dem<br />
Arbeitsvertrag überlassen. Es erstaunt nicht, dass es in der<br />
Praxis oft zu Auseinandersetzungen über die Rückgabe solcher<br />
Gegenstände kommt, wie es zahlreiche kantonale und<br />
eidgenössische Gerichtsurteile belegen. 1<br />
Die Rechtslage scheint auf den ersten Blick klar: Gemäss<br />
Art. 339 Abs. 1 OR werden mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.<br />
Dann hat jede Vertragspartei der anderen alles herauszugeben,<br />
was sie für die Dauer des Arbeitsverhältnisses von ihr<br />
oder Dritten für deren Rechnung erhalten hat. 2 Explizit sieht<br />
Art. 339a Abs. 2 OR die Rückgabepfl icht von Fahrzeugen<br />
und Fahrausweisen vor, soweit sie die Forderungen des Arbeitnehmers<br />
übersteigen. Jedoch bleiben allfällige Retentionsrechte<br />
der Vertragsparteien gemäss Art. 339a Abs. 3<br />
OR ausdrücklich vorbehalten. Diese ausführliche gesetzliche<br />
Regelung dürfte wohl der Hauptgrund dafür sein, dass<br />
es zum Thema «Retentionsrecht des Arbeitnehmers» keine<br />
Spezialliteratur gibt und zur Beantwortung von allfälligen<br />
Fragen auf die zahlreiche Literatur zum Retentionsrecht im<br />
Allgemeinen zurückgegriffen werden muss.<br />
II. Vielfältige Retentionsprobleme<br />
1. Übersicht über die Retentionsprobleme<br />
In der Praxis kann das Retentionsrecht des Arbeitnehmers<br />
trotz der anscheinend klaren gesetzlichen Regelung zu vielerlei<br />
Problemen führen, die für den Arbeitgeber erhebliche<br />
Konsequenzen haben können. Dabei geht es hauptsächlich<br />
um die Frage, ob die Voraussetzungen eines Retentionsrechts<br />
gegeben sind und der zurückbehaltene Gegenstand überhaupt<br />
für eine Retention geeignet ist. Für den Arbeitgeber ist allerdings<br />
die Rechtsfrage, ob der Gegenstand rechtmässig oder<br />
unberechtigt retiniert wurde, sekundär. Ihm entstehen durch<br />
die Retention i.d.R. erhebliche Zusatzkosten, da der retinierte<br />
Gegenstand nicht mehr zur Verfügung steht. Allenfalls<br />
muss ein Ersatz beschafft werden, bis die Retention auf dem<br />
aufwändigen gerichtlichen Weg rückgängig gemacht werden<br />
kann. Im Überblick können folgende Retentionsprobleme<br />
unterschieden werden:<br />
1 Z.B. ArbGer. ZH 28.2.20<strong>03</strong>, in: JAR 2004, 591–594; ArbGer.<br />
ZH 27.1.1995, in: ZR 97 (1998) Nr. 81, S. 193–195; App. BE<br />
19.9.1962, in: ZBJV 1964, 127–130; KG ZG 30.12.1988, in:<br />
JAR 1989, 239–242; OGer. SO 3.6.1988, in: SJZ 1990, 287 f.;<br />
OGer. ZH 1.2.1996, in: JAR 1998, 256–261; BGE 4P.83/20<strong>03</strong>;<br />
BGE 67 II 20.<br />
2 Art. 339a OR.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 267 10.3.2009 9:12:00 Uhr<br />
267
268<br />
Abbildung 1: Darstellung der Retentionsprobleme<br />
Unberechtigte<br />
Retention<br />
– ZGB 927<br />
– StGB 141<br />
Retention während dem<br />
Arbeitsverhältnis<br />
Unberechtigte<br />
Nutzung<br />
– SVG 94<br />
Ziff. 2<br />
2. Unberechtigte Retention<br />
Roland Müller/Stefan Rieder<br />
Untergang<br />
oder Beschädigung<br />
– OR 321e<br />
– ZGB 890<br />
– StGB 144<br />
– StGB 172 ter<br />
Sowohl während als auch nach dem Arbeitsverhältnis kann<br />
sich ergeben, dass der Arbeitnehmer nicht Besitzer sondern<br />
blosser Besitzdiener 3 des Retentionsobjektes ist, weshalb er<br />
zur Retention gar nicht berechtigt ist. 4 Dieses Problem dürfte<br />
wohl häufi g vorkommen, zumal sich der Arbeitnehmer nicht<br />
für die Unterscheidung zwischen unselbständigem Besitzer<br />
und Besitzdiener interessiert. Er geht davon aus, dass er den<br />
Gegenstand «besitzt». Daher wird der Arbeitnehmer, der<br />
eine offene Forderung gegenüber seinem Arbeitgeber hat<br />
und zeitgleich «im Besitz» eines entsprechenden Wertgegenstandes<br />
ist, diesen ohne weiteres retinieren.<br />
Eine unberechtigte Retention kann aber beispielsweise<br />
auch dann entstehen, wenn zuerst eine berechtigte Retention<br />
vorliegt und als Abwehrmittel dagegen eine hinreichende Sicherheitsleistung<br />
gerichtlich hinterlegt wurde, der retinierte<br />
Gegenstand im Anschluss daran aber nicht zurückgegeben<br />
wird.<br />
3 Der Besitzdiener ist nicht Besitzer, denn in Bezug auf die Sache<br />
hat er kein Recht gegen den Besitzer (Emil Stark, Berner<br />
Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 3. A., Bern 2001,<br />
N 34 zu Art. 919 ZGB).<br />
4 Beim Arbeitsvertrag kommt es für die Abgrenzung zum Besitzer<br />
darauf an, wie selbständig die Stellung des Arbeitnehmers<br />
gegenüber dem Arbeitgeber und Dritten ist (Paul Eitel/Ruth<br />
Arnet, Handkommentar zum Schweizerischen Privatrecht,<br />
Zürich 2007, N 3 zu Art. 919 ZGB).<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Retentionsprobleme<br />
Unberechtigte<br />
Retention<br />
– ZGB 927<br />
– StGB 141<br />
Retention nach dem<br />
Arbeitsverhältnis<br />
Unberechtigte<br />
Nutzung<br />
– SVG 94<br />
Ziff. 2<br />
Untergang<br />
oder Beschädigung<br />
– OR 321e<br />
– ZGB 890<br />
– StGB 144<br />
– StGB 172 ter<br />
Dieser Problematik kann mittels zivilrechtlichen und<br />
strafrechtlichen Lösungsansätzen begegnet werden. Zivilrechtlich<br />
steht die Klage aus Besitzentziehung nach Art. 927<br />
ZGB zur Verfügung und nach Art. 141 StGB kann eine Strafklage<br />
wegen Sachentziehung Abhilfe schaffen.<br />
Verweigert der Arbeitnehmer die Rückgabe von Vermögenswerten<br />
an den Arbeitgeber, die er für die Dauer des<br />
Arbeitsverhältnisses erhalten hat, und ist die Retention von<br />
Beginn an unberechtigt, richtet sich die Haftung für allfällige<br />
daraus resultierende Schäden 5 nach Art. 321e OR. Dabei ist<br />
zu bedenken, dass bei einer Haftung nach Art. 321e OR ihre<br />
Höhe von den Gerichten je nach Grad der Fahrlässigkeit auf<br />
ein, zwei oder drei Monatslöhne begrenzt und nur bei Vorsatz<br />
darüber hinausgegangen wird. 6<br />
3. Unberechtigte Nutzung des<br />
Retentionsobjektes<br />
Das Retentionsrecht umfasst grundsätzlich zwei Rechte:<br />
ein Zurückbehaltungsrecht und ein Verwertungsrecht. Sein<br />
Zweck ist, dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber<br />
zur Sicherung seiner Retentionsforderung ein Druckmittel<br />
zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitnehmer ist im Rahmen<br />
der Retention berechtigt, das Retentionsobjekt bis zur Begleichung<br />
der Forderung zurückzubehalten, nicht aber es<br />
5 Beispielsweise die Kosten für einen Ersatzgeschäftswagen.<br />
6 Vgl. Roland Müller, Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung<br />
des Arbeitnehmers, ArbR 2006, 38 f.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 268 10.3.2009 9:12:00 Uhr
Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber<br />
zu nutzen. Damit ihm dies auch klar ist, sollte der Arbeitgeber<br />
nach Bekanntwerden der Retention unverzüglich und<br />
ausdrücklich ein Benützungsverbot aussprechen und ihn<br />
gleichzeitig auf die Verpfl ichtung zur angemessenen Nutzungsentschädigung<br />
hinweisen. Wenn der Arbeitnehmer den<br />
retinierten Gegenstand trotzdem nutzt, kann je nach Art des<br />
Retentionsobjektes gegen ihn vorgegangen werden. Wird<br />
beispielsweise ein Geschäftswagen retiniert und auch weiterhin<br />
benutzt, kann Art. 94 Ziff. 2 SVG als praktische Waffe<br />
für den Arbeitgeber herangezogen werden. 7 Nach dieser Bestimmung<br />
wird auf Antrag mit Haft oder Busse bestraft, wer<br />
ein ihm anvertrautes Motorfahrzeug zu Fahrten verwendet,<br />
zu denen er offensichtlich nicht ermächtigt ist.<br />
Grundsätzlich kann eine angemessene Nutzungsentschädigung<br />
auf zwei verschiedenen Haftungsgrundlagen geltend<br />
gemacht werden: aufgrund von Art. 321e OR, der eine Haftung<br />
des retinierenden Arbeitnehmers für die Wertverminderung<br />
des Retentionsgegenstandes statuiert, andererseits kann<br />
der Arbeitnehmer hierfür auch nach Art. 890 Abs. 1 ZGB<br />
zur Verantwortung gezogen werden. Der Arbeitnehmer haftet<br />
als Retentionsgläubiger für eine Wertverminderung oder<br />
den Untergang der retinierten Vermögenswerte grundsätzlich<br />
gleich wie ein Faustpfandgläubiger nach Art. 890 ZGB. 8<br />
4. Untergang oder Beschädigung<br />
des Retentionsobjektes<br />
Der Retinierende ist verpfl ichtet, die zurückbehaltenen Sachen<br />
sorgfältig zu behandeln und so zu lagern, dass daran<br />
kein Schaden entsteht. 9 Allerdings können durch die sorgfältige<br />
Aufbewahrung Kosten entstehen, vor allem ab einer gewissen<br />
Grösse der zurückbehaltenen Sache. Diese kann der<br />
Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zurückfordern. Die Höhe des<br />
Anspruches wird meist im Rahmen dessen liegen, was eine<br />
reguläre Drittaufbewahrung gekostet hätte. Wäre die Sache<br />
nicht beim Retinierenden untergebracht, müsste der Arbeitgeber<br />
eine andere Unterbringung bezahlen. 10<br />
Wenn der retinierte Gegenstand beschädigt wird oder<br />
gar untergeht, dann haftet der Arbeitnehmer hierfür entweder<br />
nach Art. 321e OR oder nach Art. 890 ZGB. 11 Zusätz-<br />
7 Zum Tatbestand von Art. 94 Ziff. 2 SVG vgl. Philippe Weissenberger,<br />
Gebrauchsanmassung von Motorfahrzeugen, in:<br />
<strong>AJP</strong> 1999, 31–40.<br />
8 Vgl. auch Karl Oftinger/Rolf Bär, Zürcher Kommentar,<br />
3. A., Zürich 1981, N 159 zu Art. 895 ZGB, welche sich bei der<br />
Haftung im Rahmen des allgemeinen Retentionsrecht ebenfalls<br />
für die Anwendung von Art. 890 ZGB aussprechen.<br />
9 Corrado Rampini/Hermann Schulin/Peter Nedim Vogt,<br />
in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, 3. A.,<br />
Basel 20<strong>03</strong>, N 60 und 62 zu Art. 895 ZGB.<br />
10 Vgl. dazu OGer Luzern, Urteil vom 27. September 1961, in:<br />
ZBJV 1962, 201–202.<br />
11 Die Anwendung von Art. 890 ZGB beim Retentionsrecht wird in<br />
der Lehre einhellig bejaht. Vgl. dazu Thomas Bauer, in: Honsell/Vogt/Wiegand<br />
(Hrsg.), Basler Kommentar, 3. A., Basel 20<strong>03</strong>,<br />
N 3 zu Art. 890 ZGB; Karl Oftinger/Rolf Bär, Zürcher<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
lich kann der Arbeitgeber auch strafrechtlich aufgrund von<br />
Art. 144 StGB oder Art. 173 ter StGB gegen den Arbeitnehmer<br />
vorgehen.<br />
Für den Arbeitgeber ist eine Retention durch den Arbeitnehmer<br />
dann von Bedeutung, wenn der retinierte Gegenstand<br />
für den Geschäftsbetrieb unbedingt benötigt wird oder einen<br />
erheblichen Wert aufweist. Insbesondere gilt es zu beachten,<br />
dass ein Arbeitnehmer, selbst wenn sich seine Forderung lediglich<br />
auf ein paar tausend Franken beziffert, auch einen<br />
Gegenstand mit erheblichem Wert, etwa einen teuren Geschäftswagen,<br />
retinieren kann, wenn kein anderes geeignetes<br />
Retentionsobjekt zur Verfügung steht. 12<br />
5. Die Haftung des retinierenden<br />
Arbeitnehmers<br />
Während der Arbeitnehmer für Schäden aus der unberechtigten<br />
Retention nur aufgrund von Art. 321e OR haftet, kann<br />
er bei der unberechtigten Nutzung sowie beim Untergang<br />
oder Beschädigung des Retentionsobjektes sowohl aufgrund<br />
von Art. 321e OR als auch Art. 890 ZGB belangt werden.<br />
Die Haftung nach Art. 321e OR wird von den Gerichten in<br />
der Höhe je nach Grad der Fahrlässigkeit auf ein, zwei oder<br />
drei Monatslöhne begrenzt und nur bei Vorsatz wird darüber<br />
hinausgegangen. 13 Im Rahmen von Art. 890 ZGB wird<br />
die Haftung des retinierenden Arbeitnehmers dagegen nicht<br />
begrenzt. Der Arbeitnehmer kann sich lediglich durch den<br />
Nachweis befreien, dass ihn am Untergang bzw. an der Wertverminderung<br />
des Retentionsgegenstandes kein Verschulden<br />
trifft. Der Arbeitgeber beruft sich also mit Vorteil auf Art. 890<br />
ZGB, zumal die arbeitsvertragliche Haftung nach Art. 321e<br />
OR durch richterliches Ermessen begrenzt werden kann. Die<br />
Haftung nach Art. 890 ZGB stellt gegenüber derjenigen nach<br />
Art. 321e OR eine Überlagerung und Erweiterung dar, welche<br />
sich schematisch wie folgt darstellen lässt:<br />
Abb. 2: Darstellung der Haftung des retinierenden Arbeitnehmers<br />
Unberechtigte Unberechtigte<br />
Retention<br />
Nutzung<br />
OR 321e OR 321e<br />
Untergang oder<br />
Beschädigung<br />
OR 321e<br />
ZGB 890 ZGB 890<br />
Kommentar, 3. A., Zürich 1981, N 3 zu Art. 890 ZGB; Dieter<br />
Zobl, Berner Kommentar, Bern 1982, N 6 zu Art. 890 ZGB.<br />
12 ArbGer. ZH vom 27.1.1995 in: ZR 97 (1998) Nr. 81: Der beklagte<br />
Arbeitnehmer fuhr einen Mercedes-Benz 300 E als Geschäftswagen,<br />
welcher der Arbeitgeberin (Klägerin) gehörte.<br />
Mit Schlussrechnung vom 10. Juni 1993 verlangte die Klägerin<br />
die Rückgabe des Fahrzeugs. Der Beklagte behielt ihn und<br />
machte daran Retention geltend.<br />
13 Vgl. Roland Müller, Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung<br />
des Arbeitnehmers, ArbR 2006, 38 f.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 269 10.3.2009 9:12:01 Uhr<br />
269
270<br />
B. Rechtsgrundlagen des<br />
Retentionsrechts<br />
I. Voraussetzungen des Retentionsrechts<br />
Die allgemeine Rückgabepfl icht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
gemäss Art. 339 Abs. 1 OR wird durch<br />
das in Art. 339a Abs. 3 OR vorbehaltene Retentionsrecht<br />
eingeschränkt. Im Rahmen des arbeitsvertraglichen Retentionsrechts<br />
gelten die allgemeinen Bestimmungen betreffend<br />
Retentionsrecht gemäss den Art. 895 ff. ZGB. Ein Arbeitnehmer<br />
kann demnach ein Retentionsrecht an beweglichen<br />
Sachen oder Wertpapieren, die dem Arbeitgeber gehören,<br />
ausüben, sofern nachfolgende Voraussetzungen kumulativ<br />
gegeben sind:<br />
Der Arbeitnehmer hat eine fällige Forderung gegen den<br />
Arbeitgeber.<br />
Er ist im Besitz von beweglichen Sachen oder Wertpapieren,<br />
die dem Arbeitgeber gehören.<br />
Er hat diese beweglichen Sachen bzw. Wertpapiere mit<br />
dem Einverständnis des Arbeitgebers erhalten.<br />
Er hat diese beweglichen Sachen bzw. Wertpapiere im<br />
Rahmen der Erfüllung des Arbeitsvertrages erhalten.<br />
Retinierbar ist also nur eine verwertbare fremde bewegliche<br />
Sache. Verwertbar ist eine Sache dann, wenn sie übertragbar,<br />
d.h. verkehrsfähig ist und einen Vermögenswert aufweist. 14<br />
Demnach sind Ausweise, Akten, Zeugnisse oder Schlüssel15 aufgrund fehlender Verwertbarkeit nicht retinierbar. Der Arbeitnehmer<br />
muss mit Willen des Arbeitgebers im Besitz des<br />
betreffenden Gegenstandes sein. Weiter muss eine Forderung<br />
bestehen, welche mit dem zurückbehaltenen Gegenstand im<br />
Zusammenhang steht, d.h. sie muss aus dem Arbeitsverhältnis,<br />
aufgrund dessen der Arbeitnehmer den Gegenstand zu Besitz<br />
erhalten hat, herrühren. 16 1.<br />
2.<br />
3.<br />
4.<br />
Bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen<br />
problematisch ist insbesondere die Frage, ob der<br />
Arbeitnehmer Besitzer des retinierten Gegenstandes ist.<br />
II. Unselbständiger Besitzer oder<br />
Besitzdiener<br />
Eine rechtmässige Retention durch den Arbeitnehmer kann<br />
nur erfolgen, wenn er Besitzer des Retentionsobjektes ist.<br />
Nach den Regeln des ZGB ist das derjenige, welcher die<br />
tatsächliche Gewalt über eine Sache innehat, wobei «Sachherrschaft»<br />
eine feste, auf Dauer berechnete Beziehung einer<br />
Person zu einer Sache bedeutet. 17 Nach Art. 920 ZGB kann<br />
14 Vgl. Dieter Zobl, Berner Kommentar, Bern 20<strong>03</strong>, N 4 zu<br />
Art. 896 ZGB.<br />
15 Vgl. Chambre d’appel des prud’hommes du Canton de Genève,<br />
Urteil vom 13.2.20<strong>03</strong>, in: JAR 2004, 471 ff.<br />
16 Vgl. Oskar Brander, Das Retentionsrecht nach schweizerischem<br />
Zivilrecht, Diss., Zürich 1933, 87.<br />
17 Art. 919 Abs. 1 ZGB.<br />
Roland Müller/Stefan Rieder<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
der Besitz selbstständig oder unselbständig sein. In aller Regel<br />
ist der Arbeitnehmer lediglich unselbständiger Besitzer,<br />
das heisst, dass er, nachdem ihm der selbständige Besitzer,<br />
der Arbeitgeber, den Besitz übertragen hat, diesen sozusagen<br />
stellvertretend ausübt. Häufi g besitzt er den Gegenstand<br />
unmittelbar und kann darüber direkt verfügen. Neben den<br />
Formen des selbstständigen und unselbständigen Besitzes<br />
nach Art. 920 ZGB gibt es auch den Fall des Besitzdieners,<br />
in welchem ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zwar Gewalt<br />
über einen Gegenstand erhält, aber im Gegensatz zum unselbständigen<br />
Besitzer keinerlei eigene Rechte am Gegenstand<br />
hat, er ist vielmehr verpfl ichtet, den Anweisungen des<br />
Arbeitgebers als Besitzer des Gegenstandes zu folgen. Wenn<br />
der Arbeitnehmer also blosser Besitzdiener ist, steht ihm<br />
kein Retentionsrecht zu.<br />
Die Frage, ob der Arbeitnehmer unselbständiger Besitzer<br />
oder Besitzdiener ist, beschäftigt auch die Gerichte regelmässig.<br />
Unter anderem musste entschieden werden, ob ein<br />
Arbeitnehmer von einem durch den Arbeitgeber geleasten<br />
Fahrzeug überhaupt Besitzer sein kann. Das Arbeitsgericht<br />
Zürich hatte einen Fall zu beurteilen, in welchem die Arbeitgeberin<br />
ein Auto für den ausschliesslichen Gebrauch durch<br />
den Arbeitnehmer geleast hat. Das Fahrzeug durfte unbestrittenermassen<br />
sowohl für geschäftliche als auch für private<br />
Zwecke benutzt werden. Weil der Arbeitnehmer das Fahrzeug<br />
nach freiem Ermessen benutzen durfte, war er unselbständiger<br />
Besitzer und nicht bloss Besitzdiener. Das Arbeitsgericht<br />
Zürich entschied mit Urteil vom 28. Februar 20<strong>03</strong><br />
folgerichtig, dass der Arbeitnehmer ein Retentionsrecht am<br />
Geschäftsfahrzeug geltend machen kann. 18 Im Vergleich zum<br />
Arbeitnehmer, der den geleasten Geschäftswagen auch für<br />
Privatzwecke nutzen darf und somit unselbständiger Besitzer<br />
ist, hat ein Chauffeur, der den Lastwagen nur weisungsgemäss<br />
einsetzen darf, kein Retentionsrecht, weil er eben nur<br />
Besitzdiener ist. 19<br />
C. Retentionsprobleme in der Praxis<br />
I. Retention eines Geschäftswagens<br />
als Beispiel<br />
1. Ausgangslage des konkreten Falles<br />
Rainer Renitent 20 hatte seine juristischen Studien abgeschlossen<br />
und trat am 1. Januar 2007 eine Stelle als Verkaufsleiter<br />
18 JAR 2004, 591–594.<br />
19 Ullin Streiff/Adrian von Kaenel, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar<br />
zu Art. 319–362 OR, 6. A., Zürich 2006, N 4 zu<br />
Art. 339a OR.<br />
20 Der Name des Arbeitnehmers wurde aus Gründen des Daten-<br />
und Persönlichkeitsschutzes geändert, die Datumsangaben<br />
wurden zur Verdeutlichung der Problematik jedoch unverändert<br />
übernommen.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 270 10.3.2009 9:12:01 Uhr
Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber<br />
an. Für die Ausübung seiner Tätigkeit und auch zur privaten<br />
Nutzung wurde ihm ein repräsentativer Geschäftswagen zur<br />
Verfügung gestellt. Schon nach einem Jahr kündigte Rainer<br />
Renitent jedoch per 31. August 2008 das Arbeitsverhältnis.<br />
Es endete, ohne dass der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber<br />
geleasten Geschäftswagen zurückgegeben hätte. Nach<br />
schriftlicher Aufforderung (eingeschrieben und per E-Mail)<br />
des Arbeitgebers zur unverzüglichen Rückgabe macht Rainer<br />
Renitent unter Hinweis auf sein Retentionsrecht eine<br />
Lohnforderung und Ferienentschädigung in Höhe von rund<br />
CHF 11 100.– geltend. Die geltend gemachten Forderungen<br />
waren zwar offensichtlich übersetzt, doch dem Arbeitgeber<br />
blieb zur Wahrung seiner Rechte nichts anderes übrig, als<br />
einen Rechtsanwalt einzuschalten und die gerichtliche Herausgabe<br />
des retinierten Wagens zu verlangen. Ursprünglich<br />
hegte er die Hoffnung, dieser Prozess werde relativ rasch<br />
abgeschlossen sein, da es sich doch um ein arbeitsgerichtliches<br />
Verfahren handle. Dies sollte sich aber als verfehlt<br />
erweisen.<br />
2. Gerichtliche Hinterlegung einer<br />
hinreichenden Sicherheit<br />
Weil der Arbeitgeber den Geschäftswagen im Hinblick auf<br />
die laufenden Leasingkosten möglichst rasch zurückerhalten<br />
wollte und die geltend gemachte Forderung bestritt, entschied<br />
sich der Rechtsanwalt für die gerichtliche Hinterlegung<br />
einer hinreichenden Sicherheitsleistung. Zuvor verbot<br />
er Rainer Renitent im Namen des Arbeitgebers ausdrücklich<br />
die weitere Nutzung des Geschäftswagens mit dem Hinweis<br />
auf eine angemessene Nutzungsentschädigung bei Missachtung<br />
des Benützungsverbotes. Grundsätzlich dient dem<br />
Arbeitgeber die Sicherstellung der geltend gemachten Forderung<br />
in erster Linie als geeignetes Abwehrmittel der Retention.<br />
Sobald die Forderung des Arbeitnehmers durch den<br />
Arbeitgeber oder einen Dritten hinreichend sichergestellt<br />
ist, darf der Arbeitnehmer den retinierten Gegenstand nicht<br />
mehr zurückbehalten und schon gar nicht verwerten. 21 Falls<br />
die Sicherstellung nicht die ganze Forderung abdeckt, ist<br />
der Gläubiger verpfl ichtet, einen Teil der retinierten Sache<br />
zurückzugeben, sofern diese teilbar ist. 22 Damit eine ausreichende<br />
Sicherstellung gewährleistet ist, muss die Forderung<br />
inklusive Zinsen und Kosten tatsächlich gerichtlich hinterlegt<br />
werden. Eine blosse persönliche Garantie des Arbeitgebers<br />
reicht nicht aus. 23<br />
Um eine Sicherheitsleistung hinterlegen zu können, ist<br />
vorab ein entsprechender Gerichtsbeschluss nötig. Dieser<br />
wiederum bedingt zuerst ein Gesuch an das örtlich und<br />
sachlich zuständige Gericht. Rainer Renitent hatte nach Er-<br />
21 Art. 898 Abs. 1 ZGB; vgl. auch Rampini/Schulin/Vogt<br />
(FN 8), N 53 zu Art. 895 ZGB.<br />
22 Oftinger/Bär (FN 7), N 141 zu Art. 895 ZGB.<br />
23 Streiff/von Kaenel (FN 18), N 4 zu Art. 339a OR.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
halt des Benützungsverbotes vorsorglich seinen Wohnsitz in<br />
die französischsprachige Schweiz verlegt. Damit sollte dem<br />
Arbeitgeber wohl ein zusätzlicher Aufwand bei der Durchsetzung<br />
seines Anspruches verursacht werden. Doch der<br />
Rechtsvertreter des Arbeitgebers machte den Fall einer freiwilligen<br />
Gerichtsbarkeit im Sinne von Art. 11 GestG geltend<br />
und klagte beim Gericht am Sitz des Gesuchsstellers.<br />
Rainer Renitent bestritt vorab die örtliche und sachliche<br />
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sowie in einer zusätzlichen<br />
Prozessschrift die grundsätzliche Möglichkeit<br />
einer Sicherstellung. Dies führte zu weiteren Prozessverzögerungen<br />
und Anwaltskosten, musste doch auch zur zusätzlichen<br />
Prozesseingabe eine Stellungnahme abgegeben werden.<br />
Schliesslich verfügte das Gericht am 19.11.2007, knapp<br />
drei Monate nach Beginn der Retention, die Zulässigkeit<br />
der Hinterlegung einer hinreichenden Sicherheitsleistung.<br />
Im Gerichtsbeschluss wurde festgehalten, dass es sich bei<br />
der Hinterlegung tatsächlich um einen Anwendungsfall der<br />
freiwilligen Gerichtsbarkeit handle. Allerdings komme diese<br />
Gesetzesbestimmung nach ihrem Wortlaut nur zur Anwendung,<br />
«sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt». Der Anspruch<br />
auf Hinterlegung einer Sicherheitsleistung wird aus<br />
Art. 898 ZGB hergeleitet, weshalb insbesondere zu prüfen<br />
war, ob es sich beim Gesuch um Hinterlegung einer Sicherheitsleistung,<br />
um eine Klage über dingliche Rechte an beweglichen<br />
Sachen im Sinn von Art. 20 GestG handelt. Dies<br />
wurde verneint, zumal Art. 20 GestG ausdrücklich von «Klagen»<br />
spricht, ein Hinweis dafür, dass eine Anwendung nur<br />
bei streitigen Angelegenheiten Anwendung fi ndet. Zudem<br />
geht es bei der Hinterlegung einer Sicherheitsleistung nicht<br />
um einen materiellen Entscheid über ein dingliches Recht an<br />
einer beweglichen Sache. Die rechtlichen Erwägungen des<br />
Gerichts lassen erkennen, dass die örtliche und sachliche Zuständigkeit<br />
zur Hinterlegung einer Sicherheit im Falle einer<br />
Retention nicht leicht zu bestimmen ist.<br />
3. Fortsetzung der Retention trotz<br />
Hinterlegung einer Sicherheit<br />
Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist und Zugang der Rechtskraftbestätigung<br />
hinterlegte der Arbeitgeber am 17.12.2007<br />
die Summe von rund CHF 20 000.– zur Sicherstellung aller<br />
möglichen Ansprüche des Arbeitnehmers. Doch Rainer Renitent<br />
machte geltend, der hinterlegte Betrag reiche zur Sicherstellung<br />
seiner Ansprüche nicht aus und liess sich trotz<br />
gerichtlicher Bestätigung der Hinterlegung am 20.12.2007<br />
nicht davon abhalten, das Fahrzeug weiter zu behalten.<br />
Der Arbeitgeber hatte nun die Wahl, einen weiteren personell<br />
und fi nanziell aufwändigen Gerichtsprozess auf Herausgabe<br />
des Firmenwagens anzustrengen oder einen Teil der<br />
geltend gemachten Forderung zu bezahlen und so hoffentlich<br />
rasch wieder in den Besitz des Firmenwagens zu gelangen.<br />
Am 1.3.2008 wurde schliesslich eine aussergerichtliche Vereinbarung<br />
zwischen den Parteien geschlossen, wonach sich<br />
der Arbeitgeber zur Bezahlung eines Teilbetrages der geltend<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 271 10.3.2009 9:12:02 Uhr<br />
271
272<br />
gemachten Forderung per saldo aller Ansprüche verpfl ichtete<br />
und Rainer Renitent die Rückgabe des Firmenwagens sowie<br />
die Freigabe der Sicherheitsleistung versprach.<br />
Die Forderung wurde im anerkannten Umfang fristgerecht<br />
vom Arbeitgeber bezahlt. Doch noch immer fühlte<br />
sich Rainer Renitent nicht verpfl ichtet, den Geschäftswagen<br />
herauszugeben. Nun machte er stattdessen plötzlich eine<br />
weitere Forderung von rund CHF 42 000.– wegen angeblich<br />
missbräuchlicher Kündigung geltend. Dem Arbeitgeber<br />
blieb deshalb nichts anderes übrig, als Strafklage gegen Rainer<br />
Renitent wegen Sachentziehung und zeitgleich ein zivilrechtliches<br />
Gesuch um vorsorgliche Massnahmen wegen<br />
Besitzesentziehung am 31.3.2008 einzureichen.<br />
4. Urteil und Rückgabe des Fahrzeuges ohne<br />
strafrechtliche Folgen<br />
Aufgrund der zivilrechtlichen Klage wurde Rainer Renitent<br />
mit richterlichem Entscheid vom 13. Mai 2008 angewiesen,<br />
den Geschäftswagen bis zum 19. Mai 2008 herauszugeben.<br />
Nachdem Rainer Renitent dagegen zuerst das Rechtsmittel<br />
der Appellation ergriffen, dann jedoch wieder zurückgezogen<br />
hatte, retournierte er am 19. Juni 2008 endlich das bis auf<br />
einige Kratzer unbeschädigte Firmenfahrzeug. Die Kosten<br />
des Gerichtsentscheides und die ausseramtliche Entschädigung<br />
an den Rechtsanwalt des Arbeitgebers bezahlte er ohne<br />
weiteres.<br />
Am 22.10.2008 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren<br />
gegen Rainer Renitent unter Kostenfolge zu Lasten des<br />
Staates ein. Begründet wurde die Einstellungsverfügung damit,<br />
dass die gesetzliche Strafantragsfrist vom Arbeitgeber<br />
nicht eingehalten worden sei. Tatsächlich handelt es sich bei<br />
der Sachentziehung nach Art. 141 StGB um ein Antragsdelikt,<br />
weshalb der Strafantrag gemäss Art. 31 StGB innert drei<br />
Monaten seit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten<br />
Person die Tat und der Täter bekannt sind, gestellt werden<br />
muss. 24 Durch die Hinterlegung von CHF 20 000.– zur Sicherstellung<br />
aller möglicher Ansprüche des Arbeitnehmers,<br />
endete nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die rechtmässige<br />
Retention schon am 20.12.2007 25 , weshalb die<br />
Strafantragsfrist am 21.3.2008 abgelaufen sei. Im konkreten<br />
Fall hatte der Renitent aber vorerst die örtliche und sachliche<br />
Zuständigkeit des Gerichts bestritten, weshalb die Hinterlegung<br />
der Sicherheit erst am 29.1.2008 rechtswirksam wurde.<br />
Weil aber die Rechtmässigkeit der Hinterlegung auch<br />
hätte verneint werden können, kann für die Berechnung der<br />
Antragsfrist nicht das Datum der Hinterlegungsmitteilung,<br />
24 Bei der Sachentziehung ist zu beachten, dass es sich nicht um<br />
ein Dauerdelikt handelt und die Frist somit nicht erst mit der Beendigung<br />
der Entziehung zu laufen beginnt (Philippe Weissenberger<br />
in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar,<br />
Strafrecht II, 2. A., Basel 2007, N 30 zu Art. 141 StGB).<br />
25 Datum der Bekanntgabe der Hinterlegung einer Sicherheitsleistung<br />
durch das zuständige Gericht.<br />
Roland Müller/Stefan Rieder<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
sondern erst dasjenige der Bekanntgabe der rechtmässigen<br />
Hinterlegung entscheidend sein. Der Arbeitgeber verzichtete<br />
jedoch auf die Ergreifung eines Rechtsmittels, um unnötige<br />
und nicht mehr einbringliche Kosten zu vermeiden.<br />
Da der Betrag von CHF 20 000.– noch immer gerichtlich<br />
hinterlegt war, war damit der Fall noch nicht abgeschlossen.<br />
Dem Arbeitgeber blieb nichts anderes übrig, als selbst<br />
eine negative Feststellungsklage einzureichen, um den gerichtlich<br />
hinterlegten Betrag zurückzuerhalten, da Rainer<br />
Renitent selbst keine Klage einreichte. Er verzichtete dabei<br />
vorsorglich auf die Geltendmachung der kleinen Schäden<br />
am Fahrzeug und der gefahrenen Zusatzkilometer. Jetzt<br />
zahlte sich der abgeschlossene Vergleich doch noch aus,<br />
denn Rainer Renitent konnte nun keine zusätzlichen Forderungen<br />
mehr geltend machen. Die als Sicherheit hinterlegten<br />
CHF 20 000.– wurden dem Arbeitgeber anschliessend zurückbezahlt,<br />
allerdings unverzinst.<br />
II. Erkenntnisse aus dem konkreten Fall<br />
Die Analyse des geschilderten Retentionsfalles zeigt, dass<br />
mit dem Retentionsrecht des Arbeitnehmers u.U. ernsthafte<br />
Konsequenzen für den Arbeitgeber verbunden sein können.<br />
Selbst die gerichtliche Hinterlegung eines Betrages, welcher<br />
weit über der geltend gemachten Forderung liegt, muss nicht<br />
zwingend dazu führen, dass der Arbeitgeber wieder in den<br />
Besitz des Retentionsobjektes gelangt.<br />
Dieser Fall veranschaulicht zudem die derzeit noch unbefriedigende<br />
Rechtswirkung von Vergleichen, welche sich<br />
hoffentlich mit der neuen schweizerischen ZPO ändern<br />
wird. Nach dem aktuellen Entwurf wird es gemäss Art. 345<br />
die sog. vollstreckbare öffentliche Urkunde geben. 26 Anstatt<br />
einer gewöhnlichen Vereinbarung, wie sie im vorliegenden<br />
Fall getroffen wurde, könnte zukünftig eine vollstreckbare<br />
öffentliche Urkunde abgefasst werden, in welcher eine ausdrückliche<br />
Anerkennung der unmittelbaren Vollstreckung<br />
durch die verpfl ichtete Partei festgehalten werden kann.<br />
Dann wäre kein materieller Entscheid mehr notwendig, weil<br />
die Vollstreckung aufgrund des Vergleiches bzw. der entsprechenden<br />
Urkunde verlangt werden könnte und die Durchsetzung<br />
von Besitzesansprüchen würde dadurch eine erhebliche<br />
Zeit- und Kostenreduktion erfahren.<br />
Die Retention durch den Arbeitnehmer hat im vorliegenden<br />
Fall dazu geführt, dass der Arbeitgeber eine Sicherheitsleistung<br />
von rund CHF 20 000.– erbringen und Gerichts- sowie<br />
Anwaltskosten in Höhe von über CHF 25 000.– ausgeben<br />
musste, um erst nach knapp 10 Monaten wieder in den Besitz<br />
des Geschäftswagens zu gelangen. Zudem musste er während<br />
der ganzen Zeit die laufenden Leasingkosten tragen,<br />
ohne daraus einen Nutzen ziehen zu können. Weitere Kosten<br />
sind im Zusammenhang mit dem Strafverfahren und der<br />
26 Vgl. hierzu Dominik Gasser, Die Vollstreckung nach der<br />
Schweizerischen ZPO, in: Anwaltsrevue 2008, 340–346.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 272 10.3.2009 9:12:02 Uhr
Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber<br />
negativen Feststellungsklage zur Rückerstattung der hinterlegten<br />
Sicherheitsleistung angefallen.<br />
III. Verwertung eines retinierten,<br />
geleasten Geschäftswagen<br />
Im konkreten Retentionsfall stellte sich die Frage der Verwertungsmöglichkeit<br />
des retinierten Geschäftswagens nicht,<br />
weil der Arbeitgeber genügend Sicherheit leistete und Rainer<br />
Renitent den Geschäftswagen schliesslich unberechtigt<br />
retinierte. Insbesondere wenn es sich beim Retentionsgegenstand<br />
um ein geleastes Geschäftsfahrzeug handelt, ist die<br />
Verwertungsmöglichkeit von Bedeutung. Sofern der Arbeitnehmer<br />
wie im vorliegenden Retentionsfall nicht nur blosser<br />
Besitzdiener sondern Besitzer des Retentionsgegenstandes<br />
ist, kann er ihn auch verwerten. Dies gilt auch dann, wenn<br />
er weiss, dass der Geschäftswagen lediglich geleast ist. 27<br />
Vor diesem Hintergrund ist der Arbeitnehmer gutgläubig im<br />
Sinne von Art. 895 Abs. 3 ZGB und kann den retinierten Geschäftswagen<br />
in der Folge auch verwerten.<br />
Die Geltendmachung des Verwertungsrechts muss beim<br />
Retentionsrecht grundsätzlich durch Betreibung auf Faustpfandverwertung<br />
nach Art. 151 ff. SchKG erfolgen, zumal es<br />
sich beim Retentionsrecht um ein Besitzpfandrecht handelt<br />
und der Besitz des Retentionsgläubigers gleich geschützt ist<br />
wie derjenige des Faustpfandgläubigers. 28 Bei einem geleasten<br />
Geschäftswagen hat dies zur Folge, dass der Leasinggeber<br />
die Stellung eines Dritteigentümers einnimmt. Will der<br />
Dritteigentümer die Verwertung des Retentionsgegenstandes<br />
verhindern, so hat er das Recht, den Gläubiger zu befriedigen<br />
und so die verpfändete Sache einzulösen. Dann kann er<br />
gegenüber dem Leasingnehmer Regress nehmen. Das Verwertungsverfahren<br />
richtet sich nach Art. 151 SchKG, sodass<br />
der Zahlungsbefehl auch an den Dritteigentümer auszustellen<br />
ist. Das ist i.d.R. kein Problem, da im Fahrzeugausweis<br />
vom Strassenverkehrsamt ein Hinweis auf die Leasinggesellschaft<br />
angebracht wird.<br />
Für die Leasinggesellschaft kann die Verwertung erhebliche<br />
negative Konsequenzen haben. Fraglich ist allerdings,<br />
ob dies in der Praxis überhaupt als Problem wahrgenommen<br />
wird, weil ein Arbeitgeber in aller Regel den geleasten Geschäftswagen<br />
so schnell als möglich wieder in seinem Besitz<br />
haben will und deshalb wohl Sicherheit für den Retentionsgegenstand<br />
leisten wird. Zudem ist ein geleaster Geschäftswagen<br />
dann nicht retentionstauglich und somit auch nicht<br />
verwertbar, wenn er dem Arbeitnehmer nicht zur privaten<br />
Nutzung überlassen wurde. Die Leasinggesellschaften sind<br />
jedenfalls gut beraten, im Leasingvertrag eine entsprechende<br />
Klausel aufzunehmen, dass der Arbeitgeber in einem Reten-<br />
27 Vgl. Franz Studer, Das Retentionsrecht in der Zwangsvollstreckung,<br />
Diss., Zürich 2000, 29 f.<br />
28 Vgl. Dieter Zobl, Berner Kommentar, N 17 f. zu Art. 895<br />
ZGB.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
tionsfall verpfl ichtet ist, umgehend eine hinreichende Sicherheit<br />
zu leisten, um die Verwertung zu verunmöglichen.<br />
D. Zusammenfassung und<br />
Empfehlungen<br />
Das Retentionsrecht des Arbeitnehmers kann für den Arbeitgeber<br />
unangenehme zeitliche und fi nanzielle Kosten haben.<br />
Leider lässt es sich nicht einfach ausschliessen, da es zwingender<br />
Natur und daher durch Vertrag nicht abänder- oder<br />
wegbedingbar ist. 29 Das Retentionsrecht soll dem Arbeitnehmer<br />
ermöglichen, Druck auf den Arbeitgeber auszuüben und<br />
gleichzeitig verhindern, dass der Arbeitgeber den retinierten<br />
Gegenstand zurückverlangen kann, ohne die fi nanziellen<br />
Forderungen des Arbeitnehmers erfüllt oder anderweitig sichergestellt<br />
zu haben.<br />
Um dem Retentionsrecht seines Arbeitnehmers zumindest<br />
bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuweichen,<br />
hat ein Arbeitgeber die Möglichkeit, den potentiellen Retentionsgegenstand<br />
bereits bei der Kündigung zurückzunehmen.<br />
Dies ist allerdings bei einem Geschäftswagen, der vom Arbeitnehmer<br />
auch für private Zwecke verwendet werden darf,<br />
nicht ohne weiteres möglich. In einem solchen Falle müsste<br />
der wegfallende private Nutzen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
entschädigt werden.<br />
Es ist zulässig, in den Arbeitsvertrag eine Klausel aufzunehmen,<br />
wonach dem Arbeitnehmer in gekündigter Stellung<br />
keine private Nutzung des Geschäftwagens mehr zusteht.<br />
Dadurch wird der Arbeitnehmer in gekündigter Stellung automatisch<br />
zum Besitzdiener und eine rechtmässige Retention<br />
demzufolge ausgeschlossen. Gleichzeitig erlischt damit auch<br />
eine Verwertungsmöglichkeit, was bei geleasten Geschäftsfahrzeugen<br />
negative Konsequenzen für die Leasinggesellschaft<br />
ausschliesst.<br />
Wenn nach Inkrafttreten von Art. 345 der neuen Schweizer<br />
ZPO zukünftig eine Vereinbarung über die Rückgabe eines<br />
retinierten Gegenstandes zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber<br />
abgeschlossen wird, so sollte sie als vollstreckbare<br />
öffentliche Urkunde abgefasst werden. Dies wird die rechtliche<br />
Durchsetzung einer solchen Vereinbarung wesentlich<br />
vereinfachen, auch wenn die unangenehmen Konsequenzen<br />
einer Retention des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber nicht<br />
vollständig verhindert werden können.<br />
Bei einer allfälligen Strafanzeige wegen Sachentziehung<br />
nach Art. 141 StGB ist zu beachten, dass es sich dabei um<br />
ein Antragsdelikt handelt, weshalb der Strafantrag gemäss<br />
Art. 31 StGB innert drei Monaten seit dem Tag, an welchem<br />
der Arbeitgeber von der unrechtmässigen Retention<br />
29 Vgl. auch Adrian Staehelin/Frank Vischer, Zürcher Kommentar,<br />
3. A., Zürich 1996, N 9 zu Art. 339a OR, und Streiff/<br />
Von Kaenel (Fn 18), N 6 zu Art. 339a OR.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 273 10.3.2009 9:12:02 Uhr<br />
273
274<br />
Kenntnis hat, gestellt werden muss. Die Staatsanwaltschaft<br />
wird diesen Zeitpunkt sehr früh annehmen. Der Arbeitgeber<br />
ist deshalb gut beraten, den Zeitpunkt der Hinterlegung als<br />
massgebenden Zeitpunkt für die Berechnung der Antragsfrist<br />
zu verwenden.<br />
Roland Müller/Stefan Rieder<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
En pratique, la restitution des modèles, instruments, outils ou<br />
véhicules propres à l’entreprise lorsque les rapports de travail<br />
prennent fi n donne souvent lieu à des discussions. L’art. 339a<br />
al. 3 CO accorde au travailleur un droit de rétention pour les<br />
créances découlant du rapport de travail; toutefois, il doit avoir<br />
obtenu la possession de l’objet grevé du droit de rétention par<br />
la volonté de l’employeur. Il est donc important en pratique de<br />
distinguer la position du travailleur en tant que possesseur ou<br />
simple auxiliaire de la possession. Comme le montre le cas de<br />
rétention traité, le droit de rétention du travailleur peut avoir<br />
des conséquences fi nancières désagréables ou entraîner des<br />
coûts en termes de temps pour l’employeur. Comme le droit<br />
de rétention a un caractère impératif, il ne peut être exclu par<br />
contrat. L’employeur devrait dès lors reprendre les objets pouvant<br />
faire l’objet d’un droit de rétention dès la résiliation. Mais<br />
même lorsque le travailleur n’a pas le droit d’exercer de droit<br />
de rétention, un tel droit exercé à tort peut entraîner différents<br />
problèmes. Que le droit de rétention soit justifi é ou non,<br />
l’employeur est confronté à des questions de responsabilité si<br />
l’objet du droit de rétention a été endommagé ou détruit.<br />
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 274 10.3.2009 9:12:<strong>03</strong> Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />
SANDRINE GIROUD-ROTH<br />
lic. iur., avocate,<br />
Lausanne<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Restitution spontanée de fonds bloqués<br />
à des États défaillants:<br />
les cas Duvalier et Mobutu<br />
LAURENT MOREILLON<br />
Prof. Dr. iur., avocat,<br />
Doyen de la Faculté de<br />
droit de l’Université de<br />
Lausanne<br />
Plan<br />
I. Introduction<br />
II. Les affaires Duvalier et Mobutu<br />
A. L’affaire Duvalier<br />
B. L’affaire Mobutu<br />
III. Les récentes décisions Duvalier et Mobutu<br />
A. Les décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009<br />
B. Les décisions des 12 décembre 2008 et 25 février 2009<br />
C. Deux États «défaillants»<br />
IV. La pratique suisse en matière de restitution spontanée de fonds<br />
à la lumière des récentes décisions Duvalier et Mobutu<br />
A. Cadre légal<br />
1. Personnes exposées politiquement<br />
2. La confi scation<br />
a. Absence de confi scation autonome<br />
b. La confi scation internationale<br />
c. La voie de l’entraide internationale<br />
3. Le blocage «politique»: l’art. 184 al. 3 Cst.<br />
B. Les décisions Duvalier et Mobutu: un équilibre périlleux<br />
des intérêts juridiques en jeu<br />
1. Garantie d’accès au juge<br />
2. Respect du principe de la légalité<br />
a. Garantie de la propriété<br />
b. Bases légales fondant la restitution anticipée<br />
3. Respect du principe de la proportionnalité<br />
4. La charge du fardeau de la preuve au regard de la présomption<br />
d’innocence<br />
V. Propositions pour un projet de loi<br />
VI. Conclusion<br />
I. Introduction<br />
Dans un ultime rebondissement d’une saga qui date déjà de<br />
1986, l’Offi ce fédéral de la justice (OFJ) a décidé, en date des<br />
2 juillet 2008 1 et 12 février 2009, 2 de maintenir le blocage,<br />
respectivement de restituer, les fonds Duvalier à Haïti dans<br />
le cadre d’une nouvelle procédure d’entraide judiciaire. De<br />
même, dans une affaire remontant à 1997, le Conseil fédéral<br />
(CF) a décidé, en date des 12 décembre 2008 3 et 25 février<br />
2009, 4 de prolonger le blocage des fonds Mobutu, le dernier<br />
délai courant jusqu’au 30 avril 2009.<br />
Si ces décisions sont à saluer pour l’esprit de justice qui<br />
les anime, elles soulèvent toutefois certaines interrogations<br />
quant à leur légalité, notamment concernant le fameux<br />
renversement du fardeau de la preuve qu’elles mettent en<br />
œuvre, ainsi que l’utilisation répétée du blocage «politique».<br />
Elles ne sont cependant que le refl et d’une situation tenue<br />
par quelques bouts de fi celle en ce qui concerne la confi scation<br />
des avoirs des criminels internationaux lorsque des États<br />
«défaillants» sont impliqués. La législation et la jurisprudence<br />
dans ce domaine font clairement apparaître les lacunes de<br />
la réglementation suisse que les autorités d’application, animées<br />
des intentions les plus honorables, ne peuvent contourner<br />
qu’au prix d’acrobaties juridiques se concluant souvent<br />
par une pirouette politique. C’est pour mettre fi n à cette situation<br />
que le Conseil fédéral (CF) a chargé le Département<br />
fédéral des affaires étrangères (DFAE) d’établir un projet de<br />
loi qui permette la confi scation des avoirs d’origine illicite de<br />
personnes exposées politiquement (PEP). 5<br />
Le présent article retrace d’abord l’historique des affaires<br />
Duvalier et Mobutu et explique le contenu des récentes décisions<br />
de l’OFJ et du CF y relatives. Il met ensuite en évidence<br />
les interrogations et les problèmes suscités par la pratique<br />
actuelle des autorités suisses en la matière et, à la lumière de<br />
ces deux affaires, en examine les conséquences sous l’angle<br />
des garanties caractérisant un État de droit. Enfi n, il dessine<br />
quelques pistes de réfl exion en vue de la rédaction du futur<br />
projet de loi.<br />
1 Communiqué de presse de l’OFJ du 2 juillet 2008, disponible à<br />
l’adresse électronique: http://www.bj.admin.ch/bj/fr/home/dokumentation/medieninformationen/2008/2008-07-02.html.<br />
2 Communiqué de presse de l’OFJ du 12 février 2009, disponible<br />
à l’adresse électronique: http://www.ejpd.admin.ch/ejpd/fr/<br />
home/dokumentation/mi/2009/ref_2009-02-12.html.<br />
3 Communiqué de presse du DFAE du 12 décembre 2008, disponible<br />
à l’adresse électronique: http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=fr&msg-id=24042.<br />
4 Communiqué de presse du DFAE du 25 février 2009, disponible<br />
à l’adresse électronique: http://www.eda.admin.ch/eda/fr/<br />
home/recent/media/single.html?id=25544.<br />
5 Communiqué de presse du DFAE du 5 décembre 2008, disponible<br />
à l’adresse électronique: http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=fr&msg-id=23694.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 275 10.3.2009 9:12:<strong>03</strong> Uhr<br />
275
276<br />
II. Les affaires Duvalier et Mobutu<br />
A. L’affaire Duvalier<br />
Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon<br />
Succédant en 1971 à son père à la tête de l’État haïtien, Jean-<br />
Claude Duvalier, mieux connu sous le nom de «Baby Doc»,<br />
resta au pouvoir jusqu’en 1986. Sous sa présidence, Haïti fut<br />
le lieu de nombreux crimes et violations des droits de l’homme:<br />
arrestations arbitraires, torture, disparitions forcées, exécutions<br />
extrajudiciaires, etc. 6 À cela s’ajoutèrent des détournements<br />
massifs de biens publics. 7<br />
Suite au départ forcé de Duvalier en 1986, le gouvernement<br />
haïtien demanda au CF l’entraide judiciaire relative aux<br />
avoirs ayant disparu sous sa présidence. Après avoir identifi é<br />
plusieurs comptes bancaires de la famille Duvalier dans les<br />
cantons de Vaud, Zurich et Genève, le CF transmit l’affaire<br />
aux cantons respectifs qui donnèrent l’ordre aux banques<br />
de bloquer les fonds. Un montant d’environ 7,5 millions de<br />
francs fut ainsi bloqué à titre provisoire en vertu de l’art. 18<br />
EIMP. 8<br />
Durant plus d’une décennie, l’affaire n’avança pas, notamment<br />
du fait des graves dysfonctionnements internes que<br />
connut Haïti dans les années 90. La procédure d’entraide<br />
semblant vouée à l’échec, le CF décida, en 2002, de bloquer<br />
les avoirs en Suisse de Duvalier sur la base de la compétence<br />
que lui confère l’art. 184 al. 3 Cst. 9 («blocage politique») en<br />
matière de sauvegarde des intérêts du pays. 10<br />
Le DFAE fut alors chargé d’assister les parties dans la recherche<br />
d’une solution transactionnelle. Une telle issue semblait<br />
à portée de main avant l’échéance du premier blocage<br />
en 2005. Sa fi nalisation nécessitait cependant de réunir tous<br />
les ayants droit de la famille Duvalier, ce qui ne se réalisa pas<br />
par manque de volonté des intéressés. Dans ce contexte, le<br />
CF décida de prolonger la mesure de blocage. 11<br />
Les représentants de la famille Duvalier ont, par la suite,<br />
perdu tout intérêt à la conclusion d’un accord en raison de<br />
l’arrêt du 27 avril 2006 du Tribunal fédéral (TF) dans l’affaire<br />
Mobutu. 12 Bien que reconnaissant la légitimité du blocage,<br />
le TF en critiqua la proportionnalité dans la mesure où<br />
le créancier n’était manifestement pas disposé à collaborer<br />
6 Amnesty International, Haïti: Les visages de la Répression, Paris<br />
1985; Commission Inter-Américaine des Droits de l’Homme,<br />
Rapports annuels: 1971–1987; Patrick Lemoine, Fort-Dimanche,<br />
Fort-La-Mort, New York 2006.<br />
7 Rapport de la Banque de la République d’Haïti du 15 janvier<br />
1987.<br />
8 Loi fédérale sur l’entraide internationale en matière pénale<br />
(EIMP, RS 351.1).<br />
9 Constitution fédérale (Cst., RS 101).<br />
10 Communiqué de presse du DFAE du 14 juin 2002.<br />
11 Pierre-Yves Morier, Is Autonomous Confi scation the Acme<br />
of Asset Recovery?, in: Mark Pieth (édit.), Recovering Stolen<br />
Assets, Berne 2008, p. 265.<br />
12 Morier (n. 11), p. 274 ss; ATF 1A.150/2004 du 27 avril 2006.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
pour trouver une solution négociée. Ainsi confortée dans<br />
son attitude non conciliante, la famille Duvalier se contenta<br />
d’attendre l’échéance de la mesure de blocage fi xée au 3 juin<br />
2007.<br />
Le 1 er juin 2007, le CF, s’appuyant une fois de plus sur<br />
sa compétence en matière de politique extérieure, ordonna<br />
un nouveau blocage politique des fonds pour trois mois supplémentaires.<br />
Contre toute attente, cette mesure fut renouvelée<br />
en date du 22 août 2007, pour une nouvelle période<br />
de douze mois. 13 Cette mesure se fondait sur les assurances<br />
données par le Président haïtien quant à la volonté de son<br />
État d’introduire des poursuites contre Duvalier. Cet ultime<br />
répit devait laisser au gouvernement haïtien la possibilité de<br />
concrétiser ses promesses. La décision de prolongation du<br />
blocage des fonds fi t toutefois l’objet d’un recours auprès du<br />
Tribunal administratif fédéral (TAF) qui donna lieu à un arrêt<br />
limité à la recevabilité de la cause. 14 Ce recours devint par la<br />
suite sans objet, consécutivement à la décision du 2 juillet<br />
2008 de l’OFJ. 15<br />
B. L’affaire Mobutu<br />
Président de 1965 à 1997 de la République démocratique du<br />
Congo (RDC) – qu’il avait lui-même rebaptisée Zaïre – Joseph<br />
Désiré Mobutu Sese Seko instaura un régime fondé sur<br />
la corruption et les violations massives des droits de l’homme.<br />
On estime à plusieurs milliards les fonds détournés par<br />
lui et son clan. 16<br />
Suite à l’éviction du pouvoir de Mobutu, la RDC présenta,<br />
le 13 mai 1997, une demande d’entraide judiciaire à la Suisse<br />
en vue du blocage, à titre conservatoire, d’une propriété à<br />
Savigny (Vaud). Le blocage fut prononcé à titre de mesure<br />
conservatoire au sens de l’art. 18 EIMP. Des mesures visant<br />
d’autres biens ne purent être prises car la demande ne<br />
contenait pas une description suffi sante des avoirs à geler et<br />
présentait un caractère trop général pour qu’il puisse y être<br />
donné suite.<br />
Dans l’attente d’une demande d’entraide plus complète,<br />
le CF édicta, le 17 mai 1997, une ordonnance 17 fondée directement<br />
sur l’art. 102 ch. 8 aCst. (art. 184 al. 3 nCst.) afi n de<br />
sauvegarder les avoirs appartenant à la RDC en Suisse pour<br />
une durée d’une année. Des avoirs pour un montant d’envi-<br />
13 Morier (n. 11), p. 275.<br />
14 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 et décision C-7589/2007<br />
du 17 juillet 2008 du TAF.<br />
15 Notons qu’il existe une procédure parallèle, intentée par des<br />
particuliers, visant également les biens de Jean-Claude Duvalier<br />
en Suisse (Arrêt Juste c. Fondation Brouilly et Duvalier<br />
ACJC/1521/2007 du 13 décembre 2007 de la Cour de justice de<br />
Genève = SJ 2008 I 369).<br />
16 Banque Mondiale, World Development Report 2002, Washington<br />
D.C. 2002, p. 232.<br />
17 RO 1997 p. 1149.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 276 10.3.2009 9:12:<strong>03</strong> Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />
ron six millions de francs furent répertoriés. 18 Peu après, la<br />
RDC compléta sa demande d’entraide et l’OFJ ordonna le gel<br />
des avoirs appartenant au clan Mobutu dans la mesure où ils<br />
n’étaient pas déjà visés par l’ordonnance du CF. Ces mesures<br />
furent confi rmées par le TF sur recours des hoirs de Mobutu.<br />
19 Par la suite, l’OFJ étendit encore la procédure d’entraide<br />
aux comptes déclarés conformément à l’ordonnance du CF.<br />
Le montant fi nalement gelé par la Suisse s’éleva à environ<br />
7,7 millions de francs.<br />
Pour faire aboutir la requête d’entraide, la RDC devait encore<br />
démontrer l’existence d’un lien direct entre les infractions<br />
reprochées à Mobutu et les biens bloqués en Suisse. 20 Malgré<br />
de nombreux rappels successifs du côté suisse, les autorités<br />
congolaises ne montrèrent aucun empressement à fournir les<br />
preuves nécessaires à l’octroi de l’entraide. 21 En conséquence,<br />
l’OFJ, constatant qu’il n’était pas possible d’établir qu’une<br />
procédure pénale était encore ouverte en RDC contre Mobutu<br />
et ses proches et que les faits faisant l’objet de cette procédure<br />
semblaient prescrits au regard du droit suisse, dut fi nalement<br />
se résoudre, en décembre 20<strong>03</strong>, à rendre une décision négative<br />
terminant la procédure d’entraide.<br />
Le CF ordonna alors un blocage «politique» des avoirs sur<br />
la base de l’art. 184 al. 3 Cst. pour une durée de trois ans.<br />
Durant cette période, le CF confi a au DFAE un mandat de<br />
facilitateur pour assister les parties dans la recherche d’une<br />
issue aussi satisfaisante que possible. Le blocage, renouvelé<br />
en 2006, devait échoir le 15 décembre 2008. C’est dans ce<br />
contexte qu’intervinrent les décisions des 12 décembre 2008<br />
et 25 février 2009. 22<br />
III. Les récentes décisions Duvalier<br />
et Mobutu<br />
A. Les décisions des 2 juillet 2008 et<br />
12 février 2009<br />
En date du 2 juillet 2008, l’OFJ a maintenu le blocage des<br />
fonds Duvalier dans le cadre d’une nouvelle procédure d’en-<br />
18 Alvaro Borghi, Le blocage et la restitution internationale des<br />
biens illicitement acquis, Lausanne 2006, p. 188.<br />
19 Hoirs de feu Mobutu Sese Seko c. Offi ce fédéral de la police,<br />
arrêt non publié du 28 janvier 1998, rés. in: Maurice Harari/<br />
Corinne Corminboeuf, EIMP révisée: Considérations critiques<br />
sur quelques arrêts récents, <strong>AJP</strong>/PJA 1999, p. 145.<br />
20 Communiqué de presse de l’OFJ du 11 mai 1998.<br />
21 Borghi (n. 18), p. 190.<br />
22 Notons encore que les fonds Mobutu en Suisse ont fait l’objet<br />
d’une procédure parallèle de poursuite de la part d’un de ses<br />
créanciers (ATF 132 I 229). Cette procédure a donné lieu à<br />
des réfl exions intéressantes sur la hiérarchie entre une mesure<br />
«politique» de blocage et un jugement défi nitif et exécutoire allouant<br />
une partie de ces fonds au créancier.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
traide judiciaire. 23 Dans le même temps, il a invité les détenteurs<br />
des comptes à prouver, pour la fi n septembre 2008,<br />
que ces avoirs – totalisant environ sept millions de francs –<br />
n’étaient pas d’origine délictueuse. 24 Sans réponse des intéressés<br />
dans ce délai, les fonds seraient restitués à Haïti. Cette<br />
décision ayant rendu caduc le blocage politique des fonds en<br />
vigueur jusque là, le CF a, dans le même temps, mis fi n à<br />
cette mesure. 25<br />
Le 12 février dernier, l’OFJ a ordonné la remise des fonds<br />
bloqués à Haïti, les détenteurs des comptes n’ayant pu démontrer<br />
que ces avoirs ne sont pas d’origine criminelle.<br />
Conformément à cette décision, les avoirs doivent être affectés<br />
à des projets de développement au profi t de la population<br />
haïtienne. 26 La décision du 12 février 2009 est une décision<br />
de clôture de la procédure d’entraide 27 et reste sujette à recours<br />
devant la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral<br />
(TPF) dans un délai de 30 jours. 28<br />
B. Les décisions des 12 décembre 2008<br />
et 25 février 2009<br />
Dans la perspective de l’échéance du délai, au 15 décembre<br />
2008, du blocage des fonds Mobutu, le gouvernement suisse<br />
a relancé une dernière fois les autorités congolaises. Donnant<br />
suite à la proposition suisse, la RDC a fi nalement mandaté un<br />
avocat suisse afi n d’entreprendre les procédures utiles en vue<br />
de la confi scation des avoirs de l’ancien dictateur en Suisse.<br />
Vu les signes de bonne volonté de la part de la RDC, le CF a<br />
décidé, en date du 12 décembre 2008, de prolonger une «ultime»<br />
fois la mesure de blocage jusqu’au 28 février 2009 afi n<br />
de permettre la concrétisation des démarches projetées par<br />
la RDC. 29<br />
23 Il s’agit d’une décision incidente fondée sur l’art. 74a EIMP (remise<br />
en vue de confi scation ou de restitution) sujette à recours<br />
dans le délai de dix jours, conditionné toutefois à l’existence<br />
d’un «préjudice immédiat et irréparable». En l’espèce, aucun<br />
recours n’a été interjeté par le clan Duvalier.<br />
24 OFJ (n. 1). Relevons que, sur suggestion du gouvernement<br />
suisse, c’est un avocat suisse, mandaté par Haïti, qui a rédigé la<br />
nouvelle requête d’entraide. Ses honoraires sont pris en charge<br />
par la Direction du développement et de la coopération (DDC).<br />
25 Cette décision a été suivie d’une décision de clôture de la procédure<br />
de recours contre la prolongation du blocage des fonds du<br />
22 août 2007 pendante devant le TAF (Décision C-7589/2007<br />
du 17 juillet 2008 du TAF).<br />
26 Notons que les modalités imposées de restitution soulèvent de<br />
nombreuses questions quant au respect de la souvraineté étatique,<br />
d’une part, et à la manière d’éviter que l’argent vienne à<br />
nouveau alimenter un État victime de corruption, d’autre part.<br />
27 Art. 80d EIMP.<br />
28 Art. 80e et 80k EIMP.<br />
29 DFAE (n. 3). Comme dans l’affaire Duvalier, les frais de procédure<br />
et les honoraires de cet avocat sont supportés par la<br />
Suisse.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 277 10.3.2009 9:12:04 Uhr<br />
277
278<br />
Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon<br />
La RDC a déposé une dénonciation pénale auprès du Ministère<br />
public de la Confédération (MPC) le 23 janvier 2009.<br />
Suite à ce nouveau développement, le CF a estimé nécessaire<br />
d’ordonner une extension de deux mois de la prolongation<br />
du blocage, soit jusqu’au 30 avril 2009. 30<br />
La nature juridique de la mesure du CF du 12 décembre<br />
2008, respectivement du 25 février 2009, est une question<br />
qui, déjà par le passé, a soulevé un certain nombre de problèmes.<br />
31 Il s’agit d’une mesure fondée sur l’art. 184 al. 3 Cst.<br />
prise en vue de la sauvegarde des intérêts du pays. Selon cet<br />
article, ces mesures revêtent la forme de l’ordonnance lorsqu’elles<br />
constituent des règles de droit au sens de l’art. 22<br />
al. 4 LParl 32 et celle de décision lorsqu’elles visent des cas<br />
particuliers. 33 La mesure du 12 décembre 2008, respectivement<br />
du 25 février 2009, s’apparente donc à une ordonnance<br />
puisqu’elle présente un caractère général et abstrait propre<br />
à une règle de droit. 34 Cette mesure s’adresse en effet à une<br />
pluralité de personnes et à différents biens, y compris ceux<br />
non encore connus.<br />
C. Deux États «défaillants»<br />
Les affaires Duvalier et Mobutu présentent plusieurs points<br />
communs. Premièrement, elles concernent deux États «défaillants».<br />
L’instabilité politique, ainsi que les diffi cultés<br />
institutionnelles, économiques et logistiques propres à ces<br />
pays, compliquent les relations qu’ils ont avec d’autres États,<br />
notamment en matière d’entraide pénale internationale. La<br />
longueur et l’embourbement des procédures relatives à ces<br />
deux affaires en sont une illustration. Deuxièmement, ces<br />
affaires portent sur la confi scation et la restitution d’avoirs,<br />
situés en Suisse, en possession de leurs anciens dirigeants et<br />
dont l’origine, selon toute vraisemblance, est illicite.<br />
Bien que partant d’une situation initiale similaire, ces<br />
États ont emprunté des voies différentes en vue de la restitution<br />
des fonds de PEP. Dans le cas haïtien, le gouvernement,<br />
après avoir introduit des procédures judiciaires contre<br />
Duvalier en Haïti, a procédé par la voie de l’entraide afi n de<br />
demander la confi scation des fonds bloqués sur la base de<br />
l’EIMP. De son côté, le gouvernement congolais a choisi la<br />
voie du droit interne, en application de l’art. 72 CP, 35 en déposant<br />
plainte pénale auprès du MPC.<br />
Le présent article considère toutefois ces deux affaires<br />
dans la perspective de l’entraide internationale sans s’attarder<br />
sur les voies traditionnelles de confi scation offertes par<br />
la législation domestique suisse. Ce choix se justifi e, d’une<br />
30 DFAE (n. 4).<br />
31 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 4.5; ATF 132 I<br />
229 consid. 4.3 et les réf. citées.<br />
32 Loi sur l’Assemblée fédérale (LParl, RS 171.10).<br />
33 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 4.5; ATF 132 I<br />
229 consid. 4.3 et les réf. citées.<br />
34 Ibid.<br />
35 Code pénal suisse (CP, RS 311.0).<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
part, parce que que la «défaillance» commune de ces deux<br />
États et les problèmes en résultant sont à l’origine de l’initiative<br />
du législateur de rédiger un projet de loi en vue de<br />
compléter sa législation sur l’entraide internationale en matière<br />
de confi scation d’avoirs des PEP. D’autre part, bien que<br />
l’affaire Mobutu semble s’être engagée sur la voie pénale, la<br />
voie de l’entraide reste une alternative valable dans le cas où<br />
le MPC viendrait à classer l’affaire.<br />
IV. La pratique suisse en matière de<br />
restitution spontanée de fonds à la<br />
lumière des récentes décisions<br />
Duvalier et Mobutu<br />
A. Cadre légal<br />
Le blocage, respectivement la confi scation, d’avoirs appartenant<br />
à des PEP et leur restitution à des «États défaillants» est<br />
une confi guration qui pose de nombreux problèmes. Nous y<br />
reviendrons plus loin, après avoir situé la question qui nous<br />
occupe dans le cadre légal existant et en avoir défi ni certaines<br />
notions.<br />
1. Personnes exposées politiquement<br />
D’une manière générale, les PEP sont «des personnes qui<br />
exercent, ou qui ont par le passé exercé des fonctions publiques<br />
de premier plan dans un pays donné». 36 L’art. 1<br />
OBA-FINMA 1 37 apporte une défi nition plus précise de cette<br />
notion et qualifi e de PEP: «(1) les personnes suivantes qui<br />
occupent des fonctions publiques importantes à l’étranger:<br />
les chefs d’État ou de gouvernement, les politiciens de haut<br />
rang au niveau national, les hauts fonctionnaires de l’administration,<br />
de la justice, de l’armée et des partis au niveau<br />
national, les plus hauts organes des entreprises étatiques<br />
d’importance nationale; (2) les entreprises et les personnes<br />
qui, de manière reconnaissable, sont proches des personnes<br />
précitées pour des raisons familiales ou personnelles ou pour<br />
des raisons d’affaires». 38 De part leurs fonctions et leurs activités,<br />
Duvalier et Mobutu sont à qualifi er de PEP.<br />
36 GAFI, Les quarante recommandations (20<strong>03</strong>), disponibles à<br />
l’adresse électronique: http://www.fatf-gafi .org/document/<br />
23/0,3343,fr_3225<strong>03</strong>79_32236920_34920215_1_1_1_1,00.<br />
html#lesquarante.<br />
37 Ordonnance de l’Autorité fédérale de surveillance des marchés<br />
fi nanciers sur la prévention du blanchiment d’argent et<br />
du fi nancement du terrorisme dans le domaine des banques,<br />
des négociants en valeurs mobilières et des placements collectifs<br />
(Ordonnance 1 de la FINMA sur le blanchiment d’argent,<br />
OBA-FINMA 1, RS 955.022).<br />
38 V. aussi Carlo Lombardini, Banques et blanchiment d’argent,<br />
Zurich 2006, p. 28.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 278 10.3.2009 9:12:04 Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />
2. La confi scation<br />
a. Absence de confi scation autonome<br />
Relevons tout d’abord qu’il n’existe pas en Suisse de confi scation<br />
autonome. En droit suisse, la confi scation implique<br />
que la juridiction helvétique soit compétente. 39 Ainsi, en dehors<br />
de toute coopération internationale requise de la Suisse<br />
par un État étranger ou de tout rattachement de l’infraction<br />
à la Suisse, des valeurs patrimoniales ne sauraient, en l’état<br />
du droit actuel, faire l’objet d’une confi scation. Comme l’a<br />
relevé le TF, il appartient au législateur fédéral de défi nir<br />
à quelles conditions une mesure de confi scation autonome<br />
pourrait intervenir. 40<br />
Les art. 70 ss CP – en particulier l’art. 72 CP – prévoient<br />
certes la confi scation de valeurs patrimoniales qui sont le résultat<br />
d’une infraction. Mais celle-ci doit résulter d’une procédure<br />
pénale suisse, ce qui requiert que le juge suisse soit compétent.<br />
41 Ce rattachement reste néanmoins diffi cile à établir. 42<br />
b. La confi scation internationale<br />
Parmi les instruments internationaux en matière de restitution<br />
de biens, 43 la Convention de l’ONU contre la corruption joue<br />
un rôle clé. Pour la première fois, un instrument multilatéral<br />
pose de manière contraignante le principe de la restitution<br />
des avoirs acquis illicitement. 44 Cette convention n’ayant pas<br />
encore été ratifi ée par la Suisse, elle est toutefois exclue du<br />
cadre légal analysé dans le présent article.<br />
c. La voie de l’entraide internationale<br />
i. Champ d’application<br />
En l’absence de confi scation autonome et internationale, la<br />
confi scation de biens sur le territoire suisse appartenant à<br />
des PEP passe, pour l’heure, principalement par la voie de<br />
l’entraide judiciaire pénale. Les affaires Marcos, 45 Abacha46 39 Mark Pieth, Die Herausgabe illegal erworbener Vermögenswerte<br />
an sog. «Failing States», in: Marcel Niggli/José<br />
Pozo Hurtado/Nicolas Quelloz (édit.), Festschrift für Franz<br />
Riklin, Zurich 2007, p. 5<strong>03</strong>.<br />
40 ATF 128 IV 145.<br />
41 ATF 6B.722/2007 du 9 mai 2008.<br />
42 C’est toutefois l’une des voies empruntées, avec succès, dans<br />
l’affaire Abacha. C’est également la voie actuellement privilégiée<br />
par la RDC.<br />
43 Convention de l’OCDE sur la lutte contre la corruption d’agents<br />
publics étrangers dans les transactions commerciales internationales<br />
(RS 0.311.21); Convention pénale du Conseil de l’Europe<br />
sur la corruption (RS 0.311.55); Convention du Conseil de<br />
l’Europe relative au blanchiment, au dépistage, à la saisie et à la<br />
confi scation des produits du crime (RS 0.311.53).<br />
44 La Convention contient un chapitre entier consacré au recouvrement<br />
d’avoirs et aux mesures connexes (Chapitre V, art. 51 à<br />
59).<br />
45 ATF 113 Ib 257 = JdT 1989 IV 29.<br />
46 ATF 1A.215/2004 du 7 février 2005.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
et Montesinos 47 en sont quelques exemples. Avant de nous<br />
pencher sur les modalités de cette confi scation, il convient<br />
d’abord de bien circonscrire le champ d’application de l’entraide.<br />
Conformément à l’art. 1 er al. 4 EIMP, la loi ne confère<br />
aucun droit à un État requérant d’exiger une coopération internationale<br />
en matière pénale, sous réserve de l’obligation<br />
qui lui serait faite de fournir l’entraide en vertu d’un traité<br />
qui le lierait avec l’État demandeur. Or, dans le cas des avoirs<br />
Duvalier et Mobutu, ce traité fait précisément défaut. Traditionnellement,<br />
la Suisse s’est toutefois montrée disposée à<br />
procéder à des actes d’entraide en faveur d’États étrangers,<br />
même en l’absence d’un traité d’entraide. 48<br />
La coopération judiciaire internationale que la Suisse peut<br />
apporter à des États requérants est une procédure à vocation<br />
administrative qui ne porte ni sur une accusation en matière<br />
pénale, ni sur une contestation concernant des droits de nature<br />
civile au sens de l’art. 6 ch. 1 CEDH. 49 Elle ne représente<br />
pas non plus un simple prolongement, sur le territoire<br />
de l’État requis, de la procédure pénale ouverte dans l’État<br />
requérant. 50 Cependant, cette coopération présuppose – en<br />
particulier dans l’examen du contrôle de la double incrimination<br />
– que l’État requis vérifi e que l’infraction motivant la<br />
demande soit punissable selon son droit pénal matériel interne.<br />
51<br />
Par ailleurs, même si l’État requis prête assistance à l’État<br />
requérant, son bon vouloir est limité par la loi. Rappelons<br />
à cet égard l’existence de l’art. 67a EIMP (transmission<br />
spontanée de moyens de preuve et d’informations). C’est<br />
dans ce cadre-là que doivent être examinés les récents développements<br />
doctrinaux et jurisprudentiels en matière de<br />
restitution spontanée de fonds.<br />
En outre, même si la Suisse est liée par des conventions, la<br />
restitution «spontanée» est soumise à des conditions strictes.<br />
On en veut pour preuve l’art. 18 ch. 4 let. f de la Convention<br />
du Conseil de l’Europe relative au blanchiment, au dépistage,<br />
à la saisie et à la confi scation des produits du crime.<br />
Selon cette disposition, la Suisse peut refuser la coopération<br />
si la demande de confi scation de fonds se rapporte «à une<br />
décision de confi scation rendue en l’absence de la personne<br />
visée par la décision et si, selon la partie requise, la procédure<br />
engagée par la partie requérante et qui a conduit à cette<br />
décision n’a pas satisfait aux droits minima de la défense reconnus<br />
à toute personne accusée d’une infraction».<br />
47 ATF 1A.70/20<strong>03</strong> du 8 septembre 20<strong>03</strong>.<br />
48 Ces actes ont pu prendre la forme de blocages de fonds (art. 18<br />
et 63 EIMP), de remises de moyens de preuves (art. 74 EIMP)<br />
et, dans la mesure où il existe un jugement défi nitif et exécutoire<br />
conforme aux droits de l’homme et aux garanties fondamentales,<br />
de remises en vue de confi scation ou de restitution (art. 74a<br />
EIMP).<br />
49 ATF 123 II 161 consid. 3a = JdT 1999 IV 55.<br />
50 ATF 127 II 104 consid. 3d.<br />
51 ATF 124 II 120 consid. 4c = SJ 1998 I 487.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 279 10.3.2009 9:12:04 Uhr<br />
279
280<br />
Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon<br />
ii. Remise en vue de confi scation ou de restitution:<br />
l’art. 74a EIMP<br />
Depuis la révision de l’EIMP, 52 la législation suisse permet<br />
une remise anticipée d’objets ou de valeurs saisis à titre<br />
confi scatoire par le biais de l’art. 74a EIMP.<br />
L’alinéa 1 énonce le principe selon lequel, sur demande<br />
de l’autorité étrangère compétente, les objets ou valeurs saisis<br />
à titre conservatoire peuvent lui être remis au terme de la<br />
procédure d’entraide en vue de confi scation ou de restitution<br />
de l’ayant droit. Cela implique, d’une part, que la remise de<br />
tels biens à l’État requérant ne peut avoir lieu que dans un but<br />
précis et, d’autre part, que cet État doit avoir ouvert une procédure<br />
interne tendant à leur confi scation ou à leur restitution<br />
à l’ayant droit. 53<br />
L’alinéa 3 laisse à l’autorité un large pouvoir d’appréciation<br />
pour décider si et à quelles conditions la remise peut<br />
avoir lieu. 54 «En règle générale», les autorités de l’État requis<br />
doivent attendre «une décision défi nitive et exécutoire de<br />
l’État requérant», puis examiner si cette décision a été rendue<br />
à l’issue d’une «procédure répondant aux exigences des<br />
art. 4, 58 [a]Cst. et 6 CEDH et si elle est conforme à l’ordre<br />
public suisse par son contenu, sans pour autant faire application<br />
des art. 94 ss EIMP». 55 Cette formulation laisse penser<br />
que l’absence de décision exécutoire et défi nitive relève de<br />
l’exception, ce que porte d’ailleurs à croire le Message du<br />
CF. 56 Partant, des indices relativement forts sont nécessaires<br />
pour justifi er son application. Faute d’une décision défi nitive<br />
et exécutoire, l’autorité compétente doit décider de la remise<br />
après avoir pris en compte toutes les particularités du cas. 57<br />
52 Message du 29 mars 1995 (MCF EIMP), FF 1995 III 1. La révision<br />
du 4 octobre 1996 avait essentiellement pour but de simplifi<br />
er et d’accélérer la procédure d’entraide en vue, notamment,<br />
de renforcer la collaboration internationale entre autorités de<br />
poursuite pénale. L’essentiel des modifi cations proposées portait<br />
sur la partie générale ainsi que la troisième partie de l’EIMP<br />
consacrée à l’entraide accessoire. L’une des nouveautés de cette<br />
révision a été l’introduction d’une disposition séparée relative à<br />
la remise d’objets ou de valeurs en vue de leur confi scation ou<br />
de leur restitution à l’ayant droit dans l’État requérant (art. 74a<br />
EIMP).<br />
53 Borghi (n. 18), p. 175.<br />
54 Id., p. 108.<br />
55 Maurice Harari, Remise internationale d’objets et valeurs:<br />
réfl exions à l’occasion de la modifi cation de l’EIMP, in:<br />
Christian-Nils Robert/Bernhard Sträuli (édit.), Procédure pénale,<br />
droit pénal international, entraide pénale: Études en l’honneur<br />
de Dominique Poncet, Chêne-Bourg 1997, p. 198; MCF<br />
EIMP (n. 52), p. 8. Sur la question du rapport de l’art. 74a EIMP<br />
et de l’art. 94 EIMP v. Robert Zimmermann, La coopération<br />
judiciaire internationale en matière pénale, Berne 2004, p. 108.<br />
56 MCF EIMP (n. 52), p. 14 s.<br />
57 ATF 123 II 595 consid. 4 et 5. Dans cet arrêt relatif aux fonds<br />
Marcos, le TF a considéré que «compte tenu de l’intérêt de la<br />
Suisse à une restitution immédiate des valeurs et de la provenance<br />
manifestement délictueuse de ces dernières, une remise<br />
immédiate se justifi e, pour autant que les Philippines garantis-<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Si l’affaire n’est pas claire, la remise anticipée n’est pas accordée.<br />
58 La Suisse dépend ainsi, dans une large mesure, de<br />
la bonne volonté et de la coopération des autorités judiciaires<br />
de l’État d’origine des fonds. 59<br />
La remise de nature confi scatoire est une mesure défi nitive.<br />
60 Puisqu’elle atteint plus lourdement la personne concernée<br />
et les tiers, elle suppose davantage de circonspection de<br />
la part de l’État requis et ne peut être prononcée qu’en présence<br />
de solides éléments de preuve. 61 Cela est d’autant plus<br />
vrai lorsqu’il s’agit d’une remise intervenant en l’absence<br />
d’une décision défi nitive et exécutoire de l’État requérant.<br />
Les affaires Duvalier et Mobutu posent justement la question<br />
des éléments de preuve nécessaires à la motivation d’une<br />
telle requête.<br />
iii. La jurisprudence Abacha<br />
Dans son fameux arrêt du 7 février 2005 concernant la restitution<br />
des fonds Abacha au Nigéria, le TF a conclu que<br />
l’art. 74a al. 3 EIMP devait être interprété à la lumière de<br />
l’art. 72 CP (art. 59 ch. 3 aCP). 62 Le TF fonda son argumentation<br />
sur la volonté du CF, par l’introduction de cette nouvelle<br />
norme, de déroger à la règle – prévalant tant en droit interne<br />
qu’en matière d’entraide judiciaire internationale – selon laquelle<br />
une valeur ne peut être confi squée que s’il est possible<br />
d’établir l’infraction dont elle provient. Le but était ainsi de<br />
faciliter l’entraide judiciaire et l’exécution de confi scations<br />
étrangères portant sur des valeurs patrimoniales acheminées<br />
en Suisse par des organisations criminelles. Le TF alla même<br />
plus loin en déclarant que «même si le Message ne le dit pas,<br />
l’art. 59 ch. 3 deuxième phrase [a]CP, s’applique aussi dans<br />
le domaine de l’entraide judiciaire». 63 Il en résulte qu’un PEP<br />
et son entourage peuvent recevoir la qualifi cation d’organisation<br />
criminelle. Partant, leurs fonds sont présumés d’origine<br />
délictueuse à moins qu’ils n’apportent la preuve du contraire.<br />
À défaut d’avoir renversé la présomption de l’art. 59 ch. 3<br />
deuxième phrase aCP, la remise est ordonnée en application<br />
de l’art. 74a al. 3 EIMP, sans autre examen de la provenance<br />
des fonds réclamés. 64<br />
sent une procédure de restitution ou de confi scation conforme<br />
au Pacte ONU II».<br />
58 Zimmermann (n. 55), p. 201.<br />
59 Morier (n. 11), p. 273.<br />
60 Id., p. 196.<br />
61 Harari (n. 55), p. 197.<br />
62 ATF 1A.215/2004 du 7 février 2005 consid. 9.1.<br />
63 Dans ce sens également: Harari (n. 55), p. 185; Florian<br />
Baumann, in: Marcel Niggli/Hans Wiprächtiger (édit.), Basler<br />
Kommentar StGB, Bâle 20<strong>03</strong>, ad art. 59 aCP, n. 75, est plus<br />
réticent: tout en soulignant que l’art. 74a EIMP vise la remise<br />
du produit de l’infraction et non pas les valeurs soumises au<br />
pouvoir de disposition d’une organisation criminelle, il admet<br />
une telle remise pour autant que les droits des tiers de bonne foi<br />
soient sauvegardés.<br />
64 ATF 1A.215/2004 du 7 février 2005 consid. 9.1.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 280 10.3.2009 9:12:04 Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />
Le TF a conclu en donnant instruction à l’OFJ d’offrir<br />
aux détenteurs des comptes visés la possibilité de faire valoir<br />
les arguments propres à renverser la présomption posée<br />
à l’art. 59 ch. 3 deuxième phrase aCP, c’est-à-dire de démontrer<br />
que les fonds saisis ne sont pas d’origine criminelle.<br />
La qualifi cation d’organisation criminelle de certains PEP<br />
et leur entourage, de même que le renversement du fardeau<br />
de la preuve qui en découle, ont marqué un tournant dans<br />
la réfl exion juridique relative à la confi scation des avoirs de<br />
criminels internationaux.<br />
3. Le blocage «politique»: l’art. 184 al. 3 Cst.<br />
L’art. 184 al. 3 Cst. (art. 102 ch. 8 aCst.) prévoit la compétence<br />
explicite du CF d’adopter des ordonnances et de prendre<br />
des décisions lorsque la sauvegarde des intérêts du pays<br />
l’exige. Une deuxième phrase précise que les ordonnances<br />
doivent être limitées dans le temps. 65 Cet article permet<br />
ainsi au CF d’ordonner le blocage de biens situés en Suisse<br />
lorsque leur remise pourrait être contraire aux intérêts de la<br />
Suisse, afi n notamment de préserver la sécurité et l’intégrité<br />
de la place fi nancière helvétique.<br />
La première mesure de blocage de biens à titre de mesure<br />
de politique extérieure fut prise en 1986 à l’encontre des<br />
avoirs de l’ancien président philippin Marcos. 66 Par la suite,<br />
s’appuyant à nouveau sur l’art. 184 al. 3 Cst., le CF édicta<br />
l’ordonnance relative à la sauvegarde des avoirs de la RDC<br />
en Suisse. Les décisions des 12 décembre 2008 et 25 février<br />
2009 reposent également sur cette norme. L’affaire Duvalier<br />
est un autre cas d’application de l’art. 184 al. 3 Cst. dont le<br />
CF usa à de nombreuses reprises.<br />
B. Les décisions Duvalier et Mobutu:<br />
un équilibre périlleux des intérêts<br />
juridiques en jeu<br />
Malgré l’effi cacité de la législation actuelle en matière de<br />
restitution des avoirs de PEP, les affaires Duvalier et Mobutu<br />
testent les limites du système prévu par l’EIMP qui présuppose<br />
la remise d’une requête d’entraide par un État étranger.<br />
Or, dans les cas d’Haïti et de la RDC, c’est précisément l’absence<br />
d’une requête d’entraide qui a conduit à la paralysie du<br />
système existant. Que faire donc lorsque l’État censé être requérant<br />
ne veut, respectivement ne peut, formuler de requête<br />
d’entraide demandant la restitution des fonds aux conditions<br />
exigées par la législation suisse? C’est là tout le problème des<br />
«États défaillants» qui, soit par manque de volonté politique<br />
(corruption, climat d’impunité, etc.), soit par impossibilité<br />
matérielle (système judiciaire inexistant ou faible, incapacité<br />
65 Borghi (n. 18), p. 132.<br />
66 Id., p. 133; Pascal Mahon/Jean-François Aubert, Petit<br />
Commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération<br />
suisse du 18 avril 1999, Zurich 20<strong>03</strong>, ad art. 18, rem. 13 ss.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
technique ou logistique, etc.), ne sont pas en mesure d’utiliser<br />
la voie de l’entraide internationale.<br />
Dans un tel contexte, les récentes décisions Duvalier et<br />
Mobutu mettent en évidence l’exercice d’équilibriste auquel<br />
doivent s’adonner les autorités d’exécution confrontées à des<br />
fonds revenant à des États défaillants. Ces autorités se trouvent<br />
en effet tiraillées entre leur devoir de fi délité aux principes<br />
de l’État de droit et leur bonne volonté d’aider des États<br />
nécessiteux. Cet exercice se révèle d’autant plus complexe<br />
que les exigences de l’État de droit sont rigoureuses.<br />
Les mesures prises à titre de confi scation – au contraire<br />
de la procédure d’entraide proprement dite – consistent, en<br />
effet, en une «contestation sur des droits ou obligations de<br />
caractère civil» au sens de l’art. 6 ch. 1 CEDH. 67 Celles-ci<br />
doivent donc, sauf exception expressément prévue par la loi,<br />
respecter les garanties procédurales qui en découlent, notamment<br />
la garantie d’accès au juge (1). De plus, l’exercice du<br />
pouvoir d’appréciation de l’autorité compétente reste limité<br />
par les principes généraux de la procédure administrative,<br />
à savoir ceux de la légalité (2) et de la proportionnalité (3),<br />
ainsi que les garanties de procédure fondamentales telle la<br />
répartition du fardeau de la preuve au regard de la présomption<br />
d’innocence (4).<br />
1. Garantie d’accès au juge<br />
Une décision gelant des fonds équivaut à une saisie et touche<br />
directement la personne concernée par la mesure dans ses<br />
droits de caractère civil. Celle-ci dispose en conséquence du<br />
droit d’accès au juge (art. 6 ch. 1 CEDH). 68<br />
Dans le cas d’une confi scation au sens de l’art. 74a EIMP<br />
(affaire Duvalier), les voies de droit sont clairement réglées<br />
par l’EIMP et ne soulèvent aucun problème particulier quant<br />
au respect du droit d’accès au juge. Ce n’est par contre pas le<br />
cas d’un blocage ordonné sur la base de l’art. 184 al. 3 Cst.<br />
(affaire Mobutu), respectivement d’une décision d’exécution<br />
fondée sur une telle ordonnance. Ici, il faut distinguer entre<br />
une mesure prise sous la forme d’une ordonnance et une mesure<br />
prise sous la forme d’une décision du CF.<br />
S’agissant d’une ordonnance, aucune voie de recours<br />
n’est ouverte contre celle-ci. La possibilité de se prévaloir<br />
du droit à ce que sa cause soit jugée par une autorité judiciaire<br />
(art. 29a Cst.) a été rejetée par la jurisprudence qui y<br />
a opposé l’exception expresse prévue à l’art. 189 al. 4 Cst. 69<br />
De même, l’art. 6 ch. 1 CEDH ne permet pas de déduire<br />
un droit à voir sa cause examinée par un juge dans le cadre<br />
d’une ordonnance confi scatoire. Cette disposition implique<br />
l’existence d’une contestation réelle et précise; un lien ténu<br />
ou des répercussions lointaines ne suffi sent pas. L’issue de la<br />
67 Convention de sauvegarde des droits de l’homme et des libertés<br />
fondamentales (CEDH, RS 0.101).<br />
68 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 11.6; ATF 132 I<br />
229 consid. 6.3.<br />
69 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 9.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 281 10.3.2009 9:12:05 Uhr<br />
281
282<br />
Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon<br />
procédure doit être directement déterminante pour le droit en<br />
question. 70 Or, la seule existence d’une ordonnance ne met<br />
pas encore en jeu les droits et obligations protégés par la disposition<br />
conventionnelle. Le lien concret fait dans ce cas défaut.<br />
71 L’autorité a toutefois le devoir de publier cette ordonnance<br />
à caractère confi scatoire. Le CF n’a pas semblé très<br />
soucieux du respect de cette formalité, ce qui a obligé tant le<br />
TF que le TAF à des exercices divinatoires pour conclure à la<br />
qualifi cation d’ordonnance. 72<br />
La situation est différente dans le cas d’une décision<br />
d’exécution d’une mesure ordonnée sur la base de l’art. 184<br />
al. 3 Cst. Cette décision est susceptible de recours auprès du<br />
TAF puisqu’il s’agit d’une décision au sens de l’art. 5 PA<br />
émanant d’une autorité fi gurant à l’art. 33 let. d LTAF 73 – en<br />
règle générale du DFAE – et sujette à recours selon l’art. 31<br />
LTAF. En outre, l’exception prévue à l’art. 32 al. 1 let. a<br />
LTAF ne s’applique pas puisque l’on est en présence de<br />
droits de caractère civil au sens de l’art. 6 ch. 1 CEDH. Il<br />
est vrai que l’application de cette disposition a été niée lorsque<br />
l’autorité dispose d’un libre pouvoir d’appréciation tel<br />
qu’en matière de prérogatives discrétionnaires ou d’actes<br />
de gouvernement. 74 Ces derniers n’échappent toutefois au<br />
contrôle judiciaire que s’ils relèvent de questions politiques<br />
pures comme, par exemple, la question de la reconnaissance<br />
d’un État étranger. Or, la composante politique d’une mesure<br />
se fondant sur l’art. 184 al. 3 Cst. réside uniquement dans la<br />
sauvegarde de l’image de la Suisse et de sa place fi nancière<br />
à l’étranger. Ce but est en principe garanti par l’EIMP ainsi<br />
que par la loi sur le blanchiment d’argent. 75 Ce n’est que dans<br />
le cas d’États défaillants que l’art. 184 al. 3 Cst. intervient et<br />
que le gel des biens s’opère à titre de mesures exceptionnelles<br />
de politique extérieure. Or «[i]l ne serait pas conforme<br />
aux principes régissant un État de droit qu’en présence d’un<br />
même état complexe de faits, les parties se trouvent privées<br />
d’une voie de droit dans un cas (blocage basé sur des motifs<br />
politiques) alors qu’elles en bénéfi cient dans l’autre (blocage<br />
basé sur l’entraide)». 76 Dès lors, il n’y a pas de raison de nier<br />
l’application de l’art. 6 ch. 1 CEDH. Partant, la voie du recours<br />
administratif auprès du TAF est ouverte.<br />
70 ATF 130 I 388 consid. 5.1; ATF 127 I 115 consid. 5b; Cour européenne<br />
des droits de l’homme (Cour eur. DH), Arrêt Athanassoglou<br />
et autres c. Suisse du 6 avril 2000, Recueil des arrêts et décisions,<br />
2000 IV p. 217, par. 43; Cour eur. DH, Arrêt Werner c.<br />
Autriche du 24 novembre 1997, Recueil, 1997 VII p. 2496, par.<br />
34; Cour eur. DH, Arrêt Balmer-Schafroth et autres c. Suisse<br />
du 26 août 1997, Recueil, 1997 IV p. 1346, par. 32 et les arrêts<br />
cités.<br />
71 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 9.3.<br />
72 Id., consid. 5.1; ATF 132 I 229 consid. 4.4.<br />
73 Loi sur le Tribunal administratif fédéral (LTAF, RS 173.32).<br />
74 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 12.2 et les réf. citées.<br />
75 Loi sur le blanchiment d’argent (LBA, RS 955.0).<br />
76 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 12.5.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
2. Respect du principe de la légalité<br />
Ancré à l’art. 5 al. 1 Cst., le principe de la légalité implique<br />
que le droit soit la base et la limite de l’activité de l’État. La<br />
restriction à un droit fondamental est permise aux conditions<br />
de l’art. 36 Cst.<br />
a. Garantie de la propriété<br />
Incontestablement, la mesure de blocage, respectivement de<br />
confi scation, porte atteinte au droit fondamental qu’est la garantie<br />
de la propriété (art. 26 Cst.). 77<br />
Une telle restriction doit être fondée sur une base légale,<br />
poursuivre un intérêt public, respecter le principe de la proportionnalité<br />
et ne doit, en principe, pas porter atteinte au<br />
noyau dur de la propriété (art. 36 al. 1 Cst.). 78 La base légale<br />
doit en outre présenter une certaine «densité normative», à<br />
savoir qu’elle soit suffi samment claire et précise. L’exigence<br />
découle non seulement du principe général de la légalité mais<br />
également de la sécurité du droit. 79 Ainsi, plus la gravité est<br />
importante, plus la base légale doit être claire et la restriction<br />
revêtir une forme qualifi ée, c’est-à-dire une loi adoptée par le<br />
législateur formellement institué par la Constitution. 80 Enfi n,<br />
comme le relève le TF, «pour déterminer quel degré de précision<br />
on est en droit d’exiger de la loi, il faut tenir compte<br />
du cercle de ses destinataires et de la gravité des atteintes<br />
qu’elle autorise aux droits fondamentaux (...). Une atteinte<br />
grave exige en principe une base légale formelle claire et précise,<br />
alors que les atteintes plus légères peuvent, par le biais<br />
d’une délégation législative, fi gurer dans des actes de niveau<br />
inférieur à la loi, ou trouver leur fondement dans une clause<br />
générale (...)». 81<br />
Il découle de ce qui précède que, s’il n’existe pas de base<br />
légale claire et suffi sante, l’autorité pourrait tout au plus invoquer<br />
la «clause générale de police» pour justifi er une dérogation<br />
aux droits fondamentaux. Cependant, celle-ci n’est<br />
admise en jurisprudence que pour prévenir ou faire cesser<br />
une «atteinte sérieuse et imminente à l’ordre public, atteinte<br />
qui ne saurait être écartée d’une autre manière». 82<br />
Concrètement, l’EIMP ne contient aucune disposition<br />
claire et précise justifi ant une dérogation aux principes de<br />
l’entraide tels que contenus aux art. 1 et 67a EIMP. Il n’y a<br />
77 Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 26 Cst. et les réf. citées.<br />
78 Id., ad art. 26 Cst., rem. 10 et les réf. citées; Bernhard Ehrenzeller/Philippe<br />
Mastronardi/Rainer Schweizer/Klaus<br />
Vallender, Die Schweizerische Bundesverfassung, St. Galler<br />
Kommentar, Zurich 2002, ad art. 26 Cst., rem. 38 ss et les réf.<br />
citées.<br />
79 Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 36 Cst., rem. 9 et les réf. citées.<br />
80 Id., ad art. 26 Cst., rem. 10 et les réf. citées; ATF 119 1a 362, en<br />
particulier p. 366.<br />
81 ATF 123 I 112, en particulier p. 124, cité expressis verbis par<br />
Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 36 Cst., rem. 9.<br />
82 ATF 1<strong>03</strong> Ia 310, en particulier p. 311 s.; v. aussi Mahon/<br />
Aubert (n. 66) ad art. 36 Cst., rem. 10 et les réf. citées.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 282 10.3.2009 9:12:05 Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />
donc pas de base légale formelle permettant non seulement<br />
de renverser le fardeau de la preuve, mais également d’accorder<br />
l’entraide de façon plus spontanée et facilitée à l’égard<br />
d’États requérants défaillants – tels Haïti et la RDC – qu’à<br />
l’égard d’autres États respectant les conditions posées par les<br />
autorités suisses. Ni la loi ni le Message du CF ne permettent<br />
une telle interprétation. Dans la mesure où l’EIMP ne<br />
contient aucune base légale expresse permettant de justifi er<br />
les décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009 ainsi que<br />
des 12 décembre 2008 et 25 février 2009, des doutes persistent<br />
quant à la légalité de ces mesures. Il s’agit toutefois<br />
d’examiner si d’autres dispositions peuvent remplir avec satisfaction<br />
la condition de la légalité.<br />
b. Bases légales fondant la restitution anticipée<br />
i. L’art. 184 al. 3 Cst.<br />
Comme nous l’avons vu, l’art. 184 al. 3 Cst. permet au CF<br />
de prendre des mesures, sous la forme d’ordonnances ou de<br />
décisions, lorsque la sauvegarde des intérêts du pays l’exige,<br />
pour autant que celles-ci soient «nécessaires» et «limitées<br />
dans le temps». Lorsque ces conditions sont remplies,<br />
l’art. 184 al. 3 Cst. peut constituer une base légale provisoire<br />
suffi sante pour la restriction des libertés fondamentales, pour<br />
autant qu’elles soient justifi ées par un intérêt public et qu’elles<br />
soient proportionnées au but visé. 83 Toutefois, compte<br />
tenu de son caractère limité dans le temps, cette disposition<br />
ne saurait justifi er à elle seule une confi scation – et encore<br />
moins une restitution anticipée – des fonds bloqués dans les<br />
affaires Duvalier et Mobutu.<br />
ii. L’art. 74a EIMP<br />
L’art. 74a EIMP prévoit expressément la restitution anticipée<br />
d’objets ou de valeurs. Comme indiqué, cette disposition<br />
potestative laisse un large pouvoir d’appréciation à l’autorité.<br />
L’alinéa 3 esquisse toutefois un garde-fou: une saisie<br />
confi scatoire n’intervient en règle générale que sur décision<br />
défi nitive et exécutoire de l’État requérant. En l’absence de<br />
cette décision, l’autorité compétente doit procéder à une évaluation<br />
au cas par cas, afi n d’établir l’opportunité d’une restitution.<br />
Sans préjuger des conclusions de cette évaluation dans les<br />
deux affaires qui nous occupent, nous nous bornons à relever<br />
deux points dont doit tenir compte l’autorité compétente lors<br />
d’une éventuelle décision de remise anticipée: d’une part,<br />
l’existence d’un lien entre des crimes avérés et les fonds visés<br />
et, d’autre part, l’absence de prescription de ces crimes.<br />
La confi scation des biens saisis n’est justifi ée que si ceuxci<br />
appartiennent bel et bien à Duvalier, respectivement à Mobutu,<br />
et que ceux-ci les ont acquis illégitimement. Une telle<br />
mesure ne peut viser que le produit résultant d’une infraction.<br />
L’autorité compétente doit être satisfaite des éléments<br />
83 Art. 36 al. 2 et 3 Cst.; ATF 132 I 229 consid. 10.1; ATF 129 II<br />
193 consid. 5.3.3.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
de preuve à disposition. Ceux-ci doivent être d’autant plus<br />
convaincants qu’aucune décision de confi scation, défi nitive<br />
et exécutoire, n’a été rendue en Haïti, respectivement en<br />
RDC.<br />
La question de la prescription s’avère plus épineuse. Selon<br />
la jurisprudence du TF, la prescription absolue est une cause<br />
d’irrecevabilité de la requête d’entraide, lorsque, en particulier,<br />
la Suisse n’est liée à l’État requérant par aucun traité.<br />
Pour le TF, ce sont des raisons d’ordre public qui ont conduit<br />
le législateur à faire de la prescription absolue une cause d’irrecevabilité,<br />
84 sous réserve de règles plus souples résultant<br />
de droits conventionnels, notamment de la Convention européenne<br />
d’entraide judiciaire en matière pénale (CEEJ). 85<br />
Dans l’affaire Duvalier, les faits remontent au temps de sa<br />
présidence (1971 à 1986). Il s’agit, pour la plupart, de crimes<br />
d’origine patrimoniale dont la prescription est aujourd’hui<br />
acquise. Il en va de même dans le cas Mobutu dont les faits<br />
remontent à 1997 et dont la prescription a déjà été relevée par<br />
l’OFJ. 86 L’exercice consiste donc à relier ces avoirs à des crimes<br />
imprescriptibles tels que des crimes contre l’humanité.<br />
Reste que cette infraction n’est pas encore reconnue en tant<br />
que telle en droit suisse. Quant à son imprescriptibilité, l’art.<br />
101 al. 1 let. a CP n’est guère utile à l’heure actuelle. Rappelons<br />
en effet que la Suisse a tout au plus ratifi é la Convention<br />
de 1948 pour la prévention et la répression du crime de<br />
génocide, 87 après avoir auparavant ratifi é les quatre conventions<br />
de Genève. 88 Il n’existe pas de convention concernant<br />
les crimes contre l’humanité. Dès lors, le droit positif suisse<br />
demeure aujourd’hui lacunaire. La partie générale du CP et<br />
du Code pénal militaire (CPM) 89 ne donne que quelques solutions<br />
– notamment sous l’angle de l’art. 6 CP – en relation<br />
avec la compétence des tribunaux pénaux suisses. La notion<br />
de crime contre l’humanité demeurant encore vague en droit<br />
suisse, le CF a jugé utile, en août 2005, de mettre en consultation<br />
un avant-projet portant sur la Loi fédérale relative à la<br />
modifi cation du CP, du CPM ainsi que d’autres lois fédérales<br />
en vue de la mise en œuvre du Statut de Rome de la Cour<br />
pénale internationale. 90 En avril 2008, le CF a diffusé un nouveau<br />
projet (ci-après: Projet) accompagné d’un Message. 91<br />
L’idée est de rendre imprescriptibles, outre le génocide, les<br />
crimes contre l’humanité (art. 264a al. 1 et 2 Projet), les crimes<br />
de guerre (art. 264c al. 1 à 3, 264d al. 1 et 2, 264e al. 1<br />
84 ATF 116 Ib 452 consid. 4a = JdT 1993 IV 159.3.<br />
85 RS 0.351.1. S’agissant de la CEEJ, rappelons que, selon le TF,<br />
il s’agit d’une lacune proprement dite (ATF 118 Ib 266).<br />
86 ATF 132 I 229 consid. C.<br />
87 RS 0.311.11.<br />
88 RS 0.518.12; RS 0.518.23; RS 0.518.42; RS 0.518.51.<br />
89 RS 321.0.<br />
90 Laurent Moreillon, La Suisse et les crimes contre l’humanité,<br />
in: Laurent Moreillon/Aude Bichovsky/Maryam Massrouri<br />
(édit.), Droit pénal humanitaire, 2 e éd., Genève 2009, p. 459 ss,<br />
en particulier p. 460 et les réf. citées.<br />
91 Message du 23 avril 2008, FF 2008 p. 3461 ss.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 283 10.3.2009 9:12:05 Uhr<br />
283
284<br />
Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon<br />
et 2, 264f al. 2, 264g al. 1 et 2 et 264h Projet), ainsi que les<br />
crimes commis en vue d’exercer une contrainte ou une extorsion<br />
et qui mettent en danger – ou menacent de mettre en<br />
danger – la vie et l’intégrité corporelle d’un grand nombre de<br />
personnes, notamment par l’utilisation de moyens d’extermination<br />
massive, par le déclenchement d’une ca tastrophe ou<br />
par une prise d’otages. 92<br />
Notons encore que, dans le cas d’Haïti, l’OFJ a tenté de<br />
contourner l’obstacle de la prescription en réactivant la requête<br />
d’entraide initiale. En effet, la requête présentée par<br />
le gouvernement haïtien en juillet 2008 ne semble pas avoir<br />
été considérée comme une nouvelle requête mais comme un<br />
nouvel épisode de la procédure de 1986, avec pour conséquence<br />
l’interruption de la prescription à la date de la requête<br />
initiale. Il est vrai qu’en vertu des principes inhérents à la<br />
procédure administrative – notamment celui de l’absence<br />
d’exception de chose jugée – l’autorité peut se ressaisir du<br />
dossier, mais il n’est pas sûr que ce raisonnement résiste à<br />
l’épreuve du juge.<br />
iii. Application analogique de l’art. 72 CP<br />
En l’absence de confi scation autonome, le TF a fait preuve<br />
d’innovation lorsqu’il a qualifi é la structure mise en place par<br />
Abacha et ses complices d’organisation criminelle, ouvrant<br />
ainsi la voie à l’application analogique de l’art. 72 CP dans<br />
le cadre de l’entraide internationale (cf. IV.A.2.c.iii). Ce raisonnement<br />
soulève toutefois plusieurs questions.<br />
Dans un arrêt récent, le TF a rappelé qu’une mesure de<br />
confi scation en Suisse requiert que la juridiction suisse soit<br />
compétente, soit sur la base d’un rattachement à la Suisse,<br />
soit sur la base d’une requête d’entraide. Il a indiqué qu’il<br />
n’y avait pas lieu de s’écarter de cette ligne s’agissant de la<br />
confi scation des fonds d’une organisation criminelle pour<br />
soumettre celle-ci au principe de l’universalité. 93 Or, en<br />
l’absence de rattachement à la Suisse, cette compétence fait<br />
précisément défaut dans le cas des États défaillants comme<br />
Haïti ou la RDC, soit que ce rattachement n’existe tout simplement<br />
pas, soit qu’il soit prescrit.<br />
Qui plus est, la légalité de la confi scation pénale au sens<br />
de l’art. 72 CP (art. 59 ch. 3 aCP) est controversée. Pour le<br />
CF, le renversement du fardeau de la preuve n’est pas incompatible<br />
avec l’art. 6 ch. 2 CEDH dans la mesure où il n’a pas<br />
pour objet la question de l’innocence ou de la culpabilité<br />
d’une personne déterminée, mais porte uniquement sur le<br />
point de savoir à qui appartient le pouvoir de disposition sur<br />
des valeurs patrimoniales déterminées. 94 La doctrine suisse<br />
n’est pas unanimement convaincue de la conformité de la<br />
disposition avec la CEDH. Trechsel ne la met pas en doute,<br />
en se référant en particulier à des arrêts de la CEDH rendus<br />
92 Moreillon (n. 90), p. 476 s.<br />
93 ATF 6B.722/2007 du 9 mai 2008.<br />
94 FF 1993 III 311.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
dans des affaires italiennes. 95 Afi n de respecter les garanties<br />
de la CEDH, il lui paraît toutefois nécessaire que les autorités<br />
pénales ne se montrent pas trop strictes sur la contre-preuve<br />
offerte au détenteur des biens, en tout cas lorsque la personne<br />
concernée n’est pas elle-même membre d’une organisation<br />
criminelle. 96 Il est en outre essentiel que les éléments constitutifs<br />
visés à l’art. 260 ter ch. 1 al. 2 CP soient réalisés, ce qui<br />
suppose, en principe, que la personne sache que sa contribution<br />
pourrait servir à la poursuite du but criminel de l’organisation,<br />
ou qu’elle prévoie cette possibilité et l’accepte dans le<br />
cas où elle se réaliserait. En revanche, dans le cas de l’administration<br />
de valeurs patrimoniales, les éléments constitutifs<br />
du soutien à une organisation criminelle ne supposent pas<br />
que la personne sache ou doive supposer que ces valeurs proviennent<br />
d’une infraction concrète. 97 Si des doutes existent<br />
quant à la conformité de l’art. 72 CP à la CEDH, ceux-ci sont<br />
d’autant plus grands s’agissant d’une application analogique<br />
de cette disposition, par voie de jurisprudence, à l’entraide<br />
internationale.<br />
Les considérations qui précèdent montrent que l’utilisation<br />
de l’art. 72 CP dans le cadre de l’entraide internationale<br />
n’est pas sans soulever des problèmes. Son application aux<br />
affaires Duvalier et Mobutu nous paraît diffi cile. La question<br />
de la compétence, tout d’abord, présente un obstacle insurmontable<br />
en l’absence d’une requête d’entraide. La requête<br />
d’entraide déposée par Haïti, ainsi que la plainte intentée par<br />
la RDC, ont permis, provisoirement, de passer outre cette<br />
diffi culté. Toutefois, il reste encore la fragilité de l’exigence<br />
de la contre-preuve compte tenu de son origine jurisprudentielle.<br />
Enfi n, cet article suppose, comme condition première,<br />
la qualifi cation d’organisation criminelle. Or, il n’est pas<br />
avéré que cette qualifi cation puisse s’appliquer à la famille<br />
Duvalier et au clan Mobutu.<br />
3. Respect du principe de la proportionnalité<br />
Une mesure de blocage, respectivement de confi scation, doit<br />
obéir au principe de la proportionnalité. 98 Celui-ci s’impose<br />
tant au regard de l’art. 184 al. 3 Cst. (affaire Mobutu) qu’au<br />
regard des art. 74a EIMP et 72 CP (affaire Duvalier). 99<br />
Pour qu’une mesure soit conforme au principe de la proportionnalité,<br />
il faut qu’elle soit apte à atteindre le but visé,<br />
que ce dernier ne puisse être atteint par une mesure moins<br />
incisive et qu’il existe un rapport raisonnable entre les effets<br />
de la mesure sur la situation de l’administré et le résultat<br />
95 Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch vom<br />
21. Dezember 1937, Kurzkommentar, 2 e éd., Zurich 2005, ad<br />
art. 59 CP, n. 23 et les nombreuses réf. citées.<br />
96 Ibid.<br />
97 ATF 132 IV 132 consid. 4.1.4; ATF 131 II 235 consid. 12.2 =<br />
JdT 2007 IV p. 29; ATF 128 II 355 consid. 2.4 = JdT 2005 IV<br />
p. 270.<br />
98 Art. 36 al. 3 Cst.<br />
99 ATF 132 I 229 consid. 10.1; ATF 123 IV 29 consid. 3a.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 284 10.3.2009 9:12:06 Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />
escompté du point de vue de l’intérêt public. 100 Il n’est jamais<br />
inutile de rappeler que, au sens de la proportionnalité,<br />
le but doit être assez important et doit pouvoir être atteint<br />
de manière assez effi cace pour justifi er, dans son ampleur, la<br />
restriction imposée à la liberté. 101<br />
Savoir si une mesure est nécessaire à la sauvegarde des<br />
intérêts de la Suisse dans les relations avec l’étranger est une<br />
question de droit qui, au vu de ses implications politiques,<br />
comporte une importante marge d’appréciation. Par conséquent,<br />
le TF, outre qu’il ne saurait procéder à un contrôle de<br />
l’opportunité de la mesure, fait preuve d’une grande retenue<br />
dans l’appréciation des faits et la pesée des intérêts en présence<br />
qu’il ne revoit, pratiquement, que sous l’angle de l’arbitraire.<br />
102<br />
Ainsi, au regard de la proportionnalité, une mesure de blocage<br />
qui perdure depuis plus de vingt ans peut s’apparenter à<br />
une confi scation portant atteinte à la garantie de la propriété<br />
protégée par l’art. 26 Cst. 1<strong>03</strong> Il s’ensuit que les blocages des<br />
fonds Duvalier et Mobutu, qui ont duré vingt-trois, respectivement<br />
onze ans, mettent ce principe à rude épreuve. Qui<br />
plus est, le fait que les États concernés n’aient, durant longtemps,<br />
montré aucun intérêt à la procédure de confi scation,<br />
remet en cause l’intérêt public de cette mesure. Il est donc<br />
légitime de se demander si une restitution, au nom de l’intégrité<br />
de la place fi nancière suisse, à un État qui n’est pas<br />
à même de présenter une requête dans ce sens, est vraiment<br />
proportionnée. L’implication des victimes directes de la spoliation,<br />
dont les avoirs confi squés sont le fruit, de même que<br />
des garanties relatives à l’utilisation de ces biens pour des<br />
tâches d’utilité publique, permettraient de rétablir l’équilibre<br />
d’une mesure de confi scation.<br />
4. La charge du fardeau de la preuve au<br />
regard de la présomption d’innocence<br />
Comme relevé précédemment, la règle de l’art. 72 CP demeure<br />
douteuse s’agissant de sa conformité à l’art. 6 ch. 2<br />
CEDH. Certes, l’intéressé peut se voir attribuer la charge de<br />
prouver qu’il n’est pas lié à une organisation criminelle pour<br />
pouvoir revendiquer, en droit suisse, la restitution des fonds.<br />
Cependant, la règle se heurte à une autre, plus fondamentale,<br />
selon laquelle nul n’a l’obligation de s’auto-incriminer. Finalement,<br />
si le tiers n’arrive guère à faire la démonstration<br />
qu’il est un propriétaire légal et licite des fonds, ne court-il<br />
pas le risque d’être recherché pour participation active à une<br />
organisation criminelle?<br />
Comme relevé ci-dessus, la procédure d’entraide judiciaire<br />
a une vocation purement administrative. Dès lors, l’application<br />
de l’art. 6 ch. 2 CEDH pourrait paraître douteuse,<br />
100 ATF 125 I 474 consid. 3 et les arrêts cités.<br />
101 Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 36 Cst., rem. 16 et les réf. citées.<br />
102 ATF 132 I 229 consid. 10.3; ATF 129 II 193 consid. 5.1.<br />
1<strong>03</strong> ATF 1A.335/2005 du 18 août 2006 consid. 6.1.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
s’agissant de l’interprétation telle que conférée par le TF à<br />
l’art. 74a EIMP. À supposer que l’on soit dans une procédure<br />
pénale, il faut encore se demander comment les juges<br />
de Strasbourg règlent la question du fardeau de la preuve.<br />
Celle-ci a été tranchée par la Cour européenne des droits de<br />
l’homme (Cour eur. DH) dans l’affaire Salabiaku c. France.<br />
104 Pour la Cour, la règle du fardeau de la preuve n’est pas<br />
absolue. Tout système juridique connaît nécessairement des<br />
présomptions de fait ou de droit. La CEDH n’y met pas obstacle<br />
en principe. En matière pénale, «elle oblige les États<br />
contractants à ne pas dépasser à cet égard un certain seuil».<br />
Plus particulièrement, si l’art. 6 ch. 2 CEDH «se bornait à<br />
énoncer les garanties à respecter par les magistrats pendant<br />
le déroulement des instances judiciaires, ces exigences se<br />
confondraient en pratique, dans une large mesure, avec le devoir<br />
d’impartialité qu’impose l’art. 6 ch. 1 CEDH». 105 Dans<br />
ce contexte, le grief de la violation de l’art. 6 ch. 2 CEDH<br />
doit être examiné de façon concrète. L’art. 6 CEDH «ne s’intéresse<br />
donc pas aux présomptions de fait ou de droit qui<br />
se rencontrent dans les lois répressives. Il commande aux<br />
États de les enserrer dans des limites raisonnables prenant<br />
en compte la gravité de l’enjeu et préservant les droits de la<br />
défense». 106<br />
Plus particulièrement, si le renversement du fardeau de la<br />
preuve n’est pas un crime en soi, tout va dépendre de la gravité<br />
de la sanction et de la faculté, pour l’intéressé, de pouvoir<br />
participer effi cacement et activement au procès équitable.<br />
107 Pour la Cour, il s’agit de rechercher dans chaque cas<br />
si les limites de la présomption ont été franchies au détriment<br />
de l’accusé. 108 Dans la mesure où l’intéressé a la faculté<br />
d’apporter la preuve qu’il n’est pas l’auteur de l’infraction,<br />
qu’il peut amener des éléments établissant qu’il y a doute sur<br />
sa participation, qu’il peut invoquer le bénéfi ce de circonstances<br />
atténuantes ou qu’il peut faire état d’un cas de force majeure,<br />
il n’y a nulle trace de violation de l’art. 6 CEDH. 109<br />
En l’espèce, la contre-preuve qui incombe à la famille Duvalier,<br />
respectivement au clan Mobutu, porte sur des années<br />
d’activités à la tête d’un État, les faits s’étant en outre déroulés<br />
il y a plus de quinze ans. La diffi culté de cette tâche doit<br />
toutefois être relativisée en comparaison de celle des États,<br />
spoliés et vidés de leurs ressources – avec les conséquences<br />
matérielles et humaines qui en découlent – de venir démontrer<br />
l’origine illicite des fonds bloqués.<br />
104 Cour eur. DH, Arrêt Salabiaku c. France du 7 octobre 1988, Recueil,<br />
Série A n° 141 par. 28.<br />
105 Ibid.<br />
106 Ibid.<br />
107 Laurent Moreillon, La recherche des preuves dans l’instruction<br />
pénale: maxime inquisitoire et droit de la défense, RPS<br />
2004, p. 140 ss, en particulier p. 146 et les réf. citées.<br />
108 Arrêt Salabiaku c. France (n. 104).<br />
109 Ibid.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 285 10.3.2009 9:12:06 Uhr<br />
285
286<br />
V. Propositions pour un projet de loi<br />
Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon<br />
L’analyse des décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009,<br />
ainsi que des 12 décembre 2008 et 25 février 2009, a montré<br />
que la pratique actuelle en matière de restitution anticipée,<br />
dans le cas d’États défaillants, soulève des doutes en terme<br />
de légalité, de proportionnalité et de garanties procédurales.<br />
La confi scation ne s’impose que faiblement et sans convaincre,<br />
par des applications analogiques de la loi et des fondements<br />
jurisprudentiels fragiles. Si la jurisprudence Abacha<br />
a ouvert la porte à de nouveaux développements en matière<br />
de restitution anticipée de fonds, il est maintenant primordial<br />
de pouvoir les ancrer dans une base légale solide qui adresse<br />
formellement la problématique des États défaillants.<br />
La question d’une réforme législative en matière de<br />
confi scation des avoirs des PEP a déjà donné lieu à de nombreux<br />
objets parlementaires. 110 C’est à la suite du Postulat<br />
Gutzwiller du 21 juin 2007 sur l’entraide judiciaire avec les<br />
États défaillants 111 que le CF a décidé d’agir sur le plan législatif<br />
en mandatant le DFAE de rédiger un projet de loi réglementant<br />
la confi scation des avoirs d’origine illicite déposés<br />
en Suisse par des PEP. 112 L’ambition du présent article se limite<br />
à suggérer quelques éléments de réfl exion à considérer<br />
lors de l’élaboration de la nouvelle loi.<br />
Il est évident que le projet de loi ne peut échapper à la<br />
formulation de règles claires et précises concernant la confi scation<br />
et la restitution anticipée. Trois voies sont possibles:<br />
la voie de l’entraide (modifi cation de l’EIMP), la voie pénale<br />
(modifi cation du CP) ou la voie administrative (introduction<br />
d’une nouvelle norme législative).<br />
Les avis sont partagés. Pieth privilégie une modifi cation<br />
de la législation pénale. Dans ce sens, il propose l’adoption<br />
d’une norme de confi scation autonome – à l'exemple des<br />
législations autrichienne et liechtensteinoise – combinée<br />
à un renversement du fardeau de la preuve. 113 Relevant les<br />
diffi cultés liées à une application étendue de l’art. 72 CP,<br />
il favorise un renversement du fardeau de la preuve spécifi<br />
quement adapté au cas des PEP. Il s’agirait ainsi, d’une<br />
part, de délimiter de manière adéquate le concept de PEP et,<br />
d’autre part, d’établir un catalogue des actes incriminés. Tel<br />
n’est pas l’avis de Morier qui considère que le CP ne peut<br />
pallier les dysfonctionnements d’États étrangers et rejette<br />
la voie pénale. Selon lui, le but d’une adaptation législative<br />
doit viser l’introduction d’une norme de confi scation et non<br />
la criminalisation de certains comportements. Il préconise,<br />
110 Interpellation Remo Gysin (07.3324 du 13 juin 2006); Question<br />
Luc Recordon (07.5168 du 11 juin 2007); Interpellation Didier<br />
Berberat (07.3336 du 14 juin 2007); Interpellation Dick Marty<br />
(07.3499 du 22 juin 2007); Initiative parlementaire Groupe<br />
socialiste, porte-parole Carlo Sommaruga (07.445 du 22 juin<br />
2007); Question Didier Berberat (08.1049 du 12 juin 2008).<br />
111 Postulat Felix Gutzwiller (07.3459 du 21 juin 2006).<br />
112 DFAE (n. 5).<br />
113 Pieth (n. 39), p. 505.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
en conséquence, une solution administrative qui reposerait<br />
sur la compétence du CF en matière d’«affaires étrangères»<br />
octroyée par l’art. 54 Cst. 114 Il rejoint toutefois Pieth en<br />
combinant cette norme administrative à un renversement du<br />
fardeau de la preuve. Enfi n, tous les deux excluent la voie de<br />
l’entraide qui pose comme condition essentielle l’existence<br />
d’une requête de l’État étranger. Cette troisième voie a certes<br />
fait ses preuves dans le cas d’États requérants réactifs, 115<br />
mais l’incapacité ou le manque de volonté de certains États<br />
(«défaillants») à produire les éléments de preuve nécessaires<br />
– voire même à formuler une requête d’entraide – a bien<br />
montré les limites du système.<br />
Le choix entre la voie pénale, la voie administrative et<br />
celle de l’entraide internationale, dépend essentiellement de<br />
deux éléments. Le premier est le degré de preuve exigé pour<br />
l’établissement de l’origine illicite des fonds. Le deuxième<br />
concerne la latitude que l’on compte laisser à l’autorité compétente<br />
dans l’application de la norme. La voie pénale permettrait<br />
une application plus systématique d’une telle norme<br />
mais exigerait, en retour, un degré de preuve plus élevé et précis,<br />
ôtant une partie de son pouvoir d’appréciation à l’autorité<br />
compétente. Or, le cas d’un État défaillant comporte toujours<br />
une dimension politique (pauvreté extrême, catastrophes naturelles,<br />
corruption endémique, etc.) qui nécessite un pouvoir<br />
d’appréciation adéquat, ce que la voie administrative permettrait<br />
de préserver au mieux. Quant à la voie de l’entraide, elle<br />
suppose une aide inter États qui semble illusoire dans le cas<br />
d’États défaillants, puisqu’une telle coopération ne peut exister<br />
lorsqu’un État requérant ne veut ou ne peut agir.<br />
Quelle que soit la voie choisie, il nous paraît nécessaire<br />
que le nouveau projet de loi incorpore certains éléments<br />
indispensables au bon déroulement de la confi scation, à<br />
commencer par le renversement du fardeau de la preuve.<br />
D’autres problèmes comme celui de la prescription des actes<br />
incriminés doivent également être adressés. Il s’agira de<br />
fi xer clairement le départ du délai de prescription ainsi que<br />
sa durée, voire l’imprescriptibilité de tels actes. Se pose en<br />
outre la question du rôle des victimes directes. En effet, les<br />
crimes patrimoniaux à l’origine des fonds vont souvent de<br />
pair avec des violations crasses des droits de l’homme, la<br />
mise en place d’un régime de terreur dans un pays favorisant<br />
la corruption et le pillage des ressources. 116 Il existe donc un<br />
lien entre ces violations des droits de l’homme et ces fonds.<br />
Il s’ensuit que les victimes de ces violations devraient également<br />
pouvoir participer à la procédure, en tant que partie<br />
pénale ou civile. 117<br />
114 Morier (n. 11), p. 277 s.<br />
115 V. les affaires Marcos, Abacha et Montesinos citées précédemment<br />
(n. 45 ss).<br />
116 Cette réalité apparaît d’autant plus clairement lorsque la qualifi -<br />
cation d’«organisation criminelle» est utilisée.<br />
117 L’art. 53 de la Convention de l’ONU contre la corruption pourrait<br />
servir de source d’inspiration. En effet, la portée de cet ar-<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 286 10.3.2009 9:12:06 Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />
Ces pistes de réfl exion ne sont pas exhaustives et se limitent<br />
à la question de la confi scation. Les modalités de restitution<br />
de ces fonds ainsi que la supervision de leur utilisation,<br />
afi n d’éviter que les fonds restitués ne viennent alimenter<br />
la corruption endémique de certains États bénéfi ciaires, demeurent<br />
une question délicate qui devra être abordée avec<br />
grand soin.<br />
VI. Conclusion<br />
Comme l’affaire Marcos en son temps, les affaires Duvalier<br />
et Mobutu servent aujourd’hui de cas d’école au législateur<br />
helvétique. Le système actuel de confi scation et de restitution<br />
des biens illicites de PEP repose sur la bonne volonté<br />
de l’État requérant. Que cet État, supposé requérant, vienne<br />
à faillir et la machine s’enraie. Loin des tergiversations politiques<br />
et des bricolages juridiques, il s’agit, à présent, d’apporter<br />
une solution claire à la problématique des biens illicites<br />
revenant à des États défaillants.<br />
Cette démarche permettra à la Suisse de préserver au<br />
mieux ses intérêts, notamment en terme de réputation, dans<br />
les domaines fi nanciers et de politique internationale. En effet,<br />
l’absence – voulue ou non – de coopération de la part de<br />
certains États peut faire de la Suisse le coffre-fort international<br />
involontaire de ces fonds litigieux, menaçant son image<br />
de place fi nancière propre, déjà mise à mal ces derniers<br />
temps. Qui plus est, les citoyens de ces États défaillants sont<br />
souvent ceux à qui ces biens seraient les plus nécessaires.<br />
Dans la mesure où leur État n’est pas à même ou ne veut pas<br />
entreprendre les démarches utiles, il serait temps d’offrir à<br />
ces victimes la possibilité de faire valoir leur droit à la restitution<br />
de ces biens illégitimement acquis.<br />
Souhaitons que le législateur saura relever ce défi dans le<br />
respect des principes d’un État de droit et de justice.<br />
ticle qui prévoit la possibilité, pour l’ayant droit légitime, de<br />
recouvrer par le biais d’une action civile les avoirs dissimulés<br />
à l’étranger par un agent public corrompu, n’est pas limitée au<br />
seul État lésé, mais s’étend également à chaque particulier qui<br />
fait valoir un droit légitime.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Die Beschlagnahme und Rückgabe von Vermögenswerten, die<br />
von politisch exponierten Personen widerrechtlich angeeignet<br />
und in der Schweiz deponiert worden sind, haben im Zusammenhang<br />
mit den Affären Duvalier und Mobutu neue rechtliche<br />
Entwicklungen erfahren. Der vorliegende Aufsatz wirft<br />
einen kritischen Blick auf die heutige Rechtspraxis und zeigt<br />
die Grenzen des geltenden Rechts auf. Obwohl die heutigen<br />
Regelungen denjenigen Staaten, die sogleich ihre korrupten<br />
Potentaten zur Verantwortung ziehen, einen effektiven Schutz<br />
bieten, erweisen sie sich aber bei «Säumnis» dieser Staaten als<br />
weitgehend unwirksam. In diesen Fällen tun sich die schweizerischen<br />
Behörden schwer, Gerechtigkeit mit Rechtsstaatlichkeit<br />
zu vereinbaren. Nur grundlegende Gesetzesänderungen können<br />
diese Probleme, die dem Ansehen der Schweiz aussenpolitisch<br />
und mit Bezug auf den Finanzplatz schaden könnten,<br />
lösen. Der Aufsatz schliesst mit einigen Vorschlägen für eine<br />
neue Gesetzgebung.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 287 10.3.2009 9:12:07 Uhr<br />
287
288<br />
Marnie Engewald-Dannacher<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Aufarbeitung von Staatsunrecht<br />
in rechtstaatlichen Grenzen?<br />
Zum Revisionsbedarf des Schweizerischen Einziehungrechts<br />
im Hinblick auf Potentatengelder<br />
MARNIE ENGEWALD-<br />
DANNACHER<br />
lic. iur., Basel<br />
Inhaltsübersicht<br />
I. Einleitung<br />
II. Der Präzedenzfall Abacha und der Nachfolgefall Duvalier<br />
1. Art. 260ter StGB, Staatsregime als kriminelle Organisation<br />
a) Allgemeine Überlegungen zu Art. 260ter StGB<br />
b) Organisation<br />
c) Geheimhaltung<br />
d) Kriminelles Staatsregime als gefährliche Subkultur?<br />
e) Räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich<br />
2. Anwendung von Art. 72 StGB<br />
a) Allgemeine Überlegungen zu Art. 72 StGB<br />
b) Einziehung von Vermögenswerten eines kriminellen<br />
Regimes mittels Art. 72 StGB?<br />
c) Auslegung des Art. 74a IRSG im Lichte von Art. 72 StGB<br />
III. Voraussetzungen einer Gesetzesrevision<br />
IV. Diskutierte Lösungsvorschläge<br />
1. Straftatbestand illicit enrichment, Art. 20 UNCAC<br />
2. Selbständige Einziehung/Civil forfeiture<br />
3. Vorschlag Pieth<br />
4. Neuer Lösungsvorschlag<br />
V. Fazit<br />
I. Einleitung<br />
Die Schweiz als führender internationaler Finanzplatz droht<br />
immer wieder zum safe haven für deliktisch erworbene Vermögenswerte<br />
zu werden. Insbesondere wenn solche Vermö-<br />
genswerte politisch exponierten Personen zugeordnet werden<br />
können – sogenannte Potentatengelder –, scheint sie häufi g<br />
in Bedrängnis zu geraten. Obwohl die Schweiz in der Rückführung<br />
solcher Gelder an das geschädigte Land zweifellos<br />
eine Vorreiterrolle spielt 1 , zeigen etwa die noch hängigen<br />
Fälle Duvalier oder Mobutu die Grenzen des Schweizer<br />
Rechts systems auf. Wenn ein ausländischer Staat den Voraussetzungen<br />
eines Rechtshilfeverfahrens nicht nachkommen<br />
kann oder will, bleiben Potentatengelder zum Teil jahrzehntelang<br />
eingefroren, ohne dass es zu einer Rückgabe kommt 2 .<br />
Da die Schweizer Rechtsordnung keine taugliche autonome<br />
Einziehungsnorm für Potentatengelder kennt, strapazieren<br />
die Schweizer Behörden momentan das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit<br />
enorm mit ihren beinahe akrobatischen Gesetzesauslegungen<br />
und Argumentationen, um eine Herausgabe<br />
solcher Gelder an den berechtigten Staat zu erwirken.<br />
Der BGE 3 über die Herausgabe der Vermögenswerte des<br />
ehemaligen nigerianischen Staatschefs General Sani Abacha<br />
scheint für den Ruf der Schweiz nicht nur ein Erfolg gewesen<br />
zu sein, sondern auch zum Präzendenzfall für weitere in<br />
der Schweiz gesperrte Potentatengelder zu werden. Auch im<br />
Nachfolgefall Duvalier wird vom Bundesamt für Justiz eine<br />
ähnliche Strategie vertreten. Bei genauer Betrachtung der<br />
Erwägungen dieses Abacha-Urteils stellen sich jedoch erhebliche<br />
Rechtsfragen. Politische Zwänge haben beim Entscheid<br />
des Bundesgerichts wohl eine grössere Rolle gespielt<br />
als die Einhaltung gesetzlicher Grenzen. Im Folgenden soll<br />
anhand der vorne erwähnten Fälle die aktuelle Rechtslage,<br />
insbesondere bezüglich der Anwendung des Art. 260 ter StGB<br />
und der dazugehörigen Einziehungsnorm Art. 72 StGB kritisch<br />
betrachtet werden. Hier werden Probleme deutlich, die<br />
es mittels einer allfälligen Gesetzesrevision zu lösen gilt. Im<br />
Anschluss sollen bisher diskutierte Lösungsmöglichkeiten<br />
und eine neue mögliche – weitgehend friktionsfreie – Lösung<br />
dargestellt werden.<br />
Wissenschaftliche Assistentin von Prof. Dr. iur. Mark Pieth,<br />
Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie,<br />
Juristische Fakultät der Universität Basel; Dissertationsprojekt:<br />
Einziehung von Potentatengelder.<br />
1 Pierre-Yves Morier, Is autonomous confi scation the acme of<br />
asset recovery?, in: Mark Pieth (ed.), Recovering Stolen Assets,<br />
Bern/Bruxelles/Frankfurt am Main/New York/Oxford/Wien<br />
2008, 269.<br />
2 Die Vermögenswerte von Duvalier wurden im Jahre 1986 eingefroren,<br />
jene von Mobutu im Jahre 1997.<br />
3 BGE 131 II 196.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 288 10.3.2009 9:12:07 Uhr
Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen?<br />
II. Der Präzedenzfall Abacha und der<br />
Nachfolgefall Duvalier<br />
Das Bundesgericht hat im Fall Abacha 4 erstmals – durchaus<br />
kühn – folgende Linie vertreten: Das Abacha-Regime wurde<br />
als kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260 ter StGB<br />
qualifi ziert. Darauf aufbauend wurde die in Art. 72 StGB statuierte<br />
Beweislastumkehr analog auch im Rechtshilfeverfahren<br />
angewendet 5 . Da der Beweis über die allfällig legale Herkunft<br />
der Vermögenswerte von den Erben Abachas gar nicht<br />
erst angetreten wurde, konnte auf diese Weise eine Summe<br />
von ca. CHF 700 Mio. an Nigeria herausgegeben werden 6 .<br />
Im nun aktuellen Fall Duvalier wurde der gleiche Weg<br />
eingeschlagen. Nach einer jahrzehntelangen Kontosperre,<br />
die der Bundesrat gestützt auf seine aussenpolitischen Kompetenzen<br />
7 immer wieder verlängert hat, hat das Bundesamt<br />
für Justiz das Rechthilfeverfahren am 2. Juli 2008 wieder<br />
aufgenommen und die Vermögenswerte seinerseits gesperrt.<br />
Am 11. Februar 2009 hat das Bundesamt für Justiz folgende<br />
Verfügung erlassen:<br />
«Die haitianischen Behörden werfen dem ehemaligen Staatspräsidenten<br />
Jean-Claude Duvalier vor, von seinem Amtsantritt<br />
im Jahr 1971 bis zu seiner Flucht im Jahr 1986 mit Hilfe von<br />
Personen aus seiner Entourage die Staatskasse geplündert und<br />
die veruntreuten Gelder in Höhe von mehreren hundert Millionen<br />
USD im Ausland angelegt zu haben. Der Duvalier-Clan ist<br />
dabei wie eine kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260 ter<br />
des Schweizerischen Strafgesetzbuches vorgegangen, hält das<br />
BJ in seinem Entscheid fest. Damit ist nicht nur die Voraussetzung<br />
der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt, um in diesem Fall<br />
Rechtshilfe gewähren zu können. Darüber hinaus sind gemäss<br />
der Rechtsprechung des Bundesgerichts im Fall Abacha die<br />
Einziehungsbestimmungen des StGB anwendbar, was eine<br />
Umkehr der Beweislast zur Folge hat. Da die Konteninhaber in<br />
ihren Stellungnahmen keinerlei Hinweise oder Klärungen auf<br />
die rechtmässige Herkunft der in der Schweiz gesperrten Vermögenswerte<br />
in Höhe von rund 7 Millionen Franken vorlegen<br />
konnten, ordnete das BJ deren Herausgabe an Haiti an. 8 »<br />
1. Art. 260 ter StGB, Staatsregime als<br />
kriminelle Organisation<br />
a) Allgemeine Überlegungen zu<br />
Art. 260 ter StGB<br />
1981 wurde ein erster Versuch, einen Straftatbestand für sogenannte<br />
kriminelle Organisationen zu schaffen, abgelehnt.<br />
4 BGE 131 II 169.<br />
5 BGE 131 II 169, 183 ff.<br />
6 Enrico Monfrini, The Abacha Case, in: Mark Pieth (ed.),<br />
Recovering Stolen Assets, Bern/Bruxelles/Frankfurt am Main/<br />
New York/Oxford/Wien 2008, 59.<br />
7 Art. 184 Abs. 3 BV.<br />
8 Medienmitteilung des Bundesamts für Justiz vom 12. Februar<br />
2009.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Die Gegner kritisierten insbesondere dessen präventiven<br />
Charakter, welcher der Funktion des Strafrechts als Mittel<br />
der Aufarbeitung von Unrecht zuwiderläuft. 9 13 Jahre später<br />
wurde dann doch ein Organisationstatbestand, der sogenannte<br />
Mafi a-Artikel, ins Strafgesetzbuch aufgenommen 10 .<br />
Offensichtlich hielt der Gesetzgeber dies für nötig, weil die<br />
Konstruktion von Verbrechensorganisationen den einzelnen<br />
Täter scheinbar als austauschbares Element in einer «bis<br />
zur Undurchdringlichkeit abgeschotteten Vereinigung darstellt»<br />
11 . Einerseits aufgrund des präventiven Charakters,<br />
andererseits durch den Versuch, eine dem Vernehmen nach<br />
hermetisch abgeschottete Vereinigung in einer Norm zu defi<br />
nieren, treten zwangsläufi g grosse Probleme auf. Dies wird<br />
bereits beim Versuch deutlich, die einzelnen Tatbestandsmerkmale<br />
zu präzisieren.<br />
Gemäss Art. 260 ter StGB macht sich schon derjenige<br />
strafbar, der sich an einer Organisation bloss beteiligt oder<br />
eine Organisation unterstützt, die ihren Aufbau und ihre personelle<br />
Zusammensetzung geheimhält und den Zweck verfolgt,<br />
Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen<br />
Mitteln zu bereichern. Im Zusammenhang mit einem<br />
kriminellen Regime soll hier vor allem das Element der geheimen<br />
Organisation genauer betrachtet werden.<br />
b) Organisation<br />
Eine Organisation im Sinne des Art. 260 ter StGB ist ein Zusammenschluss<br />
mehrerer Personen, der festen Regeln der<br />
Willensbildung und Aufgabenteilung unterliegt, der auf eine<br />
dauerhafte Struktur ausgelegt und dessen Mitglieder jederzeit<br />
austauschbar sind, ohne den Bestand der Organisation<br />
zu gefährden 12 . Diese Elemente müssen zwar nicht kumulativ<br />
gegeben sein, die angeblich kriminelle Vereinigung<br />
muss aber nach Qualität und Quantität ein «mafi aähnliches»<br />
Gebilde darstellen, das ein ausserordentliches Gefährdungspotential<br />
aufweist 13 . Ist dies nicht der Fall, wäre eine Strafandrohung<br />
im Dienste eines Sicherheitskonzepts keinesfalls<br />
zu rechtfertigen.<br />
9 Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches<br />
und des Militärstrafgesetzes (Gewaltverbrechen) vom<br />
10. Dezember 1979, BBl 1980 I 1241, 1252 ff.<br />
10 Art. 260 ter StGB wurde mit dem Bundesgesetz 18. März 1994<br />
ins Schweizerische Strafgesetzbuch eingeführt und trat am<br />
1. August 1994 in Kraft.<br />
11 Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches<br />
und des Militärstrafgesetzes (Revision des Einziehungsrechts,<br />
Strafbarkeit der kriminellen Organisation, Melderecht<br />
des Financiers), BBl 1993 III 277, 295.<br />
12 Vgl dazu etwa Günther Stratenwerth, Schweizerisches<br />
Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen,<br />
5. A., Basel 2000, § 40 N 21; Florian Baumann, in: Marcel<br />
Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar,<br />
Strafrecht II, Art. 111–392 StGB, 2. A., Basel 2007,<br />
Art. 260 ter StGB, N 6.<br />
13 Baumann (FN 12), Art. 260 ter StGB, N 6.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 289 10.3.2009 9:12:07 Uhr<br />
289
290<br />
Gemäss der Praxis des Bundesgerichts fallen unter den<br />
Organisationsbegriff mafi aähnliche Verbrechersyndikate<br />
und hochgefährliche terroristische Gruppierungen 14 . Bereits<br />
bei dieser ersten Konkretisierung treten massive Abgrenzungschwierigkeiten<br />
auf. So werden wohl terroristische<br />
Organisationen und organisierte Freiheitskämpfer kaum<br />
voneinander zu unterscheiden sein 15 , beide sind auf eine gewaltsame<br />
Durchsetzung ihrer politischen Ziele ausgerichtet.<br />
Nur bei letzteren wird dieses Ziel aus dem Blickwinkel der<br />
Schweiz positiv bewertet und soll daher nicht zu einem strafbaren<br />
Verhalten führen.<br />
c) Geheimhaltung<br />
Ein zusätzliches Merkmal, das den Begriff der Organisation<br />
eingrenzen soll, ist die Geheimhaltung. Mit der Geheimhaltung<br />
von Aufbau und personeller Zusammensetzung soll<br />
die kriminelle Organisation von erlaubten Unternehmungen<br />
abgegrenzt werden, selbst wenn in deren Bereich auch gelegentlich<br />
Delikte verübt werden 16 .<br />
Dieses Merkmal wurde in Anlehnung an die sizilianische<br />
Mafi a in den Tatbestand aufgenommen 17 . Geheim muss nicht<br />
die Existenz einer solchen Organisation sein, sondern deren<br />
interner Aufbau und der Kreis der Mitbeteiligten und Helfer.<br />
Diese geheime Struktur trägt angeblich wesentlich zur Gefährlichkeit<br />
von kriminellen Organisationen bei, da sie sich<br />
dadurch von der Aussenwelt, insbesondere vor den Strafverfolgungsbehörden<br />
systematisch abschotten kann 18 . Es wird<br />
also vermutet, dass solche geheimen kriminellen Organisationen<br />
eine gefährliche Subkultur bilden – eine Art Parallelwelt,<br />
vor der die Bürger geschützt werden müssen.<br />
d) Kriminelles Staatsregime als gefährliche<br />
Subkultur?<br />
Bezüglich eines kriminellen Staatsregimes fällt auf, dass<br />
zwar offensichtlich organisationsähnliche Strukturen vorliegen<br />
und ein solches Regime zumindest für die dortige Zivilbevölkerung<br />
eine grosse Gefährdung darstellt.<br />
Ob ein kriminelles Regime jedoch einer geheim arbeitenden,<br />
kriminellen Organisation gleichgestellt werden kann,<br />
ist mehr als fraglich. Ein grosser Teil der internen Struktur<br />
eines kriminellen Regimes ist bekannt, mindestens der Head<br />
of state, die Minister, die leitenden Amtsträger, Familienmitglieder,<br />
oft auch die Befehlshabenden von sogenannten Pri-<br />
14 Baumann (FN 12), Art. 260 ter StGB, N 7.<br />
15 Mark Pieth, Criminalizing the Financing of Terrorism, Journal<br />
of International Criminal Justice, Vol. 4, 2006, 1074, 1080 ff.;<br />
Baumann (FN 12), Art. 260 ter StGB, N 7.<br />
16 Botschaft 1993 (FN 11), 298.<br />
17 Mark Pieth, «Das zweite Paket gegen das Organisierte Verbrechen»,<br />
die Überlegungen des Gesetzgebers, ZStrR 1995, 235.<br />
18 Baumann (FN 12), Art. 260 ter StGB, N 7.<br />
Marnie Engewald-Dannacher<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
vatarmeen (etwa die Tonton Macoutes 19 ). Natürlich arbeitet<br />
ein kriminelles Regime auch mittels diverser Handlanger und<br />
Strohmänner. Dies scheint aber noch nicht der qualifi zierten<br />
Geheimhaltung, die in Art. 260 ter StGB gefordert wird, zu<br />
entsprechen.<br />
Auch stimmt wohl die Gesamtsituation einer kriminellen<br />
Staatsführung nicht mit der einer kriminellen Organisation<br />
überein. Während die kriminelle Organisation offensichtlich<br />
im Untergrund arbeitet und die Strafverfolgungsbehörde zu<br />
unterwandern versucht, so wird diese von einem kriminellen<br />
Regime direkt kontrolliert, weil dessen Vertreter eben auch<br />
in einer formalrechtlichen Machtposition stehen. Während<br />
das Handeln einer kriminellen Organisation einen Angriff<br />
auf den Staat ist, liegt beim Handeln eines kriminellen Regimes<br />
eher ein Angriff des Staates selber auf die Zivilbevölkerung<br />
vor.<br />
e) Räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich<br />
Der räumliche Geltungsbereich des Schweizerischen Strafgesetzbuches<br />
(Art. 3–8 StGB) wird durch die Formulierung<br />
in Ziff. 3 des Art. 260 ter StGB für den Tatbestand der kriminellen<br />
Organisation ausgedehnt. So fi ndet Art. 260 ter StGB<br />
schon dann Anwendung, wenn die kriminelle Organisation<br />
ihre verbrecherische Tätigkeit ganz oder teilweise in der<br />
Schweiz ausübt. Der räumliche Geltungsbereich wird bei<br />
der Anwendung dieses Artikels auf kriminelle Regime, die<br />
deliktisch erworbene Vermögenswerte über den Finanzplatz<br />
Schweiz waschen, keine Probleme bereiten.<br />
Problematisch scheint in diesem Zusammenhang der<br />
zeitliche Geltungsbereich dieses Artikels. Dies zeigt sich<br />
vor allem im aktuellen Fall Duvalier. Gemäss Art. 2 Abs. 1<br />
StGB wird nur bestraft, wer nach Inkrafttreten des Gesetzes<br />
Verbrechen oder Vergehen begangen hat. Das Bundesamt<br />
für Justiz hat den Duvalier-Clan in der vorne zitierten Medienmitteilung<br />
als kriminelle Organisation im Sinne von<br />
Art. 260 ter StGB qualifi ziert und die Beweislastumkehr von<br />
Art. 72 StGB angewendet. Beide Artikel sind am 1. August<br />
1994 in Kraft getreten. Jean-Claude Duvalier war allerdings<br />
von 1971–1986 Staatschef Haitis, seine Vermögenswerte auf<br />
Schweizer Bankkonten wurden ebenfalls bereits im Jahre<br />
1986 eingefroren. Folglich hatte der in Frankreich im Exil<br />
lebende Duvalier, während der Zeit zwischen 1987 und 2009<br />
weder die Möglichkeit, in Haiti Vermögens- oder Gewaltdelikte<br />
zu begehen, noch konnte er, da sein Vermögen in der<br />
Schweiz bereits auf Eis gelegt wurde, auch hier keine weiteren<br />
Vermögensdelikte, wie etwa Geldwäscherei verüben.<br />
Die Anwendung des Art. 260 ter StGB ist in diesem konkreten<br />
Fall unzulässig, da sie dem strafrechtlichen Prinzip des<br />
Rückwirkungsverbots entgegensteht. Es wird im Ergebnis<br />
auch keinen Unterschied machen, dass die Subsumierbarkeit<br />
unter den Art. 260 ter StGB nur als Vorfrage beantwortet wird,<br />
19 Haitianische Miliz, offi ziell bekannt als die MVSN, Milice de<br />
Volontaires de la Sécurité.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 290 10.3.2009 9:12:08 Uhr
Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen?<br />
damit die dazugehörige Einziehungsnorm, Art. 72 StGB,<br />
angewendet werden kann. Das Rückwirkungsverbot gilt sowohl<br />
für Strafen wie auch für Massnahmen 20 .<br />
2. Anwendung von Art. 72 StGB<br />
a) Allgemeine Überlegungen zu Art. 72 StGB<br />
Gemäss Art. 72 StGB können Vermögenswerte, die der Verfügungsmacht<br />
einer kriminellen Organisation unterliegen,<br />
eingezogen werden. Bei Vermögenswerten einer Person, die<br />
sich an einer solchen Organisation beteiligt oder sie unterstützt,<br />
wird die Verfügungsmacht der Organisation bis zum<br />
Beweis des Gegenteils vermutet.<br />
In diesem Artikel geht es nicht, wie in der Einziehung üblich,<br />
um das Abschöpfen deliktisch erworbener Vermögenswerte,<br />
sondern um die Wegnahme des Betriebskapitals einer<br />
kriminellen Organisation, weil dieser eine ausserordentliche<br />
Sozialgefährlichkeit zugeschrieben wird. 21 Diese Norm hat<br />
also in erster Linie einen präventiven Charakter: Die Vermögenswerte<br />
müssen eingezogen werden, weil es zu gefährlich<br />
wäre, sie in den Händen der kriminellen Organisation zu belassen.<br />
Gemäss dem zweiten Satz dieser Bestimmung muss die<br />
Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation bei Vermögenswerten<br />
eines ihrer Mitglieder nicht mehr bewiesen<br />
werden – eine solche Person kann aber ihrerseits den Gegenbeweis<br />
führen. Diese Beweislastumkehr bricht mit einem<br />
fundamentalen strafrechtlichen Prinzip: in dubio pro reo<br />
wird missachtet.<br />
Bei einem derartigen Wechsel der Beweislast auf eine private<br />
Person, muss die Schwelle des Gegenbeweises freilich<br />
sehr tief angesetzt werden. Allerdings scheinen die Überlegungen<br />
der herrschenden Lehre, was inhaltlich als Gegenbeweis<br />
gelten soll, der Zielrichtung des Art. 72 StGB entgegenzustehen.<br />
So soll der Gegenbeweis auch darin bestehen,<br />
dass die betroffene Person die legale Herkunft der Vermögenswerte<br />
darlegen kann 22 . Jedoch ist für eine Einziehung<br />
nach Art. 72 StGB die legale oder illegale Herkunft der Vermögenswerte<br />
gerade nicht wesentlich: Die Vermögenswerte<br />
sollen eingezogen werden, weil sie sich in gefährlichen<br />
Händen befi nden. Auf der Ebene des Gegenbeweises müsste<br />
also nicht die Herkunft thematisiert werden, sondern die Verfügungsmacht;<br />
wird die Verfügungsmacht der Organisation<br />
widerlegt, ist das Vermögen ja ungefährlich und daher freizugeben.<br />
20 Günther Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner<br />
Teil I, 2. A., Bern 2006, § 4 N 13; Kurt Seelmann,<br />
Strafrecht Allgemeiner Teil, 3. A., Basel 2007, 28.<br />
21 Florian Baumann, in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger<br />
(Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht I, Art. 1–110 StGB,<br />
2. A., Art. 72 StGB, N 2; Botschaft 1993 (FN 11), 316.<br />
22 Botschaft (FN 11), 319–320; Baumann (FN 21), Art. 72 StGB,<br />
N 11, m.w.H.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
b) Einziehung von Vermögenswerten eines<br />
kriminellen Regimes mittels Art. 72 StGB?<br />
Auch das Konzept dieses Artikels passt grundsätzlich nicht<br />
auf den Missstand eines kriminellen Staatsregimes. Sogenannte<br />
Potentatengelder sollen zurückgegeben werden<br />
können, weil sie der Zivilbevölkerung «gestohlen» wurden.<br />
Hier geht es um die Aufarbeitung von Unrecht, es besteht ein<br />
Restitutionsinteresse. Art. 72 StGB dient jedoch der Gefahrenabwehr.<br />
Dass eine sozialgefährliche – weil kriminell ausgerichtete<br />
– Organisation Zugriff auf Vermögenswerte hat,<br />
soll unterbunden werden. Ob aber beispielsweise ein im Exil<br />
lebender Diktator wie Duvalier diese Gefährlichkeit noch<br />
aufweist, ist höchst unwahrscheinlich.<br />
Ausserdem wurde zu den Fällen Abacha 23 und Duvalier<br />
24 erklärt, dass die betroffenen Personen die Einziehung<br />
verhindern können, wenn sie die legale Herkunft dieser Vermögenswerte<br />
beweisen. Wie vorne bereits erklärt, ist dies<br />
konzeptionell verfehlt, da der Gegenbeweis gegen die Verfügungsmacht<br />
der kriminellen Organisation, aber nicht gegen<br />
die illegale Herkunft der Vermögenswerte geführt werden<br />
müsste.<br />
c) Auslegung des Art. 74a IRSG im Lichte<br />
von Art. 72 StGB<br />
Bezüglich des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs<br />
des Art. 72 kann grundsätzlich auf die Überlegungen in II.1.e)<br />
verwiesen werden. Das Bundesgericht hat in seinem Abacha-<br />
Urteil 25 diesen Artikel aber nicht direkt angewendet, sondern<br />
das Rechtshilfegesetz, insbesondere die Herausgabe von Vermögenswerten<br />
nach Art. 74a IRSG im Lichte des Artikels 72<br />
StGB ausgelegt. In seinen Erwägungen argumentiert es folgendermassen:<br />
Gemäss der Botschaft vom Bundesrat 26 hatte<br />
die neue Einziehungsnorm für Vermögen einer kriminellen<br />
Organisation (Art. 59 Abs.3 aStGB, heute Art. 72 StGB) das<br />
Ziel, die Regel umzustossen, nach der eine Einziehung sowohl<br />
im innerstaatlichen Recht wie auch in der internationalen<br />
Rechtshilfe nur angeordnet werden kann, wenn auch die<br />
Einzeltat, aus der die Vermögenswerte stammen, bewiesen<br />
werden kann. 27<br />
Bei unbefangener Lektüre der Botschaft stellt man aber<br />
fest, dass die neue Norm vor allem Erleichterungen bringen<br />
sollte, soweit bisher verfahrensstrukturelle Unterschiede die<br />
Rechtshilfefähigkeit von Urteilen verhindert hat. So war<br />
etwa die Einziehung im Zusammenhang mit einem «guilty<br />
plea»-Urteil in einem angloamerikanischen plea bargaining-<br />
23 Vgl. FN 4.<br />
24 Siehe Medienmitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 2. Juli<br />
2008.<br />
25 Vgl. FN 4.<br />
26 Botschaft (FN 11).<br />
27 BGE 131 II 169, 183.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 291 10.3.2009 9:12:08 Uhr<br />
291
292<br />
Verfahren in der Schweiz nicht vollziehbar, da die Schweiz<br />
bisher keine schuldunabhängige Einziehung kannte 28 .<br />
Ob die in der Botschaft angesprochenen Erleichterungen<br />
bei einem «early release» gemäss Art. 74a Abs. 3 IRSG, nach<br />
dem Vermögenswerte in jedem Verfahrensstadium herausgegeben<br />
werden können, Bedeutung haben soll, ist zweifelhaft:<br />
Auch diese beiden Artikel passen konzeptionell einfach nicht<br />
zusammen. Art. 74a IRSG stellt klar auf die deliktische Herkunft<br />
von Vermögen ab, während Art. 72 StGB, wie vorne<br />
erläutert, die Einziehung dann zulässt, wenn sich Vermögenswerte<br />
unabhängig von ihrer Herkunft in ausgesprochen<br />
gefährlichen Händen befi nden. Auch die Tatsache, dass bei<br />
der Revision des IRSG im Jahre 1997, als die Neuerung des<br />
early release ins Gesetz aufgenommen wurde, weiterhin<br />
auf die deliktische Herkunft von Vermögenswerten abgestellt<br />
und die Idee des Art. 72 StGB nicht übernommen wurde,<br />
steht der Argumentation des Bundesgerichts entgegen.<br />
Grundsätzlich sind zwar Analogieschlüsse zur Auslegung<br />
des IRSG gemäss Art. 12 Abs. 1 IRSG bei Gesetzeslücken<br />
zulässig. Hier scheint aber eine bestehende Norm des IRSG<br />
durch eine anders ausgerichtete Bestimmung des Strafgesetzbuchs<br />
ersetzt worden zu sein.<br />
III. Voraussetzungen einer<br />
Gesetzesrevision<br />
Die rechtlichen Probleme, die im Zusammenhang mit der<br />
Rückführung von Potentatengeldern zu erkennen sind und<br />
die das rechtstaatliche Handeln unserer Behörden bisweilen<br />
an Grenzen oder darüber hinaus führen, drängen eine Revision<br />
des Einziehungsstrafrechts geradezu auf. Der politische<br />
Druck bezüglich der Rückführung von Potentatengeldern<br />
ist in der Schweiz jetzt – leider nicht schon vor 30 Jahren –<br />
massiv. Gerade deshalb sollte bei einer Revision versucht<br />
werden, den Ansprüchen der Rechstaatlichkeit gerecht zu<br />
werden.<br />
Die Praxis hat gezeigt, dass in Fällen von Potentatengeldern<br />
insbesondere der lückenlose paper trail zwischen<br />
einzelnen Delikten und den Vermögenswerten in der Regel<br />
nicht vorliegt. Diesbezüglich scheint eine Beweiserleichterung<br />
angebracht und vertretbar. Diese Einschränkung des<br />
strafrechtlichen Prinzips in dubio pro reo ist allerdings nur<br />
zu rechtfertigen, wenn gegenüber den übrigen Tatbestandselementen<br />
die volle Beweislast beim Staat bleibt. Es bedarf<br />
eines Einziehungsartikels, der an die deliktische Herkunft<br />
anknüpft, da die betreffenden Gelder der Zivilbevölkerung<br />
entwendet wurden – und diese Tatsache gilt es aufzuarbeiten.<br />
Das Tatbestandsmerkmal der Verfügungsmacht verfehlt<br />
diese Schutzrichtung jedoch, da zumindest vom ehemaligen<br />
Head of state keine Gefährlichkeit mehr ausgeht.<br />
28 Botschaft (FN 11), 317.<br />
Marnie Engewald-Dannacher<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Eventuell muss sich die Schweiz eingestehen, dass Fälle<br />
wie Duvalier mit den jetzigen gesetzlichen Möglichkeiten<br />
nicht lösbar sind. Sie sind ein trauriges Kapitel des Erfolges der<br />
Schweiz als internationaler Finanzplatz. Die Vermögenswerte<br />
trotz entgegenstehender Gesetzeslage einzuziehen, scheint insofern<br />
stossend, als dass den Staatsregimes ja gerade massiver<br />
Machtmissbrauch vorgeworfen wird. Natürlich kann dieser<br />
nicht aufgearbeitet werden, indem die Schweizer Behörden<br />
nun ihrerseits ihre nicht durch das Gesetz gestützte Machtposition<br />
gegenüber einem Beschuldigten missbrauchen.<br />
IV. Diskutierte Lösungsvorschläge<br />
1. Straftatbestand illicit enrichment,<br />
Art. 20 UNCAC 29<br />
Eine Möglichkeit diesen Missstand zu beheben, wäre etwa<br />
die Einführung eines neuen Straftatbestandes oder einer Einziehungsnorm<br />
unter dem Titel illicit enrichment. Gemäss<br />
Art. 20 UNCAC sollen die Vertragsstaaten vorbehaltlich<br />
ihrer Verfassung sowie der Grundprinzipien ihrer Rechtsordnungen<br />
in Erwägung ziehen, die erforderlichen gesetzgeberischen<br />
und sonstigen Massnahmen zu treffen, um die<br />
unerlaubte Bereicherung, d.h. eine erhebliche Zunahme der<br />
Vermögenswerte eines Amtsträgers, die er im Verhältnis zu<br />
seinen rechtmässigen Einkünften nicht angemessen erklären<br />
kann, als Vorsatzstraftat zu umschreiben. Diese offene Formulierung<br />
würde zu weit führen. Sie ist unbestimmt und widerspricht<br />
dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts.<br />
2. Selbständige Einziehung/<br />
Civil forfeiture<br />
Verschiedene Rechtsordnungen kennen ein Instrument der<br />
selbständigen Einziehung. So sind nach dem österreichischen<br />
Recht (§ 20b Abs. 2 öStGB) 30 etwa Vermögenswerte als verfallen<br />
zu erklären, die aus einer mit Strafe bedrohten Handlung<br />
stammen, wenn die Tat, aus der sie herrühren, auch<br />
durch die Gesetze des Tatorts mit Strafe bedroht ist, aber<br />
nicht den österreichischen Strafgesetzen unterliegt.<br />
In einigen Common Law Rechtsordnungen fi nden wir<br />
eine ähnliche Konstruktion, das sogenannte civil forfeiture,<br />
nach dem Vermögenswerte eingezogen werden können,<br />
wenn festgestellt wird, dass sie aus einem Verbrechen stammen<br />
oder der Ausführung von weiteren Verbrechen dienen,<br />
auch wenn kein strafrechtliches Urteil vorliegt. Der Vorteil<br />
dieser Lösung wäre die Anwendung der (leichter zu erfüllenden)<br />
zivilrechtlichen statt der strafrechtlichen Beweisanforderungen.<br />
29 United Nations Convention against Corruption (UNCAC) of<br />
31 Oktober 20<strong>03</strong>.<br />
30 Vgl. in Liechtenstein, § 20b Abs. 2 LiStGB.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 292 10.3.2009 9:12:08 Uhr
Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen?<br />
Beide Lösungswege helfen im Grunde aber nicht weiter,<br />
da sie den Beweis der direkten Verbindung zwischen Vermögenswerten<br />
und einzelnen Delikten verlangen. In diesem<br />
Punkt wäre aus den erwähnten praktischen Gründen eine Beweiserleichterung<br />
angebracht.<br />
3. Vorschlag Pieth<br />
Ein differenzierterer Vorschlag liegt von Pieth vor. In der<br />
Festschrift Riklin31 hat er folgende mögliche Einziehungsnorm<br />
publiziert:<br />
1 Bis zum Beweis des Gegenteils wird vermutet, dass Vermögenswerte<br />
durch eine Straftat erlangt worden sind, die in der Verfügungsmacht<br />
eines ehemaligen oder aktuellen, leitenden ausländischen<br />
Amtsträgers eines Regimes stehen, dessen Vertreter auf<br />
systematische Weise schwere Vermögens- oder Amtsdelikte begangen<br />
haben, oder sich schwere Menschenrechtsverletzungen<br />
haben zuschulden kommen lassen. Misslingt der Gegenbeweis,<br />
sind die Vermögenswerte einzuziehen.<br />
2 Die Einziehung der Vermögenswerte nach Abs. 1 erfolgt auch<br />
dann, wenn die schweizerische Zuständigkeit nach Art. 3 bis 8<br />
StGB nicht gegeben ist. Vorausgesetzt ist aber, dass die Taten<br />
auch am Begehungsort strafbar sind oder dass der Begehungsort<br />
keiner Strafgewalt unterliegt. Die Herausgabe der Vermögenswerte<br />
gemäss IRSG geht der Einziehung nach Art. 72bis vor.<br />
Diese Norm ist sehr eng und präzise formuliert. Der Rechtstaatlichkeit<br />
wird genüge getan, zudem ist die erwünschte<br />
Beweiserleichterung bezüglich der direkten Verbindung zwischen<br />
einzelnen Verbrechen und Vermögenswerten enthalten.<br />
Allerdings wird auch in dieser Norm auf die Verfügungsmacht<br />
abgestellt, worauf es doch nicht ankommen kann, da<br />
das Interesse der Schweiz, diese Vermögenswerte zurückzugeben,<br />
nicht daran liegt, dass sie aufgrund ihrer Gefährlichkeit<br />
eingezogen werden müssen: Es soll vergangenes Unrecht<br />
aufgearbeitet werden.<br />
Weiter scheint das Verhältnis dieser Norm zu der Herausgabe<br />
von Vermögenswerten gemäss dem IRSG nicht klar zu<br />
sein. So könnte etwa der letzte Satz des Abs. 2 bedeuten, dass<br />
die Norm gegenüber Mobutu und Duvalier keine Anwendung<br />
fi nden würde, da in diesen beiden Fällen der Rechtshilfeweg<br />
bereits eingeschlagen wurde.<br />
4. Neuer Lösungsvorschlag<br />
Ein möglicher Lösungsweg mit einem rein repressiven Charakter<br />
und einer genügend bestimmten Formulierung soll<br />
im Folgenden vorgestellt werden. Er schafft eine Beweiserleichterung<br />
(keine Beweislastumkehr) für den direkten Zusammenhang<br />
zwischen Vermögenswerten und einzelnen<br />
31 Mark Pieth, Die Herausgabe illegal erworbener Vermögenswerte<br />
an sog. «Failing States», in: Marcel Alexander Niggli/José<br />
Hurtado Pozo/Nicolas Queloz (Hrsg.), Festschrift für<br />
Franz Riklin, Zürich 2007, 497–507.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Delikten, stellt aber weiterhin auf den deliktischen Ursprung<br />
der Vermögenswerte ab:<br />
Art. 72bis 1 Wenn Vertreter eines ausländischen Staatsregimes in ihrer<br />
Funktion systematisch Amts- oder Vermögensdelikte begangen<br />
haben, sind Vermögenswerte einzuziehen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
aus einem solchen Delikt stammen. Die von der<br />
Einziehung betroffene Person kann diese verhindern, wenn<br />
sie die legale Herkunft der Vermögenswerte glaubhaft machen<br />
kann.<br />
2 Die Einziehung der Vermögenswerte nach Abs. 1 erfolgt auch<br />
dann, wenn die schweizerische Zuständigkeit nach Art. 3 bis 8<br />
StGB nicht gegeben ist.<br />
Um eine Einziehung nach dieser Norm zu erwirken, müsste<br />
der ehemalige kriminelle modus operandi des Staatsregimes<br />
als solcher ohne Abstriche des strafrechtlichen Beweisniveaus<br />
festgestellt werden: mit an Sicherheit grenzender<br />
Wahrscheinlichkeit. Zusätzlich müsste der Richter sämtliche<br />
Anhaltspunkte für den direkten Zusammenhang zwischen<br />
den Vermögenswerten und den begangenen Delikten umfassend<br />
würdigen. Nur wenn sich daraus – zusätzlich zur Kriminalisierung<br />
des Regimes – eine hohe Wahrscheinlichkeit<br />
der kriminellen Herkunft ergibt, können die Vermögenswerte<br />
eingezogen werden.<br />
Die betroffene Person kann den Gegenbeweis antreten.<br />
Die Schwelle dieses Beweises muss allerdings entsprechend<br />
tief sein, dies soll mit der Formulierung «glaubhaft machen»<br />
erreicht werden.<br />
V. Fazit<br />
Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber bei einer allfälligen<br />
Gesetzesrevision dem politischen Druck standhält und eine<br />
Lösung fi ndet, die die gewünschte Praktikabilität bringt,<br />
ohne in Konfl ikt mit der Rechtsstaatlichkeit zu geraten.<br />
La place fi nancière suisse apparaît régulièrement comme un<br />
safe haven pour des valeurs patrimoniales de personnes exposées<br />
politiquement et acquises de manière délictueuse. La<br />
Suisse joue un rôle de précurseur à l’échelle mondiale en remettant<br />
de tels biens aux états qui y ont droit. Dans le précédent<br />
Abacha, un régime étatique étranger a pour la première<br />
fois été qualifi é d’organisation criminelle au sens de l’art. 260 ter<br />
CP, de sorte que le renversement du fardeau de la preuve selon<br />
l’art. 72 CP s’appliquait concernant la provenance délictuelle<br />
des biens. Ce procédé soulève quelques questions de droit.<br />
Afi n d’offrir à l’avenir une base plus solide pour la résolution<br />
de tels cas, une révision de la confi scation pénale s’impose.<br />
Il conviendra de trouver une solution qui évite autant que<br />
possible les frictions avec les principes d’un état de droit, vu<br />
qu’il s’agit justement de corriger l’injustice étatique et l’abus<br />
d’autorité.<br />
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 293 10.3.2009 9:12:09 Uhr<br />
293
294<br />
ANDREA MONDINI<br />
LL.M., Rechtsanwalt,<br />
Zürich<br />
Andrea Mondini, LL.M., und Dr. Manuel Liatowitsch sind<br />
Partner bei Schellenberg Wittmer Rechtsanwälte in Zürich. Die<br />
Verfasser danken Herrn Dr. Roland Ryser für die wertvolle Mitarbeit.<br />
1 Vgl. BGE 104 II 116.<br />
Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen<br />
schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz<br />
Zeit für eine Praxisänderung zu Art. 404 OR<br />
MANUEL LIATOWITSCH<br />
Dr. iur., Rechtsanwalt,<br />
Zürich<br />
Inhaltsübersicht<br />
1. Ausgangslage<br />
2. Tragweite von Art. 404 Abs. 1 OR<br />
2.1 Bundesgerichtliche Rechtsprechung<br />
2.2 Kantonale Rechtsprechung<br />
2.3 Doktrin<br />
3. Rechtsvergleichung<br />
3.1 Deutschland<br />
3.2 Österreich<br />
3.3 Frankreich<br />
3.4 Italien<br />
4. Art. 404 sollte nur auf typische Aufträge zwingend<br />
angewendet werden<br />
1. Ausgangslage<br />
Art. 404 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts<br />
(OR) sieht vor, dass Auftraggeber und Beauftragter das zwischen<br />
ihnen bestehende Auftragsverhältnis jederzeit widerrufen<br />
oder kündigen können. Im Unterschied zu anderen Verträgen<br />
wird beim Auftrag die Beendigung nicht von einem<br />
bestimmten Termin oder einer bestimmten Frist abhängig<br />
gemacht, sondern als jederzeit zulässig erachtet. Beschränkt<br />
wird dieses Widerrufs- bzw. Kündigungsrecht allein durch<br />
Art. 404 Abs. 2 OR, wonach die zur Unzeit erfolgende Beendigung<br />
den zurücktretenden Vertragspartner zur Zahlung von<br />
Schadenersatz verpfl ichtet 1 .<br />
Im Auftragsrecht gilt Art. 404 Abs. 1 OR als eine der<br />
problematischsten Regelungen. Umstritten ist in Lehre und<br />
Rechtsprechung insbesondere die Frage, ob und vor allem<br />
inwiefern das jederzeitige Beendigungsrecht zwingender<br />
oder dispositiver Natur ist. Ebenso unklar ist die Tragweite<br />
der Regelung: Findet Art. 404 OR nur auf Verträge Anwendung,<br />
die sich als reine Aufträge i.S.v. Art. 394 ff. OR qualifi<br />
zieren oder erstreckt sich die Bestimmung auch auf gemischte<br />
Verträge mit auftragsrechtlichen Elementen oder gar<br />
auf gewisse Verträge sui generis? Fraglich ist schliesslich,<br />
ob dem jederzeitigen Widerrufs- bzw. Kündigungsrecht auch<br />
Verträge unterliegen, die als Dauerschuldverhältnisse einzuordnen<br />
sind.<br />
Die entsprechende Problematik manifestiert sich namentlich<br />
bei den gerade in internationalen Geschäftsverhältnissen<br />
oft anzutreffenden Management-, Beratungs-,<br />
Versicherungsbroker-, Forschungs- und Entwicklungs-,<br />
Outsourcing- und IT-Dienstleistungsverträgen, welche aus<br />
schweizerischer Optik einerseits als Dauerschuldverhältnisse<br />
gelten und andererseits über bestimmte auftragsrechtliche<br />
Merkmale verfügen. Aufgrund der bestehenden<br />
Rechtsunsicherheiten können die Parteien solcher und<br />
weiterer Verträge nicht darauf vertrauen, dass die vertraglich<br />
vereinbarten Beendigungsmodalitäten vor Art. 404 OR<br />
auch tatsächlich standhalten. Im internationalen Verhältnis<br />
führt dies oft dazu, dass die Vertragsparteien von einer Unterstellung<br />
entsprechender Verträge unter Schweizer Recht<br />
absehen und eine Rechtsordnung wählen, welche keine<br />
diesbezüglichen Unklarheiten kennt. Dies schmälert die<br />
Attraktivität der schweizerischen Rechtsordnung und wirkt<br />
sich als Standortnachteil aus.<br />
Eine weitere Negativkonsequenz betrifft die Attraktivität<br />
der Schweiz für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit.<br />
Wenn ausländische Parteien für den Streitfall ein<br />
Schiedsgericht in der Schweiz vorsehen, treffen sie häufi g<br />
ohne längere Abklärungen auch eine Rechtswahl zugunsten<br />
schweizerischen Rechts – ohne sich im Detail darüber<br />
im Klaren zu sein, was dies für ihr Vertragswerk bedeutet.<br />
Gross ist die Überraschung dann, wenn sich im Streitfall<br />
die sorgfältig ausgehandelten Vertragsbeendigungs-Bestimmungen<br />
wegen Art. 404 OR plötzlich als Makulatur<br />
erweisen.<br />
Im Rahmen des vorliegenden Beitrags gilt es, vor diesem<br />
Hintergrund zunächst Lehre und Rechtsprechung zu<br />
Art. 404 OR abzubilden und die entsprechenden Rechtsunsicherheiten<br />
zu benennen (hinten Ziff. 2). Im Anschluss<br />
an einen Blick auf die Rechtsordnungen unserer Nachbarländer<br />
(hinten Ziff. 3) soll ein Vorschlag zu einer engen<br />
zwingenden Anwendung von Art. 404 OR erarbeitet werden<br />
(hinten Ziff. 4).<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 294 10.3.2009 9:12:09 Uhr
Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz<br />
2. Tragweite von Art. 404 Abs. 1 OR<br />
2.1 Bundesgerichtliche Rechtsprechung<br />
Das Bundesgericht erachtet das freie Widerrufs- und Kündigungsrecht<br />
i.S.v. Art. 404 OR in ständiger Rechtsprechung<br />
als zwingend; es darf weder vertraglich ausgeschlossen noch<br />
eingeschränkt werden 2 . Selbst eine mittelbare Sank tionierung<br />
der Unwiderrufl ichkeit durch Konventionalstrafe (Art. 160<br />
OR) wird für unzulässig erklärt 3 . Diesen zwingenden Charakter<br />
von Art. 404 OR rechtfertigt das Bundesgericht mit<br />
der Begründung, dass Beauftragte meist eine besondere Vertrauensstellung<br />
einnehmen und es im Falle einer Störung des<br />
Vertrauensverhältnisses keinen Sinn mache, den Vertrag aufrecht<br />
erhalten zu wollen 4 .<br />
Dem so verstandenen Art. 404 OR kommt nach bundesgerichtlicher<br />
Rechtsprechung ein relativ breiter Anwendungsbereich<br />
zu: Die Regelung beschlägt nämlich nicht nur<br />
typische, namentlich unentgeltliche oder höchstpersönliche<br />
Aufträge, sondern wird durch das Bundesgericht auf sämtliche<br />
Auftragsverhältnisse angewendet 5 . Dem zwingenden<br />
jederzeitigen Aufl ösungsrecht werden darüber hinaus sogar<br />
gemischte Verträge unterstellt, «für welche hinsichtlich<br />
der zeitlichen Bindung der Parteien die Bestimmungen des<br />
Auftragsrechtes als sachgerecht erscheinen» 6 . Entsprechend<br />
wird also auch ein Architektenvertrag mit werkvertrags- und<br />
auftragsrechtlichen Elementen dem zwingenden freien Beendigungsrecht<br />
nach Art. 404 OR unterworfen 7 . Als zwingend<br />
widerrufl ich gelten laut Bundesgericht auch Liegenschaftsverwaltungs-<br />
8 , Musikmanagement- 9 und Internatsverträ-<br />
2 BGE 59 II 261, 95 I 25, 98 II 307, 1<strong>03</strong> II 130, 104 II 111/115,<br />
106 II 159 f., 109 II 467, 115 II 466 ff., 117 II 478; BGer vom<br />
23.5.1989, SJ 1989, 523; BGer vom 6.10.1992, 4C.31/1992,<br />
NZZ vom 5.10.1993; BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004,<br />
E. 5.4; BGer vom 29. Juli 2008, 4A.213/2008, E. 5.2; vgl. auch<br />
die Hinweise auf weitere unveröffentlichte Urteile bei Peter<br />
Münch, Die jederzeitige Aufl ösbarkeit des Auftrages bleibt<br />
zwingend, ZBJV 1997, 333 f.<br />
3 BGE 1<strong>03</strong> II 130, 104 II 116, 109 II 467, 110 II 383.<br />
4 BGE 104 II 115 f., 115 II 466; ferner BGE 98 II 308, 109 II<br />
466, 110 II 382; BGer vom 10.4.2002, 4P.28/2002, E. 3. C.cc;<br />
BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.2.<br />
5 BGE 115 II 466 f.; in BGE 109 II 467 wurde die Frage, ob auch<br />
atypische Auftragsverhältnisse dem jederzeitigen Beendigungsrecht<br />
unterliegen, noch offengelassen.<br />
6 BGE 115 II 466 f.; ferner BGE 109 II 466, 110 II 382. Nach<br />
früherer Rechtsprechung wurde Art. 404 OR hinsichtlich solcher<br />
Verträge dadurch zur Anwendung gebracht, dass Verträge<br />
auf Arbeitsleistung, welche keinem gesetzlichen Vertragstypus<br />
zugeordnet werden konnten, unter Berufung auf Art. 394<br />
Abs. 2 OR integral dem Auftragsrecht unterstellt wurden; vgl.<br />
BGE 104 II 115 f., 106 II 159.<br />
7 BGE 109 II 462 ff., 110 II 382.<br />
8 BGE 106 II 159 f.; BGer vom 23.5.1989, SJ 1989, 523; a.M.<br />
noch BGE 83 II 530 mit Hinweis auf dessen dauervertragliche<br />
Rechtsnatur; vgl. eingehend dazu Willi Fischer, Der Liegenschaftsverwaltungsvertrag,<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 2000, 399 ff.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
ge 10 oder Kooperationsverträge zwischen Depotbanken und<br />
externen Vermögensverwaltern 11 . Dagegen qualifi ziert das<br />
Bundesgericht Charterverträge als Verträge sui generis, deren<br />
Aufl ösung nicht der Vorschrift von Art. 404 OR untersteht<br />
12 . Ebenfalls ausgeschlossen wird durch die bundesgerichtliche<br />
Rechtsprechung eine analoge Anwendung von<br />
Art. 404 OR auf Dauerverträge; so wird in einem neueren<br />
Entscheid festgehalten, dass ein Franchisevertrag aufgrund<br />
seiner dauerschuldvertraglichen Rechtsnatur nicht frei widerrufen<br />
werden könne 13 . Diese Begründung erstaunt indes vor<br />
dem Hintergrund, dass das Bundesgericht wiederholt auch<br />
Dauerschuldverträge als einfache Aufträge qualifi ziert und<br />
dem freien Beendigungsrecht unterstellt hat 14 und ungeachtet<br />
dieses Entscheides weiterhin festhält, der Dauerschuldcharakter<br />
eines Vertrages hindere dessen auftragsrechtliche<br />
Einordnung nicht 15 . Im Ergebnis wendet das Bundesgericht<br />
damit Art. 404 OR unmittelbar auf Dauerverträge an, sobald<br />
es diese als einfache Aufträge qualifi ziert, lehnt aber gleichzeitig<br />
eine bloss sinngemässe Anwendung auf andere Dauerverträge<br />
mit Hinweis auf deren Dauerschuldcharakter ab 16 .<br />
2.2 Kantonale Rechtsprechung<br />
Die kantonale Rechtsprechung hat verschiedentlich versucht,<br />
durch Qualifi kation der zu beurteilenden Verträge<br />
als gemischte Verträge oder Veträge sui generis dem breiten<br />
Anwendungsbereich von Art. 404 OR gemäss der dargestellten<br />
Bundesgerichtspraxis auszuweichen. Nach kantonaler<br />
Rechtsprechung wurden mit dieser Begründung insbesondere<br />
Factoringverträge 17 , Fitnessverträge 18 , Verträge über<br />
9 BGE 104 II 115 f.<br />
10 BGer vom 4.10.1982, C.171/82, E. 3 (zit. bei Arnold F.<br />
Rusch/Michael Hochstrasser, Verträge mit Kinderkrippen,<br />
Jusletter vom 22. Oktober 2007, N 43 Fn. 89); vgl. auch KGer<br />
SG vom 26.2.1982, SJZ 1983, 247 f.<br />
11 BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.2 f. («contrat de collaboration»);<br />
Christoph Gutzwiller, Rechtsfragen der Vermögensverwaltung,<br />
Züirch 2008, 82.<br />
12 BGE 115 II 111.<br />
13 BGer vom 11.10.2000, 4C.228/2000, E. 4; OGer ZH vom<br />
24.6.20<strong>03</strong>, ZR 2004, 233; vgl. auch bereits BGE 83 II 530, 98 II<br />
308, 120 V 305; ferner BGer vom 11.2.20<strong>03</strong>, 4C.270/2002, E. 2.4;<br />
BGer vom 11.6.2002, 4C.66/2002, E. 2.1; BGer vom 30.5.2005,<br />
5C.252/2004, E. 5; OGer ZH vom 10.6.1988, ZR 1988, 310.<br />
14 Vgl. BGE 104 II 115 f., 106 Ib 150, 106 II 159, 108 Ib 192, 100<br />
II 370 f., 110 II 284 f., 111 II 449, 126 III 21 f.<br />
15 BGer vom 7.2.2002, 4C.316/2001, E. 1b; BGer vom 10.4.2002,<br />
4P.28/2002, E. 3.c; BGer vom 27.9.2002, 4C.125/2002, E. 2.1;<br />
BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.2 und 5.3.<br />
16 Ausführlich dazu Peter Gauch, Der Auftrag, der Dauervertrag<br />
und Art. 404 OR, Ein Kurzbeitrag zur Rechtsprechung des<br />
Bundesgerichts, SJZ 2005, 520 ff.<br />
17 OGer ZH vom 10.6.1988, ZR 1988, 310; OGer ZH vom<br />
25.3.1985, ZR 1986, 29 f.; a.M. im konkreten Fall aber HandelsGer<br />
ZH vom 17.12.1990, ZR 1990, 151 ff.<br />
18 BezGer Arlesheim BL vom 15.10.1993, BJM 1994, 137 f.;<br />
KassGer NE vom 21.10.1999, SJZ 2000, 396 f.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 295 10.3.2009 9:12:09 Uhr<br />
295
296<br />
die Erbringung von buchhaltungsbezogenen IT-Dienstleistungen<br />
19 , IT-Serviceverträge 20 , Betreuungsverträge 21 Beratungsverträge<br />
22 . vom Anwendungsbereich von Art. 404 OR<br />
ausgenommen.<br />
2.3 Doktrin 23<br />
In der Literatur wird die bundesgerichtliche Rechtsprechung<br />
bisweilen stark kritisiert. Für wenig überzeugend gehalten<br />
wird insbesondere die Begründung des zwingenden jederzeitigen<br />
Widerrufsrechts mit dem «besonderen Vertrauensverhältnis»;<br />
ein solches sei eben gerade nicht für jeden Auftrag<br />
typisch 24 . Indem das Bundesgericht aber auch solchen Verträgen<br />
fast jegliche Bindungswirkung abspricht, obwohl sie<br />
nicht durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt sind,<br />
werde gegen die ratio legis von Art. 404 OR verstossen 25 .<br />
Überdies könne der Auftraggeber bei fehlender Vertrauensbasis<br />
ohnehin jederzeit kündigen; es müsse bloss das Honorarinteresse<br />
des Beauftragten beachtet werden, wenn kein<br />
wichtiger Grund für die Kündigung vorliege. Art. 404 OR sei<br />
indessen auf unentgeltliche Aufträge zugeschnitten und trage<br />
dem nicht Rechnung 26 . Die bundesgerichtliche Rechtsprechung<br />
tangiere zudem den im Obligationenrecht geltenden<br />
Satz «pacta sunt servanda» 27 . Das Bundesgericht verkenne,<br />
dass das Vertrauen immer gegenseitig sei und primär zum<br />
Halten des gegebenen Wortes verpfl ichte 28 . Sodann sei die<br />
zwingende Natur von Art. 404 OR kaum zu begründen, wenn<br />
keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts (Art. 27<br />
ZGB) vorliege. Im Obligationenrecht herrsche Vertragsfreiheit<br />
und entsprechend seien alle Vorschriften, die nicht gegen<br />
den ordre public verstossen, dispositiver Natur 29,30 .<br />
19 KGer SG vom 6.01.1988, SJZ 1990, 125 f.<br />
20 KGer SZ vom 28.11.1989, SJZ 1990, 380.<br />
21 Vgl. KGer ZG vom 14.7.2005, ZGGVP 2005, 178 f.<br />
22 OGer LU vom 14.12.1988, SJZ 1989, 215 f., ZBJV 1990, 585 ff.<br />
23 Vgl. auch die Übersicht bei Josef Hofstetter, in: Josef Hofstetter/Wolfgang<br />
Wiegand (Hrsg.), Schweizerisches Privatrecht,<br />
Band VII/6: Obligationenrecht – Besondere Vertragsverhältnisse,<br />
Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag,<br />
Basel 2000, 58 f.<br />
24 Claire Huguenin, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. A.,<br />
Zürich/Basel/Genf 2008, N 835; Pierre Engel, Contrats de<br />
droit suisse, 2. A., Bern 2000, 508; Rolf H. Weber, in: Heinrich<br />
Honsell/Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.),<br />
Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 4. A.,<br />
Basel 2007, Art. 404 N 9; Peter Gauch, Art. 404 OR – Sein<br />
Inhalt, seine Rechtfertigung und die Frage seines zwingenden<br />
Charakters, recht 1992, 14.<br />
25 Vgl. Engel (FN 24), 508.<br />
26 Heinrich Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer<br />
Teil, 8. A., Bern 2006, 325.<br />
27 Vgl. Honsell (FN 26), 325; ferner Huguenin (FN 24), N 835.<br />
28 Honsell (FN 26), 325.<br />
29 Honsell (FN 26), 325 f.<br />
30 Vgl. auch die weiteren Argumente gegen die Rechtsprechung<br />
des Bundesgerichts bei Gauch (FN 24), 13 ff.<br />
Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Vor diesem Hintergrund wird nach der Mehrheitsauffassung<br />
in der Lehre 31 sowie neueren kantonalen Gerichtsentscheiden<br />
32 zwischen sog. typischen und atypischen Aufträgen<br />
unterschieden. Als «typisch» und damit zwingend frei<br />
widerrufl ich gilt ein Vertrag dann, wenn er unentgeltlich 33<br />
oder im Falle der Vereinbarung eines Honorars höchstpersönlicher<br />
Natur ist (so z.B. Verträge mit Ärzten, Rechtsanwälten<br />
oder Treuhändern) bzw. wenn ihm ein besonderes Vertrauensverhältnis<br />
zugrunde liegt 34 . Bei Fehlen dieser Merkmale<br />
wird der Auftrag als «atypisch» aufgefasst und die Parteien<br />
können das jederzeitige Aufl ösungsrecht dementsprechend<br />
wegbedingen 35 (in der Literatur wird diese Möglichkeit insbesondere<br />
bei Aufträgen mit Dauercharakter befürwortet 36 ).<br />
Vor dem Hintergrund der Unterscheidung von typischen und<br />
atypischen Verträgen werden etwa Factoring- 37 , Outsourcing-<br />
38 , Facility-Management- 39 , Franchise- 40 , Sponsoring- 41 ,<br />
31 Emmanuel Piaget, Les règles du mandat face aux contrats innomés,<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 2005, 988 ff.; Eric Homburger, Zwingende<br />
Natur des jederzeitigen Widerrufsrecht nach Art. 404 Abs. 1<br />
OR, SZW 1991, 35; Pierre Tercier, Les contrats spéciaux,<br />
4. A., Genève/Zürich 2009, N 4940 ff.; Walter Fellmann,<br />
Berner Kommentar, Bd. VI/2, 4. Teilbd., Der einfache Auftrag,<br />
Art. 394–406 OR, 4. A., Bern 1992, Art. 404 N 115 ff.; Eugen<br />
Bucher, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. A., Zürich<br />
1988, 228; Leo R. Gehrer, Die Gestaltung von Architekturverträgen<br />
– praktische Hinweise, in: Alfred Koller (Hrsg.),<br />
Recht der Architekten und Ingenieure, St. Gallen 2002, 111 f.;<br />
Huguenin (FN 24), N 834 f.; Ueli Sommer, Die rechtliche<br />
Qualifi kation von Verwaltungsrats- und anderen Organverträgen<br />
– Eine Entgegnung auf die bundesgerichtliche Absage an<br />
das Konzerninteresse in BGE 130 III 213, <strong>AJP</strong>/PJA 2004, 1063;<br />
ferner Theo Guhl/Anton K. Schnyder, Das Schweizerische<br />
Obligationenrecht, 9. A., Zürich 2000, § 49 N 32; Honsell<br />
(FN 26), 325 f.; a.M. Hofstetter (FN 23), 60 f., 67 ff.<br />
32 KGer ZG vom 14.7.2005, ZGGVP 2005, 178 f.; OGer LU vom<br />
14.12.1988, SJZ 1989, 215 f., ZBJV 1990, 587; offengelassen<br />
in BezGer Höfe SZ vom 10.8.1994, SJZ 1996, 67.<br />
33 Vgl. Thomas Schneeberger, Der Einfl uss des Entgelts auf<br />
die rechtliche Stellung des Beauftragten, Diss. Bern 1992, 232;<br />
BezGer Höfe SZ vom 10.8.1994, SJZ 1996, 67; OGer LU vom<br />
14.12.1988, SJZ 1989, 215 f.; ZBJV 1990, 587.<br />
34 Engel (FN 24), 510; Franz Werro, in: Luc Thévenoz/Franz<br />
Werro (Hrsg.), Commentaire romand, Code des obligations I,<br />
Art. 1–529, Basel 20<strong>03</strong>, Art. 404 N 7; Huguenin (FN 24),<br />
N 834; Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10; BezGer Höfe SZ<br />
vom 10.8.1994, SJZ 1996, 67; OGer LU vom 14.12.1988, SJZ<br />
1989, 215 f., ZBJV 1990, 587.<br />
35 Vgl. Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10.<br />
36 Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10; Franz Werro, Le mandat<br />
et ses effets, Habil. Fribourg 1993, N 371 ff.; Sommer (FN 31),<br />
1063; ähnlich Guhl/Schnyder (FN 31), § 49 N 32 («atypische,<br />
auf längere Dauer angelegte Vertragsverhältnisse»).<br />
37 Marc Amstutz/Walter R. Schluep, in: Heinrich Honsell/<br />
Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar,<br />
Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 4. A., Basel 2007,<br />
Einl.. vor Art. 184 OR ff. N 125.<br />
38 Vgl. Thomas Brändli, Outsourcing, Vertrags-, Arbeits- und<br />
Bankrecht, Diss. Bern 2001, N 255 ff.; Roland M. Ryser,<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 296 10.3.2009 9:12:10 Uhr
Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz<br />
Fitness- 42 , Internats- 43 oder Krippenverträge 44 vom Anwendungsbereich<br />
von Art. 404 OR ausgenommen 45 . Umgekehrt<br />
wird indessen z.B. der Spitalaufnahmevertrag als Vertrag<br />
mit einem besonderen Vertrauensverhältnis qualifi ziert und<br />
demnach ein voraussetzungsloses auftragsrechtliches Kündigungsrecht<br />
des Patienten zugelassen 46 .<br />
Hinsichtlich der praktisch wichtigen IT-Verträge würden<br />
bei dieser Unterscheidung höchstens reine IT-Beratungsverträge<br />
als «typische» Aufträge dem jederzeitigen Widerrufsrecht<br />
nach Art. 404 OR unterliegen. Die übrigen IT-Verträge<br />
(insbesondere die Wartungs- und Pfl egeverträge) wären hingegen<br />
als «atypische» Aufträge zu qualifi zieren. 47<br />
Andere Lehrmeinungen propagieren eine Unterscheidung<br />
zwischen «Macht» und «Recht». Demnach sollen beide<br />
Vertragsparteien jederzeit und ungeachtet vertraglicher Bindungen<br />
die «Macht» haben, den Auftrag zu widerrufen bzw.<br />
zu kündigen; das «Recht» soll hingegen durch vertragliche<br />
Abreden einschränkbar sein und entsprechend mache eine<br />
Vertragsbeendigung gemäss Art. 404 Abs. 2 OR schadenersatzpfl<br />
ichtig, wenn sie in Verletzung einer bindenden Vertragsdauerbestimmung<br />
(sprich: «zur Unzeit») erfolgt 48 .<br />
Nach einer weiteren Auffassung besteht ein freies Widerrufsrecht<br />
angesichts der in Art. 404 OR vorgesehenen Schadenersatzpfl<br />
icht bei unzeitiger Kündigung nur dann, wenn<br />
dem Vertragspartner dadurch keine besonderen Nachteile<br />
entstehen oder der widerrufende Teil stichhaltige Gründe<br />
für eine fristlose Vertragsaufl ösung geltend machen kann 49 .<br />
Outsourcing – Eine unternehmensstrafrechtliche Untersuchung,<br />
Diss. Zürich 2007, N 64 FN 175.<br />
39 Peter Burkhalter, Facility Management, Ganzheitliches<br />
Immobilienmanagement – erste rechtliche Lösungsansätze,<br />
BR 2004, 41.<br />
40 Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 170.<br />
41 Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 426;<br />
Peter Philipp, Rechtliche Schranken der Vereinsautonomie<br />
und der Vertragsfreiheit im Einzelsport, Diss. Zürich 2004, 156.<br />
42 Arnold F. Rusch, Verträge mit Fitnessstudios, Jusletter vom<br />
27. November 2006, N 14 (mit Hinweis auf das Urteil des Bezirksgerichtspräsidenten<br />
Arlesheim BL vom 15. Oktober 1993,<br />
BJM 1994, 138).<br />
43 Vgl. die Hinweise bei Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor<br />
Art. 184 OR ff. N 408.<br />
44 Rusch/Hochstrasser (FN 10), N 42.<br />
45 Uneinigkeit herrscht in der Lehre indes v.a. beim Fernkursvertrag,<br />
vgl. m.w.H. Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor<br />
Art. 184 OR ff. N 396.<br />
46 Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 357.<br />
47 Bernhard Heusler/Roland Mathys, IT-Vertragsrecht, Zürich<br />
2004, 254.<br />
48 Franz Werro, La distinction entre le pouvoir et le droit de<br />
résilier: la clé de l’interprétation de l’art. 404 CO, BR 1991,<br />
55 ff.; vgl. auch Tercier (FN 31), N 5282 f.; ähnlich im Ergebnis<br />
Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10 (mit Hinweis auf LGVE<br />
1990 I 25 ff.), nach welchem es denkbar ist, eine fristlose Vertragsaufl<br />
ösung gestützt auf Art. 404 OR bei anders lautender<br />
Vertragsabsprache als rechtsmissbräuchlich zu erachten.<br />
49 Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 113.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Gauch schliesslich geht sogar soweit, dass er Art. 404 OR<br />
als rein dispositive Norm auslegen will 50 .<br />
3. Rechtsvergleichung<br />
Dem Auftrag kommt im Recht unserer Nachbarländer eine<br />
geringere Bedeutung zu als in der schweizerischen Rechtsordnung<br />
51 . Begründet liegt dieser Umstand wohl in erster<br />
Linie im unterschiedlichen Rechtsverständnis. So geht das<br />
deutsche Recht etwa von der Unentgeltlichkeit des Auftrages<br />
aus (§ 662 BGB), während es entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge<br />
dem Dienst- oder Werkvertragsrecht zuordnet<br />
(vgl. § 675 BGB). Im österreichischen (§§ 1002 ff. ABGB),<br />
französischen (Art. 1984 ff. CCfr.) und italienischen<br />
(Art. 17<strong>03</strong> ff. CCit.) Recht wird der Auftrag hingegen primär<br />
als Rechtsgeschäftsbesorgung in direkter Stellvertretung<br />
aufgefasst, die entgeltlich oder unentgeltlich sein kann. Während<br />
nach österreichischem und italienischem Recht auch die<br />
Geschäftsbesorgung in indirekter Stellvertretung möglich<br />
ist, stellt das französische Recht auf den Kommissionsvertrag<br />
ab 52 . Unentgeltliche Verträge auf Arbeitsleistung werden<br />
nach österreichischem Recht dem Auftrag zugerechnet 53 .<br />
Wegen solch abweichender Defi nitionen des Auftrages<br />
ist ein Vergleich mit den gesetzlichen Regelungen unserer<br />
Nachbarländer nur bedingt gewinnbringend. Gleichwohl<br />
soll indessen nachfolgend kurz auf die Art. 404 OR entsprechenden<br />
Regelungen eingegangen werden.<br />
3.1 Deutschland<br />
Art. 404 OR fi ndet seine Entsprechung in § 671 des deutschen<br />
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Nach Abs. 1 dieser<br />
Vorschrift kann der Auftrag vom Auftraggeber jederzeit<br />
widerrufen und vom Beauftragten jederzeit gekündigt werden.<br />
Der Beauftragte darf indessen gemäss Abs. 2 nur «in<br />
der Art kündigen, dass der Auftraggeber für die Besorgung<br />
des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen kann, es sei denn,<br />
dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt.<br />
Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er<br />
dem Auftraggeber den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen».<br />
In der deutschen Doktrin wird das Widerrufsrecht des<br />
Auftraggebers grossmehrheitlich als unverzichtbar erachtet,<br />
wenn der Auftrag im ausschliesslichen Interesse des Auftraggebers<br />
liegt 54 . Soweit der Auftrag allerdings auch im<br />
50 Gauch (FN 24), 15 ff.<br />
51 Hofstetter (FN 23), 9.<br />
52 Hofstetter (FN 23), 7 f.; Weber (FN 24), vor Art. 394–406<br />
OR N 8.<br />
53 Weber (FN 24), vor Art. 394–406 OR N 8.<br />
54 Vgl. etwa Otto Palandt/Hartwig Sprau, in: Otto Palandt<br />
(Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 67. A., München 2009, § 671<br />
N 2.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 297 10.3.2009 9:12:10 Uhr<br />
297
298<br />
Interesse des Beauftragten erteilt wird und dessen In teresse<br />
demjenigen des Auftraggebers zumindest gleichwertig ist,<br />
kann auf das Widerrufsrecht des Auftraggebers wirksam<br />
verzichtet oder in eine Einschränkung eingewilligt werden 55 .<br />
Stets unverzichtbar ist das Widerrufsrecht im Falle des Vorliegens<br />
eines wichtigen Grundes 56 .<br />
Im Unterschied zu dem nur unter bestimmten Voraussetzungen<br />
einschränkbaren Widerrufsrecht des Auftraggebers,<br />
wird eine vertragliche Beschränkung bzw. ein Verzicht auf<br />
das Kündigungsrecht des Beauftragten ohne weiteres als<br />
zulässig erachtet. Vorbehalten bleibt indessen gemäss ausdrücklicher<br />
Anordnung in § 671 Abs. 3 BGB das Beendigungsrecht<br />
aus wichtigem Grund.<br />
Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass<br />
die skizzierte Widerrufs- und Kündigungsregelung aufgrund<br />
der gesetzlichen Defi nition des Auftrages gemäss § 662 BGB<br />
grundsätzlich nur auf unentgeltliche Rechtsverhältnisse Anwendung<br />
fi ndet 57 . Einzugehen ist deshalb vorliegend auch<br />
auf die Widerrufs- bzw. Kündigungsmodalitäten des mit dem<br />
entgeltlichen Auftrag des schweizerischen Rechts vergleichbaren<br />
Dienstvertragsrechts i.S.v. §§ 611 ff. BGB. Bei der<br />
Aufl ösung des Dienstvertrages sind die Kündigungsfristen<br />
gemäss § 621 (allgemeine Kündigungsfristen) bzw. gemäss<br />
§ 622 BGB (Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen) zu<br />
beachten, wenn «die Dauer des Dienstverhältnisses weder<br />
bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der<br />
Dienste zu entnehmen» ist (§ 620 Abs. 2 BGB). § 626 BGB<br />
sieht daneben ein jederzeitiges Kündigungsrecht aus wichtigem<br />
Grund vor.<br />
Für «Dienste höherer Art», welche aufgrund eines besonderen<br />
Vertrauensverhältnisses übertragen werden, sieht § 627<br />
BGB sodann zusätzlich ein jederzeitiges fristloses Kündigungsrecht<br />
vor, wenn der zur Dienstleistung Verpfl ichtete<br />
nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit Festbezügen<br />
steht. Dieses Kündigungsrecht wird durch § 627 Abs. 2 BGB<br />
allerdings insofern eingeschränkt, als der Dienstverpfl ichtete<br />
nur in der Art kündigen darf, «dass sich der Dienstberechtigte<br />
die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn,<br />
dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt.<br />
Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er<br />
dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu<br />
ersetzen». Im Ergebnis begründet damit das deutsche Dienstvertragsrecht<br />
für die typischen Dienstleistungen der freien<br />
Berufe wie etwa der Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater,<br />
Wirtschaftsprüfer oder der Privatlehrer die gleiche Lösung,<br />
wie sie Art. 404 OR im schweizerischen Recht vorsieht. Der<br />
Unterschied liegt indes darin, dass § 627 BGB nach einhel-<br />
55 M.w.H. Palandt/Sprau (FN 54), § 671 N 2.<br />
56 Vgl. die Nachweise bei Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.<br />
57 Vgl. aber für entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge § 675<br />
Abs. 1 BGB, wonach für den Fall, dass dem Verpfl ichteten das<br />
Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen,<br />
die Vorschrift von § 671 Abs. 2 BGB entsprechend angewendet<br />
wird.<br />
Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
liger Auffassung dispositiver Natur ist 58 . Begründet wird dies<br />
dadurch, dass den Vertragspartnern immer noch das Recht<br />
zur ausserordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem<br />
Grund bliebe 59 .<br />
3.2 Österreich<br />
Im österreichischen Recht entspricht Art. 404 OR den<br />
§§ 1020 und 1021 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches<br />
(ABGB), welche zwischen dem Widerrufsrecht des<br />
Geschäftsherrn (§ 1020) und dem Kündigungsrecht des Beauftragten<br />
(§ 1021) unterscheiden.<br />
Nach § 1020 ABGB kann der Auftraggeber die Vollmacht<br />
nach Belieben widerrufen. Allerdings muss er dem Beauftragten<br />
nicht nur «die in der Zwischenzeit gehabten Kosten<br />
und den sonst erlittenen Schaden ersetzen, sondern auch<br />
einen der Bemühung angemessenen Teil der Belohnung<br />
entrichten». Dieses Widerrufsrecht wird insofern als dispositiv<br />
erachtet, als seine Ausübung im Rahmen der «Guten<br />
Sitten» an Fristen und/oder Termine sowie an das Vorliegen<br />
bestimmter Gründe gebunden werden kann. Stets gewahrt<br />
bleibt indessen das ausserordentliche Widerrufsrecht des Geschäftsherrn<br />
aus wichtigem Grund 60 .<br />
Der Auftrag kann nach § 1021 ABGB auch durch den Beauftragten<br />
gekündigt werden. Soweit er den Vertrag aber «vor<br />
Vollendung des ihm insbesondere aufgetragenen, oder vermöge<br />
der allgemeinen Vollmacht angefangenen Geschäftes<br />
aufkündet, so muss er, dafern nicht ein unvorhergesehenes<br />
und unvermeidliches Hindernis eingetreten ist, allen daraus<br />
entstandenen Schaden ersetzen». Daraus wird gemeinhin<br />
geschlossen, dass der Beauftragte im Unterschied zum Auftraggeber<br />
nicht berechtigt ist, den Auftrag jederzeit nach Belieben<br />
folgenlos zu kündigen. Wenn kein unvorhergesehenes<br />
und unvermeidliches Hindernis vorliegt, stellt die einseitige<br />
Vertragsaufl ösung folglich eine Vertragsverletzung dar, die<br />
zwar keinen Erfüllungsanspruch begründet, wohl aber Schadenersatzfolgen<br />
zeitigt 61 . § 1021 ABGB gilt indessen – ebenso<br />
wie § 1020 ABGB – als dispositiv. Die Vertragsparteien<br />
können deshalb ein jederzeitiges freies Kündigungsrecht des<br />
Beauftragten vorsehen. Umgekehrt können bei befristeten<br />
und unbefristeten Daueraufträgen Kündigungsfristen und<br />
Kündigungstermine oder auch Kündigungsgründe vereinbart<br />
werden. Bei unbefristeten Aufträgen können die Parteien<br />
überdies den Ausschluss der grundlosen Kündigung vorsehen.<br />
Beschränkt wird die Dispositionsfreiheit der Parteien<br />
durch die «Gute-Sitten-Klausel» 62 .<br />
58 Statt vieler: Walter Weidenkaff, in: Otto Palandt (Hrsg.),<br />
Bürgerliches Gesetzbuch, 67. A., München 2009, § 627 N 5.<br />
59 Vgl. zum Ganzen auch Fellmann (FN 31), Art. 404 OR<br />
N 127 ff.<br />
60 Vgl. die Nachweise bei Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.<br />
61 M.w.H. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.<br />
62 M.w.H. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 298 10.3.2009 9:12:10 Uhr
Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz<br />
3.3 Frankreich<br />
Das französische Recht erlaubt dem Auftraggeber grundsätzlich,<br />
den Auftrag jederzeit zu widerrufen (Art. 2004 des<br />
Code civil français [CCfr.]). Dabei gilt nach Art. 2006 CCfr.<br />
als Widerruf bereits die Mitteilung an den Beauftragten, es<br />
sei in der betreffenden Angelegenheit ein neuer «mandataire»<br />
ernannt worden. Nach französischer Rechtspraxis ist<br />
Art. 2004 CCfr. dispositiver Natur; entsprechend wird der<br />
Verzicht auf den freien Widerruf oder die Vereinbarung einer<br />
Konventionalstrafe als zulässig erachtet 63 . Vorbehalten bleibt<br />
indessen das Widerrufsrecht aus wichtigem Grund 64 .<br />
Der Mandatar kann das Mandat in jedem Fall kündigen,<br />
wird jedoch gemäss Art. 2007 Abs. 2 CCfr. schadenersatzpfl<br />
ichtig.<br />
3.4 Italien<br />
Auch der italienische Codice civile (CCit.) differenziert zwischen<br />
dem Widerrufsrecht des Auftraggebers und dem Kündigungsrecht<br />
des Beauftragten.<br />
Nach Art. 1723 Abs. 1 CCit. kann der Auftraggeber den<br />
Auftrag jederzeit widerrufen. Er wird dem Beauftragten<br />
gegenüber jedoch schadenersatzpfl ichtig, wenn Unwiderrufl<br />
ichkeit vereinbart worden ist und für den Widerruf kein<br />
wichtiger Grund vorliegt. Ist der Auftrag indessen auch im<br />
Interesse des Beauftragten oder Dritter eingegangen worden,<br />
führt der Widerruf gemäss Art. 1723 Abs. 2 CCit. nicht zum<br />
Erlöschen des Auftrages, es sei denn, es liege eine abweichende<br />
vertragliche Vereinbarung oder ein berechtigter Widerrufsgrund<br />
vor.<br />
Für entgeltliche Aufträge sieht Art. 1725 CCit. sodann<br />
eine Sonderregelung vor: Wurde der Auftrag für eine bestimmte<br />
Zeit oder für ein bestimmtes Geschäft erteilt, trifft<br />
den Auftraggeber gemäss Abs. 1 eine Schadenersatzpfl icht,<br />
wenn der Widerruf vor Ablauf der vereinbarten Zeit oder vor<br />
Abschluss des Geschäfts erfolgt. Der Auftrag kann in diesem<br />
Fall nur widerrufen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.<br />
Bei auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Aufträgen<br />
tritt die Schadenersatzpfl icht gemäss Abs. 2 hingegen nur<br />
dann ein, wenn der Widerruf ohne angemessene Vorankündigungsfrist<br />
erfolgt und für den Widerruf kein berechtigter<br />
Grund angerufen werden kann.<br />
Art. 1727 Abs. 1 CCit. statuiert sodann für den Beauftragten<br />
eine Schadenersatzpfl icht, wenn die Kündigung ohne berechtigten<br />
Grund erfolgt. Bei unbefristeten Aufträgen macht<br />
sich der Beauftragte indessen nur dann schadenersatzpfl ichtig,<br />
wenn er – bei Kündigung ohne wichtigen Grund – eine<br />
angemessene Vorankündigungsfrist nicht einhält. Art. 1727<br />
Abs. 2 CCit. beschränkt das Kündigungsrecht schliesslich<br />
in jedem Falle insofern, als der Beauftragte den Auftrag nur<br />
63 Vgl. Georges Wiederkehr et al. (Hrsg.), Code Civil, 1<strong>03</strong>. A.,<br />
Paris 2004, Art. 2004 CC N 6 ff.<br />
64 M.w.H. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
auf solche Art und Weise und zu einer solchen Zeit kündigen<br />
kann, dass der Auftraggeber anderweitig Vorsorge treffen<br />
kann.<br />
4. Art. 404 sollte nur auf typische Aufträge<br />
zwingend angewendet werden<br />
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung begründet das<br />
zwingende Widerrufs- und Kündigungsrecht nach Art. 404<br />
OR für sämtliche Auftragsverhältnisse mit der «besonderen<br />
Vertrauensstellung» des Beauftragten. Ein besonderes Vertrauensverhältnis<br />
liegt allerdings nur den «typischen» Auftragsverhältnissen<br />
(so z.B. mit Ärzten, Rechtsanwälten oder<br />
Treuhändern) zugrunde. Demgegenüber wird in einer modernen<br />
Dienstleistungsgesellschaft bei vielen «atypischen» Aufträgen<br />
kein besonderes Vertrauensverhältnis vorausgesetzt:<br />
Oft sind die geschuldeten Dienstleistungen bei solchen Aufträgen<br />
weitgehend standardisiert und die Leistungserbringer<br />
austauschbar (man denke etwa an IT-Dienstleistungsverträge).<br />
Im Vordergrund steht dabei nicht das Vertrauen in die<br />
Person der Gegenpartei, sondern das Vertrauen, dass die Gegenpartei<br />
die Dienstleistung effektiv während der bindenden<br />
Vertragsdauer erbringen wird.<br />
Die Regelung von Art. 404 Abs. 2 OR, welche die zur<br />
Unzeit zurücktretende Partei zu Schadenersatz verpfl ichtet,<br />
gewährt keinen tauglichen Ausgleich für die fehlende zeitliche<br />
Bindungswirkung: In der Dienstleistungsgesellschaft<br />
vertraut der Auftraggeber darauf, dass er die Dienstleistung<br />
erhält. Bleibt die Dienstleistung aus, kann er seinerseits nicht<br />
produzieren, erleidet er Imageverluste gegenüber seinen<br />
Kunden usw. Um Schadenersatz zu erhalten, müsste er in<br />
einem Zivilprozess den (oft schwer zu beweisenden) Schaden,<br />
den adäquaten Kausalzusammenhang und die «Unzeit»<br />
der Kündigung beweisen. Da Schadenersatzprozesse notorisch<br />
zeit- und kostenintensiv sind und die Erfolgsaussichten<br />
schwer zu schätzen sind, sehen die geschädigten Parteien oft<br />
von der Geltendmachung von Schadenersatz ab und erhalten<br />
keinen Ausgleich für den erlittenen Schaden.<br />
Die breite, zwingende Anwendung von Art. 404 OR birgt<br />
ein erhebliches Missbrauchspotential: Nicht selten wird ein<br />
Auftragsverhältnis gestützt auf Art. 404 OR aufgelöst, weil<br />
der Auftrag für die kündigende Partei wirtschaftlich uninteressant<br />
geworden ist, und nicht etwa weil das Vertrauensverhältnis<br />
gestört wäre. Rechtlich unkundige (ausländische)<br />
Parteien schliessen nicht selten langfristige «atypische» Aufträge<br />
im Vertrauen darauf, dass die fragliche Dienstleistung<br />
für die gesamte Vertragsdauer erbracht wird, und werden<br />
dann damit überrascht, dass ihr Vertragspartner ohne Konsequenzen<br />
den Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen kann.<br />
Die breite zwingende Anwendung von Art. 404 OR auf<br />
alle Aufträge ist somit ein Fremdkörper des ansonsten sehr<br />
liberalen schweizerischen Vertragsrecht und führt dazu, dass<br />
das schweizerische Recht gerade für Dienstleistungsverträge<br />
unattraktiv wird.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 299 10.3.2009 9:12:11 Uhr<br />
299
300<br />
Die Versuche der kantonalen Gerichte, die zu beurteilenden<br />
Verträge als Innominatverträge zu qualifi zieren und so<br />
dem breiten Anwendungsbereich von Art. 404 OR gemäss<br />
obiger Bundesgerichtspraxis zu entziehen, haben zwar in<br />
Einzelfällen zu sachgerechten Resultaten geführt, schaffen<br />
aber keine Rechtssicherheit, so lange das Bundesgericht an<br />
der breiten zwingenden Anwendung von Art. 404 OR festhält.<br />
Das Bundesgericht hätte es in der Hand, Art. 404 OR<br />
nur auf «typische Aufträge» zwingend anzuwenden. Dem<br />
Wortlaut von Art. 404 OR ist nicht zu entnehmen, dass diese<br />
Bestimmung zwingend angewendet werden muss. Eine<br />
zwingende Anwendung von Art. 404 OR ist nur dann gerechtfertigt,<br />
wenn aufgrund des effektiv bestehenden besonderen<br />
Vertrauensverhältnisses eine zeitliche Bindung die<br />
Persönlichkeitsrechte (Art. 27 ZGB) der betreffenden Partei<br />
verletzen würde, oder wenn der Auftrag unentgeltlich ist. In<br />
allen übrigen Fällen ist kein Schutzbedürfnis auszumachen.<br />
Es ist nicht einzusehen, weshalb juristische Personen für IT-<br />
Verträge, Outsourcing-Verträge usw. keine ihren Bedürfnissen<br />
angepasste Bestimmungen über Vertragsdauer und Kündigungsfristen<br />
vereinbaren sollen. Eine breite zwingende<br />
Anwendung von Art. 404 OR ist somit durch die ratio legis<br />
keineswegs geboten.<br />
Art. 404 OR wäre nach der hier vertretenen Meinung dahingehend<br />
restriktiv anzuwenden, dass Aufträge nur dann<br />
zwingend jederzeit frei widerrufen bzw. gekündigt werden<br />
sollen, wenn sie unentgeltlich sind oder wenn ihnen (wie<br />
bei Verträgen mit Ärzten, Anwälten und Treuhändern) ein<br />
besonderes persönlichkeitsbezogenes Vertrauensverhältnis<br />
zugrunde liegt. Bei den übrigen Auftragsverhältnissen sollen<br />
die Parteien frei sein, eine bindende Vertragsdauer oder<br />
Kündigungsfrist zu vereinbaren, wobei wie bei allen Dauerschuldverhältnissen<br />
eine Kündigung aus wichtigem Grund<br />
möglich wäre. Eine derartige Auslegung von Art. 404 OR,<br />
die mit dessen Wortlaut durchaus vereinbar ist, würde den<br />
Dienstleistungsstandort Schweiz stärken und der «Flucht aus<br />
dem Auftragsrecht», die sich zunehmend zu einer Flucht aus<br />
dem schweizerischen Recht entwickelt, ein Ende setzen. Der<br />
internationale Standortwettbewerb wird in der globalisierten<br />
Gegenwart immer härter; die dargelegte unnötige Selbstbenachteiligung<br />
allein aus – u.E. unzutreffenden – dogmatischen<br />
Überlegungen sollte deshalb dringend behoben werden.<br />
Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Dans une jurisprudence constante, le Tribunal fédéral considère<br />
que l’art. 404 CO a un caractère impératif pour tous les<br />
mandats en raison de la relation de confi ance particulière qui<br />
s’établit entre les parties au mandat. La jurisprudence cantonale<br />
tente de s’écarter du vaste champ d’application de l’art. 404<br />
CO en qualifi ant les contrats qu’elle a à juger de contrats sui<br />
generis ou de contrats mixtes. La jurisprudence du Tribunal<br />
fédéral fait l’objet de vives critiques dans la littérature.<br />
Selon l’opinion présentée ici, il conviendrait d’appliquer<br />
l’art. 404 CO de manière restrictive, en ce sens que les mandats<br />
ne pourraient impérativement être révoqués ou répudiés<br />
librement et en tout temps que s’ils sont gratuits ou s’ils reposent<br />
sur une relation de confi ance spéciale de caractère personnel<br />
(comme dans les contrats avec les médecins, avocats<br />
et agents fi duciaires). Pour les autres mandats (comme p. ex.<br />
les contrats IT), les parties doivent être libres de convenir de<br />
manière contraignante de la durée du contrat ou du délai de<br />
résiliation. Une telle interprétation de l’art. 404 CO, tout à fait<br />
compatible avec sa teneur, renforcerait la Suisse comme lieu<br />
de prestations de service et mettrait un terme à la «fuite hors<br />
du droit du mandat» qui devient de plus en plus une fuite hors<br />
du droit suisse.<br />
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 300 10.3.2009 9:12:11 Uhr
DANIEL TRACHSEL<br />
Dr. iur., Rechtsanwalt und<br />
Mediator, Zürich<br />
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
«Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat»:<br />
Taugliches Instrument familienrechtlichen<br />
Risikomanagements?<br />
MARGHERITA BORTOLANI-<br />
SLONGO<br />
lic. iur., Rechtsanwältin und<br />
Mediatorin, Zürich<br />
Inhaltsübersicht<br />
1. Einleitung<br />
2. Begriff und Zweck der «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat»<br />
3. Allgemeine Überlegungen zur Tragweite von Scheidungsvereinbarungen<br />
auf Vorrat<br />
4. Vorausvereinbarungen über die Aufhebung des gemeinsamen<br />
Haushaltes und die Aufl ösung der Ehe (Trennungs- und Scheidungspunkt)<br />
4.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
4.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit<br />
4.3 Rechtswahl<br />
5. Vorausvereinbarungen über die Kinder (Sorgerecht und<br />
persönlicher Verkehr)<br />
5.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
5.2 Zuständigkeit und Rechtswahl<br />
6. Vorausvereinbarungen bezüglich der ehelichen Wohnung<br />
6.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
6.1.1 Im Bereich von Art. 169 ZGB<br />
6.1.2 Im Bereich des Eheschutzes<br />
6.1.3 Bei Scheidung<br />
6.1.4 Zum Stellenwert ehevertraglicher oder sachenrechtlicher<br />
Dispositionen betreffend der Familien- bzw.<br />
ehelichen Wohnung<br />
6.2 Zuständigkeit<br />
6.3 Rechtswahl<br />
7. Vorausvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Vorsorgeausgleich<br />
nach Art. 122 ff. ZGB<br />
7.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
7.2. Zuständigkeit<br />
7.3 Rechtswahl<br />
8. Vorausvereinbarungen güterrechtlicher Art<br />
8.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
8.1.1 Eheverträge<br />
8.1.2 Vereinbarungen über die güterrechtliche Auseinandersetzung<br />
8.1.3 Verfahrenstechnische Aspekte<br />
8.1.4 Rechtsgeschäfte zur Milderung einer den einen<br />
Ehegatten benachteiligenden güterrechtlichen<br />
Disposition<br />
8.2 Vereinbarungen zur Rechtswahl und zur Zuständigkeit<br />
8.2.1 Zur Rechtswahl<br />
8.2.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit<br />
9. Vorausvereinbarungen mit erbrechtlichem Charakter<br />
9.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
9.2 Zuständigkeit und Rechtswahl<br />
10. Vorausvereinbarungen über den ehelichen (insbesondere den<br />
Trennungs-) Unterhalt<br />
10.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
10.1.1 Vereinbarungen über die Beiträge der Ehegatten<br />
an den Unterhalt der Familie (Art. 163 ZGB)<br />
10.1.2 Vereinbarungen über die Geldbeiträge, die der<br />
eine Ehegatte dem anderen schuldet (Art. 173<br />
Abs. 1, 176 Abs. 1 Ziff. 1, 137 Abs. 2 ZGB)<br />
10.2 Rechtswahl<br />
10.3 Gerichtsstands- und Schiedsverein barungen<br />
10.3.1 Im Rahmen des IPRG<br />
10.3.2 Im Bereich des LugÜ<br />
11. Vorausvereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt<br />
11.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
11.2 Zuständigkeit<br />
11.3 Rechtswahl<br />
12. Das Rechtsmissbrauchverbot als Rettungsanker der Vorausvereinbarungen?<br />
13. Ausweichen auf eine dem Gericht nicht vorgelegte Zusatzvereinbarung<br />
als Ausweg?<br />
14. Sich gegenseitig bedingende ehe-, erbvertragliche und scheidungsrechtliche<br />
Abmachungen als Lösung?<br />
15. «Ehe light» – vertragliche Gestaltung einer nichtehelichen<br />
Gemeinschaft als Alternative?<br />
16. Ergebnis<br />
17. Formulierungsvorschläge für Scheidungskonventionen<br />
auf Vorrat<br />
1. Einleitung<br />
Seit Jahren werden in der Schweiz jährlich mehr als 20 000<br />
Ehen geschieden. In grossstädtischen Verhältnissen liegt die<br />
Scheidungsquote (im Verhältnis zu den in einem Kalenderjahr<br />
eingegangen neuen Ehen zu den Scheidungen im jeweiligen<br />
Jahr) bei 50 Prozent. Die «klassische» ehe- und erbrechtliche<br />
Planung, die an die «reguläre» Aufl ösung der Ehe<br />
durch den Tod anknüpft, erweist sich damit zunehmend als<br />
ergänzungsbedürftig: Eine Scheidung und die Scheidungsfolgen<br />
beeinfl ussen vermehrt den Lebensentwurf. In der<br />
Schweiz wird seit längerem über das Thema Scheidungsplanung<br />
kontrovers diskutiert 1 , und in der täglichen Beratungs-<br />
1 Vgl. dazu die Hinweise bei Heinz Hausheer/Daniel Steck,<br />
Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen – mehr Privatautonomie<br />
bei verstärkter Inhaltskontrolle ein dringendes Reformanliegen?,<br />
ZBJV 2008, 922 ff.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 301 10.3.2009 9:12:11 Uhr<br />
301
302<br />
Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />
praxis ist vermehrt das Bedürfnis festzustellen, den ökonomischen<br />
Folgen einer allfälligen späteren Scheidung schon<br />
bei der Eheschliessung Beachtung zu schenken und diese,<br />
wenn immer möglich, im Voraus vertraglich zu regeln. Dieser<br />
Wunsch besteht vor allem in so genannt «gehobenen Verhältnissen»<br />
mit einem erheblichen fi nanziellen Spielraum,<br />
wobei – so unsere Beobachtung – es weniger darum geht, die<br />
wirtschaftlich schwächere Seite zu benachteiligen (obwohl<br />
auch dies ein Motiv sein kann), als darum, den «worst case»<br />
berechenbar zu machen. Es ist deshalb sicher zutreffend, von<br />
einem eigentlichen Bedürfnis nach «familienrechtlichem Risikomanagement»<br />
zu sprechen.<br />
Diese Arbeit versucht, den Gestaltungsspielraum auszuloten<br />
und – im Sinne von Hinweisen zweier Praktiker für<br />
Praktikerinnen – konkrete, auf die neuere Literatur und herrschende<br />
Lehre abgestützte Handlungsanleitungen und Formulierungsvorschläge<br />
zu entsprechenden Vereinbarungen zu<br />
liefern. Die Globalisierung und die Personenfreizügigkeit im<br />
Rahmen der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und<br />
der EU führen vermehrt zu internationalen Verhältnissen im<br />
Familienrecht: Seit Jahren haben bei knapp der Hälfte aller in<br />
der Schweiz geschlossenen Ehen beide oder mindestens ein<br />
Ehegatte eine ausländische Staatsangehörigkeit. 2 Aufgrund<br />
der generellen Zunahme der Mobilität sind Wohnsitzverlegungen<br />
ins Ausland oder vom Ausland in die Schweiz immer<br />
häufi ger zu beobachten. Dies legt es nahe, nachfolgend auch<br />
die einschlägigen Gesichtspunkte des internationalen Privat-<br />
und Zivilprozessrechtes, die sich im Hinblick auf eine Ausweitung<br />
des Gestaltungsspielraumes als fruchtbar erweisen,<br />
in die Überlegungen einzubeziehen.<br />
2. Begriff und Zweck der «Scheidungsvereinbarung<br />
auf Vorrat»<br />
2.1 Unter einer «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat» wird<br />
hier eine vor oder nach der Heirat ohne konkreten Scheidungshorizont<br />
zum Voraus in den dafür gesetzlich vorgeschriebenen<br />
Formen abgeschlossene rechtsgeschäftliche<br />
Abmachung verstanden, mit der – nebst allfälligen ehe- und/<br />
oder erbvertraglichen Dispositionen – die gesetzlich vorgesehene<br />
Regelung der scheidungsrechtlichen Nebenfolgen im<br />
Hinblick auf eine Scheidung im In- oder Ausland konkretisiert,<br />
modifi ziert oder ersetzt werden soll. 3<br />
2 Quelle: Bundesamt für Statistik: Scheidungen nach Staatsangehörigkeit<br />
vor der Heirat und nach Zahl der unmündigen Kinder,<br />
1960–2007, 01/06/blank/key/06/06.Document.20619.xls>.<br />
3 Vgl. auch Philippe Meier, Planifi cation du divorce: une illusion?<br />
Les conventions anticipées d’entretien en droit suisse, in:<br />
Denis Piotet/Denis Tappy (édit.), Recueil de travaux à l’honneur<br />
du Professeur Suzette Sandoz, Genève/Zurich/Bâle 2006, 290;<br />
Maurice Courvoisier, Voreheliche und eheliche Scheidungsfolgenvereinbarungen<br />
– Zulässigkeit und Gültigkeitsvoraussetzungen,<br />
Eine rechtsvergleichende Studie unter Berücksich-<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
2.2 Soweit sich eine Partei an eine solche Vereinbarung später<br />
nicht mehr gebunden fühlen sollte, ist deren Verbindlichkeit<br />
in einem diesfalls stattfi ndenden gerichtlichen Verfahren<br />
(bei dem es sich entweder um ein Eheschutz- oder ein<br />
Scheidungsverfahren handelt) möglichst zu gewährleisten.<br />
Es wird mithin – als ganz zentrales Element – regelmässig<br />
volle Bindungswirkung angestrebt.<br />
3. Allgemeine Überlegungen zur<br />
Tragweite von Scheidungsvereinbarungen<br />
auf Vorrat<br />
3.1 Dass eine Scheidungsvereinbarung bereits vor der Heirat<br />
abgeschlossen werden kann, ergibt sich aus dem allgemeinen<br />
Prinzip der Vertragsfreiheit; für die Zeit nach der Eheschliessung<br />
steht es den Ehegatten nach Art. 168 ZGB und<br />
gemäss der herrschenden Lehre4 ohne weiteres frei, im Rahmen<br />
der gesetzlichen Schranken beliebige Rechtsgeschäfte<br />
miteinander abzuschliessen. Auch das Bundesgericht geht in<br />
BGE 121 III 393 ff. von der selbstverständlichen generellen<br />
Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen aus.<br />
3.2 Welchen Stellenwert hat die «Scheidungsvereinbarung<br />
auf Vorrat» bezüglich des nachehelichen Unterhaltes, wenn<br />
sie dem Gericht vorgelegt wird?<br />
3.2.1 Unter der Bedingung, dass die Scheidung ausgesprochen<br />
und die Vereinbarung der Ehegatten genehmigt wurde,<br />
hatte eine Vereinbarung der Ehegatten über den nachehelichen<br />
Unterhalt unter dem Scheidungsrecht von 1907/1912<br />
entsprechend den allgemeinen Regeln des Vertragsrechtes<br />
grundsätzlich bindende Wirkung. Der einseitige Widerruf der<br />
Vereinbarung durch eine scheidungswillige Partei war demzufolge<br />
unzulässig. Die Bindungswirkung entfi el nur dann,<br />
wenn ein Ehegatte das Scheidungsbegehren zurückzog, der<br />
beklagte Ehegatte die Zustimmung zur Scheidung widerrief<br />
oder eine Partei mit Erfolg entweder die Nichtgenehmigung<br />
der Vereinbarung beantragte oder sich erfolgreich auf einen<br />
Willensmangel berufen konnte. 5<br />
3.2.2 Dies änderte sich mit Inkrafttreten des Scheidungsrechts<br />
von 1998/2000 wesentlich, weil ein Ehegatte die<br />
Scheidungskonvention nun trotz der vorbestehenden vertraglichen<br />
Bindung durch die blosse (ausdrückliche oder<br />
stillschweigende) Verweigerung der Bestätigung gemäss<br />
Art. 111 Abs. 2 ZGB zu Fall bringen kann.<br />
tigung des US-amerikanischen und schweizerischen Rechts;<br />
Juristische Fakultät der Universität Basel, Schriftenreihe für Internationales<br />
Recht, Bd. 99, Basel 2002, 5.<br />
4 Vgl. die Nachweise bei Ingeborg Schwenzer, Grenzen der<br />
Vertragsfreiheit in Scheidungskonventionen und Eheverträgen,<br />
FamPra.ch 2005, 6 m.w.H.<br />
5 Vgl. Hausheer/Steck (FN 1), 940.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 302 10.3.2009 9:12:12 Uhr
Die Scheidungsvereinbarung ist ein familienrechtlicher<br />
Vertrag sui generis. 6 Sie kann allein nach den bundesrechtlichen<br />
Verfahrensbestimmungen von Art. 111 ff. ZGB zustande<br />
kommen und bedarf zu ihrer Rechtsgültigkeit der gerichtlichen<br />
Genehmigung im Urteil über die Aufl ösung der Ehe.<br />
3.2.3 Die Bindungswirkung von Scheidungsvereinbarungen<br />
variiert je nach Zeitpunkt und Verfahren, in dem sie abgeschlossen<br />
worden sind:<br />
Eine während eines Klageverfahrens gemäss Art. 114 bzw.<br />
115 ZGB oder strittigen Nebenfolgenprozesses im Sinne<br />
von Art. 112 ZGB abgeschlossene Vereinbarung kann<br />
nicht einseitig widerrufen werden, sondern sie entfaltet<br />
vielmehr unmittelbar mit ihrem Abschluss Bindungswirkung.<br />
Sie unterliegt keiner zweimonatigen Bedenkfrist. 7<br />
Eine Scheidungsvereinbarung auf Vorrat wird per defi nitionem<br />
vor einem strittigen Verfahren abgeschlossen, und<br />
kann deshalb an dieser Bindungswirkung nicht teilhaben.<br />
Wird eine zum Voraus abgeschlossene Konvention im Rahmen<br />
einer Streitscheidung nach Art. 114/115 ZGB eingereicht<br />
und entsteht mit Bezug auf die Scheidung als solche<br />
nachträgliche Einigkeit, so fi ndet gemäss Art. 116 ZGB<br />
das Verfahren betreffend die Scheidung auf gemeinsames<br />
Begehren sinngemäss Anwendung. Gemäss dem Bundesgerichtsentscheid<br />
vom 14. Juli 2005 (5C.270/2004, E. 3.2)<br />
soll sich diesfalls die Bedenkfi rst nach Art. 111 ZGB nur<br />
dann auf die Scheidungsfolgenvereinbarung beziehen,<br />
wenn diese gemeinsam eingereicht oder wenigstens ihre<br />
gerichtliche Genehmigung gemeinsam beantragt wird.<br />
Soweit die Scheidungsfolgenvereinbarung aber strittig<br />
ist, bleibt sie bindend und kann nicht widerrufen werden,<br />
weil – so das Bundesgericht – nach Art. 112 Abs. 2 ZGB<br />
die Bedenkfrist nur auf die Scheidungsfolgen anwendbar<br />
sei, über die Einigkeit besteht. 8 –<br />
–<br />
Jedenfalls kann aus dieser<br />
eher singulären Fallkonstellation in grundsätzlicher Hinsicht<br />
nichts zugunsten von Scheidungsvereinbarungen auf<br />
Vorrat abgeleitet werden.<br />
Es wird deshalb in aller Regel dabei bleiben, dass sich die<br />
Bindungswirkungen einer «Scheidungsvereinbarung auf<br />
Vorrat» an den Kriterien wird messen lassen müssen, die allgemein<br />
für Vereinbarungen im Verfahren auf gemeinsames<br />
Begehren gelten. Die insoweit geltenden bundesrechtlichen<br />
Verfahrensbestimmungen von Art. 111 ff. ZGB können<br />
rechtsgeschäftlich nicht modifi ziert werden.<br />
6 Daniel Steck, Gedanken zur Rechtsnatur der Scheidungskonvention<br />
im neuen Scheidungsrecht, in: Andreas Donatsch et al.<br />
(Hrsg.), Festschrift 125 Jahre Kassationsgericht des Kantons<br />
Zürich, Zürich 2000, 557 f.; Marion Jakob, Die Scheidungskonvention,<br />
Diss. St. Gallen, Zürich 2008, 113 ff.<br />
7 Alexandra Rumo-Jungo, Reformbedürftiges Scheidungsrecht:<br />
ausgewählte Fragen, in: Alexandra Rumo-Jungo/Pascal<br />
Pichonnaz (Hrsg.), Scheidungsrecht: Aktuelle Probleme und<br />
Reformbedarf, Zürich/Basel/Genf 2008, 11 m.w.H.<br />
8 Diese Praxis ist zu Recht kritisiert worden; vgl. Rumo-Jungo<br />
(FN 7), 12 f.; Hausheer/Steck (FN 1), 17.<br />
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
3.2.4 Bei der Scheidung auf gemeinsames Begehren mit<br />
umfassender Einigung nach Art. 111 ZGB sind drei Phasen<br />
zu unterscheiden: 9<br />
Erste Phase: Nach erfolgter Anhörung und während laufender<br />
Bedenkfrist kann eine Partei die Vereinbarung einseitig<br />
widerrufen oder sie nach Ablauf der Bedenkzeit nicht<br />
bestätigen; insoweit fehlt jede vertragliche Bindung, und<br />
dies unabhängig davon, ob die Konvention lange zum Voraus<br />
oder erst im Vorfeld einer konkreten Scheidung abgeschlossen<br />
wurde. 10<br />
Zweite Phase: Nach erfolgter Bestätigung durch die Ehegatten<br />
– aber vor der im Scheidungsurteil zu erfolgenden gerichtlichen<br />
Genehmigung – besteht Bindungswirkung zwischen<br />
den Parteien; es kann nur noch die Nichtgenehmigung<br />
verlangt werden (ist dies ausnahmsweise der Fall, so kann<br />
das Gericht auch gegen den Willen einer Partei die Scheidungsvereinbarung<br />
genehmigen und die Scheidung aussprechen).<br />
Dritte Phase: Nach der gerichtlichen Genehmigung ist<br />
die Scheidungskonvention uneingeschränkt wirksam (vorbehältlich<br />
der erfolgreichen Anfechtung in einem Rechtsmittelverfahren,<br />
in welchem Rahmen auch eine gerichtlich<br />
genehmigte Scheidungskonvention wegen Willensmängeln<br />
angefochten werden kann; vgl. etwa BGE 117 II 218 ff.).<br />
3.3 Nach dem Gesagten hat die «Scheidungsvereinbarung<br />
auf Vorrat» grundsätzlich zwei Hürden zu nehmen: Zum einen<br />
die Bestätigung durch beide Ehegatten im Rahmen des<br />
geltenden Art. 111 Abs. 2 ZGB und zum anderen die gerichtliche<br />
Genehmigung nach Art. 140 ZGB (soweit der scheidungsrechtliche<br />
Vorsorgeausgleich in Frage steht: gemäss<br />
Art. 141 ZGB). Auch durch die Integration scheidungsrechtlicher<br />
Nebenfolgen (also nachehelicher Unterhalt, Vorsorgeausgleich,<br />
güterrechliche Auseinandersetzung) in einen<br />
Ehevertrag können solche Vereinbarungen der Genehmigung<br />
durch den Scheidungsrichter nicht entzogen werden (BGE<br />
121 III 395).<br />
3.4 Das Gericht darf die Genehmigung der Konvention nur<br />
aus wichtigen Gründen verweigern (BGE 5C.270/2004,<br />
E. 5.1): Wenn diese nicht aus freiem Willen und nach reiflicher<br />
Überlegung geschlossen wurde oder nicht klar ist und<br />
dann, wenn es die Vereinbarung als offensichtlich unangemessen<br />
erachtet. Bei der Prüfung der Angemessenheit ist<br />
«ein Vergleich anzustellen zwischen der Vereinbarung und<br />
dem Entscheid, den das Gericht ohne sie treffen würde». Er-<br />
9 Thomas Geiser, Bedürfen Eheverträge der gerichtlichen Genehmigung?,<br />
in: Thomas Geiser et al. (Hrsg.), Festschrift für<br />
Heinz Hausheer zum 65. Geburtstag, Bern 2002, 221.<br />
10 Sollte die vorgesehene Novelle zu Art. 111 ZGB [vgl. im einzelnen<br />
Rumo-Jungo (FN 7), 13 f.] angenommen werden und<br />
das Erfordernis der Einhaltung der zweimonatigen Bedenkfrist<br />
wegfallen, besteht das einseitige Widerrufsrecht bis nach Abschluss<br />
der Anhörung [welche aus mehreren Sitzungen bestehen<br />
kann].<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 3<strong>03</strong> 10.3.2009 9:12:12 Uhr<br />
3<strong>03</strong>
304<br />
Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />
gibt sich «eine eklatante, sofort erkennbare Differenz», ist<br />
die Genehmigung zu verweigern. 11<br />
Dass die Intensität der gerichtlichen Überprüfung in der<br />
Praxis nicht einheitlich ist, 12 ist zutreffend, ändert indessen<br />
aus unserer Perspektive nichts daran, dass eine Vorausvereinbarung,<br />
die massiv vom normierten Regelfall abweicht (z.B.<br />
einen vollen Unterhaltsverzicht der wirtschaftlich schwächeren<br />
Partei nach langer, lebensprägender Ehe vorsieht)<br />
diese Hürde kaum nehmen würde. Das Genehmigungserfordernis<br />
engt den Planungsspielraum zusätzlich ein.<br />
3.5 Ein erstes Fazit ist einigermassen ernüchternd: Soweit<br />
eine Vorausvereinbarung von beiden Ehegatten bestätigt<br />
wird und sich in dem von Art. 140 und 141 ZGB abgesteckten<br />
Rahmen hält, wird sie zum Inhalt eines Scheidungsurteils<br />
werden können. Soweit die Bestätigung eines Ehegatten im<br />
späteren Scheidungsverfahren aber ausbleibt, ist es der anderen<br />
Partei unbenommen, im dann nach Art. 112 Abs. 3 ZGB<br />
Platz greifenden kontradiktorischen Verfahren eine Gestaltung<br />
der scheidungsrechtlichen Nebenfolgen entsprechend<br />
der nicht bestätigten Vorausvereinbarung zu beantragen. Der<br />
Vereinbarung – da zumindest Ausdruck eines früher einmal<br />
vorhandenen Konsenses – kommt dann allenfalls eine gewisse<br />
präjudizielle Wirkung zu (soweit sich die damaligen<br />
Verhältnisse nicht wesentlich verändert haben); dies ist indessen<br />
eine zu fragile Basis, um darauf verlässlich disponieren<br />
zu können. Nachdem es sich nun nicht (mehr) um eine<br />
«Vereinbarung» im Sinne von Art. 140 ZGB handelt, kann<br />
auch nicht einseitig die Genehmigung verlangt werden. Der<br />
Prüfungsmassstab ist damit nicht mehr die «offensichtliche<br />
Unangemessenheit», sondern das Gericht wird im Sinne von<br />
Art. 112 Abs. 3 ZGB eigenes Recht anwenden, womit in den<br />
meisten Fällen eine ins Gewicht fallende Abweichung vom<br />
Inhalt der Vorausscheidungsvereinbarung vorprogrammiert<br />
sein wird.<br />
3.6 Stellt also das schweizerische Recht – insbesondere<br />
dort, wo andere als besonders gute wirtschaftliche Verhältnisse<br />
vorliegen – keine tauglichen Instrumente für eine<br />
Scheidungsplanung zur Verfügung? So allgemein lässt sich<br />
die Frage nicht beantworten. Bis anhin sind zwar erhebliche<br />
Schwierigkeiten lokalisiert worden; es macht indessen trotzdem<br />
Sinn, in einer differenzierten Betrachtungsweise die<br />
verschiedenen in Frage kommenden Regelungsmaterien je<br />
einzeln daraufhin zu überprüfen, ob es sich dabei um eine<br />
scheidungsrechtliche Nebenfolge (mit Bestätigungs- und<br />
Genehmigungserfordernis) handelt oder um ein anderes<br />
Rechtsgeschäft, dem a) eine vertragliche Bindungswirkung<br />
zukommt und das b) nicht der gerichtlichen Genehmigung<br />
nach Art. 140 ZGB unterliegt.<br />
11 Hausheer/Steck (FN 1), 938 m.w.H. auf Literatur und Rechtssprechung<br />
in Fn. 83.<br />
12 Was auch vielfach kritisiert wird; vgl. Hausheer/Steck<br />
(FN 1), 941 mit Hinweisen in Fn 98.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
3.7 Die nachfolgende Untersuchung (Ziff. 4 ff.) erfolgt für<br />
jeden (im Kontext einer Scheidung einer Vereinbarung zugänglichen)<br />
Regelungsgegenstand aus drei verschiedenen<br />
Blickwinkeln:<br />
1. Kann – bei schweizerischer Zuständigkeit und bei Anwendung<br />
schweizerischen Rechts – mit bindender Wirkung<br />
überhaupt zum Voraus disponiert werden?<br />
2. Sind – zur Vermeidung hiesiger Restriktionen – Vorausvereinbarungen<br />
zur direkten (internationalprivatrechtlichen)<br />
Zuständigkeit oder Schiedsgerichtsvereinbarungen<br />
mit der Folge, dass der Regelungsgegenstand entweder<br />
von einem Schiedsgericht oder einem ausländischen Gericht<br />
beurteilt wird, möglich?<br />
3. Kann zum Voraus ein anderes Recht gewählt werden, das<br />
den Parteien mehr entspricht als das schweizerische?<br />
4. Vorausvereinbarungen über die<br />
Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes<br />
und die Aufl ösung der Ehe<br />
(Trennungs- und Scheidungspunkt)<br />
4.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
Bei Fragen der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes und<br />
der Eheaufl ösung handelt es sich um höchstpersönliche Entscheidungen,<br />
bei denen aufgrund von Art. 27 ZGB von einem<br />
absoluten Bindungsverbot auszugehen ist. 13 Einer Vorausverpfl<br />
ichtung, der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes<br />
oder der Scheidung auf gemeinsames Begehren zuzustimmen,<br />
d.h. auf die Anrufung der Art. 175, 114 und 115 ZGB<br />
zu verzichten, geht mithin jegliche Bindungswirkung ab.<br />
4.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit<br />
4.2.1 Für die direkte internationalprivatrechtliche Scheidungszuständigkeit<br />
existieren weder multi- noch bilaterale<br />
Übereinkommen. 14 Die Zuständigkeitsvorschriften der<br />
Art. 59 ff. IPRG sind zwingend und ausschliesslich; die<br />
Scheidungszuständigkeit ist nicht derogierbar. Soweit bei<br />
Eheschutzmassnahmen personenbezogene Wirkungen in<br />
Frage stehen, sind die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 46<br />
und 47 IPRG nicht derogierbar. 15<br />
13 Heinz Hausheer, Neuere bundesgerichtliche Rechtssprechung<br />
zu Umfang und Grenzen der Privatautonomie im Familienrecht:<br />
insbesondere zu Unterhaltsvereinbarungen ohne<br />
konkreten Scheidungshorizont, zum Vorsorgeausgleich und zur<br />
Wahlfreiheit beim Güterstand, in: ZBJV 2004, 875.<br />
14 Lukas Bopp, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Anton K.<br />
Schnyder/Stephen V. Berti (Hrsg.), Basler Kommentar Internationales<br />
Privatrecht, 2. A., Basel 2007, Art. 59 N 3.<br />
15 Maurice Courvoisier, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter<br />
Vogt/Anton K. Schnyder/Stephen V. Berti (Hrsg.), Basler Kommentar<br />
Internationales Privatrecht, 2. A., Basel 2007, Art. 46<br />
N 25.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 304 10.3.2009 9:12:12 Uhr
4.2.2. Ob binnenstaatlich eine Gerichtsstandsvereinbarung<br />
möglich ist, ist umstritten. Art. 15 Abs. 1 lit. a GestG (für<br />
Eheschutzmassnahmen, inkl. Begehren um Abänderung, Ergänzung<br />
oder Aufhebung von solchen) sowie Art. 15 Abs. 1<br />
lit. b GestG (für Scheidungsklagen, inkl. gemeinsame Scheidungsbegehren<br />
nach Art. 111 und 112 ZGB) begründen einen<br />
ausschliesslichen, zwingenden Gerichtsstand am Wohnsitz<br />
eines Ehegatten. 16 Im Rahmen von Art. 15 Abs. 1 lit. a<br />
und b GestG sollten die Parteien u.E. aber frei sein, eine Gerichtsstandsvereinbarung<br />
abzuschliessen mit der Wirkung,<br />
dass der benachteiligte Ehegatte im Widerhandlungsfalle<br />
unter Berufung auf die Vorausgerichtsstandsvereinbarung<br />
die Unzuständigkeitseinrede erheben könnte. Denn mit Blick<br />
auf teilweise erhebliche Unterschiede in der kantonalen Gerichtspraxis<br />
kann durchaus ein legitimes Bedürfnis bestehen,<br />
den Gerichtsstand zu fi xieren, etwa wie folgt:<br />
«Die Parteien vereinbaren, dass für sämtliche Verfahren im Zusammenhang<br />
mit dieser Vereinbarung, insbesondere für ein Eheschutzverfahren<br />
gemäss Art. 175 ff. ZGB oder ein Scheidungsverfahren<br />
gemäss Art. 111 ff. ZGB, die ordentlichen Gerichte<br />
am letzten gemeinsamen Wohnsitz der Ehegatten zuständig<br />
sind, sofern im Zeitpunkt des Anhängigmachens mindestens ein<br />
Ehegatte weiterhin dort seinen Wohnsitz hat.»<br />
4.3 Rechtswahl<br />
Eine Rechtswahl ist im Bereich des Scheidungs- oder Trennungspunktes<br />
nicht möglich.<br />
5. Vorausvereinbarungen über die<br />
Kinder (Sorgerecht und persönlicher<br />
Verkehr)<br />
5.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
Für sämtliche Kinderbelange gilt die uneingeschränkte Untersuchungsmaxime.<br />
17 Vereinbarungen der Eltern haben sich<br />
am Massstab des Kindeswohls messen zu lassen; auch im<br />
Bereich von Art. 133 Abs. 2 ZGB ist auf elterliche Vereinbarungen<br />
lediglich Rücksicht zu nehmen. 18<br />
Vereinbarungen der Eltern über die Kinderbelange (insbesondere<br />
hinsichtlich gar noch nicht geborener Kinder) fehlt<br />
eine Verbindlichkeit in dem Sinne, dass das Gericht davon<br />
nicht abweichen könnte. Breitschmid weist indessen zu<br />
Recht darauf hin, dass das Gericht im Rahmen der Würdigung,<br />
ob einem Antrag eines Elternteils noch gefolgt wer-<br />
16 Christoph Leuenberger, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter<br />
Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch<br />
I, 3. A., Basel 2006, Art. 135 N 4.<br />
17 Vgl. Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches<br />
vom 15. November 1995, BBl 1996 I 1–227, 123.<br />
18 Schwenzer (FN 4), 3.<br />
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
den könne, ein früheres (vertraglich festgelegtes) Einvernehmen<br />
der Beteiligten nicht einfach ausser Acht lassen wird.<br />
Es wird diese Vereinbarung vielmehr in die pfl ichtgemässe<br />
Abwägung der Gegebenheiten einzubeziehen haben, und<br />
dies vor allem dann, wenn eine solche Absprache der effektiv<br />
gelebten Elternverantwortung während einer gewissen Zeit<br />
entsprochen hat. 19<br />
Sinnvoll kann die Aufnahme einer Klausel sein, in der sich<br />
die Parteien bereit erklären, für den Fall von Differenzen im<br />
Bereich der Kinderbelange die «guten Dienste» kompetenter<br />
Drittpersonen in Anspruch zu nehmen. 20 Wie bei einer Mediationsklausel<br />
ist die Durchsetzbarkeit indessen fraglich; 21<br />
zudem bleibt die gerichtliche Genehmigung der im Schlichtungsverfahren<br />
erzielten Übereinkunft vorbehalten, widrigenfalls<br />
ihr jegliche Bindungswirkung abgeht.<br />
5.2 Zuständigkeit und Rechtswahl<br />
Die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung oder einer<br />
Rechtswahl besteht im Bereich der Kinderbelange nicht:<br />
Innerhalb des Anwendungsbereiches des Haager Übereinkommens<br />
über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende<br />
Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen<br />
(MSA) ist die Zuständigkeit zur Regelung der<br />
elterlichen Sorge- und Besuchsrechte ausschliesslich und<br />
abschliessend geregelt (Art. 63 Abs. 2 IPRG i.V.m. Art. 1<br />
MSA). Die Primärzuständigkeit knüpft an den gewöhnlichen<br />
Aufenthalt des Kindes an; subsidiär (und bei Vorliegen der<br />
Voraussetzungen des Art. 4 MSA) sind die Heimatbehörden<br />
zuständig. 22<br />
Nach dem neuen Haager Kindesschutzübereinkommen<br />
vom 19. Oktober 1996 (HKsÜ) – das für die Schweiz Mitte<br />
2009 in Kraft treten soll und das MSA ersetzt (Art. 51<br />
HKsÜ) – ändert sich an der primären Zuständigkeit der Gerichte<br />
und Behörden am gewöhnlichen Aufenthaltsort des<br />
Kindes grundsätzlich nichts. Hingegen ergeben sich gestützt<br />
auf Art. 8 f. HKsÜ neuartige Möglichkeiten zur Übertragung<br />
von Kompetenzen an andere Vertragsstaaten. Neu ist auch,<br />
dass das Scheidungsgericht – neben der Behörde am Ort des<br />
gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes – über eine alternative<br />
Zuständigkeit zur Regelung der Kinderbelange verfügt,<br />
wenn die Voraussetzungen von Art. 10 HKsÜ erfüllt sind,<br />
d.h. wenn ein Elternteil zu Beginn des Scheidungsverfahrens<br />
seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Scheidungsstaat «und<br />
ein Elternteil die elterliche Verantwortung für das Kind hat»<br />
(Art. 10 Abs. 1 lit. a HKsÜ), sowie wenn beide Eltern diese<br />
Zuständigkeit anerkennen (bzw. mit ihr einverstanden sind)<br />
19 Peter Breitschmid, «Scheidungsplanung»?, Fragen um<br />
«Scheidungskonventionen auf Vorrat», <strong>AJP</strong>/PJA 1999, 1612.<br />
20 Vgl. dritter Teil der Formulierungsvorschläge, lit. B Ziff. 6.2.<br />
21 ZR 99 (2000) Nr. 29.<br />
22 BSK IPRG-Bopp (FN 14), Art. 63 N 22.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 305 10.3.2009 9:12:12 Uhr<br />
305
306<br />
Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />
und diese dem Kindeswohl entspricht (Art. 10 Abs. 1 lit. b<br />
HKsÜ).<br />
Gemäss Art. 15 HKsÜ wenden die Behörden der Vertragsstaaten<br />
ihr eigenes Recht an, ersatzweise – wenn es zum<br />
Schutz des Kindes oder seines Vermögens erforderlich ist –<br />
das Recht eines anderen Staates.<br />
Diese neuen Aspekte dienen mit Sicherheit dem Erfordernis<br />
der Einheit des Scheidungsurteils und einheitlicher<br />
Rechtsanwendung; die Möglichkeit des Abschlusses weitergehender<br />
Vorausvereinbarungen über die Zuständigkeit<br />
eröffnen sie aber nicht.<br />
6. Vorausvereinbarungen bezüglich der<br />
ehelichen Wohnung<br />
6.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
6.1.1 Im Bereich von Art. 169 ZGB<br />
Gemäss Art. 169 Abs. 1 ZGB kann ein Ehegatte nur mit der<br />
ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag<br />
kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern<br />
oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den<br />
Wohnräumen der Familie beschränken. Kann zum Voraus,<br />
also ohne dass eine konkrete Kündigungs- oder Veräusserungsabsicht<br />
besteht, die verbindliche Zustimmung zu einem<br />
solchen die Rechte an der Familienwohnung betreffenden<br />
Rechtsgeschäft abgegeben werden? Die herrschende Lehre<br />
geht davon aus, dass dies wegen des zwingenden Charakters<br />
des Art. 169 ZGB und des besonderen Normzweckes nicht<br />
möglich ist. Vielmehr ist sie zu jedem genügend konkretisierten<br />
und terminierten Rechtsgeschäft neu und separat erforderlich.<br />
23<br />
6.1.2 Im Bereich des Eheschutzes<br />
Kann zum Voraus darauf verzichtet werden, gemäss Art. 176<br />
Abs. 1 Ziff. 2 ZGB bei einer Aufhebung des gemeinsamen<br />
Haushaltes die Zuweisung der ehelichen Wohnung an sich<br />
selbst zu verlangen? Soweit ein solcher Verzicht ohne konkreten<br />
Trennungshorizont abgegeben wird und sich später<br />
herausstellt, dass er inzwischen veränderten Verhältnissen<br />
– neuen Bedürfnissen und Lebensumständen der Ehegatten<br />
und der Kinder – nicht mehr entspricht, wird er nach der<br />
hier vertretenen Auffassung nicht bindend vereinbart werden<br />
können. Auch wenn die Rechte und Pfl ichten der Ehegat-<br />
23 Ivo Schwander, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas<br />
Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A.,<br />
Basel 2006, Art. 169 N 17 m.w.H; a.M. Andreas Bucher, Die<br />
Wohnung der Familie im neuen Recht, in: Horst Albert Kaufmann/Bruno<br />
Huwiler (Hrsg.), Das neue Ehe- und Erbrecht des<br />
ZGB mit seiner Übergangsordnung, BTJP 1987, 37 ff., 51 f.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
ten – etwa bezüglich der Zuweisung der ehelichen Wohnung<br />
bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes – im Voraus<br />
schriftlich fi xiert worden sind, verliert eine solche Verständigung<br />
den Charakter einer durch den Eheschutzrichter jederzeit<br />
abänderbaren Vereinbarung nicht. 24<br />
6.1.3 Bei Scheidung<br />
Ist ein Ehegatte wegen der Kinder oder aus anderen wichtigen<br />
Gründen auf die Wohnung der Familie angewiesen, so<br />
räumt ihm Art. 121 ZGB die Möglichkeit ein, die Übertragung<br />
der Rechte und Pfl ichten aus dem Mietvertrag oder (gegen<br />
eine angemessene Entschädigung) ein befristetes Wohnrecht<br />
zu verlangen. Auch dieser Anspruch ist zwingend und<br />
kann nicht zum Voraus vertraglich wegbedungen werden. 25<br />
6.1.4 Zum Stellenwert ehevertraglicher oder<br />
sachenrechtlicher Dispositionen betreffend<br />
der Familien- bzw. ehelichen Wohnung<br />
Die Wahl eines Güterstandes und der geeigneten Eigentumsform<br />
(Alleineigentum oder eine Form gemeinschaftlichen<br />
Eigentums, also Miteigentum oder Gesamteigentum infolge<br />
Gütergemeinschaft oder einfacher Gesellschaft) ist die wichtigste<br />
Weichenstellung, um langfristig bezüglich der ehelichen<br />
Wohnung zu disponieren.<br />
6.1.4.1 Steht die eheliche Wohnung im Alleineigentum eines<br />
Ehegatten, entzieht sich eine sachenrechtliche Neuzuordnung<br />
der Kompetenz des Scheidungsgerichtes. Allerdings ist<br />
die Immobilie nicht davor geschützt, Objekt von Massnahmen<br />
im Sinne der Art. 121, 169 und 176 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB<br />
zu werden.<br />
6.1.4.2 Steht die eheliche Wohnung im Mit- oder Gesamteigentum,<br />
so kann ein Ehegatte im Rahmen der güterrechtlichen<br />
Auseinandersetzung bei Nachweis eines überwiegenden Interesses<br />
verlangen, dass ihm die eheliche Wohnung gegen<br />
Entschädigung des andern Ehegatten umgeteilt zugewiesen<br />
wird (Art. 205 Abs. 2 ZGB). Analoge Bestimmungen fi nden<br />
sich im Bereich der Gütergemeinschaft (Art. 244 Abs. 3<br />
ZGB, welche ihrerseits einen Anwendungsfall von Art. 245<br />
ZGB darstellt) und der Gütertrennung (Art. 251 ZGB).<br />
Beim Zuweisungsanspruch gemäss Art. 205 ZGB handelt<br />
es sich um dispositives Recht, auf das die Ehegatten bei einer<br />
bereits bestehenden Form gemeinschaftlichen Eigentums<br />
zum Voraus verzichten können. 26 Ein solcher Verzicht be-<br />
24 Verena Bräm/Franz Hasenböhler, Kommentar zum<br />
Schweizerischen Zivilrecht, 2. Bd., 3. A., Zürich 1998, Art. 176<br />
ZGB N 10 f.<br />
25 Urs Gloor, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas<br />
Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A.,<br />
Basel 2006, Art. 121 N 3.<br />
26 Heinz Hausheer/Regina e. Aebi-Müller, in: Heinrich Honsell/Nedim<br />
Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar<br />
Zivilgesetzbuch I, 3. A., Basel 2006, Art. 205 N 21.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 306 10.3.2009 9:12:13 Uhr
darf – da er keine Abänderung des Güterstandes bedeutet –<br />
nicht der Form des Ehevertrages. 27 Demgegenüber ist ein<br />
Verzicht gegenüber allem erst inskünftig zu begründendem<br />
Mit- oder Gesamteigentum nicht möglich, weil eine unzulässige<br />
Änderung der Errungenschaftsbeteiligung darstellend<br />
(a.a.O.). Auch im Bereich der Gütergemeinschaft ist Art. 245<br />
ZGB nicht zwingend 28 , wobei dieser Güterstand kaum je im<br />
Rahmen einer antizipierten Scheidungsplanung vereinbart<br />
werden dürfte. Bezüglich des Güterstandes der Gütertrennung<br />
gehen Hausheer/Aebi-Müller 29 davon aus, dass im<br />
konkreten Einzelfall zum Voraus – aber nicht generell hinsichtlich<br />
erst zukünftig zu begründenden gemeinschaftlichen<br />
Eigentums – auf den Zuweisungsanspruch verzichtet werden<br />
kann.<br />
Breitschmid 30 hält entsprechende Absprachen für «unbedenklich»,<br />
weil «die Absehbarkeit für alle Beteiligten ein<br />
Vorteil» sei; auch er geht aber nicht von einer vollen Bindungswirkung<br />
aus und stellt sie unter den Vorbehalt einer<br />
Anfechtung für den Fall, dass bei wesentlicher Veränderung<br />
der Verhältnisse, etwa durch die spätere Geburt von Kindern<br />
oder gesundheitliche Entwicklungen (Invalidität), eine massgebliche<br />
Verschiebung der Bedürfnislage eintritt.<br />
6.2 Zuständigkeit<br />
Gerichtsstandvereinbarungen erscheinen im Bereich der in<br />
Frage stehenden Materie nicht möglich.<br />
6.3 Rechtswahl<br />
Auch wenn die Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse<br />
einem ausländischen Recht unterstellt haben, das einen Zuweisungsanspruch<br />
analog zu Art. 205 Abs. 2, 244 Abs. 3<br />
oder 251 ZGB nicht kennt, bleiben die zwingenden Bestimmungen<br />
der Art. 169, 176 Abs. 1 Ziff. 2 (und insbesondere<br />
Art. 121 ZGB) beachtlich; sowohl bezüglich der Eheschutzmassnahmen<br />
als auch bei Scheidung ist bei schweizerischer<br />
Zuständigkeit grundsätzlich schweizerisches Recht anwendbar<br />
(Art. 48, 61 und 63 IPRG).<br />
27 Heinz Hausheer/Ruth Reusser/Thomas Geiser, Berner<br />
Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,<br />
Bd. II/1/3/1, Das Güterrecht der Ehegatten, Allgemeine Vorschriften,<br />
Art. 181–195a ZGB, Der ordentliche Güterstand der<br />
Errungenschaftsbeteiligung, Art. 196–220 ZGB, Bern 1992,<br />
Art. 205 ZGB N 58.<br />
28 Hausheer/Reusser/Geiser (FN 27), Art. 245 ZGB N 7.<br />
29 Hausheer/Aebi-Müller (FN 26), Art. 251 N 4.<br />
30 Breitschmid (FN 19), 1612.<br />
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
7. Vorausvereinbarungen im Zusammenhang<br />
mit dem Vorsorgeausgleich<br />
nach Art. 122 ff. ZGB<br />
7.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
7.1.1 Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid vom<br />
4. Februar 2008 (BGE 5A.623/207) den in einem deutschen<br />
Ehevertrag vereinbarten vorsorglichen Ausschluss des Vorsorgeausgleichs<br />
(auf den sich der Ehemann auch hinsichtlich<br />
der in der Schweiz angesparten Austrittsleistung berufen<br />
wollte) als rechtswidrig – nämlich als gegen zwingendes<br />
Recht verstossend und damit als von Anfang an unzulässig –<br />
bezeichnet.<br />
Die Sicherstellung einer angemessenen Alters-, Invaliden-<br />
und Hinterlassenenvorsorge liegt auch im öffentlichen<br />
In teresse. Die Art. 122 ff. ZGB sind deshalb insoweit zwingend,<br />
als das Gesetz die Dispositionsbefugnis der Ehegatten<br />
über ihre Ansprüche aus der berufl ichen Vorsorge<br />
einschränkt. Auf seinen Anspruch kann ein Ehegatte nur verzichten,<br />
wenn seine Alters- und Invalidenvorsorge auf andere<br />
Weise gewährleistet ist (Art. 123 Abs. 1 ZGB); die Erfüllung<br />
dieser Voraussetzung hat das Gericht von Amtes wegen zu<br />
überprüfen (Art. 141 Abs. 2 ZGB). 31 Die ganz überwiegende<br />
herrschende Lehre teilt diese Betrachtungsweise. 32<br />
Auch wenn mit guten Gründen geltend gemacht wird, eine<br />
Vereinbarung könne entgegen BGE 129 III 481 nicht nur im<br />
Vorfeld einer konkreten Scheidung, sondern auch zum Voraus<br />
abgeschlossen werden, 33 so ändert dies nichts am (auch<br />
für die übrigen Vorausvereinbarungen über die Nebenfolgen<br />
der Scheidung geltenden) Grundsatz, dass es mit der rechtsgeschäftlich<br />
herbeizuführenden Planungssicherheit für den<br />
Scheidungsfall nicht weit her ist, wenn die Einigung der dann<br />
tatsächlich Scheidungswilligen erst nach gerichtlicher Überprüfung<br />
und Genehmigung Verbindlichkeit und schliesslich<br />
Rechtskraft erlangen kann. 34<br />
Zudem: Prüfungsmassstab gemäss Art. 141 ZGB ist im<br />
Unterschied zu Art. 140 ZGB nicht die «offensichtliche Unbilligkeit»,<br />
sondern es sind die Kriterien gemäss Art. 123<br />
Abs. 1 ZGB massgebend. 35 Die Messlatte liegt damit deutlich<br />
höher, was zur Folge hat, dass nur in Ausnahmefällen<br />
von der hälftigen Teilung abgewichen werden darf. Selbst<br />
wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses einer Vorauskonvention<br />
die wirtschaftlichen Verhältnisse derart sind, dass von<br />
einer Sicherung der Alters- und Invalidenvorsorge auch bei<br />
einem Teilungsverzicht ausgegangen werden kann, stehen<br />
solche Vereinbarungen unter dem Vorbehalt wesentlich ver-<br />
31 BGE 129 III 481 E. 3.3.<br />
32 Hausheer (FN 13), 877.<br />
33 Vgl. Rumo-Jungo (FN 7), 20.<br />
34 Hausheer (FN 13), 878.<br />
35 Hausheer (FN 13), 878.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 307 10.3.2009 9:12:13 Uhr<br />
307
308<br />
Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />
änderter Verhältnisse, so dass nicht von einer Bindungswirkung<br />
im gewünschten Sinne ausgegangen werden kann.<br />
7.1.2 Eine Reihe von Dispositionen im Rahmen der zweiten<br />
Säule bedürfen der Zustimmung beider Ehegatten. Das<br />
gilt für Barauszahlungen gemäss Art. 5 Abs. 2 FZG und Vorbezüge<br />
zur Finanzierung selbstbewohnten Wohneigentums<br />
gemäss Art. 30 c Abs. 5 BVG sowie für den Entscheid, ob<br />
bei Eintritt ins Pensionsalter die Altersguthaben anstelle einer<br />
Rente in Form einer Kapitalauszahlung bezogen werden<br />
sollen (Art. 37 Abs. 5 BVG). Alle diese Bestimmungen stellen<br />
zwingendes öffentliches Recht dar und sind damit der<br />
Dispositionsbefugnis der Parteien in einer Vorauskonven tion<br />
entzogen. Auch der Anspruch des überlebenden Ehegatten<br />
auf eine Witwen- oder Witwerrente oder eine Abfi ndung<br />
im Sinne von Art. 19 BVG beruht auf öffentlichem, zwingendem<br />
Recht, das der Privatautonomie der Parteien keinen<br />
Raum lässt. 36<br />
7.2. Zuständigkeit<br />
Die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen ist zu<br />
verneinen.<br />
Die Ansparung von Vorsorgeguthaben im Ausland zum<br />
Zweck der Vermeidung der Teilung im Scheidungsfall dürfte<br />
kaum weiterhelfen. Gemäss dem Bundesgerichtsentscheid<br />
vom 4. Februar 2008 (BGE 5A_623/2007) wird zwar das zuständige<br />
schweizerische Gericht das schweizerische Recht in<br />
der Regel nicht direkt auf eine ausländische Vorsorgeeinrichtung<br />
anwenden und die im Ausland gelegenen Vorsorgeguthaben<br />
unmittelbar aufteilen oder den ausländischen Vorsorgeträger<br />
in das schweizerische Verfahren einbinden können.<br />
Aber es wird eine angemessene Entschädigung nach Art. 124<br />
Abs. 1 ZGB festzusetzen sein, 37 sofern eine Ergänzung des<br />
schweizerischen Scheidungsurteils im Ausland nicht möglich<br />
ist.<br />
7.3 Rechtswahl<br />
Es ist nicht zulässig, Ansprüche bezüglich in der Schweiz<br />
gelegenen Vorsorgeguthaben durch Rechtswahl einem ausländischen<br />
Recht zu unterstellen.<br />
8. Vorausvereinbarungen güterrechtlicher<br />
Art<br />
8.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
8.1.1 Eheverträge<br />
Nach Art. 182 Abs. 1 ZGB kann ein Ehevertrag vor oder<br />
nach der Heirat abgeschlossen werden. Braut- oder Eheleu-<br />
36 Hausheer/Steck (FN 1), 12.<br />
37 BGE 5A_623/2007 E. 2 a.E. mit Hinweisen auf die Literatur.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
te können ihren Güterstand innerhalb des gesetzlichen Numerus<br />
clausus wählen, aufheben oder ändern. Die Ehevertragsfreiheit<br />
unterliegt den allgemeinen schuldrechtlichen<br />
Schranken. 38 In seinem Entscheid vom 4. Dezember 20<strong>03</strong><br />
(BGE 5C.114/20<strong>03</strong> E. 3.2.2) hielt das Bundesgericht fest:<br />
«Der Ehevertrag, mit dem einzig ein besonderer Güterstand<br />
gewählt wird und der keine Abmachungen über die konkrete<br />
güterrechtliche Auseinandersetzung, insbesondere aber auch<br />
keine Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Scheidung,<br />
enthält, bedarf keiner Genehmigung durch den Scheidungsrichter<br />
(......). Müsste jeder Ehevertrag im Scheidungsfall<br />
gerichtlich genehmigt werden, gäbe es keine verbindlichen<br />
Eheverträge mehr. Es bliebe stets die Bestätigung durch die<br />
Ehegatten im Verfahren nach Art. 111 f. ZGB vorbehalten<br />
(......). Seit der am 1. Januar 1988 in Kraft getretenen Teilrevision<br />
des Zivilgesetzbuches vom 5. Oktober 1984 sind<br />
Eheverträge im Übrigen in keinem Fall mehr von der Vormundschaftsbehörde<br />
zu genehmigen (vgl. aArt. 181 Abs. 2<br />
aZGB). Es kann nicht Sinn und Zweck von Art. 140 ZGB<br />
sein, sie einer (nachträglichen) Genehmigung im Scheidungsverfahren<br />
zu unterwerfen.»<br />
Diese Rechtsprechung ist als rein formal kritisiert worden.<br />
39 Verschiedene Autoren fordern eine Inhaltskontrolle<br />
anlässlich der Scheidung. 40 Schwander bezeichnet<br />
die heutige Rechtslage als offensichtlich unbefriedigend:<br />
«Während einer 10-, 20- oder 30-jährigen Ehe können sich<br />
die Verhältnisse grundlegend ändern. Eine früher zu wenig<br />
durchdachte oder ursprünglich angemessene ehevertragliche<br />
Regelung erweist sich infolge veränderter Einkommens- und<br />
Vermögensverhältnisse nachträglich als einseitig.» 41 Der<br />
Autor postuliert eine pointiertere Anwendung der clausula<br />
rebus sic stantibus (z.B.: Gütertrennung für solange, als<br />
beide Eheleute einer Erwerbstätigkeit nachgehen; Beschränkung<br />
der zeitlichen Bindung an Verträge nach Art. 27 ZGB,<br />
beispielsweise auf die Dauer von 10 Jahren, oder eben eine<br />
gerichtliche Inhaltskontrolle, welche die ursprüngliche Angemessenheit<br />
der ehevertraglichen Regelung zu überprüfen<br />
hätte). 42 Hubert Stöckli spricht sich zum Schutz der Vertragsparteien<br />
für eine «zweckmässig ausgestaltete Anfechtungsbefugnis»<br />
früher abgeschlossener Eheverträge aus. 43<br />
So verständlich diese – teilweise de lege ferenda vorgetragenen<br />
– Postulate auf den ersten Blick erscheinen, so klar<br />
steht ihnen aus praktischer Sicht das Interesse an Vertrauens-<br />
38 Hubert Stöckli, Die Ehevertragsfreiheit und ihre Schranken,<br />
in: Alexandra Rumo-Jungo/Pascal Pichonnaz (Hrsg.), Scheidungsrecht:<br />
Aktuelle Probleme und Reformbedarf: Symposium<br />
zum Familienrecht 2007, Zürich/Basel/Genf 2008, 85 ff.<br />
39 Schwenzer (FN 4), 7.<br />
40 Schwenzer (FN 4), 9.<br />
41 Ivo Schwander, Eheverträge – zwischen «ewigen» Verträgen<br />
und Inhaltskontrolle, <strong>AJP</strong>/PJA 20<strong>03</strong>, 572 f.<br />
42 Schwander (FN 41), 573; ähnlich Thomas Sutter-Somm/<br />
Felix Kobel, FamPra.ch 2004, 775, 795 ff.<br />
43 Stöckli (FN 38), 100.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 308 10.3.2009 9:12:13 Uhr
schutz und Berechenbarkeit gegenüber. Bindende ehevertragliche<br />
Abmachungen (beispielsweise die Vereinbarung<br />
der Gütertrennung; die Erklärung von Vermögenswerten der<br />
Errungenschaft, die für die Ausübung eines Berufes oder<br />
den Betrieb eines Gewerbes bestimmt sind, zu Eigengut gemäss<br />
Art. 199 Abs. 1 ZGB; der Ausschluss der Mehrwertbeteiligung<br />
nach Art. 206 Abs. 3 ZGB oder eine von Art. 215<br />
ZGB abweichende Teilung des während der Ehe erzielten<br />
Vorschlages nach Art. 216 Abs. 1 ZGB) stellen in der Regel<br />
die Grundlage für weitere Dispositionen dar, die etwa ein<br />
selbständig Erwerbender oder ein Unternehmerehegatte im<br />
Vertrauen auf den Bestand des Ehevertrages trifft. Dieses<br />
Vertrauen ist zu schützen; es kann nicht sein, dass darüber –<br />
möglicherweise gar während Jahrzehnten – die Damoklesschwerte<br />
einer Inhaltskontrolle gemäss Art. 140 ZGB im<br />
Rahmen eines zukünftigen strittigen Scheidungsprozesses<br />
oder bislang nicht existierende Anfechtungs- oder gar Nichtigkeitsgründe<br />
schweben.<br />
Folgte man den Überlegungen der eine spätere Überprüfung<br />
oder Anfechtung befürwortenden Autoren, stellte sich<br />
auch die nicht unwesentliche Frage, unter welchen Voraussetzungen<br />
denn ein Ehevertrag als offensichtlich unangemessen<br />
zu betrachten sei. Es trifft sicher zu, dass früher vereinbarte<br />
ehevertragliche Abmachungen im Ergebnis – verglichen mit<br />
dem Resultat einer späteren güterrechtlichen Auseinandersetzung<br />
nach den Regeln des ordentlichen Güterstandes – zu einer<br />
Benachteiligung des einen oder anderen Ehegatten führen<br />
können. Zutreffend ist wohl auch, dass vorab Brautleute und<br />
Ehegatten in intakter Ehe bei Vertragsschluss die Möglichkeit<br />
einer Scheidung kaum in Betracht ziehen werden oder<br />
wollen und entsprechende Überlegung zu diesem Zeitpunkt<br />
daher nur untergeordnete Bedeutung haben. Demgegenüber<br />
steht aber das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung des<br />
Ehevertrages zweier handlungsfähiger Parteien, mit welcher<br />
sichergestellt werden soll, dass ihnen die Tragweite ihrer<br />
Vereinbarung bewusst ist. Nachdem Ehegatten bewusst auf<br />
Vorteile des gesetzlichen Güterstandes verzichten können,<br />
kann ein solcher Verzicht auch nicht ethisch verpönt sein.<br />
Diese Konsequenz hat der Gesetzgeber, indem er den Parteien<br />
die Möglichkeit eines Ehevertrages (allerdings in den<br />
relativ engen Schranken des Art. 182 Abs. 2 ZGB) zur Verfügung<br />
stellte, vielmehr bewusst in Kauf genommen. Breitschmid<br />
44 weist in diesem Zusammenhang ferner darauf hin,<br />
dass das Gesetz den späteren Scheidungsfall in verschiedener<br />
Hinsicht bereits berücksichtigt, etwa dort, wo die Ehegatten<br />
in Anwendung von Art. 217 oder 242 ZGB Vereinbarungen<br />
über die Abänderung der gesetzlichen Beteiligung am Vorschlag<br />
bzw. Gesamtgut in Abweichung von der gesetzlichen<br />
Vermutung auch auf den Scheidungsfall ausdehnen (was der<br />
Ehevertrag indes ausdrücklich vorzusehen hat, Art. 217, 242<br />
Abs. 3 ZGB).<br />
Die Gegenüberstellung dieser Argumente für und wider<br />
eine Überprüfung des Ehevertrages im Rahmen eines<br />
44 Breitschmid (FN 19), 1608.<br />
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
nachfolgenden Scheidungsverfahrens ergibt u.E., dass das<br />
Interesse an der Rechtssicherheit jenes an einer späteren<br />
richterlichen Überprüfung bei weitem überwiegt, zumal im<br />
Rahmen der Festsetzung anderer scheidungsrechtlicher Nebenfolgen<br />
dem vorteilhaften oder nachteiligen (bzw. im Falle<br />
der Gütertrennung gänzlich ausbleibenden) Ergebnis der güterrechtlichen<br />
Auseinandersetzung Rechnung getragen werden<br />
kann: So bei der Bestimmung der nachehelichen Eigenversorgungskapazität<br />
im Sinne von Art. 125 Abs. 1 ZGB, 45<br />
und – etwa im Falle einer Gütertrennung mit zugleich unterlassener<br />
berufl icher Vorsorge – bei der Festsetzung nachehelicher<br />
Unterhaltsbeiträge, welche nicht nur für die Zukunft<br />
entsprechend erhöht werden, sondern für deren Finanzierung<br />
auch das Vermögen des pfl ichtigen Ehegatten herangezogen<br />
werden kann. 46<br />
Damit erweist sich der formgültig abgeschlossene Ehevertrag<br />
(neben erbvertraglichen Vereinbarungen) als sehr<br />
wichtiges und wohl zentrales Instrument einer rechtsverbindlichen<br />
Scheidungsplanung.<br />
8.1.2 Vereinbarungen über die güterrechtliche<br />
Auseinandersetzung<br />
Die konkrete Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung,<br />
die aufgrund des gesetzlichen oder eines vertraglichen<br />
Güterstandes erfolgt, unterliegt demgegenüber der<br />
gesetzlichen Genehmigungspfl icht durch das Scheidungsgericht<br />
im Sinne von Art. 140 ZGB. Diese betrifft nicht mehr<br />
den Güterstand als solchen und ist deshalb nicht mehr Inhalt<br />
eines «Ehevertrages» (und dies auch dann, wenn sie im gleichen<br />
Dokument vorgenommen wird) und nimmt daher an<br />
dessen Wirkungen nicht teil. 47<br />
Soweit aber die güterrechtliche Auseinandersetzung ohne<br />
konkreten Scheidungshorizont – etwa im Rahmen der Aufhebung<br />
des gesetzlichen Güterstandes der Errungenschaftsbeteiligung<br />
oder der Gütergemeinschaft und gleichzeitiger Begründung<br />
des Güterstandes der Gütertrennung – und gestützt<br />
auf eine in den Ehevertrag aufgenommene Vereinbarung<br />
(oder wohl auch im Rahmen eines separaten schriftlichen<br />
Teilungsvertrages oder gar nur in Form blosser Realteilung)<br />
erfolgt, wirkt diese sofort 48 und ist sie deshalb der Genehmigung<br />
durch den Scheidungsrichter entzogen.<br />
Diese unterschiedliche Behandlung der güterrechtlichen<br />
Auseinandersetzung unter dem Aspekt von Art. 140 ZGB<br />
ruft nach Beantwortung der Frage, wie der Begriff des «konkreten<br />
Scheidungshorizontes» zu defi nieren sei. Kann von<br />
einem solchen bereits dann gesprochen werden, wenn die<br />
Ehegatten – etwa im Zusammenhang mit vermögensrechtlichen<br />
Meinungsverschiedenheiten, aber während noch mehr<br />
45 Hausheer (FN 13), 877.<br />
46 BGE 129 III 7 ff. und BGE 129 III 257 ff.<br />
47 BGE 5C.114/20<strong>03</strong> E. 3.2.2; Geiser (FN 9), 225, 230; Hausheer/Reusser/Geiser<br />
(FN 27), N 15 zu Art. 182 ZGB.<br />
48 Geiser (FN 9), 226.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 309 10.3.2009 9:12:14 Uhr<br />
309
310<br />
Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />
oder weniger intakter Ehe – ihren Güterstand wechseln und<br />
die güterrechtliche Auseinandersetzung vornehmen? Wie<br />
verhält es sich, wenn sich Ehegatten im Rahmen der Aufhebung<br />
des gemeinsamen Haushaltes auf die Gütertrennung<br />
verständigen – oder wenn diese durch das Eheschutzgericht<br />
auf Begehren eines Ehegatten angeordnet wird – und sie sich<br />
alsdann über die güterrechtliche Auseinandersetzung einigen?<br />
Die im Zusammenhang mit einem Wechsel des Güterstandes<br />
in einen Ehevertrag aufgenommene güterrechtliche<br />
Auseinandersetzung bei anschliessend während Jahren fortdauerndem<br />
Zusammenleben der Ehegatten im Rahmen eines<br />
später stattfi ndenden Scheidungsverfahrens unterliegt unseres<br />
Erachtens keiner Genehmigungspfl icht nach Art. 140<br />
ZGB. Weniger klar ist dies aber bei Vornahme der güterrechtlichen<br />
Auseinandersetzung im Rahmen einer vertraglich<br />
vereinbarten oder gerichtlich angeordneten Gütertrennung<br />
im Zusammenhang mit oder als Folge der Aufhebung<br />
des gemeinsamen Haushaltes. Hier wird man sich an der<br />
(uneinheitlichen) Praxis, welche für die gerichtliche Anordnung<br />
der Gütertrennung nach Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m.<br />
Art. 185 ZGB angewendet wird, zu orientieren haben und im<br />
Zweifel damit rechnen müssen, dass die in diesem Kontext<br />
vorgenommene güterrechtliche Auseinandersetzung als der<br />
Scheidungsvorbereitung dienend betrachtet und mithin der<br />
Genehmigungspfl icht unterstellt werden wird – mit der Konsequenz,<br />
dass das Ausbleiben der Bestätigung im Rahmen<br />
von Art. 111 f. ZGB die zuvor vereinbarte güterrechtliche<br />
Auseinandersetzung wieder in Frage stellt.<br />
Die Praxis ist indessen nicht einheitlich: Das Obergericht<br />
des Kantons Aargau qualifi zierte in seinem Urteil vom<br />
18. Oktober 2007 (ZOR.2007.54) eine sechs Jahre vorher,<br />
nämlich im Rahmen eines Mediationsverfahrens im Jahre<br />
2001, durchgeführte güterrechtliche Auseinandersetzung als<br />
eine vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsprozesses abgeschlossene<br />
Vereinbarung über eine Scheidungsfolge, die<br />
im Rahmen von Art. 111 f. ZGB bestätigt und gerichtlich genehmigt<br />
werden müsse. Demgegenüber hat das Obergericht<br />
des Kantons Bern in einem Entscheid vom 27. März 2008 49<br />
den Widerruf der im Rahmen einer Scheidungskonvention<br />
getroffenen und bereits vor der ersten Anhörung der Parteien<br />
vollständig vollzogenen güterrechtlichen Auseinandersetzung<br />
nicht zugelassen. Häufi g wird indessen das Ergebnis<br />
einer bereits vor Rechtshängigkeit durchgeführten güterrechtlichen<br />
Auseinandersetzung im Scheidungsverfahren<br />
von keiner Partei mehr thematisiert. Die Genehmigung der<br />
«Saldoklausel» trägt dann rein formale Züge; denn dem Gericht<br />
sind in den meisten Fällen die güterrechtlichen Bemessungsfaktoren<br />
(anders als beim nachehelichen Unterhalt, wo<br />
sie gemäss Art. 143 ZGB offen zu legen sind) nicht bekannt,<br />
und sie werden in der Regel auch nicht erfragt.<br />
49 Obergericht des Kantons Bern, Entscheid vom 27. März 2008<br />
in FamPra.ch 4/2008 Nr. 87.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
8.1.3 Verfahrenstechnische Aspekte<br />
Möglich ist demgegenüber eine bindende Verständigung zum<br />
Voraus über «verfahrenstechnische» Aspekte. So können<br />
beispielsweise die Kriterien, nach welchen ein Unternehmen<br />
geschätzt werden soll («Praktikerformel»; «Swiss Gaap<br />
FER», etc.) defi niert oder die Experten bestimmt werden,<br />
welche abschliessend ein Unternehmen oder eine Liegenschaft<br />
bewerten (etwa: «Massgebend für die Bestimmung<br />
des güterrechtlichen Anrechnungswertes ist der Mittelwert<br />
je einer Schätzung des Hauseigentümerverbandes sowie der<br />
Kantonalbank in jeweiligem Lagekanton»).<br />
Nachdem sich die Parteien in der güterrechtlichen Auseinandersetzung<br />
über solche Aspekte nach Belieben einigen<br />
können 50 , kann dies auch zum Voraus geschehen. Solche<br />
Abmachungen unterliegen nicht der gerichtlichen Genehmigung<br />
nach Art. 140 ZGB. 51<br />
8.1.4 Rechtsgeschäfte zur Milderung einer den<br />
einen Ehegatten benachteiligenden güterrechtlichen<br />
Disposition<br />
Unterstellen sich die Ehegatten dem Güterstand der Gütertrennung<br />
oder erklären sie wesentliche Vermögenswerte<br />
gemäss Art. 199 Abs. 1 ZGB zu Eigengut, besteht häufi g<br />
das Bedürfnis, den auf den gesetzlichen Güterstand verzichtenden<br />
Ehegatten mit einer Leistung aus dem Vermögen des<br />
anderen für die nachteiligen wirtschaftlichen Folgen der gewählten<br />
ehevertraglichen Modifi kation zu entschädigen (ein<br />
Beispiel einer entsprechenden Abmachung fi ndet sich im<br />
zweiten Teil der Formulierungsvorschläge, lit. E.).<br />
Solche Vereinbarungen sind, soweit es sich um Schenkungsversprechen<br />
handelt, in der von Art. 243 OR jeweils<br />
geforderten Form abzuschliessen. Ob nun vereinbart wird,<br />
dass nach jedem Jahr des Bestehens eines gemeinsamen<br />
Haushaltes eine Zahlung in bestimmter Höhe erfolgt, oder<br />
ob die Zahlung (oder eine andere in Aussicht genommene<br />
Zuwendung) und deren Fälligkeit an die Voraussetzung einer<br />
rechtskräftigen Scheidung geknüpft werden; es kann kein<br />
Zweifel daran bestehen, dass solche Rechtsgeschäfte unbedenklich<br />
und bindend sind. Breitschmid 52 weist darauf hin,<br />
dass Schenkungen unter Ehegatten nicht allein wegen der<br />
Tatsache einer nachfolgenden Scheidung der Ehe widerrufen<br />
werden können (anders, wenn eine entsprechende Rückfallklausel<br />
ausdrücklich vereinbart worden ist). Auch sofern<br />
solche Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit einer ehevertraglich<br />
vereinbarten Gütertrennung abgeschlossen werden,<br />
handelt es sich per se nicht um die konkrete Durchführung<br />
der güterrechtlichen Auseinandersetzung (welche unter dem<br />
Güterstand der Gütertrennung ohnehin entfällt), also nicht<br />
um eine scheidungsrechtliche Nebenfolge, womit nach der<br />
50 Hausheer (FN 13), Art. 214 N 7.<br />
51 Meier (FN 3), 294.<br />
52 Breitschmid (FN 19), 1609.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 310 10.3.2009 9:12:14 Uhr
hier vertretenen Ansicht diesbezüglich weder ein Bestätigungserfordernis<br />
noch eine Genehmigungspfl icht besteht.<br />
Bei Schenkungen muss steuerlichen Gegebenheiten Rechnung<br />
getragen werden: Im Kanton Zürich etwa sieht § 7 lit. c<br />
ESchG vor, dass der Schenkungssteueranspruch bei Vermögensübergängen<br />
aus Schenkung im Zeitpunkt des Vollzuges<br />
der Schenkung entsteht. Erfolgt die Zahlung mithin erst nach<br />
Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils, können sich<br />
Steuerfolgen ergeben. Dies soll gemäss Zürcherischer Praxis<br />
dann nicht der Fall sein, wenn ihr Rechtsgrund in der<br />
gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention liegt. Ist<br />
das Schenkungsversprechen hingegen nicht in der dem Gericht<br />
zur Genehmigung vorgelegten Vereinbarung abgegeben<br />
worden, sollte die Zahlung sicherheitshalber vor Eintritt der<br />
Rechtskraft erfolgen (beispielsweise innerhalb von drei Arbeitstagen<br />
nach Vorlage des Nachweises des Versandes der<br />
Bestätigungserklärung i.S.v. Art. 111 Abs. 2 ZGB an das Gericht,<br />
unter der Bedingung des Eintritts der Rechtskraft des<br />
Scheidungsurteils).<br />
8.2 Vereinbarungen zur Rechtswahl und<br />
zur Zuständigkeit<br />
8.2.1 Zur Rechtswahl<br />
Angesichts der Wichtigkeit ehevertraglicher Dispositionen<br />
als Planungsinstrument und der Zunahme der Zahl multinationaler<br />
Ehen soll auf einige Besonderheiten des Internationalen<br />
Privat- und Zivilprozessrechtes des Ehegüterrechts<br />
hingewiesen werden, auf die Schwander 53 vor kurzem aufmerksam<br />
gemacht hat. In methodischer Hinsicht empfi ehlt<br />
Schwander in einem ersten Schritt die Prüfung der objektiven<br />
Anknüpfung (d.h. Rechtslage ohne Rechtswahl), wobei<br />
diese aus der Sicht der Gerichte jedes möglicherweise zuständigen<br />
Staates (Heimatstaat, Wohnsitzstaat, Staat der gelegenen<br />
Sache) untersucht werden muss. Erst in einem zweiten<br />
Schritt ist zu entscheiden, ob mit einer ausdrücklichen<br />
Rechtswahl die objektive Anknüpfung verstärkt oder abgeändert<br />
werden soll. Art. 52 IPRG ermöglicht den Gatten die<br />
Wahl zwischen dem Recht des Staates, in dem beide ihren<br />
Wohnsitz haben oder nach der Eheschliessung haben werden,<br />
und dem Recht eines ihres Heimatstaaten (bei dem es<br />
sich nicht um das effektive Heimatrecht, mit dem die Person<br />
am engsten verbunden ist, handeln muss). Wer eine bestimmte<br />
Rechtslage zumindest auf absehbare Zeit hin stabilisieren<br />
möchte, dem muss zu einem Ehevertrag geraten werden, der<br />
die güterrechtlichen Verhältnisse einer bestimmten Rechtsordnung<br />
unterstellt und zudem die Erklärung enthält, dass<br />
der gewählte Güterstand auch bei Wohnsitzwechsel beibehalten<br />
werden soll. 54 (Die Wandelbarkeit des Güterrechtsstatutes<br />
gemäss Art. 55 IPRG kann wegbedungen werden.)<br />
53 Ivo Schwander, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht<br />
des Ehegüterrechts, <strong>AJP</strong>/PJA 2008, 1055 ff.<br />
54 Schwander (FN 53), 1059.<br />
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Gleichwohl erfordert jeder Wohnsitzwechsel neue Abklärungen<br />
der Rechtslage im Hinblick darauf, ob<br />
die Zuständigkeiten der Gerichte und Behörden ändern<br />
(und damit ein anderes IPR zum Zuge kommt),<br />
die objektiv (d.h. ohne Rechtswahl) anwendbare Rechtsordnung<br />
wechselt,<br />
eine bisher bestehende Rechtswahlmöglichkeit oder andere<br />
Rechtsgestaltung (wie Rückwirkung oder Nichtrückwirkung<br />
bzw. solche Wirkungen ausschliessende Erklärungen;<br />
Schenkung; Ehevertrag) wegfällt, oder ob<br />
nach dem Wohnsitzwechsel neue Rechtswahl- und Gestaltungsmöglichkeiten<br />
entstehen. 55<br />
Von einer Rechtswahlerklärung in einfacher Schriftlichkeit<br />
(was gemäss Art. 53 Abs. 1 IPRG genügt) ist abzuraten,<br />
nachdem die meisten ausländischen Staaten eine Rechtswahl<br />
zum Güterrecht – wenn überhaupt – nur in der Form bzw. im<br />
Rahmen eines Ehevertrages anerkennen. 56<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
8.2.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit<br />
Schwander 57 weist mit beachtlichen Gründen darauf hin,<br />
dass die güterrechtliche Planung für den Scheidungsfall ohne<br />
Zuständigkeitsvereinbarung auf halber Strecke stehen bleibt.<br />
Art. 51 lit. a, b, und c, IPRG schliessen eine abweichende<br />
Zuständigkeitsvereinbarung nach Art. 5 IPRG nicht aus, da<br />
es sich beim Güterrecht um eine vermögensrechtliche Materie<br />
handelt. Auch eine Schiedsvereinbarung ist zulässig. 58<br />
Die Lehre rät von solchen Dispositionen für die güterrechtliche<br />
Auseinandersetzung mehrheitlich ab. 59 In der Tat<br />
können sich Fragen im Verhältnis zum Grundsatz der Einheit<br />
des Scheidungsurteils und der daraus abgeleiteten Zuständigkeit<br />
des Scheidungsgerichtes stellen. Zur Vorsicht<br />
mahnen auch Erwägungen der Prozessökonomie: Für die<br />
Festsetzung des nachehelichen Unterhaltes muss das Ergebnis<br />
der güterrechtlichen Auseinandersetzung bekannt sein.<br />
Art. 278 Abs. 1 E BZPO hält den Grundsatz der Einheit des<br />
Scheidungsurteils ausdrücklich fest; indessen ist auch vorgesehen,<br />
dass komplizierte güterrechtliche Auseinandersetzungen<br />
in ein separates Verfahren verwiesen werden können<br />
Art. 278 Abs. 2 E BZPO). Das Scheidungsgericht wird diesfalls<br />
den bei ihm hängigen Prozess sistieren, bis das Ergebnis<br />
der güterrechtlichen Auseinandersetzung bekannt ist. In<br />
gleicher Weise ist vorzugehen, wenn die Parteien mit einer<br />
Gerichtsstandsvereinbarung oder einer Schiedsklausel den<br />
Entscheid über das Güterrecht einem anderen Gericht zugewiesen<br />
haben.<br />
55 Schwander (FN 53), 1060.<br />
56 Schwander (FN 53), 1061.<br />
57 Schwander (FN 53), 1069.<br />
58 Schwander (FN 53), 1069.<br />
59 Schwander (FN 53), 1069 mit Hinweisen in Fn. 20, 1061.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 311 10.3.2009 9:12:14 Uhr<br />
311
312<br />
Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />
Das Urteil des prorogierten Gerichts oder des Schiedsgerichts<br />
unterliegt nicht der Genehmigung nach Art. 140 ZGB,<br />
da es sich dabei nicht um eine Scheidungsfolgenvereinbarung<br />
handelt.<br />
9. Vorausvereinbarungen mit<br />
erbrechtlichem Charakter<br />
9.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
Geschiedene Ehegatten haben zueinander kein gesetzliches<br />
Erbrecht mehr. Diese Bestimmung ist indessen dispositiver<br />
Natur, wie das Bundesgericht noch unter der Herrschaft von<br />
Art. 154 Abs. 2 aZGB festgestellt hat (BGE 122 III 308 ff.).<br />
Daran hat die Scheidungsnovelle nichts geändert. 60 Den<br />
Scheidungsfall einbeziehende erbrechtliche Absprachen unter<br />
Ehegatten ausserhalb eines konkreten Scheidungsverfahrens<br />
sind mithin ohne Weiters möglich. Die Verbindlichkeit<br />
von Verfügungen von Todes wegen, welche die Ehegatten<br />
nach der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens errichtet<br />
haben, wird im Gesetz sogar explizit erwähnt (Art. 120<br />
Abs. 2 ZGB e contrario). Entsprechende Vereinbarungen<br />
müssen in den gesetzlich vorgeschriebenen Formen abgeschlossen<br />
werden, wobei Bedingungen (etwa der Eintritt der<br />
Rechtskraft eines Scheidungsurteils) möglich sind. 61 Nichtig<br />
– weil unvereinbar mit dem Schutz der Persönlichkeit<br />
(Art. 27 Abs. 2 ZGB) – ist indessen das im Rahmen einer<br />
Vorauskonvention abgegebene Versprechen, dereinst einen<br />
Erbvertrag abzuschliessen. 62<br />
Im leider nicht veröffentlichten Entscheid vom 4. Dezember<br />
20<strong>03</strong> (BGE 5C.114/20<strong>03</strong>) hatte das Bundesgericht eine<br />
Konstellation zu beurteilen, bei der ein Ehepaar vor der Ehe<br />
einen Ehevertrag auf Gütertrennung, einen Erbvertrag und<br />
eine Scheidungskonvention auf Vorrat abgeschlossen hatte.<br />
Die Ehefrau verlangte eine Überprüfung des Vertragswerkes<br />
als Einheit, mithin auch des Erbvertrages, unter dem Gesichtspunkt<br />
von Art. 140 ZGB. Dem hielt das Bundesgericht<br />
(mit den beiden kantonalen Vorinstanzen) entgegen, dass die<br />
Verträge nicht derart miteinander verknüpft seien, als dass<br />
einer von den andern abhängig sei; keiner der Verträge setze<br />
das Bestehen eines andern Vertrages oder eine Gegenleistung<br />
aus einem solchen voraus, und durch die Aufhebung eines<br />
Vertrages würden die Wirkungen der beiden andern nicht<br />
tangiert. Die Gültigkeit und Verbindlichkeit der in Frage stehenden<br />
drei Verträge wurden deshalb je einzeln überprüft. Im<br />
Zusammenhang mit dem Erbvertrag hielt das Bundesgericht<br />
fest, dieser enthalte nichts, was für das Scheidungsverfahren<br />
relevant sei, weshalb eine Überprüfung sub specie von<br />
Art. 140 ZGB nicht stattfi nde.<br />
60 Breitschmid (FN 19), 1608.<br />
61 ZR 89 Nr. 99 sowie ZR 96 Nr. 10.<br />
62 BGE 108 II 407.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Auch aus diesem Grund erweist sich der Erbvertrag als<br />
taugliches Planungsinstrument.<br />
Die erbvertragliche Vereinbarung kann – im Sinne eines<br />
Systems aufeinander einwirkender Planungsinstrumente –<br />
auf andere scheidungsrechtliche Nebenfolgen, insbesondere<br />
den nachehelichen Unterhalt, ausstrahlen. Art. 125 Abs. 1<br />
ZGB weist der Sicherung einer angemessenen Altersvorsorge<br />
bei der Gestaltung des nachehelichen Unterhaltes eine<br />
grosse Bedeutung zu. Die erbvertragliche Begünstigung kann<br />
dazu führen, dass eine nacheheliche Unterhaltsregelung, die<br />
der Altersvorsorge keine Rechnung trägt, trotzdem genehmigungsfähig<br />
wird. Dies war der Fall im erwähnten Bundesgerichtsentscheid<br />
vom 4. Dezember 20<strong>03</strong> (BGE 5C.114/20<strong>03</strong>),<br />
wo der Ehefrau höhere Unterhaltsbeiträge als in der Vorauskonvention<br />
vorgesehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt<br />
der Altersvorsorge zugesprochen werden konnten, da ihr<br />
nach dem Erbvertrag erhebliche Anwartschaften (in casu<br />
knapp CHF 4 Mio.) zustanden.<br />
Werden erbvertragliche Dispositionen in Betracht gezogen,<br />
dann sind die steuerlichen Rahmenbedingungen sorgfältig<br />
zu analysieren: Während in den meisten Kantonen die<br />
Ehegatten von Erbschaftssteuern befreit sind, trifft dies für<br />
geschiedene Eheleute nicht mehr zu. Vor allem deswegen<br />
sollte immer auch geprüft werden, ob nicht die (unwiderrufliche)<br />
Begünstigung in einer (Todesfallrisiko-)Lebensversicherung<br />
die sachgerechtere Lösung sein könnte.<br />
9.2 Zuständigkeit und Rechtswahl<br />
Eine detaillierte Darstellung von planerischen Möglichkeiten<br />
im Bereich internationalprivatrechtlicher erbvertraglicher<br />
Dispositionen sprengt den Rahmen dieser Arbeit. Ein<br />
Hinweis erscheint uns indes als wichtig: Soweit bei grenzüberschreitenden<br />
Sachverhalten mit Erbverträgen gearbeitet<br />
wird, ist zu beachten, dass etliche Staaten des romanischen<br />
und des iberoamerikanischen Rechtskreises einen Erbvertrag<br />
im Sinne einer vertraglichen Bindung des Erblassers nicht<br />
anerkennen. Dem ist bei der Planung Rechnung zu tragen. 63<br />
10. Vorausvereinbarungen über den ehelichen<br />
(insbesondere den Trennungs-)<br />
Unterhalt<br />
10.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
10.1.1 Vereinbarungen über die Beiträge der<br />
Ehegatten an den Unterhalt der Familie<br />
(Art. 163 ZGB)<br />
Es steht den Ehegatten frei, bezüglich der von ihnen im Rahmen<br />
von Art. 163 Abs. 2 ZGB vorzunehmenden Verständi-<br />
63 Vgl. die Hinweise bei Schwander (FN 53), 1055 ff., insbesondere<br />
1060 ff.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 312 10.3.2009 9:12:15 Uhr
gung eine schriftliche Vereinbarung über ihre Lebensentwürfe,<br />
die Rollenverteilung und deren Folgen abzuschliessen.<br />
Solche Abmachungen über die Aufgabenteilung können auch<br />
bei einer Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes Bestand<br />
haben und das Ergebnis der dann konkret vorzunehmenden<br />
Berechnung des ehelichen und nachehelichen Unterhalts<br />
wesentlich beeinfl ussen, ist doch eine spätere einseitige Abänderung<br />
derselben nicht ohne weiteres möglich. 64 Einer<br />
Verständigung über die Rollenverteilung, Feststellungen zur<br />
zukünftig beabsichtigten berufl ichen Tätigkeit im Sinne einer<br />
Konkretisierung der Eigenversorgungskapazität u.a. im<br />
Rahmen einer Vorausvereinbarung kommt u.E. ein deutlich<br />
grösseres Gewicht zu als einer antizipierenden Quantifi zierung<br />
von Unterhaltszahlungen, die sich angesichts veränderter<br />
Verhältnisse nach Jahr und Tag kaum noch als sachgerecht<br />
erweisen könnten. 65<br />
10.1.2 Vereinbarungen über die Geldbeiträge,<br />
die der eine Ehegatte dem<br />
anderen schuldet (Art. 173 Abs. 1,<br />
176 Abs. 1 Ziff. 1, 137 Abs. 2 ZGB)<br />
Auch aussergerichtliche Vereinbarungen der Ehegatten über<br />
den ehelichen Unterhalt sind auf der Grundlage von Art. 168<br />
ZGB zulässig und jederzeit möglich. Solche Abreden sind<br />
jedoch jederzeit einseitig widerrufbar. Für die gelebte Vergangenheit<br />
behalten sie zwar Geltung (mit der Folge, dass<br />
Unterhaltsleistungen – entgegen Art. 173 Abs. 3 und 137<br />
Abs. 2 ZGB – nicht mehr für ein Jahr vor Einreichung des<br />
Begehrens gefordert werden können). 66 Ist ein Ehegatte mit<br />
der einst getroffenen mündlichen oder schriftlichen Absprache<br />
aber nicht mehr einverstanden und erfolgt keine neue Einigung,<br />
hat das Eheschutzgericht den Unterhalt auf Begehren<br />
eines Ehegatten festzulegen. Dies erfolgt indes ungeachtet<br />
der bisherigen Vereinbarung i.S.v. Art. 163 Abs. 2 i.V.m.<br />
Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB, weshalb nicht geprüft wird, ob<br />
sich die ihr zugrunde liegenden Verhältnisse erheblich, dauerhaft<br />
und in unvorhersehbarer Weise geändert haben. Wurde<br />
demgegenüber über den ehelichen Unterhalt (im Eheschutz-<br />
oder Massnahmeverfahren) entschieden (oder eine von den<br />
Parteien dem Gericht vorgelegte Vereinbarung genehmigt)<br />
und verlangt ein Ehegatte eine Abänderung der Beiträge,<br />
kann diese durch den Eheschutz- oder Massnahmerichter nur<br />
64 Franz Hasenböhler/Andrea Opel, in: Heinrich Honsell/<br />
Nedim Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar<br />
Zivilgesetzbuch I, 3. A., Basel 2006, Art 163 N 36 f.; Heinz<br />
Hausheer/Thomas Geiser/Regina E. Aebi-Müller, Das<br />
Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches: Eheschliessung,<br />
Scheidung, allgemeine Wirkungen der Ehe, Güterrecht,<br />
Kindesrecht, Vormundschaftsrecht, eingetragene Partnerschaft,<br />
3. A., Bern 2007, Rz 08.18a ff.<br />
65 Vgl. zu den beachtenden Gesichtspunkten die Formulierungsvorschläge<br />
unter Ziff. 17.4, 2. Teil, lit. E.<br />
66 Vgl. ZR 104 Nr. 58.<br />
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
nach Massgabe von Art. 179 ZGB erfolgen, d.h. erst bei Vorliegen<br />
der bekannten Abänderungsgründe. 67<br />
Mit Blick auf entsprechende Vereinbarungen sind in<br />
Zukunft überdies Art. 267 f. E BZPO zu beachten, die für<br />
Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft nach<br />
Art. 172 bis 179 ZGB – also auch für den Ehegattenunterhalt<br />
– den Untersuchungsgrundsatz vorschreiben 68 ; dieser<br />
wird daher in noch weitergehendem Mass der Dispositionsfreiheit<br />
der Ehegatten entzogen sein. Auch aus diesem Grund<br />
dürfte – nebst der einseitigen Widerrufbarkeit – eine quantifi<br />
zierende Vorausvereinbarung zum ehelichen Unterhalt kein<br />
zuverlässiges Planungsinstrument darstellen.<br />
10.2 Rechtswahl<br />
Für die Unterhaltspfl icht zwischen Ehegatten gilt im internationalen<br />
Verhältnis gemäss Art. 49 IPRG das Haager Übereinkommen<br />
vom 2. Oktober 1973 über das auf Unterhaltspfl<br />
ichten anzuwendende Recht (SR 0.211.213.01; HUntÜ).<br />
Dieses Abkommen, das in der Schweiz erga omnes gilt, sieht<br />
keine Rechtswahlmöglichkeit vor. 69<br />
Zu beachten ist, dass – aufgrund eines von der Schweiz<br />
angebrachten Vorbehaltes – immer dann schweizerisches<br />
Recht angewendet wird, wenn sowohl Unterhaltsschuldner<br />
als auch Unterhaltsgläubiger die schweizerische Staatsangehörigkeit<br />
besitzen und (kumulativ) der Unterhaltsschuldner<br />
seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat. Klagt<br />
also die im Ausland wohnende Ehefrau den in der Schweiz<br />
lebenden Ehemann ein und besitzen beide die schweizerische<br />
Staatsbürgerschaft, fi ndet demnach nicht das Recht<br />
des ausländischen Aufenthaltes der Ehefrau Anwendung<br />
(Art. 4 HUntÜ), sondern die schweizerische lex fori (Art. 15<br />
i.V.m. Art. 24 HUntÜ). 70<br />
10.3 Gerichtsstands- und Schiedsverein<br />
barungen<br />
Im innerstaatlichen Verhältnis sollte u.E. eine Prorogation<br />
im eng umschriebenen Rahmen von Art. 15 Abs. 1 GestG<br />
zulässig sein; nicht aber eine Schiedsabrede. 71<br />
Im internationalen Kontext sind demgegenüber nach<br />
herrschender Auffassung nicht nur Gerichtsstandsvereinbarungen,<br />
sondern auch Schiedsklauseln möglich.<br />
10.3.1 Im Rahmen des IPRG<br />
Im Bereich der ehelichen Unterhaltspfl icht – als vermögensrechtlichem<br />
Anspruch – kann die Zuständigkeit eines Ge-<br />
67 Hausheer/Steck (FN 1), 937.<br />
68 Hausheer/Steck (FN 1), 937.<br />
69 BGE 119 II 167 ff., 171; BSK IPRG-Courvoisier (FN 15),<br />
Art. 49 N 22.<br />
70 BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 49 N 19.<br />
71 Vgl. vorne Ziff. 4.2.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 313 10.3.2009 9:12:15 Uhr<br />
313
314<br />
Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />
richtes für einen bestehenden oder einen künftigen Rechtsstreit<br />
zunächst kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung<br />
durch eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 IPRG<br />
oder durch Einlassung (Art. 6 IPRG) begründet werden;<br />
Schiedsvereinbarungen sind gestützt auf Art. 7 IPRG zulässig.<br />
Diese Dispositionsbefugnis wird als problematisch<br />
erachtet, weil wichtige gesetzgeberische Anliegen (rascher<br />
Rechtsschutz zu Gunsten des klagenden Gatten durch Schaffung<br />
des Klägergerichtsstandes nach Art. 15 Abs. 1 GestG,<br />
Aufgabe der Koordination der personen-, kindes- und vermögensrechtlichen<br />
Wirkungen der Ehe, zweifelhafte Befugnis<br />
eines Schiedsgerichtes zur Anordnung von Vollstreckungsmassnahmen<br />
gemäss Art. 177 f. ZGB) dadurch unterlaufen<br />
werden könnten. 72<br />
10.3.2 Im Bereich des LugÜ<br />
Das LugÜ bietet Parteien, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat<br />
haben, für «Unterhaltssachen» neben dem allgemeinen<br />
Gerichtsstand des Art. 2 LugÜ am Wohnsitz des Beklagten<br />
eine besondere Zuständigkeit vor dem Gericht des<br />
Ortes, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz<br />
oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, an (Art. 5 Ziff. 2<br />
LugÜ).<br />
Gemäss Art. 17 LugÜ können Parteien, von denen mindestens<br />
eine ihren Wohnsitz in einem Vertragstaat hat, nicht<br />
nur über eine bereits entstandene, sondern auch über zukünftige<br />
aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende<br />
Rechtsstreitigkeiten Vereinbarungen über die Zuständigkeit<br />
abschliessen. Dies gilt auch für Unterhaltsvereinbarungen<br />
zwischen Ehegatten, gehören diese doch nicht zu den in<br />
Art. 16 LugÜ bezeichneten Klagen, bezüglich welcher eine<br />
Prorogation unzulässig ist. 73<br />
Im Resultat sind Gerichtsstandsvereinbarungen und<br />
Schiedsklauseln daher zwar nicht im innerstaatlichen Bereich,<br />
wohl aber im internationalen Verhältnis zulässig, was<br />
planerische Möglichkeiten eröffnet, wenn und solange mindestens<br />
ein Ehegatte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen<br />
Aufenthalt in einem Vertragsstaat behält.<br />
11. Vorausvereinbarungen über den<br />
nachehelichen Unterhalt<br />
11.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />
Einmal abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken zur<br />
Bindungswirkung von Vorauskonventionen 74 tendiert die<br />
neuere und neueste Lehre mehr oder weniger eindeutig dazu,<br />
deren Wirksamkeit und Zulässigkeit schon mit Blick auf das<br />
72 BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 46 N 25.<br />
73 BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 46 N 31, m.w.H.<br />
74 Vgl. vorne Ziff. 3.2.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Verbot übermässiger Bindung gemäss Art. 27 Abs. 2 ZGB<br />
zu verneinen, weil es dabei «um das Übermass an Bindung<br />
in eine ungewisse Zukunft hinein und damit um einen nicht<br />
hinnehmbaren Verlust an unverzichtbarer Gestaltungsfreiheit»<br />
geht. Denn: «Zentral ist im Zusammenhang mit einer<br />
scheidungsunabhängig eingegangenen Scheidungsfolgenvereinbarung<br />
die Ungewissheit darüber, auf was man gegenüber<br />
dem in der Zukunft liegenden gesetzlichen Scheidungsunterhalt<br />
verzichtet hat.» 75 Darüber hinaus dürften<br />
insbesondere jene Scheidungskonventionen auf Vorrat, die<br />
ohne konkreten Scheidungshintergrund und Jahre zum Voraus<br />
abgeschlossen worden sind, dann einen (sich grundsätzlich<br />
nur zurückhaltend anbietenden) Anwendungsfall der auf<br />
Art. 2 ZGB abgestützten clausula rebus sic stantibus darstellen,<br />
wenn die ursprünglich vereinbarten Unterhaltsbeiträge<br />
durch nachträgliche, nicht voraussehbare Umstände in einem<br />
derart offenbaren Missverhältnis zu jenen stehen, die zur Zeit<br />
des Scheidungsurteils zugesprochen werden würden oder<br />
müssten, dass das Beharren des unterhaltspfl ichtigen Ehegatten<br />
auf den vertraglich vereinbarten Unterhaltsbeiträgen als<br />
rechtsmissbräuchlich erscheint.<br />
Da hilft auch die z.T. widersprüchliche Praxis des Bundesgerichtes<br />
76 nicht weiter. Bleibt es im Resultat dabei, dass<br />
bereits Scheidungsvereinbarungen, die im Vorfeld einer<br />
Scheidung oder im Rahmen von Art. 111 ZGB abgeschlossen<br />
wurden, bis zur Bestätigung durch die Parteien nach Ablauf<br />
der Bedenkfrist bzw. bis zur gerichtlichen Genehmigung<br />
keine Bindungswirkung entfalten, 77 so gilt dies nach dem<br />
Gesagten insbesondere für Vorausscheidungskonventionen<br />
ohne konkreten Scheidungshorizont. Darauf sind die immer<br />
zahlreicheren Klienten, die aufgrund ihres Bedürfnisses nach<br />
möglichst nachhaltiger Lebensplanung eine Scheidungskonvention<br />
auf Vorrat mit Regelung des (ehelichen oder) nachehelichen<br />
Unterhaltes nachfragen, in der anwaltlichen Beratungspraxis<br />
mit aller Deutlichkeit hinzuweisen.<br />
11.2 Zuständigkeit<br />
Im Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens<br />
kann für die Beurteilung von ehelichen und nachehelichen<br />
Unterhaltsansprüchen gemäss Art. 17 LugÜ eine Vereinbarung<br />
über die Zuständigkeit abgeschlossen werden (womit<br />
eine Differenz zum innerstaatlichen Recht besteht, wo Gerichtstandsvereinbarungen<br />
im Bereich des Eherechtes nicht<br />
zulässig sind). 78 Wird über den Unterhalt in einem Scheidungsverfahren<br />
entschieden, ist nach Art. 5 Ziff. 2 LugÜ<br />
auch dasjenige Gericht kompetent, welches nach seinem<br />
Recht für dieses Verfahren zuständig ist (es sei denn, diese<br />
75 Hausheer/Steck (FN 1), 956, 922 mit Hinweisen; insbes.<br />
auch Geiser (FN 9), z.B. 233.<br />
76 Vgl. dazu Hausheer/Steck (FN 1), 957 f.<br />
77 Vgl. vorne Ziff. 3.2.3.<br />
78 Karl Spühler/Dominik Vock, Gerichtsstandsgesetz (GestG),<br />
Zürich 2000, Art. 15 N 2.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 314 10.3.2009 9:12:15 Uhr
Zuständigkeit beruhe einzig auf der Staatsangehörigkeit einer<br />
der Parteien). Von Bedeutung ist, dass die Einrede der<br />
Rechtshängigkeit gemäss Art. 21 LugÜ dazu führt, dass der<br />
schweizerische Scheidungsrichter das Verfahren betreffend<br />
die Unterhaltsklage auszusetzen beziehungsweise sich unzuständig<br />
zu erklären hat, wenn sie – etwa gestützt auf eine Gerichtsstandsvereinbarung<br />
– in einem anderen Vertragsstaat<br />
früher anhängig gemacht worden ist und die Zuständigkeit<br />
des zuerst angerufenen Gerichtes feststeht. 79<br />
Allerdings muss sorgfältig überprüft werden, welche Auswirkungen<br />
eine Gerichtsstandsvereinbarung auf das auf den<br />
nachehelichen Unterhalt zur Anwendung gelangende Recht<br />
haben wird: Das prioritär (also vor Rechtshängigkeit eines<br />
schweizerischen Scheidungsverfahrens) aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung<br />
nach Art. 17 LugÜ angerufene<br />
ausländische Gericht wird nicht das auf die Ehescheidung<br />
anzuwendende Recht gemäss Art. 8 HUntÜ anwenden, sondern<br />
wird diesfalls nach den Art. 4 bis 6 HUntÜ anknüpfen.<br />
Primär untersteht damit der Unterhaltsanspruch dem Recht<br />
des Staates, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen<br />
Aufenthalt hat (Art. 4 HUntÜ), subsidiär ist das<br />
gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten anzuwenden (Art. 5<br />
HUntÜ) und subsubsidiär gelangt die lex fori zur Anwendung.<br />
80 Es kann mithin sehr wohl sein, dass das nach Art. 4<br />
bis 6 HUntÜ zu bestimmende Recht letztlich jenes ist, welches<br />
gemäss Art. 8 HUntÜ auf die Ehescheidung anzuwenden<br />
ist, womit in der Sache nichts gewonnen wird.<br />
11.3 Rechtswahl<br />
Im Bereich des in der Schweiz erga omnes angewendeten<br />
HUntÜ besteht keine Rechtswahlmöglichkeit. Der nacheheliche<br />
Unterhalt des berechtigten Ehegatten folgt nach<br />
Art. 8 HUntÜ dem auf die Scheidung angewandten Recht.<br />
Art. 8 HUntÜ gilt in den Vertragsstaaten auch für alle künftigen<br />
Änderungen von Unterhaltsentscheiden; das Scheidungsstatut<br />
bleibt damit auf Jahre hinaus massgebend für<br />
die Regelung und Anpassung des Unterhaltes zwischen den<br />
geschiedenen Ehegatten. 81 Gewährt das von Art. 8 HUntÜ<br />
bestimmte Recht dem geschiedenen Ehegatten keinen Unterhaltsanspruch,<br />
bleibt es – unter Vorbehalt des ordre public<br />
nach Art. 11 Abs. 1 HUntÜ – bei diesem Ergebnis. Gemäss<br />
dem ausdrücklichen Wortlaut der Bestimmung gilt die für<br />
solche Fälle vorgesehene Stufenanknüpfung gemäss Art. 4<br />
bis 6 HUntÜ nicht für den nachehelichen Unterhalt. 82<br />
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Wegen dieser Koppelung von Unterhaltsrecht und Scheidungsstatut<br />
ist genau zu überlegen, ob die Scheidung nach<br />
Art. 61 Abs. 1 IPRG dem schweizerischen oder nach Art. 61<br />
Abs. 2 IPRG dem gemeinsamen ausländischen Heimatrecht<br />
untersteht. Allenfalls kann es auch von Interesse sein, die<br />
Scheidungsklage im Ausland einzureichen, wenn dort der<br />
Unterhalt nach der Scheidung einem andern Recht untersteht.<br />
83<br />
12. Das Rechtsmissbrauchverbot als<br />
Rettungsanker der Vorausvereinbarungen?<br />
Setzt sich eine Partei, die irrtumsfrei und in voller Kenntnis<br />
aller relevanten Umstände in einer «Scheidungsvereinbarung<br />
auf Vorrat» beispielsweise auf nachehelichen Unterhalt<br />
und den Vorsorgeausgleich verzichtet hat, dem Vorwurf des<br />
Rechtsmissbrauches aus, wenn sie sich später im konkreten<br />
Scheidungsverfahren bei ihrem Verzicht nicht mehr behaften<br />
lassen will?<br />
Das Bundesgericht hat am 4. Februar 2008 (BGE 5A_<br />
623/2007 E. 4.2) einer solchen Betrachtungsweise eine klare<br />
Abfuhr erteilt: «Im Widerspruch zwischen der Zustimmung<br />
zu einer Vereinbarung und der nachträglichen Geltendmachung<br />
ihrer Ungültigkeit unter Berufung auf zwingendes<br />
Recht ist nur dann ein Rechtsmissbrauch zu erblicken, wenn<br />
zusätzlich besondere Umstände gegeben sind. Solche Umstände<br />
können vorliegen, wenn diejenige Partei sich auf<br />
zwingendes Recht beruft, welche die dagegen verstossende<br />
Vereinbarung in eigenem Interesse und in Kenntnis ihrer<br />
Unzulässigkeit selber vorgeschlagen und damit beim Rechtserwerb<br />
unredlich gehandelt hat. Besondere Umstände, welche<br />
die Berufung auf zwingendes Recht als missbräuchlich<br />
erscheinen lassen, sind auch zu bejahen, wenn die von der<br />
angerufenen Norm zu schützenden Interessen entfallen oder<br />
sonst wie gewahrt wurden oder wenn die Partei mit der Geltendmachung<br />
der Nichtigkeit der Vereinbarung derart lange<br />
zuwartet, dass der andern Partei dadurch verunmöglicht wurde,<br />
ihre eigenen Interessen zu wahren.»<br />
Das Bundesgericht hat diese Grundsätze im Zusammenhang<br />
mit einem zum Voraus vereinbarten Verzicht auf den<br />
Vorsorgeausgleich für anwendbar erklärt, weil nicht allein<br />
der Schutz des Ehegatten, sondern auch das öffentliche Interesse<br />
an der Sicherstellung einer angemessenen Alters-, Invaliden-<br />
und Hinterlassenenvorsorge in Frage steht. Mutatis<br />
mutandis gilt dies auch für den nachehelichen Unterhalt, wo<br />
ein gänzlicher oder teilweiser Verzicht zu einer Fürsorgeabhängigkeit<br />
führen kann, die ebensowenig im öffentlichen<br />
Interesse liegt. Auch wenn das Bundesgericht einen offenbaren<br />
Rechtsmissbrauch nicht völlig ausschliessen will, dürfte<br />
79 Andreas Bucher, Internationales Scheidungsrecht in der Praxis,<br />
in: Ingeborg Schwenzer/Andrea Büchler (Hrsg.), Vierte<br />
Schweizer Familienrechtstage: 31. Januar/1. Februar 2008 in<br />
Zürich, Bd. 10, Bern 2008, 48.<br />
80 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspfl ichten anzuwendende<br />
Recht vom 2.10.1973, SR 0.211.213.01. Vgl. im<br />
Einzelnen BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 49 N 10 ff.<br />
81 Bucher (FN 79), 51.<br />
82 BSK IPRG-Bopp (FN 14), Art. 63 N 14. 83 Andreas Bucher (FN 79), 51.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 315 10.3.2009 9:12:16 Uhr<br />
315
316<br />
Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />
gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB die Rettung einer Vorauskonvention<br />
auf diesem Wege kaum je zu erreichen sein.<br />
13. Ausweichen auf eine dem Gericht<br />
nicht vorgelegte Zusatzvereinbarung<br />
als Ausweg?<br />
Eine Zusatzvereinbarung (in der Praxis oft «Side Letter» genannt),<br />
die vor rechtskräftiger Scheidung abgeschlossen und<br />
die dem Gericht zur Genehmigung vorgelegte Scheidungsvereinbarung<br />
abändert, ergänzt oder aufhebt, ist nur dann<br />
verbindlich, wenn sie von den Parteien nach eingetretener<br />
Rechtskraft neu bestätigt wird. 84<br />
Erfolgt keine nachträgliche Bestätigung, geht der Zusatzvereinbarung<br />
jegliche Wirksamkeit ab. Angesichts dieser<br />
Unsicherheit handelt es sich auch hierbei um kein verlässliches<br />
Planungsinstrument.<br />
14. Sich gegenseitig bedingende ehe-,<br />
erbvertragliche und scheidungsrechtliche<br />
Abmachungen als Lösung?<br />
Arnaud Philippe 85 schlägt vor, die «fragile» Scheidungsvereinbarung<br />
auf Vorrat in der Weise mit einer erbvertraglichen<br />
Begünstigung zu verbinden, dass letztere nur dann<br />
gelten soll, wenn die Scheidung gestützt auf die beidseits bestätigte<br />
Vorauskonvention ausgesprochen wird. Oder es wird<br />
eine ehevertraglich vereinbarte Gütertrennung mit einem<br />
Schenkungsversprechen für den Fall der Aufl ösung der Ehe<br />
durch Scheidung ergänzt, welches an die weitere Bedingung<br />
geknüpft wird, dass die Vorauskonvention bestätigt wird. 86<br />
Bei solchen Konstruktionen ist allerdings der Entscheid<br />
vom 4. Dezember 20<strong>03</strong> (BGE 5C.114/20<strong>03</strong>) zu bedenken,<br />
wo – wie erwähnt – das Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerkes,<br />
das insgesamt der richterlichen Genehmigungspfl<br />
icht unterliegt, nur deshalb verneint wurde, weil nicht ge-<br />
84 BGE 127 III 357, insbesondere 361 lit. c; Walter Bühler/<br />
Karl Spühler, in: Arthur Meier-Hayoz (Hrsg.), Berner Kommentar.<br />
Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Familienrecht/Die<br />
Ehescheidung. Art. 137–158 ZGB, Bern 1986,<br />
Art. 158 aZGB N 166 ff.; Thomas Sutter/Dieter Freiburghaus,<br />
Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999,<br />
Art. 140 ZGB N 9; wobei nach der hier vertretenen Meinung<br />
der nachträgliche Verzicht nicht genehmigungsbedürftig ist<br />
[was von Marcel Leuenberger/Ingeborg Schwenzer,<br />
in: Ingeborg Schwenzer (Hrsg.), Familienrechts-Kommentar<br />
Scheidung, 2. A., Bern 2005, Art. 140 N 8 postuliert wird].<br />
85 Arnaud Philippe, Planifi cation du divorce et conventions,<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 2007, 1241 ff.<br />
86 Vgl. vorne Ziff. 8.1.4 sowie den Formulierungsvorschlag<br />
Ziff. 17.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
sagt werden konnte, «die Verträge seien derart miteinander<br />
verknüpft, dass einer von dem andern abhängig sei». Stehen<br />
mithin verschiedene Verträge in einem Bedingungs- und<br />
Abhängigkeitsverhältnis, dann riskieren die Parteien, dass<br />
auch der Erbvertrag und/oder andere ehevertragliche oder<br />
obligationenrechtliche Rechtsgeschäfte in die Angemessenheitsprüfung<br />
einbezogen werden, was sonst nicht der Fall<br />
wäre. Diesen Zusammenhängen ist durch eine sorgfältige<br />
Formulierung und gegebenenfalls durch eine Redaktion der<br />
einzelnen Verträge in verschiedenen Dokumenten Rechnung<br />
zu tragen.<br />
15. «Ehe light» – vertragliche Gestaltung<br />
einer nichtehelichen Gemeinschaft<br />
als Alternative?<br />
Angesichts der erheblichen rechtlichen und ökonomischen<br />
Risiken, die ein Paar – bereits mit der Eheschliessung an<br />
sich, aber auch – mit dem Abschluss von Vorausvereinbarungen<br />
bezüglich der Scheidungsfolgen eingeht, mag die<br />
Begründung oder Fortdauer einer nichtehelichen Gemeinschaft<br />
für jenen Partner, den die wirtschaftlichen Folgen einer<br />
Trennung oder Scheidung stärker belasten, auf den ersten<br />
Blick als verlockend erscheinen. Die Nachteile gegenüber<br />
der Ehe sind indessen evident; dies trifft etwa hinsichtlich<br />
der Elternrechte, der hohen Steuerfolgen bei Schenkungen<br />
und erbrechtlichen Zuwendungen an den Partner, aber auch<br />
in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht zu. Zudem bietet<br />
auch die Liquidation eines Konkubinates immer wieder juristische<br />
Knacknüsse und vermögensrechtliche Risiken, die<br />
im Bewusstsein der Partner der nichtehelichen Gemeinschaft<br />
nur in den wenigsten Fällen verankert sind.<br />
Mit Blick auf die Begründung vertraglicher Vereinbarungen<br />
– z.B. die Verpfl ichtung zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen<br />
an den anderen Partner – ist auch hier das Verbot<br />
übermässiger Bindung nach Art. 27 ZGB zu beachten.<br />
Im Schatten dieser Bestimmung stehen nicht nur etwa die<br />
Verpfl ichtung zur Aufrechterhaltung oder Fortsetzung der<br />
Beziehung, sondern auch jene zur Zahlung einer Entschädigung<br />
bei Aufl ösung der nichtehelichen Gemeinschaft, so<br />
dass eine Verpfl ichtung zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen<br />
ausserhalb einer Ehe höchstens nur sehr beschränkt vereinbart<br />
werden kann. 87 Mangels gesetzlicher Grundlage für den<br />
«vertraglichen» Unterhaltsanspruch gelten die Regeln des<br />
Schenkungsversprechens; auch steuerlich werden entsprechende<br />
Leistungen als Schenkung qualifi ziert.<br />
Ob vor dem Hintergrund dieser Problematik die vertragliche<br />
Gestaltung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der<br />
Ehe vorzuziehen ist, wird von den betroffenen Paaren jeweils<br />
einzeln und sorgfältig abzuwägen sein.<br />
87 Vgl. zum Ganzen Hausheer/Geiser/Aebi-Müller (FN 64),<br />
Rz <strong>03</strong>.25, Rz <strong>03</strong>.28 ff.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 316 10.3.2009 9:12:16 Uhr
16. Ergebnis<br />
16.1 Die Ausbeute der Untersuchung ist bescheiden: Abgesehen<br />
von ehevertraglichen Dispositionen, die – vorab im internationalen<br />
Verhältnis – möglicherweise mit Schiedsklauseln<br />
oder Zuständigkeitsvereinbarungen verstärkt werden<br />
können, Einigungen über die güterrechtliche Auseinandersetzung<br />
ohne konkrete Scheidungsabsicht sowie erbvertraglichen<br />
Vereinbarungen bleibt wenig, was im Rahmen einer<br />
Scheidungsvereinbarung auf Vorrat mit Bindungswirkung<br />
zuverlässig vereinbart werden kann.<br />
16.2 Ergeben sich daraus rechtspolitische Forderungen de<br />
lege ferenda – etwa in dem Sinne, dass nicht nur Ehegatten,<br />
die vor einer Zweit- oder Drittehe stehen, sondern auch<br />
solchen, die ihre erste Ehe eingehen, eine vermehrte scheidungsrechtliche<br />
Planungssicherheit eingeräumt werden soll?<br />
Naturgemäss würde dies in der täglichen Beratungsarbeit<br />
neue und faszinierende Facetten ermöglichen. Aber würde in<br />
der Sache selbst etwas gewonnen? Hausheer/Steck haben<br />
mit Blick auf die Rechtslage in Deutschland überzeugend<br />
nachgewiesen, dass eine mehr oder weniger uneingeschränkt<br />
zugelassene Privatautonomie (sich im Extremfall äussernd<br />
im bekannten «Dreierpack», nämlich: Vereinbarung des<br />
Güterstandes der Gütertrennung, beidseitiger Verzicht auf<br />
Vorsorgeausgleich und beidseitiger Unterhaltsverzicht) 88<br />
zwangsläufi g zu einer gerichtlichen Nachkontrolle führen<br />
muss. Diese kann dazu führen, dass – je nach der im Scheidungszeitpunkt<br />
rückwirkend erfolgenden Beurteilung der<br />
konkreten Umstände beim Abschluss des fraglichen Ehevertrages<br />
– die Wahl der Gütertrennung, der Ausschluss des<br />
Versorgungsausgleiches und der Verzicht auf nachehelichen<br />
Unterhalt – von allem Anfang schon sittenwidrig und damit<br />
rechtlich gar nie verbindlich geworden ist. 89 Eine solche<br />
nachträgliche umfassende Inhaltskontrolle trägt indessen<br />
die Gefahr in sich, dass die Planungssicherheit dort, wo sie<br />
heute noch besteht (nämlich insbesondere in ehe- und erbvertraglicher<br />
Hinsicht), dahinfällt. Mit Hausheer/Steck ist<br />
deshalb davon auszugehen, dass das mit der Scheidung auf<br />
gemeinsames Begehren verbundene Erfordernis der Bestätigung<br />
einer rechtsgeschäftlichen Scheidungsfolgenregelung<br />
(zu welchem Zeitpunkt auch immer sie abgeschlossen wurde)<br />
und «die gerichtlich auf «offensichtliche Unbilligkeit»<br />
hin gebändigte Privatautonomie» zwar nicht zur besten aller<br />
denkbaren Scheidungsfolgenregelungen führen mögen; sie<br />
verdient aber gegenüber einer (nur vordergründig!) erweiterten<br />
Privatautonomie, deren Kehrseite eine «vollumfassende»<br />
und «griffi ge» Gerichtskontrolle im Scheidungszeitpunkt<br />
darstellt, dennoch klar den Vorzug. 90<br />
16.3 Aufschlussreich ist ein Blick auf die Rechtslage in<br />
England (und den meisten Teilstaaten der USA). Als Vor-<br />
88 Schwenzer (FN 4), 5.<br />
89 Hausheer/Steck (FN 1), 954.<br />
90 Hausheer/Steck (FN 1), 958.<br />
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
aussetzungen, die eine Verbindlichkeit von «pre-nuptial<br />
agreements» unterstützen können und daher zu beachten<br />
sind, werden etwa genannt: «At present, full fi nancial disclosure<br />
is required together with independent legal advice. The<br />
pre-nup should be signed ideally at least 21 days before the<br />
marriage. The most diffi cult test is that the terms of the prenup<br />
must be fair in the eyes of the judge at the time of the<br />
divorce.» 91 Angesichts der darin zum Ausdruck kommenden<br />
Unwägbarkeiten können wir uns über die ehevertraglichen<br />
Planungsinstrumente, die uns hierzulande zur Verfügung stehen,<br />
nur freuen.<br />
17. Formulierungsvorschläge für<br />
Scheidungskonventionen auf Vorrat<br />
17.1 Die beste «Garantie» dafür, dass eine Scheidungsvereinbarung<br />
zum Voraus nach Jahr und Tag von beiden Ehegatten<br />
bestätigt wird, liegt nicht in der Anwendung möglichst<br />
ausgeklügelter juristischer Formulierungskniffe, sondern<br />
darin, dass die Vereinbarung mit Blick auf das spezielle Gepräge<br />
dieser Ehe die legitimen Interessen beider Ehegatten<br />
wahrt. Wer demgegenüber gestützt auf eine ursprüngliche<br />
Verhandlungsmacht ein für ihn «vorteilhaftes» Ergebnis<br />
(etwa die voreheliche Vereinbarung der Gütertrennung, verbunden<br />
mit einem Erbverzicht o.ä.) durchsetzen kann, erzielt<br />
oft nur einen Pyrrhussieg. Die solchen Vertragswerken immanente<br />
Ungerechtigkeit kann eine erhebliche Sprengkraft<br />
entfalten und – wie in der Praxis mehrfach zu beobachten<br />
ist – letztlich eine wesentliche (Mit-) Ursache für das Scheitern<br />
einer Ehe sein. Dass sich gewisse fi nanzielle Vorteile<br />
sichern liessen, dürfte dann ein schwacher Trost für denjenigen<br />
sein, der den Ehepartner, «Haus und Herd» (und meist<br />
auch noch die Kinder) verloren hat.<br />
17.2 Da einer Vorauskonvention, die ohne konkreten Scheidungshorizont<br />
und damit in eine ungewisse Zukunft hinein<br />
abgeschlossen worden ist, bekanntlich das Verbot übermässiger<br />
Bindung des Art. 27 Abs. 2 ZGB oder gar Art. 2 ZGB<br />
entgegenstehen kann – zumal im Falle eines vollständigen<br />
oder wesentlichen Verzichtes auf nachehelichen Unterhalt –<br />
dürften am ehesten jene Konventionen auf Vorrat Chancen<br />
haben, einer richterlichen Überprüfung stand zu halten, welchen<br />
besonders gute wirtschaftliche Verhältnisse zugrunde<br />
liegen. 92 Mit anderen Worten ist der Einsatzbereich von<br />
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat eher im Bereich ausgesprochen<br />
gehobener Verhältnisse anzusiedeln, etwa dort, wo<br />
eine substantielle Kapitalabfi ndung für nachehelichen Unterhalt<br />
geleistet oder sonst für eine komfortable Eigenversorgungskapazität<br />
der berechtigten Partei gesorgt wird. Damit<br />
kann zwar möglicherweise nicht mehr die bisherige – sehr<br />
gehobene – Lebenshaltung fortgesetzt werden, aber es ist<br />
91 Withers LLB, Family News, February 2008.<br />
92 Vgl. dazu Hausheer/Steck (FN 1), 955 f.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 317 10.3.2009 9:12:16 Uhr<br />
317
318<br />
Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />
immer noch ein Standard gewährleistet, der unter dem Gesichtspunkt<br />
von Art. 140 ZGB unbenklich ist. In «normalen»<br />
oder gar beengten Verhältnissen wird eine Abweichung von<br />
den in Art. 125 ZGB normierten Grundsätzen demgegenüber<br />
eher auf das Verdikt «offensichtlicher Unangemessenheit»<br />
treffen als in luxuriöseren Verhältnissen.<br />
17.3 Dass bei der Beratung auf die teilweise eingeschränkte<br />
Bindungswirkung der nachstehenden Bestimmungen, bei<br />
welchen es sich naturgemäss oftmals nicht um mehr als<br />
rechtlich unverbindliche Absichtserklärungen handeln kann,<br />
ausdrücklich (und im Interesse der Vermeidung späterer<br />
Haftpfl ichtansprüche: schriftlich!) hinzuweisen ist, wurde<br />
bereits mehrmals betont.<br />
17.4 Formulierungsvorschläge<br />
(Die nachstehenden Vorschläge dienen ausschliesslich Informationszwecken;<br />
sie enthalten keinerlei Rechtsauskünfte,<br />
und die Autoren lehnen jede Haftbarkeit aus diesen ab.)<br />
Öffentliche Beurkundung<br />
Ehevertrag sowie Vereinbarung über die Folgen einer<br />
allfälligen Trennung oder Scheidung<br />
zwischen<br />
XX<br />
und<br />
YY<br />
1. Teil: Absicht der Ehegatten und Feststellungen<br />
A. Feststellungen<br />
1. Die Ehegatten haben am ………… in ………… geheiratet.<br />
2. Aus ihrer Ehe sind … Kinder hervorgegangen, nämlich<br />
– ……, geb. …………,<br />
– ……, geb. …………<br />
3. Die Ehegatten leben im gemeinsamen Haushalt in<br />
……………………<br />
4. Die Ehegatten leben unter dem Güterstand der ………… Der<br />
ausserordentliche Güterstand der Gütertrennung ist nicht eingetreten.<br />
B. Absicht<br />
In der Absicht und im Bestreben, unter allen Umständen allfällige<br />
eheliche Konfl ikte einvernehmlich zu lösen, vereinbaren die Ehegatten<br />
bereits jetzt, was im Falle einer Trennung oder Scheidung<br />
ihrer Ehe gelten soll.<br />
Sie lassen sich dabei insbesondere von der Erkenntnis leiten,<br />
dass negative Auswirkungen eines Scheiterns ihrer Ehe für die aus<br />
ihrer Ehe hervorgegangenen Kinder dann am geringsten sind, wenn<br />
sich die Eltern über sämtliche Nebenfolgen einer allfälligen Trennung<br />
oder Scheidung verständigen und ein strittiges gerichtliches<br />
Verfahren vermieden werden kann.<br />
C. Gegenseitige Information über die fi nanziellen Verhältnisse<br />
1. Die Parteien schliessen diese Vereinbarung in Kenntnis der gegebenen<br />
fi nanziellen Bemessungsfaktoren, insbesondere in Kenntnis<br />
der beidseits vorhandenen Vermögen und Einkünfte sowie der<br />
Lebenshaltungskosten der Familie.<br />
2. Jede Partei hat diesen Vertrag eingehend studiert und ist sich<br />
über den Inhalt und dessen Tragweite vollständig im Klaren. Die<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Zustimmung erfolgt nach reifl icher Überlegung und frei von jeder<br />
ungebührlichen Beeinfl ussung durch den anderen Ehegatten.<br />
3. Die Parteien haben sich überdies je einzeln durch rechtskundige<br />
Personen ihrer Wahl und ihres Vertrauens über Inhalt, Tragweite<br />
und Verbindlichkeit dieser Vereinbarung aufklären lassen.<br />
4. Die Parteien bestätigen, dass ihnen der vorliegende Vertragstext<br />
in allen wesentlichen Teilen mindestens drei Wochen vor Unterzeichnung<br />
dieser Vereinbarung bzw. vor der Eheschliessung vorlag.<br />
Kommentar: Diese Bestimmungen sind vor allem wichtig, wenn<br />
nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Vertragswerk einem<br />
Gericht des angelsächsischen Rechtskreises vorgelegt werden muss.<br />
Unabhängig davon wird die Vereinbarung durch spätere Einwendungen<br />
einer Partei auch bei einem schweizerischen Gerichtsverfahren<br />
weniger gefährdet, wenn die massgebenden unterhalts- und<br />
vermögensrechtlichen Bemessungsfaktoren offen gelegt (und allenfalls<br />
in einem Annex dokumentiert) werden und sich die Parteien je<br />
unabhängig über Inhalt und Tragweite der Vereinbarung aufklären<br />
liessen. Mit Blick auf die der Urkundsperson obliegenden Aufklärungspfl<br />
icht ist stets eine öffentliche Beurkundung zu prüfen, auch<br />
wenn dies wegen Fehlens ehe- und/oder erbvertraglicher Bestimmungen<br />
nicht notwendig sein sollte.<br />
D. Verhältnis der heute eingegangenen Vereinbarung zu von<br />
den Parteien früher abgeschlossenen Verträgen<br />
(Sofern solche Vereinbarungen existieren, ist zu klären, in welchem<br />
Verhältnis sie zur Vorauskonvention stehen.)<br />
2. Teil: Ehevertragliche Vereinbarungen<br />
Kommentar: Der Ehevertrag ist hier der Einfachheit halber in die<br />
Vorauskonvention integriert worden. In jedem Fall ist aber unter<br />
Berücksichtigung der Überlegungen unter Ziffer 14 zu entscheiden,<br />
ob der Ehevertrag und die Vorauskonvention nicht in separaten Dokumenten<br />
stipuliert werden sollten.<br />
A. Rechtswahl<br />
1. Wir unterstellen unsere güterrechtlichen Verhältnisse im Sinne<br />
von Art. 52 f. IPRG dem schweizerischen Recht. Diese Rechtswahl<br />
bleibt gemäss Art. 53 Abs. 3 IPRG bestehen, wenn wir unseren<br />
Wohnsitz ins Ausland verlegen.<br />
2. Wir sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass wir bei einer<br />
Verlegung unseres Wohnsitzes ins Ausland selber abklären müssen,<br />
ob die vorstehenden Rechtswahlerklärungen und die nachstehenden<br />
Vereinbarungen nach Massgabe unseres neuen Wohnsitzrechtes<br />
gültig bleibt.<br />
B. Gerichtstands- oder Schiedsgerichtsvereinbarung<br />
(siehe vorne unter Ziff. 8.2.2)<br />
Variante 1<br />
C. Vereinbarung eines neuen Güterstandes<br />
1. Wir heben den bisherigen Güterstand auf und begründen rückwirkend<br />
auf den Beginn unserer Ehe als unseren Güterstand die<br />
Gütertrennung im Sinne von Art. 247 ff.<br />
des schweizerischen Zivilgesetzbuches.<br />
Die Gütertrennung bezieht sich auf das gesamte Vermögen beider<br />
Ehegatten, einschliesslich des später durch Erbgang, Schenkung<br />
usw. anfallenden Vermögens, sowie auf die Einkünfte aus Vermögen<br />
und den Erwerb aus Arbeit.<br />
Innerhalb der gesetzlichen Schranken verwaltet und nutzt jeder<br />
Ehepartner sein Vermögen und verfügt darüber. Jeder Gatte haftet<br />
für seine eigenen Schulden.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 318 10.3.2009 9:12:17 Uhr
2. Art. 248 ZGB ist uns bekannt. Danach hat derjenige, der behauptet,<br />
ein bestimmter Vermögenswert sei sein Eigentum, dies zu<br />
beweisen (beispielsweise mit auf seinen Namen lautenden Rechnungen,<br />
Quittungen, Bankbelegen o.ä.). Misslingt der Beweis, so<br />
wird von Gesetzes wegen Miteigentum beider Gatten vermutet.<br />
3. Ferner wissen wir, dass als Folge dieses Ehevertrages auf Gütertrennung<br />
die Gesetzesbestimmungen des ordentlichen Güterstandes<br />
der Errungenschaftsbeteiligung, beispielsweise über den Mehrwertanteil<br />
und die gegenseitige hälftige Vorschlagsbeteiligung, für<br />
uns nicht anwendbar sein werden.<br />
D. Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung<br />
Kommentar: Diese ist vorzunehmen in den Fällen, da der Vertrag<br />
nicht vor der Heirat abgeschlossen wurde oder wenn die Gütertrennung<br />
nicht auf den Zeitpunkt der Eheschliessung zurückwirkt.<br />
E. Schenkungsversprechen des Ehemannes<br />
1. Für den Fall, dass die Ehe der Parteien durch Scheidung oder<br />
Ungültigerklärung aufgelöst wird, erhält die Ehefrau – vollständig<br />
unabhängig von den Umständen, die zur Aufl ösung der Ehe geführt<br />
haben – für jedes volle Jahr, welches die Ehe gedauert hat,<br />
einen Betrag von CHF …… .–, mindestens jedoch CHF …… .–,<br />
maximal jedoch CHF …… .–, zahlbar innerhalb von zwei Arbeitstagen<br />
gegen den Nachweis des Eingangs der Bestätigung des anspruchsberechtigten<br />
Ehegatten gemäss Art. 111 Abs. 2 ZGB beim<br />
Scheidungsgericht, jedenfalls aber vor Eintritt der Rechtskraft des<br />
Scheidungsurteils.<br />
Kommentar: Vgl. Ziffer 8.1.4 zu den zu beachtenden steuerlichen<br />
Aspekten.<br />
2. Die vorstehenden Beträge beruhen auf dem Index der Konsumentenpreise<br />
vom … von … Punkten (Basis …… = 100 Punkte)<br />
und werden auf den Fälligkeitstermin hin an die Teuerung angepasst.<br />
3. Die Zahlungspfl icht des Ehemannes entfällt in denjenigen Kalenderjahren,<br />
in denen sein jährliches Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit<br />
und Vermögensertrag gemäss der jeweiligen Steuererklärung<br />
den Betrag von CHF …… .– nicht erreicht hat. Dieser<br />
Betrag unterliegt der Indexierung gemäss vorstehend Ziff. 2.<br />
4. Die Zahlungspfl icht des Ehemannes entfällt zudem ersatzlos,<br />
wenn die Ehefrau die Vereinbarung im 3. Teil (mit Ausnahme «Kinderbelange»<br />
gemäss lit. B) vor Gericht und nach Ablauf der Bedenkfrist<br />
des Art. 111 Abs. 2 ZGB nicht bestätigt, sie anfi cht oder<br />
andere Anträge bezüglich der Gestaltung der Nebenfolgen einer<br />
allfälligen Trennung oder Scheidung stellt.<br />
Kommentar: Vgl. zur Problematik eines Bedingungsverhältnisses<br />
zwischen Vorauskonvention und zusätzlichen Leistungen die Bemerkungen<br />
vorne unter Ziffer 14.<br />
Variante 2<br />
C. Ehevertragliche Modifi kation des ordentlichen<br />
Güterstandes<br />
Wir behalten den ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung<br />
im Sinne der Art. 196 ff. ZGB bei, vereinbaren aber die<br />
folgenden Modifi kationen:<br />
1. Sofern der Güterstand aus einem der in Art. 217 ZGB genannten<br />
Gründe aufgelöst wird, behält jeder Ehegatte seinen eigenen Vorschlag.<br />
Eine Beteiligung des anderen Ehegatten fi ndet ausdrücklich<br />
nicht statt.<br />
2. Sofern unsere Ehe durch den Tod eines Gatten aufgelöst wird,<br />
fällt die Gesamtsumme der Vorschläge beider Ehegatten an den<br />
überlebenden Ehegatten.<br />
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
3. Teil: Vereinbarung über die Gestaltung der Nebenfolgen<br />
im Falle einer Trennung oder Scheidung in der Schweiz<br />
A. Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung dieser<br />
Vereinbarung im Falle einer Trennung oder Scheidung<br />
in der Schweiz<br />
1. Die Ehegatten werden ihre Vereinbarung betr. Aufhebung des gemeinsamen<br />
Haushaltes dem zuständigen Eheschutzrichter zur Vormerknahme<br />
bzw. Genehmigung vorlegen. Sofern ein Ehegatte diese<br />
Vereinbarung vor Gericht nicht bestätigt, ist der andere berechtigt,<br />
eine gerichtliche Regelung der Modalitäten des Getrenntlebens entsprechend<br />
dieser Vereinbarung zu beantragen.<br />
2.1 Die Eheleute wissen weiter, dass sie im Falle einer Scheidung<br />
ihre Vereinbarung zunächst anlässlich des gerichtlichen Anhörungstermins<br />
und anschliessend ein weiteres Mal nach Ablauf der<br />
zweimonatigen Bedenkfrist gemäss Art. 111 Abs. 2 ZGB bestätigen<br />
müssen. Die Ehegatten sichern sich verbindlich zu, die heute<br />
abgeschlossene Vereinbarung, die sie aus freiem Willen getroffen<br />
haben und an die sie sich gebunden erklären, in diesem Sinne zu<br />
bestätigen.<br />
2.2 Den Parteien ist weiter bekannt, dass ihre Vereinbarung der<br />
richterlichen Genehmigung im Sinne von Art. 140 ZGB bedarf,<br />
welche das Gericht dann ausspricht, wenn es sich davon überzeugt<br />
hat, dass die Vereinbarung klar, vollständig und nicht offensichtlich<br />
unangemessen ist.<br />
Die Parteien sichern sich weiter zu, dass sie gemeinsam um gerichtliche<br />
Genehmigung ihrer Scheidungsvereinbarung im Sinne<br />
von Art. 140 ZGB ersuchen werden, falls ein Scheidungsverfahren<br />
gestützt auf ein gemeinsames Scheidungsbegehren anhängig gemacht<br />
wird.<br />
2.3 Sofern ein Ehegatte entgegen dieser Abmachung die vorliegende<br />
Vereinbarung nicht bestätigt, ist der andere Ehegatte berechtigt,<br />
eine gerichtliche Regelung der scheidungsrechtlichen Nebenfolgen<br />
entsprechend dieser Vereinbarung zu beantragen.<br />
Kommentar: Die Parteien sind unmissverständlich darauf hinzuweisen,<br />
dass es sich um eine unverbindliche Absichtserklärung<br />
handelt. Eine Pfl icht, die Vereinbarung zu bestätigen, kann nicht<br />
wirksam vereinbart werden.<br />
B. Kinderbelange<br />
1. Elterliche Sorge<br />
Die Eltern vereinbaren, dass sie das Sorgerecht über ihre gemeinsamen<br />
Kinder auch nach der Scheidung gemeinsam ausüben werden.<br />
2. Wohnsitz der Kinder<br />
Die Kinder werden bei der Mutter wohnen und dort ihren zivilrechtlichen<br />
Wohnsitz haben.<br />
3. Betreuungszeiten<br />
Über die Betreuungszeiten werden sich die Ehegatten dannzumal<br />
auf einvernehmlicher Basis und unter Rücksichtnahme auf die Interessen<br />
und Bedürfnisse sämtlicher Familienmitglieder verständigen.<br />
4. Kinderunterhalt<br />
4.1 Der Vater verpfl ichtet sich, der Mutter an die Kosten des Unterhalts<br />
und der Erziehung je Kind, welches seinen Wohnsitz der<br />
Mutter hat, mit Wirkung ab dem ersten Tage desjenigen Monats, in<br />
welchem der gemeinsame Haushalt aufgehoben wird, bis zum dem<br />
Zeitpunkt, in welchem jedes Kind eine Erstausbildung ordentlicherweise<br />
abgeschlossen hat, mithin auch über die Mündigkeit hinaus,<br />
einen monatlichen, jeweils auf den Ersten eines jeden Monats zum<br />
Voraus zahlbaren und gerichtsüblich indexierten Unterhaltsbeitrag<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 319 10.3.2009 9:12:17 Uhr<br />
319
320<br />
Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />
(zuzüglich Kinderzulagen, sondern der Vater solche bezieht) zu bezahlen,<br />
der<br />
– bei einem Kind 17 %;<br />
– bei zwei Kindern 27 %, sowie<br />
– bei drei Kindern insgesamt 35 %<br />
des vom Ehemann dannzumals erzielten Nettoeinkommens beträgt,<br />
maximal je Kind indessen CHF …… .– beträgt.<br />
Kommentar: Diese Regelung, die sich an der «Berner Praxis»<br />
orientiert und zugleich einen «Cap» vorsieht, dürfte mit Sicherheit<br />
genehmigungsfähig sein.<br />
4.2 Darüber hinaus übernimmt der Vater unter vollständiger Entlastung<br />
der Mutter sämtliche ausserordentlichen Auslagen für die Kinder<br />
(z.B. für Zahnkorrekturen, schulische Fördermassnahmen u.ä.)<br />
wie auch sämtliche mit dem Besuch von Privatschulen verbundenen<br />
Kosten, sofern er dazu vorgängig seine schriftliche Zustimmung erteilt<br />
hat. Wenn und solange ein Kind ein Internat besucht und unter<br />
der Woche nicht mehr bei der Mutter lebt, reduziert sich der monatliche<br />
Unterhaltsbeitrag gemäss Ziffer 4.1 auf Fr. … .– für dieses Kind.<br />
5. Information der Kinder<br />
Die Eltern werden die Gestaltung der zukünftigen Eltern-/Kindbeziehung<br />
bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes mit den Kindern<br />
besprechen.<br />
6. Abweichende Regelung und Vereinbarung eines<br />
Vermittlungsverfahrens<br />
6.1 Das Recht eines jeden Ehegatten, aus unter dem Gesichtspunkt<br />
des Kindeswohles beachtenswerten Gründen eine andere Gestaltung<br />
der Kinderbelange zu beantragen, bleibt von dieser Vereinbarung<br />
unberührt. Vorbehalten bleibt auch der Fall, dass ein Kind aus<br />
beachtenswerten Gründen eine andere Lösung, die dem Kindeswohl<br />
entspricht, wünscht. Die Eltern wissen, dass die Gestaltung<br />
der Kinderbelange der Untersuchungsmaxime unterliegt und das<br />
Gericht im Interesse des Kindeswohls Anordnungen treffen kann,<br />
die von der von ihnen getroffenen Vereinbarungen abweichen.<br />
6.2. Die Eltern werden bei allfälligen Schwierigkeiten im Zusammenhang<br />
mit den Kinderbelangen im Interesse der Kinder möglichst<br />
rasch eine Lösung suchen, und dies gegebenenfalls unter Beizug<br />
einer gemeinsam zu bestimmenden Drittperson, die sich über<br />
die erforderlichen Fachkenntnisse ausweist. Falls sie sich über die<br />
beizuziehende Fachperson nicht verständigen können, wird diese<br />
durch …… bestimmt.<br />
C. Güterrechtliche Auseinandersetzung<br />
1. Die Parteien unterstehen dem Güterstand der Gütertrennung<br />
(vgl. den 2. Teil dieser Vereinbarung). Eine güterrechtliche Auseinandersetzung<br />
entfällt damit.<br />
2. Den Hausrat und das Mobiliar werden die Parteien bei Aufhebung<br />
des gemeinsamen Haushaltes einvernehmlich aufteilen.<br />
D. Scheidungsrechtlicher Vorsorgeausgleich<br />
Die von den Ehegatten während der Ehe angesparten Vorsorgeguthaben<br />
sind (unter Berücksichtigung allfälliger Vorbezüge für<br />
die Finanzierung selbstbewohnten Wohneigentums oder allfälliger<br />
Einlagen, die nach dem Recht der Errungenschaftsbeteilung als Eigengut<br />
eines Ehegatten zu qualifi zieren sind) auf den Zeitpunkt einer<br />
allfälligen Scheidung hin zu aktualisieren. Die so festgestellten<br />
Austrittsleistungen sind gemäss Art. 122 ZGB zu teilen.<br />
E. Nachehelicher Unterhalt<br />
Variante 1: Vereinbarung bei einem kinderlosen Brautpaar<br />
1. Sofern ein Ehegatte innerhalb von fünf (5) Jahren nach der<br />
Heirat beim zuständigen Richter ein Begehren um Aufhebung des<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
gemeinsamen Haushaltes (Trennung) im Sinne von Art. 175 ZGB<br />
anhängig macht, verzichten die Parteien beidseitig auf (eheliche)<br />
Unterhaltszahlungen im Sinne von Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung<br />
mit Art. 163 ZGB für die Dauer des Getrenntlebens.<br />
2. Sofern ein Ehegatte innerhalb von sieben (7) Jahren nach der<br />
Heirat beim zuständigen Richter ein Scheidungsbegehren im Sinne<br />
von Art. 111 ff. ZGB anhängig macht, verzichten die Parteien<br />
beidseitig auf (nacheheliche) Unterhaltszahlungen im Sinne von<br />
Art. 125 ZGB.<br />
3. Der beidseitige Verzicht auf ehelichen und nachehelichen Unterhalt<br />
gilt indessen nur, sofern<br />
3.1 die Ehe der Parteien kinderlos geblieben ist, und<br />
3.2 die auf Seiten des Ehemannes und der Ehefrau derzeit gegebene<br />
vollumfängliche Erwerbsfähigkeit nicht aus schwerwiegenden gesundheitlichen<br />
Gründen in erheblichem Ausmasse beeinträchtigt ist.<br />
4. Diese Vereinbarung gilt auch dann, wenn das Trennungs- oder<br />
Scheidungsbegehren im Ausland anhängig gemacht wird.<br />
Variante 2: Vereinbarung, bei der anstelle einer quantifi zierten<br />
Unterhaltsregelung eine Verständigung über die Aufgabenteilung<br />
und die Lebensentwürfe, insbesondere auch über die Eigenversorgungskapazität,<br />
erfolgt<br />
Angestrebt wird, dass sich die Partner Klarheit über ihre Lebensentwürfe<br />
und die daraus resultierende Aufgabenteilung zu verschaffen.<br />
Dies setzt in der Regel eine Auseinandersetzung und Einigung<br />
über folgende Gesichtspunkte voraus:<br />
1. Erwerbstätigkeit<br />
– Welche berufl ichen Ziele hat jeder Ehegatte?<br />
– Ist noch einer der Partner in Ausbildung?<br />
– Weiterbildung/Wiedereinstieg: Sind bereits Projekte vorhanden?<br />
– Ist ein Wechsel zu selbstständiger Erwerbstätigkeit geplant?<br />
– Ist aus anderen als Kinderbetreuungsgründen eine Reduktion<br />
der Erwerbstätigkeit geplant? Wenn ja, und in welchem Umfang<br />
und für wie lange?<br />
– Ist ein Wohnortswechsel/Auswanderung absehbar? Wer wird<br />
deswegen die Berufstätigkeit zurückstecken/aufgeben?<br />
2. Haushaltstätigkeit:<br />
– Wer übernimmt Haushaltsarbeiten in welchem Umfang?<br />
– Wird Erwerbstätigkeit wegen Haushaltsarbeit reduziert? Wenn<br />
ja, in welchem Umfange und für wie lange?<br />
3. Falls aus der Beziehung Kinder hervorgehen:<br />
– Wer übernimmt die Betreuung in welchem Umfang? Wird deswegen<br />
Erwerbstätigkeit reduziert? Wenn ja, in welchem Umfange<br />
und für wie lange?<br />
– Ist eine (Mit-)Betreuung durch Dritte (Au Pair, Nanny etc.) vorgesehen?<br />
– Besuchen die Kinder Tagesschulen oder Internate?<br />
– Falls ein gänzlicher oder partieller Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit<br />
beabsichtigt ist: In welchem Alter der Kinder wird ein<br />
Wiedereinstieg geplant?<br />
4. Altersvorsorge<br />
– Wie erfolgt die Altersvorsorge?<br />
– Sind Erbanwartschaften vorhanden?<br />
5. Vorgesehenes Sparverhalten<br />
– Welche Auswirkungen ergeben sich daraus für den Lebensstandard?<br />
6. Periodische Überprüfung und Bestätigung insbesondere der<br />
Verständigung über Rollenverteilung vorsehen.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 320 10.3.2009 9:12:17 Uhr
Variante 3: Vereinbarung über eine konkrete Unterhaltsregelung<br />
bei langer, lebensprägender Ehe:<br />
1. Der Ehemann verpfl ichtet sich, der Ehefrau im Falle einer Scheidung<br />
gestützt auf Art. 125 ZGB (respektive gestützt auf Art. 163<br />
ZGB in Verbindung mit Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB im Falle einer<br />
Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes für die Dauer einer solchen<br />
Trennung) die folgenden, gerichtsüblich indexierten Unterhaltsbeiträge<br />
zu bezahlen:<br />
1.1. Fr. ………… pro Jahr, zahlbar in 12 monatlichen, gleich hohen<br />
Teilbeträgen, jeweils auf den Ersten eines jeden Monates zum<br />
Voraus, zahlbar ab dem ersten Tag desjenigen Monates, in dem der<br />
eheliche Haushalt aufgehoben wird bis zum letzten Tag desjenigen<br />
Monates, in welchem das jüngste gemeinsame Kind der Ehegatten<br />
das ………… Altersjahr vollendet hat,<br />
1.2. Danach Fr. ………… pro Jahr, zahlbar in 12 monatlichen,<br />
gleich hohen Teilbeträgen, jeweils auf den Ersten eines jeden Monates<br />
zum Voraus, bis zum letzten Tag desjenigen Monates, in welchem<br />
die Ehefrau das ordentliche Pensionierungsalter erreicht hat.<br />
2. Der Ehemann kann, falls er dies wünscht, nach einer Scheidung<br />
zu jedem ihm richtig scheinenden Zeitpunkt in Tilgung sämtlicher<br />
periodischer Unterhaltsansprüche gemäss den Ziffern 1.1 und 1.2<br />
der Ehefrau eine einmalige Kapitalabfi ndung bezahlen. Deren Berechung<br />
erfolgt abschliessend anhand der Barwerttafeln von Stauffer/Schaetzle,<br />
Zürich 2001, Tafel 48 (Barwert einer Zeitrente),<br />
Zinssatz 2.5 %/3.5 % und im Übrigen entsprechend der dannzumals<br />
gegebenen Restlaufzeit der Unterhaltsbeiträge. Der so berechnete<br />
Betrag wird pauschal um … % reduziert in teilweiser Kompensa tion<br />
der steuerlichen Vorteile, die sich für die Ehefrau aus der Kapitalisierung<br />
der Unterhaltsbeiträge ergeben sowie mit Blick auf die auf<br />
ihrer Seite gegebene statistische Wiederverheiratungswahrscheinlichkeit,<br />
resp. die Wahrscheinlichkeit, eine neue (aussereheliche)<br />
Lebenspartnerschaft einzugehen.<br />
Kommentar: Wird der Unterhalt in Kapitalform ausgerichtet, fällt<br />
er in den meisten Kanton und im Bund unter die einkommensteuerfreien<br />
Leistungen; als Korrelat zur Steuerfreiheit kann die Kapitalleistung<br />
vom Pfl ichtigen nicht abgezogen werden. Dies gilt<br />
indessen nur, wenn die Kapitalform (wenn auch nur als Eventualmöglichkeit)<br />
bereits in der Scheidungsvereinbarung vorgesehen ist<br />
(Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum harmonisierten<br />
Zürcher Steuergesetz, 2. A., Zürich 2006, § 31 N. 56).Es macht deshalb<br />
Sinn, den Parteien diese Option offenzuhalten.<br />
3. Die von den Ehegatten vereinbarte Unterhaltsregelung beruht im<br />
Sinne von Art. 143 ZGB auf folgenden Bemessungsfaktoren.<br />
3.1. Der Unterhaltsbeitrag beruht auf dem heute gegebenen einem<br />
unterhaltsrechtlich massgebenden jährlichen Nettoeinkommen des<br />
Ehemannes von CHF …… .–.<br />
Sofern sich im Zeitpunkt der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes<br />
die unterhaltsrechtlich massgebenden Einkünfte des Ehemannes<br />
um mindestens … % gegenüber dem dieser Vereinbarung<br />
zugrunde liegenden Betrag von Fr. ……. reduziert haben sollten<br />
(wofür er die Beweislast trägt), wird auf der Basis des dannzumaligen<br />
effektiven Einkommens des Ehemannes im Vorjahr der Unterhaltsbeitrag<br />
der Ehefrau nach folgender Formel berechnet:<br />
Neuer Unterhaltsbeitrag<br />
=<br />
Der Unterhaltsbeitrag beträgt jedoch maximal CHF ……… .–,<br />
mindestens jedoch CHF ………… .– pro Monat (welche Beträge<br />
an die Teuerung angepasst werden).<br />
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />
bisheriger Beitrag x Einkünfte im Vorjahr<br />
CHF … (Referenzeinkommen im Zeitpunkt<br />
des Abschlusses der Vorausvereinbarung)<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
3.2. Die Ehefrau erzielt derzeit keine Erwerbseinkünfte.<br />
Die Parteien gehen davon aus, dass die Ehefrau spätestens nachdem<br />
das jüngste Kind das ………… Lebensjahr vollendet hat, ein jährliches<br />
Nettoeinkommen von CHF ………… .– erzielen kann.<br />
3.3 Auf dem auf ihrer Seite vorhandenen Vermögen lässt sich die<br />
Ehefrau einen jährlichen Ertrag von .... % anrechnen, der bei der<br />
Unterhaltsberechnung im Zeitpunkt der Trennung/Scheidung von<br />
den Unterhaltsbeiträgen gemäss Ziffer 1.1. und 1.2. in Abzug zu<br />
bringen ist.<br />
3.4. Die Ehegatten gehen von folgendem gebührenden Unterhalt<br />
der Ehefrau gemäss Art. 125 ZGB (ohne Lebenshaltungskosten der<br />
Kinder, die aus den Kinderunterhaltsbeiträgen beglichen werden)<br />
aus:<br />
Wohnkosten CHF<br />
Ernährung zu Hause, Einladungen und Getränke CHF<br />
Mobilität CHF<br />
Kleider, Schuhe, Accessoires CHF<br />
Ferien CHF<br />
Freizeit, Kultur, Bücher, etc. CHF<br />
Coiffeur, Kosmetika CHF<br />
Drogerie, chem. Reinigung, Kleinanschaffungen<br />
für Haushalt CHF<br />
Kommunikation CHF<br />
Gesundheit, Zahnarzt, Optik CHF<br />
Zwischentotal CHF<br />
Steuern (approximativ) CHF<br />
Total CHF<br />
3.5 Die Ehefrau verzichtet auf höhere Unterhaltsbeiträge auch<br />
dann, wenn ihre Lebenshaltungskosten in der einer Trennung oder<br />
Scheidung unmittelbar vorhergehenden Phase des gemeinsamen<br />
Haushaltes höher als hier dargestellt gewesen sein sollten.<br />
Variante 4: Vereinbarung, mit Tilgung sämtlicher Unterhaltsansprüche<br />
durch ein einmalige Kapitalzahlung<br />
In vollständiger und abschliessender Tilgung sämtlicher Unterhaltsansprüche<br />
der Ehefrau gemäss Art. 163 und Art. 125 ZGB (insbesondere<br />
auch in Tilgung des Vorsorgeunterhaltes gemäss Art. 125<br />
Abs. 1 ZGB) bezahlt der Ehemann der Ehefrau eine einmalige Kapitalabfi<br />
ndung von<br />
– CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt weniger als fünf<br />
Jahre gedauert hat;<br />
– CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt weniger als zehn<br />
Jahre gedauert hat;<br />
– CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt weniger als zwanzig<br />
Jahre gedauert hat;<br />
– CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt nach Eintritt der<br />
Ehefrau ins ordentliche Pensionierungsalter aufgehoben wird;<br />
zahlbar innerhalb von dreissig Tagen nach Eintritt der Rechtskraft<br />
des Scheidungsurteils.<br />
Unterhaltszahlungen, die der Ehemann ab Aufhebung des gemeinsamen<br />
Haushaltes bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils<br />
erbringt, erfolgen à conto der oben vereinbarten Kapitalzahlung.<br />
Die vorstehenden Kapitalzahlungen beruhen auf dem Index der<br />
Konsumentenpreise vom …… von ……… Punkten (Basis ………<br />
= 100 Punkte) und werden auf den Fälligkeitstermin hin an die Teuerung<br />
angepasst.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 321 10.3.2009 9:12:18 Uhr<br />
321
322<br />
Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />
F. Vereinbarungen im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren<br />
1. Der Ehemann übernimmt die Gerichtskosten eines allfälligen<br />
Eheschutz- oder Scheidungsverfahrens, in welchem die Parteien<br />
gemeinsam um Genehmigung dieser Vereinbarung ersuchen. Die<br />
Ehegatten verzichten diesfalls beidseits auf Umtriebs- und Prozessentschädigung.<br />
2. Die Ehegatten sind sich ausdrücklich einig darüber, dass die<br />
getroffenen Vereinbarungen (mit Ausnahme von lit. B «Kinderbelange»)<br />
eine Einheit darstellen und deshalb nur insgesamt bestätigt<br />
oder verworfen werden können.<br />
G. Schlussbestimmungen<br />
1. Diese zum Voraus abgeschlossene Trennungs- und Scheidungsvereinbarung<br />
umfasst und regelt sämtliche gegenseitigen Ansprüche<br />
bezüglich Unterhalt, Altersvorsorge und Güterrecht gemäss schweizerischem<br />
Recht, welchem eine allfällige Scheidung oder Trennung<br />
unterstehen wird. Sie umfasst und regelt abschliessend auch sämtliche<br />
weiteren Ansprüche, die nach dem Recht anderer Länder, welches<br />
allenfalls zur Anwendung gelangen könnte, existieren.<br />
2. Mit der Erfüllung dieser Scheidungsvereinbarung erklären sich<br />
beide Ehegatten als per Saldo aller gegenseitigen Ansprüche aus<br />
– Ehe-,<br />
– Scheidungs-,<br />
– Vermögens- und Güterrecht sowie<br />
– Vorsorgerecht<br />
auseinandergesetzt. Demzufolge behält jede Partei mit Aktiven und<br />
Passiven zu Alleineigentum, was sie gegenwärtig besitzt bzw. was<br />
auf ihren Namen lautet. Keine Partei hat nach Vollzug dieser Vereinbarung<br />
von der anderen noch etwas zu fordern.<br />
3. Die Parteien beabsichtigen eine Mediation durchzuführen, falls<br />
– Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung<br />
entstehen,<br />
– die Notwendigkeit entsteht, diese Vereinbarung veränderten<br />
Verhältnissen anzupassen,<br />
und wenn sie sich darüber nicht einigen können.<br />
Sofern sich die Parteien über den/die MediatorIn nicht einig sind,<br />
wird diese(r) durch den Präsidenten des kantonalen Anwaltsverbandes,<br />
bei Verhinderung desselben durch den Präsidenten des<br />
Obergerichtes des Kantons Zürich, bestimmt.<br />
Ort / Datum:<br />
(die Ehefrau) (der Ehemann)<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Dans l’activité de conseil quotidienne, on constate de plus en<br />
plus le besoin de régler à l’avance par contrat les conséquences<br />
économiques d’un éventuel divorce. Cet article tente – sous<br />
forme d’indications de deux praticiens à des praticiennes – de<br />
livrer des instructions concrètes pour agir et des propositions<br />
pour formuler de telles «conventions de divorce en réserve»<br />
en se basant sur la littérature récente et la doctrine dominante<br />
tout en tenant compte des aspects correspondants du droit<br />
international privé et de la procédure civile. Bien que le droit<br />
suisse révèle d’importantes diffi cultés en matière de planifi -<br />
cation du divorce – d’une part, la confi rmation par les deux<br />
époux dans le cadre de l’art. 111 al. 2 CC et d’autre part, la ratifi<br />
cation par le juge selon l’art. 140 CC – il est judicieux d'examiner<br />
les questions réglées préalablement par une approche<br />
différenciée pour déterminer s’il s'agit d’effets accessoires du<br />
divorce (soumis à l’exigence de confi rmation et de ratifi cation)<br />
ou d’autres actes juridiques entraînant un lien contractuel<br />
(sans exigence de ratifi cation). Le résultat de cette recherche<br />
montre qu’il n’y a que peu de marge pour des conventions de<br />
divorce convenues préalablement avec effet obligatoire.<br />
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 322 10.3.2009 9:12:18 Uhr
Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Offenlegung von Management-Transaktionen<br />
im europäischen Umfeld<br />
URS FELLER<br />
Dr. iur., Rechtsanwalt,<br />
Solicitor (England &<br />
Wales), Zürich<br />
Inhaltsübersicht<br />
I. Zur Verlegung des Aktienhandels von London nach Zürich<br />
II. Weshalb Offenlegung von Management-Transaktionen?<br />
III. Anwendbare Regeln<br />
IV. Inhalt der Regeln<br />
A. Grundsätzliches<br />
B. Betroffene Führungspersonen<br />
C. Verbundene Personen<br />
D. On Own Account<br />
E. Transaktionen<br />
F. Details zum Inhalt und zum Verfahren der Offenlegung<br />
V. Durchsetzung der Regeln im Vereinigten Königreich<br />
I. Zur Verlegung des Aktienhandels<br />
von London nach Zürich<br />
Verschiedene SMI- bzw. SLI-Emittenten, deren Aktien an<br />
der SWX Europe gehandelt werden, unterliegen auch den<br />
europäischen Offenlegungsregeln. Nachdem für die meisten<br />
Emittenten das Vereinigte Königreich der sogenannte Home<br />
Member State ist, sind die Marktmissbrauchsrichtlinie<br />
(«MAD») und deren Umsetzung im Vereinigten Königreich<br />
massgebend. Nachstehend werden die aktuellen Regeln im<br />
Vereinigten Königreich vor dem Hintergrund dargelegt, dass<br />
die SIX den Handel in SMI- und SLI-Titeln Mitte 2009 von<br />
London zurück nach Zürich verlegen wird.<br />
1. Der kürzlich angekündigte Rückzug des Handels aus London<br />
erfolgt – so die Schweizer Börse – aus Kostengründen<br />
und um sicherzustellen, dass die Emittenten nur noch die<br />
Regeln der SIX und nicht mehr die Vorgaben von Grossbritannien<br />
bzw. der EU einzuhalten haben. Dies überrascht.<br />
Zunächst ist zu erwähnen, dass die SIX ihre Regeln in den<br />
letzten Jahren bereits weitgehend den europäischen Normen<br />
angepasst hat. Dank der kontinuierlichen Anpassung an das<br />
regulatorische Umfeld in Europa in der Vergangenheit erfüllen<br />
etliche schweizerische Emittenten heute die Anforderungen,<br />
um auf einem geregelten Markt europäischen Zuschnitts<br />
zu bestehen. Für einige Schweizer Emittenten wird<br />
der Rückzug auch deshalb wenig verändern, weil sie nebst<br />
der Kotierung an der SIX auch noch auf einer europäischen<br />
Börse zugelassen sind und damit ohnehin unter die entsprechende<br />
europäische Regelung fallen.<br />
2. Unbestrittenermassen bestehen aber dennoch gewisse Unterschiede,<br />
der wohl grösste besteht im Zusammenhang mit<br />
der Offenlegung von Management-Transaktionen1 . Die europäischen<br />
Regeln sind in diesem Bereich umfassender als<br />
die schweizerischen. Die weniger strenge Regelung in der<br />
Schweiz erscheint aus Sicht der SIX als Hauptvorteil für die<br />
Emittenten; darauf ist näher einzugehen.<br />
3. Im Folgenden werden vorerst einige Überlegungen zu den<br />
potentiellen Nachteilen für den Finanzplatz Schweiz bzw. die<br />
Emittenten erläutert. Anschliessend wird dargelegt, weshalb<br />
die Offenlegung von Management-Transaktionen als wichtiges<br />
Element eines reifen Kapitalmarkts erachtet wird und<br />
schliesslich, inwiefern die Regeln im Vereinigten Königreich<br />
über die Bestimmungen in der Schweiz hinausgehen.<br />
4. Für den einzelnen Emittenten können sich die potentiellen<br />
Nachteile ganz unterschiedlich präsentieren. Was für den einen<br />
wünschenswert ist, ist für einen anderen unwesentlich<br />
oder gar eine Last. Ohne einen spezifi schen Fokus einzunehmen,<br />
ergeben sich zumindest folgende Überlegungen mit<br />
mehr oder weniger Allgemeingültigkeit.<br />
5. Aus der Sicht des schweizerischen Finanzplatzes ist es<br />
schwierig zu begründen, weshalb betreffend Transparenz<br />
und Offenlegung im gesamten europäischen Umfeld strengere<br />
Regeln gelten sollen als in der Schweiz. Es erscheint<br />
merkwürdig, dass in der Schweiz für die Blue Chips geringere<br />
Standards als beispielsweise in den neuen EU-Ländern<br />
wie Rumänien oder Bulgarien als genügend erachtet werden.<br />
Verschiedene Ereignisse in der Vergangenheit lassen annehmen,<br />
dass eine Verminderung der Transparenz oder ein Zurückstehen<br />
hinter diesbezüglichen Entwicklungen sich für<br />
1 Zu weiteren Unterschieden zwischen der schweizerischen Regelung<br />
und der Praxis im Vereinigten Königreich siehe Urs<br />
Feller, Relevanz der EU-Finanzmarktrichtlinien für Schweizer<br />
Unternehmen, deren Aktien an der SWX Europe gehandelt<br />
werden, in: Jusletter 19. Mai 2008; Stefan R. Sulzer, Insiderverzeichnisse,<br />
in: Thomas U. Reutter/Thomas Werlen (Hrsg.),<br />
Kapitalmarkttransaktionen III, Zürich 2008, 153 ff.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 323 10.3.2009 9:12:18 Uhr<br />
323
324<br />
einen Finanzplatz kaum als vorteilhaft erweisen2 . Transparenz<br />
im Bereich von Management-Transaktionen ist deshalb<br />
genügend Aufmerksamkeit zu schenken.<br />
6. Aus Sicht der einzelnen Emittenten ist zu erwähnen, dass<br />
offen ist, ob die schweizerischen Emittenten ohne weiteres<br />
auf die Vorteile der Zulassung auf einem geregelten Markt<br />
der EU verzichten möchten. So erlaubt ein von der FSA<br />
(oder einer anderen europäischen Aufsichtsbehörde) genehmigter<br />
Prospekt den Vertrieb von Aktien in ganz Europa.<br />
Zweitens bestehen Anzeichen dafür, dass wichtige Investoren<br />
wie beispielsweise ausländische Pensionskassen in ihren<br />
Investments in Aktien, die nicht auf einem geregelten Markt<br />
der EU zugelassen sind, beschränkt sind. Drittens ist nicht<br />
auszuschliessen, dass sich aufgrund geringerer Liquidität die<br />
Kapitalkosten für die Emittenten verteuern. Viertens gilt die<br />
Zulassung zu einem geregelten Markt der EU als Gütesiegel<br />
betreffend die Einhaltung von anerkannten Standards guter<br />
Unternehmensführung in Europa. Insbesondere diejenigen<br />
Emittenten, deren Aktien heute auf einem geregelten Markt<br />
der EU gehandelt werden und die eine gewisse Erfahrung im<br />
Umgang mit den europäischen Normen gesammelt haben,<br />
werden prüfen wollen, ob mit dem Rückzug der SIX aus der<br />
europäischen Plattform ihren langfristigen Interessen gedient<br />
ist.<br />
7. Je nach Konstellation für den einzelnen Emittenten ist offen,<br />
ob die Vorteile oder die Nachteile des Rückzugs überwiegen.<br />
Anderseits sichert sich die SIX mit der Konzentra tion in<br />
der Schweiz ein grösseres Mass an operativer Freiheit.<br />
II. Weshalb Offenlegung von<br />
Management-Transaktionen?<br />
1. Was sind die Gründe, welche die EU bewegt haben, ein<br />
vergleichsweise strenges Offenlegungsregime zu implementieren?<br />
Mit dem Erlass der Marktmissbrauchsrichtlinie<br />
3 («MAD») soll nach Auffassung der Mitgliedstaaten<br />
der Marktmissbrauch verhindert und parallel dazu der Insiderhandel<br />
auf allen regulierten Märkten der EU so weit wie<br />
möglich unterbunden werden. Die früher vorhandenen gesetzlichen<br />
Regeln der einzelnen Mitgliedstaaten zur Gewährleistung<br />
der Marktintegrität erschienen als verzettelt, basierten<br />
auf unterschiedlichen Defi nitionen und Konzepten und<br />
boten nur ungenügenden Schutz 4 . Die Gewährleistung der<br />
Integrität der Finanzmärkte einerseits und die Verbesserung<br />
2 Christoph B. Bühler unter Mitarbeit von Conradin Cramer,<br />
Gesellschaftsrechtliche Governance, Offenlegung von Management-Transaktionen:<br />
Neue Leitplanken und Bodenwellen auf<br />
der Corporate-Governance-Schnellstrasse, in: Ernst A. Kramer/<br />
Peter Nobel/Robert Waldburger (Hrsg.), Festschrift für Peter<br />
Böckli zum 70. Geburtstag, Zürich 2006, 497 ff., 517 f.<br />
3 20<strong>03</strong>/6/EC.<br />
4 20<strong>03</strong>/6/EC, Einleitung, para. 11.<br />
Urs Feller<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
des Vertrauens der Investoren in diese Märkte sind die primären<br />
Ziele, denen die MAD dienen soll5 . Dies wird erreicht<br />
durch die umgehende Offenlegung von «inside information»<br />
(Art. 6 Ziff. 1 MAD), die Führung von Insiderlisten (Art. 6<br />
Ziff. 3 MAD) und die Offenlegung von Management-Transaktionen<br />
(Art. 6 Ziff. 4 MAD). Gemäss Ziffer 7 der Einleitung<br />
der MAD implementierenden Richtlinie6 besteht der<br />
Zweck der Offenlegung von Management-Transaktionen in<br />
der Überzeugung, dass diese Information für Marktteilnehmer<br />
wertvoll ist und es zusätzlich der Aufsichtsbehörde erlaubt,<br />
den Finanzmarkt besser zu überwachen.<br />
2. Das erste Argument für die Offenlegung basiert auf der<br />
Theorie des effi zienten Marktes, wonach unternehmensrelevante<br />
Informationen möglichst frei und allen in gleicher<br />
Weise zugänglich sein sollen. Ökonomische Studien zeigen,<br />
dass Führungspersonen mit ihren Transaktionen in Aktien<br />
des Emittenten wiederholt höhere Renditen erwirtschaften<br />
konnten, als dies die Markttheorie erlauben würde7 . Anders<br />
gesagt verfügen Führungspersonen (wenig überraschend)<br />
über Wissen, das ihnen erlaubt, grössere Gewinne zu erwirtschaften<br />
als Marktteilnehmer ohne dieses zusätzliche Wissen.<br />
Die Offenlegung dieser Transaktionen bezweckt also,<br />
dass die übrigen Marktteilnehmer möglichst über gleiche<br />
Voraussetzungen verfügen und zumindest indirekt am Wissen<br />
der Führungspersonen teilhaben können.<br />
3. Zur Gewährleistung grösstmöglicher Effi zienz eines<br />
Markts ist somit u.a. die Offenlegung von Management-<br />
Transaktionen erforderlich. Wenn sich bei Investoren der<br />
Eindruck bestätigt, dass andere Marktteilnehmer regelmässig<br />
über mehr Informationen verfügen bzw. der Zugang zu<br />
diesen Informationen nicht in gleicher Weise offen steht (Informationsasymmetrien),<br />
bleiben sie am Ende dem Markt<br />
fern8 . Damit aber werden die Kosten für die Aufnahme von<br />
Kapital verteuert. Die Märkte gelten deshalb dort als besonders<br />
effi zient und liquide, wo strenge Offenlegungs- und Insidernormen<br />
durchgesetzt werden9 .<br />
5 20<strong>03</strong>/6/EC, Einleitung, para. 12.<br />
6 2004/72/EC.<br />
7 Nejat Seyhun (Chair of Finance und Professor der University<br />
of Michigan Business School) kommt in seiner breiten Untersuchung<br />
unter anderem zum Schluss, dass (i) Aktienkurse nach<br />
Käufen durch das Management zum Steigen tendieren und den<br />
Markt um 4.5 % übertreffen, (ii) Käufe durch das Management<br />
in den meisten Jahren profi tabel sind, (iii) Management-Transaktionen<br />
typischerweise nicht auf die Veröffentlichung von<br />
ad-hoc-Meldungen ausgerichtet sind, sondern auf die Langzeiterwartungen<br />
des Managements, und (iv) die Signale von<br />
Management-Transaktionen besonders stark sind, wenn das<br />
Management in den letzten 12 Monaten keine gegenteiligen<br />
Transaktionen getätigt hat (H. Nejat Seyhun, Investment Intelligence<br />
from Insider Trading, MIT Press, 1998, 63 ff.)<br />
8 Jonathan Marsh/Brian McDonnell, A Practitioner’s Guide<br />
to Inside Information: Managing the legal and regulatory risks,<br />
Surrey 2006, 2.<br />
9 Marsh/Mc Donnell (FN 8), 2.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 324 10.3.2009 9:12:19 Uhr
Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld<br />
4. Als zweites Argument wird ausgeführt, dass die Arbeit der<br />
Aufsichtsbehörde vereinfacht werden soll10 . Setzt ein Emittent<br />
beispielsweise eine Ad-hoc-Meldung ab, die zu einer<br />
erheblichen Preisänderung der Wertpapiere führt, dann erleichtert<br />
es die Durchsetzung des Verbots des Insiderhandels<br />
massgeblich, wenn Insider ihre Transaktionen bereits offengelegt<br />
haben. Mit der geltenden Regelung kann ein Computerprogramm<br />
die Überprüfung vornehmen, ob und von wem<br />
im Zeitraum vor einer Ad-hoc-Meldung Transaktionen vorgenommen<br />
wurden.<br />
5. Zusätzlich zu den vorerwähnten Punkten ist der Aspekt<br />
der Reputation zu erwähnen. Das Ausnützen von Insiderwissen<br />
zum persönlichen Vorteil von Führungspersonen kann<br />
zu schwerwiegenden Reputationsschäden sowohl der betreffenden<br />
Führungsperson als auch des Emittenten führen. Die<br />
Bemühungen des schweizerischen Gesetzgebers in diesem<br />
Zusammenhang zeigen sich unter anderem in der Revision<br />
der Insiderstrafnorm (Art. 161 StGB). Die Insiderstrafnorm<br />
stellt das Ausnützen vertraulicher kursrelevanter Informationen<br />
unter Strafe. Bis anhin war der Begriff der vertraulichen<br />
kursrelevanten Tatsache auf eine bevorstehende Emission<br />
neuer Beteiligungsrechte, auf eine Unternehmensverbindung<br />
oder auf ähnliche Sachverhalte von vergleichbarer Tragweite<br />
beschränkt. Mit der ersatzlosen Streichung der Ziffer 3<br />
des Artikels 161 StGB wird diese Einschränkung aufgehoben.<br />
Damit wird das Verbot des Ausnützens vertraulicher<br />
Tatsachen auf praktisch alle kursrelevanten Tatsachen (einschliesslich<br />
Gewinnwarnungen) ausgedehnt. Die revidierte<br />
Vorschrift wurde per 1. Oktober 2008 in Kraft gesetzt11 .<br />
III. Anwendbare Regeln<br />
1. Für schweizerische Emittenten, deren Aktien an der SWX<br />
Europe Ltd. (früher virt-x, nachfolgend «SWX Europe»)<br />
gehandelt werden, sind die europäischen Offenlegungsregeln<br />
dann von Bedeutung, wenn diese Emittenten von der<br />
Ausnahmebestimmung gemäss Art. 9 Abs. 3 der MAD keinen<br />
Gebrauch machen können 12 . Alle am 1. Juli 2005 an der<br />
SWX kotierten und bereits zum Handel auf der SWX Europe<br />
zugelassenen Beteiligungsrechte wurden dem sog. EU-kompatiblen<br />
Segment der SWX zugewiesen, sofern der Emittent<br />
10 2004/72/EC, Einleitung, para. 7. Auch der SIX scheint dies ein<br />
Anliegen zu sein, wird doch am Monatsende pro meldepfl ichtige<br />
Person eine Meldung für diejenigen Transaktionen erwartet,<br />
die unterhalb des Schwellenwerts von CHF 100 000 getätigt<br />
wurden. Die entsprechenden Transaktionen, die den Schwellenwert<br />
von CHF 100 000 pro Kalendermonat nicht überschreiten,<br />
werden allerdings nicht veröffentlicht; siehe http://www.<br />
six-swiss-exchange.com/admission/being_public/management_transactions_de.html.<br />
11 AS 2008, 4501 f.<br />
12 Vgl. im Detail: Feller (FN 1) Rz. 1 ff. und Sulzer (FN 1),<br />
165 f.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
nicht eine besondere Erklärung abgab, ins UK Exchange Regulated<br />
Market Segment wechseln zu wollen13 . Die Mehrheit<br />
der Emittenten gab keine solche Erklärung ab und wurde daraufhin<br />
dem EU-kompatiblen Segment zugeteilt14 . Nach bereits<br />
früher dargelegter Auffassung dürfte eine nicht geringe<br />
Anzahl von Emittenten des EU-kompatiblen Segments den<br />
Normen des europäischen Offenlegungsrechts unterstehen15 und weil für die meisten Emittenten das Vereinigte Königreich<br />
der sog. «Home Member State» ist16 , werden nachstehend<br />
die diesbezüglichen Pfl ichten der Emittenten und ihrer<br />
Führungskräfte unter den anwendbaren Normen des Vereinigten<br />
Königreichs näher dargestellt.<br />
2. Die Umsetzung der MAD-Bestimmungen im Vereinigten<br />
Königreich erfolgte vorab in den Disclosure and Transparency<br />
Rules («DTR») der Financial Services Authority<br />
(«FSA») gestützt auf die Ermächtigung in Section 96A und<br />
96B der Financial Services and Markets Act («FSMA»).<br />
Das dritte Kapitel der DTR, zugleich das kürzeste, befasst<br />
sich ausschliesslich mit der Offenlegung von Management-<br />
Transaktionen und implementiert Art. 6 Abs. 4 der MAD17 .<br />
3. Vorab ist auf eine Besonderheit hinzuweisen: Art. 9 Abs. 3<br />
der MAD gewährt unter bestimmten Voraussetzungen eine<br />
Ausnahme von den an die Emittenten gerichteten Verpfl ichtungen<br />
wie die Offenlegung von «inside information» und<br />
das Führen von Insiderlisten. Die Ausnahmeklausel verweist<br />
in ihrem Wortlaut allerdings nur auf Artikel 6 Abs. 1 – Abs. 3<br />
der MAD, Art. 6 Abs. 4 der MAD wird nicht erwähnt. Dies<br />
wirft die Frage auf, ob die Verpfl ichtungen gemäss Art. 6<br />
Abs. 4 MAD (also die Offenlegung der Management-Transaktionen)<br />
nicht ohnehin anwendbar sind, unabhängig davon,<br />
ob ein Emittent für sich die Ausnahmebestimmung von Art. 9<br />
Abs. 3 MAD in Anspruch nehmen kann.<br />
4. Eine Analyse der einschlägigen Umsetzungsbestimmungen<br />
lässt aber den Schluss zu, dass auch die Offenlegung der<br />
Management-Transaktionen von der Ausnahmebestimmung<br />
erfasst wird. Die Anwendbarkeit des Kapitels 3 der DTR umfasst<br />
ausländische Unternehmen, für die das Vereinigte Königreich<br />
der Home Member State unter den Bestimmungen<br />
der EU Prospektrichtlinie ist18 . Der FSA Glossar defi niert<br />
einen «issuer» für die Zwecke von Kapitel 1–3 der DTR allerdings<br />
als einen Emittenten, dessen Aktien zum Handel<br />
auf einem geregelten Markt zugelassen sind oder der eine<br />
entsprechende Zulassung beantragt hat und schliesst damit<br />
Emittenten aus, welche dem Handel ihrer Aktien auf einem<br />
13 Art. 38 des Zusatzreglements für die Kotierung im EU-kompatiblen<br />
Segment der SWX.<br />
14 Siehe http://www.swx.com/admission/listing/equity_market/<br />
eu_compatible/issuer_list_de.html.<br />
15 Feller (FN 1), Rz. 19 ff.<br />
16 Art. 23 und Art. 30 Ziff. 2 des Zusatzreglements für die Kotierung<br />
im EU-kompatiblen Segment der SWX.<br />
17 Siehe http://fsahandbook.info/FSA/html/handbook/DTR/3/1.<br />
18 Siehe DTR 1.1.1(4) und dazu List! 11, Sept. 2005, 10.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 325 10.3.2009 9:12:19 Uhr<br />
325
326<br />
geregelten Markt weder verlangt noch ihm zugestimmt haben19<br />
. Diese analoge Formulierung, die möglicherweise Art. 9<br />
Abs. 3 MAD entlehnt ist, ermöglicht den Emittenten auch die<br />
Management-Transaktionen analog zu den Verpfl ichtungen<br />
im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizität bzw. der Führung<br />
von Insiderlisten zu behandeln. Es macht durchaus Sinn,<br />
dass Emittenten, welche keine Pfl icht trifft, «inside information»<br />
gemäss den Regeln der DTR offenzulegen, auch von<br />
der Mitteilungspfl icht von Management-Transaktionen ausgenommen<br />
sind. Solange sich Emittenten auf die Ausnahmebestimmung<br />
von Art. 9 Abs. 3 MAD berufen können, weil sie<br />
den Handel ihrer Aktien auf einem geregelten Markt weder<br />
verlangt noch ihm zugestimmt haben, spricht nichts dagegen,<br />
gestützt auf die Defi nition von «issuer» im Glossary dieselbe<br />
Ausnahme mit Bezug auf die Offenlegung von Management-<br />
Transaktionen in Anspruch zu nehmen20 .<br />
5. Durch DTR 3.1.8 wird der Anwendungsbereich des Kapitels<br />
3 auf Emittenten ausgeweitet, für welche das Vereinigte<br />
Königreich nicht der Home Member State ist21 . Entsprechend<br />
gilt die Offenlegungspfl icht von Management-Transaktionen<br />
im Vereinigten Königreich beispielsweise auch für die UBS<br />
<strong>AG</strong>, obwohl die UBS <strong>AG</strong> Deutschland als Home Member<br />
State gewählt hat.<br />
IV. Inhalt der Regeln<br />
A. Grundsätzliches<br />
1. DTR 3.1.3 verlangt, dass Führungskräfte und mit ihnen<br />
verbundene Personen alle Transaktionen in Aktien des Emittenten<br />
oder in Finanzinstrumenten, die die Aktien betreffen,<br />
innert vier Geschäftstagen dem Emittenten gegenüber zu<br />
melden haben. DTR 3.1.4 wiederum verlangt vom Emittenten<br />
diese Meldungen umgehend (spätestens aber am folgenden<br />
Geschäftstag nach Eintreffen der Meldung) via ein<br />
Regulatory Information Service 22 («RIS») der Öffentlichkeit<br />
zur Verfügung zu stellen. Nachfolgend werden die Einzelheiten<br />
dieser Regelung, insbesondere die angesprochenen<br />
Personen, der Handel «on own account», die Art der Transaktionen<br />
und das Verfahren der Offenlegung dargelegt.<br />
19 http://fsahandbook.info/FSA/glossary-html/handbook/Glossary/I?defi<br />
nition=G627; das gleiche ergibt sich auch aus der Defi -<br />
nition des PDMR im FSA Glossar. Die DTR Defi nition basiert<br />
auf der Ermächtigung in FSMA 96A(1)(c).<br />
20 Allerdings dürften nach hier vertretener Auffassung nur wenige<br />
Emittenten, deren Aktien im EU-kompatiblen Segment gehandelt<br />
werden, nach wie vor unter die Ausnahmebestimmung von<br />
Art. 9 Abs. 3 MAD fallen; vgl. vorne III.1.<br />
21 List! 11 Sept. 2005, 10 f.<br />
22 Derzeit gibt es acht verschiedene Provider, welche über die<br />
Zulassung der FSA verfügen, «regulatory information» zu verbreiten,<br />
vgl. http://www.fsa.gov.uk/pages/Doing/UKLA/RIS/<br />
Contact/index.shtml.<br />
Urs Feller<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
B. Betroffene Führungspersonen<br />
1. Zur Umschreibung der betroffenen Führungspersonen<br />
verwenden sowohl die MAD als auch die DTR den Begriff<br />
der «Persons Discharging Managerial Responsibilities»<br />
(«PDMR»). Art. 96B FSMA defi niert PDMR a) als Verwaltungsräte<br />
eines Emittenten und b) als jene hochrangigen<br />
Manager («senior executives»), die regelmässig Zugang zu<br />
«inside information» haben, die den Emittenten betrifft23 und<br />
die befugt sind, Managemententscheidungen zu treffen, die<br />
die zukünftige Entwicklung und die Geschäftsaussichten des<br />
Emittenten beeinfl ussen24 .<br />
2. Mit dieser umständlichen Defi nition soll sichergestellt<br />
werden, dass nur solche Topmanager unter die Offenlegungspfl<br />
icht fallen, deren Transaktionen für andere Investoren<br />
einen Informationswert haben. Es wird allerdings davon<br />
ausgegangen, dass (neben den Verwaltungsräten) zumindest<br />
diejenigen Führungskräfte, die in einem Executive Committee<br />
tätig sind, davon erfasst werden25 . Wer nur Informationen<br />
aufbereitet und analysiert fällt nicht unter den Begriff<br />
des PDMR, wenn er nicht selber an der Entscheidfi ndung<br />
des Emittenten beteiligt ist26 . Entsprechend dürfte der Legal<br />
Counsel nur selten ein PDMR sein27 . Ferner können auch<br />
Manager, die nicht Angestellte des Emittenten sondern einer<br />
anderen Gruppengesellschaft sind, als PDMR qualifi zieren,<br />
sofern die anderen Voraussetzungen erfüllt sind28 . Es obliegt<br />
dem Emittenten und den entsprechenden Führungskräften zu<br />
bestimmen, welche Führungspersonen im Unternehmen die<br />
Kriterien erfüllen und als PDMR qualifi zieren. Es gibt auch<br />
keine Maximalzahl an PDMR, sondern die Anzahl PDMR<br />
bestimmt sich je nach Unternehmen unterschiedlich29 .<br />
Selbstverständlich ist, dass jeder PDMR auf den einschlägigen<br />
Insiderlisten erscheint30 .<br />
C. Verbundene Personen<br />
1. Die Offenlegungspfl icht betrifft nicht nur PDMR, sondern<br />
auch mit ihnen verbundene Personen (sog. «connected persons»).<br />
23 Mit dieser Einschränkung werden Manager von Investmentabteilungen<br />
der Banken von der Defi nition ausgenommen, die<br />
durch ihre Arbeit regelmässig Zugang zu «inside information»<br />
haben, die aber in der Regel andere Emittenten betreffen und<br />
nicht die Bank, für die sie arbeiten.<br />
24 Die entsprechende Defi nition fi ndet sich auch im Glossary der<br />
FSA unter dem Stichwort «person discharging managerial responsibilities»:http://fsahandbook.info/FSA/glossary-html/handbook/Glossary/P?defi<br />
nition=G1689.<br />
25 Market Watch, Issue 12, June 2005, 8.<br />
26 List! 16, July 2007, 15.<br />
27 List! 16, July 2007, 15.<br />
28 Market Watch, Issue 12, June 2005, 9.<br />
29 List! 16, July 2007, 16.<br />
30 Marsh/McDonnell (FN 8), 93. Betreffend die Führung von<br />
Insiderlisten wird auf die umfassende Darstellung von Stefan<br />
R. Sulzer (FN 1), 153 ff. verwiesen.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 326 10.3.2009 9:12:19 Uhr
Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld<br />
2. Art. 96B (2) FSMA bezeichnet hiefür drei Gruppen von<br />
Personen:<br />
2.1. Zunächst wird auf die Defi nition in sec. 346 des<br />
Companies Act 1985 verwiesen, wonach folgende Personen<br />
als mit dem PDMR verbunden erachtet werden: der Ehepartner31<br />
, Kinder32 und Stiefkinder unter 18 Jahren33 , Gesellschaften,<br />
bei denen PDMR oder dessen Ehepartner, Kind<br />
oder Stiefkind 20 % des Aktienkapitals beherrschen34 , und<br />
Trustees von Trusts, in welchen PDMR oder dessen Ehepartner,<br />
Kind oder Stiefkind Begünstigte oder potentiell Begünstigte<br />
sind35 .<br />
2.2. Zweitens fallen unter die Gruppe der verbundenen<br />
Personen auch Verwandte von PDMR, die zum Zeitpunkt der<br />
Transaktion seit mindestens 12 Monaten mit dem PDMR im<br />
gleichen Haushalt wohnen36 .<br />
2.3. Schliesslich werden auch Gesellschaften vom Begriff<br />
der verbundenen Person erfasst, in welchen ein PDMR oder<br />
eine mit dem PDMR verbundene Person (gemäss den vorstehenden<br />
ersten beiden Personengruppen), Verwaltungsrat ist<br />
oder eine Managementposition innehat, die es ihm erlaubt,<br />
Managemententscheidungen zu treffen, welche die zukünftige<br />
Entwicklung und die Geschäftsaussichten der Gesellschaft<br />
beeinfl ussen37 .<br />
3. Nachdem die Offenlegungspfl icht auch eine persönliche<br />
Pfl icht der verbundenen Personen (mit entsprechenden<br />
Sanktionsmöglichkeiten) ist, erscheint eine Information der<br />
betreffenden Personen über ihre Pfl ichten als dringend angezeigt.<br />
Diese Information kann durch den PDMR oder den<br />
Emittenten vorgenommen werden.<br />
31 Einschliesslich des Partners gemäss dem Civil Partnership Act<br />
2004. Nicht geklärt ist, wie eingetragene Partner aus anderen<br />
Jurisdiktionen behandelt würden. Meines Erachtens sprechen<br />
gute Gründe für die Annahme, dass beispielsweise eine eingetragene<br />
Partnerschaft nach Schweizer Recht unter den Anwendungsbereich<br />
von DTR 3 fällt.<br />
32 Das britische Parlament hat auch illegitime Kinder ausdrücklich<br />
eingeschlossen, Companies Act 1985 section 346 para. 3(a).<br />
33 Diskutiert wurde, ob die erweiterte Defi nition von «connected<br />
person» aus dem neuen Companies Act 2006, welche auch Kinder<br />
über 18 Jahre und Eltern, Geschwister, etc. umfasst, auch<br />
für DTR 3 gelte. Die Defi nition der FSA verwies 2007 kurzfristig<br />
auf den neuen Companies Act 2006, wechselte dann aber<br />
wieder zurück zur engeren Defi nition gemäss Companies Act<br />
1985. Siehe auch FSMA section 96B. Entsprechend zu verstehen<br />
sind die Ausführungen von Stephen Mathews betreffend<br />
dem Companies Act 2006 in Stephen Mathews, Continuing<br />
Obligations, in: Maurice Button (ed.), A Practitioner’s Guide to<br />
The Financial Services Authority Listing Regime 2008/2009,<br />
London 2008, 196.<br />
34 Für die zahlreichen Details siehe Companies Act 1985 section<br />
346.<br />
35 Ob und inwieweit diese Regeln im Zusammenhang mit den Anwartschaften<br />
von PDMR gegenüber Stiftungen der berufl ichen<br />
Vorsorge beachtlich sein können, wird in D.2. dargelegt.<br />
36 Art. 96B (2) FSMA.<br />
37 Art. 96B (2) FSMA.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
D. On Own Account<br />
1. Der Meldepfl icht unterliegen lediglich Transaktionen, die<br />
«on own account» gemacht werden. Gemäss der Auffassung<br />
der FSA erfolgt eine Transaktion «on own account», wenn sie<br />
das Ergebnis einer Handlung des PDMR ist (z.B. in dessen<br />
Auftrag) oder anderweitig mit seiner Zustimmung erfolgte,<br />
wenn die Vorteile der Transaktion hauptsächlich beim PDMR<br />
anfallen und diese eine wesentliche Auswirkung auf die Beteiligung<br />
des PDMR am Emittenten hat38 . Nach Auffassung<br />
der FSA gibt es allerdings keine abschliessende Defi nition<br />
des Begriffs «on own account», weshalb bei jeder Transaktion<br />
zu überprüfen ist, ob die Qualifi kation erfüllt ist39 .<br />
2. Für den Fall von Transaktionen mit vorsorgerechtlichem<br />
Hintergrund, etwa im Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligungsplänen<br />
(scheme administered by an «employee benefi<br />
t trust») gilt, dass Transaktionen eines solchen Trusts dann<br />
nicht offenzulegen sind, wenn der Trust für alle Berechtigten<br />
handelt40 . Anders wäre zu entscheiden, wenn Transaktionen<br />
auf einen Auftrag eines PDMR zurückgeführt werden können<br />
– beispielsweise der Verkauf von Aktien beim Austritt<br />
der Führungskraft aus dem Mitarbeiterbeteiligungsplan41 .<br />
3. An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Begriff der «wesentlichen<br />
Auswirkung» (material impact) nicht dazu verwendet<br />
werden kann, kleinere Transaktionen, beispielsweise den<br />
Kauf einer einzigen Aktie, von der Meldepfl icht auszunehmen42<br />
. Das Merkmal der «wesentlichen Auswirkung» dürfte<br />
vielmehr lediglich bei komplexen Geschäften wie der Beurteilung<br />
von Mitarbeiterbeteiligungsplänen herangezogen werden,<br />
bei welchen eine Vielzahl von Begünstigten es schwierig<br />
macht zu bestimmen, ob die Transaktion noch einem oder<br />
mehreren PDMR zugeordnet werden kann oder nicht.<br />
E. Transaktionen<br />
1. Der Begriff der Transaktion ist in DTR 3 nicht näher umschrieben.<br />
Sowohl die EU (CESR) als auch die FSA scheinen<br />
auf eine Defi nition darauf verzichtet zu haben. Allerdings<br />
hält DTR 3.1.2 fest, dass alle Geschäfte erfasst werden,<br />
welche «shares of the issuer, derivatives or other fi nancial<br />
instruments relating to those shares» betreffen. Diese Formulierung<br />
macht hinreichend klar, dass der Anwendungsbereich<br />
weit gesteckt ist. Darunter fallen neben Aktienkäufen<br />
und -verkäufen auch der Handel mit Differenzgeschäften<br />
wie den im Vereinigten Königreich sehr populären Contracts<br />
for Difference oder spread bets 43 , weiter alle Derivative, die<br />
38 List! 11, Sept. 2005, 11.<br />
39 List! 11, Sept. 2005, 11.<br />
40 Marsh/McDonnell (FN 8), 95.<br />
41 Marsh/McDonnell (FN 8), 95; List! 11, Sept. 2005, 11.<br />
42 Es sind ausnahmslos alle Transaktionen mitzuteilen, vgl. nachstehend<br />
E.9.<br />
43 List! 11, Sept. 2005, 11.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 327 10.3.2009 9:12:20 Uhr<br />
327
328<br />
sich auf die Aktie beziehen (z.B. Optionen, Swaps, Futures<br />
und Forwards). Zusätzlich dürften auch Positionen in Anleihen<br />
mit einem convertible-Element darunterfallen, weil auch<br />
diesbezüglich die Verbindung zu den Aktien des Emittenten<br />
hinreichend eng erscheint44 .<br />
2. Bei Index- und Basketprodukten kann aufgrund der relativen<br />
Gewichtung des einzelnen Titels recht einfach ausgerechnet<br />
werden, in welchem Umfang die Transaktion Aktien<br />
des Emittenten betrifft. Es besteht Grund zur Annahme, dass<br />
auch Transaktionen mit Index- und Basketprodukten unter<br />
besonderen Umständen ebenfalls meldepfl ichtig werden<br />
können. So wäre es ein Leichtes, ein Indexprodukt «short»<br />
zu verkaufen und gleichzeitig alle im Index enthaltenen Titel<br />
ausser der Aktie des Emittenten zu kaufen. Ökonomisch<br />
würde dieses Arrangement auf den Verkauf nur gerade der<br />
Aktien des Emittenten hinauslaufen. Die FSA hat sich soweit<br />
ersichtlich noch nie zu dieser Problematik im Zusammenhang<br />
mit DTR 3 geäussert. Allerdings ist darauf hinzuweisen,<br />
dass das analoge Problem beim gegenwärtigen<br />
Verbot des short selling von Finanztiteln im dargelegten<br />
Sinne beurteilt wurde45 . Wird also ein Index- oder Basketprodukt<br />
praktisch zur Umgehung der Meldepfl icht benutzt,<br />
ist diese trotzdem anwendbar. Als sehr weitgehend erschiene<br />
demgegenüber Index- oder Basketkäufe, die nicht der Umgehung<br />
dienen, ebenfalls vollumfänglich der Meldepfl icht zu<br />
unterstellen.<br />
3. Mit dem Begriff der «weiteren Finanzinstrumente» wird<br />
gemäss dem FSA Glossar beabsichtigt sicherzustellen, dass<br />
nichts durch die engen Maschen fällt.<br />
4. Im Vereinigten Königreich ist der Begriff der Transaktion<br />
zudem vor dem Hintergrund des Model Code46 zu betrachten.<br />
Der Model Code gilt für Emittenten, die ein Primärlisting ihrer<br />
Aktien im Vereinigten Königreich haben. Auf Schweizer<br />
Emittenten, deren Aktien nur an der SWX kotiert sind, ist der<br />
Model Code somit nicht anwendbar. Im Gegensatz zu DTR 3<br />
beinhaltet der Model Code keine Offenlegungspfl icht, sondern<br />
Handelsverbote zu gewissen Zeiten sowie ein umfassendes<br />
Zustimmungssystem. In der Quintessenz schreibt<br />
der Model Code vor, dass PDMR vor einem «dealing» die<br />
Zustimmung einer übergeordneten Instanz einholen müssen.<br />
Zusätzlich ist ein «dealing» vor der Bekanntgabe von gewissen<br />
Finanzzahlen sowie immer dann verboten, wenn das Unternehmen<br />
über inside information verfügt.<br />
5. Im Gegensatz zu DTR 3 verwendet der Model Code nicht<br />
den Begriff der Transaktion sondern spricht von «dealing».<br />
44 Vgl. dazu E.10.<br />
45 Siehe Frage 15 der FSA FAQ Version 2 zum Short Selling<br />
(No. 5) Instrument 2009 vom 19. Januar 2009; http://www.fsa.<br />
gov.uk/pubs/other/Short_selling_FAQs_V2.pdf.<br />
46 Der Model Code fi ndet sich in Annex 1 von Kapitel 9 der Listing<br />
Rules: http://fsahandbook.info/FSA/html/handbook/LR/9/<br />
Annex1.<br />
Urs Feller<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Zudem wird genau aufgezählt, welche Handlungen unter<br />
den Begriff des «dealings» fallen. Von «dealing» wird nicht<br />
nur das Verfügungs-, sondern bereits das Verpfl ichtungsgeschäft<br />
erfasst. Zusätzlich umfasst der Begriff auch stock<br />
lending agreements47 . Zu beachten ist auch der Umgang mit<br />
dem Stellen von Sicherheiten. Gemäss Model Code gilt als<br />
«dealing», wenn ein PDMR Aktien als Sicherheiten stellt,<br />
da dadurch ökonomisch gesehen Wert aus den Aktien herausgenommen<br />
wird48 . Dies liegt auf der Hand, wenn die Aktien<br />
die einzige Sicherheit bilden, die einer Kredit gewährenden<br />
Bank zur Verfügung stehen. Falls neben den Aktien<br />
der PDMR auch persönlich haftet (was häufi g der Fall sein<br />
dürfte), ist der Zusammenhang mit einem «normalen» Aktienverkauf<br />
allerdings deutlich schwächer.<br />
6. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken<br />
wird regelmässig vorgesehen, dass die Bank bei Nichtbezahlung<br />
von Gebühren etc. auf das Depot zurückgreifen kann.<br />
Diese Konstellation allein dürfte kaum als Stellen einer Sicherheit<br />
im Sinne des Model Code qualifi zieren. Dies gilt<br />
umso mehr, solange der PDMR liquide ist. Es wäre auch<br />
schwierig darzulegen, in welchem Umfang der PDMR gehandelt<br />
hat. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der PDMR<br />
speziell für die Absicherung eines Kredites ein Aktienpaket<br />
an eine Bank überträgt. In diesem Fall liegt ein «dealing» im<br />
Sinne des Model Code vor und die Wahrscheinlichkeit, dass<br />
dies auch als Transaktion gemäss DTR 3 qualifi ziert würde,<br />
ist nicht gering49 .<br />
7. Nunmehr erklärte die FSA – unter Hinweis auf den Model<br />
Code – in einer Pressemitteilung vom 9. Januar 2009, dass<br />
Verpfändungen («pledge, mortgage or charge») von Aktien<br />
des Emittenten durch PDMR in gleicher Weise der Offenlegung<br />
unterstehen wie der Handel mit Aktien50 . Zugleich<br />
wurde auf eine Frist bis zum 23. Januar 2009 hingewiesen,<br />
innert welcher allfällige Verpfändungen aus der Vergangenheit<br />
nachzumelden waren.<br />
8. Ein weiteres Abgrenzungsproblem zwischen DTR 3 und<br />
Model Code zeigt sich bei denjenigen Transaktionen, die<br />
47 Model Code 1(c)(iv).<br />
48 Model Code 1(c)(v).<br />
49 Siehe diesbezüglich beispielsweise die Offenlegungsmeldung<br />
durch die FTSE 250 Gesellschaft Carphone Warehouse vom<br />
8. Dezember 2008, die zum Rücktritt eines Verwaltungsrates<br />
führte, da er die Verpfändung seiner Aktien nicht offengelegt<br />
hatte: http://www.investegate.co.uk/Article.aspx?id=200812080<br />
700106904J und die anschliessende Pressekommentierung beispielsweise<br />
durch die Financial Times: http://www.ft.com/cms/<br />
s/0/ccc678d8-c4f9-11dd-b516-000077b07658.html?nclick_<br />
check=1.<br />
50 http://www.fsa.gov.uk/pages/Doing/UKLA/company/disclosure/index.shtml,<br />
sowie http://www.fsa.gov.uk/pages/Library/Communication/PR/2009/005.shtml.<br />
Dies im Gegensatz zur<br />
Regelung in der Schweiz, wonach die Verpfändung von der Meldepfl<br />
icht ausdrücklich ausgeschlossen ist; vgl. Rz 17 der Richtlinie<br />
betreffend Offenlegung von Management-Transaktionen;<br />
RLMT.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 328 10.3.2009 9:12:20 Uhr
Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld<br />
gemäss Model Code kein «dealing» darstellen, indessen<br />
gemäss DTR 3 meldepfl ichtig sind, wie dies beispielsweise<br />
beim Kauf von Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung der<br />
Fall ist51 . Aufgrund der unterschiedlichen Natur der Regelwerke<br />
(Model Code verbietet gewisse Transaktionen, DTR 3<br />
verlangt nur deren Offenlegung), ist der Model Code nicht<br />
einschlägig und somit der Kauf von Aktien im Rahmen einer<br />
Kapitalerhöhung gemäss DTR 3 offenzulegen.<br />
9. Im Vereinigten Königreich wurde darauf verzichtet,<br />
Kleinsttransaktionen von der Meldepfl icht auszunehmen.<br />
Gemäss Art. 6 Abs. 1 der MAD implementierenden Richtlinie52<br />
sind Mitgliedstaaten berechtigt, Transaktionen unter<br />
EUR 5000 von der Meldepfl icht auszunehmen. Eine entsprechende<br />
Einschränkung ist nicht erfolgt, damit sind auch minimale<br />
Transaktionen offenzulegen.<br />
10. Welche Transaktionen sind von einer Offenlegungspfl icht<br />
ausgenommen? Dazu gehört beispielsweise der Kauf oder<br />
Verkauf einer Schuldverschreibung des Emittenten53 . Ebenfalls<br />
ausserhalb des Anwendungsbereich von DTR 3 sind<br />
Transaktionen mit Credit Default Swaps (CDS) 54 .<br />
F. Details zum Inhalt und zum Verfahren<br />
der Offenlegung<br />
1. Art. 6(3) der die MAD implementierenden Richtlinie55 umfasst eine abschliessende Liste der Informationen, welche<br />
an den Emittenten zu melden sind. Diese Liste wurde in<br />
DTR 3.1.3 direkt übernommen. Sie umfasst<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
den Namen des PDMR bzw. der mit ihm verbundenen<br />
Person,<br />
den Grund für die Offenlegungspfl icht,<br />
den Namen des Emittenten,<br />
eine Beschreibung des Finanzinstruments,<br />
die Natur der Transaktion (z.B. Kauf oder Verkauf),<br />
Ort und Zeit der Transaktion, sowie<br />
Preis und Volumen der Transaktion.<br />
51 Model Code 2(a).<br />
52 2004/72/EC.<br />
53 Ausser es handelt sich um einen Convertible. Der Hinweis auf<br />
«Debentures» im Meldeformular der FSA dürfte in diesem<br />
Sinne verstanden werden (zum Formular siehe unten mehr), da<br />
gewöhnliche Unternehmensanleihen nicht mit den Aktien des<br />
Emittenten verbunden sind, was gemäss DTR 3.1.2 eine Voraussetzung<br />
der Offenlegungspfl icht ist.<br />
54 Diese Instrumente spiegeln das Konkursrisiko eines Emittenten<br />
wieder und eignen sich sehr gut, sich gegen den Ausfall eines<br />
Emittenten abzusichern. Handelt ein PDMR kurz vor dem Konkurs<br />
des Emittenten mit CDS, so dürften aber die Verbote des Insiderhandels<br />
und des Marktmissbrauchs gemäss sec. 118 FSMA<br />
in Frage stehen, obwohl diese Instrumente m.E. ausserhalb der<br />
Offenlegungspfl icht liegen (siehe Market Watch Issue No. 30,<br />
13).<br />
55 2004/72/EC.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
2. Die Transaktion ist seitens der betreffenden Personen innerhalb<br />
von vier Werktagen dem Emittenten zu melden56 .<br />
Der Emittent muss unverzüglich, spätestens aber bis zum<br />
Ende des darauffolgenden Werktages die Transaktion via ein<br />
Regulatory Information Service (RIS) veröffentlichen57 . Damit<br />
ist den Anforderungen der die MAD implementierenden<br />
Richtlinie (worin eine Meldung innert fünf Tagen verlangt<br />
wird) Genüge getan58 . Die FSA hat ein Meldeformular59 veröffentlicht,<br />
welches für die Meldungen der Emittenten gebraucht<br />
werden kann, aber nicht gebraucht werden muss60 .<br />
Die Veröffentlichung des Emittenten hat zudem die Information<br />
zu enthalten, wann der Emittent über die Transaktion<br />
informiert wurde61 .<br />
3. Schliesslich ist noch darauf hinzuweisen, dass der zusätzliche<br />
Meldetatbestand, der in DTR 3.1.4(1)(c) erwähnt wird<br />
(Offenlegung der gehaltenen Aktien gemäss sec. 793 Companies<br />
Act 2006), auf Schweizer Emittenten nicht anwendbar<br />
ist. Im Meldeformular für die Emittenten ist bereits vorgesehen,<br />
dass nicht in jedem Fall auch eine Meldung gemäss<br />
Companies Act zu erfolgen hat.<br />
V. Durchsetzung der Regeln im<br />
Vereinigten Königreich<br />
1. Die FSA ist zuständig für die Einhaltung einer Vielzahl<br />
unterschiedlicher Regeln mit unterschiedlichem Wichtigkeitsgrad.<br />
Eine Durchsicht der publizierten Urteile der FSA<br />
bzw. der zuständigen gerichtlichen Organe zeigt, dass DTR 3<br />
nicht im Zentrum der Vollstreckungsbemühungen zu liegen<br />
scheint. Vielmehr liegt der Fokus auf der Durchsetzung des<br />
Verbots des Insiderhandels und des Marktmissbrauchs.<br />
2. Die Offenlegungsregeln von DTR 3 erscheinen daher in<br />
einem gewissen Mass subsidiär zu anderen Regeln. Die FSA<br />
dürfte nur dort wirklich interessiert sein, Verletzungen von<br />
DTR 3 zu verfolgen, wo zugleich starke Hinweise auf Insiderhandel<br />
vorliegen bzw. eine Ad-hoc-Meldung nicht rechtzeitig<br />
abgesetzt wurde. Dies mag damit zu tun haben, dass<br />
Emittenten nicht selten gesellschaftsinterne Sanktionen für<br />
Verstösse im Zusammenhang mit DTR 3 vorsehen und sich<br />
die FSA damit auf grobe Verletzungen konzentrieren kann. 62<br />
3. Beachtenswert bleibt jedenfalls, dass die möglichen Konsequenzen<br />
einer Nichtbeachtung von DTR 3 beträchtlich<br />
56 DTR 3.1.2.<br />
57 DTR 3.1.4 (2).<br />
58 Siehe Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2004/72/EC.<br />
59 http://www.fsa.gov.uk/pubs/forms/DR_responsibility.pdf.<br />
60 DTR 3.1.7.<br />
61 DTR 3.1.5.<br />
62 Vgl. FN 49 betreffend den Rücktritt von David Ross aus dem<br />
Verwaltungsrat von Carphone Warehouse vom 8. Dezember<br />
2008 als Folge einer unterbliebenen Offenlegung.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 329 10.3.2009 9:12:20 Uhr<br />
329
330<br />
sind. Zunächst fällt auf, dass im Gegensatz zur Regelung<br />
in der Schweiz nicht nur der Emittent selber, sondern auch<br />
die entsprechenden Führungspersonen (und auch die mit ihr<br />
verbundenen Personen) persönlich zur Rechenschaft gezogen<br />
werden können 63 . Dabei sind im Extremfall Bussen in<br />
unlimitierter Höhe vorgesehen. Wegen der Nähe der DTR 3<br />
zu den Tatbeständen des Insiderdealings ist neben einer allfälligen<br />
Busse auch immer ein möglicher Reputationsverlust<br />
zu beachten – der sowohl für den Emittenten als auch für die<br />
entsprechende Führungsperson mit nicht geringen Nachteilen<br />
verbunden sein kann.<br />
63 DTR 1.5.3.G und FSMA sec. 91.<br />
Urs Feller<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Différents émetteurs SMI ou SLI, dont les actions sont négociées<br />
sur SWX Europe, sont soumis aux règles européennes<br />
relatives à la publicité. La directive sur les abus de marché<br />
(«MAD») et sa mise en œuvre dans le Royaume-Uni sont déterminantes,<br />
presque tous les émetteurs ayant ce pays comme<br />
Etat membre d’origine (Home Member State). Le présent<br />
article expose les règles en vigueur au Royaume-Uni, ayant<br />
en vue que la SIX transfèrera le négoce des titres SMI et SLI<br />
à la mi-2009 de Londres à Zurich. Les normes européennes<br />
sont incontestablement plus complètes; elles s’appliquent,<br />
par exemple, aussi au négoce d’instruments dérivés et elles<br />
ne connaissent pas de franchise de CHF 100 000 par mois à<br />
l’inverse de la Suisse.<br />
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 330 10.3.2009 9:12:21 Uhr
FRANCO LORANDI<br />
Prof. Dr. iur., LL.M., Lehrbeauftragter<br />
an der Universität<br />
St. Gallen, Rechtsanwalt,<br />
Zürich<br />
Inhaltsübersicht<br />
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />
MICHAEL ERISMANN<br />
MLaw, Muri bei Bern<br />
I. Einleitung<br />
II. Zustandekommen des Nachlassvertrages im Konkurs<br />
A. Antragsrecht<br />
B. Gläubigerversammlung<br />
1. Einberufung<br />
2. Aufgaben der Konkursverwaltung<br />
3. Teilnahmeberechtigung<br />
4. Wahlen und Wahlberechtigung<br />
5. Zustimmung zum Nachlassvertrag<br />
6. Antrag der Konkursverwaltung an den Nachlassrichter<br />
C. Einstellung der Verwertung<br />
D. Bestätigungsverhandlung und Entscheid des Nachlassrichters<br />
(Homologation)<br />
1. Zustimmung der Gläubiger<br />
a. Quoren<br />
b. Berechnung der Quoren<br />
2. Hinlängliche Sicherstellung<br />
a. Beim ordentlichen Nachlassvertrag<br />
b. Beim Liquidationsvergleich<br />
III. Folgen bei Bestätigung des Nachlassvertrages<br />
A. Widerruf des Konkurses<br />
B. Folgen beim ordentlichen Nachlassvertrag<br />
1. Folgen für das Konkursverfahren<br />
2. Dividendenberechtigung<br />
3. Bedeutung des Kollokationsplans<br />
4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss Art. 260 SchKG<br />
und gestützt darauf ein geleitete Prozesse<br />
5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse<br />
C. Folgen beim Liquidationsvergleich<br />
1. Folgen für das Konkursverfahren/ Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens<br />
2. Bedeutung des Kollokationsplans/<br />
Dividendenberechtigung<br />
3. Schicksal hängiger Kollokationsprozesse<br />
4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss Art. 260 SchKG<br />
und gestützt darauf ein geleitete Prozesse<br />
5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse<br />
I. Einleitung<br />
Das Gesetz regelt den Nachlassvertrag im Konkurs nur partiell<br />
1 . Viele Fragen bei der praktischen Handhabung bleiben<br />
daher offen. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, welche<br />
Normen gelten und wo besondere Regeln Platz greifen müssen.<br />
Dabei ist zuweilen zu unterscheiden, ob ein ordentlicher<br />
Nachlassvertrag 2 oder ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />
3 in Frage steht.<br />
II. Zustandekommen des Nachlassvertrages<br />
im Konkurs<br />
A. Antragsrecht<br />
Legitimiert, während eines Konkursverfahrens einen Nachlassvertrag<br />
vorzuschlagen, ist nach dem Wortlaut des Gesetzes<br />
einzig der Schuldner 4 . Dies ist auf ein gesetzgeberisches<br />
Versehen zurückzuführen 5 . Das Antragsrecht ist<br />
deshalb – analog dem Nachlassverfahren ausser Konkurs 6 –<br />
auch jedem Gläubiger zuzugestehen, der ein Konkursbegehren<br />
stellen kann 7 .<br />
Der Schuldner bzw. der antragsberechtigte Gläubiger<br />
hat einen Nachlassvertrag auszuarbeiten 8 . Dabei genügt der<br />
1 Art. 238 Abs. 2, Art. 252 Abs. 2, Art. 332 SchKG.<br />
2 Art. 314 ff. SchKG.<br />
3 Art. 317 ff. SchKG. Soweit eine Kombination von Dividendenvergleich<br />
und Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung abgeschlossen<br />
wird, gelten in aller Regel die Bestimmungen über<br />
den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung.<br />
4 Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.<br />
5 Daniel Hunkeler, Das Nachlassverfahren nach revidiertem<br />
SchKG, Diss. Freiburg 1996, Rz. 182.<br />
6 Art. 293 Abs. 2 SchKG.<br />
7 Hunkeler (FN 5), Rz. 184; Alain Winkelmann/Laurent<br />
Lévy/Yvan Jeanneret/Olivier Merkt/Francesca Birchler,<br />
in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin<br />
(Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung<br />
und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 332 SchKG N 6;<br />
Karl Wüthrich/Fritz Rothenbühler, in: Daniel Hunkeler<br />
(Hrsg.), Kurzkommentar zum Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz,<br />
Basel 2008, Art. 332 SchKG N 9; BlSchK 2008,<br />
153.<br />
Die Expertengruppe Nachlassverfahren schlägt deshalb vor,<br />
den Gesetzestext entsprechend zu ändern, vgl. Art. 332 Abs. 1<br />
VE-SchKG; Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes<br />
(SchKG): Sanierungsverfahren, Bericht und Vorentwurf<br />
der Expertengruppe Nachlassverfahren vom Juni 2008, 18, 31.<br />
8 Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 331 10.3.2009 9:12:21 Uhr<br />
331
332<br />
blosse Entwurf. Dieser muss ernsthaft erscheinen 9 , d.h. er<br />
darf nicht von vornherein aussichtslos sein.<br />
Zusätzliche Unterlagen (wie etwa Bilanz, Erfolgsrechnung<br />
oder ähnliche Unterlagen 10 ) oder die Unterschrift der<br />
Gläubigermehrheit sind nicht erforderlich 11 . Es steht dem<br />
Antragsteller aber frei, in einer kurzen Stellungnahme aus<br />
seiner Sicht darzulegen, weshalb der Nachlassvertrag für die<br />
Gläubiger Sinn macht. Der Entwurf des Nachlassvertrages<br />
wird der Konkursverwaltung eingereicht 12 , welche die Funktion<br />
des Sachwalters übernimmt 13 . Diese begutachtet den<br />
Entwurf 14 und verfasst eine Beurteilung.<br />
Das Antragsrecht besteht während der ganzen Dauer<br />
des Konkursverfahrens bis zu dessen Schluss 15 , solange die<br />
Schlussverteilung noch nicht statt gefunden hat 16 . Ein Antrag<br />
kann insbesondere auch dann noch gestellt werden, wenn<br />
schon alle Aktiven verwertet sind 17 . Wie alle sonstigen Handlungen<br />
im Rahmen eines SchKG-Verfahrens steht auch das<br />
Recht, einen Nachlassvertrag im Konkurs vorzuschlagen,<br />
unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs. Ein solcher<br />
kann vorliegen, wenn es dem Schuldner einzig darum geht,<br />
das laufende Konkursverfahren in die Länge zu ziehen 18 .<br />
9 Pierre-Robert Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur<br />
la poursuite pour dettes et la faillite, Lausanne 2001, Art. 332<br />
SchKG N 10; BGE 48 III 136.<br />
10 Vgl. Art. 293 Abs. 1 SchKG.<br />
11 Carl Jaeger, Das Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung<br />
und Konkurs, 3. A., Zürich 1911, Art. 317 SchKG N 2; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler<br />
(FN 7), Art. 332<br />
SchKG N 9 und N 14; Carl Jaeger/Hans Ulrich Walder/<br />
Thomas M. Kull/Martin Kottmann, Bundesgesetz über<br />
Schuldbetreibung und Konkurs, 4. A., Zürich 1997, Art. 332<br />
SchKG N 9 und N 11; BGE 78 III 18; BlSchK 2008, 153; a.M.<br />
BGE 38 I 323, welcher zum alten Wortlaut von Art. 293 SchKG<br />
erging.<br />
12 Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.<br />
13 Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG.<br />
14 Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.<br />
15 Art. 332 Abs. 3 i.V.m. Art. 195 Abs. 2 SchKG; Hans Glarner,<br />
Das Nachlassvertragsrecht nach schweizerischem SchKG, Diss.<br />
Zürich 1967, 37.<br />
16 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 5; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann<br />
(FN 11), Art. 332 SchKG N 10; Wüthrich/Rothenbühler<br />
(FN 7), Art. 332 SchKG N 4; a.M. Urteil des Obergerichts des<br />
Kantons Thurgau vom 28. November 2005, RBOG 2005, 192<br />
(= BlSchK 2008, 152 ff.), welches – ungeachtet der bereits abgeschlossenen<br />
Verteilung – einen Nachlassvertrag auch nach<br />
Schluss des Konkursverfahrens noch zulassen will, solange der<br />
Entscheid des Konkursgerichts noch nicht rechtskräftig ist.<br />
17 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 2; Winkelmann/Lévy/<br />
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 5;<br />
Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG<br />
N 10.<br />
18 Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 10.<br />
Franco Lorandi/Michael Erismann<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
B. Gläubigerversammlung<br />
1. Einberufung<br />
Die Verhandlung über den Nachlassvertrag fi ndet frühestens<br />
in der zweiten Gläubigerversammlung statt 19 . In diesem<br />
Zeitpunkt ist der Kollokationsplan zwar noch nicht zwingend<br />
rechtskräftig. Er ist aber zumindest aufgelegt, womit<br />
eine gewisse Klarheit über die Passiven des Konkursiten<br />
besteht. Dies ist von Bedeutung, weil der Kollokationsplan<br />
die Grundlage für Teile des Bestätigungs- und Nachlassverfahrens<br />
bildet 20 . Da auch das Inventar in diesem Zeitpunkt<br />
erstellt ist, besteht ebenso Klarheit über einen Grossteil der<br />
Aktiven 21 .<br />
Hat im ordentlichen Konkursverfahren die zweite Gläubigerversammlung<br />
schon stattgefunden, ist eine dritte einzuberufen<br />
22 . Diesfalls hat der Schuldner für die Kosten der<br />
Gläubigerversammlung einen Vorschuss zu leisten 23 . Beantragt<br />
ein Gläubiger einen Nachlassvertrag im Konkurs, so hat<br />
dieser auch den Kostenvorschuss zu leisten 24 .<br />
Im summarischen Konkursverfahren fi nden in der Regel<br />
keine Gläubigerversammlungen statt 25 . Wenn jedoch ein<br />
Nachlassvertrag vorgeschlagen wird, liegen die vom Gesetz<br />
geforderten besonderen Umstände 26 vor. Die Konkursverwaltung<br />
hat deshalb ausnahmsweise eine Gläubigerversammlung<br />
einzuberufen 27 . Der Gemeinschuldner bzw. der<br />
19 Art. 332 Abs. 1 Satz 2 SchKG.<br />
20 Vgl. II.D.1.b. (Zustimmungsquoren), II.D.2.b.aa. (Sicherstellung),<br />
III.C.2. (Dividendenberechtigung).<br />
21 Vgl. Pierre-Robert Gilliéron, Poursuite pour dettes, faillite<br />
et concordat, 4. A., Basel 2005, N 3173.<br />
22 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Ernst Blumenstein,<br />
Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes,<br />
Bern 1911, 724, 895; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/<br />
Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 11; Dominique Junod<br />
Moser/Louis Gaillard, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/<br />
Nicolas Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de<br />
la Loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que<br />
des articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international<br />
privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 332 SchKG<br />
N 15; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />
N 13; BlSchK 2008, 154; BGE 48 III 136.<br />
23 Glarner (FN 15), 37; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/<br />
Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 11; Urs Bürgi, in: Adrian<br />
Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar<br />
zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/<br />
Genf/München 1998, Art. 252 SchKG N 14; Gilliéron (FN 9),<br />
Art. 332 SchKG N 10, N 17; BGE 78 III 18, 48 III 135 f.<br />
24 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 11.<br />
25 Art. 231 Abs. 3 Ziff. 1 SchKG.<br />
26 Art. 231 Abs. 3 Ziff. 1 SchKG.<br />
27 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 10; Urs Lustenberger, in: Adrian Staehelin/Thomas<br />
Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum<br />
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/<br />
München 1998, Art. 231 SchKG N 32.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 332 10.3.2009 9:12:21 Uhr
antragstellende Gläubiger hat die entsprechenden Kosten<br />
vorzuschiessen 28 . Die Gläubigerversammlung kann auch im<br />
summarischen Konkursverfahren erst dann stattfi nden, wenn<br />
der Kollokationsplan aufl iegt 29 .<br />
Die Versammlung ist auch dann durchzuführen, wenn<br />
schon eine genügende Anzahl von Gläubigern dem Nachlassvertrag<br />
zugestimmt hat 30 . Für einen Nachlassvertrag mit<br />
Vermögensabtretung ist dies evident, da die Liquidatoren und<br />
ein Gläubigerausschuss gewählt werden müssen 31 . Auch bei<br />
einem Dividendenvergleich macht die Gläubigerversammlung<br />
aber in jedem Fall Sinn, da der Vorschlag anlässlich der<br />
Beratung in der Versammlung noch abgeändert werden kann<br />
und diesfalls die Gläubiger erneut zustimmen müssen 32 .<br />
In Bezug auf die Publikation fi nden die Vorschriften von<br />
Art. 301 und Art. 300 Abs. 1 Satz 2 SchKG 33 analog Anwendung<br />
34 , obschon Art. 332 Abs. 2 SchKG keinen Verweis<br />
auf diese Normen enthält: Die Einladung zur Gläubigerversammlung<br />
ist mindestens einen Monat vor der Versammlung<br />
in den Amtsblättern zu publizieren 35 . Die Publikation macht<br />
deshalb Sinn, weil für das Zustimmungsquorum auch Forderungen<br />
zu berücksichtigen sind, welche zu diesem Zeitpunkt<br />
noch nicht angemeldet sind 36 .<br />
Zudem sind die bekannten Gläubiger durch Spezialanzeige<br />
einzuladen 37 . Die Einladung hat mindestens 20 Tage vor<br />
28 Art. 96 lit. a KOV; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332<br />
SchKG N 17; Lustenberger (FN 27), Art. 231 SchKG N 32;<br />
Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 11, N 18; Wüthrich/<br />
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 13; BlSchK 2008,<br />
154.<br />
29 Art. 332 Abs. 1 Satz 2 SchKG; Art. 252 Abs. 2 SchKG analog;<br />
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 10; Junod Moser/Gaillard (FN 22),<br />
Art. 332 SchKG N 17; Gilliéron (FN 21), N 3173.<br />
30 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 4; Jaeger/Walder/<br />
Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 18; Wüthrich/<br />
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 12.<br />
31 Art. 317 Abs. 2 SchKG; Hunkeler (FN 5), Rz. 938; vgl.<br />
II.B.4.<br />
32 Jaeger (FN 11), Art. 302 SchKG N 2; Kurt Amonn/Fridolin<br />
Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts,<br />
8. A., Bern 2008, § 54 N 63. Der Gemeinschuldner ist<br />
jedoch nicht verpfl ichtet, derartige Änderungen am Nachlassvertragsentwurf<br />
vorzunehmen resp. Änderungen, welche die<br />
Gläubiger vornehmen, gegen sich gelten zu lassen, vgl. Alexander<br />
Vollmar, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel<br />
Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung<br />
und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 302<br />
SchKG N 17.<br />
33 A.M. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 28, in Bezug auf<br />
Art. 300 SchKG.<br />
34 Vgl. auch Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler<br />
(FN 7), Art. 332 SchKG N 12; Wüthrich/Rothenbühler<br />
(FN 7), Art. 332 SchKG N 14.<br />
35 Art. 301 Abs. 1 SchKG analog.<br />
36 Vgl. II.D.1.b.<br />
37 Art. 301 Abs. 2 i.V.m. Art. 300 Abs. 1 Satz 2 SchKG analog.<br />
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
der Versammlung zu erfolgen 38 . In der Einladung ist darauf<br />
hinzuweisen, dass über einen Nachlassvertrag verhandelt<br />
werden soll 39 .<br />
Die Akten können während 20 Tagen vor der Versammlung<br />
bei der Konkursverwaltung eingesehen werden 40 . Zu<br />
den Akten gehören der Nachlassvertrag, eine allfällige Stellungnahme<br />
des Antragstellers 41 und die Beurteilung durch<br />
die Konkursverwaltung 42 .<br />
2. Aufgaben der Konkursverwaltung<br />
Die Konkursverwaltung leitet die Versammlung. Sie erstattet<br />
Bericht über die Vermögens- und die Ertrags- bzw. Einkommenslage<br />
des Schuldners 43 . Sie gibt Auskunft über den Stand<br />
und den voraussichtlichen Ausgang des Konkursverfahrens.<br />
Dies umfasst auch eine Einschätzung für den Ausgang hängiger<br />
Prozesse 44 . Sie begutachtet zudem zuhanden der Gläubigerversammlung<br />
den Vorschlag zum Nachlassvertrag 45 .<br />
Die Konkursverwaltung kann den Nachlassvertrag auch<br />
einem allfälligen Gläubigerausschuss 46 unterbreiten; dazu<br />
verpfl ichtet ist sie nicht 47 .<br />
3. Teilnahmeberechtigung<br />
Teilnahmeberechtigt sind alle gemäss Kollokationsplan noch<br />
nicht rechtskräftig abgewiesenen Gläubiger 48 . Ebenfalls teilnahmeberechtigt<br />
sind Gläubiger, welche ihre Forderung erst<br />
nach Aufl age des Kollokationsplans eingegeben haben 49 .<br />
Teilnahmeberechtigt sind demnach auch Gläubiger, welche<br />
nicht über die Annahme des Nachlassvertrages mitentschei-<br />
38 Es drängt sich hier die Anwendung der konkursrechtlichen<br />
Regelung analog Art. 252 Abs. 1 SchKG auf; vgl. Jaeger<br />
(FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann<br />
(FN 11), Art. 332 SchKG N 16.<br />
39 Art. 252 Abs. 2 SchKG; Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3;<br />
Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG<br />
N 15; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG<br />
N 19; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />
N 14; BGE 35 I 268.<br />
40 Art. 301 Abs. 1 Satz 1 SchKG analog; Winkelmann/Lévy/<br />
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 11), Art. 332 SchKG N 12;<br />
Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 19;<br />
Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 14.<br />
41 Vgl. II.A.<br />
42 Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 19.<br />
43 Art. 302 Abs. 1 i.V.m. Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG.<br />
44 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3.<br />
45 Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.<br />
46 Art. 237 Abs. 3, Art. 253 Abs. 2 SchKG.<br />
47 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Jaeger/Walder/Kull/<br />
Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 14; Winkelmann/<br />
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />
N 12.<br />
48 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Junod Moser/Gaillard<br />
(FN 22), Art. 332 SchKG N 20.<br />
49 A.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 333 10.3.2009 9:12:21 Uhr<br />
333
334<br />
den können 50 , wohl aber an der Diskussion teilnehmen dürfen<br />
sollen. Dies gilt für privilegierte Gläubiger, Pfandgläubiger<br />
(im Umfang der Pfandsicherheit) und Ehegatten. Unmassgeblich<br />
ist auch, wann die Forderung angemeldet wurde 51 , oder<br />
ob sie vom Gemeinschuldner bestritten worden ist 52 . Beim<br />
Teilnahmerecht verhält es sich somit gleich wie beim Nachlassvertrag<br />
ausser Konkurs. Ob ein ordentlicher Nachlassvertrag<br />
oder ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />
vorgeschlagen ist, spielt für die Teilnahmeberechtigung keine<br />
Rolle.<br />
4. Wahlen und Wahlberechtigung<br />
Handelt es sich beim Vorschlag um einen ordentlichen Nachlassvertrag,<br />
so wird weder ein Liquidator noch ein Gläubigerausschuss<br />
gewählt; die Gläubigerversammlung ist diesfalls<br />
bloss beratend tätig 53 .<br />
Anders verhält es sich beim Liquidationsvergleich: Bei<br />
diesem sind von der Gläubigerversammlung die Liquidatoren<br />
und der Gläubigerausschuss zu wählen 54 . Wahlberechtigt<br />
sind dieselben Gläubiger, welchen auch das Stimmrecht 55<br />
für die Annahme des Nachlassvertrages zukommt 56 . Für die<br />
Wahl gilt das einfache Mehr der abstimmenden Gläubiger<br />
nach Köpfen 57 .<br />
Die Versammlung untersteht weder bei einem Dividendenvergleich<br />
noch bei einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />
dem Anwesenheitsquorum gemäss Art. 235 Abs. 3<br />
SchKG 58 ; es gilt kein Präsenzquorum 59 . Es verhält sich somit<br />
50 Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 20; vgl.<br />
auch Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 62, für den Nachlassvertrag<br />
ausser Konkurs.<br />
51 Solange die Forderung «suffi samment tôt pour participer»<br />
eingegeben wurde, vgl. Junod Moser/Gaillard (FN 22),<br />
Art. 332 SchKG N 20; a.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG<br />
N 3, welcher Gläubiger, die ihre Forderung i.S.v. Art. 251<br />
SchKG verspätet eingegeben haben und deren Berechtigung<br />
daher von der Konkursverwaltung noch nicht geprüft wurde,<br />
nicht zulassen will.<br />
52 Für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Winkelmann/Lévy/<br />
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 317 SchKG N 17.<br />
53 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 13; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 15.<br />
54 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 317 Abs. 2 Satz 2 SchKG.<br />
55 Zur Vermeidung von Missverständnissen wird hier die Berechtigung<br />
zur Teilnahme an der Wahl der Liquidatoren und<br />
gegebenenfalls des Gläubigerausschusses als «Wahlrecht», die<br />
Berechtigung zur Zustimmung oder Ablehnung des Nachlassvertrages<br />
dagegen als «Stimmrecht» bezeichnet.<br />
56 Vgl. II.D.1.<br />
57 Peter Ludwig, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />
(Liquidationsvergleich), Diss. Bern 1970, 47.<br />
58 Mindestens ein Viertel der bekannten Gläubiger bzw. mindestens<br />
die Hälfte der Gläubiger, wenn es vier oder weniger Gläubiger<br />
sind.<br />
59 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 302 Abs. 3 SchKG; Ludwig<br />
(FN 57), 47; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birch-<br />
Franco Lorandi/Michael Erismann<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
gleich wie bei Wahlen im Rahmen eines Nachlassvertrages<br />
(mit Vermögensabtretung) ausser Konkurs 60 .<br />
5. Zustimmung zum Nachlassvertrag<br />
Die Zustimmungen der Gläubiger zum Nachlassvertrag<br />
müssen in jedem Fall schriftlich und individuell erfolgen 61 .<br />
Es fi nden keine Beschlüsse in der Versammlung statt. Die<br />
schriftlichen Zustimmungen können vor oder nach der Gläubigerversammlung<br />
erteilt werden. Sie müssen spätestens bis<br />
zur Bestätigungsverhandlung vor dem Nachlassrichter vorliegen<br />
62 .<br />
6. Antrag der Konkursverwaltung an den<br />
Nachlassrichter<br />
Nach der Gläubigerversammlung leitet die Konkursverwaltung<br />
den Nachlassvertrag mitsamt ihrer Beurteilung, den<br />
bereits vorhandenen Zustimmungserklärungen 63 und einer<br />
Abrechnung über die bislang durch das Konkursverfahren<br />
verursachten Kosten 64 von Amtes wegen an den Nachlassrichter<br />
weiter 65 . Die Konkursverwaltung muss auch dann an<br />
den Nachlassrichter gelangen, wenn bis dahin die erforderlichen<br />
Zustimmungen der Gläubiger nicht vorliegen 66 . Zum<br />
einen kann die Konkursverwaltung nicht über das Zustandekommen<br />
des Nachlassvertrags entscheiden 67 ; sie hat vielmehr<br />
für einen Entscheid des Nachlassrichters zu sorgen 68 .<br />
Zum anderen können (weitere) Zustimmungserklärungen<br />
noch bis zum Bestätigungsentscheid beigebracht werden 69 .<br />
ler (FN 7), Art. 332 SchKG N 13; Junod Moser/Gaillard<br />
(FN 22), Art. 332 SchKG N 22; Wüthrich/Rothenbühler<br />
(FN 7), Art. 332 SchKG N 16; BGE 82 III 87 ff. (allerdings für<br />
den Nachlassvertrag ausser Konkurs); a.M. Jaeger (FN 11),<br />
Art. 317 SchKG N 4; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann<br />
(FN 11), Art. 332 SchKG N 18; Gilliéron (FN 21), N 3178,<br />
jedoch mit Ausnahme hinsichtlich der Beratung über den Nachlassvertrag.<br />
60 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 317 SchKG N 15; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 16; BGE 82 III 27.<br />
61 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 302 Abs. 3 SchKG.<br />
62 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 1 Satz 1 SchKG; Hunkeler<br />
(FN 5), Rz. 945; Ludwig (FN 57), 46; Winkelmann/<br />
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />
N 13; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />
N 15.<br />
63 BGE 35 I 268.<br />
64 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Winkelmann/Lévy/<br />
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 16;<br />
Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20.<br />
65 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 304 Abs. 1 SchKG.<br />
66 Gilliéron (FN 21), N 3178; Wüthrich/Rothenbühler<br />
(FN 7), Art. 332 SchKG N 18; BGE 35 I 268.<br />
67 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 14; BGE 78 III 18.<br />
68 BGE 35 I 267.<br />
69 Vgl. II.B.5.; BGE 35 I 368.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 334 10.3.2009 9:12:22 Uhr
C. Einstellung der Verwertung<br />
Grundsätzlich wird der Lauf des Konkursverfahrens durch<br />
die Einreichung eines Nachlassvertragsvorschlages nicht unmittelbar<br />
beeinträchtigt 70 . Nach Art. 332 Abs. 2 SchKG wird<br />
jedoch die Verwertung eingestellt, bis der Nachlassrichter<br />
über die Bestätigung des Nachlassvertrages entschieden hat.<br />
Die Einstellung der Verwertung erfolgt ex lege 71 ; es bedarf<br />
somit keines Einstellungsentscheides.<br />
Der Gesetzeswortlaut gibt jedoch keinen Aufschluss darüber,<br />
ab wann die Verwertungshandlungen von Gesetzes wegen<br />
als eingestellt gelten. Die Einreichung des Vorschlags<br />
für einen Nachlassvertrag genügt für sich alleine nicht, damit<br />
die Verwertung sistiert wird 72 . Eine Sistierung fi ndet aber in<br />
jedem Fall statt, sobald sich die (zweite bzw. speziell einberufene)<br />
Gläubigerversammlung zum Nachlassvertragsentwurf<br />
äussern konnte 73 . Dies gilt u.E. unbesehen davon, dass<br />
dannzumal in aller Regel noch nicht genügend Zustimmungen<br />
der Gläubiger vorliegen werden. Die Verwertung wird<br />
somit nicht erst dann eingestellt, wenn die Quoren gemäss<br />
Art. 305 SchKG erfüllt sind 74 , zumal dieser Zeitpunkt objektiv<br />
schwer feststellbar ist und überdies die Zustimmungen<br />
noch bis zur Bestätigungsverhandlung beigebracht werden<br />
können 75 .<br />
Vor Durchführung der Gläubigerversammlung kann die<br />
Konkursverwaltung nach eigenem Ermessen entscheiden,<br />
ob die Verwertungshandlungen einzustellen sind 76 . Zudem<br />
kann auch schon die erste Gläubigerversammlung 77 die Einstellung<br />
der Verwertung beschliessen, wenn der Schuldner<br />
dannzumal einen Nachlassvertrag vorschlägt 78 .<br />
70 Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 19; Jaeger/Walder/Kull/<br />
Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 12.<br />
71 Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 17; BGE 120 III 96, 35 I<br />
269.<br />
72 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 15; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann<br />
(FN 11), Art. 332 SchKG N 12; Gilliéron (FN 9), Art. 332<br />
SchKG N 18, N 21; BGE 120 III 96, 78 III 17, 35 I 269.<br />
73 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 15; BGE 78 III 18 (zu Art. 81 aKOV), 35 I<br />
269 (von dem Zeitpunkt an, «wo das ordentliche Verwertungsverfahren<br />
der Art. 256 ff. beginnen darf»).<br />
74 So aber Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 17 f.; Erwin<br />
Brügger, SchKG-Gerichtspraxis 1946–2005, Zürich 2006,<br />
Art. 332 SchKG N 4; Junod Moser/Gaillard (FN 22),<br />
Art. 332 SchKG N 25; BGE 120 III 96.<br />
75 Vgl. II.B.5.<br />
76 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 15; Junod Moser/Gaillard (FN 22),<br />
Art. 332 SchKG N 26; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann<br />
(FN 11), Art. 332 SchKG N 6 f.<br />
77 Für diese gilt das Präsenzquorum gemäss Art. 235 SchKG, vgl.<br />
Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 10, N 17.<br />
78 Art. 238 Abs. 2 SchKG; Jaeger (FN 11), Art. 238 SchKG<br />
N 8, Art. 317 SchKG N 2; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann<br />
(FN 11), Art. 332 SchKG N 12; Gilliéron (FN 9), Art. 332<br />
SchKG N 10, N 17; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332<br />
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
D. Bestätigungsverhandlung und<br />
Entscheid des Nachlassrichters<br />
(Homologation)<br />
Nachdem die Konkursverwaltung im Anschluss an die Gläubigerversammlung<br />
an den Nachlassrichter gelangt ist 79 , setzt<br />
dieser eine Bestätigungsverhandlung an und trifft seinen<br />
Entscheid beförderlich 80 . Der Nachlassrichter lädt die Konkursverwaltung,<br />
welche die Interessen der Masse vertritt und<br />
die Funktion des Sachwalters einnimmt 81 , zum Bestätigungstermin<br />
ein 82 .<br />
Die Voraussetzungen für die Bestätigung des Nachlassvertrages<br />
richten sich auch beim Nachlassvertrag im Konkurs<br />
nach Art. 305 (Annahme durch die Gläubiger) und Art. 306<br />
SchKG (Voraussetzungen für den Bestätigungsentscheid) 83 .<br />
Dieser Verweis auf die beim Nachlassvertrag ausser Konkurs<br />
geltenden Regeln wirft, so einfach er gesetzgebungstechnisch<br />
erscheinen mag, bei genauerer Betrachtung einige Fragen<br />
auf. Der Grund dieser Unklarheiten bei der sinngemässen<br />
Anwendung der Bestätigungserfordernisse auf den Nachlassvertrag<br />
im Konkurs liegt in folgendem Umstand: Das Konkurs-<br />
und das Nachlassverfahren folgen unterschiedlichen<br />
Regeln. Beim Nachlassvertrag im Konkurs fi ndet ein Wechsel<br />
vom Konkursverfahren zum Nachlassverfahren statt. Fraglich<br />
ist, wann dieser Paradigmenwechsel statt fi nden soll 84 . Der<br />
beschriebene Verfahrenswechsel ist in seinen Konsequenzen<br />
beim ordentlichen Nachlassvertrag wesentlich stärker ausgeprägt<br />
als beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, da<br />
letzterer ähnlichen Regeln folgt wie der Konkurs. Es drängt<br />
sich daher nachfolgend eine Unterscheidung zwischen diesen<br />
beiden Nachlassvertragsarten auf.<br />
1. Zustimmung der Gläubiger<br />
a. Quoren<br />
Es gelten die Quoren gemäss Art. 305 SchKG: Bis zum Bestätigungszeitpunkt<br />
muss die Mehrheit der Gläubiger, welche<br />
ihrerseits mindestens zwei Drittel des Gesamtbetrages<br />
SchKG N 27; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332<br />
SchKG N 12; BGE 120 III 96, 35 I 269. Die Verhandlung über<br />
den Nachlassvertrag hat aber auch in diesem Fall erst nach Auflage<br />
des Kollokationsplans zu erfolgen, vgl. II.B.1.<br />
79 Vgl. II.B.6.<br />
80 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 304 Abs. 2 und 3 SchKG.<br />
81 Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG.<br />
82 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Winkelmann/Lévy/<br />
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 16;<br />
Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 24;<br />
Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 19.<br />
83 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 f. SchKG; Winkelmann/Lévy/<br />
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 7 f.;<br />
Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 22.<br />
84 Es stellt sich namentlich die Frage, ob der Wechsel schon bei<br />
der Zustimmung zum Nachlassvertrag (II.D.1.b), bei der Sicherstellung<br />
des Vollzugs (II.D.2), oder aber erst bei der Dividendenberechtigung<br />
erfolgen soll (III.B.2/III.C.2.).<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 335 10.3.2009 9:12:22 Uhr<br />
335
336<br />
der Forderungen vertreten, oder ein Viertel der Gläubiger,<br />
welche mindestens drei Viertel des Gesamtbetrages der Forderungen<br />
vertreten, zugestimmt haben 85 .<br />
Privilegierte Gläubiger und deren Forderungen werden<br />
nicht mitgezählt 86 . Pfandgesicherte Forderungen sind nur im<br />
Umfang des geschätzten Ausfallbetrages stimmberechtigt 87 .<br />
Die Konkursverwaltung hat zu diesem Zweck eine Pfandschätzung<br />
vorzunehmen 88 ; massgeblich ist der voraussichtliche<br />
Liquidationswert des Pfandobjektes 89 . Unabhängig von<br />
einer allfälligen Privilegierung ist der Ehegatte 90 des Schuldners<br />
in jedem Fall nicht stimmberechtigt 91 .<br />
b. Berechnung der Quoren<br />
Für die Berechnung verweist Art. 332 Abs. 2 Satz 1 SchKG<br />
auf Art. 305 SchKG. Dessen Abs. 3 sieht für den Nachlassvertrag<br />
ausser Konkurs vor, dass der Richter u.a. entscheidet,<br />
ob und zu welchem Betrag bestrittene Forderungen mitzuzählen<br />
sind. Damit sind die vom Schuldner bestrittenen Forderungen<br />
gemeint92 .<br />
Aus «Nachlassvertrags-Optik» würde diese Regelung<br />
für den ordentlichen Nachlassvertrag, mit Blick auf die<br />
letztendliche Dividendenberechtigung im Falle des Zustandekommens<br />
des Nachlassvertrags, auch beim Nachlassvertrag<br />
im Konkurs Sinn machen: Massgebend ist diesbezüglich<br />
– unter Vorbehalt der rechtskräftigen Feststellung durch<br />
den Richter – einzig die Anerkennung der Forderung durch<br />
den Schuldner; der Kollokationsplan hingegen ist für die Dividendenberechtigung<br />
beim ordentlichen Nachlassvertrag<br />
grundsätzlich bedeutungslos93 .<br />
Aus «Konkurs-Optik» jedoch will eine solche Regelung<br />
für einen ordentlichen Nachlassvertrag im Konkurs nicht<br />
recht passen: Im Konkurs wird über die Zulassung der Forderungen<br />
grundsätzlich im Kollokationsverfahren entschieden;<br />
auf die Anerkennung oder Bestreitung durch den Schuldner<br />
kommt es diesfalls nicht an. U.E. ist dieser konkursrechtlichen<br />
Sichtweise der Vorzug zu geben. Sie trägt zum Schutz<br />
des rechtskräftig kollozierten Gläubigers94 vor der Bestäti-<br />
85 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 1 SchKG.<br />
86 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 2 SchKG; für den Nachlassvertrag<br />
ausser Konkurs: Hunkeler (FN 5), Rz. 950.<br />
87 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 2 SchKG; für den Nachlassvertrag<br />
ausser Konkurs: Hunkeler (FN 5), Rz. 954.<br />
88 Art. 299 Abs. 1 SchKG analog; Gilliéron (FN 9), Art. 332<br />
SchKG N 15; BGE 107 III 41.<br />
89 BGE 107 III 41 f.<br />
90 Gleichgestellt ist der Partner einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen<br />
Partnerschaft (Art. 305 Abs. 2 Satz 1 SchKG).<br />
91 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 2 SchKG; für den Nachlassvertrag<br />
ausser Konkurs: Hunkeler (FN 5), Rz. 951.<br />
92 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 305 SchKG N 32; Gilliéron (FN 9), Art. 305 SchKG<br />
N 16; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 305<br />
SchKG N 45.<br />
93 Vgl. III.B.2.<br />
94 Der Bestand seiner Forderung wurde durch die Konkursverwaltung<br />
immerhin summarisch geprüft (Art. 244 f. SchKG). Es<br />
Franco Lorandi/Michael Erismann<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
gung eines sich für ihn allenfalls nachteilig auswirkenden<br />
Nachlassvertrages bei.<br />
Für die Berechnung der Quoren ist somit in erster Linie<br />
auf den Kollokationsplan abzustellen 95 . Ob der Gemeinschuldner<br />
die betreffende Forderung bestritten hat, ist daher<br />
unmassgeblich. Massgeblich sind die rechtskräftig kollozierten<br />
Gläubiger und deren Forderungen 96 . Im Rahmen der<br />
Kollokation defi nitiv abgewiesene Forderungen werden bei<br />
der Berechnung nicht mit einbezogen 97 .<br />
Dies muss a fortiori für den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />
gelten, da sich bei diesem (im Unterschied<br />
zum ordentlichen Nachlassvertrag) selbst die Dividendenberechtigung<br />
nach der Kollokation richtet 98 .<br />
Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs sind nur diejenigen<br />
Gläubiger stimmberechtigt, welche ihre Forderungen rechtzeitig<br />
angemeldet haben 99 . Mangels vorgängiger Bekanntmachung<br />
100 eines Zeitpunkts, bis wann eine Forderungsanmeldung<br />
zu erfolgen hat, um das Stimmrecht zu wahren, gibt<br />
es beim Nachlassvertrag im Konkurs keinen datummässig<br />
bestimmten Zeitpunkt, bis wann die Forderungen angemeldet<br />
werden müssen. Da Zustimmungserklärungen zum<br />
Nachlassvertrag noch bis zur Bestätigungsverhandlung geleistet<br />
werden können 101 , sind u.E. auch alle Forderungen zu<br />
berücksichtigten, welche bis dahin angemeldet werden.<br />
Der Nachlassrichter entscheidet, ob bzw. inwiefern<br />
Forderungen, welche im Konkursverfahren verspätet eingegeben<br />
wurden 102 , so dass sie im Kollokationsplan nicht<br />
aufgeführt sind, berücksichtigt werden 1<strong>03</strong> . Dasselbe gilt für<br />
Forderungen, deren Kollokation ausgesetzt worden ist 104 .<br />
Ebenso entscheidet er, inwieweit Forderungen, die im Zeitpunkt<br />
der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Pro-<br />
erscheint unbillig, die Stimmberechtigung trotz durchgeführter<br />
Kollokation von der Anerkennung der Forderung durch den Gemeinschuldner<br />
abhängig zu machen und damit in dessen Belieben<br />
zu stellen oder gar für Manipulationen anfällig zu machen.<br />
95 Ein neuer Schuldenruf fi ndet nicht statt (Art. 332 Abs. 2 i.V.m.<br />
Art. 300 SchKG e contrario; Junod Moser/Gaillard (FN 22),<br />
Art. 332 SchKG N 10).<br />
96 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Jaeger/Walder/<br />
Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 19; Wüthrich/<br />
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6.<br />
97 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 3 SchKG; Winkelmann/<br />
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />
N 7; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332<br />
SchKG N 19 f.; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332<br />
SchKG N 20 f.<br />
98 Vgl. III.C.2.<br />
99 Art. 300 Abs. 1 Satz 1 SchKG.<br />
100 Zum Nachlass ausser Konkurs vgl. Art. 300 Abs. 1 SchKG.<br />
101 Vgl. II.B.5.<br />
102 Art. 251 SchKG.<br />
1<strong>03</strong> Vgl. Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6.<br />
Gemäss diesen Autoren soll dies nur gelten, soweit die Forderung<br />
vom Schuldner bestritten wird.<br />
104 Art. 59 Abs. 3 KOV; gemäss Wüthrich/Rothenbühler<br />
(FN 7), Art. 332 SchKG N 6 soll dies nur gelten, soweit die<br />
Forderung vom Schuldner bestritten wird.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 336 10.3.2009 9:12:23 Uhr
zesses bildeten und daher im Kollokationsplan nur pro memoria<br />
aufgeführt wurden 105 , bei der Berechnung der Quoren<br />
zu berücksichtigen sind 106 .<br />
Der Richter hat auch darüber zu entscheiden, inwieweit<br />
Forderungen, welche Gegenstand einer Anfechtung des Kollokationsplans<br />
sind, bei der Berechnung der Quoren gemäss<br />
Art. 305 SchKG mit einbezogen werden 107 . Dies gilt sowohl<br />
für Forderungen, welche Gegenstand einer positiven Kollokationsklage<br />
(eines Gläubigers gegen die Masse auf Zulassung<br />
seiner Forderung 108 ) bilden, als auch für solche, welche<br />
Gegenstand einer negativen Kollokationsklage (eines Gläubigers<br />
auf Wegweisung der Forderung eines anderen Gläubigers<br />
109 ) sind.<br />
Bei seiner Entscheidung über die Stimmberechtigung<br />
stellt der Nachlassrichter auf die Wahrscheinlichkeit der<br />
Berechtigung der Forderung ab 110 . Dabei kann er eine Forderung<br />
auch nur teilweise als stimmberechtigt einstufen 111 .<br />
Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs stützt er sich bei<br />
seiner Beurteilung auf den Bericht des Sachwalters und allenfalls<br />
auf die Stellungnahmen der betroffenen Gläubiger<br />
und des Schuldners 112 . Der Antrag des Sachwalters über die<br />
Stimmberechtigung ist dabei für den Richter nicht bindend,<br />
hat aber praxisgemäss eine wichtige Bedeutung 113 .<br />
Beim Nachlassvertrag im Konkurs tritt die Konkursverwaltung<br />
an die Stelle des Sachwalters 114 . Sie muss sich in<br />
ihrem Bericht zuhanden des Nachlassrichters 115 zur Berechnung<br />
der Quoren und damit auch zur Wahrscheinlichkeit<br />
solcher Forderungen äussern. Der Nachlassrichter stützt sich<br />
bei seinem Entscheid zudem auch auf die Konkursakten 116 .<br />
Soweit es um Forderungen geht, die Gegenstand eines Prozesses<br />
bilden (gleichgültig, ob der Prozess bei Konkurseröff-<br />
105 Art. 63 Abs. 1 KOV.<br />
106 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Gilliéron (FN 9),<br />
Art. 332 SchKG N 15.<br />
107 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Winkelmann/Lévy/<br />
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />
N 7; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 15; Jaeger/<br />
Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 20;<br />
Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 20;<br />
Wüthrich/ Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6.<br />
108 Art. 250 Abs. 1 SchKG.<br />
109 Art. 250 Abs. 2 SchKG.<br />
110 Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 15; betreffend vom<br />
Schuldner bestrittener Forderungen beim Nachlassvertrag ausser<br />
Konkurs: Hans Ulrich Hardmeier, in: Adrian Staehelin/<br />
Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz<br />
über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/<br />
München 1998, Art. 305 SchKG N 32.<br />
111 Für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Hardmeier (FN 110),<br />
Art. 305 SchKG N 32.<br />
112 Hardmeier (FN 110), Art. 305 SchKG N 32; Jaeger/Walder/<br />
Kull/Kottmann (FN 11), Art. 305 SchKG N 38.<br />
113 Brügger (FN 74), Art. 305 SchKG N 5.<br />
114 Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG.<br />
115 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 304 SchKG.<br />
116 «Le dossier de la faillite», vgl. Gilliéron (FN 9), Art. 332<br />
SchKG N 15.<br />
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
nung schon hängig war oder ob es sich um einen Kollokationsprozess<br />
handelt), wird der Nachlassrichter auch auf die<br />
Prozessakten abstellen und sich ein Urteil bilden. Die Anerkennung<br />
oder Bestreitung der Forderung durch den Schuldner<br />
ist für den Richter nur ein (eher ungewichtiges) Indiz.<br />
2. Hinlängliche Sicherstellung<br />
Eine Voraussetzung für die Bestätigung des Nachlassvertrages<br />
ist, dass der Vollzug des Nachlassvertrages, die vollständige<br />
Befriedigung der angemeldeten privilegierten Gläubiger<br />
sowie die Erfüllung der während der Stundung mit<br />
Zustimmung des Sachwalters eingegangenen Verbindlichkeiten<br />
hinlänglich sichergestellt sind, soweit nicht einzelne<br />
Gläubiger ausdrücklich auf die Sicherstellung ihrer Forderung<br />
verzichten 117 . Diese Regelung ist auf den ordentlichen<br />
Nachlassvertrag (Dividendenvergleich) ausser Konkurs zugeschnitten<br />
118 . Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />
(Liquidationsvergleich) und bei Nachlassverträgen im<br />
Konkurs ergeben sich Besonderheiten.<br />
a. Beim ordentlichen Nachlassvertrag<br />
aa. Vollzug des Nachlassvertrages<br />
Sicherzustellen ist zunächst der «Vollzug des Nachlassvertrages»<br />
119 . Darunter fällt beim Dividendenvergleich neben<br />
den Verfahrenskosten auch die fristgerechte Auszahlung<br />
der (gesamten120 ) Nachlassdividende121 . Beim Nachlassvertrag<br />
ausser Konkurs ist darunter die Dividende für sämtliche<br />
angemeldeten Forderungen, die dem Nachlassvertrag<br />
unterliegen, zu verstehen122 . Sicherzustellen sind auch verspätet<br />
angemeldete Forderungen123 sowie (grundsätzlich)<br />
vom Schuldner bestrittene Forderungen124 , nicht jedoch die<br />
aufgrund der Pfandschätzung gedeckten pfandgesicherten<br />
Forderungen125 . Ob diese für den Nachlassvertrag ausser<br />
117 Art. 332 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.<br />
118 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 19; Amonn/Walther<br />
(FN 32), § 54 N 77; Hunkeler (FN 5), Rz. 1004; Sylvain<br />
Marchand, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/Nicolas Jeandin<br />
(Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la Loi fédérale sur<br />
la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que des articles 166 à<br />
175 de la Loi fédérale sur le droit international privé (Commentaire<br />
Romand), Basel 2005, Art. 306 SchKG N 37.<br />
119 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.<br />
120 Jaeger (FN 11), Art. 306 SchKG N 10; Marchand (FN 118),<br />
Art. 306 SchKG N 39; BGE 64 I 82.<br />
121 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20.<br />
122 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; Marchand<br />
(FN 118), Art. 306 SchKG N 40.<br />
123 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; a.M. Hunkeler<br />
(FN 5), Rz. 891 f.<br />
124 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; Marchand<br />
(FN 118), Art. 306 SchKG N 40; Gilliéron (FN 9), Art. 306<br />
SchKG N 28.<br />
125 Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG N 27; Hardmeier<br />
(FN 110), Art. 306 SchKG N 20.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 337 10.3.2009 9:12:23 Uhr<br />
337
338<br />
Konkurs geltenden Grundsätze auch beim (ordentlichen)<br />
Nachlassvertrag im Konkurs Geltung haben, ist unklar.<br />
U.E. ist zur Beantwortung dieser Frage vom Grundsatz<br />
auszugehen, dass die Sicherstellung in aller Regel alle dividendenberechtigten<br />
Forderung umfassen soll 126 . Die Dividendenberechtigung<br />
ist von der Kollokation unabhängig 127 .<br />
Beim Dividendenvergleich im Konkurs kann u.E. somit<br />
hinsichtlich des Umfangs der Sicherstellung – wie ausser<br />
Konkurs – grundsätzlich auf die angemeldeten Forderungen<br />
abgestellt werden; der Kollokationsplan ist in diesem Zusammenhang<br />
bedeutungslos.<br />
Umstritten ist die Sicherstellungspfl icht hinsichtlich vom<br />
Schuldner bestrittener Forderungen. Ein Teil der Lehre (zum<br />
Nachlassvertrag ausser Konkurs) spricht sich für die vollumfängliche<br />
Sicherstellung auch bestrittener Forderungen<br />
aus 128 , ein anderer Teil will die Sicherstellung von der Begründetheit<br />
der Forderung abhängig machen, welche vom<br />
Nachlassrichter analog Art. 305 Abs. 3 SchKG summarisch<br />
zu prüfen ist 129 . U.E. ist letztere Meinung vorzuziehen, wonach<br />
der Nachlassrichter entscheidet, ob und in welchem<br />
Umfang bestrittene Forderungen ebenfalls sicherzustellen<br />
sind. Die Sicherstellung entfällt nachträglich, sofern der<br />
Gläubiger der bestrittenen Forderung nicht innert der gesetzlich<br />
festgelegten Frist zur Feststellung seiner Forderung Klage<br />
einleitet 130 .<br />
Weiter ist beim Dividendenvergleich im Konkurs unklar,<br />
ob die Rechtzeitigkeit der Forderungsanmeldung relevant<br />
ist und was Rechtzeitigkeit in diesem Kontext überhaupt be-<br />
126 A.M. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20, welcher<br />
dafür hält, dass die Sicherstellungspfl icht in der Regel mit der<br />
Beurteilung der Stimmberechtigung übereinstimmen wird.<br />
127 Vgl. III.B.2.<br />
128 Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG N 40; so wohl auch<br />
BGE 36 II 461, wo eine indifferent formulierte Bürgschaft auch<br />
bestrittene Forderungen sicherstellte.<br />
129 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; Junod Moser/<br />
Gaillard (FN 22), Art. 315 SchKG N 10; Gilliéron (FN 9),<br />
Art. 306 SchKG N 28, mit Verweis auf BGE 47 III 186, wonach<br />
jedoch von der Sicherstellung nur bestrittene Forderungen<br />
auszunehmen sind, die offensichtlich jeglicher Grundlage entbehren;<br />
Entscheid der Rekurskommission des Kt. Thurgau vom<br />
18. November 1970, RBOG 1970 Nr. 6 = SJZ 1971 Nr. 145,<br />
328; so auch der Vorentwurf der Expertengruppe SchKG, allerdings<br />
nur in Bezug auf bestrittene privilegierte Forderungen<br />
(Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 VE-SchKG); ebenfalls für eine<br />
analoge Anwendung von Art. 305 Abs. 3 SchKG auf privilegierte<br />
Forderungen Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 77;<br />
BGE 44 III 235 in Bezug auf Art. 310 aSchKG (heute Art. 315<br />
Abs. 1 SchKG).<br />
130 Art. 315 Abs. 1 SchKG; Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG<br />
N 40; Gilliéron (FN 21), N 3257; Ders. (FN 9), Art. 315<br />
SchKG N 9; zur Frage, ob die Sicherstellung durch Hinterlegung<br />
bei der Depositenanstalt (Art. 315 Abs. 2 SchKG) kumulativ<br />
oder alternativ zu erfolgen hat vgl. BGE 36 II 460 f. und<br />
Kritik dazu bei Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 315<br />
SchKG N 16 m.w.H.; vgl. III.B.2.<br />
Franco Lorandi/Michael Erismann<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
deutet. Da keine öffentliche Bekanntmachung unter Androhung<br />
des Verlustes des Stimmrechts 131 (und damit allenfalls<br />
auch des Anspruchs auf Sicherstellung 132 ) erfolgt, scheint es<br />
nicht angebracht, Gläubiger ihres Sicherstellungsanspruchs<br />
zu berauben. U.E. ist daher grundsätzlich auch die Dividende<br />
solcher Gläubiger sicherzustellen, deren Forderung<br />
nicht aus dem Kollokationsplan hervorgeht, sondern die<br />
ihre Forderung bis spätestens zur Bestätigungsverhandlung<br />
anmelden 133 . Der Schuldner hat sich über die Anerkennung<br />
oder Bestreitung dieser Forderung zu erklären. Über die Sicherstellung<br />
bestrittener Forderungen entscheidet der Nachlassrichter<br />
aufgrund der Wahrscheinlichkeit ihrer Berechtigung<br />
134 .<br />
Wie das Zustimmungsquorum 135 wird auch das Quantitativ<br />
der Sicherstellung somit erst im Zeitpunkt der Homologation<br />
vom Nachlassrichter festgelegt. Aus praktischen<br />
Gründen wird man dem Schuldner eine kurze Nachfrist zur<br />
allfällig erforderlichen Erhöhung der Sicherstellung gewähren<br />
können 136 .<br />
Hingegen kommt bei der Sicherstellung – anders als<br />
beim Zustimmungsquorum 137 – eine auf die Dividendenberechtigung<br />
gerichtete «Nachlassvertrags-Optik» 138 zur<br />
Anwendung. Der beschriebene Paradigmenwechsel vom<br />
Konkurs- zum Nachlassverfahren 139 fi ndet (zumindest beim<br />
Dividendenvergleich) bei der Sicherstellung statt.<br />
bb. Privilegierte Forderungen<br />
Sicherzustellen ist weiter die vollständige Befriedigung der<br />
angemeldeten privilegierten Gläubiger140 . Beim Dividendenvergleich<br />
im Konkurs wirft diese Voraussetzung keine besonderen<br />
Fragen auf. Es verhält sich gleich wie beim Nachlassvertrag<br />
ausser Konkurs.<br />
cc. Masseverbindlichkeiten<br />
Schliesslich müssen beim Nachlass ausser Konkurs «die<br />
während der Stundung mit Zustimmung des Sachwalters<br />
eingegangenen Verbindlichkeiten» sichergestellt werden141 .<br />
Dieser Wortlaut nimmt auf Art. 310 Abs. 2 SchKG Bezug,<br />
welcher die Masseverbindlichkeiten während der Nachlassstundung<br />
regelt. Bei sinngemässer Anwendung dieser Be-<br />
131 Art. 300 Abs. 1 SchKG.<br />
132 Hunkeler (FN 5), Rz. 891.<br />
133 Vgl. II.D.1.b.<br />
134 Vgl. II.D.1.b.<br />
135 Vgl. II.D.1.b.<br />
136 A.M. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 25, wonach<br />
beim Nachlassvertrag ausser Konkurs kein Anspruch auf eine<br />
derartige Nachfrist besteht.<br />
137 Vgl. II.D.1.b.<br />
138 Vgl. II.D.1.b.<br />
139 Vgl. II.D.<br />
140 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG; Hardmeier<br />
(FN 110), Art. 306 SchKG N 21.<br />
141 Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 338 10.3.2009 9:12:23 Uhr
stimmung 142 auf den Nachlass im Konkurs sind darunter die<br />
seit Konkurseröffnung entstandenen Masseverbindlichkeiten<br />
zu verstehen 143 . Sie müssen bei einem Dividendenvergleich<br />
ebenfalls sichergestellt werden.<br />
dd. Hinlänglichkeit der Sicherstellung und Anrechnung<br />
von liquidem Massevermögen<br />
Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs ist im gesetzlich vorgesehenen<br />
Umfang hinlänglich Sicherstellung zu leisten144 .<br />
Dies bedeutet in quantitativer Hinsicht grundsätzlich vollumfängliche<br />
Sicherstellung145 , es sei denn, einzelne Gläubiger<br />
verzichten auf Sicherstellung146 . Beim ordentlichen<br />
Nachlass im Konkurs verhält es sich u.E. anders: Die Nachlassdividende<br />
wird (zumindest teilweise) aus den Konkursaktiven<br />
bestritten werden. Soweit diese in geldwerter Form<br />
vorliegen, kann nur die Konkursverwaltung darüber verfügen147<br />
. Diese Gelder sind somit bereits aufgrund der gesetzlichen<br />
Ordnung während des Konkursverfahrens genügend<br />
sichergestellt. Aufgrund dessen kann sich der Schuldner die<br />
Konkursaktiven, soweit sie in geldwerter Form vorliegen, auf<br />
die Sicherstellung anrechnen lassen, indem nur im darüber<br />
hinausgehenden Betrag separat Sicherstellung zu leisten ist.<br />
In qualitativer Hinsicht bedeutet Hinlänglichkeit, dass im<br />
Zeitpunkt der Bestätigung des Nachlassvertrages gewährleistet<br />
ist, dass der sicherzustellende Betrag den Gläubigern im<br />
Zeitpunkt, in welchem sie die Leistung vom Schuldner verlangen<br />
können, auch wirklich zur Verfügung steht148 . Im Übrigen<br />
bestimmt der Nachlassrichter, welche Art der Sicherstellung<br />
er als hinlänglich erachtet149,150 . Die Sicherstellung<br />
kann durch den Schuldner oder durch Dritte erfolgen151 .<br />
142 Art. 332 Abs. 2 SchKG.<br />
143 Art. 262 Abs. 1 SchKG.<br />
144 Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.<br />
145 Vgl. II.D.2.a.aa.<br />
146 Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 in fi ne SchKG. Der Verzicht hat von jedem<br />
Gläubiger einzeln, ausdrücklich und schriftlich zu erfolgen;<br />
ein genereller Verzicht im Nachlassvertrag ist ungenügend,<br />
vgl. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 24; Marchand<br />
(FN 118), Art. 306 SchKG N 47; Brügger (FN 74), Art. 306<br />
SchKG N 6.<br />
147 Art. 9, Art. 24, Art. 223 Abs. 2, Art. 241 SchKG.<br />
148 Ursula Fuchs, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />
an einen Dritten, Diss. Basel 1999, 152; Marchand (FN 118),<br />
Art. 306 SchKG N 43; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG<br />
N 20.<br />
149 ZR 95 Nr. 81; Hans Fritzsche/Hans Ulrich Walder,<br />
Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,<br />
Bd. II, Zürich 1993, § 74 N 12.<br />
150 In Betracht kommen Barhinterlage auf einem Sperrkonto, Realsicherheiten<br />
(Pfandbestellung, Sicherungsübereignung), Bürgschaften,<br />
Bankgarantien und andere Personalsicherheiten oder<br />
auch der Schuldbeitritt, allenfalls auch die Übertragung besonderer<br />
Vollzugs- und Überwachungsaufgaben (Art. 314 Abs. 2<br />
SchKG) auf einen Dritten.<br />
151 Fuchs (FN 148), 152; Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG<br />
N 28.<br />
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
b. Beim Liquidationsvergleich<br />
aa. Vollzug des Nachlassvertrages<br />
Bei einem Liquidationsvergleich sind unter diesem Titel einzig<br />
die Verfahrenskosten sicherzustellen, da die Nachlassgläubiger<br />
beim Liquidationsvergleich durch die Einräumung<br />
des Verfügungsrechts an den schuldnerischen Aktiven ausreichend<br />
sichergestellt sind152 .<br />
Anders verhält es sich nur, wenn der Nachlassvertrag<br />
eine spezielle Sicherstellungsverpfl ichtung oder eine zusätzliche<br />
Verpfl ichtung des Schuldners enthält, welche über<br />
die Abtretung (von Teilen) seines Vermögens hinausgeht153 .<br />
Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung im Konkurs<br />
ist ein im vorangegangenen Konkursverfahren aufgestellter<br />
(rechtskräftiger) Kollokationsplan massgebend für die Teilnahme<br />
am Liquidationsergebnis154 . Ist demnach (infolge zusätzlicher<br />
Verpfl ichtungen des Schuldners neben der Vermögensabtretung)<br />
überhaupt eine Sicherstellung notwendig, so<br />
hat diese u.E. nur die rechtskräftig kollozierten und die noch<br />
nicht rechtskräftig abgewiesenen Gläubiger zu umfassen. Im<br />
Gegensatz zum Dividendenvergleich kommt es hier somit<br />
auf die Anerkennung oder Bestreitung der Forderung durch<br />
den Schuldner nicht an. Verspätet angemeldete Forderungen<br />
sowie pro memoria vorgemerkte oder im Kollokationsstreit<br />
liegende Forderungen sind diesfalls grundsätzlich, d.h. vorbehältlich<br />
eines abweichenden Entscheides des Nachlassrichters<br />
aufgrund der voraussichtlichen Unbegründetheit der<br />
Forderung, ebenso sicherzustellen.<br />
Bei einem Liquidationsvergleich mit Vermögensabtretung<br />
an einen Einzelnen155 umfasst die Sicherstellung zusätzlich<br />
zu den Verfahrenskosten auch die Abtretungssumme, d.h. die<br />
Gegenleistung des Abtretungsempfängers156 . Für die Sicherstellung<br />
wird in diesen Fällen regelmässig der Abtretungsempfänger<br />
besorgt sein.<br />
bb. Privilegierte Forderungen<br />
Beim Liquidationsvergleich ist die Pfl icht zur Sicherstellung<br />
der privilegierten Gläubiger grundsätzlich durch die<br />
im Nachlassvertrag enthaltene Vermögensabtretung erfüllt,<br />
sofern die Aktiven voraussichtlich157 zu deren vollständigen<br />
Befriedigung ausreichen158 . Eine separate Sicherstellung ist<br />
diesbezüglich nicht erforderlich.<br />
152 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26; Brügger (FN 74),<br />
Art. 306 SchKG N 4 und N 9; Hunkeler (FN 5), Rz. 1006.<br />
153 Dies ist selten bis (fast) nie der Fall. Als zusätzliche Verpfl ichtung<br />
kommt etwa eine garantierte Mindestdividende bei einem<br />
kombinierten Dividenden-/Liquidationsvergleich in Betracht.<br />
154 Vgl. III.C.2.<br />
155 Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.<br />
156 Ludwig (FN 57), 8; Hunkeler (FN 5), Rz. 1006; Fuchs<br />
(FN 148), 152; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26.<br />
157 Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG N 34 spricht dagegen von<br />
«certitude».<br />
158 Hunkeler (FN 5), Rz. 1007 f.; Brügger (FN 74), Art. 306<br />
SchKG N 9; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 339 10.3.2009 9:12:24 Uhr<br />
339
340<br />
cc. Masseverbindlichkeiten<br />
Bei einem Liquidationsvergleich gelten auch die Masseverbindlichkeiten159<br />
durch die Vermögensabtretung als hinlänglich<br />
gesichert160 , sofern das abgetretene Vermögen voraussichtlich<br />
zur vollständigen Erfüllung derselben genügt.<br />
III. Folgen bei Bestätigung des<br />
Nachlassvertrages<br />
Der Entscheid des Nachlassrichters über den Nachlassvertrag<br />
wird der Konkursverwaltung mitgeteilt 161 . Wird der Nachlassvertrag<br />
nicht genehmigt, so nimmt das Konkursverfahren<br />
seinen Fortgang 162 . Kommt der Nachlassvertrag hingegen<br />
zustande, hat dies verschiedene Auswirkungen.<br />
A. Widerruf des Konkurses<br />
Lautet der Entscheid des Nachlassrichters auf Bestätigung<br />
des Nachlassvertrages, so beantragt die Konkursverwaltung<br />
von Amtes wegen 163 beim Konkursgericht den Widerruf des<br />
Konkurses 164 . Erst mit Widerruf des Konkurses wird der<br />
Nachlassvertrag wirksam 165 . Da der Konkurs widerrufen und<br />
nicht abgeschlossen wird, werden keine Verlustscheine ausgestellt.<br />
Obschon Art. 332 Abs. 2 SchKG keinen Verweis auf<br />
Art. 308 enthält, ist u.E. nicht nur der Widerruf des Konkurses<br />
166 , sondern auch die Bestätigung des Nachlassvertrages<br />
öffentlich bekannt zu machen 167 . Die Gläubiger und<br />
159 Wie beim ordentlichen Nachlassvertrag (vgl. II.D.2.a.cc.) gelten<br />
die während des Konkursverfahrens entstandenen Kosten<br />
als Masseverbindlichkeiten (Art. 261 Abs. 1 SchKG).<br />
160 Hunkeler (FN 5), Rz. 1012; Hardmeier (FN 110), Art. 306<br />
SchKG N 26.<br />
161 Art. 332 Abs. 3 Satz 1 SchKG.<br />
162 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Jaeger/Walder/Kull/<br />
Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 27; Gilliéron (FN 9),<br />
Art. 332 SchKG N 33.<br />
163 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Jaeger/Walder/Kull/<br />
Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 26; Winkelmann/<br />
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />
N 17; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 34.<br />
164 Art. 332 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Art. 195 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG;<br />
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 17; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG<br />
N 34; Marchand (FN 118), Art. 332 SchKG N 29; Wüthrich/<br />
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21; BGE 85 III 88.<br />
165 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Winkelmann/Lévy/<br />
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 17<br />
in fi ne; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332<br />
SchKG N 26; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332<br />
SchKG N 22.<br />
166 Gemäss Art. 195 Abs. 3 SchKG.<br />
167 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 17; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),<br />
Franco Lorandi/Michael Erismann<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
sonstige Interessierte sollen damit nicht nur vom Ende des<br />
Konkursverfahrens (zufolge Widerruf), sondern auch vom<br />
Grund hierfür, nämlich dem Zustandekommen eines Nachlassvertrages,<br />
Kenntnis erlangen. Ein zusätzlicher Aufwand<br />
oder zusätzliche Kosten sind damit nicht verbunden; die beiden<br />
Publikationen können miteinander verbunden werden.<br />
Die Publikation obliegt dem Gericht, welches den Entscheid<br />
getroffen hat 168 ; vorliegend dem Konkursgericht.<br />
Die Folgen des Widerrufs des Konkurses sind unterschiedlich,<br />
je nachdem, ob ein ordentlicher Nachlassvertrag<br />
oder ein solcher mit Vermögensabtretung zustande kommt.<br />
B. Folgen beim ordentlichen<br />
Nachlassvertrag<br />
1. Folgen für das Konkursverfahren<br />
Durch den Widerruf des Konkurses wird das Konkursverfahren<br />
in seiner Gesamtheit rückgängig gemacht. Die vor dem<br />
Konkurs bestandenen Rechtsverhältnisse leben grundsätzlich<br />
wieder auf, soweit dies faktisch noch möglich ist 169 . Bereits<br />
vorgenommene Verwertungshandlungen bleiben jedoch<br />
gültig 170 .<br />
Die Konkursmasse als Sondervermögen und Rechtssubjekt<br />
wird aufgehoben 171 . Der Schuldner erlangt die Verfügungsgewalt<br />
über sein Vermögen wieder, soweit dieses noch<br />
nicht verwertet worden ist 172 . Bei bereits durchgeführter<br />
Verwertung besteht dieses Recht des Schuldners am Verwertungsergebnis.<br />
Ist der Schuldner eine juristische Person,<br />
so wird die Vertretungsmacht der Organe wiederhergestellt.<br />
Art. 332 SchKG N 23; a.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG<br />
N 6; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332<br />
SchKG N 25; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 23, N 35.<br />
168 Art. 308 SchKG und Art. 332 Abs. 3 i.V.m. Art. 195 Abs. 3 und<br />
Art. 176 SchKG analog; Hardmeier (FN 110), Art. 308 SchKG<br />
N 16; Alexander Brunner, in: Adrian Staehelin/Thomas<br />
Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz<br />
über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München<br />
1998, Art. 195 SchKG N 13.<br />
169 Jaeger (FN 11), Art. 195 SchKG N 2.<br />
170 Flavio Cometta, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/Nicolas<br />
Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la Loi<br />
fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que des<br />
articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international<br />
privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 195 SchKG<br />
N 8.<br />
171 Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25;<br />
BGE 49 III 197.<br />
172 Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25;<br />
Glarner (FN 15), 37 f.; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/<br />
Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 18; Amonn/<br />
Walther (FN 32), § 39 N 6; Gilliéron (FN 9), Art. 332<br />
SchKG N 30; Walter A. Stoffel, Voies d’éxécution, Bern<br />
2002, § 9 N 125; Cometta (FN 170), Art. 195 SchKG N 8;<br />
Junod Moser/Gaillard (FN 32), Art. 332 SchKG N 32;<br />
BGE 117 III 42, 49 III 198.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 340 10.3.2009 9:12:24 Uhr
Das Handelsregisteramt hat die anlässlich der Konkurseröffnung<br />
vorgenommenen Löschungen von Amtes wegen rückgängig<br />
zu machen 173 . Die Befugnisse der Konkursverwaltung<br />
und eines allfälligen Gläubigerausschusses erlöschen vollumfänglich<br />
174 . Allenfalls kann der Nachlassrichter eine Person<br />
einsetzen, die zur Durchführung oder zur Sicherstellung<br />
der Erfüllung des Nachlassvertrages mit Überwachungs-,<br />
Geschäftsführungs- oder Liquidationsbefugnissen betraut<br />
wird 175 .<br />
Die Pfandgläubiger erhalten die Befugnis zur Verwertung<br />
ihrer Pfänder wieder, sofern der Nachlassrichter deren Verwertung<br />
nicht sistiert 176 . Betreibungen, die im Zeitpunkt der<br />
Konkurseröffnung hängig waren, leben grundsätzlich nicht<br />
wieder auf 177 . Eine Ausnahme gilt für Betreibungen auf<br />
Pfandverwertung; diese werden fortgeführt 178 .<br />
2. Dividendenberechtigung<br />
Dividendenberechtigt sind zum einen alle Gläubiger, deren<br />
Forderungen (vor Konkurseröffnung bzw. bis zum Widerruf<br />
desselben mit voller materieller Rechtskraftwirkung 179 )<br />
gerichtlich festgestellt wurden. Anspruch auf Dividende haben<br />
auch Gläubiger, deren Forderungen der Gemeinschuldner<br />
im Konkursverfahren bei der Prüfung der eingegebenen<br />
Forderungen anerkannt hat 180 . Es ist damit der Schuldner,<br />
der – gleich wie beim (ordentlichen) Nachlassvertrag ausser<br />
Konkurs 181 – über die Zulassung von Forderungen und damit<br />
über die Dividendenberechtigung entscheidet 182 . Auf die<br />
173 Glarner (FN 15), 38; Art. 158 f. HRegV.<br />
174 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Winkelmann/Lévy/<br />
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20;<br />
Junod Moser/Gaillard (FN 32), Art. 332 SchKG N 36;<br />
Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25.<br />
175 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 314 Abs. 2 SchKG.<br />
176 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 306a Abs. 1 SchKG; Winkelmann/<br />
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />
N 19; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 36; Wüthrich/<br />
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 26; a.M. BGE<br />
107 III 42 f., welcher allerdings zum alten Gesetzeswortlaut<br />
erging, so dass dieser Entscheid nicht mehr massgeblich ist,<br />
vgl. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 22.<br />
177 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 311 SchKG; Gilliéron (FN 9),<br />
Art. 332 SchKG N 26; Brunner (FN 168), Art. 195 SchKG<br />
N 11; Amonn/Walther (FN 32), § 39 N 7; Stoffel (FN 173),<br />
§ 9 N 125; Cometta (FN 170), Art. 195 SchKG N 8; BGE 93<br />
III 59, 75 III 67.<br />
178 Art. 332 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 311 SchKG.<br />
179 Kollokationsurteile entfalten keine materielle Rechtskraft über<br />
das Konkursverfahren hinaus (vgl. III.B.3.).<br />
180 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 315 sowie Art. 244 SchKG; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler<br />
(FN 7), Art. 332<br />
SchKG N 18; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29; Junod<br />
Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 33; Wüthrich/<br />
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25; BGE 49 III<br />
198 f.<br />
181 Vgl. Art. 315 SchKG.<br />
182 BGE 49 III 199.<br />
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Beurteilung der Forderung durch die Konkursverwaltung im<br />
Rahmen der Kollokation kommt es (anders als beim Nachlassvertrag<br />
mit Vermögensabtretung 183 ) nicht an 184 .<br />
Wenn der Schuldner eine Forderung im Konkursverfahren<br />
bestritten hat, setzt der Nachlassrichter bei Bestätigung<br />
des Dividendenvergleichs dem Gläubiger eine Frist von<br />
20 Tagen ab Widerruf des Konkurses 185 an, um seine Forderung<br />
gerichtlich gegen den Schuldner geltend zu machen 186 .<br />
Nach Massgabe des Prozessausgangs ist auch dieser Gläubiger<br />
dividendenberechtigt 187 . Selbst wenn der betreffende<br />
Gläubiger die Frist verstreichen lässt, bedeutet dies nicht<br />
die Verwirkung seiner Forderung. Er kann seinen Anspruch<br />
auf Nachlassdividende unter Vorbehalt der Verjährung seiner<br />
Forderung jederzeit geltend machen. Mit Ablauf der 20-tägigen<br />
Frist verliert er einzig das Privileg der Sicherstellung<br />
seiner Dividende 188 .<br />
3. Bedeutung des Kollokationsplans<br />
Beim ordentlichen Nachlassvertrag 189 im Konkurs verliert<br />
der Kollokationsplan mit Bestätigung des Dividendenvergleichs<br />
jede Bedeutung 190 . Dies ergibt sich aus dem Wesen<br />
des Kollokationsverfahrens, welches auf das Vollstreckungsverfahren<br />
beschränkt ist. Dies zeigt sich auch darin, dass es<br />
sich bei der Kollokationsklage um eine betreibungsrechtliche<br />
Klage mit Refl exwirkung auf das materielle Recht handelt.<br />
Das Urteil im Kollokationsprozess hat keine über das betreffende<br />
Konkursverfahren hinausgehende materiellrechtliche<br />
Bedeutung. Dies gilt für unangefochtene Kollokationsverfügungen<br />
a fortiori. Weder Kollokationsverfügungen noch<br />
Kollokationsurteile begründen daher ausserhalb des betreffenden<br />
Konkursverfahrens die Einrede der res iudicata 191 .<br />
Somit werden hängige Kollokationsklagen mit Widerruf<br />
des Konkurses (zufolge Zustandekommens eines ordent-<br />
183 Vgl. III.C.2.<br />
184 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 18; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 25; zur Relevanz der Kollokation und des<br />
Kollokationsplans vgl. III.B.3.<br />
185 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 18; Junod Moser/Gaillard (FN 22),<br />
Art. 332 SchKG N 33 f.; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 25.<br />
186 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 315 Abs. 1 SchKG; Winkelmann/<br />
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />
N 18; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29; Junod Moser/Gaillard<br />
(FN 22), Art. 332 SchKG N 33 f.<br />
187 Aus diesem Grund sind grundsätzlich auch bestrittene Forderungen<br />
sicherzustellen (vgl. II.D.2.a.aa.).<br />
188 Art. 315 Abs. 1 SchKG; vgl. II.D.2.a.aa.<br />
189 Anders beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, vgl.<br />
III.C.2.<br />
190 BGE 49 III 198.<br />
191 Statt vieler: Amonn/Walther (FN 32), § 46 N 62; a.M. Daniel<br />
Spichty, Gegenstand, Rechtsnatur und Rechtskraftwirkung des<br />
Kollokationsplanes im Konkurs, Diss. Basel 1979, 146 ff.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 341 10.3.2009 9:12:24 Uhr<br />
341
342<br />
lichen Nachlassvertrages) gegenstandslos 192 . Dies gilt sowohl<br />
für Zulassungs- 193 als auch für Wegweisungsklagen 194 .<br />
Mit der Aufhebung der Konkursmasse fällt denn auch die<br />
Prozessführungsbefugnis des Wegweisungsklägers dahin 195 .<br />
Ganz generell gilt: «Die Gläubiger konkurrieren nicht mehr<br />
miteinander mit Bezug auf das Recht, aus einem bestimmten<br />
Aktivum [nämlich der Masse] bezahlt zu werden. Jeder<br />
einzelne von ihnen kann nur verlangen, dass er gemäss dem<br />
Nachlassvertrag befriedigt [wird].» 196<br />
4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss<br />
Art. 260 SchKG und gestützt darauf eingeleitete<br />
Prozesse<br />
Abtretungsgläubiger agieren als Prozessstandschafter in<br />
eigenem Namen und auf eigene Rechnung, aber aus dem<br />
Recht der Masse 197 . Die Abtretung gemäss Art. 260 SchKG<br />
ist ein insolvenzrechtliches Institut (der Generalexekution)<br />
zum Zwecke der Verwertung bestrittener Aktivforderungen<br />
der Masse. Mit dem Widerruf des Konkurses wird die Masse<br />
aufgehoben 198 . Mit Zustandekommen eines ordentlichen<br />
Nachlassvertrages fi ndet keine Generalexekution mehr statt.<br />
Damit entfällt die konkursrechtliche Grundlage der Abtretung.<br />
Die Abtretungen fallen daher mit Widerruf des Konkurses<br />
von Gesetzes wegen dahin 199,200 .<br />
Gleichsam fehlt es dem Abtretungsgläubiger nunmehr an<br />
der notwendigen konkursrechtlichen Legitimation zur Verfolgung<br />
des abgetretenen Anspruchs 201 . Somit werden Klagen,<br />
welche vom Abtretungsgläubiger angehobenen worden sind,<br />
grundsätzlich gegenstandslos 202 . Diese Regel gilt ausnahmslos,<br />
soweit es sich um rein vollstreckungsrechtliche Klagen<br />
oder um betreibungsrechtliche Klagen mit Refl exwirkung<br />
auf das materielle Recht handelt. Dazu gehören etwa paulia-<br />
192 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 18; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG<br />
N 29.<br />
193 Art. 250 Abs. 1 SchKG.<br />
194 Art. 250 Abs. 2 SchKG.<br />
195 BGE 49 III 197.<br />
196 BGE 49 III 198.<br />
197 BGE 122 III 490, 113 III 137.<br />
198 Vgl. III.B.1.<br />
199 Jaeger (FN 11), Art. 260 SchKG N 3; Winkelmann/Lévy/<br />
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20;<br />
Amonn/Walther (FN 32), § 47 N 71; Junod Moser/Gaillard<br />
(FN 22), Art. 332 SchKG N 36; BGE 109 III 29, 49 III<br />
197, 43 III 75; noch offengelassen wurde die Frage in BGE 33 I<br />
242.<br />
200 Es handelt sich insofern nicht um eine bereits abgeschlossene<br />
Verwertungshandlung, vgl. III.B.1.<br />
201 BGE 109 III 29, 33 I 242.<br />
202 BGE 49 III 197; vgl. auch Winkelmann/Lévy/Jeanneret/<br />
Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20; Brunner<br />
(FN 168), Art. 195 SchKG N 11; Wüthrich/Rothenbühler<br />
(FN 7), Art. 332 SchKG N 27.<br />
Franco Lorandi/Michael Erismann<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
nische Anfechtungsklagen (Art. 285 ff. SchKG) 2<strong>03</strong> oder Aussonderungsklagen<br />
(Art. 242 SchKG) 204 .<br />
Anders kann es sich u.E. dagegen für Prozesse verhalten,<br />
welche eine rein materiellrechtliche Streitigkeit zum Gegenstand<br />
haben. In diesen Fällen ist es nach Massgabe des<br />
Prozessrechts möglich, dass der Schuldner anstelle des Abtretungsgläubigers<br />
in den Prozess eintritt und diesen (anstelle<br />
des Abtretungsgläubigers) fortführt (sog. Parteiwechsel).<br />
Denn mit Widerruf des Konkurses erlangt der Schuldner wieder<br />
die volle Verfügungsbefugnis über sein Vermögen 205 und<br />
damit über den Streitgegenstand. Sofern die massgebliche<br />
Prozessordnung schon bei materiellrechtlicher Übertragung<br />
des Prozessgegenstandes 206 einen Parteiwechsel zulässt 207 , so<br />
muss dies bei Wiedererlangung der Prozessführungsbefugnis<br />
(zufolge Wegfalls der Abtretung gemäss Art. 260 SchKG) a<br />
fortiori gelten.<br />
5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse<br />
Prozesse, welche vor Konkurseröffnung eingeleitet und zufolge<br />
Konkurs sistiert wurden (Art. 207 SchKG), werden<br />
zwischen dem Schuldner und der Gegenpartei fortgeführt 208 .<br />
Dies gilt sowohl für Aktivprozesse als auch für Forderungsprozesse<br />
gegen den Schuldner. Soweit der Schuldner in<br />
einem Passivprozess die Forderung im Rahmen der Erwährung<br />
(weiterhin) bestritten hat, macht es keinen Sinn, solche<br />
Prozesse als gegenstandslos zu betrachten und dem Gläubiger<br />
sogleich gemäss Art. 315 SchKG Frist anzusetzen 209 ,<br />
um eine neue Klage gegen den Schuldner zu führen. Hat der<br />
Schuldner die Forderung im Konkurs hingegen anerkannt, ist<br />
der Gläubiger zwar grundsätzlich dividendenberechtigt 210 ,<br />
jedoch nur vorbehältlich der gerichtlichen Feststellung von<br />
Bestand und Umfang seiner Forderung. Der Prozess wird<br />
daher nicht gegenstandslos, sondern ist fortzuführen. Da der<br />
2<strong>03</strong> Statt vieler: Amonn/Walther (FN 32), § 52 N 39 ff.<br />
204 Amonn/Walther (FN 32), § 45 N 46; Marc Russenberger,<br />
in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.),<br />
Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs,<br />
Basel/Genf/München 1998, Art. 242 SchKG N 6; Nicolas<br />
Jeandin/Philipp Fischer, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/<br />
Nicolas Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la<br />
Loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que<br />
des articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international<br />
privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 242 SchKG<br />
N 27; Gilliéron (FN 9), Art. 242 SchKG N 71.<br />
205 Vgl. III.B.1.<br />
206 Wie etwa bei Abtretung des einklagten Anspruchs, vgl.<br />
Richard Frank/Hans Sträuli/Georg Messmer, Kommentar<br />
zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. A., Zürich 1997,<br />
§ 49 ZPO N 2; auch bei Veräusserung des Streitgegenstandes<br />
auf Beklagtenseite: Hans Ulrich Walder-Richli, Zivilprozessrecht,<br />
4. A., Zürich 1996, § 15 N 4.<br />
207 Vgl. § 49 ZPO ZH; Art. 83 E-ZPO.<br />
208 A.M. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29.<br />
209 Art. 244 Satz 2 SchKG.<br />
210 Vgl. III.B.2.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 342 10.3.2009 9:12:25 Uhr
Schuldner die Forderung anerkennt, wird er sich der Klage<br />
kaum mehr widersetzen. Wenn der Schuldner nicht nur die<br />
Forderung, sondern auch die Klage anerkennt, wird der Prozess<br />
als zufolge Klageanerkennung erledigt abgeschrieben.<br />
Für Prozesse, welche die Konkursmasse gegen Dritte angehoben<br />
hat, verhält es sich u.E. gleich wie für Prozesse von<br />
Abtretungsgläubigern 211 : Die Prozesse der Masse werden<br />
mit Widerruf des Konkurses gegenstandlos, soweit es sich<br />
um rein vollstreckungsrechtliche Klagen oder um betreibungsrechtliche<br />
Klagen mit Refl exwirkung auf das materielle<br />
Recht handelt. Prozesse, für welche der Konkurs eine Voraussetzung<br />
darstellt (wie etwa Verantwortlichkeitsklagen der<br />
Gesellschaftsgläubiger; Art. 757 OR), sind abzuweisen, da<br />
es mit Widerruf des Konkurses an der Aktivlegitimation der<br />
Kläger fehlt 212 . Bei rein materiellrechtlichen Streitigkeiten<br />
(für welche der Konkurs keine Voraussetzung ist) ist nach<br />
Massgabe des Prozessrechts ein Parteiwechsel möglich, in<br />
welchem Fall der Schuldner den Prozess gegen den Dritten<br />
fortsetzen kann.<br />
C. Folgen beim Liquidationsvergleich<br />
1. Folgen für das Konkursverfahren/<br />
Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens<br />
Bei Annahme eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung<br />
tritt das eine Verfahren der Generalexekution (Liquidationsvergleich)<br />
an die Stelle des anderen (Konkursverfahren).<br />
Die Auswirkungen sind daher bedeutend geringer als<br />
bei Annahme eines ordentlichen Nachlassvertrages.<br />
An die Stelle der Konkursmasse tritt die Nachlassmasse 213 .<br />
Der Schuldner erlangt diesfalls die Verfügungsmacht über<br />
sein Vermögen (zumindest im Umfang, da er seinen Gläubigern<br />
das Verfügungsrecht eingeräumt hat 214 ) gerade nicht<br />
wieder 215 . An die Stelle der Konkursverwaltung treten die Liquidatoren<br />
216 . Sie vertreten die Nachlassmasse vor Gericht 217 .<br />
Das nachfolgende Verfahren richtet sich nach den Art. 317 ff.<br />
211 Vgl. III.B.4.<br />
212 Vgl. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 20; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 27 sprechen von «Beendigung» solcher Verfahren.<br />
213 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 21; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG<br />
N 29.<br />
214 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 317 Abs. 1 SchKG.<br />
215 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 319 Abs. 1 SchKG; Winkelmann/<br />
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />
N 21; Amonn/Walther (FN 32), § 55 N 22; Gilliéron<br />
(FN 9), Art. 332 SchKG N 30 f.; Wüthrich/Rothenbühler<br />
(FN 7), Art. 332 SchKG N 28.<br />
216 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 21.<br />
217 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 319 Abs. 4 Satz 1 SchKG.<br />
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
SchKG, soweit diese Ordnung nicht durch das vorangegangene<br />
Verfahren (Art. 332 SchKG) derogiert worden ist 218 .<br />
Betreibungen können nicht fortgesetzt werden 219 . Vorbehalten<br />
bleibt das Absonderungsrecht der Faustpfandgläubiger<br />
220 und das Recht der Grundpfandgläubiger, ihr Pfand zu<br />
verwerten 221 .<br />
2. Bedeutung des Kollokationsplans/<br />
Dividendenberechtigung<br />
Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung konkurrieren<br />
die Gläubiger (unbesehen des Widerrufs des Konkurses)<br />
ebenso miteinander, wie dies im Konkurs der Fall war; sie<br />
wollen aus denselben Aktiven befriedigt werden. Im Gegensatz<br />
zum Dividendenvergleich 222 kommt es beim Nachlassvertrag<br />
mit Vermögensabtretung (ausser Konkurs) für die<br />
Frage, ob ein Gläubiger am Liquidationsergebnis teilhaben<br />
kann, nicht auf die Anerkennung seiner Forderung durch den<br />
Nachlassschuldner an 223 . Massgebend ist einzig der Kollokationsplan.<br />
Dieser wird im Regelfall (des Nachlassvertrages<br />
ausser Konkurs) durch die im Liquidationsvergleich bezeichneten<br />
Liquidatoren aufgestellt 224 .<br />
Beim Liquidationsvergleich im Konkurs besteht insofern<br />
eine Besonderheit, als im Konkursverfahren, welches dem<br />
Nachlassverfahren vorangegangen ist, bereits eine Kollokation<br />
durchgeführt werden musste 225 . Auf die Kollokation<br />
beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (ausser Konkurs)<br />
sind grundsätzlich die konkursrechtlichen Bestimmungen<br />
sinngemäss anwendbar 226 . Es ergäbe deshalb keinen<br />
Sinn, die bereits durchgeführte Kollokation zu ignorieren<br />
und ein neues Kollokationsverfahren durch die Liquidatoren<br />
durchzuführen. Deshalb ist die Nachlassmasse an den im<br />
Rahmen des Konkursverfahrens aufgestellten Kollokationsplan<br />
gebunden 227 . Es wird kein neuer Kollokationsplan aufgestellt<br />
228 .<br />
Dabei gilt es folgendes zu beachten: Im Konkurs müssen<br />
bei der Kollokation grundsätzlich nur angemeldete Forde-<br />
218 Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 31.<br />
219 Art. 332 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 311 SchKG.<br />
220 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 324 SchKG.<br />
221 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 323 SchKG.<br />
222 Vgl. III.B.2.<br />
223 Fritzsche/Walder (FN 149), § 77 N 24.<br />
224 Art. 321 SchKG.<br />
225 Art. 332 Abs. 1 Satz 2 SchKG.<br />
226 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 332 SchKG N 21.<br />
227 Ludwig (FN 57), 86; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/<br />
Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21; Junod Moser/Gaillard<br />
(FN 22), Art. 321 SchKG N 7; BGE 49 III 198; missverständlich<br />
Amonn/Walther (FN 32), § 55 N 33; Wüthrich/<br />
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 28; BGE 49 III<br />
198.<br />
228 Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 343 10.3.2009 9:12:25 Uhr<br />
343
344<br />
rungen berücksichtig werden 229 ; einzig die aus dem Grundbuch<br />
ersichtlichen Forderungen sind von Amtes wegen zu<br />
berücksichtigen 230 . Demgegenüber besteht beim Nachlassvertrag<br />
mit Vermögensabtretung (ausser Konkurs) die Pfl icht,<br />
bei der Kollokation auch sämtliche Forderungen von Amtes<br />
wegen zu berücksichtigen, welche sich aus den Geschäftsbüchern<br />
des Nachlassschuldners ergeben 231 . Trotz des Verweises<br />
in Art. 332 Abs. 3 Satz 1 SchKG auf die Bestimmung<br />
beim Liquidationsvergleich ausser Konkurs müssen u.E.<br />
Geschäftsbuchforderungen nicht von Amtes wegen berücksichtigt<br />
werden 232 . Da die Kollokation unter dem Regime des<br />
Konkursrechts erfolgte und aus Gründen der Verfahrensökonomie<br />
für den Liquidationsvergleich übernommen wird, ist<br />
es nicht gerechtfertigt, die Geschäftsbuchgläubiger besser zu<br />
stellen als andere Gläubiger, welche ihre Forderungen nicht<br />
anmelden.<br />
3. Schicksal hängiger Kollokationsprozesse<br />
Ist beim Liquidationsvergleich der im vorangehenden Konkursverfahren<br />
erstellte Kollokationsplan massgebend 233 , so<br />
sind folgerichtig auch hängige Kollokationsprozesse weiterzuführen.<br />
Sowohl die Liquidatoren (als Vertreter der beklagten<br />
Masse beim positiven Kollokationsprozess) als auch die<br />
Wegweisungskläger (beim negativen Kollokationsprozess)<br />
agieren aus dem Recht der Masse. Diese mutiert infolge der<br />
Bestätigung des Nachlassvertrages von der Konkurs- zur<br />
Nachlassmasse. Dies stellt jedoch keinen Rechtsübergang<br />
dar. Die Mutation ändert auch nichts am Rechtsschutzinteresse<br />
der Parteien des Kollokationsprozesses.<br />
Die Liquidatoren bzw. die Nachlassmasse treten an Stelle<br />
der Konkursverwaltung bzw. der Konkursmasse in den positiven<br />
Kollokationsprozess ein 234 . Es fi ndet u.E. von Bundesrechts<br />
wegen ein Parteiwechsel i.w.S. statt, welcher unbesehen<br />
der Bestimmungen der anwendbaren Prozessordnung<br />
zum Parteiwechsel zulässig ist 235 . Auch der Wegweisungsprozess<br />
bleibt u.E. von der Bestätigung des Liquidationsvergleichs<br />
bzw. vom Konkurswiderruf unberührt.<br />
229 Art. 244 Abs. 1 SchKG.<br />
230 Art. 246 SchKG.<br />
231 Art. 321 SchKG.<br />
232 So auch Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 31.<br />
233 Vgl. III.C.2.<br />
234 Ludwig (FN 57), 86; vgl. auch Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler<br />
(FN 7), Art. 332 SchKG N 21; Wüthrich/Rothenbühler<br />
(FN 7), Art. 332 SchKG N 28.<br />
235 Es verhält sich insofern ähnlich, wie wenn in einem hängigen<br />
Prozess anstelle der (vormals aufrechtstehenden) Partei die<br />
Masse in den Prozess eintritt, vgl. Adrian Staehelin/ Daniel<br />
Staehelin/Pascal Grolimund, Zivilprozessrecht, Zürich<br />
2008, § 13 N 78.<br />
Franco Lorandi/Michael Erismann<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss<br />
Art. 260 SchKG und gestützt darauf eingeleitete<br />
Prozesse<br />
Im Fall des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung muss<br />
hinsichtlich des Schicksals von im Konkurs vorgenommenen<br />
Forderungsabtretungen (Art. 260 SchKG) und gestützt darauf<br />
eingeleiteten Klagen unterschieden werden:<br />
Bei der Abtretung gemäss Art. 260 SchKG (im Konkurs)<br />
handelt es sich um eine Verwertungshandlung, wie sie ebenso<br />
beim Liquidationsvergleich möglich ist 236 . Sofern durch<br />
den Nachlassvertrag das gesamte schuldnerische Vermögen<br />
abgetreten wird und die Abtretung dieses Vermögens nicht<br />
an einen Einzelnen erfolgt 237 , besteht kein Grund, die Forderungsabtretung<br />
dahinfallen zu lassen. Die konkursrechtliche<br />
Grundlage wird durch die nachlassrechtliche substituiert.<br />
Weder muss die Abtretung im Konkursverfahren widerrufen,<br />
noch muss durch die Liquidatoren eine neue Abtretungsverfügung<br />
erlassen werden.<br />
Dementsprechend fallen auch gestützt auf die Abtretung<br />
angehobene Klagen nicht dahin. Die Abtretung und die gestützt<br />
darauf eingeleiteten Prozesse überdauern den Übergang<br />
vom Konkurs zum Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />
unberührt.<br />
Handelt es sich bei der nach Art. 260 SchKG abgetretenen<br />
Forderung hingegen um einen strittigen Anspruch, in Bezug<br />
auf welchen der Gläubigergesamtheit im Liquidationsvergleich<br />
das Verfügungsrecht nicht eingeräumt worden ist 238 ,<br />
so fällt der Anspruch an den Nachlassschuldner zurück 239 .<br />
Es gilt damit dasselbe wie beim Dividendenvergleich: Die<br />
bestrittene Forderung ist diesfalls nicht Teil der Nachlassmasse;<br />
der Abtretungsgläubiger kann nicht mehr aus deren<br />
Recht agieren. Dasselbe gilt, wenn der strittige Anspruch, in<br />
Bezug auf welchen eine Abtretung gemäss Art. 260 SchKG<br />
erfolgt ist, im Nachlassvertrag an einen Dritten (und nicht an<br />
die Gläubigergesamtheit) übertragen wird 240 . In beiden Fällen<br />
fällt die Abtretung nach Art. 260 SchKG dahin.<br />
Hingegen ist u.E. auch in diesen Fällen ein Parteiwechsel<br />
nach Massgabe des anwendbaren Prozessrechts durchaus<br />
möglich und sinnvoll: Voraussetzung ist jedoch, dass es sich<br />
um eine rein materiellrechtliche Streitigkeiten handelt 241 . Je<br />
nach Konstellation kann somit der Nachlassschuldner oder<br />
der einzelne Abtretungsgläubiger in den Prozess eintreten.<br />
Bei rein betreibungsrechtlichen Klagen und bei betreibungsrechtlichen<br />
Klagen mit Refl exwirkung auf das materielle<br />
Recht besteht eine solche Möglichkeit dagegen nicht 242 .<br />
236 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 325 SchKG.<br />
237 Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.<br />
238 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 317 Abs. 1 SchKG.<br />
239 Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 319 SchKG N 4.<br />
240 Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.<br />
241 Vgl. III.B.4., III.B.5.<br />
242 Vgl. III.B.4.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 344 10.3.2009 9:12:25 Uhr
5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse<br />
Prozesse, welche vor Konkurseröffnung eingeleitet und<br />
deshalb zufolge Konkurs sistiert wurden 243 , werden von der<br />
Nachlassmasse weitergeführt, wenn die Liquidatoren (und je<br />
nach dessen Kompetenzen auch der Gläubigerausschuss 244 )<br />
dies so beschliessen 245 . Gleiches gilt für während des Konkursverfahrens<br />
angehobene Prozesse zwischen der Konkursmasse<br />
und Dritten.<br />
Wenn der im Prozess liegende Aktivanspruch der Masse<br />
im Nachlassvertrag einem Dritten übertragen worden ist 246 ,<br />
fi ndet eine materiellrechtliche Übertragung des Anspruchs<br />
statt. Soweit das massgebliche Prozessrecht in diesen Fällen<br />
einen Parteiwechsel zulässt 247 , kann der Dritte in den Prozess<br />
eintreten. Entsprechendes muss für den Nachlassschuldner<br />
gelten, wenn der streitgegenständliche Anspruch vom Nachlassvertrag<br />
mit Vermögensabtretung ausgenommen wird, so<br />
dass er an den Nachlassschuldner zurückfällt.<br />
Prozesse, für welche der Konkurs eine Voraussetzung<br />
darstellt (wie etwa Verantwortlichkeitsklagen der Gesellschaftsgläubiger<br />
248 ), können trotz Widerruf des Konkurses<br />
weitergeführt werden 249 ; die Genehmigung eines Nachlassvertrages<br />
mit Vermögensabtretung wird einem Konkurs<br />
gleichgesetzt 250 . Voraussetzung ist auch diesbezüglich, dass<br />
der Anspruch der Gläubigergesamtheit im Nachlassvertrag<br />
abgetreten worden ist.<br />
243 Art. 207 SchKG.<br />
244 Art. 318 Abs. 1 Ziff. 2, Art. 320 Abs. 1 SchKG.<br />
245 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />
Art. 319 SchKG N 37.<br />
246 Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.<br />
247 Vgl. III.B.4 in fi ne.<br />
248 Art. 757 OR.<br />
249 Hunkeler (FN 5), Rz. 1099.<br />
250 Peter Widmer/Dieter Gericke/Stefan Waller, in: Heinrich<br />
Honsell/Peter Nedim Vogt/Rolf Watter (Hrsg.), Basler<br />
Kommentar zum Schweizerischen Priavtrecht, Obligationenrecht<br />
II (OR 530–1186), 3. A., Basel 2008, Art. 757 OR N 3;<br />
BGE 65 II 4 f.<br />
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Le concordat dans la procédure de faillite donne lieu à un passage<br />
de la procédure de faillite à la procédure concordataire.<br />
Les règles relatives au concordat hors de la faillite ne peuvent<br />
dès lors pas s’appliquer sans autre au concordat dans la procédure<br />
de faillite qui n’est que partiellement réglé dans la loi. Par<br />
ailleurs, il convient de distinguer le concordat-dividende et le<br />
concordat par abandon d’actif.<br />
Il existe notamment des particularités concernant l'assemblée<br />
des créanciers, le calcul des seuils d'approbation, la garantie<br />
du dividende concordataire et le droit au dividende.<br />
Dans ce cadre, l'importance de la collocation dans la faillite est<br />
plus ou moins prononcée. Finalement, l’homologation d’un<br />
concordat dans la procédure de faillite entraîne des conséquences<br />
sur les cessions selon l’art. 260 LP ainsi que sur les<br />
procès engagés sur cette base et d’autres procès. Le présent<br />
article offre un aperçu de la procédure de concordat dans la<br />
faillite et traite de manière approfondie certaines particularités<br />
qui en découlent.<br />
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 345 10.3.2009 9:12:25 Uhr<br />
345
346<br />
Stand / Etat: 17. Februar 2009 / 17 février 2009<br />
1. Verfassungs- und Verwaltungsrecht /<br />
Droit constitutionnel et administratif<br />
1.2. Staatsorganisation und Behörden /<br />
Organisation de l’Etat et autorités<br />
• Bundesgesetz über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz,<br />
ParlG) (Geschäftsbericht des Bundesrates) vom<br />
13. Dezember 2002 (SR 171.10). AS 2009 697.<br />
Loi sur l’Assemblée fédérale (Loi sur le Parlement, LParl)<br />
(Rapport de gestion du Conseil fédéral) du 13 décembre<br />
2002 (RS 171.10). RO 2009 697.<br />
Änderungserlass mit Themenangabe vom 3. Oktober 2008. Inkrafttreten<br />
am 1. März 2009.<br />
Die Änderung betrifft die Regelung zur Vertretung des bundesrätlichen<br />
Geschäftsberichts vor dem Parlament.<br />
• Geschäftsreglement des Nationalrates (GRN) (Geschäftsbericht<br />
des Bundesrates) vom 3. Oktober 20<strong>03</strong> (SR 171.13).<br />
AS 2009 699.<br />
Règlement du Conseil national (RCN) (Rapport de gestion<br />
du Conseil fédéral) du 3 octobre 20<strong>03</strong> (RS 171.13). RO<br />
2009 699.<br />
Änderungserlass mit Themenangabe vom 19. Dezember 2008.<br />
Inkrafttreten am 1. März 2009.<br />
Die Änderung betrifft die Regelung zur Vertretung des bundesrätlichen<br />
Geschäftsberichts vor dem Nationalrat.<br />
1.8. Landesverteidigung. Militärrecht. Notstand /<br />
Défense nationale. Droit militaire. Etat de<br />
nécessité<br />
• Militärstrafgesetz und Militärstrafprozess (Korrekturen<br />
infolge der Revision des AT MStG und weitere Anpassungen)<br />
vom 3. Oktober 2008. AS 2009 701.<br />
Code pénal militaire et procédure pénale militaire (Modifi -<br />
cations découlant de la nouvelle PG CPM et autres adaptations)<br />
du 3 octobre 2008. RO 2009 701.<br />
Anpassungserlass. Inkrafttreten am 1. März 2009.<br />
Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert:<br />
– SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (Änderung per<br />
1. März 2009).<br />
– SR 322.1 Militärstrafprozess vom 23. März 1979 (Änderung<br />
per 1. März 2009).<br />
1.12. Abgaben- und Finanzrecht /<br />
Finances et droit fi scal<br />
1.12.8. Öffentliche Finanzen / Finances publiques<br />
• Verordnung des EFD über die Ausfuhrbeitragsansätze für<br />
landwirtschaftliche Grundstoffe vom 27. Januar 2005 (SR<br />
632.111.723.1). AS 2009 377.<br />
Ordonnance du DFF sur les taux des contributions à<br />
l’exportation de produits agricoles de base du 27 janvier<br />
2005 (RS 632.111.723.1). RO 2009 377.<br />
Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Chronik der Rechtsetzung<br />
Législation<br />
Dr. iur. HSG Daniel Füllemann, St. Gallen<br />
Änderung des Inhalts vom 13. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
1. Dezember 2008.<br />
• Verordnung des EFD über die Ausfuhrbeitragsansätze für<br />
landwirtschaftliche Grundstoffe vom 27. Januar 2005 (SR<br />
632.111.723.1). AS 2009 381.<br />
Ordonnance du DFF sur les taux des contributions à<br />
l’exportation de produits agricoles de base du 27 janvier<br />
2005 (RS 632.111.723.1). RO 2009 381.<br />
Änderung des Inhalts vom 13. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
1. Januar 2009.<br />
• Verordnung des EFD über Zollerleichterungen für Waren<br />
je nach Verwendungszweck (Zollerleichterungsverordnung,<br />
ZEV) vom 4. April 2007 (SR 631.012). AS 2009 579.<br />
Ordonnance du DFF sur les marchandises bénéfi ciant<br />
d’allégements douaniers selon leur emploi (Ordonnance<br />
sur les allégements douaniers, OADou) du 4 avril 2007 (RS<br />
631.012). RO 2009 579.<br />
Änderung des Inhalts vom 30. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
1. Februar 2009.<br />
• Verordnung des EFD über die anwendbaren beweglichen<br />
Teilbeträge bei der Einfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten<br />
vom 27. Januar 2005 (SR 632.111.722.1).<br />
AS 2009 473.<br />
Ordonnance du DFF concernant les éléments mobiles applicables<br />
à l’importation de produits agricoles transformés<br />
du 27 janvier 2005 (RS 632.111.722.1). RO 2009 473.<br />
Änderung des Inhalts vom 26. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
1. Februar 2009.<br />
1.13. Wirtschaftsverwaltungsrecht /<br />
Droit économique administratif<br />
S. 3.10. / V. 3.10.<br />
1.15. Land- und Forstwirtschaft /<br />
Droit rural et culture, exploitation forestière<br />
• Verordnung über die zweite Teilinkraftsetzung der Änderung<br />
vom 15. November 2006 der Tierseuchenverordnung<br />
vom 29. Oktober 2008. AS 2009 559.<br />
Ordonnance concernant la deuxième partie de la mise<br />
en vigueur de la modifi cation du 15 novembre 2006 de<br />
l’ordonnance sur les épizooties du 29 octobre 2008. RO<br />
2009 559.<br />
Berichtigung vom 3. Februar 2009. Inkrafttreten am 1. Januar<br />
2009.<br />
Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert:<br />
– SR 916.351.0 Milchqualitätsverordnung vom 23. November<br />
2005 (Änderung per 1. Januar 2009).<br />
• Verordnung des BLW über die Festlegung von Perioden<br />
und Fristen sowie die Freigabe von Zollkontingentsteilmengen<br />
für die Einfuhr von frischem Gemüse, frischem Obst<br />
und von frischen Schnittblumen (VE<strong>AG</strong>OG-Freigabeverordnung)<br />
vom 12. Januar 2000 (SR 916.121.100). AS 2009<br />
717.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 346 10.3.2009 9:12:26 Uhr
Ordonnance de l’OF<strong>AG</strong> sur la fi xation des périodes et des<br />
délais ainsi que sur l’autorisation de parties de contingent<br />
tarifaire de légumes frais, de fruits frais et de fl eurs coupées<br />
fraîches (Ordonnance sur l’autorisation des importations<br />
relative à l’OIELFP) du 12 janvier 2000 (RS 916.121.100).<br />
RO 2009 717.<br />
Änderung des Inhalts vom 1. Februar 2009. Inkrafttreten am<br />
6. Januar 2009.<br />
• Allgemeine Verordnung über die Einfuhr von landwirtschaftlichen<br />
Erzeugnissen (Agrareinfuhrverordnung, AEV)<br />
vom 7. Dezember 1998 (SR 916.01). AS 2009 485.<br />
Ordonnance générale sur l’importation de produits agricoles<br />
(Ordonnance sur les importations agricoles, OIAgr) du<br />
7 décembre 1998 (RS 916.01). RO 2009 485.<br />
Änderung des Inhalts vom 23. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
1. Februar 2009.<br />
• Verordnung des BVET über Impfungen gegen die Blauzungenkrankheit<br />
im Jahr 2009 vom 14. Januar 2009 (SR<br />
916.401.348.2). AS 2009 455.<br />
Ordonnance de l’OVF concernant la vaccination contre la<br />
fi èvre catarrhale du mouton en 2009 du 14 janvier 2009 (RS<br />
916.401.348.2). RO 2009 455.<br />
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />
• Allgemeine Verordnung über die Einfuhr von landwirtschaftlichen<br />
Erzeugnissen (Agrareinfuhrverordnung, AEV)<br />
vom 7. Dezember 1998 (SR 916.01). AS 2009 483.<br />
Ordonnance générale sur l’importation de produits agricoles<br />
(Ordonnance sur les importations agricoles, OIAgr) du<br />
7 décembre 1998 (RS 916.01). RO 2009 483.<br />
Änderung des Inhalts vom 22. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
3. Februar 2009.<br />
• Tierseuchenverordnung (TSV) vom 27. Juni 1995 (SR<br />
916.401). AS 2009 581.<br />
Ordonnance sur les épizooties (OFE) du 27 juin 1995 (RS<br />
916.401). RO 2009 581.<br />
Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
1. März 2009.<br />
Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert:<br />
– SR 916.404.2 Verordnung über die Gebühren für den Tierverkehr<br />
vom 16. Juni 2006 (Änderung per 1. März 2009).<br />
1.16. Energie- und Umweltrecht /<br />
Energie et environnement<br />
• Bundesbeschluss über die Kompensation der CO2-Emissionen<br />
von Gaskombikraftwerken vom 23. März 2007 (SR<br />
641.72). AS 2009 385.<br />
Arrêté fédéral concernant la compensation des émissions<br />
de CO2 des centrales à cycles combinés alimentées au gaz<br />
du 23 mars 2007 (RS 641.72). RO 2009 385.<br />
Änderung des Inhalts vom 3. Oktober 2008. Inkrafttreten am<br />
1. Januar 2009.<br />
Der Bundesbeschluss bleibt in Kraft, bis die Kompensation der<br />
CO2-Emissionen von Gaskombikraftwerken im CO2-Gesetz vom<br />
Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
8. Oktober 1999 geregelt ist, längstens aber bis zum 31. Dezember<br />
2010.<br />
1.17. Kommunikationsrecht /<br />
Droit de la communication<br />
• Verordnung des UVEK über Fernmeldeanschlüsse ausserhalb<br />
des Siedlungsgebiets vom 15. Dezember 1997 (SR<br />
784.101.12). AS 2009 477.<br />
Ordonnance du DETEC sur les raccordements de télécommunication<br />
situés hors des zones habitées du 15 décembre<br />
1997 (RS 784.101.12). RO 2009 477.<br />
Änderung des Inhalts vom 23. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
15. Februar 2009.<br />
• Verordnung des Bundesamtes für Kommunikation über<br />
Fernmeldedienste und Adressierungselemente vom 9. Dezember<br />
1997 (SR 784.101.113). AS 2009 715.<br />
Ordonnance de l’Offi ce fédéral de la communication sur les<br />
services de télécommunication et les ressources d’adressage<br />
du 9 décembre 1997 (RS 784.101.113). RO 2009 715.<br />
Änderung des Inhalts vom 10. Februar 2009. Inkrafttreten am<br />
1. März 2009.<br />
1.18. Transport- und Verkehrsrecht /<br />
Droit des transports et de trafi c<br />
• Ausführungsbestimmungen zur Verordnung über die Abgasemissionen<br />
von Schiffsmotoren auf schweizerischen Gewässern<br />
(AB-SAV) vom 9. Januar 2009 (SR 747.201.31).<br />
AS 2009 387.<br />
Dispositions d’exécution de l’ordonnance sur les prescriptions<br />
relatives aux gaz d’échappement des moteurs de bateaux<br />
dans les eaux suisses (DE-OEMB) du 9 janvier 2009<br />
(RS 747.201.31). RO 2009 387.<br />
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />
Vorheriger Erlass: Ausführungsbestimmungen zur Verordnung<br />
über die Abgasemissionen von Schiffsmotoren auf schweizerischen<br />
Gewässern vom 14. August 1997 (Aufhebung per 1. Februar<br />
2009).<br />
1.19. Sozial- und Sozialversicherungsrecht /<br />
Droit social et droit des assurances sociales<br />
• Verordnung über die Einschränkung der Zulassung von<br />
Leistungserbringern zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen<br />
Krankenpfl egeversicherung vom 3. Juli 2002 (SR<br />
832.1<strong>03</strong>). AS 2009 453.<br />
Ordonnance sur la limitation de l’admission des fournisseurs<br />
de prestations à pratiquer à la charge de l’assurancemaladie<br />
obligatoire du 3 juillet 2002 (RS 832.1<strong>03</strong>). RO<br />
2009 453.<br />
Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
1. Februar 2009.<br />
1.21. Öffentliches Dienstrecht / Fonction publique<br />
• Personalverordnung des Bundesgerichts (PVBger) vom<br />
27. August 2001 (SR 172.220.114). AS 2009 353.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 347 10.3.2009 9:12:26 Uhr<br />
347
348<br />
Ordonnance sur le personnel du Tribunal fédéral (OPersTF)<br />
du 27 août 2001 (RS 172.220.114). RO 2009 353.<br />
Änderung des Inhalts vom 23. Dezember 2008. Inkrafttreten am<br />
1. Januar 2009.<br />
• Verordnung des EFD über Optimierungen im Lohnsystem<br />
des Bundespersonals vom 20. Januar 2009. AS 2009 351.<br />
Ordonnance du DFF sur l’optimisation du système salarial<br />
du personnel fédéral du 20 janvier 2009. RO 2009 351.<br />
Änderungserlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />
Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert:<br />
– SR 172.220.111.31 Verordnung des EFD zur Bundespersonalverordnung<br />
vom 6. Dezember 2001 (Änderung per 1. Februar<br />
2009).<br />
– SR 172.220.111.71 Verordnung des EFD über die Personalbeurteilung<br />
und den Lohn des Personals der Reinigungsdienste<br />
vom 22. Mai 2002 (Änderung per 1. Februar 2009).<br />
1.25. Forschungsrecht, Bildungs- und<br />
Erziehungsrecht /<br />
Droit de recherche, formation<br />
et éducation<br />
• Verordnung über die berufl iche Grundbildung Korb- und<br />
Flechtwerkgestalterin/Korb- und Flechtwerkgestalter mit<br />
eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom 5. Dezember<br />
2008 (SR 412.101.221.00). AS 2009 369.<br />
Ordonnance sur la formation professionnelle initiale vannière<br />
créatrice/vannier créateur avec certifi cat fédéral de<br />
capacité (CFC) du 5 décembre 2008 (RS 412.101.221.00).<br />
RO 2009 369.<br />
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Januar 2009.<br />
• Verordnung über die berufl iche Grundbildung Küferin/<br />
Küfer mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom<br />
5. Dezember 2008 (SR 412.101.221.01). AS 2009 371.<br />
Ordonnance sur la formation professionnelle initiale tonnelière/tonnelier<br />
avec certifi cat fédéral de capacité (CFC) du<br />
5 décembre 2008 (RS 412.101.221.01). RO 2009 371.<br />
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Januar 2009.<br />
• Verordnung über die berufl iche Grundbildung Drucktechnologin/Drucktechnologe<br />
mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis<br />
(EFZ) vom 28. November 2008 (SR<br />
412.101.221.<strong>03</strong>). AS 2009 375.<br />
Ordonnance sur la formation professionnelle initiale technologue<br />
en impression avec certifi cat fédéral de capacité<br />
(CFC) du 28 novembre 2008 (RS 412.101.221.<strong>03</strong>). RO<br />
2009 375.<br />
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Januar 2009.<br />
• Verordnung über die berufl iche Grundbildung Bühnentänzerin/Bühnentänzer<br />
mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis<br />
(EFZ) vom 1. Dezember 2008 (SR 412.101.221.02). AS<br />
2009 373.<br />
Ordonnance sur la formation professionnelle initiale danseuse<br />
interprète/danseur interprète avec certifi cat fédéral de<br />
Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
capacité (CFC) du 1 er décembre 2008 (RS 412.101.221.02).<br />
RO 2009 373.<br />
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />
• Verordnung über die berufl iche Grundbildung Anlagenführerin/Anlagenführer<br />
mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis<br />
(EFZ) vom 12. Dezember 2008 (SR<br />
412.101.221.04). AS 2009 563.<br />
Ordonnance sur la formation professionnelle initiale opératrice<br />
de machines automatisées/opérateur de machines<br />
automatisées avec certifi cat fédéral de capacité (CFC) du<br />
12 décembre 2008 (RS 412.101.221.04). RO 2009 563.<br />
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />
1.28. Übriges Verwaltungsrecht /<br />
Autres domaines du droit administratif<br />
• Verordnung über Massnahmen gegenüber der Demokratischen<br />
Republik Kongo vom 22. Juni 2005 (SR<br />
946.231.12). AS 2009 459.<br />
Ordonnance instituant des mesures à l’encontre de la République<br />
démocratique du Congo du 22 juin 2005 (RS<br />
946.231.12). RO 2009 459.<br />
Änderung des Inhalts vom 16. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
27. Januar 2009.<br />
• Verordnung über den Schutz vor gefährlichen Stoffen<br />
und Zubereitungen (Chemikalienverordnung, ChemV) vom<br />
18. Mai 2005 (SR 813.11). AS 2009 401.<br />
Ordonnance sur la protection contre les substances et les<br />
préparations dangereuses (Ordonnance sur les produits<br />
chimiques, OChim) du 18 mai 2005 (RS 813.11). RO 2009<br />
401.<br />
Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
1. Februar 2009.<br />
Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert:<br />
– SR 813.12 Verordnung über das Inverkehrbringen von und den<br />
Umgang mit Biozidprodukten vom 18. Mai 2005 (Änderung<br />
per 1. Februar 2009).<br />
– SR 814.81 Verordnung zur Reduktion von Risiken beim Umgang<br />
mit bestimmten besonders gefährlichen Stoffen, Zubereitungen<br />
und Gegenständen vom 18. Mai 2005 (Änderung per<br />
1. Februar 2009).<br />
– SR 916.161 Verordnung über das Inverkehrbringen von Pfl anzenschutzmitteln<br />
vom 18. Mai 2005 (Änderung per 1. Februar<br />
2009).<br />
• Verordnung des EDI über die Einstufung und Kennzeichnung<br />
von Stoffen vom 28. Juni 2005 (SR 813.112.12). AS<br />
2009 443.<br />
Ordonnance du DFI sur la classifi cation et l’étiquetage offi<br />
ciels des substances du 28 juin 2005 (RS 813.112.12). RO<br />
2009 443.<br />
Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am<br />
1. Februar 2009.<br />
• Verordnung des EDI über die erforderliche Sachkenntnis<br />
zur Abgabe besonders gefährlicher Stoffe und Zube-<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 348 10.3.2009 9:12:26 Uhr
eitungen vom 28. Juni 2005 (SR 813.131.21). AS 2009<br />
445.<br />
Ordonnance du DFI sur les connaissances techniques<br />
requises pour la remise des substances et des préparations<br />
particulièrement dangereuses du 28 juin 2005 (RS<br />
813.131.21). RO 2009 445.<br />
Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am<br />
1. Februar 2009.<br />
• Verordnung des EDI über die Fachbewilligung für die Desinfektion<br />
des Badewassers in Gemeinschaftsbädern (VFB-<br />
DB) vom 28. Juni 2005 (SR 814.812.31). AS 2009 447.<br />
Ordonnance du DFI relative au permis pour l’emploi des<br />
désinfectants pour l’eau des piscines publiques (OPer-D)<br />
du 28 juin 2005 (RS 814.812.31). RO 2009 447.<br />
Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am<br />
1. Februar 2009.<br />
• Verordnung des EDI über die Fachbewilligung für die<br />
allgemeine Schädlingsbekämpfung (VFB-S) vom 28. Juni<br />
2005 (SR 814.812.32). AS 2009 449.<br />
Ordonnance du DFI relative au permis pour l’emploi<br />
des pesticides en général (OPer-P) du 28 juin 2005 (RS<br />
814.812.32). RO 2009 449.<br />
Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am<br />
1. Februar 2009.<br />
• Verordnung des EDI über die Fachbewilligung für die<br />
Schädlingsbekämpfung mit Begasungsmitteln (VFB-B)<br />
vom 28. Juni 2005 (SR 814.812.33). AS 2009 451.<br />
Ordonnance du DFI relative au permis pour l’emploi des<br />
fumigants (OPer-Fu) du 28 juin 2005 (RS 814.812.33). RO<br />
2009 451.<br />
Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am<br />
1. Februar 2009.<br />
• Verordnung des B<strong>AG</strong> über die Aufnahme von Wirkstoffen<br />
in die Liste I der Wirkstoffe zur Verwendung in Biozidprodukten<br />
nach Anhang 1 der Biozidprodukteverordnung<br />
vom 26. Januar 2009. AS 2009 479.<br />
Ordonnance de l’OFSP sur l’inscription des substances<br />
actives dans la liste I des substances actives pour inclusion<br />
dans les produits biocides selon l’annexe 1 de<br />
l’ordonnance sur les produits biocides du 26 janvier 2009.<br />
RO 2009 479.<br />
Änderungserlass. Inkrafttreten am 15. Februar 2009.<br />
Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert:<br />
– SR 813.12 Verordnung über das Inverkehrbringen von und den<br />
Umgang mit Biozidprodukten vom 18. Mai 2005 (Änderung<br />
per 15. Februar 2009).<br />
• Tierschutzverordnung (TSchV) vom 23. April 2008 (SR<br />
455.1). AS 2009 565.<br />
Ordonnance sur la protection des animaux (OPAn) du<br />
23 avril 2008 (RS 455.1). RO 2009 565.<br />
Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
1. März 2009.<br />
Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
3. Wirtschaftsrecht / Droit économique<br />
3.5. Wettbewerbsrecht – allgemein /<br />
Droit de la concurrence – en général<br />
• Geschäftsreglement der Wettbewerbskommission vom<br />
1. Juli 1996 (SR 251.1). AS 2009 355.<br />
Règlement interne de la Commission de la concurrence du<br />
1er juillet 1996 (RS 251.1). RO 2009 355.<br />
Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
1. Februar 2009.<br />
3.10. Wirtschaftsverwaltungsrecht /<br />
Droit économique administratif<br />
• Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen<br />
der Groupe d’action fi nancière vom 3. Oktober<br />
2008. AS 2009 361.<br />
Loi fédérale sur la mise en œuvre des recommandations révisées<br />
du Groupe d’action fi nancière du 3 octobre 2008. RO<br />
2009 361.<br />
Änderungserlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />
Die Massnahmen zur Geldwäschereibekämpfung bewegen sich<br />
in einem normativen Umfeld, das stetig an die Entwicklungen der<br />
internationalen Wirtschafts- und Finanzkriminalität anzupassen<br />
ist. Die Gesetzesänderungen betreffen und bezwecken insbesondere<br />
die Ausweitung des GwG auf die Terrorismusfi nanzierung,<br />
die Verbesserung der Wirksamkeit des Meldesystems, die<br />
Aufnahme von Vortaten der Geldwäscherei ins schweizerische<br />
Recht, die Systematisierung und Verankerung der aktuellen Praxis<br />
der Sorgfaltspfl ichten, die Anpassung der Bestimmungen zur<br />
Rechtshilfe sowie die Unterstützung der Zollverwaltung bei der<br />
Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfi nanzierung.<br />
Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert:<br />
– SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember<br />
1937 (Änderung per 1. Februar 2009).<br />
– SR 313.0 Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht vom<br />
22. März 1974 (Änderung per 1. Februar 2009).<br />
– SR 351.1 Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in<br />
Strafsachen vom 20. März 1981 (Änderung per 1. Februar<br />
2009).<br />
– SR 955.0 Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geldwäscherei<br />
und der Terrorismusfi nanzierung im Finanzsektor vom<br />
10. Oktober 1997 (Änderung per 1. Februar 2009).<br />
– SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (Änderung per 1. Februar<br />
2009).<br />
• Verordnung über die Kontrolle des grenzüberschreitenden<br />
Barmittelverkehrs vom 11. Februar 2009 (SR 631.052). AS<br />
2009 709.<br />
Ordonnance sur le contrôle du trafi c transfrontière de<br />
l’argent liquide du 11 février 2009 (RS 631.052). RO 2009<br />
709.<br />
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. März 2009.<br />
Diese Verordnung regelt die durch die Eidgenössische Zollverwaltung<br />
(EZV) vorgenommene Kontrolle des grenzüberschreitenden<br />
Barmittelverkehrs zur Bekämpfung der Geldwäscherei<br />
und der Terrorismusfi nanzierung und stützt sich auf den durch<br />
das neue Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfeh-<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 349 10.3.2009 9:12:27 Uhr<br />
349
350<br />
lungen der Groupe d’action fi nancière vom 3. Oktober 2008 geänderten<br />
Art. 95 Zollgesetz.<br />
Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert:<br />
– SR 631.061 Verordnung über die Bearbeitung von Personendaten<br />
in der Eidgenössischen Zollverwaltung vom 4. April<br />
2007 (Änderung per 1. März 2009).<br />
• Verordnung über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagenverordnung,<br />
KKV) vom 22. November 2006 (SR<br />
951.311). AS 2009 719.<br />
Ordonnance sur les placements collectifs de capitaux (Ordonnance<br />
sur les placements collectifs, OPCC) du 22 novembre<br />
2006 (RS 951.311). RO 2009 719.<br />
Änderung des Inhalts vom 28. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />
1. März 2009.<br />
3.11. Landwirtschaftsrecht / Droit rural<br />
Zum Land- und Forstwirtschaft s. 1.15. / Pour le droit rural<br />
et culture, exploitation forestière v. 1.15.<br />
3.12. Europäisches Wirtschaftsrecht /<br />
Droit économique européen<br />
S. 8.11.3. / V. 8.11.3.<br />
7. Strafrecht / Droit pénal<br />
7.3. Strafrecht – Besonderer Teil – allgemein /<br />
Droit pénal – Partie spéciale – en général<br />
7.3.5. Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität<br />
/ Infractions contre l’intégrité sexuelle<br />
• Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft<br />
(BV) vom 18. April 1999 (SR 101). AS 2009 471.<br />
Constitution fédérale de la Confédération suisse (Cst.) du<br />
18 avril 1999 (RS 101). RO 2009 471.<br />
Änderung des Inhalts vom 13. Juni 2008. Inkrafttreten am<br />
30. November 2008.<br />
Diese Verfassungsänderung (Einführung der Unverjährbarkeit<br />
der Strafverfolgung und der Strafe bei sexuellen und bei pornografi<br />
schen Straftaten an Kindern vor der Pubertät) ist von Volk<br />
und Ständen am 30. November 2008 angenommen worden und<br />
damit in Kraft getreten.<br />
7.3.19. Einziehung, Geldwäscherei, mangelhafte Sorgfalt<br />
bei Finanzgeschäften und Melderecht /<br />
Confi scation, blanchiment d’argent, manque<br />
de diligence dans (l’éxécution) des opérations<br />
fi nancières et droit de communication<br />
• Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen<br />
der Groupe d’action fi nancière vom 3. Oktober<br />
2008. AS 2009 361.<br />
Loi fédérale sur la mise en œuvre des recommandations révisées<br />
du Groupe d’action fi nancière du 3 octobre 2008. RO<br />
2009 361.<br />
Änderungserlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />
Für weitere Informationen zu diesem Erlass s. 3.10.<br />
Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
7.8. Strafrecht international /<br />
Droit pénal international<br />
7.8.3. Völkerstrafrecht, internationaler Gerichtshof /<br />
Droit pénal international public, cour international<br />
de justice<br />
S. 8.13. / V. 8.13.<br />
8. Völkerrecht und Europarecht /<br />
Droit international public et droit européen<br />
8.11. Europäisches Wirtschaftsrecht /<br />
Droit économique européen<br />
8.11.3. Handelsrecht, Wertpapierrecht /<br />
Droit commercial, droit des papiers-valeurs<br />
• Beschluss Nr. 4/2007 des Rates zur Änderung der Anlage<br />
2 zu Anhang K des Übereinkommens vom 4. Januar<br />
1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation<br />
(EFTA) (Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit)<br />
(SR 0.632.31). AS 2009 605.<br />
Décision no 4/2007 du Conseil portant modifi cation de<br />
l’appendice 2 à l’annexe K de la Convention du 4 janvier<br />
1960 instituant l’Association européenne de Libre-Echange<br />
(AELE) (Coordination des systèmes de sécurité sociale)<br />
(RS 0.632.31). RO 2009 605.<br />
8.13. Internationales Strafrecht /<br />
Droit pénal international<br />
• Bundesbeschluss über die Genehmigung des Internationalen<br />
Übereinkommens zur Bekämpfung nuklearterroristischer<br />
Handlungen. AS 2009 491.<br />
Arrêté fédéral portant approbation de la Convention internationale<br />
pour la répression des actes de terrorisme nucléaire.<br />
RO 2009 491.<br />
Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Staatsvertrags.<br />
• Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung nuklearterroristischer<br />
Handlungen (SR 0.353.23). AS 2009 493.<br />
Convention internationale pour la répression des actes de<br />
terrorisme nucléaire (RS 0.353.23). RO 2009 493.<br />
Auszug aus der Botschaft:<br />
Das Übereinkommen will in erster Linie sicherstellen, dass die<br />
Vertragsstaaten innerstaatlich über effektive Strafgesetze zur<br />
Verfolgung nuklearterroristischer Handlungen verfügen. Weiter<br />
möchte es den Informationsaustausch zwischen den Vertragsstaaten<br />
zur Verhinderung und Aufdeckung solcher Handlungen verbessern<br />
sowie die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen<br />
gewährleisten. Es regelt überdies die Rückgabe beschlagnahmten<br />
Nuklearmaterials. Die Artikel 3–17 und 19–28 des Übereinkommens<br />
entsprechen weitgehend Bestimmungen anderer UNO-<br />
Übereinkommen gegen den Terrorismus, namentlich dem Übereinkommen<br />
vom 26. Oktober 1979 über den physischen Schutz<br />
von Kernmaterial sowie dem Internationalen Übereinkommen<br />
vom 15. Dezember 1997 zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge.<br />
Die Schweiz hat diese Übereinkommen bereits ratifi -<br />
ziert und die landesrechtlichen Voraussetzungen zu ihrer Umsetzung<br />
geschaffen. Das Übereinkommen gegen Nuklearterrorismus<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 350 10.3.2009 9:12:27 Uhr
enthält dementsprechend keine neuartigen Verpfl ichtungen für<br />
die Schweiz. Im Unterschied zum Übereinkommen über den physischen<br />
Schutz von Kernmaterial ist der Anwendungsbereich des<br />
Übereinkommens gegen Nuklearterrorismus weiter gefasst. So<br />
ist es nicht auf für friedliche Zwecke genutztes Kernmaterial beschränkt,<br />
das sich im internationalen Nukleartransport befi ndet.<br />
Es bestraft neben dem Missbrauch von waffenfähigem Nuklearmaterial<br />
auch die verbrecherische Verwendung von anderem radioaktivem<br />
Material, das wegen seiner Strahlung für Mensch und<br />
Umwelt gefährlich ist. Allerdings enthält das Übereinkommen<br />
gegen Nuklearterrorismus keine Verpfl ichtungen der Mitgliedstaaten,<br />
spezifi sche präventive Massnahmen zum Schutz von Nuklearanlagen<br />
und -material zu treffen. Es enthält lediglich einen<br />
Aufruf an die Staaten, die entsprechenden Empfehlungen der<br />
IAEO zum Schutz von radioaktivem Material zu berücksichtigen.<br />
Im Vergleich zum Übereinkommen gegen terroristische Bombenanschläge<br />
sind in Bezug auf das strafbare Verhalten nur geringe<br />
Unterschiede festzustellen, ist doch das Übereinkommen gegen<br />
terroristische Bombenanschläge auch anwendbar, wenn Strahlung<br />
oder radioaktive Substanzen freigesetzt, verbreitet oder zur<br />
Wirkung gebracht werden. Das Übereinkommen gegen Nuklearterrorismus<br />
erfasst zusätzlich den Besitz und die Herstellung von<br />
Nuklearmaterial zu terroristischen Zwecken sowie die Drohung,<br />
aus terroristischen Motiven Nuklearanschläge zu begehen. Das<br />
Übereinkommen verfügt im Unterschied zu anderen internationalen<br />
Abkommen nicht über einen Kontrollmechanismus mit der<br />
Pfl icht zur regelmässigen Berichterstattung oder mit Überprüfungskonferenzen.<br />
8.16. Internat. gewerblicher Rechtsschutz.<br />
Internat. Immaterialgüterrecht /<br />
Droit de la propriété industrielle international.<br />
Droit de la propriété immatérielle<br />
international<br />
• Gemeinsame Ausführungsordnung zum Madrider<br />
Abkommen über die internationale Registrierung von<br />
Marken und zum Protokoll zu diesem Abkommen (SR<br />
0.232.112.21). AS 2009 591.<br />
Règlement d’exécution commun à l’arrangement de Madrid<br />
concernant l’enregistrement international des marques et<br />
au protocole relatif à cet arrangement (RS 0.232.112.21).<br />
RO 2009 591.<br />
8.19. Öff. Gesundheitswesen. Soziale Sicherheit /<br />
Santé publique. Sécurité sociale<br />
• Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März<br />
1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG)<br />
Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen<br />
Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren<br />
Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft<br />
zu- und abwandern. In der Fassung von Anhang II zum<br />
Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft<br />
einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und<br />
ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit.<br />
Anpassung durch das Protokoll vom 26. Oktober 2004<br />
über die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf<br />
die neuen EG-Mitgliedstaaten (SR 0.831.109.268.11). AS<br />
2009 621.<br />
Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Règlement (CEE) No 574/72 du Conseil, du 21 mars 1972,<br />
fi xant les modalités d’application du règlement (CEE) no<br />
1408/71 relatif à l’application des régimes de sécurité sociale<br />
aux travailleurs salariés, aux travailleurs non salariés<br />
et aux membres de leur famille qui se déplacent à l’intérieur<br />
de la Communauté. Adapté selon l’annexe II à l’Accord<br />
sur la libre circulation des personnes entre la Suisse d’une<br />
part, et la Communauté européenne et ses Etats membres,<br />
d’autre part. Modifi é par le Protocole du 26 octobre 2004<br />
relatif à l’extension de l’Accord sur la libre circulation<br />
des personnes aux nouveaux Etats membres de la CE (RS<br />
0.831.109.268.11). RO 2009 621.<br />
8.21. Kultur. Kunst. Freizeit. Sport /<br />
Culture. Art. Loisir. Sport<br />
• Bundesbeschluss über die Genehmigung des Internationalen<br />
Übereinkommens gegen Doping im Sport. AS 2009<br />
519.<br />
Arrêté fédéral portant approbation de la Convention internationale<br />
contre le dopage dans le sport. RO 2009 519.<br />
Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Staatsvertrags.<br />
• Internationales Übereinkommen gegen Doping im Sport<br />
(SR 0.812.122.2). AS 2009 521.<br />
Convention internationale contre le dopage dans le sport<br />
(RS 0.812.122.2). RO 2009 521.<br />
Auszug aus der Botschaft:<br />
Die Konvention besteht aus 43 Artikeln, zwei integralen Anlagen<br />
und drei Anhängen. Die Konvention und die zwei Anlagen<br />
(Liste der verbotenen Substanzen und Methoden sowie ein Teil<br />
des Standards über die Gewährung von Ausnahmebewilligungen<br />
zu therapeutischen Zwecken) sind zwischenstaatlich verbindlich<br />
und haben keinen self-executing-Charakter. Der Welt-Anti-Doping-Code<br />
und die zwei Internationalen Standards für Laboratorien<br />
und für Dopingkontrollen dienen als Anhänge zur Information<br />
und sind keine integralen Bestandteile der Konvention.<br />
Bei der Ratifi zierung durch einen Staat können keine Vorbehalte<br />
(vgl. Art. 43 der Konvention) gemacht werden, die dem Ziel und<br />
Zweck der Konvention widersprechen. Die Konvention soll dazu<br />
beitragen, die Bestimmungen und Prinzipien des Welt-Anti-Doping-Codes<br />
in den Gesetzen der Vertragsparteien zu verankern.<br />
Für die Regierungen besteht dabei eine grosse Flexibilität im<br />
gewählten Ansatz. So kann die Konvention durch Gesetzgebung,<br />
Reglemente, politische Mittel oder administrative Bestimmungen<br />
umgesetzt werden. Vertragsparteien müssen Massnahmen<br />
ergreifen zur: Einschränkung der Verfügbarkeit von verbotenen<br />
Substanzen und Methoden (ausser zu legitimen medizinischen<br />
Zwecken) einschliesslich Massnahmen gegen deren Handel;<br />
Erleichterung von Dopingkontrollen im eigenen Land und zur<br />
Unterstützung des nationalen Dopingkontrollprogramms; Einstellung<br />
von fi nanziellen Beiträgen an Athletinnen und Athleten<br />
und deren Umfeld, wenn sie gegen die Dopingbestimmungen<br />
ver stossen, sowie an Sportorganisationen, die die Bestimmungen<br />
des Codes nicht erfüllen; Ermutigung von Produzenten und<br />
Vertreibern von Nahrungsergänzungsmitteln, eine «beste Praxis»<br />
bei der Beschriftung, beim Marketing und beim Vertrieb von Produkten<br />
einzuführen, die verbotene Substanzen enthalten könnten;<br />
Unterstützung der Dopingprävention für Athletinnen und Athleten<br />
und allgemein die Förderung eines sportlichen Umfeldes.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 351 10.3.2009 9:12:27 Uhr<br />
351
352<br />
8.25. Naturschätze und Energie /<br />
Ressources naturelles et énergie<br />
• Briefwechsel vom 5./20. November 2008 zwischen dem<br />
Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen<br />
Republik betreffend den Bereich und die Einzelheiten<br />
der Alarmierung und/oder der Übermittlung von<br />
Informationen im Falle von Kleinereignissen oder Unfallsituationen<br />
im Kernkraftwerk Fessenheim oder in den<br />
schweizerischen Kernkraftwerken Beznau, Gösgen, Leibstadt<br />
und Mühleberg (SR 0.732.323.491). AS 2009 515.<br />
Echange de lettres des 5/20 novembre 2008 entre le Conseil<br />
fédéral suisse et le Gouvernement de la République française<br />
concernant le domaine et les modalités de l’alerte et/<br />
ou de la transmission d’informations en cas d’événement<br />
mineur ou de situation accidentelle dans la centrale nucléaire<br />
de Fessenheim ou dans les centrales nucléaires<br />
suisses de Beznau, Gösgen, Leibstadt et Mühleberg (RS<br />
0.732.323.491). RO 2009 515.<br />
8.26. Aussenpolitik, Sicherheitspolitik und internationale<br />
Beziehungen /<br />
Politique extérieure, politique de sécurité et<br />
relations internationales<br />
• Notenaustausch vom 14. Januar 2009 zwischen der<br />
Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend<br />
die Übernahme der Entscheidung 2008/905/EG des Rates<br />
vom 27. November 2008 zur Änderung von Anlage 13 der<br />
Gemeinsamen Konsularischen Instruktion mit Hinweisen<br />
zum Ausfüllen der Visummarke (Weiterentwicklung des<br />
Schengen-Besitzstands) (SR 0.360.268.121.5). AS 2009<br />
511.<br />
Echange de notes du 14 janvier 2009 entre la Suisse et la<br />
Communauté européenne concernant la reprise de la décision<br />
du Conseil 2008/905/CE du 27 novembre 2008 modifi<br />
ant l’annexe 13 des instructions consulaires communes<br />
relative au remplissage de la vignette-visa (Développement<br />
de l’acquis Schengen) (RS 0.360.268.121.5). RO 2009 511.<br />
Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 352 10.3.2009 9:12:27 Uhr
Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />
In dieser Rubrik wird stichwortartig auf in den Wochen vor Drucklegung<br />
der <strong>AJP</strong>/PJA veröffentlichte Entscheidungen hingewiesen.<br />
Für Vollständigkeit und Exaktheit der Angaben wird keine Gewähr<br />
übernommen. Der eigentliche Inhalt kann nur durch Lektüre der<br />
Entscheidungen an der angegebenen Fundstelle erschlossen werden.<br />
Dans cette rubrique, les décisions publiées dans les semaines qui<br />
précèdent la mise sous presse de PJA/<strong>AJP</strong> sont signalées à l'aide de<br />
mots-clés. Nous n'assumons aucune garantie quant à l'intégralité<br />
et à l'exactitude des informations. Pour avoir exactement connaissance<br />
du contenu de ses décisions, veuillez vous référer aux sources<br />
mentionnées.<br />
■ Rechtsprechung des Bundes ■ Jurisprucence fédérale<br />
• Rechtsprechung der Kantone • Jurisprudence cantonale<br />
1. Verfassungs- und Verwaltungsrecht /<br />
Droit constitutionnel et administratif<br />
1.4. Grundrechte / Droits fondamentaux<br />
1.4.1. Persönliche Freiheit / Liberté personelle<br />
■ Diskriminierungsverbot. Behinderungsgerechte Prüfungsbedingungen.<br />
BV 7 Abs. 4, Behindertengesetz 2 Abs. 5. BVGE,<br />
15.7.2008 (B-7914/2007). Mit Bemerkungen von Kurt Pärli und<br />
Andreas Petrik. <strong>AJP</strong>/PJA 2009, 110.<br />
1.4.11. Verfahrensgarantien / Garanties de procédure<br />
■ EMRK/CEDH 6 Ziff. 1. BV/Cst. 29a. AHVG/LAVS 52. Überprüfung<br />
des Forderungsbetrages. Die von einer Schadenersatzforderung<br />
betroffene Person muss auf Grund der Rechtsweggarantie die<br />
Möglichkeit gehabt haben, das Massliche der Beitragsforderungen,<br />
für die sie haftbar gemacht wird, zumindest einmal bei einer Gerichtsinstanz<br />
bestreiten zu können, die den Sachverhalt frei prüft.<br />
Aus der Unternehmung ausgeschiedene frühere Organe haben bei<br />
späterer Zustellung der Beitragsverfügung keine Möglichkeit mehr,<br />
in ihrer Organeigenschaft die Beitragsverfügung anzufechten oder<br />
anfechten zu lassen, weshalb diese in ihrem Falle im Rahmen des<br />
Schadenersatzverfahrens frei überprüfbar sein muss (Präzisierung<br />
der Rechtsprechung). / Examen du montant de la créance. En raison<br />
de la garantie de l’accès au juge, la personne à qui l’on réclame la<br />
réparation du dommage résultant du non-paiement de cotisations<br />
sociales doit avoir eu la possibilité de contester au moins une fois le<br />
montant de la créance de cotisations devant une autorité judiciaire<br />
disposant d’un plein pouvoir d’examen en fait et en droit. Dans la<br />
mesure où un ancien organe de l’employeur n’a plus la possibilité<br />
d’attaquer ou de faire attaquer en qualité d’organe une décision de<br />
cotisations signifi ée ultérieurement à son départ, cette décision doit<br />
pouvoir être librement examinée dans le cadre de la procédure en<br />
réparation du dommage (précision de la jurisprudence). BGer/TF,<br />
8.10.2008 (9C_901/2007); BGE/ATF 134 V 401.<br />
■ BV 29 Abs. 3. Gilt in einem Verfahren die Untersuchungsmaxime,<br />
so lässt dies die anwaltliche Vertretung nicht ohne Weiteres als<br />
unnötig erscheinen. Abgesehen davon, dass die Untersuchungsmaxime<br />
allfällige Fehlleistungen der Behörde nicht zu verhindern vermag,<br />
ist zu bedenken, dass sie nicht unbegrenzt ist. Sie verpfl ichtet<br />
die Behörde zwar, von sich aus alle Elemente in Betracht zu ziehen,<br />
die entscheidwesentlich sind, und unabhängig von den Anträgen<br />
der Parteien Beweise zu erheben. Diese Pfl icht entbindet die Beteiligten<br />
indessen nicht davon, durch Hinweise zum Sachverhalt oder<br />
Bezeichnung von Beweisen am Verfahren mitzuwirken. Somit kann<br />
auch in Verfahren wie dem vorliegenden, die vom Untersuchungs-<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Rechtsprechungsübersicht<br />
Répertoire de jurisprudence<br />
Rebekka Keller, B. A. HSG, St. Gallen<br />
grundsatz beherrscht sind, eine anwaltliche Vertretung erforderlich<br />
sein. BGer, 24.9.2008 (1C_339/2008). Anwaltsrevue/Revue de<br />
l’avocat 2009, 29.<br />
■ Es ist nachvollziehbar, dass eine Partei von einem Richter, der<br />
sie in einem anderen Verfahren als Gegenanwalt bekämpft(e), nicht<br />
erwartet, er werde ihr plötzlich völlig unbefangen gegenübertreten,<br />
weshalb in solchen Fällen ein Anschein von Befangenheit zu bejahen<br />
ist. / On peut comprendre qu’une partie ne puisse pas considérer<br />
comme soudainement totalement impartial un juge qui l’a combattue<br />
comme avocat de la partie adverse dans une autre procédure.<br />
Il faut donc admettre une apparence de partialité dans un tel cas.<br />
BGer/TF, 6.10.2008 (5A_201/2008). Bearbeitet durch Markus<br />
Felber. SJZ/RSJ 2009, 61.<br />
1.12. Abgaben- und Finanzrecht /<br />
Finances et droit fi scal<br />
1.12.1. Einkommenssteuer und direkte Steuern –<br />
im Allgemeinen /<br />
Impôt sur le revenu et impôts directs – en général<br />
■ 32, 34 DBG/LIFD Gewinnungskosten. Unterhaltskosten. Wertvermehrende<br />
Investitionen. Mangelhafte Gartenbauarbeiten und<br />
Durchführung einer Gesamtsanierung statt Nachbesserung: Das<br />
Vorgehen der Beschwerdegegner bestätigt, dass die ursprünglichen<br />
Aufwendungen keinen Mehrwert schufen, sondern erst die Arbeiten<br />
des Jahres 2004, welche demgemäss nicht als abzugsfähige<br />
Unterhaltskosten qualifi ziert werden können. / Frais d’acquisition.<br />
Frais d’entretien; investissements entraînant une augmentation de<br />
la valeur de l’immeuble. Travaux défectueux pour l’aménagement<br />
du jardin et exécution d’un assainissement complet au lieu<br />
d’une réparation: le procédé choisi par l’intimé confi rme que les<br />
dépenses encourues à l’origine n’ont en rien augmenté la valeur de<br />
l’immeuble, au contraire de celles réalisées en 2004, qui ne peuvent<br />
par conséquent pas être considérées comme des frais d’entretien<br />
déductibles. BGer/TF, 11.12.2008 (2C.57/2008). StR/RF 2009,<br />
117.<br />
■ DBG/LIFD 33 Abs. 1 lit.a. StHG/LHID 9 Abs. 2 lit. a. Schuldzinsenabzug.<br />
Der Begriff «Schuldzinsen» in DBG 33 Abs. 1 lit. a<br />
bzw. StHG 9 Abs. 2 lit. a ist wirtschaftlich auszulegen. Vorliegend<br />
neutralisieren sich wirtschaftlich betrachtet die Wirkungen der<br />
ausgerichteten Schenkung und des gewährten Darlehens gegenseitig.<br />
Es erübrigt sich, das Vorliegen einer Steuerumgehung zu<br />
prüfen. / Déduction des intérêts passifs. Le terme «intérêts passifs»<br />
mentionné à LIFD 33 al. 1 lettre a, respectivement à LHID 9<br />
al. 2 lettre a doit être interprété d’un point de vue économique.<br />
Ici, d’un point de vue économique, les effets de la donation effectuée<br />
et du prêt accordé s’annulent l’un l’autre. Il n’est pas nécessaire<br />
d’examiner le cas sous l’angle de l’évasion fi scale. BGer/TF,<br />
19.11.2008 (2C.393/2008). StR/RF 2009, 110.<br />
■ LIFD/DBG 112. OG/OG 98a. LTF/BGG 86 cpv. 2, 130 cpv. 3.<br />
Assistenza di altre autorità in favore del fi sco. Procedura. Autorità<br />
competent. Portata dell’obbligo di collaborazione. Giurisprudenza<br />
in tema di autorità competenti ad esaminare le domande di assistenza<br />
in favore del fi sco secondo LIFD 112. Esigenze poste dagli<br />
OG 98a e LTF 86 cpv. 2. In tale ambito, se un’autorità cantonale<br />
ammette la propria competenza, il Tribunale federale deve per ora<br />
unicamente verifi care che non si sia fondata su un’interpretazione<br />
arbitraria del diritto cantonale. Portata dell’obbligo di collaborazione<br />
in virtù LIFD 112. Per quanto concerne la cernita dei documenti<br />
vanno applicati per analogia i principi validi in materia di assistenza<br />
giudiziaria internazionale, tenendo inoltre conto che nello scambio<br />
di informazioni in base LIFD 112 non si pongono problemi di<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 353 10.3.2009 9:12:28 Uhr<br />
353
354<br />
Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />
salvaguardia della sovranità nazionale e che dev’essere garantita<br />
un’ampia collaborazione tra le autorità. / Amtshilfe anderer Behörden<br />
zugunsten der Steuerbehörden. Verfahren. Zuständigkeit.<br />
Tragweite der Pfl icht zur Amtshilfe. Überblick über die Rechtsprechung<br />
zur Zuständigkeit von Behörden zur Prüfung von Ersuchen<br />
um Amtshilfe zugunsten der Steuerbehörden gemäss DBG 112.<br />
Anforderungen gemäss OG 98a und BGG 86 Abs. 2. Bejaht eine<br />
kantonale Behörde ihre Zuständigkeit, so prüft das Bundesgericht<br />
zurzeit nur, ob dies auf einer willkürlichen Auslegung des kantonalen<br />
Rechts beruht. Tragweite der Pfl icht zur Amtshilfe gemäss<br />
DBG 112. Geht es um die Ausscheidung von Dokumenten, so gelten<br />
die Grundsätze analog, die für die internationale Rechtshilfe<br />
anwendbar sind, wobei zu berücksichtigen ist, dass der auf DBG<br />
112 gestützte Informationsaustausch nicht Fragen der Gewährleistung<br />
der nationalen Souveränität aufwirft und eine umfassende<br />
Zusammenarbeit zwischen den Behörden garantiert ist. TF/BGer,<br />
28.7.2008 (2C_443/2007); DTF/BGE 134 II 318.<br />
■ Abschreibungen. Geschäftsvermögen. In der Lehre wird die Auffassung<br />
vertreten, dass die Bedeutung des zivilrechtlichen Eigentums<br />
im Vermögenssteuerbereich teilweise vom Begriff des wirtschaftlichen<br />
Eigentums abgelöst werde. Auch die handelsrechtliche<br />
Literatur stellt für die Aktivierung nicht so sehr auf das formelle<br />
Eigentum am betreffenden Vermögensgegenstand ab, sondern darauf,<br />
ob ein Vermögenswert dem Unternehmen uneingeschränkt zur<br />
Verfügung steht. Im vorliegenden Fall stellt die zur Diskussion stehende<br />
Remise eine auf lange Dauer ausgelegte Baute dar, für deren<br />
Zuordnung zwingend die zivilrechtliche Betrachtungsweise und<br />
nicht die faktische Nutzung des Gebäudes massgebend ist. / Amortissements.<br />
Fortune commerciale. Dans la doctrine, on trouve la<br />
conception selon laquelle, pour ce qui est de l’imposition de la fortune,<br />
l’importance de la propriété au sens du droit civil est en partie<br />
remplacée par la notion de propriété économique. De même, dans<br />
la littérature de droit commercial, la question de l’activation n’est<br />
pas tant résolue sur la base de la propriété formelle aux biens que<br />
celle de la disponibilité illimitée d’un bien pour l’entreprise. Dans<br />
le cas d’espèce, la remise qui fait l’objet du litige représente une<br />
construction faite pour durer, pour laquelle seul le point de vue du<br />
droit civil permet de trancher, et non son utilisation de fait. BGer/<br />
TF, 4.12.2008 (2C.379/2008). StR/RF 2009, 113.<br />
• Bei der Vermietung von Wohneigentum an Verwandte zu Vorzugsbedingungen<br />
ist nach bundesgerichtlicher Praxis eine Aufrechnung<br />
des Einkommens bis zur Höhe des Eigenmietwerts nur dann<br />
zulässig, wenn die tatsächlich erzielten Mietzinse weniger als die<br />
Hälfte des Eigenmietwerts ausmachen; in diesem Fall besteht eine<br />
widerlegbare Vermutung der Steuerumgehung. Voraussetzungen<br />
für eine Praxisänderung. Für die generelle Einkommensbesteuerung<br />
der Differenz zwischen einem unter dem Eigenmietwert liegenden<br />
Vorzugsmietzins und dem Eigenmietwert fehlt es an einer<br />
gesetzlichen Grundlage. Der Vorwurf eines starren Schematismus<br />
ist ungerechtfertigt; die Praxis hält vor dem Rechtsgleichheitsgebot<br />
stand. / Impôt sur le revenu; imposition de loyers préférentiels. En<br />
cas de location de locaux d’habitation par des proches à des conditions<br />
préférentielles, la jurisprudence du Tribunal fédéral n’autorise<br />
une correction du revenu à concurrence de la valeur locative que si<br />
le loyer effectif est inférieur à la moitié de la valeur locative; dans<br />
un tel cas, une présomption – réfragable – de fait en vue d’éluder<br />
l’impôt est admise. Conditions pour un changement de jurisprudence.<br />
Absence de base légale pour imposer de manière générale,<br />
en tant que revenu, la différence entre le loyer préférentiel inférieur<br />
à la valeur locative et cette dernière. Le reproche de schématisme<br />
rigide est injustifi é; la pratique est conforme au droit à l’égalité de<br />
traitement. VerwGer BE, 18.9.2008. BVR 2008, 543.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
1.12.2. Besteuerung juristischer Personen /<br />
Taxation des personnes juridiques<br />
■ Sociétés privilégiées. Rendements des participations. Un gain de<br />
change comptabilisé dans le compte de pertes et profi ts est un rendement<br />
de participation s’il est directement lié à un prêt à long terme<br />
octroyé à une fi liale de la société contribuable. Ce seul poste étant<br />
en l’espèce supérieur aux deux tiers des recettes, la seconde condition<br />
alternative de LIPM 22 est remplie. La recourante doit donc bénéfi<br />
cier du statut de holding pour la période litigieuse. / Privilegierte<br />
Gesellschaften. Beteiligungsertrag. Ein in der Erfolgsrechnung<br />
gebuchter Kursgewinn stellt Beteiligungsertrag dar, sofern er mit<br />
einem langfristigen an eine Tochtergesellschaft der Steuerpfl ichtigen<br />
gewährten Darlehen im unmittelbaren Zusammenhang steht.<br />
Diese Position allein macht mehr als zwei Drittel der gesamten Erträge<br />
aus. Die zweite alternative Bedingung von LIPM 22 ist deshalb<br />
erfüllt. Der Steuerpfl ichtigen muss also der Holdingstatus für<br />
die strittige Steuerperiode gewährt werden. VerwGer GE, 1.7.2008.<br />
StR/RF 2009, 17.<br />
1.12.5. Indirekte Steuern / Impôts indirectes<br />
■ MWSTG 10, 14. Dienstleistungsbezug aus dem Ausland; grenzüberschreitende<br />
Leistungen zwischen Hauptsitz und Betriebsstätte.<br />
Vorsteuerpauschale für Banken. BGer, 22.7.2008 (A-1444/2006<br />
und A-1445/2006). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF<br />
2009, 44.<br />
■ MWSTG 15a, 45a. MWSTV 28 Abs. 1, 29 Abs. 1. Vorsteuerabzug,<br />
Preisauffüllung. BGer, 27.6.2008 (A-1555/2006). Bearbeitet<br />
durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 44.<br />
■ MWSTG 36 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 und 9. Fakturierte Steuer. BGer,<br />
29.8.2008 (2C_285/2008). Bearbeitet durch Pierre Scheuner.<br />
StR/RF 2009, 39.<br />
■ MWSTGV 45a. MWSTV 5 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a. Leistungen<br />
an nahestehende Personen, Exportlieferungen, Ausfuhrbelege,<br />
Stellvertretung. BGer, 1.9.2008 (2C_582/2007). Bearbeitet durch<br />
Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 40.<br />
■ MWSTG 58 Abs. 1. MWSTV 47 Abs. 1, 48, 60. Umsatzschätzung.<br />
BGer, 30.7.2008 (2C_170/2008). Bearbeitet durch Pierre<br />
Scheuner. StR/RF 2009, 35.<br />
■ MWSTV 17. Umfang der Steuerpfl icht. BGer, 26.8.2008 (2C_<br />
694/2007). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 38.<br />
■ MWSTV 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 12. Lemma. Saldosteuersatz, Abgabe<br />
von Ess- und Trinkwaren. BGer, 23.7.2008 (2C_662/2007).<br />
Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 35.<br />
■ Lastungsaustausch, Entgelt. BGer, 3.9.2008 (2A.264/2006). Bearbeitet<br />
durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 40.<br />
■ Nichtleisten des Kostenvorschusses. BGer, 4.9.2008 (2C_<br />
552/2008). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 41.<br />
1.12.7. Andere Steuern. Abgaben und Gebühren /<br />
Autres impôts. Taxes et émoluments<br />
■ Droits d’enregistrement. Droits d’enregistrement perçus sur une<br />
donation mixte. L’obligation de paiement d’un capital en espèces<br />
constitue une contre-prestation, ne peut être assimilé à une charge<br />
et confère un caractère onéreux à une partie de l’acte et doit être<br />
soumise aux droits d’enregistrement. De ce fait, l’exonération de<br />
tout droit d’enregistrement pour les donations faites par le donateur<br />
à ses parents en ligne directe ne concerne que la partie donation<br />
de l’acte. / Handänderungssteuern. Handänderungssteuer auf eine<br />
gemischte Schenkung. Die Verpfl ichtung zu einer Kapitalzahlung<br />
in bar stellt eine Gegenleistung dar, welche nicht als eine Last an-<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 354 10.3.2009 9:12:28 Uhr
Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />
gesehen werden kann und welche einem Teil der Transaktion einen<br />
geldwerten Charakter verleiht. Diese Gegenleistung muss mit der<br />
Handänderungssteuer erfasst werden. Die Befreiung von jeglicher<br />
Handänderungssteuer für die Schenkungen des Schenkgebers an<br />
seine Verwandten in direkter Linie betrifft lediglich den Teil der<br />
Transaktion, welcher als Schenkung angeschaut wird. VerwGer<br />
GE, 26.8.2008. StR/RF 2009, 22.<br />
1.16. Energie- und Umweltrecht /<br />
Energie et environnement<br />
• Gewässerschutz. Periodische Wasser- und Abwassergebühren.<br />
Bemessungsgrundlagen.<br />
Ein Gemeindereglement, welches vorsieht, dass die periodischen<br />
Verbrauchsgebühren ausschliesslich nach Massgabe des umbauten<br />
Raums bzw. der Belastungswerte erhoben werden, verstösst gegen<br />
übergeordnetes Recht; ihm ist die Anwendung zu versagen. / Protection<br />
des Eaux. Taxes périodiques de consommation d’eau et<br />
d’élimination des eaux uses. Bases de calcul. Un règlement communal<br />
qui prévoit que les taxes périodiques de consommation d’eau<br />
sont fi xées uniquement d’après l’espace construit et la charge proportionnelle<br />
qui en découle est contraire au droit supérieur et ne<br />
peut être appliqué. VerwGer BE, 11.2.2008. BVR 2008, 557.<br />
1.19. Sozial- und Sozialversicherungsrecht /<br />
Droit social et droit des assurances sociales<br />
■ aAHVG/aLAVS 48 quater Abs. 3 Satz 2. ATSG/LPGA 73 Abs. 3<br />
Satz 2. Quotenvorrecht/Befriedigungsvorrecht. Der Haftpfl ichtige<br />
kann sich gegenüber dem Sozialversicherungsträger, der seinen Regressanspruch<br />
geltend macht, nicht auf das Befriedigungsvorrecht<br />
des Geschädigten berufen, wenn er dessen Direktanspruch die Verjährungseinrede<br />
entgegenhält. / Droit préférentiel/droit préférentiel<br />
de couverture. Le responsable ne peut pas se prévaloir, envers<br />
l’assureur social qui exerce son droit de recours, du droit préférentiel<br />
de couverture du lésé, lorsqu’il excipe de la prescription de la<br />
prétention directe de celui-ci. BGer/TF, 23.9.2008 (4A_246/2008);<br />
BGE/ATF 134 III 636.<br />
■ OAVS/AHVV 24 cpv. 4, 41 bis cpv. 1 lett. f. LPGA/ATSG 26<br />
cpv. 1. Interessi di mora e obbligo di segnalazione. Interpretazione<br />
(scopo, funzione e portata) OAVS. 41 bis cpv. 1 lett. f alla luce della<br />
DTF 134 V 202. Rapporto tra obbligo di segnalazione OAVS 24<br />
cpv. 4 e interessi di mora giusta OAVS 41 bis cpv. 1 lett. f. / Verzugszinsen<br />
und Meldepfl icht. Auslegung (Zweck, Funktion und Tragweite)<br />
des AHVV 41 bis Abs. 1 lit. f im Lichte von BGE 134 V 202.<br />
Verhältnis zwischen Meldepfl icht im Sinne von AHVV 24 Abs. 4<br />
und Verzugszinsen gemäss AHVV 41 bis Abs. 1 lit. f. TF/BGer,<br />
29.8.2008 (9C_738/2007); DTF/BGE 134 V 405.<br />
■ LACI/AVIG 18c al. 1. OAC/AVIV 32. LAVS/AHVG 21. Imputation<br />
d’une prestation de retraite anticipée de la prévoyance professionnelle<br />
sur les prestations de l’assurance-chômage; prestation en<br />
capital. Une avance AVS versée, en cas de retraite anticipée, jusqu’à<br />
l’âge ouvrant le droit à une rente AVS (LAVS 21), puis remboursée<br />
par des retenues sur la pension de retraite pendant dix ans, mais au<br />
plus tard jusqu’au décès du retraité, ne constitue pas un simple prêt.<br />
Une telle avance est une prestation de vieillesse de la prévoyance<br />
professionnelle et doit être déduite des prestations de l’assurancechômage<br />
conformément à LACI 18c al. 1. Si elle est versée sous la<br />
forme d’un capital, la prestation de vieillesse anticipée doit également<br />
être imputée sur les prestations de l’assurance-chômage, après<br />
avoir été convertie en une rente mensuelle. / Anrechnung einer<br />
Leistung der berufl ichen Vorsorge bei vorzeitiger Pensionierung<br />
an die Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Leistung in Kapi-<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
talform. Eine bei vorzeitiger Pensionierung bis zum Erreichen des<br />
AHV-Rentenalters (AHVG 21) ausbezahlte Überbrückungsrente,<br />
die alsdann während einer Dauer von zehn Jahren, längstens aber<br />
bis zum Tode des Rentenbezügers, durch Abzüge von der Altersrente<br />
rückerstattet wird, ist kein gewöhnliches Darlehen. Ein derartiger<br />
Vorschuss bildet vielmehr eine Altersleistung der berufl ichen<br />
Vorsorge, welche gemäss AVIG 18c Abs. 1 von den Leistungen der<br />
Arbeitslosenversicherung abgezogen werden muss. Auch wenn die<br />
Altersleistung als Überbrückungsleistung in Kapitalform erbracht<br />
wird, muss sie an die Leistungen der Arbeitslosenversicherung angerechnet<br />
werden, dies auf der Basis einer durch Umrechnung ermittelten<br />
Monatsrente. TF/BGer, 28.8.2008 (8C_566/2007); ATF/<br />
BGE 134 V 418.<br />
■ BVG/LPP 2 Abs. 1, 7 Abs. 1, 39 Abs. 2, 66 Abs. 2, 73 Abs. 2.<br />
Aufgrund der Dispositionsmaxime steht es nach Eintritt des Leistungsfalles<br />
im Belieben der klagenden Partei, ob sie ihren Arbeitgeber<br />
auf Erfüllung der Beitragspfl icht oder ihre Vorsorgeeinrichtung<br />
auf Zahlung der Versicherungsleistungen einklagen will. / Après la<br />
survenance d’un cas d’assurance, la maxime de disposition impose<br />
de retenir que c’est à la partie plaignante de décider si elle entend<br />
attaquer son employeur en exécution du paiement de la cotisation<br />
obligatoire ou si elle entend s’en prendre à l’organe de prévoyance<br />
en paiement des prestations d’assurance. BGer/TF, 27.10.2008<br />
(9C_139/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009,<br />
63.<br />
■ LAMal/KVG 43 al. 5, 46 al. 4. LTF/BGG 86 al. 1. Cst. / BV 29a,<br />
189 al. 4. CEDH/EMRK 6 par. 1. Recevabilité d’un recours contre<br />
un arrêté du Conseil fédéral. Aucune voie de recours au Tribunal<br />
fédéral n’est ouverte contre une décision d’approbation du Conseil<br />
fédéral relative à la révision de la structure tarifaire à la presta tion<br />
pour les prestations médicales TARMED. / Zulässigkeit der Beschwerde<br />
gegen einen Entscheid des Bundesrates. Gegen einen Genehmigungsentscheid<br />
des Bundesrates betreffend Änderung der für<br />
medizinische Leistungen geltenden Tarifstruktur TARMED steht<br />
kein Rechtsmittel an das Bundesgericht offen. TF/BGer, 20.10.2008<br />
(9C_116/2008); ATF/BGE 134 V 443.<br />
■ LAA/UVG 7 al. 2, 8 al. 2. OLAA/UVV 13. Assurée travaillant au<br />
service de plusieurs employeurs à raison chaque fois de moins de<br />
huit heures par semaine. Les durées d’occupation auprès de chaque<br />
employeur ne peuvent pas être additionnées pour déterminer la durée<br />
de travail minimale requise pour la couverture des accidents non<br />
professionnels. Dans la mesure où, dans sa version française, il assimile<br />
à des accidents professionnels seulement les accidents subis<br />
par des travailleurs «pendant le trajet entre leur domicile et leur lieu<br />
de travail», OLAA 13 al. 2 est conforme à la loi. / Teilzeitbeschäftigte<br />
Versicherte, die für mehrere Arbeitgeber tätig ist und deren<br />
wöchentliche Arbeitszeit bei jedem Arbeitgeber weniger als acht<br />
Stunden beträgt. Bei der Ermittlung der Mindestarbeitsdauer für die<br />
Versicherung der Nichtberufsunfälle bei Teilzeitbeschäftigungen<br />
können die Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern nicht zusammengezählt<br />
werden. Soweit UVV 13 Abs. 2 in der französischen<br />
Fassung nur die auf der Strecke («trajet») zwischen Wohn- und<br />
Arbeitsort erlittenen Unfälle den Berufsunfällen gleichstellt, ist er<br />
gesetzeskonform. TF/BGer, 24.8.2008 (8C_328/2008); ATF/BGE<br />
134 V 412.<br />
■ Verordnung (EWG) Nr. 1408/71/Règlement (CEE) n° 1408/71 13<br />
Abs. 1 und 2 lit. a, 14 Abs. 1 lit. a. Verordnung (EWG) Nr. 574/72/<br />
Règlement (CEE) no 574/72 11. Entsandter Arbeitnehmer. Ein<br />
Arbeitnehmer, der von einem Schweizer Unternehmen in einem<br />
Mitgliedstaat rekrutiert wird, um unmittelbar in einem weiteren<br />
Mitgliedstaat die Erwerbstätigkeit aufzunehmen, erfüllt die Voraussetzungen<br />
einer Entsendung im Sinne der Verordnung (EWG)<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 355 10.3.2009 9:12:28 Uhr<br />
355
356<br />
Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />
Nr. 1408/71 14 Abs. 1 lit. a nicht und unterliegt daher den Rechtsvorschriften<br />
des Beschäftigungslandes gemäss 13 Abs. 2 lit. a dieser<br />
Verordnung. / Travailleur détaché. Un travailleur recruté dans un<br />
Etat membre par une entreprise suisse afi n d’entreprendre immédiatement<br />
une activité lucrative dans un autre Etat membre ne satisfait<br />
pas aux conditions d’un détachement au sens de règlement (CEE)<br />
n° 1408/71 14 par. 1 let. a. Partant il est soumis à la législation de<br />
l’Etat sur le territoire duquel il exerce son activité conformément à<br />
13 par. 2 let. a de ce règlement. BGer/TF, 4.8.2008 (U 50/07); BGE/<br />
ATF 134 V 428.<br />
• ATSG 21 Abs. 4. Kürzung und Verweigerung von Leistungen,<br />
wenn sich der Versicherte einer zumutbaren Behandlung widersetzt:<br />
Zur «Zumutbarkeit» einer Behandlung, zur Verletzung der Behandlungspfl<br />
icht und zur Verhältnismässigkeit der verfügten Sanktion.<br />
Sozialversicherungsgericht BS, 12.3.2008. BJM, 2008, 326.<br />
• ATSG/LPGA 27 Abs. 2. Arbeitslosenversicherung. Anspruch<br />
auf Arbeitslosenentschädigung wegen Verletzung der individuellen<br />
Aufklärungs- und Beratungspfl icht. Das regionale Arbeitsvermittlungszentrum<br />
RAV hat es unterlassen, anlässlich einer allgemeinen<br />
Informationsveranstaltung in einem Arbeitsbetrieb darauf hinzuweisen,<br />
dass vorzeitig pensionierte Versicherte unter gewissen<br />
Voraussetzungen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung haben.<br />
Eine Verletzung der individuellen Aufklärungs- und Beratungspfl<br />
icht liegt nur vor, wenn das RAV über die geplante Frühpensionierung<br />
einzelner Teilnehmer der Veranstaltung orientiert war<br />
und darüber hinaus ersichtlich war, dass diese im Begriff waren,<br />
für sie nachteilige Dispositionen zu treffen. / Assurance-chômage.<br />
droit à l’indemnité de chômage en cas de violation de l’obligation<br />
d’information et de conseil individuels. Lorsque l’Offi ce régional<br />
de placement (ORP), lors d’une séance d’information générale dans<br />
une entreprise, omet de mentionner que les assurés bénéfi ciant d’une<br />
retraite anticipée peuvent aussi prétendre à l’indemnité de chômage<br />
à certaines conditions, il viole son obligation d’information et de<br />
conseil individuels, mais ceci uniquement si l’ORP était au courant<br />
du fait qu’il était prévu de mettre certains collaborateurs à la retraite<br />
anticipée et qu’il était apparent que ces derniers allaient prendre des<br />
dispositions qui leur porteraient préjudice. VerwGer BE, 1.7.2008.<br />
BVR 2008, 563.<br />
1.21. Öffentliches Dienstrecht /<br />
Fonction publique<br />
• Abgangsentschädigung bei Beendigung eines drittmittelfi nanzierten<br />
Anstellungsverhältnisses. Massgebende Rechtsgrundlagen<br />
für drittmittelfi nanzierte Anstellungen an der Universität Bern. Das<br />
Auslaufen der Drittmittel stellt einen triftigen Grund dar für die<br />
Aufl ösung des Anstellungsverhältnisses. Wird ein Arbeitsverhältnis<br />
durch Zeitablauf beendet, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf<br />
Abgangsentschädigung. Dass eine Anstellung drittmittelfi nanziert<br />
ist, steht der Ausrichtung einer Abgangsentschädigung nicht entgegen.<br />
Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen. Vorliegend bestand<br />
kein sachlicher Grund für die Aneinanderreihung befristeter Verträge<br />
und ist ein vernünftiger Grund für die Befristung nicht ersichtlich.<br />
Das befristete Anstellungsverhältnis ist damit in ein unbefristetes<br />
umzudeuten, welches nur durch Kündigung hätte aufgelöst werden<br />
können. Der vertragliche Ausschluss einer Abgangsentschädigung<br />
ist im Rahmen der Mindestansprüche nach OR zulässig. Eine Abgangsentschädigung<br />
ist damit geschuldet für jene Zeit, für welche<br />
ein solcher Ausschluss nicht vereinbart wurde. / Indemnité de départ<br />
à l’échéance d’un rapport de travail fi nancé par des contributions<br />
de tiers. Bases légales déterminantes pour les rapports de travail au<br />
sein de l’Université de Berne fi nancés par des contributions de tiers.<br />
L’épuisement des contributions de tiers constitue un motif pertinent<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
pour la résiliation de l’engagement. Lorsqu’un rapport de travail<br />
se termine en raison de l’écoulement du temps, il n’existe en principe<br />
aucun droit à une indemnité de depart. Le fait qu’un rapport<br />
de travail est fi nancé par des contributions de tiers n’empêche pas<br />
le versement d’une indemnité de depart. Admissibilité de contrats<br />
de travail de durée déterminée successifs. En l’espèce, aucun motif<br />
concret ne justifi ait une succession de contrats de travail de durée<br />
déterminée. Le rapport de travail de durée déterminée doit dès lors<br />
être considéré comme un rapport de travail de durée indéterminée,<br />
auquel un terme ne pouvait être mis que par une résiliation.<br />
L’exclusion dans le contrat du droit à une indemnité de départ est<br />
admissible du point de vue des droits minimaux garantis par le CO.<br />
Une indemnité de départ est dès lors due en l’occurrence pour la<br />
période pour laquelle une telle exclusion n’avait pas été convenue.<br />
VerwGer BE, 21.5.2008. BVR 2008, 529.<br />
2. Privatrecht / Droit privé<br />
2.3. Personenrecht / Droit des personnes<br />
■ OR/CO 1 Abs. 1 und 2, 19 Abs. 1. ZGB 70 Abs. 2. Konsensuale<br />
Aufl ösung der Vereinsmitgliedschaft. Ein Ausscheiden aus einem<br />
Verein ist nicht nur durch einseitigen Austritt (ZGB 70 Abs. 2)<br />
möglich, sondern auch durch vertragliche Einigung zwischen Verein<br />
und Mitglied. In casu ist die Arbeitgeberfi rma, ein Zimmereibetrieb,<br />
wie die meisten Holzbaufi rmen aufgrund zulässiger vertraglicher<br />
Übereinkunft auf Ende März 20<strong>03</strong> aus dem Schweizerischen<br />
Baumeisterverband (SBV) ausgeschieden. Sie unterstand somit<br />
nie dem Geltungsbereich des am 1. Juli 20<strong>03</strong> in Kraft getretenen,<br />
zwischen dem SBV und zwei Gewerkschaften geschlossenen Gesamtarbeitsvertrags<br />
für den fl exiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe<br />
(GAV FAR), weshalb ihrem Arbeitnehmer von vornherein<br />
keine Überbrückungsrente nach GAV FAR zusteht. / Dissolution<br />
consensuelle du lien unissant le sociétaire à l’association dont il est<br />
membre. Il est possible de quitter une association non seulement par<br />
une déclaration unilatérale de sortie (CC 70 al. 2), mais également<br />
par l’établissement d’une convention entre association et membre.<br />
En l’espèce, l’employeur, une charpenterie, comme la plupart des<br />
entreprises de construction actives dans le domaine du bois, s’est<br />
retiré de la Société Suisse des Entrepreneurs (SSE) sur la base d’un<br />
accord contractuel prenant effet à la fi n du mois de mars 20<strong>03</strong>. Il<br />
n’a par conséquent jamais été soumis à la convention collective<br />
de travail pour la retraite anticipée dans le secteur principal de la<br />
construction (CCT RA), entrée en vigueur le 1 er juillet 20<strong>03</strong>, conclue<br />
entre la SSE et deux syndicats, raison pour laquelle il n’existe<br />
a priori pas de droit pour ses employés à une rente intermédiaire<br />
en cas de retraite anticipée selon la CCT RA. BGer/TF, 25.9.2008<br />
(9C_547/2007); BGE/ATF 134 III 625.<br />
2.4. Familienrecht – allgemein /<br />
Droit de famille – en général<br />
2.4.1. Eherecht / Droit de mariage<br />
■ ZGB/CC 177. BGG/LTF 98 i.V.m. 46 Abs. 2. Anweisungen an<br />
die Schuldner. Fristenlauf. Die Schuldneranweisung gemäss den<br />
Bestimmungen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft ist eine vorsorgliche<br />
Massnahme, so dass der gesetzliche Fristenstillstand für<br />
die Beschwerdeführung beim Bundesgericht nicht gilt. / Avis aux<br />
débiteurs. Délai. L’avis aux débiteurs selon les dispositions visant<br />
à assurer la protection de l’union conjugale est une mesure provisionnelle,<br />
de sorte que la suspension des délais prévue par la loi pour<br />
déposer un recours auprès du Tribunal fédéral n’est pas applicable.<br />
BGer/TF, 21.10.2008 (5A_585/2008); BGE/ATF 134 III 667.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 356 10.3.2009 9:12:29 Uhr
Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />
2.4.1.1. Scheidungsrecht / Droit de divorce<br />
■ ZGB/CC 125, 163. Für die Frage, ob eine Ehe lebensprägend<br />
war, kann das vorausgegangene Konkubinat nur in eng begrenzten<br />
bzw. qualifi zierten Ausnahmefällen überhaupt in die Gesamtbetrachtung<br />
einbezogen werden. / Pour déterminer si le mariage a<br />
eu un impact déterminant sur le niveau de vie d’un époux, on ne<br />
doit tenir compte du concubinage précédant le mariage que de manière<br />
restreinte, à savoir dans des situations d’exceptions qualifi ées.<br />
BGer/TF, 3.11.2008 (5A_538/2008). Bearbeitet durch Markus<br />
Felber. SJZ/RSJ 2009, 67.<br />
■ ZGB/CC 163, 276 i.V. m. 285. Es wäre am Gesetzgeber, eine<br />
taugliche Lösung für die unbefriedigende Situation zu schaffen,<br />
die sich bei der familienrechtlichen Unterhaltsregelung aus der als<br />
Praxis bestätigten einseitigen Mankoüberbindung an die Unterhaltsgläubiger<br />
ergibt. / Il incombe au législateur d’élaborer une solution<br />
appropriée pour régler la situation insatisfaisante en matière<br />
de contribution d’entretien après divorce, mais qui découle d’une<br />
pratique confi rmée, selon laquelle c’est au créancier de la contribution<br />
de supporter le manque de ressources. BGer/TF, 23.10.2008<br />
(5A_767/2007). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009,<br />
65.<br />
2.6. Sachenrecht – allgemein /<br />
Droits réels – en général<br />
2.6.1. Das Eigentum / La propriété<br />
■ CC/OR 8, 679, 684. Responsabilité du propriétaire foncier. Causalité<br />
naturelle. Preuve. / Verantwortlichkeit des Grundeigentümers.<br />
Natürliche Kausalität. TF/BGer, 17.4.2008 (5A_597/2007). Mit<br />
Bemerkungen von Paul-Henri Steinauer. BR/DC 2008, 172.<br />
■ ZGB/CC 679, 688. Nachbarrecht. Grundeigentümerhaftung. Verhältnis<br />
von Zivilrecht und öffentlichem Recht. / Droit de voisinage.<br />
Responsabilité du propriétaire. Relation entre le droit civil et le<br />
droit public. BGer/TF, 2.6.2008 (5A_749/2007). Mit Bemerkungen<br />
von Jörg Schmid. BR/DC 2008, 172.<br />
2.7. Schuldrecht – allgemein /<br />
Droit des obligations – en général<br />
2.7.2. Obligationenrecht – Besonderer Teil – allgemein /<br />
Droit des obligations – Partie spéciale –<br />
en général<br />
2.7.2.1. Kauf, CISG und Tausch / Vente, et échange<br />
■ Grundstückkaufvertrag. Baumeisterverpfl ichtung. Verjährung. /<br />
Contrat de vente immobilière. Obligations de l’architecte. Prescription.<br />
BGer/TF, 3.7.2008 (4A_211/2008). Mit Bemerkungen von<br />
Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 166.<br />
2.7.2.3. Miete, Pacht / Bail à loyer, bail à ferme<br />
■ OR 272. Erstreckung und Mieterinvestitionen. Mieterinvestitionen<br />
von Fr. 100 000.– begründen nach neun Jahren Mietdauer mit<br />
günstigem Mietzins keinen Härtegrund mehr. Trotz dringenden Eigenbedarfs<br />
der Vermieterin ist aber aufgrund der übrigen Umstände<br />
eine defi nitive Erstreckung von drei Jahren für eine gemeinnützige<br />
Organisation zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen angemessen.<br />
BGer, 12.6.2008 (4A_85/2008). mp 2008, 225.<br />
■ OR 272. Erstreckung Wohnungsmiete. Nicht zu beanstanden ist<br />
eine defi nitive Erstreckung von drei Jahren für ein Ehepaar nach<br />
einer Mietdauer von über 16 Jahren. Dies gilt auch, wenn der Vermieter<br />
seinen Eigenbedarf ausweist und die Mieter nicht an das<br />
Quartier gebunden sind, in fi nanziell günstigen Verhältnissen leben<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
und keine Suchbemühungen unternommen haben. BGer, 26.5.2008<br />
(4A_130/2008). mp 2008, 228.<br />
■ OR 272 Abs. 2 lit. b. Erstreckung. Quartierverbundenheit. Es ist<br />
nicht unangemessen, für die Annahme des Härtegrunds der Quartierverbundenheit<br />
eine Mietdauer von mindestens zehn Jahren vorauszusetzen.<br />
BGer, 14.3.2008 (4A_17/2008). mp 2008, 238.<br />
■ OR 272, 273, 274a. Frist zur Einreichung des Begehrens um Zweiterstreckung.<br />
Das Begehren um Zweiterstreckung ist auch bei Hängigkeit<br />
des Verfahrens um Ersterstreckung innert gesetzlicher Frist<br />
einzureichen. Die Abschreibung der gegenstandslos gewordenen<br />
Beschwerde gegen eine Ersterstreckung bewirkt nicht unbedingt die<br />
materielle Rechtskraft des angefochtenen Entscheids. Über Erstrekkungsbegehren<br />
im Anschluss an eine ordentliche Kündigung hat die<br />
Schlichtungsbehörde und nicht die Ausweisungsbehörde zu entscheiden.<br />
Bestimmungen über die Miete und die Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen.<br />
BGer, 30.4.2008 (4A_92/2008). mp 2008, 231.<br />
2.7.2.7. Werkvertrag / Contrat d’entreprise<br />
■ CO/OR 107 ss, 372, 378. Demeure. Interprétation. Résolution<br />
du contrat. Werkvertrag. / Verzug. Auslegung. Rücktritt. TF/BGer,<br />
9.9.2008 (4A_306/2008). Mit Bemerkungen von Pascal Pichonnaz.<br />
BR/DC 2008, 168.<br />
■ OR/CO 369. Haftungsbefreiung trotz fehlender Abmahnung.<br />
Wissenszurechnung. / Exclusion de responsabilité malgré un avertissement<br />
lacunaire. Imputation des volontés. BGer/TF, 7.8.2008<br />
(4A_166/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC<br />
2008, 166.<br />
■ CO/OR 366, 377. Qualifi cation d’un contrat de développement<br />
d’un logiciel. / Qualifi kation eines Softwareentwicklungsvertrags.<br />
TF/BGer, 28.8.2008 (4A_265/2008). Mit Bemerkungen von Pascal<br />
Pichonnaz. BR/DC 2008, 168.<br />
■ OR 371. Verjährung von Mängelrechten. Ein Futtersilo ist kein<br />
unbewegliches Bauwerk. / Prescription des droits liés au défaut.<br />
Un silo à grains n’est pas une construction immobilière. BGer/TF,<br />
23.7.2008 (4A_235/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli.<br />
BR/DC 2008, 167.<br />
2.7.2.9. Auftragsrecht / Mandat<br />
■ CO/OR 6, 18, 394 al. 3. Contrat d’architecte et d’ingénieur. Fixation<br />
de la rémunération due au mandataire. Droit du mandataire<br />
de se prévaloir tacitement d’un tarif professionnel. Règlement<br />
d’honoraires VSI-ASAI. / Architekten- und Ingenieurvertrag. Festsetzung<br />
der Vergütung des Beauftragten. Recht des Beauftragten,<br />
sich stillschweigend auf den Berufstarif zu berufen. Honorarverordnung<br />
VSI-ASAI. TF/BGer, 29.5.2008 (4A.100/2008). Mit Bemerkungen<br />
von Franz Werro. BR/DC 2008, 170.<br />
■ CO/OR 398, 99 al. 3, 42 al. 2. CC/ZGB 8. Contrat d’architecte<br />
et d’ingénieur. Responsabilité du mandataire. Preuve du dommage.<br />
Lien de causalité. Fardeau de la preuve. / Architekten- und Ingenieurvertrag.<br />
Haftung des Beauftragten. Schadensbeweis. Kausalzusammenhang.<br />
Beweislast. TF/BGer, 21.4.2008 (4A_38/2008).<br />
Mit Bemerkungen von Franz Werro. BR/DC 2008, 169.<br />
2.7.2.10. Geschäftsführung ohne Auftrag /<br />
Gestion d’affaires<br />
■ OR/CP 419 ff. Architekten- und Ingenieurvertrag. Geschäftsführung<br />
ohne Auftrag. Architektenhonorar bei genehmigter<br />
Geschäftsführung. / Gestion d’affaires sans mandate. Honoraires<br />
d’architecte en cas d’approbation de la gestion. BGer/TF, 31.3.2008<br />
(4A_496/2007). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC<br />
2008, 169.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 357 10.3.2009 9:12:29 Uhr<br />
357
358<br />
Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />
2.7.3. Haftpfl ichtrecht / Responsabilité civile<br />
■ Kann die Direktforderung gegenüber dem Haftpfl ichtigen nicht<br />
mehr durchgesetzt werden, da dieser ihr die Verjährungseinrede<br />
entgegenhält, so erübrigt sich ein Schutz des Geschädigten gegen<br />
Insolvenz und es steht der Durchsetzung des Regressanspruchs des<br />
Sozialversicherers nichts entgegen. / S’il n’est plus possible de faire<br />
valoir l’action directe contre le responsable, parce que celui-ci lui<br />
oppose l’exception de prescription, protéger le lésé contre la faillite<br />
du responsable devient inutile et plus rien ne s’oppose à ce que<br />
l’assureur social fasse valoir ses prétentions récursoires. BGer/TF,<br />
23.9.2008 (4A_246/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/<br />
RSJ 2009, 17.<br />
• OR/CO 58. Werkeigentümerhaftung. Begriff des Werkes. Mangelhafter<br />
Unterhalt. Grillplatz mit Baumbestand. / Responsabilité<br />
pour les bâtiments et autres ouvrages. Notion d’ouvrage. Défaut<br />
d’entretien. Place de grillade avec arbre. KGer BL, 4.3.2008. Mit<br />
Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 182.<br />
3. Wirtschaftsrecht / Droit économique<br />
3.2. Gesellschaftsrecht – allgemein /<br />
Droit des sociétés – en général<br />
3.2.2. Kollektivgesellschaft / Société en nom collectif<br />
■ CO/OR 568 al. 3, 120 al. 1. Société en nom collectif faillie, responsabilité<br />
personnelle des associés pour les dettes sociales (CO 568<br />
al. 3). Rapport de réciprocité dans la compensation (CO 120 al. 1).<br />
Caractéristiques de la société en nom collectif. Particularités de la<br />
responsabilité des associés. Validité de la reconnaissance de dette<br />
litigieuse. Notion de dette de la masse. Les créanciers sociaux pris<br />
individuellement sont les titulaires directs et exclusifs des prétentions<br />
en responsabilité personnelle contre les associés de la société<br />
en nom collectif faillie, et non la masse passive de celle-ci. / Kollektivgesellschaft<br />
in Konkurs, persönliche Haftung der Gesellschafter<br />
für die Gesellschaftsschulden (OR 568 Abs. 3). Gegenseitigkeit der<br />
Forderungen bei der Verrechnung (OR 120 Abs. 1). Charakteristika<br />
der Kollektivgesellschaft. Besonderheiten der Haftung der Gesellschafter.<br />
Gültigkeit der strittigen Schuld anerkennung. Begriff der<br />
Masseschuld. Die einzelnen Gesellschaftsgläubiger sind direkt und<br />
ausschliesslich anspruchsberechtigt aus der persönlichen Haftung<br />
der Gesellschafter der konkursiten Kollektivgesellschaft und nicht<br />
die Konkursmasse derselben. TF/GBer, 23.9.2008 (4A_264/2008);<br />
ATF/BGE 134 III 643.<br />
3.9. Arbeitsrecht / Droit du travail<br />
■ ALCP/FZA 9. Reconnaissance des diplômes. Déni de justice.<br />
Reconnaissance de diplôme de la profession d’assistante socioéducative,<br />
réglementée en Suisse. En vertu de ALCP 9, le système<br />
européen de reconnaissance des diplômes est directement applicable.<br />
L’Offi ce fédéral de la formation professionnelle et de la technologie<br />
(OFFT) est tenu de rendre une décision dans le délai de<br />
quatre mois prévu par Directive 92/51 12 al. 2, dès qu’il dispose de<br />
tous les éléments nécessaires pour comparer la formation reconnue<br />
à l’étranger avec les exigences requises en Suisse. Il lui appartient<br />
d’effectuer rapidement les recherches pour obtenir les informations<br />
juridiques qui lui manquent. Le délai de quatre mois commence<br />
alors à courir à partir de la réception des renseignements demandés.<br />
Dans ce délai, l’Offi ce compétent doit trancher sur le fond et ne<br />
peut se contenter de suspendre la procédure, sous peine de violer<br />
la directive européenne applicable. / Anerkennung von Diplomen.<br />
Rechtsverweigerung. Diplomanerkennung auf dem Gebiet des in<br />
der Schweiz geregelten Berufs einer sozialpädagogischen Assisten-<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
tin. Gemäss FZA 9 ist das europäische System der Anerkennung<br />
von Diplomen direkt anwendbar. Das Bundesamt für Berufsbildung<br />
und Technologie (BBT) ist gehalten, innert der in Richtlinie<br />
92/51 12 Abs. 2 vorgesehenen Frist von vier Monaten einen Entscheid<br />
zu fällen, sobald es über alle notwendigen Elemente verfügt,<br />
um die im Ausland anerkannte Ausbildung mit den in der Schweiz<br />
gültigen Erfordernissen zu vergleichen. Es muss die ihm fehlenden<br />
rechtlichen Informationen rasch in Erfahrung bringen. Sobald es<br />
die angeforderten Auskünfte erhalten hat, beginnt die viermonatige<br />
Frist zu laufen. Innert dieser Frist muss das zuständige Bundesamt<br />
in der Sache entscheiden. Begnügt es sich mit einer Sistierung des<br />
Verfahrens, verstösst es gegen die anwendbare europäische Richtlinie.<br />
TF/GBer, 30.10.2008 (2C_416/2008); ATF/BGE 134 II 341.<br />
■ Whistleblowing, secret bancaire, licenciement abusif. TF,<br />
8.7.2008 (4A_2/2008). Mit Bemerkungen von Carlos Jaico und<br />
Sébastien Micotti. <strong>AJP</strong>/PJA 2009, 115.<br />
4. Internationales Privat- und Verfahrensrecht<br />
/ Droit international privé et droit<br />
international de procédure civile<br />
4.1. Internationales Privatrecht – allgemein /<br />
Droit international privé – en général<br />
4.1.2. Einzelne Gebiete des IPR /<br />
Matières particulières du DIP<br />
■ LDIP/IPRG 27 al. 1, 61, 63 al. 2, 64 al. 2. Action en complément<br />
d’un jugement de divorce étranger. Reconnaissance d’un jugement<br />
de divorce étranger. Le partage de la prestation de sortie de la prévoyance<br />
professionnelle est en principe régi par le droit applicable<br />
au divorce. Le jugement de divorce étranger n’est pas lacunaire,<br />
partant susceptible de complément, lorsque la prestation compensatoire<br />
allouée à l’épouse, en application du droit français, a été fi xée<br />
en tenant compte, notamment, de la prestation de sortie du mari<br />
selon le droit suisse. La reconnaissance d’un jugement de divorce<br />
étranger allouant à l’épouse une prestation compensatoire infé rieure<br />
à la moitié de la prestation de sortie du mari n’est pas manifestement<br />
incompatible avec l’ordre public matériel suisse. / Klage auf<br />
Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils. Anerkennung<br />
eines ausländischen Scheidungsurteils. Die Teilung der Austrittsleistung<br />
der berufl ichen Vorsorge untersteht grundsätzlich dem auf<br />
die Scheidung anwendbaren Recht. Wurde die nach französischem<br />
Recht an die Ehefrau zu leistende Ausgleichszahlung namentlich<br />
unter Berücksichtigung der Austrittsleistung der berufl ichen Vorsorge<br />
des Ehemanns gemäss schweizerischem Recht festgesetzt,<br />
so ist das Scheidungsurteil diesbezüglich nicht unvollständig und<br />
bedarf folglich keiner Ergänzung. Die Anerkennung eines ausländischen<br />
Scheidungsurteils, das der Ehefrau eine Ausgleichszahlung<br />
zuspricht, die weniger als die Hälfte der Austrittsleistung der berufl<br />
ichen Vorsorge des Ehemannes beträgt, ist mit dem schweizerischen<br />
materiellen Ordre public nicht offensichtlich unvereinbar.<br />
TF/BGer, 12.6.2008 (5A_220/2008); ATF/BGE 134 III 661.<br />
■ IPRG 166, 167, 168, 172, 173, 175. Prozessführungsbefugnis<br />
eines ausländischen Konkursverwalters. BGer, 6.3.2008 (4A_<br />
231/2007). Mit Bemerkungen von Ivo Schwander. SZIER 2008,<br />
252.<br />
■ IPRG 167 Abs. 1, 166 ff. Anerkennung eines fi nnischen Konkursdekrets.<br />
BGer, 4.1.2008 (5A_539/2007). Mit Bemerkungen von Ivo<br />
Schwander. SZIER 2008, 251.<br />
■ Scheidung in Frankreich. Ehegatten mit Wohnsitz in Frankreich<br />
und schweizerischer und französischer Staatsangehörigkeit. «Prestation<br />
compensatoire» nach französischem Recht. Nur teilwei-<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 358 10.3.2009 9:12:29 Uhr
Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />
se Berücksichtigung von Vorsorgeansprüchen der Ehefrau in der<br />
Schweiz. Keine Ergänzung möglich. Keine Verletzung des Ordre<br />
Public. BGer, 12.6.2008 (5A_220/2008). Mit Bemerkungen von<br />
Andreas Bucher. <strong>AJP</strong>/PJA 2009, 117.<br />
• Objektive Anküpfung eines Dienstleistungsvertrags. Verhältnis<br />
zwischen der Anknüpfung aufgrund der charakteristischen Leistung<br />
(IPRG 117 Abs. 2 und 3) und derjenigen aufgrund des engsten<br />
Zusammenhangs (IPRG 117 Abs. 1). Handelsgericht SG, 7.4.2008.<br />
Mit Bemerkungen von Ivo Schwander. SZIER 2008, 246.<br />
6. Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht/<br />
Organisation judiciaire et procédure<br />
6.1. Gerichtsorganisation /<br />
Organisation judiciaire<br />
■ LTF/BGG 90 et 98. Sûretés en matière d’impôt. Caractère fi nal au<br />
sens de LTF 90 d’une décision mettant fi n à une procédure relative<br />
à des sûretés en matière d’impôt. Griefs recevables d’après LTF 98<br />
et principe d’allégation/Sicherstellung der Steuer. Der verfahrensabschliessende<br />
Entscheid über eine Sicherstellungsverfügung stellt<br />
einen Endentscheid im Sinne von BGG 90 dar. Zulässige Rügen<br />
gemäss BGG 98 und Substantiierungspfl icht. TF/BGer, 1.10.2008<br />
(2C_414/2008); ATF/BGE 134 II 349.<br />
■ LTF/BGG 123 al. 2 let. a. Révision d’un arrêt du Tribunal<br />
fédéral. Conditions auxquelles un arrêt du Tribunal fédéral peut être<br />
révisé en raison de faits nouveaux. / Revision eines Bundesgerichtsurteils.<br />
Bedingungen, unter denen ein Bundesgerichtsurteil infolge<br />
neuer Tatsachen revidiert werden kann. TF/BGer, 15.9.2008 (5F_<br />
4/2008 / 5F_5/2008); ATF/BGE 134 III 669.<br />
■ OR/CO 5. Vertrag über Dienstleistungen für die Abfallentsorgung.<br />
Verspäteter Akzept. Behandlung von Beschwerden in Zivilsachen<br />
durch die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts.<br />
Öffentlich vergebener Auftrag für den Abtransport<br />
von Hauskehricht als privat- oder verwaltungsrechtlicher Vertrag?<br />
Keine Bindungswirkung der Vertragsofferte über einen Zeitraum<br />
von mehr als zwei Monaten. Schadenersatz gemäss OR 404 Abs. 2<br />
wegen Kündigung zur Unzeit. / Contrat de prestations de service<br />
pour l’élimination des déchets. Acceptation tardive. Traitement<br />
des recours en matière de droit civil par la II e Cour de droit public<br />
du Tribunal fédéral. Contrat portant sur l’évacuation des déchets<br />
ménagers conclu à la suite d’une adjudication publique: contrat de<br />
droit privé ou de droit administratif? Une offre ne lie plus son auteur<br />
après une période de plus de deux mois. Réparation du dommage<br />
selon CO 404 al. 2 en cas de résiliation en temps inopportun.<br />
BGer/TF, 5.11.2008 (2D_64/2008); BGE/ATF 134 II 297.<br />
■ Die Ablösung der staatsrechtlichen Beschwerde in Doppelbesteuerungssachen<br />
und der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Steuerharmonisierungsangelegenheiten<br />
durch die Beschwerde in öffentlichrechtlichen<br />
Angelegenheiten gebietet es, der nach kantonalem Recht<br />
zuständigen Behörde die Beschwerdelegitimation zuzuerkennen. / Le<br />
remplacement du recours de droit public en matière de double imposition<br />
et du 2) recours de droit administratif en matière d’harmonisation<br />
fi scale par le recours en matière de droit public offre la possibilité<br />
de reconnaître la qualité pour agir aux autorités compétentes selon le<br />
droit cantonal. BGer/TF, 17.6.2008 (2C_537/2007). Bearbeitet durch<br />
Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 16.<br />
6.2. Anwaltsrecht /<br />
Droit sur la profession d’avocat<br />
■ LMI/BGBM 2 al. 4, 3. LLCA/BGFA 3. Loi vaudoise sur la profession<br />
d’avocat/Waadtländer Anwaltsgesetz 18. Inscription au ta-<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
bleau des avocats stagiaires. Relations entre la LLCA, dont 3 al. 1<br />
réserve le droit des cantons de fi xer les exigences pour l’obtention<br />
du brevet d’avocat, et la LMI, dont 2 al. 4 1re phrase énonce le<br />
principe du libre accès au marché à toute personne qui remplit<br />
les conditions du premier établissement, sous réserve des restrictions<br />
fi gurant à LMI 3. Limites dans lesquelles les cantons peuvent<br />
exercer les compétences qui leur sont réservées par LLCA 3 al. 1.<br />
Examen de la conformité au regard de la LMI du refus signifi é à un<br />
avocat d’engager un stagiaire. L’exigence posée par la législation<br />
vaudoise d’une pratique de cinq ans dans le canton, telle qu’elle a<br />
été interprétée en l’espèce, viole le principe de la proportionnalité.<br />
La gratuité de la procédure prévue à LMI 3 al. 4 ne s’applique<br />
pas aux procédures de recours. / Aufnahme in die kantonale Liste<br />
der Anwaltskandidaten. Verhältnis zwischen dem BGFA, dessen 3<br />
Abs. 1 das Recht der Kantone, die Anforderungen für den Erwerb<br />
des Anwaltspatents festzulegen, vorbehält, und dem Binnenmarktgesetz,<br />
welches in 2 Abs. 4 Satz 1 jedermann – unter Vorbehalt<br />
der Beschränkungen nach Art. 3 – nach den Vorschriften am Ort<br />
der Erstniederlassung freien Zugang zum Markt gewährleistet.<br />
Schranken der durch BGFA 3 Abs. 1 vorbehaltenen kantonalen<br />
Regelungsbefugnis. Prüfung, ob das gegenüber einem Anwalt<br />
ausgesprochene Verbot, einen Anwaltskandidaten anzustellen, mit<br />
dem Binnenmarktgesetz vereinbar ist. Eine Auslegung des kantonalen<br />
Rechts in dem Sinn, dass dieses die Ausübung der Anwaltstätigkeit<br />
während fünf Jahren im Kanton verlange, verletzt das<br />
Verhältnismässigkeitsprinzip. Die in BGBM 3 Abs. 4 vorgesehene<br />
Unentgeltlichkeit des Verfahrens gilt nicht für Beschwerdeverfahren.<br />
TF/GBer, 24.9.2008 (2C_85/2008 / 2C_94/2008); ATF/BGE<br />
134 II 329.<br />
■ OR/CO 398. Anwaltshaftung. Geschuldete Sorgfalt. Kenntnis<br />
der Rechtsprechung. «Internet»-Urteile. / Responsabilité de<br />
l’avocat. Diligence requise. Connaissance de la jurisprudence.<br />
Décisions accessibles par internet. BGer/TF, 10.7.2008 (4A_<br />
190/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC<br />
2008, 170.<br />
■ Die Frage nach dem Berufsgeheimnis des Unternehmensanwalts<br />
wird weiter offen gelassen, da sich dieses nur auf Informationen beziehen<br />
kann, über die der Anwalt Gewahrsam erlangt hat oder die<br />
ihm ohne seinen Willen abhanden gekommen sind. / La question relative<br />
au secret professionnel de l’avocat d’entreprise est laissée indécise,<br />
car ce secret ne peut se rapporter qu’à des informations, qui<br />
ont été confi ées à l’avocat ou qui lui ont échappées sans sa volonté.<br />
BGer/TF, 28.10.2008 (1B_101/2008). Bearbeitet durch Markus<br />
Felber. SJZ/RSJ 2009, 14.<br />
6.4. Zivilprozessrecht / Procédure civile<br />
■ Passivlegitimation bei Ausübung eines Vorkaufsrechtes. / Légitimation<br />
passive dans l’exercice d’un droit de préemption. GBer/TF,<br />
30.4.2008 (5A_54/2008). Mit Bemerkungen von Peter Reetz.<br />
BR/DC 2008, 181.<br />
6.6. Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht /<br />
Exécution forcée et faillite<br />
■ SchKG/LP 80 Abs. 1. Defi nitive Rechtsöffnung. Aberkennungsurteil.<br />
Defi nitive Rechtsöffnung kann aufgrund eines Urteils gewährt<br />
werden, in dem die Aberkennungsklage abgewiesen wurde,<br />
die der Betriebene im Zuge einer früheren und nunmehr verwirkten<br />
Betreibung bezüglich derselben Forderung angehoben hatte. / Mainlevée<br />
défi nitive de l’opposition. Jugement sur l’action en libération<br />
de dette. La mainlevée défi nitive de l’opposition peut être accordée<br />
sur la base d’un jugement rejetant l’action en libération de dette qui<br />
avait été ouverte par le poursuivi lors d’une précédente poursuite<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 359 10.3.2009 9:12:30 Uhr<br />
359
360<br />
Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />
(en l’occurrence périmée) relative à la même prétention. BGer/TF,<br />
9.9.2008 (5A_164/2008); BGE/ATF 134 III 656.<br />
■ SchKG 288 ff. Absichtsanfechtung und Sanierung. BGer,<br />
29.5.2008 (5A_29/2007); BGE 134 III 452. Mit Bemerkungen<br />
von Andrea Galliker und Hans Caspar von der Crone. SZW<br />
2008, 602.<br />
• SchKG/LP 82 Abs. 1 und 2. Der Arbeitsvertrag hat für die Entschädigung<br />
nach OR 337c Abs. 1 die Eigenschaft eines provisorischen<br />
Rechtsöffnungstitels, wenn nicht der Arbeitgeber die<br />
Rechtmässigkeit der fristlosen Entlassung oder eine Anrechnungspfl<br />
icht des Arbeitnehmers glaubhaft machen kann. Der Einwand,<br />
die fristlose Entlassung sei berechtigt gewesen, stellt keine Einrede<br />
aus dem Vertrag dar, sondern richtet sich gegen den Bestand des<br />
Vertrages. Eine derartige Einwendung wird gleich behandelt wie<br />
die Einwendung gegen eine einseitige Schuldanerkennung, d.h., der<br />
Arbeitgeber muss die Einwendung, der Lohnanspruch sei infolge<br />
Aufl ösung des Arbeitsverhältnisses entfallen, auch bei einer Schuldanerkennung<br />
für einen zweiseitigen Vertrag glaubhaft machen und<br />
nicht bloss behaupten. / Le contrat de travail vaut pour des indemnités<br />
au sens de l’art. 337c CO comme titre de mainlevée provisoire,<br />
sauf si l’employeur rend vraisemblable que la résiliation immédiate<br />
était justifi ée ou qu’il dispose d’une prétention compensatoire<br />
à l’égard de l’employé. L’objection consistant à soutenir que la résiliation<br />
immédiate était justifi ée ne constitue pas une exception issue<br />
du contrat mais se dirige contre l’existence même du contrat. Une<br />
telle objection est traitée comme l’objection contre une reconnaissance<br />
de dette unilatérale, c’est-à-dire que l’employeur ne saurait<br />
se contenter de simplement prétendre que la prétention en salaire<br />
est tombée en raison de la dissolution du rapport de travail, mais<br />
il doit pour une reconnaissance de dette issue d’un contrat bilatéral<br />
également rendre vraisemblable cette objection. KGer/TC SG,<br />
11.4.2008. BlSchK/BPPF 2008, 222.<br />
6.7. Verwaltungsverfahrensrecht, Staats- und<br />
Verwaltungsrechtspfl ege /<br />
Procédure administrative, juridiction constitutionnelle<br />
et administrative<br />
• Aktualität des Rechtsschutzinteresses. Die Beschwerdeerhebung<br />
setzt in der Regel ein aktuelles Rechtsschutzinteresse voraus. Voraussetzungen,<br />
unter welchen trotz Fehlens oder Wegfalls eines aktuellen<br />
Rechtsschutzinteresses ausnahmsweise auf eine Beschwerde<br />
einzutreten ist. Vorbehältlich spezialgesetzlicher Regelung vermag<br />
der Umstand, dass eine Partei Staatshaftungsansprüche in Aussicht<br />
stellt, ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Rechtswidrigkeit<br />
der angefochtenen Verfügung nicht zu begründen. Auf die Beschwerde<br />
ist deshalb mangels Beschwerdebefugnis nicht einzutreten.<br />
Dies führt zu keiner unzulässigen Beeinträchtigung des Rechts<br />
auf Gerichtszugang und steht im Einklang mit dem Anspruch auf<br />
wirksamen Rechtsschutz gemäss EMRK 13. / Actualité de l’intérêt<br />
à recourir. L’introduction d’un recours nécessite en règle générale<br />
un intérêt à recourir actuel. Conditions auxquelles un recours peut<br />
exceptionnellement être recevable en l’absence d’un intérêt à recourir<br />
actuel, ou lorsqu’un tel intérêt a disparu. Sous réserve d’une<br />
réglementation particulière dans une loi spéciale, le fait qu’une partie<br />
entend faire valoir des prétentions en responsabilité à l’encontre<br />
de l’Etat ne suffi t pas à fonder un intérêt au constat de l’illicéité de<br />
la décision contestée. En conséquence, il ne peut être entré en matière<br />
sur le recours, faute de qualité pour recourir. L’irrecevabilité<br />
du recours n’entraîne pas une violation inadmissible de la garantie<br />
d’accès à un tribunal, et est compatible avec le droit à un recours<br />
effectif au sens de CEDH 13. VerwGer BE, 1.9.2008. BVR 2008,<br />
569.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
7. Strafrecht / Droit pénal<br />
7.2. Strafrecht – Allgemeiner Teil – allgemein /<br />
Droit pénal – Partie générale – en général<br />
■ OHG/LAVI 2, 11-17. OHV/OAVI 12. StGB/CP 98, 125. Entschädigung<br />
und Genugtuung nach OHG, Geltungsbereich des<br />
OHG bei Straftaten mit grossem zeitlichem Abstand zwischen<br />
Tathandlung und Erfolgseintritt (Asbestopfer). Bei fahrlässigen<br />
Erfolgsdelikten mit grossem zeitlichem Abstand der Tathandlung<br />
zum Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs ist unter «Begehung<br />
einer Straftat» im Sinne von OHV 12 Abs. 3 die Verwirklichung der<br />
subjektiven und der objektiven Tatbestandsmerkmale zu verstehen.<br />
Für den zeitlichen Geltungsbereich der opferhilferechtlichen Bestimmungen<br />
über Entschädigung und Genugtuung ist somit nicht<br />
allein auf das sorgfaltswidrige Verhalten abzustellen. Entscheidend<br />
ist vielmehr der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs solchen<br />
Verhaltens. / Indemnisation et réparation morale selon la LAVI,<br />
champ d’application de la LAVI lorsque le résultat de l’infraction intervient<br />
longtemps après l’activité coupable (victime de l’amiante).<br />
En cas de délits de résultat commis par négligence, lorsqu’un grand<br />
intervalle de temps s’écoule entre l’activité coupable et le résultat<br />
constitutif de l’infraction, l’expression «infraction commise»<br />
au sens de OAVI 12 al. 3 doit s’entendre comme la réalisation des<br />
éléments constitutifs subjectifs et objectifs de l’infraction. Ainsi,<br />
l’application dans le temps des dispositions sur l’indemnisation et<br />
la réparation morale aux victimes ne dépend pas uniquement du<br />
comportement contraire au devoir de vigilance, mais bien plutôt du<br />
moment où en survient le résultat constitutif de l’infraction. BGer/<br />
TF, 1.10.2008 (1C_73/2008); BGE/ATF 134 II 308. Anwaltsrevue/<br />
Revue de l’avocat 2009, 30.<br />
7.2.6. Strafen / Peines<br />
■ Beim Dauerdelikt verstösst eine weitere Verurteilung nicht gegen<br />
ne bis in idem, doch muss die Summe der wegen des Dauerdelikts<br />
ausgesprochenen Strafen dem Gesamtverschulden angemessen sein<br />
und darf die angedrohte Höchststrafe nicht überschreiten. / En cas<br />
de délit continu, une nouvelle condamnation ne contrevient pas au<br />
principe ne bis in idem. Cependant, le total des peines prononcées<br />
en raison du délit continu doit être proportionné à la faute globale<br />
et ne doit pas dépasser la durée de la peine maximale possible pour<br />
le délit spécifi que. BGer/TF, 4.11.2008 (6B_114/2008). Bearbeitet<br />
durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 19.<br />
7.2.7. Massnahmen (ohne Einziehung) /<br />
Mesures (sans saisie)<br />
■ StGB/CP 59, 64. SchlBest. StGB/Disp. fi n. CP Ziff. 2. Abs. 2.<br />
Überprüfung altrechtlicher Verwahrungen (SchlBest. StGB Ziff. 2<br />
Abs. 2). Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme,<br />
Voraussetzungen (StGB 59). Gegenüber einem altrechtlich verwahrten,<br />
psychisch schwer gestörten gefährlichen Straftäter hat der<br />
Richter an Stelle der Weiterführung der Verwahrung nach neuem<br />
Recht eine stationäre therapeutische Massnahme anzuordnen, wenn<br />
die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass durch eine solche<br />
Massnahme über die Dauer von fünf Jahren die Gefahr von mit der<br />
psychischen Störung in Zusammenhang stehenden Straftaten im<br />
Sinne von StGB 64 deutlich verringert wird. Nicht erforderlich ist<br />
hingegen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bereits nach<br />
fünf Jahren die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung aus<br />
der stationären Massnahme erfüllt sind. / Examen des internements<br />
ordonnés sous l’ancien droit (Disp. fi n. CP ch. 2 al. 2). Mesure thérapeutique<br />
institutionnelle, conditions (CP 59). Lorsqu’un criminel<br />
dangereux interné sous l’ancien droit souffre d’un grave trouble<br />
mental, le juge doit remplacer la poursuite de l’internement selon le<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 360 10.3.2009 9:12:30 Uhr
Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />
nouveau droit par une mesure thérapeutique institutionnelle s’il est<br />
suffi samment vraisemblable qu’une telle mesure entraînera, dans<br />
les cinq ans de sa durée normale, une réduction nette du risque que<br />
l’intéressé commette, en raison de son trouble mental, un crime prévu<br />
à CP 64. Point n’est besoin, en revanche, que l’intéressé puisse<br />
vraisemblablement bénéfi cier d’une libération conditionnelle de<br />
l’exécution de la mesure en milieu institutionnel dans les cinq ans<br />
déjà. BGer/TF, 10.10.2008 (6B_263/2008); BGE/ATF 134 IV 315.<br />
■ CP/StGB 75a unitamente all’art. 62d. Cost. / BV 29 cpv. 1. Ricusa<br />
dei membri della commissione ex CP 62d cpv. 2. Il detenuto<br />
che richiede la liberazione condizionale può ricusare i membri della<br />
commissione chiamata a valutare la sua pericolosità pubblica giusta<br />
CP 75a, analogamente a quanto avviene nei confronti di un esperto.<br />
Il caso di esclusione previsto CP 62d cpv. 2 è limitato al rappresentante<br />
della psichiatria e non può essere esteso agli altri membri della<br />
commissione. La presenza in seno alla commissione di un giudice<br />
che ha condannato il richiedente la liberazione condizionale non<br />
vio la Cost. 29 cpv. 1. Il detenuto può ricusare il procuratore pubblico<br />
membro della commissione ex CP 62d cpv. 2 qualora abbia sostenuto<br />
l’accusa nei processi sfociati in condanne a pene detentive<br />
da cui l’interessato chiede di essere liberato condizionalmente. Non<br />
è per contro suffi ciente che il magistrato abbia esercitato l’azione<br />
pubblica in altri procedimenti conclusisi con un proscioglimento,<br />
un abbandono o una condanna a pene ormai scontate, prescritte<br />
oppure ancora non più esecutive per altre ragioni. / Ablehnung der<br />
Mitglieder einer Kommission nach StGB 62d Abs. 2. Der Inhaftierte,<br />
der um bedingte Entlassung ersucht, kann die Mitglieder der<br />
zur Beurteilung seiner Gemeingefährlichkeit gemäss StGB 75a zuständigen<br />
Kommission in analoger Weise wie einen Sachverständigen<br />
ablehnen. Der in StGB 62d Abs. 2 vorgesehene Ausschluss gilt<br />
nur für den Vertreter der Psychiatrie und nicht auch für die übrigen<br />
Mitglieder der Kommission. Die Kommissionszugehörigkeit eines<br />
Richters, welcher den um bedingte Entlassung ersuchenden Täter<br />
verurteilt hat, verstösst nicht gegen BV 29 Abs. 1. Der Inhaftierte<br />
kann den öffentlichen Ankläger als Mitglied der Kommission nach<br />
StGB 62d Abs. 2 ablehnen, wenn dieser die Anklage im Verfahren<br />
vertreten hatte, das zur Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe führte,<br />
aus deren Vollzug der Betroffene bedingt entlassen werden möchte.<br />
Hingegen genügt es für die Ablehnung nicht, dass der öffentliche<br />
Ankläger die Anklage vertreten hatte in anderen Prozessen, die zu<br />
einem Freispruch, einer Verfahrenseinstellung oder zur Verurteilung<br />
zu einer Strafe geführt haben, die bereits verbüsst oder verjährt ist<br />
oder aus andern Gründen nicht vollzogen werden kann. TF/BGer,<br />
29.8.2008 (6B_348/2008); DTF/BGE 134 IV 289.<br />
7.2.8. Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung /<br />
Delais de la prescription de l’action pénale<br />
et de la peine<br />
■ aStGB/aCP 71. StGB/CP 98 lit. a. Verfolgungsverjährung. Beginn<br />
der Verjährung. Für den Verjährungsbeginn ist nach dem<br />
Wortlaut des Gesetzes auf den Zeitpunkt der Tathandlung und nicht<br />
auf denjenigen des Erfolgseintritts der Straftat abzustellen mit der<br />
Konsequenz, dass Straftaten verjährt sein können, bevor der Erfolg<br />
eingetreten ist. Dieses Ergebnis hält auch vor den Grundrechtsgarantien<br />
stand. / Prescription de l’action pénale. Point de départ de<br />
la prescription. Conformément à la lettre de la loi, c’est le moment<br />
auquel l’auteur a exercé son activité coupable et non celui auquel se<br />
produit le résultat de cette dernière qui détermine le point de départ<br />
de la prescription. Il s’ensuit que des actes pénalement répréhensibles<br />
peuvent être atteints par la prescription avant qu’en survienne le<br />
résultat. Cette conséquence est conforme aux droits fondamentaux.<br />
BGer/TF, 11.8.2008 (6B_627/2007 / 6B_629/2007); BGE/ATF 134<br />
IV 297.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
7.3. Strafrecht – Besonderer Teil – allgemein /<br />
Droit pénal – Partie spéciale – en général<br />
7.3.17. Verletzung der Berufs- und Amtspfl icht /<br />
Violance des devoirs de fonction et des devoirs<br />
professionels<br />
■ CP/StGB 305 ter cpv. 1, 97 seg. LRD/GwG 3–5. Carente diligenza<br />
in operazioni fi nanziarie, prescrizione. L’obbligo di identifi cazione<br />
sorge con la conclusione di una relazione d’affari e perdura<br />
fi no al termine della stessa. L’operatore fi nanziario, che nell’ambito<br />
di una duratura relazione d’affari compie atti di gestione senza accertarsi<br />
dell’identità dell’avente economicamente diritto, agisce in<br />
modo permanentemente contrario al diritto. In questo caso, la carente<br />
diligenza in operazioni fi nanziarie si confi gura come un reato<br />
permanente. Il termine di prescrizione comincia a decorrere dal<br />
giorno in cui è cessata la relazione d’affari e con essa il relativo<br />
dovere di identifi cazione o dal giorno in cui l’operatore fi nanziario<br />
ha posto un termine alla situazione illecita creatasi accertando<br />
l’identità dell’avente economicamente diritto dei valori patrimoniali<br />
gestiti. / Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften, Verjährung.<br />
Die Pfl icht zur Identifi zierung der Vertragspartei entsteht mit der<br />
Aufnahme der Geschäftsbeziehung und dauert bis zu ihrer Beendigung<br />
an. Der Finanzintermediär, der im Rahmen einer dauerhaften<br />
Geschäftsbeziehung Geschäftsführungshandlungen tätigt, ohne die<br />
Identität des wirtschaftlich Berechtigten festzustellen, handelt andauernd<br />
rechtswidrig. In diesem Fall stellt die mangelnde Sorgfalt<br />
bei Finanzgeschäften ein Dauerdelikt dar. Die Verjährung beginnt<br />
daher an dem Tag zu laufen, an dem die Geschäftsbeziehung aufhört<br />
und damit die diesbezügliche Pfl icht zur Identifi zierung nicht mehr<br />
besteht oder an welchem der Finanzintermediär der rechtswidrigen<br />
Situation durch Feststellung der Identität des an den verwalteten<br />
Vermögenswerten wirtschaftlich Berechtigten ein Ende gesetzt hat.<br />
TF/BGer, 12.9.2008 (6B_249/2008); DTF/BGE 134 IV 307.<br />
7.4. Nebenstrafrecht des Bundes – allgemein /<br />
Peines accessoires de la confédération<br />
7.4.1. Verwaltungsstrafrecht / Droit pénal administratif<br />
■ VStrR/DPA 2, 11, 62, 63, 69. ZG/LD 129. MWSTG/LTVA 88<br />
Abs. 1. StGB/CP 97 Abs. 1 lit. c, 333 Abs. 6. Verjährung von Zollund<br />
Mehrwertsteuerdelikten. Ruhen der Verjährung bei Verwaltungsstrafverfahren<br />
gegen mehrere Täter. Unter einem erstinstanzlichen<br />
Urteil, nach welchem eine Verjährung nicht mehr eintreten<br />
kann, sind verurteilende, nicht aber freisprechende Erkenntnisse zu<br />
verstehen. Führt die Regelung von StGB 333 Abs. 6 im Nebenstrafrecht<br />
dazu, dass für Übertretungen eine längere Verjährungsfrist als<br />
für Vergehen desselben Gesetzes gelten würde, reduziert sich die<br />
für die Übertretungen geltende Verjährungsfrist entsprechend. Bei<br />
Verwaltungsstrafverfahren gegen mehrere Beteiligte, die gleiche<br />
oder sich überschneidende Sachverhalte betreffen, ruht während<br />
eines von einem der Beteiligten angehobenen Rechtsmittelverfahrens<br />
gegen die Festsetzung der Leistungspfl icht die strafrechtliche<br />
Verjährungsfrist gegenüber allen Mitbeteiligten. / Prescription des<br />
infractions douanières et des infractions à la loi sur la TVA. Suspension<br />
en cas de procédures pénales administratives dirigées contre<br />
plusieurs auteurs. La notion de jugement de première instance, à<br />
partir duquel la prescription ne court plus, vise les prononcés de<br />
condamnation et non les prononcés d’acquittement. Si la réglementation<br />
prévue à CP 333 al. 6 pour le droit pénal accessoire a pour<br />
conséquence que le délai de prescription applicable aux contraventions<br />
est plus long que celui qui est applicable aux délits de la<br />
même loi, le délai de prescription pour les contraventions est réduit<br />
de manière correspondante. En cas de procédures pénales adminis-<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 361 10.3.2009 9:12:30 Uhr<br />
361
362<br />
Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />
tratives dirigées contre plusieurs participants, qui concernent des<br />
états de fait identiques ou qui se recoupent, le délai de la prescription<br />
pénale est suspendu à l’égard de tous les participants pendant<br />
la procédure de recours introduite par l’un des participants sur la<br />
question de l’assujettissement à la prestation. BGer/TF, 16.10.2008<br />
(6B_686/2008); BGE/ATF 134 IV 328. Bemerkungen zu diesem<br />
Urteil von Christof Riedo und Matthias Zurbrügg in <strong>AJP</strong>/PJA<br />
2009, 372 ff.<br />
7.6. Strafprozessrecht und Gerichtsorganisation /<br />
Procédure pénale et organisation judiciaire<br />
7.6.1. Allgemeines Strafprozessrecht /<br />
Procédure pénale générale<br />
■ Eine Einstellung aufgrund Wiedergutmachung ist im Gerichtsverfahren<br />
von Bundesrechts wegen ausgeschlossen. Abweichendes<br />
kantonales Strafprozessrecht ist insoweit unbeachtlich<br />
(BV 49 Abs. 1). Es ist ein Schuldspruch allenfalls mit Strafverzicht<br />
auszufällen. / Dans une procédure judiciaire, une suspension de<br />
la poursuite en cas de réparation du préjudice causé est exclue en<br />
vertu du droit fédéral. Le droit cantonal divergeant est ainsi écarté<br />
(Cst. 49 al. 1). Il faut prononcer un jugement de condamna tion,<br />
éventuellement avec une renonciation à toute peine. BGer/TF,<br />
27.11.2008 (6B_522/2008). Bearbeitet durch Markus Felber.<br />
SJZ/RSJ 2009, 69.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 362 10.3.2009 9:12:31 Uhr
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Entscheidungen<br />
Jurisprudence<br />
1. Verfassungs- und Verwaltungsrecht /<br />
Droit constitutionnel et administratif<br />
1.4. Grundrechte / Droits fondamentaux<br />
(1) Die unbeschränkte Aufbewahrung von Zellproben,<br />
DNA-Profi len und Fingerabdrücken von einst<br />
verdächtigten jedoch nicht verurteilten Personen<br />
ist mit Art. 8 EMRK nicht vereinbar.<br />
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Grosse<br />
Kammer, 4. Dezember 2008, S. und Marper gegen das<br />
Vereinigte Königreich, Nr. 30562/04 und 30566/04.<br />
Mit Bemerkungen von<br />
DOMINIKA BLONSKI, MLaw, Assistentin am Institut<br />
für öffentliches Recht der Universität Bern<br />
Zusammenfassung des Sachverhalts:<br />
Am 4. Dezember 2008 verkündete der Europäische Gerichtshof<br />
für Menschenrechte ein Urteil, mit dem Grund sätze der<br />
konventionskonformen Aufbewahrung biometrischer Daten<br />
formuliert wurden. Die Kläger, S. (1989 geboren) und<br />
Michael Marper (1963 geboren) sind zwei im Vereinigten<br />
Königreich lebende britische Staatsangehörige. Im Januar<br />
2001 wurde S. festgenommen und wegen versuchten Raubs<br />
angeklagt. In diesem Zeitpunkt war er elf Jahre alt. Seine<br />
Fingerabdrücke und Zellproben wurden genommen und ein<br />
DNA-Profi l erstellt. Im Juni 2001 wurde er freigesprochen.<br />
Michael Marper wurde im März 2001 festgenommen und<br />
wegen Belästigung seiner Lebensgefährtin angeklagt. Seine<br />
Fingerabdrücke und Zellproben wurden genommen und<br />
ein DNA-Profi l erstellt. Im Juni 2001 wurde das Verfahren<br />
formell eingestellt, nachdem er und seine Partnerin sich versöhnt<br />
hatten. In beiden Verfahren wurden alle Daten in der<br />
nationalen Datenbank gespeichert und trotz Freispruchs und<br />
Verfahrenseinstellung dort belassen mit dem Ziel, permanent<br />
aufbewahrt und regelmässig automatisch im Zusammenhang<br />
mit Strafverfolgungen überprüft zu werden. Als die Verfahren<br />
abgeschlossen waren, beantragten beide Kläger ohne Erfolg<br />
die Entfernung der Fingerabdrücke und DNA-Profi le aus der<br />
nationalen Datenbank beziehungsweise die Vernichtung der<br />
Zellproben, welche zur Erstellung der DNA-Profi le gedient<br />
hatten. Das Verfahren wurde bis vor den Europäischen Gerichtshof<br />
für Menschenrechte weitergezogen.<br />
Die Kläger rügen, durch die Aufbewahrung der Daten einerseits<br />
in ihrem Recht auf Achtung des Privatlebens gemäss<br />
Art. 8 EMRK und andererseits in ihrem Recht auf diskriminierungsfreie<br />
Behandlung gemäss Art. 14 EMRK verletzt<br />
zu sein. Vor dem Gerichtshof stellt sich die Frage, ob die<br />
Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profi len und Fingerabdrücken<br />
der Kläger durch staatliche Behörden mit Art. 8 und<br />
14 EMRK zu vereinbaren ist, nachdem die strafrechtlichen<br />
Verfahren der Kläger mit einem Freispruch und mit der Einstellung<br />
des Verfahrens beendet worden waren.<br />
Zusammenfassung der Erwägungen:<br />
Der Gerichtshof prüft zunächst die Vereinbarkeit des Vorgehens<br />
mit dem in Art. 8 EMRK gewährleisteten Recht auf<br />
Achtung des Privatlebens. Hinsichtlich des Schutzbereichs<br />
erinnert das Gericht daran, dass der Begriff des Privatlebens<br />
sehr weit ist und bisher nicht erschöpfend defi niert wurde.<br />
Es hebt hervor, dass auch der Datenschutz sowie Angaben<br />
über die Gesundheit oder die ethnische Identität einer Person<br />
erfasst werden. Die drei im vorliegenden Fall untersuchten<br />
Arten von Daten (Zellproben, DNA-Profi le und Fingerabdrücke)<br />
enthalten eine unterschiedliche Natur und Fülle von<br />
Informationen über ein Individuum. Daher nimmt das Gericht<br />
übereinstimmend mit seiner früheren Rechtsprechung<br />
eine getrennte Prüfung der Kategorien vor.<br />
Zellproben enthalten sehr sensitive persönliche Informationen<br />
über ein Individuum. Es können beispielsweise Angaben<br />
über die Gesundheit extrahiert werden und die Proben<br />
enthalten den einzigartigen genetischen Code, welcher sowohl<br />
für das Individuum als auch für seine Verwandten Relevanz<br />
hat. Daher ist die systematische Aufbewahrung solcher<br />
Daten per se als Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens<br />
der betroffenen Individuen zu betrachten.<br />
Die Eigenart von DNA-Profi len, als Mittel der Familienforschung<br />
dienen zu können, reicht dazu aus, in ihrer<br />
syste matischen Aufbewahrung einen Eingriff in das Recht<br />
auf Achtung des Privatlebens der betroffenen Individuen zu<br />
sehen. Dies wird durch die Möglichkeit, aus DNA-Profi len<br />
Rückschlüsse auf den ethnischen Ursprung einer Person zu<br />
ziehen, verstärkt. Es spielt keine Rolle, dass die Information<br />
in DNA-Profi len nur unter Zuhilfenahme technischer Prozesse<br />
sichtbar gemacht werden kann.<br />
Fingerabdrücke enthalten weniger einschneidende persönliche<br />
Informationen über ein Individuum als Zellproben<br />
und DNA-Profi le. Sie weisen jedoch genügend einzigartige<br />
Information auf, um externe Identifi kationsfähigkeiten zu<br />
erfüllen. Ihre Aufbewahrung verbunden mit Angaben eines<br />
identifi zierten oder identifi zierbaren Individuums stellt bereits<br />
einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens<br />
dar.<br />
Somit stellt das Gericht bezüglich aller drei Kategorien<br />
von Daten einen Eingriff in das von Art. 8 EMRK gewährleistete<br />
Recht fest.<br />
Bei der Frage, ob der Eingriff gerechtfertigt werden kann,<br />
hält das Gericht fest, dass sich im englischen Recht im Police<br />
and Criminal Evidence Act (PACE) und im Criminal Justice<br />
and Police Act eine genügende gesetzliche Grundlage für die<br />
Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profi len und Fingerabdrücken<br />
fi ndet. Als legitimes Ziel wird die Aufdeckung und<br />
Prävention von Straftaten verfolgt.<br />
Die entscheidende Frage im vorliegenden Fall ist, ob<br />
die Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profi len und Fingerabdrücken<br />
der Kläger als Personen, welche bestimmter<br />
Straftaten verdächtigt jedoch nicht verurteilt wurden, in einer<br />
demokratischen Gesellschaft notwendig ist, das heisst<br />
ob ein dringendes soziales Bedürfnis und ein angemessenes<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 363 10.3.2009 9:12:31 Uhr<br />
363
364<br />
Verhältnis zum verfolgten Ziel besteht und ob die Behörde<br />
erhebliche und ausreichende Gründe zur Rechtfertigung vorlegen<br />
kann.<br />
Der Gerichtshof analysiert die allgemeinen Prinzipien des<br />
Datenschutzes, welche unter anderem im Übereinkommen<br />
zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung<br />
personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981 (Konvention<br />
108, SR 0.235.1, für die Schweiz in Kraft getreten<br />
am 1. Februar 1998) und daran anknüpfenden Empfehlungen<br />
des Ministerkomitees des Europarates festgehalten sind, vergleicht<br />
das Recht und die Praxis der anderen Vertragsstaaten<br />
und kommt zum Schluss, dass die Datenaufbewahrung<br />
in einem vernünftigen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen<br />
muss und eine zeitliche Beschränkung vorgesehen sein<br />
muss. Die meisten Vertragsstaaten sehen als Voraussetzung<br />
für die Entnahme von Zellproben eine Mindestschwere der<br />
verdächtigten Straftat vor und schreiben die sofortige oder<br />
fristgebundene Beseitigung der Zellproben und DNA-Profi<br />
le nach erfolgtem Freispruch oder Entlassung vor. Nur eine<br />
begrenzte Anzahl Ausnahmen von diesen Grundsätzen wird<br />
von einigen Vertragsstaaten zugelassen.<br />
Der in Art. 8 EMRK gewährleistete Schutz wird durch<br />
den Einsatz moderner wissenschaftlicher Techniken im<br />
Strafjustizsystem auf unakzeptable Weise abgeschwächt,<br />
wenn dieser um jeden Preis erfolgt. Dies ist insbesondere der<br />
Fall, wenn solche Techniken auf breiter Basis ohne sorgfältige<br />
Abwägung der Vor- und Nachteile gegen die Interessen<br />
des Schutzes des Privatlebens eingesetzt werden. Auf jedem<br />
Staat, welcher eine Vorreiterrolle in der Entwicklung neuer<br />
Technologien einnimmt, lastet eine spezielle Verantwortung<br />
diesbezüglich, das richtige Gleichgewicht zu fi nden.<br />
Das Vereinigte Königreich ist aus Sicht des Gerichts der<br />
einzige Staat im Europarat, welcher die systematische, unbefristete,<br />
umfassende, pauschale und unterschiedslose Aufbewahrung<br />
von DNA-Material und Fingerabdrücken zulässt.<br />
Die Aufbewahrung ist auch bei freigesprochenen Personen<br />
oder Personen, deren Verfahren eingestellt wurde, erlaubt<br />
und erfolgt unabhängig vom Alter der Person und der Art<br />
oder Schwere der verdächtigten Straftat. Freigesprochenen<br />
Personen werden nur eingeschränkte Möglichkeiten zugestanden,<br />
ihre Daten aus der nationalen Datenbank beseitigen<br />
zu lassen. Der Gerichtshof erkennt an, dass die Erweiterung<br />
der Datenbank bisher bei der Aufdeckung und Prävention<br />
von Straftaten mitgewirkt hat. Trotzdem hält er fest, dass die<br />
blosse Aufbewahrung von persönlichen Daten durch staatliche<br />
Behörden direkt das Recht auf Achtung des Privatlebens<br />
beeinträchtigt, unabhängig davon, wie die Daten erlangt<br />
wurden und ob sie künftig weiterverwendet werden.<br />
Als besonders bedenklich erachtet der Gerichtshof das<br />
Risiko der Stigmatisierung. Auch Personen in der Situation<br />
wie die Kläger, welche einst einer Straftat verdächtigt waren,<br />
aber schliesslich nicht schuldig gesprochen wurden, haben<br />
das in der Konvention gewährleistete Recht auf die Vermutung<br />
ihrer Unschuld. Die blosse Aufbewahrung ihrer Daten<br />
lässt sich nicht mit dem Ausspruch einer Verdächtigung<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
gleichsetzen. Die Empfi ndung betroffener Personen, nicht<br />
als unschuldig zu gelten, wird jedoch verstärkt, indem sie auf<br />
die gleiche Art und Weise wie verurteilte Personen behandelt<br />
werden. Dies ist insbesondere so, weil eine unbegrenzte Aufbewahrung<br />
ihrer Daten erfolgt und weil die Daten von nie<br />
verdächtigten Personen gelöscht werden müssen.<br />
Des Weiteren macht der Gerichtshof auf die nachteiligen<br />
Auswirkungen der Aufbewahrung von Daten, insbesondere<br />
bei Minderjährigen wie dem Kläger S. aufmerksam. Minderjährige<br />
befi nden sich aufgrund der Bedeutung ihrer weiteren<br />
Entwicklung und ihrer Integration in der Gesellschaft in einer<br />
speziellen Situation. Daher müssen höhere Massstäbe gesetzt<br />
werden und insbesondere dem Schutz der Jugendlichen<br />
vor jedem Nachteil, welcher durch die Datenaufbewahrung<br />
entstehen könnte, Beachtung geschenkt werden.<br />
Im Ergebnis hält der Gerichtshof fest, dass mit der fortgesetzten<br />
Datenspeicherung kein angemessenes Gleichgewicht<br />
konkurrierender öffentlicher und privater Interessen<br />
erzielt wird. Der angeklagte Staat hat jede akzeptable Grenze<br />
der Einschätzung diesbezüglich überschritten. Folglich<br />
stellt diese Art der Aufbewahrung eine unverhältnismässige<br />
Beeinträchtigung des Rechts der Kläger auf Achtung ihres<br />
Privatlebens dar und kann nicht als in einer demokratischen<br />
Gesellschaft notwendig angesehen werden. Der Gerichtshof<br />
stellt einstimmig eine Verletzung von Art. 8 EMRK fest.<br />
Hinsichtlich der Rüge, das Diskriminierungsverbot nach<br />
Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK werde verletzt, hält der Gerichtshof<br />
einstimmig fest, dass eine eigenständige Prüfung<br />
nach der Feststellung einer Verletzung des Art. 8 EMRK<br />
nicht mehr nötig ist.<br />
Die Kosten und Auslagen werden den Klägern entschädigt.<br />
Eine Geldleistung als Genugtuung spricht das Gericht<br />
nicht zu.<br />
Bemerkungen:<br />
1. a. Zellproben, DNA-Profi le und Fingerabdrücke dürfen,<br />
wenn eine Person freigesprochen wurde oder das Verfahren<br />
eingestellt wurde, nach dem Strafverfahren nicht weiter aufbewahrt<br />
werden. Eine solche Aufbewahrung wäre unverhältnismässig<br />
und damit eine Verletzung von Art. 8 EMRK.<br />
Das Urteil überzeugt. Das Gericht fällt damit einen wichtigen<br />
Grundsatzentscheid. Bisher war die Rechtslage im<br />
Bereich der Aufbewahrung biometrischer Daten im Zusammenhang<br />
mit Strafverfahren nicht genügend konkretisiert.<br />
Fingerabdrücke werden bereits lange zur Aufdeckung und<br />
Verfolgung von Straftaten eingesetzt. Die technische und<br />
wissenschaftliche Entwicklung hat vor einigen Jahren die<br />
DNA-Analyse als weiteres Verfahren im Strafprozess ermöglicht.<br />
Insbesondere bezüglich der DNA-Analyse lagen<br />
keine klaren Regelungen vor.<br />
b. Das Urteil kann als logische Fortführung der bisherigen<br />
Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Datenschutzrecht und<br />
als Anpassung an neue technische Gegebenheiten angesehen<br />
werden. In seiner Rechtsprechung hat der Gerichtshof<br />
Grundsätze für das Datenschutzrecht entwickelt. Die reine<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 364 10.3.2009 9:12:31 Uhr
Aufbewahrung von Daten, welche das Privatleben eines Individuums<br />
betreffen, stellt allein einen Eingriff in das Recht<br />
auf Achtung des Privatlebens dar, wobei es nicht darauf ankommt,<br />
ob die Daten zu einem späteren Zeitpunkt verwendet<br />
werden oder nicht. Bei der Aufbewahrung von Daten müssen<br />
gewisse Mindestanforderungen erfüllt sein. Die gesetzliche<br />
Grundlage muss ausreichend klare Regeln vorsehen, unter<br />
anderem bezüglich der Dauer und Art der Speicherung, des<br />
Gebrauchs der Daten, des Zugriffs durch Dritte, der Massnahmen<br />
zur Geheimhaltung und der Vorgehensweisen zur<br />
Entfernung der Daten, um vor Missbrauch und Willkür zu<br />
schützen.<br />
c. Nationale Datenbanken, die für die Strafverfolgung<br />
eingesetzt werden, stellen eine besondere Herausforderung<br />
für den Datenschutz dar. Es geht dem Gerichtshof nicht generell<br />
um Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profi len<br />
und Fingerabdrücken, sondern um die besondere Frage,<br />
was nach einem Freispruch und einer Verfahrenseinstellung<br />
mit ihnen zu geschehen hat. Nicht unmittelbar behandelt<br />
wird die Frage der Zulässigkeit der Aufbewahrung bei Verurteilung.<br />
Hinsichtlich dieser Fragestellung kann aus dem<br />
Urteil aber immerhin mittelbar abgeleitet werden, dass bei<br />
verurteilten Personen weniger strenge Massstäbe zu setzen<br />
sind. Jedoch gelten meines Erachtens auch bei verurteilten<br />
Personen Grenzen der legitimen Speicherung. So dürfen die<br />
Daten nicht für alle zugänglich sein, vor allem nicht für Private,<br />
das heisst solche Daten müssen unter strengen Geheimhaltungsregeln<br />
und mit Verschlüsselung für ganz bestimmte<br />
Behörden reserviert werden. Auch müssen Anforderungen<br />
an Schwere der Straftat und an die Aufbewahrungsdauer erfüllt<br />
werden. Daten von Verurteilten können sicherlich länger<br />
aufbewahrt werden als jene von nicht verurteilten Personen.<br />
Eine lebenslängliche Aufbewahrung wäre wohl aus Sicht des<br />
Rechts auf Achtung des Privatlebens auch bei verurteilten<br />
Personen nicht haltbar.<br />
d. Das Gericht unterscheidet zwischen Zellproben, DNA-<br />
Profi len und Fingerabdrücken. Diese Unterscheidung ist<br />
sinnvoll, da unterschiedlich schwere Eingriffe gegeben sind.<br />
Zellproben enthalten viele und sehr sensitive Angaben über<br />
einen Menschen. Nebst den Identifi kationsmöglichkeiten<br />
können Informationen über den Gesundheitszustand oder<br />
das Vorhandensein gewisser Krankheitsrisiken abgelesen<br />
werden. Der einzigartige genetische Code, welcher über verschiedene<br />
Eigenschaften der Person Aufschluss gibt, ist in<br />
Zellproben enthalten. Diese Erkenntnisse weisen eine sehr<br />
grosse Persönlichkeitsnähe auf. Daher stellt der Umgang mit<br />
Zellproben einen schweren Eingriff in das Recht auf Achtung<br />
des Privatlebens dar. Aus DNA-Profi len lassen sich<br />
weniger weit reichende Angaben über einen Menschen ableiten.<br />
Immerhin können aufgrund von DNA-Profi len Aussagen<br />
zu Verwandtschaftsverhältnissen oder zum Geschlecht<br />
der betroffenen Person gemacht werden (vgl. Botschaft zum<br />
Bundesgesetz über die Verwendung von DNA-Profi len im<br />
Strafverfahren und zur Identifi zierung von unbekannten und<br />
vermissten Personen vom 8. November 2000, BBl 2001 29,<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
36 ff.). Die Verwendung von DNA-Profi len stellt daher einen<br />
weniger weit gehenden Eingriff dar als jene von Zellproben.<br />
Dasselbe gilt im Ergebnis auch für Fingerabdrücke. Die absolute<br />
Einzigartigkeit des Erscheinungsbildes der Fingerkuppenlinien<br />
bei jedem Menschen ermöglicht eine sichere<br />
Unterscheidung und Identifi zierung von Personen. Selbst bei<br />
eineiigen Zwillingen sind die Fingerabdrücke verschieden.<br />
Fingerabdrücke verändern sich im Laufe des Lebens nicht.<br />
Aufgrund dieser Eigenschaften muss auch der Einsatz dieser<br />
biometrischer Daten als Eingriff in den Schutzbereich des<br />
Rechts auf Achtung des Privatlebens erkannt werden – wenn<br />
auch dieser Eingriff weniger schwer wiegt als bei Zellproben<br />
und DNA-Profi len.<br />
e. Der Gerichtshof erachtet das Vorgehen als nicht verhältnismässig,<br />
weil er dessen Notwendigkeit in einer demokratischen<br />
Gesellschaft verneint. Dies weil kein angemessenes<br />
Gleichgewicht zwischen konkurrierenden öffentlichen und<br />
privaten Interessen erzielt werden kann. Die sich stellende<br />
Frage im vorliegenden Fall betrifft nicht verurteilte Personen.<br />
Das Erscheinen in einer Verbrecherdatenbank bringt<br />
die Gefahr der Stigmatisierung von betroffenen Personen mit<br />
sich. Davor müssen insbesondere nicht verurteilte Personen<br />
geschützt werden. Es müssen Vorschriften vorgesehen werden,<br />
welche eine Löschung der Daten von nicht schuldig gesprochenen<br />
Personen ermöglichen. Die Daten können nicht<br />
mit der blossen Begründung, dass sie bereits erfasst wurden<br />
und sich bei den Behörden befi nden, gespeichert werden. Insofern<br />
hat der Gerichtshof zu Recht ein unverhältnismässiges<br />
Vorgehen festgestellt.<br />
2. Für die Schweiz stellt sich nach dem Urteil die Frage, ob<br />
die vorhandenen Regelungen den Anforderungen der EMRK<br />
genügen. Diesbezüglich fällt rasch auf, dass die Rechtsgrundlagen<br />
in vielen verschiedenen Gesetzen und Verordnungen<br />
sowohl auf Bundesebene als auch auf kantonaler<br />
Ebene enthalten sind. Die neue eidgenössische Strafprozessordnung<br />
(Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober<br />
2007, StPO, BBl 2007 6977), welche voraussichtlich<br />
am 1. Januar 2011 in Kraft treten wird, soll die Vereinheitlichung<br />
des Strafprozessrechts bringen. Der 5. Titel der StPO<br />
regelt Zwangsmassnahmen. Darin fi nden sich die Kapitel<br />
über die DNA-Analyse und die erkennungsdienstliche Erfassung<br />
(5. und 6. Kapitel).<br />
a. Bezüglich der DNA-Analyse enthält die StPO ausschliesslich<br />
strafprozessuale Bestimmungen (Art. 255 ff.<br />
StPO) und hält ausdrücklich die subsidiäre Anwendbarkeit<br />
des Bundesgesetzes über die Verwendung von DNA-Profi len<br />
im Strafverfahren und zur Identifi zierung von unbekannten<br />
oder vermissten Personen vom 20. Juni 20<strong>03</strong> (DNA-Profi<br />
l-Gesetz, SR 363) fest (Art. 259 StPO). Somit verbleiben<br />
insbesondere die Regelungen über die Aufbewahrung beziehungsweise<br />
die Löschung von DNA-Daten im DNA-Profi l-<br />
Gesetz (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts<br />
vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1085, 1243). Zur<br />
Aufklärung eines Verbrechens oder Vergehens kann bei der<br />
verdächtigten Person eine Zellprobe (meist ein Wangen-<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 365 10.3.2009 9:12:31 Uhr<br />
365
366<br />
schleimhautabstrich, WSA) abgenommen werden und daraus<br />
ein DNA-Profi l erstellt werden (Art. 255 Abs. 1 StPO,<br />
Art. 3 Abs. 1 DNA-Profi l-Gesetz). Bei der Straftat muss es<br />
sich um ein Verbrechen (Freiheitsstrafe von mehr als drei<br />
Jahren; vgl. Art. 10 StGB) oder Vergehen (Freiheitsstrafe bis<br />
zu drei Jahren oder Geldstrafe; vgl. Art. 10 StGB) handeln.<br />
Eine Übertretung (Busse; vgl. Art. 1<strong>03</strong> StGB) genügt nicht.<br />
Allerdings handelt es sich bei den meisten im StGB geregelten<br />
Delikten um Verbrechen oder Vergehen. Der Gerichtshof<br />
hält die Schwere der Straftat als Kriterium für die Frage der<br />
Zulässigkeit der Aufbewahrung von DNA-Daten fest. Ob die<br />
pauschale Gestattung der DNA-Analyse auch bei Vergehen<br />
erforderlich ist, ist zumindest fraglich. Zu Gunsten der effi -<br />
zienten Strafaufklärung sollte dies dennoch zugelassen werden.<br />
Die schweizerische Regelung erfüllt folglich meines<br />
Erachtens die Anforderungen des Gerichtshofs bezüglich<br />
Mindestschwere der Straftat.<br />
b. Das DNA-Profi l-Gesetz enthält eine Bestimmung betreffend<br />
Vernichtung von Zellproben. In Art. 9 DNA-Profi l-<br />
Gesetz wird festgehalten, dass die Strafbehörde die Zellprobe<br />
spätestens nach drei Monaten zur Analyse an ein Labor<br />
senden muss, andernfalls wird die Probe vernichtet (Art. 9<br />
Abs. 1 lit. b DNA-Profi l-Gesetz). Das Labor darf die Probe<br />
nochmals höchstens drei Monate aufbewahren, danach werden<br />
die Zellproben defi nitiv vernichtet (Art. 9 Abs. 2 DNA-<br />
Profi l-Gesetz). Insgesamt können die Zellproben somit nach<br />
Abnahme von der betroffenen Person maximal sechs Monate<br />
aufbewahrt werden.<br />
Für Zellproben müssen besonders hohe Massstäbe angesetzt<br />
werden, da die Bearbeitung solcher Daten einen<br />
schweren Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens<br />
darstellt. Dass Zellproben vernichtet werden müssen, ist im<br />
Sinne des Urteils des Gerichtshofs. Das DNA-Profi l-Gesetz<br />
sieht mit der Vorschrift über die Vernichtung von Zellproben<br />
nur eine kurze Aufbewahrungsfrist vor. Maximal sechs<br />
Monate stellen eine angemessene zeitliche Limite dar. Bezüglich<br />
Freispruch und Verfahrenseinstellung werden keine<br />
davon abweichenden Vorgehensweisen vorgesehen. Bei der<br />
DNA-Analyse darf weder nach dem Gesundheitszustand<br />
noch nach anderen persönlichen Eigenschaften mit Ausnahme<br />
des Geschlechts der betroffenen Person geforscht werden<br />
(Art. 2 Abs. 2 DNA-Profi l-Gesetz). Die Zellproben dürften<br />
somit einzig zur Erstellung eines DNA-Profi ls verwendet<br />
werden. Aufgrund der nur kurzen Aufbewahrungszeit der<br />
Proben und der expliziten Einschränkung der Verwendungsmöglichkeiten<br />
von Proben kann der Umgang mit Zellproben<br />
als verhältnismässig angesehen werden, so dass die Vorgaben<br />
des Gerichtshofs erfüllt werden.<br />
c. DNA-Profi le werden aus den nicht-codierenden Abschnitten<br />
der Erbsubstanz DNA gewonnen (Art. 2 Abs. 1<br />
DNA-Profi l-Gesetz). Aus diesen Bereichen der DNA können<br />
keine Rückschlüsse auf körperliche sowie psychische<br />
Eigenschaften oder Krankheiten der betroffenen Person gezogen<br />
werden (Schlussbericht der Expertenkommission vom<br />
18. Dezember 1998, Errichtung einer gesamtschweizerischen<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
DNA-Profi l-Datenbank, S. 16, abrufbar unter: http://www.<br />
fedpol.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/diverse_berichte.Par.0002.File.tmp/dna1298.pdf).<br />
Die aus Zellproben<br />
erstellten DNA-Profi le von als Täter oder Teilnehmer an<br />
einem Verbrechen oder Vergehen verdächtigten Personen<br />
werden in der nationalen, zentralen DNA-Datenbank CODIS<br />
gespeichert. Um eine anonymisierte Speicherung zu gewährleisten,<br />
wird den Profi len eine PCN (Process-Control-<br />
Number, Prozesskontrollnummer) zugewiesen (Art. 14 des<br />
Bundesgesetzes über die polizeilichen Informationssysteme<br />
des Bundes vom 13. Juni 2008 [BPI, SR 361], welches am<br />
5. Dezember 2008 in Kraft getreten ist). Nebst der Speicherung<br />
des DNA-Profi ls werden in einer getrennten Datenbank<br />
IPAS Personendaten (Personalien usw.) der betroffenen Person<br />
unter derselben PCN gespeichert (Verordnung über das<br />
informatisierte Personennachweis-, Aktennachweis- und<br />
Verwaltungssystem im Bundesamt für Polizei vom 15. Oktober<br />
2008, IPAS-Verordnung, SR 361.2). Erst wenn es bei der<br />
automatisierten Suche zu einer Übereinstimmung (Hit) mit<br />
einem gespeicherten DNA-Profi l kommt, wird über die PCN<br />
eine Verbindung zu den Personendaten hergestellt und damit<br />
die Person identifi ziert.<br />
Bezüglich der Löschung von DNA-Profi len ist das DNA-<br />
Profi l-Gesetz massgebend. Bei Ausschluss der Person von<br />
der Täterstellung oder bei Tod der betroffenen Person ist die<br />
sofortige Löschung vorgesehen (Art. 16 Abs. 1 lit. a und b<br />
DNA-Profi l-Gesetz). Wird das Verfahren mit einem Freispruch<br />
rechtskräftig abgeschlossen, muss das DNA-Profi l<br />
bei Eintritt der Rechtskraft gelöscht werden (Art. 16 Abs. 1<br />
lit. c DNA-Profi l-Gesetz). Die defi nitive Einstellung des Verfahrens<br />
bedingt die Löschung des DNA-Profi ls nach einem<br />
Jahr nach der Verfahrenseinstellung (Art. 16 Abs. 1 lit. d<br />
DNA-Profi l-Gesetz). Erfolgte der Freispruch oder die Verfahrenseinstellung<br />
wegen Schuldunfähigkeit des Täters, werden<br />
die Daten hingegen nicht gelöscht (Art. 16 Abs. 2 DNA-<br />
Profi l-Gesetz). In allen Fällen ist die Löschung von Amtes<br />
wegen spätestens nach 30 Jahren vorgeschrieben (Art. 16<br />
Abs. 3 DNA-Profi l-Gesetz).<br />
Misst man die Löschungsvorschriften der gesetzlichen Regelungen<br />
an den Kriterien des Entscheids, so ist es zunächst<br />
konventionskonform, dass sowohl nach Freispruch als auch<br />
bei Verfahrenseinstellung überhaupt eine Löschung vorgesehen<br />
ist. Die nach Freispruch bei Eintritt der Rechtskraft zu<br />
erfolgende Löschung erfüllt die Anforderungen des Gerichtshofs<br />
bezüglich zeitlicher Beschränkung der Aufbewahrung<br />
von DNA-Profi len. Das Verfahren wird erst bei Eintritt der<br />
Rechtskraft abgeschlossen. Es wäre nicht zweckdienlich, die<br />
Daten zu einem früheren Zeitpunkt zu löschen. In den Fällen<br />
der Verfahrenseinstellung sieht das schweizerische Recht die<br />
Löschung zwar nur mit einjähriger Verzögerung vor, doch<br />
steht auch dies nicht im Widerspruch zur EMRK. Die einjährige<br />
Frist ist zweckmässig, weil die Daten möglicherweise<br />
bei einer Weiterführung des Verfahrens bei neuen Erkenntnissen<br />
verwendet werden könnten. Problematisch ist allein<br />
die Regelung über Nichtlöschung im Falle von Freispruch<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 366 10.3.2009 9:12:32 Uhr
oder Verfahrenseinstellung wegen Schuldunfähigkeit des Täters.<br />
Die DNA-Profi le von schuldunfähigen Tätern werden<br />
folglich erst nach 30 Jahren gelöscht. Geht man nach dem<br />
Wortlaut des Gerichtsentscheids, dann wäre auch hier eine<br />
kurzfristige Löschung vorzusehen, weil es sich um einen Fall<br />
des Freispruchs oder der Verfahrenseinstellung handelt. Die<br />
Schuldunfähigkeit ist allerdings ein Sonderfall, mit dem sich<br />
der Gerichtshof noch gar nicht zu befassen hatte. Der Sache<br />
nach handelt es sich um Situationen, in denen der Täter eigentlich<br />
schuldig zu sprechen wäre, wegen besonderer Umstände<br />
aber von einem Entschuldigungsgrund profi tiert. Für<br />
das Risiko zukünftiger Straftaten bleibt sein DNA-Profi l dabei<br />
gleich relevant, als wäre er tatsächlich verurteilt worden.<br />
Darum muss es zulässig sein, die Daten erst nach 30 Jahren<br />
zu löschen. Weil es sich bei Schuldunfähigkeit um einen<br />
Sonderfall handelt, ist auch diese schweizerische Regelung<br />
konform mit der Rechtsprechung des Gerichts.<br />
d. Auch Fingerabdrücke unterstehen als erkennungsdienstliche<br />
Massnahme den Regelungen der neuen eidgenössischen<br />
StPO (Art. 260 ff. StPO). Jede gerichtspolizeilich<br />
interessierende Person kann erkennungsdienstlichen Massnahmen<br />
unterzogen werden. Voraussetzung ist die Erforderlichkeit<br />
zur Sachverhaltsabklärung und die Wahrung der<br />
Verhältnismässigkeit (Botschaft Strafprozessrecht, a.a.O.,<br />
S. 1243). Wie auch bei den DNA-Profi len werden die Fingerabdrücke<br />
in einer nationalen zentralen Datenbank (Automatisiertes<br />
Fingerabdruck-Identifi kations-System, AFIS)<br />
gespeichert und ihnen eine PCN zugewiesen, wobei in der<br />
getrennten Datenbank IPAS die Personendaten der betroffenen<br />
Person unter derselben PCN gespeichert sind (Art. 14<br />
BPI). Erst wenn sich bei der automatisierten Suche ein Hit<br />
ergibt, das heisst eine Übereinstimmung mit einem gespeicherten<br />
Fingerabdruck festgestellt wird, kann über die PCN<br />
eine Verbindung zu den Personendaten hergestellt und damit<br />
die Person identifi ziert werden.<br />
Die gestützt auf Art. 354 Abs. 4 StGB erlassene Verordnung<br />
über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher<br />
Daten vom 21. November 2001 (AFIS-Verordnung,<br />
SR 361.3) regelt spezialgesetzlich die Aufbewahrungsdauer<br />
und die Löschungspfl ichten bezüglich Fingerabdrücke. Die<br />
erfassten Fingerabdrücke werden gelöscht, sobald die betroffene<br />
Person von der Täterstellung ausgeschlossen werden<br />
kann (Art. 15 Abs. 1 lit. a AFIS-Verordnung). Eine sofortige<br />
Löschung erfolgt auch nach dem Tod der betroffenen Person<br />
(Art. 15 Abs. 1 lit. b AFIS-Verordnung). Als allgemeine<br />
Löschfrist für Fingerabdrücke wird eine Frist von 30 Jahren<br />
vorgesehen (Art. 15 Abs. 1 lit. c AFIS-Verordnung). Defi nitiv<br />
werden alle AFIS-Daten spätestens nach 50 Jahren gelöscht<br />
(Art. 15 Abs. 3 AFIS-Verordnung). Auf Gesuch der<br />
betroffenen Person werden Fingerabdrücke bei Abschluss<br />
des Verfahrens mit Freispruch bei Eintritt der Rechtskraft<br />
des Freispruchs gelöscht (Art. 16 Abs. 1 lit. a AFIS-Verordnung).<br />
Wird das Verfahren defi nitiv eingestellt, werden die<br />
Fingerabdrücke auf Gesuch der betroffenen Person ein Jahr<br />
nach der Verfahrenseinstellung gelöscht (Art. 16 Abs. 1 lit. b<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
AFIS-Verordnung). Erfolgt der Freispruch oder die Verfahrenseinstellung<br />
wegen Schuldunfähigkeit des Täters, werden<br />
die Daten dagegen nicht gelöscht (Art. 16 Abs. 2 AFIS-Verordnung).<br />
Bei der Löschung von Fingerabdrücken nach Freispruch<br />
oder Verfahrenseinstellung sind ähnliche Regeln vorgesehen<br />
wie bei DNA-Profi len. Nach Freispruch werden die Fingerabdrücke<br />
bei Eintritt der Rechtskraft gelöscht und bei Verfahrenseinstellung<br />
erfolgt die Löschung ein Jahr nach der<br />
defi nitiven Einstellung. Auch bei Fingerabdrücken wird vorgesehen,<br />
dass bei Schuldunfähigkeit keine Löschung erfolgt.<br />
Es stellen sich diesbezüglich dieselben Fragen wie bei den<br />
DNA-Profi len (vgl. vorne unter 2. c.). Bei den Vorschriften<br />
zu Fingerabdrücken besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied<br />
zur Regelung bei DNA-Profi len. Die Daten werden<br />
sowohl bei Freispruch als auch bei Verfahrenseinstellung nur<br />
auf Gesuch der betroffenen Person gelöscht. Die Erfassung<br />
von Fingerabdrücken stellt einen weniger schweren Eingriff<br />
in Grundrechte dar als jene von DNA-Profi len, weil aus Fingerabdrücken<br />
nicht gleich persönliche Informationen über<br />
die betroffene Person extrahiert werden können. Daher ist<br />
eine weniger strenge Regelung vertretbar. Jedoch dienen Fingerabdrücke<br />
immerhin als eindeutiges Identifi zierungsinstrument.<br />
Erfolgt die Löschung nur auf Gesuch der betroffenen<br />
Person, führt dies dazu, dass die Daten in den meisten Fällen<br />
nicht gelöscht sondern langfristig aufbewahrt werden, weil<br />
den betroffenen Personen die Erforderlichkeit der Gesuchseinreichung<br />
um Löschung ihrer Daten wohl kaum bekannt<br />
sein wird. In der Praxis wirkt sich diese Regelung folglich so<br />
aus, als ob keine Löschung vorgesehen wäre. Der Gerichtshof<br />
äusserte sich zu einer solchen Regelung nicht konkret.<br />
Immerhin hält er im Urteil im Umkehrschluss fest, dass freigesprochenen<br />
Personen die Möglichkeit gegeben sein muss,<br />
ihre Daten aus der Datenbank entfernen zu lassen. Mit dem<br />
Mittel der Gesuchseinreichung wird diese Voraussetzung erfüllt.<br />
Somit erweisen sich die im schweizerischen Recht vorgesehenen<br />
Bestimmungen auch bezüglich Fingerabdrücken<br />
insgesamt als konform mit den Vorgaben des Gerichtshofs.<br />
Denn eine Löschungsmöglichkeit ist vorgesehen – wenn<br />
auch nur auf Gesuch der betroffenen Person – und eine Befristung<br />
der Aufbewahrungsdauer ist auch vorgeschrieben.<br />
3. Der Gerichtshof weist auf die spezielle Situation Minderjähriger<br />
hin, weil sie sich noch in der Entwicklung befi<br />
nden und ihrer Integration in der Gesellschaft besonderes<br />
Gewicht zuzumessen ist. Daher wirkt sich die Aufbewahrung<br />
ihrer Daten – insbesondere wenn es sich um nicht verurteilte<br />
Personen handelt – besonders schädlich aus. Es besteht die<br />
erhöhte Gefahr der Stigmatisierung. Vor diesen Nachteilen<br />
sind Minderjährige besonders zu schützen. Das Gericht verweist<br />
auf Art. 40 des UNO-Übereinkommens über die Rechte<br />
des Kindes vom 20. November 1989 (SR 0.107, für die<br />
Schweiz in Kraft getreten am 26. März 1997). Dieser Artikel<br />
hält das Recht des Kindes fest, in einer Weise behandelt<br />
zu werden, welche zu einer erfolgreichen Wiedereingliederung<br />
in die Gesellschaft führt, räumt Kindern eine besonde-<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 367 10.3.2009 9:12:32 Uhr<br />
367
368<br />
re Stellung im Strafverfahren ein und hebt hervor, dass das<br />
Privatleben von Kindern in Strafprozessen besonders zu<br />
schützen ist. Des Weiteren schreibt der Artikel vor, dass für<br />
Kinder besondere Verfahren, Behörden, Einrichtungen und<br />
Vorkehrungen vorzusehen sind. Durch die unbefristete Aufbewahrung<br />
der Daten wird die Unschuldsvermutung, welche<br />
im zitierten Artikel auch als Mindestgarantie erwähnt wird,<br />
gefährdet. Der Gerichtshof macht diesbezüglich auf Bedenken<br />
der Vereinbarkeit der unbeschränkten Aufbewahrung der<br />
Daten von Minderjährigen mit dem UNO-Übereinkommen<br />
aufmerksam.<br />
Das Argument der besonderen Schutzwürdigkeit von Minderjährigen<br />
zieht der Gerichtshof zur Bestärkung seiner Argumentation<br />
hinzu, da im vorliegenden Fall ein Minderjähriger<br />
am Verfahren beteiligt ist. Er stellt bloss allgemein fest,<br />
dass Minderjährige mehr Schutz verdienen, stellt jedoch keine<br />
deutlichen Grundsätze für Minderjährige auf. Daher kann<br />
nicht abgeleitet werden, welche Regeln für die Aufbewahrung<br />
von Daten Minderjähriger anzuwenden sind. Immerhin<br />
erwähnt der Gerichtshof das Alter der betroffenen Person als<br />
Kriterium für die Überprüfung der Verhältnismässigkeit der<br />
unbeschränkten Datenaufbewahrung. Im schweizerischen<br />
Recht werden nebst den allgemeinen Grundsätzen (besonderes<br />
Verfahren, andere Behörden und alternative Einrichtungen<br />
und Vorkehrungen) keine besonderen Bestimmungen<br />
bezüglich des Umgangs mit Zellproben, DNA-Profi len und<br />
Fingerabdrücken von Minderjährigen oder gar Altersgrenzen<br />
vorgesehen. Die im schweizerischen Recht vorgesehen<br />
Löschungsfristen bei Freispruch oder Verfahrenseinstellung,<br />
welche auch für Minderjährige gelten, sind nur von kurzer<br />
Dauer. Daher kann diesbezüglich auch für Minderjährige<br />
von der Vereinbarkeit der Regeln mit den Grundsätzen des<br />
Gerichtshofs ausgegangen werden.<br />
4. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die<br />
schweizerischen Bestimmungen den Anforderungen des<br />
Gerichtshofs entsprechen und damit eine mit dem in Art. 8<br />
EMRK gewährleisteten Recht auf Achtung des Privatlebens<br />
vereinbare Regelung vorsehen. Im vorliegenden Fall hat<br />
der Gerichtshof die entscheidende Frage, ob die pauschale,<br />
unterschiedslose und unbefristete Aufbewahrung der Daten<br />
nach Freispruch oder Verfahrenseinstellung verhältnismässig<br />
sei, verneint. Das Gericht verlangt die Beachtung der Unterschiede<br />
zwischen den drei Datenarten und fordert insbesondere<br />
bei der Aufbewahrung von Zellproben erhöhte Schutzvorkehrungen.<br />
Die Verhältnismässigkeitsprüfung erfordert<br />
die Abwägung von verschiedenen Kriterien, so insbesondere<br />
die zeitliche Beschränkung der Aufbewahrung, die Erforderlichkeit<br />
einer Mindestschwere oder einer bestimmten Art der<br />
Straftat und die Beachtung des Alters der Person.<br />
Zwar erfüllt die schweizerische Regelung bezüglich der<br />
Löschung von Fingerabdrücken aus der Datenbank nur auf<br />
Gesuch der betroffenen Person die Voraussetzungen nach<br />
dem Gerichtshof. Jedoch würde sich aus praktischen Gründen<br />
die Löschung von Amtes wegen empfehlen. Denn nur so<br />
kann erreicht werden, dass die Daten auch wirklich gelöscht<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
werden. Die bestehenden Vorschriften sind dennoch mit der<br />
EMRK vereinbar.<br />
Das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte<br />
gefällte Urteil zieht basierend auf dem aktuellen wissenschaftlichen<br />
Stand bezüglich der DNA-Analyse eine Grenze.<br />
Diese Schranke ist wichtig, denn zukünftig wird die<br />
Forschung weitere Möglichkeiten in der DNA-Analyse – insbesondere<br />
bei der Verwendung von Zellproben – hervorbringen,<br />
welche auch in der Strafverfolgung zur Identifi zierung<br />
von Menschen erfolgsversprechend zum Einsatz kommen<br />
werden. Diese Entwicklungen werden erneut rechtliche Regelungen,<br />
welche die Gewährleistung der Grundrechte sicherstellen,<br />
erfordern. In der Zukunft sollten zumindest die<br />
im Urteil festgelegten Grundsätze weitergelten.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 368 10.3.2009 9:12:32 Uhr
2. Privatrecht / Droit privé<br />
2.6. Sachenrecht – allgemein /<br />
Droits réels – en général<br />
2.6.4. Grundbuch / Registre foncier<br />
(2) Art. 965 ZGB, Art. 24 Abs. 1bis lit. a GBV, Art. 164<br />
Abs. 1 und 2 OR. Die Vereinbarung, wonach die<br />
Übertragung eines selbständigen und dauernden<br />
Baurechts der Genehmigung durch die Grundeigentümerin<br />
bedarf, hat keine dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung<br />
zur Folge. Wird das Baurecht<br />
veräussert, hat demnach der Grundbuchverwalter<br />
nicht zu prüfen, ob der dienstbarkeitsbelastete<br />
Grundeigentümer seine Zustimmung zur Veräusserung<br />
erteilt hat.<br />
Bundesgericht, II. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 5A_614/<br />
2008 vom 26. November 2008 i.S. Burgergemeinde Bern<br />
gegen Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons<br />
Bern, Beschwerde in Zivilsachen (BGE 134 III …).<br />
Zusammenfassung des Sachverhalts:<br />
Die Burgergemeinde Bern ist Eigentümerin verschiedener<br />
Grundstücke, welche mit einem selbständigen und dauernden<br />
Baurecht belastet sind. In ihren Baurechtsverträgen<br />
vereinbart sie jeweils einen Vorbehalt für die Übertragung<br />
der Baurechte mit folgendem Wortlaut:<br />
«Die rechtsgeschäftliche Übertragung bedarf der Genehmigung<br />
durch die Grundeigentümerin. Die Genehmigung<br />
kann verweigert werden:<br />
–<br />
–<br />
–<br />
Mit Bemerkungen von<br />
Prof. Dr. ALFRED KOLLER, Universität St. Gallen<br />
wenn der Übernehmer nicht alle Rechte und Pfl ichten aus<br />
diesem Vertrag übernimmt;<br />
wegen fehlender Kreditwürdigkeit des Erwerbers oder<br />
aus anderen wichtigen Gründen.»<br />
Am 19. September stellte die Burgergemeinde beim Kreisgrundbuchamt<br />
VIII Bern-Laupen ein «Gesuch um Feststellung,<br />
dass jede Handänderung von im Grundbuch zu Lasten<br />
ihrer Grundstücke aufgenommenen selbständigen und dauernden<br />
Baurechte mit entsprechendem Genehmigungsvorbehalt<br />
ihrer Zustimmung bedürfe und ohne eine solche Zustimmung<br />
nicht im Grundbuch eingetragen werden dürfe.» Das<br />
Grundbuchamt trat mangels Feststellungsinteresses nicht<br />
auf das Gesuch ein. Dagegen reichte die Burgergemeinde<br />
Beschwerde ein bei der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion<br />
des Kantons Bern (JGK) und erneuerte ihr Gesuch<br />
um Erlass einer Feststellungsverfügung. Die JGK kam zum<br />
Schluss, dass das Grundbuchamt zu Recht auf das Gesuch<br />
der Burgergemeinde nicht eingetreten sei, soweit es um die<br />
Frage der Zustimmung zur Handänderung des Baurechts<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
gehe. Ob hingegen der Grundbucheintrag ohne eine solche<br />
Zustimmung erfolgen dürfe, stelle eine verwaltungsrechtliche<br />
Frage dar. Sie bejahte das Vorliegen eines schutzwürdigen<br />
Feststellungsinteresses und erwog, das Grundbuchamt,<br />
dem die Handänderung eines Baurechts zum Eintrag<br />
vorgelegt werde, habe nicht zu prüfen, ob die Burgergemeinde<br />
als belastete Grundeigentümerin ihre Zustimmung dazu<br />
erteilt hat. Die Beschwerde wurde demzufolge abgewiesen.<br />
Eine Beschwerde der Burgergemeinde beim Verwaltungsgericht<br />
des Kantons Bern hatte keinen Erfolg. Auch der beim<br />
Bundesgericht eingereichten Beschwerde in Zivilsachen war<br />
kein Erfolg beschieden. Auf die Erwägungen des Bundesgerichts<br />
wird im Rahmen der nachfolgenden Bemerkungen<br />
eingegangen.<br />
Bemerkungen:<br />
1. Das Bundesgericht ist auf die Beschwerde mit folgender<br />
Begründung eingetreten: «Strittig ist, ob für die Handänderung<br />
von im Grundbuch eingetragenen selbständigen und<br />
dauernden Baurechten die Zustimmung des Grundeigentümers<br />
erforderlich ist. Es geht um eine Frage der Führung<br />
des Grundbuchs, eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit,<br />
welche in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zivilrecht<br />
steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 BGG). Eine derartige<br />
Streitigkeit weist keinen Vermögenswert auf (vgl. Urteil 5A_<br />
35/2008 vom 10. Juni 2008 E. 2). Der kantonale Rechtsweg<br />
ist zudem im Hinblick auf die Eintretensvoraussetzungen<br />
nicht massgebend (BGE 131 V 271 E. 2; 123 III 346 E. 1a).<br />
Die Beschwerde in Zivilsachen ist damit gegeben.»<br />
2. Die Burgergemeinde, welche einem Dritten ein (selbständiges<br />
und dauerndes) Baurecht einräumt, will verhindern,<br />
dass der Erwerber des Baurechts dieses ohne ihre Zustimmung<br />
weiterveräussert. Das jeweils zum Vertragsinhalt gemachte<br />
Zustimmungserfordernis soll nicht bloss obligatorische<br />
Wirkung zeitigen, sondern dingliche in dem Sinne,<br />
dass eine Veräusserung des Baurechts ohne die erforderliche<br />
Zustimmung unwirksam ist und keinen Rechtsübergang bewirkt.<br />
Mit anderen Worten soll das Zustimmungserfordernis<br />
die Verfügungsbefugnis des Baurechtsinhabers beschränken.<br />
Wäre dieser Parteiwille beachtlich, dürfte der Grundbuchverwalter<br />
bei einer Baurechtsveräusserung den Erwerber nur<br />
ins Grundbuch eintragen (vgl. Art. 35 Abs. 2 lit. d GBV),<br />
wenn die Zustimmung erteilt wurde und der entsprechende<br />
Nachweis erbracht wird (Art. 965 Abs. 1 ZGB, 24 Abs. 1 bis<br />
lit. a GBV). Das Bundesgericht ist indes – wie die Berner<br />
Instanzen – der Auffassung, dass die Verfügungsbefugnis<br />
des Baurechtsinhabers nicht in dieser Weise beschränkt werden<br />
kann.<br />
3. Die Auffassung des Bundesgerichts ist jedenfalls dann<br />
zutreffend, wenn das selbständige und dauernde Baurecht<br />
als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen wurde.<br />
Diesfalls gelten für die Übertragung dieselben Regeln wie<br />
für Liegenschaften. Der Veräusserungsvertrag ist demnach<br />
öffentlich zu beurkunden, das Verfügungsgeschäft besteht<br />
in der Grundbucheintragung. Die Anmeldung erfolgt<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 369 10.3.2009 9:12:33 Uhr<br />
369
370<br />
durch den Baurechtsinhaber bzw. Grundstückseigentümer<br />
(Art. 965 Abs. 1 ZGB); eine allfällige Einschränkung der<br />
Verfügungsbefugnis kann – wie hinsichtlich einer Liegenschaft<br />
– nur obligatorische Bedeutung haben und ist daher<br />
für das Eintragungsverfahren ohne Bedeutung (s. im Einzelnen<br />
Dominik Bachmann, Verfügungsbeschränkungen bei<br />
gebuchten selbständigen und dauernden Rechten, insbesondere<br />
Baurechten, Diss. Zürich, Bern 1993, 144 ff.). Ist das<br />
(selbständige und dauernde) Baurecht nicht als Grundstück<br />
im Grundbuch eingetragen, so folgt die Übertragung ganz<br />
anderen Grundsätzen. Das Veräusserungsgeschäft bedarf<br />
nach wohl herrschender Ansicht der blossen Schriftform<br />
(vgl. Pascal Simonius/Thomas Sutter, Schweizerisches<br />
Immobiliarsachenrecht, Bd. II, Die beschränkten dinglichen<br />
Rechte, Basel/Frankfurt a. Main 1990, § 1 Rn 65, § 4 Rn 51;<br />
Jörg Schmid/Bettina Hürlimann-Kaup, Sachenrecht,<br />
2. A., Zürich 20<strong>03</strong>, Rn 1386; anders [für öffentliche Beurkundung]<br />
und m.E. vorzugswürdig das Eidg. Grundbuchamt<br />
in einer Meinungsäusserung vom 8. Februar 1989, BN<br />
1989, 411 Ziff. 32). Die Verfügung geschieht durch Zession<br />
(Art. 164 ff. OR analog; Bachmann, a.a.O., 170; Schmid/<br />
Hürlimann-Kaup, a.a.O., Rn 1386). Zwar ist eine Eintragung<br />
des neuen Baurechtsinhabers im Grundbuch nach herrschender<br />
Ansicht möglich (vgl. Art. 35 lit. d GBV), jedoch<br />
nicht konstitutiv (z.B. Simonius/Sutter, a.a.O., § 1 Rn 65<br />
m.w.Nw.; Schmid/Hürlimann-Kaup, a.a.O., Rn 1386).<br />
Folgt man dem Gesagten, so läge an sich die Auffassung<br />
nahe, dass die Verfügungsbefugnis des Baurechtsinhabers<br />
dinglich beschränkt werden kann (Art. 164 Abs. 1/2 OR<br />
analog). Art. 164 Abs. 1/2 OR sollte jedoch im vorliegenden<br />
Kontext nicht angewendet werden, vielmehr drängt es sich<br />
auf, eine dingliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis<br />
auszuschliessen, und zwar – in Übereinstimmung mit dem<br />
referierten Entscheid – generell (Bachmann, a.a.O., 170 f.;<br />
a.A. die vom BGer in E. 4.3 zitierten Isler und Schmid<br />
sowie Simonius/Sutter, a.a.O., § 4 Rn 51 Anm. 61). BGE<br />
72 I 233, der eine dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung<br />
unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet<br />
hatte, ist überholt.<br />
4. Nach geltendem Recht kann ein Zustimmungserfordernis<br />
auch nicht durch Vormerkung im Grundbuch realobligatorisch<br />
ausgestaltet werden. Das soll sich ändern: «Die<br />
Revisionsvorlage zum Immobiliarsachenrecht sieht nun<br />
die Möglichkeit vor, die Vormerkung rechtsgeschäftlicher<br />
Vereinbarungen im Grundbuch zu vereinbaren und damit<br />
diese gegenüber Rechtsnachfolgern durchzusetzen. Dies<br />
entspricht nach Ansicht des Gesetzgebers einem Bedürfnis<br />
der Vertragsparteien (Art. 779b E-ZGB; Botschaft vom<br />
27. Juni 2007 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches<br />
[Register-Schuldbrief und weitere Änderungen<br />
im Sachenrecht], BBl 2007 5313). Damit erhalten vertragliche<br />
Abmachungen realobligatorischen Charakter und können<br />
insbesondere gegenüber dem Erwerber des Baurechts<br />
durchgesetzt werden. Das Bundesamt für Justiz scheint in<br />
seiner Vernehmlassung davon auszugehen, dass durch die<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Vormerkung der Vereinbarung über die Beschränkung der<br />
Übertragbarkeit eines Baurechts das Verfügungsrecht des<br />
Baurechtsberechtigten gemäss Art. 965 ZGB eingeschränkt<br />
wird, womit das Grundbuchamt die Handänderung nicht<br />
ohne Zustimmung des Grundeigentümers vornehmen dürfte.<br />
Die Tragweite einer solchen neuen Vormerkungsmöglichkeit<br />
kann indes erst nach Abschluss der Gesetzgebungsarbeiten<br />
beurteilt werden.» (E. 4.4 des referierten Entscheids).<br />
5. Wenn die Parteien eines Baurechtsvertrages eine Verfügungsbeschränkung<br />
abmachen, welche dingliche Wirkung<br />
zeitigen soll, so ist die Vereinbarung auf die Begründung<br />
eines in dieser Form nicht begründbaren (Bau-)Rechts gerichtet.<br />
Ein solches Recht kann daher nicht ins Grundbuch<br />
eingetragen werden, eine entsprechende Anmeldung ist abzuweisen.<br />
Im vorliegenden Fall liess der Genehmigungsvorbehalt<br />
die dingliche Absicht nicht erkennen, vielmehr durfte<br />
der Grundbuchverwalter davon ausgehen, die von den Parteien<br />
beabsichtigte Verfügungbeschränkung solle lediglich<br />
obligatorische Wirkung zeitigen. Die Eintragung erfolgte<br />
daher aus grundbuchrechtlicher Sicht zu Recht. Zivilrechtlich<br />
lag aber möglicherweise ein ungerechtfertigter Eintrag<br />
vor. Dies traf dann zu, wenn tatsächlich eine dingliche Verfügungsbeschränkung<br />
beabsichtigt war und die damit verbundene<br />
rechtliche Unmöglichkeit Ganznichtigkeit des Vertrags<br />
zur Folge hatte (Art. 20 Abs. 2 OR).<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 370 10.3.2009 9:12:33 Uhr
2.7. Schuldrecht – allgemein /<br />
Droit des obligations – en général<br />
2.7.2. Obligationenrecht – Besonderer Teil –<br />
allgemein /<br />
Droit des obligations – Partie spéciale –<br />
en général<br />
2.7.2.3. Miete, Pacht / Bail à loyer, bail à ferme<br />
(3) Vorzeitige Kündigung des Mietverhältnisses<br />
(Art. 257 f. Abs. 3 OR); Untervermietung ohne Zustimmung<br />
des Vermieters (Art. 262 OR). Der Mieter,<br />
der das Mietobjekt untervermietet, ohne die Zustimmung<br />
des Vermieters einzuholen, riskiert eine<br />
vorzeitige Aufl ösung des Mietverhältnisses, wenn<br />
er auf eine schriftliche Abmahnung des Vermieters<br />
nicht reagiert und dieser sich aus einem der in<br />
Art. 262 Abs. 2 OR genannten Gründe der Untervermietung<br />
hätte widersetzen können (E. 3).<br />
Bundesgericht, I. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 4A_516/<br />
2007 vom 6. März 2008 (BGE 134 III 300 = Pra 2008<br />
Nr. 130).<br />
Mit Bemerkungen von<br />
Prof. Dr. ALFRED KOLLER, Universität St. Gallen<br />
Zusammenfassung des Sachverhalts:<br />
Das Ehepaar X. war seit dem Jahr 1988 Mieterin einer<br />
8-Zimmerwohnung in einer Liegenschaft in Genf. Der Mietzins<br />
betrug CHF 4220 pro Monat. Art. 3 des Mietvertrages<br />
sah hinsichtlich einer allfälligen Untervermietung Folgendes<br />
vor:<br />
«Der Mieter ist ermächtigt, nach seinem Belieben und auf<br />
eigene Verantwortung seine Wohnung in den drei Sommermonaten<br />
unterzuvermieten. Der Mieter ist jedoch verpfl ichtet,<br />
den Vermieter jedes Jahr vorgängig über die genauen Daten<br />
und die Bedingungen der Untermiete zu informieren.»<br />
Im Februar 1998 erwarb Y. die vermietete Liegenschaft zu<br />
Eigentum und wurde damit gemäss Art. 261 OR neuer Vermieter.<br />
Am 10. Mai 2001 kündigte Y. das Mietverhältnis unter<br />
Berufung auf Art. 257f Abs. 3 OR – ausserordentlicherweise<br />
– per 31. August 2001. Zur Begründung führte er an,<br />
die Mieter hätten die Wohnung untervermietet, ohne ihrer<br />
Informationspfl icht gemäss Art. 3 des Vertrags nachgekommen<br />
zu sein. Die Eheleute X. fochten die Kündigung an. Mit<br />
Schreiben vom 29. Mai 2001 informierten sie Y. zudem darüber,<br />
dass die Wohnung vom 1. Juni bis zum 31. August 2001<br />
zu einem Mietzins von CHF 12 000.– monatlich an einen<br />
gewissen V. vermietet werde. Eine Untervermietung erfolgte<br />
auch in den Monaten Januar und Februar 2002, wiederum für<br />
monatlich CHF 12 000.–, allerdings ohne Kenntnisgabe an Y.<br />
Mit Schreiben vom 21. Januar 2002 teilte Y. den Eheleuten<br />
X. mit, er habe erfahren, dass die Wohnung – erneut ohne<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
seine Zustimmung – untervermietet worden sei, und forderte<br />
die Mieter auf, ihm die nach Vertrag nötigen Angaben zu machen.<br />
Am 24. Januar 2002, anlässlich der Anhörung im Rahmen<br />
des Verfahrens betreffend Anfechtung der Kündigung<br />
vom 10. Mai 2001, stellten die Eheleute X. wahrheitswidrig<br />
in Abrede, dass die Wohnung noch untervermietet sei. Hierauf<br />
liess Y. dem Ehepaar X. mit Schreiben vom 6. Februar<br />
2002 eine neue (ausserordentliche) Kündigung zukommen.<br />
Auch diese fochten die Eheleute X. an.<br />
Mit Entscheid vom 20. Februar 20<strong>03</strong> hat das Mietgericht<br />
des Kantons Genf die Kündigung vom 10. Mai 2001 aufgehoben.<br />
Hingegen erklärte es die Kündigung vom 6. Februar<br />
2002 für gültig (Urteil vom 22. Januar 2007). Der Appellationshof<br />
des Kantons Genf hat dieses Urteil – auf Berufung<br />
der Mieter hin – bestätigt. Eine von den Eheleute X. beim<br />
Bundesgericht eingereichte Beschwerde in Zivilsachen hatte<br />
keinen Erfolg. Das Bundesgericht hat die Kündigung – gleich<br />
wie der Vermieter und die Vorinstanzen – auf Art. 257 f.<br />
Abs. 3 OR abgestützt.<br />
Bemerkungen:<br />
1. Im Ergebnis ist dem Bundesgericht zuzustimmen. Denn<br />
der Vermieter musste es zweifellos nicht dulden, dass die<br />
Mieter ständig ihre Informationspfl icht (Art. 3 des Vertrags)<br />
verletzten, nicht nur durch Unterlassung, sondern auch durch<br />
positives Tun (Anlügen), und zudem einen im Verhältnis zum<br />
Hauptmietzins missbräuchlichen Untermietzins verlangten.<br />
Zweifelhaft ist hingegen, ob die dogmatische Grundlegung<br />
der Kündigung die richtige ist. Art. 257 f. Abs. 3 OR, den das<br />
Bundesgericht heranzieht, betrifft ja die Vertragsaufl ösung<br />
wegen unsorgfältiger Behandlung der Mietsache (Abs. 1<br />
und 4) bzw. fehlender Rücksichtnahme auf die Nachbarn<br />
(Abs. 2), darum aber ging es in casu offensichtlich nicht.<br />
Zumindest eine unmittelbare Anwendung der Bestimmung<br />
fällt daher ausser Betracht. M.E. ist auch eine (einzel-)analoge<br />
Anwendung abzulehnen, denn die mit einer Untermiete<br />
verbundenen Mieterpfl ichten haben mit den in Art. 257 f.<br />
OR geordneten Pfl ichten wenig gemein. Richtiger scheint<br />
es vielmehr, das Vertragsaufl ösungsrecht im Wege einer Gesamtanalogie,<br />
in deren Rahmen freilich auch Art. 257f OR<br />
beachtlich ist, zu begründen. Für die Darstellung der Einzelheiten<br />
lehne ich mich an das im OR AT Gesagte an (Alfred<br />
Koller, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner<br />
Teil, 3. A., Bern 2009, § 58 Rn. 8):<br />
Dauerverträge wie der Mietvertrag können bei Vorliegen<br />
wichtiger Gründe, welche einer Partei das weitere Festhalten<br />
am Vertrag unzumutbar machen, aufgelöst werden<br />
(z.B. Art. 337 Abs. 1 OR; BGE 128 III 428). Als wichtiger<br />
Grund kommt namentlich vertragswidriges Verhalten einer<br />
Vertragspartei in Betracht (z.B. Art. 337b Abs. 1 OR; BGE<br />
129 III 380 E. 2.2). Im Vordergrund steht die vertragswidrige<br />
Nicht- oder Schlechterbringung der geschuldeten Leistung<br />
(z.B. Art. 257d und 258 Abs. 1 OR), doch können im Einzelfall<br />
auch Nebenpfl ichtverletzungen einen wichtigen Grund<br />
zur Vertragsaufl ösung abgeben. Das ist zwar im schweize-<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 371 10.3.2009 9:12:33 Uhr<br />
371
372<br />
rischen Recht – anders als etwa im deutschen (§ 324 BGB) –<br />
nicht allgemein, sondern nur für einzelne Tatbestände ausdrücklich<br />
festgestellt (z.B. Art. 257 f., 285, 309 Abs. 2, 337b<br />
OR); aus den betreffenden Regeln ist jedoch – im Wege der<br />
Gesamtanalogie (dazu allgemein Ernst A. Kramer, Juristische<br />
Methodenlehre, 2. A., Bern etc. 2005, 179; Koller,<br />
a.a.O., § 28 Anm. 7, m.w.H.) – ein allgemeiner Rechtsgrundsatz<br />
abzuleiten.<br />
Was für Dauerverträge gilt, gilt mutatis mutandis auch für<br />
andere Verträge, etwa Kauf- oder Werkverträge (vgl. meinen<br />
OR AT, § 29 Rn. 3 i.V.m. § 58 Rn. 8). Das sei hier der Vollständigkeit<br />
halber nachgetragen, obwohl es in casu um einen<br />
Dauervertrag ging.<br />
2. Gleichgelagert war der Fall BGE 134 III 300 = Pra 2009<br />
Nr. 21. Auch hier wurde eine ausserordentliche Kündigung<br />
wegen unerlaubter Untermiete in Anwendung von Art. 257f<br />
Abs. 3 OR geschützt. Gleich wie im vorne referierten Entscheid<br />
wurde die Bestimmung unmittelbar zur Anwendung<br />
gebracht.<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
7. Strafrecht / Droit pénal<br />
7.2. Strafrecht – Allgemeiner Teil – allgemein /<br />
Droit pénal – Partie générale – en général<br />
(4) Der Jetlag dauert an oder Neue Unwägbarkeiten<br />
im Recht der strafrechtlichen Verjährung.<br />
Bundesgericht, Urteil der Strafrechtlichen Abteilung vom<br />
16. Oktober 2008, 6B_686/2008 (BGE 134 IV 328).<br />
Mit Bemerkungen von Dr. iur. CHRISTOF RIEDO,<br />
Assoz. Professor an der Universität Fribourg<br />
und MLaw MATTHIAS ZURBRÜGG,<br />
Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Fribourg<br />
Zusammenfassung des Sachverhalts:<br />
A. und B. züchteten ab 1994/95 im Elsass Pferde und verkauften<br />
diese auch in die Schweiz. Eine Untersuchung der<br />
Zollkreisdirektion Basel ergab, dass zwischen 1996 und<br />
1999 zahlreiche dieser Pferde illegal über Grenzübergänge<br />
oder für den Warenverkehr geschlossene Zollstrassen zwischen<br />
Boncourt und Basel St. Louis in die Schweiz eingeführt<br />
wurden.<br />
Die Zollkreisdirektion Basel nahm gegen A. und B. sowie<br />
zahlreiche weitere Personen, darunter C. und D., Schlussprotokolle<br />
auf, in denen sie ihnen Widerhandlungen gegen das<br />
Zollgesetz, das Tierseuchengesetz, die Mehrwertsteuerverordnung<br />
und das Mehrwertsteuergesetz zur Last legte.<br />
Mit Verfügungen vom 31. Januar 2002 wurden A., B., C.,<br />
D. und weitere Personen für die hinterzogenen Abgaben leistungspfl<br />
ichtig erklärt.<br />
B., C. und D. fochten diese Verfügungen an. Über die Beschwerden<br />
von B. und C. entschied die Oberzolldirektion am<br />
19. Mai 2004 bzw. am 17. November 2004; die Entscheide<br />
erwuchsen in Rechtskraft. In Sachen D. entschied die Eidgenössische<br />
Zollrekurskommission am 29. September 2005<br />
letztinstanzlich.<br />
Am 11. Oktober 2006 überwies die Eidgenössische Oberzolldirektion<br />
die Anklageschrift gegen A., B. und C. an das<br />
zuständige Gericht des Kantons Basel-Landschaft zur gerichtlichen<br />
Beurteilung. Alle übrigen Fälle wurden durch<br />
verwaltungsstrafrechtlichen Entscheid der Zollverwaltung<br />
erledigt.<br />
Am 27. September 2007 gab das Strafgerichtspräsidium<br />
Basel-Landschaft dem Verfahren gegen A. wegen eingetretener<br />
Verjährung keine weitere Folge.<br />
Gegen B. und C. erliess das Strafgericht Basel-Landschaft<br />
am 31. Januar 2008 Urteile, welche in Rechtskraft erwachsen<br />
sind.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 372 10.3.2009 9:12:34 Uhr
Am 16. Juni 2008 wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft<br />
die Beschwerde der Oberzolldirektion gegen die vorinstanzliche<br />
Verfügung ab.<br />
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Eidgenössische<br />
Zollverwaltung, das kantonsgerichtliche Urteil<br />
aufzuheben, festzustellen, dass noch nicht sämtliche A.<br />
vorgeworfenen Straftaten verjährt seien und die Sache zur<br />
Neubeurteilung ans Kantonsgericht zurückzuweisen.<br />
A. beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde<br />
abzuweisen.<br />
Zusammenfassung der Erwägungen:<br />
2.1 Die dem Beschwerdegegner angelasteten Delikte wurden<br />
zwischen März 1997 und Juli 1999 begangen und sollen<br />
nach der Überweisungsverfügung der Oberzolldirektion als<br />
Zollübertretung, Bannbruch und Steuerhinterziehung strafbar<br />
sein. Soweit das Verwaltungsstrafrecht keine besonderen<br />
Regelungen kennt, ist der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches<br />
anwendbar (Art. 2 VStrR).<br />
Art. 83 des im Deliktszeitpunkt geltenden Zollgesetzes<br />
vom 1. Oktober 1925 bestimmte, dass die Verfolgungsverjährung<br />
gemäss Art. 11 Abs. 2 VStrR auch für den Bannbruch<br />
und die Zollhehlerei gelte. Im aktuellen Zollgesetz<br />
vom 18. März 2005 (SR 631.0; ZG) bestimmt Art. 129, dass<br />
Art. 11 Abs. 2 VStrR für alle Zollwiderhandlungen gilt. Die<br />
im Deliktszeitpunkt geltende Mehrwertsteuerverordnung<br />
vom 22. Juni 1994 enthielt keine spezielle Regelung der Verfolgungsverjährung;<br />
Art. 64 Abs. 1 verwies allgemein auf<br />
das Verwaltungsstrafrecht. Daran hat sich im heute geltenden<br />
Mehrwertsteuergesetz vom 2. September 1999 (SR 641.20,<br />
MWSTG) nichts geändert, Art. 88 Abs. 1 erklärt lapidar<br />
das Verwaltungsstrafrecht für anwendbar. Mangels abweichender<br />
spezialgesetzlicher Bestimmungen richtet sich<br />
somit die Verfolgungsverjährung nach dem Verwaltungsstrafrecht<br />
und dem Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches,<br />
dessen revidierte Fassung auf den 1. Januar 2007 in Kraft<br />
gesetzt wurde. Verjährungsfristen und deren Ablauf sind für<br />
die Übertretungen in Art. 11 VStrR speziell geregelt. Die<br />
Verjährungsfristen für Vergehen richten sich nach den allgemeinen<br />
strafrechtlichen Bestimmungen, deren Ablauf nach<br />
Art. 11 Abs. 3 VStrR.<br />
Altrechtlich verjährten die dem Beschwerdegegner vorgeworfenen<br />
Übertretungen relativ in 5, absolut in 7 1 /2 Jahren<br />
(Art. 11 Abs. 2 VStrR). Für Vergehen galten altrechtlich im<br />
Ergebnis die gleichen Fristen (Art. 70 und 72 Ziff. 2 Abs. 2<br />
aStGB).<br />
Neurechtlich verjähren Vergehen in sieben Jahren (Art. 97<br />
Abs. 1 lit. c StGB), wobei die Verjährung nicht mehr unterbrochen<br />
und nach dem erstinstanzlichen Urteil nicht mehr<br />
eintreten kann (Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB).<br />
Fraglich ist, ob darunter nur Verurteilungen zu verstehen<br />
sind oder auch Freisprüche und Verfahrenseinstellungen.<br />
Der Wortlaut lässt beides zu. Die Verjährung bezweckt aus<br />
verschiedenen prozessualen und materiell-strafrechtlichen<br />
Gründen, die Strafverfolgung nach Ablauf einer bestimmten<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Zeitspanne einzustellen. Mit einem Freispruch wird festgestellt,<br />
dass der Angeklagte wegen der gegen ihn erhobenen<br />
Vorwürfe nicht verurteilt werden kann. Es widerspräche jeder<br />
Logik, an diese Feststellung die Rechtsfolge zu knüpfen,<br />
dass der Freigesprochene wegen eben dieser Vorwürfe zeitlich<br />
unbegrenzt weiter verfolgt werden kann, weil die beurteilte<br />
Straftat nicht mehr verjährt. Unter «erstinstanzlichen<br />
Urteilen» im Sinne von Art. 97 Abs. 3 und Art. 333 Abs. 6<br />
lit. d StGB sind daher ausschliesslich verurteilende Erkenntnisse<br />
zu verstehen.<br />
Art. 11 Abs. 2 VStrR, welcher die Verjährung der hier zu<br />
beurteilenden Übertretungen regelt, ist noch nicht ans neurechtliche<br />
Verjährungssystem angepasst worden, welches<br />
keine Unterbrechung mehr kennt. Bis dies erfolgt ist, gilt,<br />
dass die Verfolgungsverjährungsfristen um die ordentliche<br />
Dauer verlängert werden (Art. 333 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 lit. b<br />
StGB). Ausgehend von der fünfjährigen Verjährungsfrist von<br />
Art. 11 Abs. 2 VStrR ergäbe diese eine Verfolgungsverjährung<br />
von zehn Jahren. Es kann indessen nicht sein, dass für<br />
Übertretungen eine längere Verjährungsfrist gilt als für nach<br />
dem gleichen Gesetz zu ahndende Vergehen; diese ist daher<br />
auf das für letztere geltende Mass zu verringern. Daraus<br />
folgt, dass neurechtlich sowohl die dem Beschwerdegegner<br />
vorgeworfenen Übertretungen als auch die Vergehen innert<br />
sieben Jahren verjähren. Das neue Verjährungsrecht ist somit<br />
vorliegend das mildere und damit anwendbare.<br />
2.2 Nach Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht die Verjährung «bei Vergehen<br />
und Übertretungen während der Dauer eines Einsprache-,<br />
Beschwerde- oder gerichtlichen Verfahrens über die<br />
Leistungs- oder Rückleistungspfl icht oder über eine andere<br />
nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage<br />
oder solange der Täter im Ausland eine Freiheitsstrafe<br />
verbüsst». Das Kantonsgericht vertritt im angefochtenen<br />
Entscheid die Auffassung, der Beschwerdegegner habe die<br />
Verfügung vom 31. Januar 2002, mit welcher seine Leistungspfl<br />
icht festgelegt worden sei, nicht angefochten, weshalb<br />
die Verjährung nicht geruht habe und damit eingetreten<br />
sei. Die Beschwerdeführerin sieht dadurch Art. 11 Abs. 3<br />
VStrR verletzt, da ihrer Auffassung nach die Anfechtung der<br />
Leistungspfl icht durch einen Pfl ichtigen genügt, um die Verjährung<br />
gegen alle Mitangeklagten ruhen zu lassen. Gegen<br />
die Verfügungen vom 31. Januar 2002, mit welchen der Beschwerdeführer<br />
und die weiteren am illegalen Pferdeimport<br />
Beteiligten leistungspfl ichtig erklärt wurden, wurden drei<br />
Rechtsmittel erhoben. Als letztes von ihnen wurde dasjenige<br />
von D. am 17. November 2005 endgültig erledigt. Die<br />
Verjährungsfrist im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner<br />
hätte somit nach dieser Auffassung rund 2 3 /4 Jahre<br />
geruht, würde sich um diese Dauer verlängern und wäre<br />
damit jedenfalls in Bezug auf einzelne Delikte auch heute<br />
im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Entscheids noch nicht<br />
abgelaufen.<br />
3.1 Die Beschwerdeführerin führt aus, bei Fiskaldelikten<br />
hänge der Entscheid im Strafpunkt von demjenigen über die<br />
Leistungspfl icht bzw. über die Abgabenberechnung und die<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 373 10.3.2009 9:12:34 Uhr<br />
373
374<br />
Tarifeinreihung ab und werde dementsprechend erst nach<br />
dessen rechtskräftiger Erledigung gefällt. Aufgrund dieser<br />
Abhängigkeit des Strafverfahrens von der Abgabenberechnung<br />
sei das Bundesgericht (BGE 88 IV 87 E. 4b; 89 IV<br />
160 E. 6; 119 IV 330 E. 2d) bereits vor dem Inkrafttreten<br />
von Art. 11 Abs. 3 VStrR davon ausgegangen, dass die Beschwerde<br />
gegen die Leistungspfl icht die Verfolgungsverjährung<br />
ruhen lasse, und zwar gegen alle am Strafverfahren<br />
Beteiligten. Der Entscheid über die Leistungspfl icht betreffe<br />
sowohl die Frage, wer leistungspfl ichtig sei (subjektive<br />
Leistungspfl icht) als auch diejenige, ob überhaupt eine Leistungspfl<br />
icht entstanden sei (objektive Leistungspfl icht). Da<br />
die Beurteilung der Straftat u.a. von diesem Punkt abhange,<br />
es sich somit um eine nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz<br />
zu beurteilende Vorfrage im Sinne von Art. 11 Abs. 3 VStrR<br />
handle, ergebe sich die verjährungshemmende Wirkung in<br />
Bezug auf die Strafverfahren gegen alle Tatbeteiligte bereits<br />
aus dem Gesetzeswortlaut.<br />
3.2 Unter der Herrschaft des alten Zollgesetzes in seiner<br />
bis Ende Mai 1973 geltenden Fassung (AS 1973 644) war<br />
die Rechtslage gemäss expliziter gesetzlicher Regelung in<br />
Art. 110 Abs. 2 aZG insofern klar, als die Beschwerde eines<br />
Tatbeteiligten gegen die Festsetzung der Leistungspfl icht für<br />
alle beschwerdebefugten Personen Wirkung hatte. Daraus<br />
hat das Bundesgericht in den aus den Jahren 1962 und 1963<br />
(BGE 88 IV 87 und 89 IV 160) stammenden Entscheiden<br />
den nahe liegenden Schluss gezogen, dass die Beschwerde<br />
eines Beteiligten die strafrechtliche Verjährung gegen sämtliche<br />
Beschwerdebefugten ruhen lässt. Aus den Materialien<br />
(BBl 1972 II 228 ff.) ergibt sich kein Hinweis, dass diese Regelung<br />
materiell geändert werden sollte; vielmehr diente die<br />
erwähnte Revision dazu, eine Vielzahl spezialgesetzlicher<br />
Verfahrensbestimmungen ins neue Bundesgesetz über das<br />
Verwaltungsstrafrecht zu überführen, Art. 110 Abs. 2 aZG<br />
konkret in Art. 11 Abs. 3 VStrR. Für die Beschwerdeführerin<br />
hat sich dadurch die Rechtslage nicht geändert. Für sie ergibt<br />
sich auch aus der neuen Bestimmung, dass eine Beschwerde<br />
gegen die Festsetzung der Leistungspfl icht die strafrechtliche<br />
Verjährung auch gegenüber den Mitbeteiligten ruhen lässt.<br />
3.3 Im Rechtsmittelsystem des Verwaltungsstrafrechts sind<br />
Strafverfahren (Art. 62 VStrR) und Leistungs- bzw. Rückleistungsverfahren<br />
(Art. 63 VStrR), die gleiche oder sich<br />
zumindest teilweise überschneidende Sachverhalte betreffen<br />
und sich gegen mehrere Beteiligte richten, wechselseitig<br />
voneinander abhängig. Fusst ein Strafbescheid auf einem<br />
Entscheid über die Leistungs- oder Rückleistungspfl icht<br />
und wird dieser erfolgreich angefochten, so erlässt die Verwaltung<br />
einen neuen Strafbescheid (Art. 63 Abs. 3 VStrR).<br />
Einsprachen gegen einen Strafbescheid haben zur Folge,<br />
dass dieser mit Wirkung für alle Beteiligten zu überprüfen<br />
ist, wobei das Einspracheverfahren auszusetzen ist, bis – soweit<br />
mitangefochten – über die Leistungspfl icht befunden ist<br />
(Art. 69 Abs. 1 und 2 VStrR). Nicht anders verhält es sich,<br />
wenn einer der Beteiligten ans Strafgericht zu überweisen ist<br />
(Art. 62 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 VStrR).<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Auch in diesem Fall muss davon ausgegangen werden,<br />
dass die – für den Strafrichter nach Art. 77 Abs. 4 VStrR<br />
grundsätzlich verbindliche – Änderung eines Leistungsentscheides<br />
zu einer Überprüfung bzw. Anpassung der Strafbescheide<br />
und Strafurteile gegenüber allen Beteiligten führt.<br />
Daher ist mit der Überweisung an den Strafrichter solange<br />
zuzuwarten, als ein Verfahren über die Leistungspfl icht<br />
hängig ist, das sich auf die Strafverfahren gegen die Mitbeteiligten<br />
auswirken kann (Art. 69 Abs. 2 VStrR; Kurt Hauri,<br />
Verwaltungsstrafrecht, Bern 1998, S. 150 mit Hinweis auf<br />
die Materialien). Dies setzt voraus, dass die Verjährung für<br />
diesen Zeitraum nach Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht, ansonsten<br />
sie bei langwierigen Verwaltungsverfahren bereits vor der<br />
Überweisung des Strafverfahrens an die kantonalen Strafgerichte<br />
eintreten könnte. Dieses aus der Logik des Rechtsmittelsystems<br />
zwingende Auslegungsergebnis wird vom Wortlaut<br />
der Bestimmung ohne weiteres gedeckt, womit Art. 11<br />
Abs. 3 VStrR auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 1<br />
StGB («Keine Strafe ohne Gesetz») eine taugliche gesetzliche<br />
Grundlage bildet, die strafrechtliche Verjährung ruhen<br />
zu lassen.<br />
Dazu kommt, dass es unter Umständen verfassungsrechtlich<br />
geboten sein kann, Strafverfahren gegen Mittäter zu<br />
vereinigen, insbesondere wenn die Gefahr besteht, dass die<br />
Art und der Umfang der Beteiligung wechselseitig bestritten<br />
werden und somit die Gefahr besteht, dass ein Teilnehmer<br />
die Schuld dem anderen zuweisen will (BGE 116 Ia 305<br />
E. 4b S. 313; vgl. auch 115 Ia 34 E. 2c/cc S. 40). Dies stand<br />
vorliegend umso mehr zu befürchten, als die beiden Haupttäter<br />
in eine Kampfscheidung gerieten. Auch unter diesem<br />
Titel erscheint es sachgerecht, Art. 11 Abs. 3 VStrR dahingehend<br />
auszulegen, dass die Beschwerde eines Tatbeteiligten<br />
gegen seine Leistungspfl icht die Verjährung der Strafverfahren<br />
gegen alle Mitbeteiligten ruhen lässt, weil sonst eine<br />
möglicherweise gebotene Vereinigung der Strafverfahren jedenfalls<br />
bei einer längeren Dauer der Rechtsmittelverfahren<br />
faktisch verunmöglicht würde.<br />
3.4 Hat somit die strafrechtliche Verjährungsfrist für den<br />
Beschwerdegegner während der Dauer der von einzelnen<br />
Mitbeteiligten gegen die Festsetzungen ihrer Leistungspfl<br />
icht angehobenen Rechtsmittelverfahren geruht, so waren<br />
im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids jedenfalls nicht<br />
alle Delikte des Beschwerdegegners absolut verjährt, und sie<br />
sind es auch heute im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Entscheids<br />
noch nicht (vorne E. 2.2). Die Beschwerde ist daher<br />
gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und<br />
die Sache dem Kantonsgericht Basel-Landschaft zu neuem<br />
Entscheid zurückzuweisen. Angesichts der weiter laufenden<br />
Verjährung wird dieses die Angelegenheit ohne Rückweisung<br />
an die erste Instanz beförderlich selber zu entscheiden<br />
haben.<br />
Die Beschwerde wurde gutgeheissen, der angefochtene<br />
Entscheid vom 16. Juni 2008 aufgehoben und die Sache dem<br />
Kantonsgericht Basel-Landschaft zu neuem Entscheid zurückgewiesen.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 374 10.3.2009 9:12:34 Uhr
Bemerkungen:<br />
I. Altes und neues Verjährungsrecht<br />
1. Am 1. Oktober 2002 sind die revidierten Bestimmungen<br />
zur strafrechtlichen Verjährung in Kraft getreten. Gesetzgeberischer<br />
Leitgedanke war es, das als unnötig kompliziert<br />
erkannte und teils unbillige Ergebnisse zeitigende Verjährungsrecht<br />
zu entschlacken und von seinen Mängeln zu<br />
befreien. Dies geschah durch folgende Neuerungen (vgl.<br />
zum Nachfolgenden Martin Schubarth, Das neue Recht<br />
der strafrechtlichen Verjährung, in: ZStrR 2002, 321–339,<br />
330 f.; Christian Denys, Prescription de l’action pénale:<br />
Les nouveaux art. 70, 71, 109 et 333 al. 5 CP, in: SJ 20<strong>03</strong> II<br />
49-66, 50 f.; Christof Riedo/Oliver M. Kunz, Jetlag oder<br />
Grundprobleme des neuen Verjährungsrechts, in: <strong>AJP</strong>/PJA<br />
2004, 904–916, 904):<br />
• Die in Art. 72 aStGB geregelten Institute des Ruhens und<br />
des Unterbrechens der Verfolgungsverjährung wurden<br />
aufgehoben. Damit einhergehend fi el die Unterscheidung<br />
zwischen relativer und absoluter Verjährungsfrist dahin.<br />
• Die durch die Aufhebung von Art. 72 aStGB erfolgte<br />
faktische Verkürzung der (absoluten) Verjährung wurde<br />
durch eine Verlängerung der Verjährungsfristen in Art. 70<br />
aStGB (heute Art. 97 StGB) abgefedert.<br />
• Schliesslich wurde der als unbillig empfundenen Möglichkeit,<br />
sich durch das Einlegen von Rechtsmitteln in die<br />
Verjährung zu retten, der Riegel geschoben: Die Verjährung<br />
kann nicht mehr eintreten, sobald ein erstinstanzliches<br />
Urteil ergangen ist (Art. 70 Abs. 3 aStGB; heute<br />
Art. 97 Abs. 3 StGB).<br />
2. Die sich aus diesen Neuerungen ergebenden übergangsrechtlichen<br />
Fragen regelt Art. 389 StGB, wonach die Bestimmungen<br />
des neuen Verjährungsrechts auch auf den Täter<br />
anwendbar sind, der vor Inkrafttreten des neuen Rechts eine<br />
Tat verübt hat, sofern das neue Recht das mildere ist und das<br />
Gesetz nichts anderes bestimmt.<br />
Damit wird der für das materielle Strafrecht geltende<br />
Grundsatz der lex mitior (Art. 2 Abs. 2 StGB) auch für die<br />
Verjährung festgeschrieben, wenngleich besondere Übergangsbestimmungen,<br />
insbesondere bei bestimmten Straftaten<br />
zum Nachteil von Kindern unter 16 Jahren (Art. 97<br />
Abs. 2 und 4 StGB) sowie bei Völkermord (Art. 101 Abs. 3<br />
StGB), als lex specialis vorbehalten bleiben (vgl. dazu BSK-<br />
Strafrecht II-Riedo, Art. 389 N 13–17).<br />
3. Um die neuen Verjährungsregeln auch im Gestrüpp des<br />
Nebenstrafrechts mit seinen häufi g speziellen Verjährungsfristen<br />
umzusetzen, hat der Gesetzgeber mit Art. 333 Abs. 6<br />
(aStGB: Abs. 5) eine für das gesamte Nebenstrafrecht geltende<br />
Transformationsnorm erlassen (vgl. dazu etwa Riedo/<br />
Kunz, <strong>AJP</strong>/PJA 2004, 905; BSK-Strafrecht II-Wiprächtiger,<br />
Art. 333 N 30 f.):<br />
• Bis zu ihrer ordentlichen Anpassung an das neue Verjährungsregime<br />
werden die Verfolgungsverjährungsfristen<br />
für Verbrechen und Vergehen um deren Hälfte erhöht;<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
diejenigen der Übertretungen verdreifacht (lit. a). Nach<br />
lit. b besteht indes eine Ausnahme für Verjährungsfristen,<br />
die bereits über ein Jahr betragen: Diese werden lediglich<br />
verdoppelt.<br />
Gemäss lit. c werden die Bestimmungen über das Ruhen<br />
und die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung auch<br />
im Nebenstrafrecht aufgehoben. Vorbehalten bleibt einzig<br />
Art. 11 Abs. 3 VStrR. Die Verjährung ruht demnach<br />
während der Dauer eines Einsprache-, Beschwerde- oder<br />
gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder Rückleistungspfl<br />
icht oder über eine andere nach dem einzelnen<br />
Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage oder solange<br />
der Täter im Ausland eine Freiheitsstrafe verbüsst. Art. 11<br />
Abs. 3 VStrR ist freilich immer nur dann anwendbar,<br />
wenn das VStrR direkt oder indirekt (Art. 1 VStrR) für<br />
anwendbar erklärt wird.<br />
Schliesslich kann, nachdem ein erstinstanzliches Urteil<br />
ergangen ist, die Verjährung nicht mehr eintreten (lit. d).<br />
II. Der Beginn der Verjährungsfrist<br />
1. Die Verfolgungsverjährung beginnt (nach altem wie nach<br />
neuem Recht) im Zeitpunkt der strafbaren Handlung (Art. 98<br />
StGB; Art. 71 aStGB).<br />
Führt der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen<br />
Zeiten aus, beginnt die Verjährung «mit dem Tag, an dem er<br />
die letzte Tätigkeit ausführt» (Art. 98 lit. b StGB bzw. Art. 71<br />
Abs. 2 aStGB).<br />
2. Diese Regelung hatte das Bundesgericht dazu veranlasst,<br />
unter gewissen Voraussetzungen mehrere strafbare Verhaltensweisen<br />
zu einem einzigen Delikt zusammenzufassen.<br />
2.1 Das geschah zunächst unter dem Titel des sog. «fortgesetzten<br />
Deliktes»: Das Bundesgericht betrachtete ein fortgesetztes<br />
Delikt als gegeben, wenn mehrere «gleichartige<br />
oder ähnliche Handlungen, die gegen das gleiche Rechtsgut<br />
gerichtet» waren, auf «ein und denselben Willensentschluss»<br />
zurückgingen (BGE 102 IV 74, E. 2a, S. 77). Als<br />
(historisches) Lehrbuchbeispiel galt etwa der wiederholte<br />
ehebrecherische Verkehr (Art. 214 aStGB) mit derselben<br />
Frau (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht,<br />
Allgemeiner Teil I, 1. A., Bern 1982, § 19 N 12). Kein fortgesetztes<br />
Delikt sollte indes vorliegen, wenn sich der Täter<br />
wiederholt entschlossen hatte, mit dem Delinquieren aufzuhören,<br />
dann aber der Versuchung jeweils wieder erlag (Stratenwerth,<br />
AT I, 1. A., § 19 N 15; Hans Schultz, Die<br />
strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre<br />
1964, in: ZBJV 1966, 41–69, 55; Jörg Rehberg/Andreas<br />
Donatsch, Strafrecht I, 7. A., Zürich 2001, 321 f.). Ferner<br />
sollte auch beim Willen, «zahlreiche gleichartige Straftaten<br />
zu verüben, deren Ausführung nach Art, Zeit und Ort aber<br />
ungewiss» war, kein fortgesetztes Delikt vorliegen (BGE 102<br />
IV 74, E. 2b, S. 78).<br />
Die Annahme eines fortgesetzten Delikts hatte verschiedene<br />
Konsequenzen (siehe dazu Günter Stratenwerth,<br />
Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. A., Bern<br />
2005, § 19 N 15; Franz Riklin, Schweizerisches Strafrecht,<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 375 10.3.2009 9:12:34 Uhr<br />
•<br />
•<br />
375
376<br />
Allgemeiner Teil I, 3. A., Zürich 2007, § 22 N 36; Stefan<br />
Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar,<br />
1. A., Zürich 1989, Art. 68 N 8):<br />
• Eine Strafschärfung nach Art. 68 aStGB wegen Zusammentreffens<br />
mehrerer strafbarer Handlungen war ausgeschlossen.<br />
• Die Rechtskraft des Urteils erstreckte sich auch auf Delikte,<br />
die dem Gericht nicht bekannt waren.<br />
• Bei Antragsdelikten begann die Antragsfrist erst mit<br />
Kenntnis des Täters und der letzten strafbaren Handlung<br />
zu laufen. Der Strafantrag erfasste alsdann sämtliche zu<br />
einer Einheit zusammengefassten Delikte.<br />
• Die Verjährung begann erst mit der letzten Tatausführung<br />
zu laufen (sog. verjährungsrechtliche Einheit).<br />
Die Rechtsprechung zum fortgesetzten Delikt wurde in<br />
der Lehre zunehmend kritisch beurteilt (Hans Schultz,<br />
Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, Bd. 1,<br />
4. A., Bern 1982, 130 f.; Ders., ZBJV 1966, 55; Stratenwerth,<br />
AT I, 1. A., § 19 N 19; Werner Arnold Knecht,<br />
Das fortgesetzte Delikt im schweizerischen Strafrecht, Diss.<br />
Bern 1969, 99 f.). Es war sachlich nicht einsehbar, warum<br />
der zur immer wiederkehrenden Delinquenz entschlossene<br />
Täter im Vergleich zum zaudernden Wiederholungstäter mit<br />
Bezug auf die Strafschärfung nach Art. 68 aStGB (heute:<br />
Art. 49 StGB) bessergestellt sein sollte. Umgekehrt führte<br />
das Hinausschieben des Verjährungsbeginns zu teilweise<br />
unverhältnismässig langen Verjährungsfristen.<br />
2.2 Mit BGE 116 IV 121 und BGE 117 IV 408 vollzog<br />
das Bundesgericht eine erste Praxisänderung, indem es die<br />
Rechtsfi gur des fortgesetzten Delikts aufgab. Eine verjährungsrechtliche<br />
Einheit (ein sog. «Einheitsdelikt») sollte<br />
nur noch dann angenommen werden, «wenn die gleichartigen<br />
und gegen dasselbe Rechtgut gerichteten strafbaren<br />
Handlungen – ohne dass bereits ein eigentliches Dauerdelikt<br />
gegeben wäre (Art. 71 Abs. 3 [a]StGB) – ein andauerndes<br />
pfl ichtwidriges Verhalten» bildeten und diese andauernde<br />
Pfl ichtverletzung «vom in Frage stehenden Straftatbestand<br />
ausdrücklich oder sinngemäss mitumfasst» waren (BGE 117<br />
IV 408, E. 2f bb), S. 413 f.; ebenso in der Folge BGE 118 IV<br />
309, E. 2c, S. 317 f.; 118 IV 325, E. 2b, S. 328 f.; 119 IV 73,<br />
E. 2b, S. 77 f.; 119 IV 199, E. 2., S. 200 f.; 120 IV 6, E. 2c,<br />
S. 9; 124 IV 5, E. 2b, S. 8 f.; 126 IV 141, E. 1a, S. 142 f.; 127<br />
IV 49 E. 1b, S. 54 f.; Riklin, § 22 N 37; Stratenwerth,<br />
AT I, 3. A., § 19 N 17; Rehberg/Donatsch, 7. A., 322; Stefan<br />
Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar,<br />
2. A., Zürich 1997, Art. 68 N 8).<br />
2.3 Mit BGE 131 IV 83, E. 2.4, S. 90 ff., wurde dann auch<br />
die Rechtsfi gur des Einheitsdeliktes über Bord geworfen. Als<br />
massgeblich betrachtete das Bundesgericht den Einwand von<br />
Markus Hug, in: Andreas Donatsch, StGB, 16. A., Zürich<br />
2004, 183 f., der fragte, ob die mit dem Wortlaut von Art. 71<br />
lit. b aStGB schwerlich vereinbare Auslegung mit der Neuordnung<br />
der Verjährungsregeln nicht aufgegeben werden<br />
könne.<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Mit dieser zweiten Praxisänderung wurde der Anwendungsbereich<br />
von Art. 98 lit. b StGB bzw. Art. 71 Abs. 2<br />
aStGB entscheidend beschränkt: Unter die genannten Regelungen<br />
fallen nunmehr nur noch Fälle von (a) tatbestandlicher<br />
und solche von (b) natürlicher Handlungseinheit.<br />
(a) Eine tatbestandliche Handlungseinheit wird angenommen,<br />
«wenn das tatbestandsmässige Verhalten schon begriffl<br />
ich, faktisch oder doch typischerweise mehrere Einzelhandlungen<br />
voraussetzt» (BGE 131 IV 83, E. 2.4.5, S. 93),<br />
nämlich:<br />
• bei mehraktigen Delikten, bei denen der Täter in aufeinanderfolgenden<br />
Schritten verschiedene Rechtsgüter verletzt,<br />
um den Erfolg zu erwirken (z.B. Raub: Art. 140 StGB),<br />
• bei Delikten, die typischerweise ein länger dauerndes Verhalten<br />
bedeuten, das aus mehreren Einzelhandlungen besteht<br />
(z.B. politischer Nachrichtendienst: Art. 272 StGB).<br />
(b) Eine natürliche Handlungseinheit soll bestehen, wenn<br />
mehrere Delikte «auf einem einheitlichen Willensakt beruhen<br />
und wegen des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs<br />
bei objektiver Betrachtung noch als ein einheitliches<br />
zusammengehörendes Geschehen erscheinen» (BGE<br />
131 IV 83, E. 2.4.5, S. 94). Diese Voraussetzungen sind laut<br />
Bundesgericht gegeben:<br />
• bei iterativer Tatbestandsverwirklichung (z.B. eine<br />
«Tracht Prügel»);<br />
• bei sukzessiver Tatbegehung (z.B. Besprayen einer Mauer<br />
mit Graffi ti in mehreren aufeinanderfolgenden Nächten).<br />
Eine natürliche Handlungseinheit falle indessen ausser Betracht,<br />
wenn zwischen den einzelnen Handlungen – selbst<br />
wenn diese aufeinander bezogen seien – ein längerer Zeitraum<br />
liege.<br />
Liegt keine – tatbestandliche oder natürliche – Handlungseinheit<br />
im beschriebenen Sinne vor, so soll der Lauf der<br />
Verjährung für jede Tathandlung gesondert beurteilt werden.<br />
Vorbehalten bleibt einzig der Sonderfall der Dauerdelikte<br />
(Art. 98 lit. c StGB bzw. Art. 71 Abs. 3 aStGB).<br />
3. Diese neue Rechtsprechung hat implizit auch im vorliegenden<br />
Fall Anwendung gefunden. Wie selbstverständlich<br />
ist das Bundesgericht davon ausgegangen, die Verjährung<br />
sei in casu für jede strafbare Handlung einzeln zu berechnen<br />
(anders in einem ganz ähnlichen Fall etwa noch BGE 119 IV<br />
73, E. 2b, S. 77 ff.).<br />
4. Insgesamt war es sicherlich richtig, das sog. Einheitsdelikt<br />
aufzugeben. Die Voraussetzungen, die eine verjährungsrechtliche<br />
Einheit entstehen liessen, entsprachen im Wesentlichen<br />
jenen des fortgesetzten Delikts (vgl. auch Schubarth,<br />
ZStrR 2002, 337 f.: Die Ersatzfi gur der verjährungsrechtlichen<br />
Einheit lasse das eigentlich aufgehobene fortgesetzte<br />
Delikt weiter dahinsiechen). Inwieweit sich die neue Konzeption<br />
indes mit dem strafrechtlichen Handlungsbegriff<br />
vereinbaren lässt, wird an anderer Stelle zu prüfen sein.<br />
5. Fraglich ist aber mindestens, ob sich die aktuelle Rechtsprechung<br />
zur Verjährung ohne weiteres auf andere Bereiche<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 376 10.3.2009 9:12:35 Uhr
übertragen lässt. Namentlich bei der Berechnung der Strafantragsfrist<br />
nach Art. 31 StGB können sich Konstellationen<br />
ergeben, in denen dem Verletzten kaum zuzumuten ist, für<br />
jede einzelne strafbare Handlung innert gesondert laufender<br />
Frist rechtzeitig Strafantrag einzureichen. Zu denken ist etwa<br />
an wiederholte Drohungen zum Nachteil einer nahe stehenden<br />
Person (vgl. dazu bereits BSK-Strafrecht I-Riedo,<br />
Art. 30 N 18a f.).<br />
III. Der Begriff des erstinstanzlichen Urteils im<br />
Sinne von Art. 97 Abs. 3 und Art. 333 Abs. 6<br />
lit. d StGB<br />
1. Nach neuem Recht sollen strafbare Handlungen im<br />
Rechtsmittelverfahren nicht mehr verjähren können (Botschaft<br />
BBl 1999 2134 f.). Gemäss Art. 97 Abs. 3 StGB tritt<br />
deshalb die Verjährung nicht mehr ein, sofern vor Ablauf der<br />
Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist.<br />
Das Strafgerichtspräsidium Basel-Landschaft hatte dem<br />
Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Verjährung<br />
keine weitere Folge gegeben und das Kantonsgericht eine<br />
Beschwerde gegen diese Verfügung abgewiesen.<br />
2. Ein Prozessentscheid ist unbestrittenermassen kein «Urteil»<br />
im Sinne der genannten Bestimmung: Als Urteile kommen<br />
von vorneherein nur Entscheide in Betracht, die eine<br />
materiellrechtliche Beurteilung beinhalten (vgl. dazu Denys,<br />
SJ 20<strong>03</strong> II, 60; BSK-Strafrecht I-Müller, Art. 97 N 25).<br />
Im Ergebnis ist also der Entscheid des Bundesgerichts insoweit<br />
nicht zu beanstanden.<br />
3. Bedauerlicherweise hat es das Bundesgericht indessen für<br />
nötig befunden, sich beiläufi g auch noch zur Frage zu äussern,<br />
ob ein Freispruch als Urteil zu gelten habe:<br />
«Der Wortlaut lässt beides zu. Die Verjährung bezweckt<br />
aus verschiedenen prozessualen und materiell-strafrechtlichen<br />
Gründen, die Strafverfolgung nach Ablauf einer bestimmten<br />
Zeitspanne einzustellen. Mit einem Freispruch<br />
wird festgestellt, dass der Angeklagte wegen der gegen ihn<br />
erhobenen Vorwürfe nicht verurteilt werden kann. Es widerspräche<br />
jeder Logik, an diese Feststellung die Rechtsfolge<br />
zu knüpfen, dass der Freigesprochene wegen eben<br />
dieser Vorwürfe zeitlich unbegrenzt weiter verfolgt werden<br />
kann, weil die beurteilte Straftat nicht mehr verjährt. Unter<br />
‹erst instanzlichen Urteilen› im Sinne von Art. 97 Abs. 3 und<br />
Art. 333 Abs. 6 lit. d StGB sind daher ausschliesslich verurteilende<br />
Erkenntnisse zu verstehen.»<br />
Diese Auffassung scheint verfehlt:<br />
3.1 Unhaltbar ist zunächst die Bemerkung, der Wortlaut<br />
der Bestimmung sei nicht eindeutig. Ein Freispruch ist –<br />
grammatikalisch ausgelegt – selbstverständlich ein Urteil.<br />
Zu behaupten, der Wortlaut lasse beides zu, ist schlechterdings<br />
falsch – auch mit Blick auf die lateinischen Gesetzestexte<br />
(«un jugement de première instance» bzw. «una sentenza<br />
di prima istanza»).<br />
3.2 Wenn aber der Wortlaut klar ist, hätte das Abweichen<br />
von eben diesem Wortlaut im Detail begründet werden müssen<br />
(zuletzt BGE 134 V 208, E. 2.2, S. 211). Das Bundesge-<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
richt begnügt sich indessen mit dem Hinweis, dass es jeder<br />
Logik widersprechen würde, wenn ein Freigesprochener<br />
zeitlich unbegrenzt weiter verfolgt werden könnte, weil die<br />
beurteilte Straftat nicht mehr verjähre.<br />
Diese «Logik» vermag uns nicht einzuleuchten: Wird<br />
ein Freispruch (von der Staatsanwaltschaft oder der Privatklägerschaft)<br />
mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten,<br />
so wäre es stossend, wenn ein erstinstanzliches<br />
Fehlurteil im Rechtsmittelverfahren nicht mehr korrigiert<br />
werden könnte. – Genau das ist der Sinn der neuen Regelung<br />
(vgl. dazu auch BGE 133 IV 112, E. 9.4.3, S. 116: «Art. 70<br />
Abs. 3 StGB will nach seinem Sinn und Zweck verhindern,<br />
dass die Verjährung – je nach der konkreten Ausgestaltung<br />
des anwendbaren Prozessrechts – noch während des Rechtsmittelverfahrens<br />
eintreten kann»). Im Übrigen bestehen für<br />
das Einreichen ordentlicher Rechtsmittel (kurze) Fristen,<br />
und erwächst ein Freispruch schliesslich in Rechtskraft, widerspricht<br />
eine neuerliche Strafverfolgung regelmässig dem<br />
Grundsatz «ne bis in idem». Ein unbilliges Hinauszögern des<br />
Verjährungseintritts ist also nicht zu befürchten.<br />
Betrachtet man auch einen Freispruch als «erstinstanzliches<br />
Urteil», so scheint indessen eine Revision zu Ungunsten<br />
eines Freigesprochenen prima vista unbegrenzt zulässig<br />
zu sein. Das mag erklären, weshalb sich das Bundesgericht<br />
veranlasst sah, hier jedwelchen Spekulationen über eine<br />
«kalte» Ausdehnung der strafrechtlichen Unverjährbarkeit<br />
rechtzeitig den Riegel zu schieben.<br />
Allerdings greift die bundesgerichtliche «Lösung» in dieser<br />
Hinsicht zu kurz: Wird ein Angeschuldigter beispielsweise<br />
wegen fahrlässiger Tötung (Art. 117 StGB) schuldig gesprochen,<br />
so ist diese Verurteilung – auch nach Auffassung<br />
des Bundesgerichts – fraglos ein erstinstanzliches Urteil im<br />
Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB. Was ist nun, wenn sich aufgrund<br />
neuer Tatsachen herausstellt, dass ein Schuldspruch<br />
wegen Mordes (Art. 112 StGB) hätte ausgesprochen werden<br />
müssen? Offenbar ist das Problem hier kein anderes: Eine<br />
Wiederaufnahme zu Ungunsten des Beschuldigten kann<br />
auch in dieser Konstellation nicht zeitlich unbeschränkt zulässig<br />
sein.<br />
Der einzig gangbare Ausweg aus der Misere scheint darin<br />
zu bestehen, bei der Frage nach der zeitlichen Zulässigkeit<br />
der Revision zu Ungunsten eines Beurteilten die Art. 97<br />
Abs. 3 und 333 Abs. 6 lit. d StGB gänzlich aus dem Spiel zu<br />
lassen. Das widerspricht zwar – wie die «Lösung» des Bundesgerichts<br />
– dem Wortlaut des Gesetzes, schliesst aber unerwünschte<br />
Unverjährbarkeiten wirksam aus.<br />
3.3 Laut Bundesgericht ist ein Freispruch kein erstinstanzliches<br />
Urteil. Andererseits hat dasselbe Bundesgericht festgehalten,<br />
eine Strafverfügung im Sinne von Art. 70 VStrR<br />
sei sehr wohl als Urteil im Sinne der genannten Bestimmung<br />
zu qualifi zieren:<br />
«Gegen einen Strafbescheid der Verwaltung (Art. 64<br />
VStrR) kann sie [die angeschuldigte Person] – wie vorliegend<br />
geschehen – Einsprache erheben (Art. 67 VStrR). Die<br />
Verwaltung hat alsdann den angefochtenen Bescheid neu zu<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 377 10.3.2009 9:12:35 Uhr<br />
377
378<br />
überprüfen (Art. 69 Abs. 1 VStrR) und eine Strafverfügung<br />
zu treffen (Art. 70 Abs. 1 VStrR), welche zu begründen ist<br />
(Art. 70 Abs. 2 VStrR).<br />
Jeder Strafverfügung (Art. 70 VStrR) hat damit zwingend<br />
ein Strafbescheid (Art. 64 VStrR) voranzugehen, welcher wie<br />
ein Strafmandat (Strafbefehl) auf summarischer Grundlage<br />
getroffen werden kann. Die Strafverfügung dagegen muss –<br />
einem erstinstanzlichen Urteil ähnlich – auf einer umfassenden<br />
Grundlage beruhen und wird in einem kontradiktorischen<br />
Verfahren erlassen (vgl. hierzu MARKUS PETER, Das<br />
neue Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht, ZStrR<br />
90/1974 S. 337 ff., 353; JEAN GAUTHIER, La loi fédérale sur le<br />
droit pénal administratif, in: Quatorzième Journée juridique,<br />
Genf 1975, S. 23 ff., 61).<br />
Während der Erlass eines Strafbescheids (Art. 64 VStrR)<br />
somit Parallelen zu einem Strafmandat (Strafbefehl) aufweist,<br />
ist die Strafverfügung (Art. 70 VStrR) nach dem Gesagten<br />
im Ergebnis einem gerichtlichen Entscheid gleichzustellen<br />
und demnach unter den Begriff des erstinstanzlichen<br />
Urteils im Sinne von Art. 70 Abs. 3 StGB zu subsumieren»<br />
(133 IV 112, E. 9.4.4, S. 116 f.).<br />
Nun kann die beschuldigte Person aber auch gegen eine<br />
Strafverfügung Einsprache erheben; der Fall ist alsdann an<br />
die zuständige richterliche Behörde zu überweisen (Art. 72<br />
und 73 VStrR).<br />
Das bedeutet aber:<br />
• Wird ein Fall nach VStrR direkt (Art. 73 VStrR) oder nach<br />
Erlass eines Strafbescheids, aber ohne Erlass einer Strafverfügung<br />
(Art. 71 VStrR) der zuständigen kantonalen<br />
Staatsanwaltschaft zuhanden des Gerichts überwiesen,<br />
läuft die Verjährung weiter, wenn das Gericht den Angeschuldigten<br />
freispricht.<br />
• Erlässt die Behörde aber einen Strafbescheid und eine<br />
Strafverfügung und fällt das erstinstanzliche kantonale<br />
Gericht dann aufgrund eines Einspruchs einen Freispruch<br />
(Art. 72 und 73 VStrR), kann die Verjährung nicht mehr<br />
eintreten, weil bereits die Strafverfügung der Verwaltungsbehörde<br />
als erstinstanzliches Urteils gelten soll.<br />
Diese Inkonsequenz widerspricht vielleicht nicht jeder, aber<br />
doch unserer bescheidenen Logik: Es kann ja wohl nicht<br />
sein, dass der Lauf der Verjährungsfrist ein anderer ist, je<br />
nachdem, ob ein Fall direkt oder erst über eine Einsprache<br />
gegen eine Strafverfügung zum Gericht gelangt.<br />
Richtig ist deshalb in beiden Fragen der gegenteilige<br />
Standpunkt:<br />
• Strafverfügungen werden nicht von einem Gericht, sondern<br />
von einer Verwaltungsbehörde erlassen. Anzufechten<br />
sind Strafverfügungen nicht mit einem Rechtsmittel,<br />
sondern mit einer blossen Einsprache. Entscheide der Verwaltungsbehörden<br />
(mithin auch Strafverfügungen) sind<br />
deshalb keine Urteile erster Instanz (vgl. Emanuel Jaggi,<br />
Ist der Strafbefehl ein erstinstanzliches Urteil im Sinne<br />
von Art. 70 Abs. 3 StGB?, in: ZStrR 2006, 437–454; ferner<br />
Riklin, § 21 N 14; Riedo/Kunz, <strong>AJP</strong>/PJA 2004, 906;<br />
Denys, SJ 20<strong>03</strong> II, 56; Botschaft BBl 1999 2133).<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
• Umgekehrt bedeuten aber sämtliche materiellen Beurteilungen<br />
durch ein Gericht ein Urteil im Sinne von Art. 97<br />
Abs. 3 StGB. – Das gilt für den Freispruch nicht weniger<br />
als für die Verurteilung (Riklin, § 21 N 14; Riedo/Kunz,<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 2004, 906; Denys, SJ 20<strong>03</strong> II, 54).<br />
3.4 Fällt ein erstinstanzliches Gericht einen Freispruch,<br />
soll dieser kein erstinstanzliches Urteil darstellen. Wird der<br />
Freigesprochene in oberer kantonaler Instanz indes schuldig<br />
gesprochen, so müsste dieser Schuldspruch nach Auffassung<br />
des Bundesgerichts als erstinstanzliches Urteil qualifi ziert<br />
werden – obwohl es sich offensichtlich um ein Urteil zweiter<br />
Instanz handelt. Die Auffassung des Bundesgerichts führt<br />
also auch zu terminologischen Unstimmigkeiten.<br />
3.5 Schliesslich scheint es durchaus möglich, dass die<br />
Praxis aufgrund der neuen Rechtsprechung andere unbillige<br />
«Lösungen» entwickelt. Es besteht von nun an die Gefahr,<br />
dass ein erstinstanzliches Gericht – wenn der Eintritt der<br />
Verjährung vor der Tür steht – präventiv in dubio contra reo<br />
einen Schuldspruch verhängt, um nicht Gefahr zu laufen, einen<br />
materiell falschen Freispruch auf ewig in Stein zu meisseln.<br />
Die Auswirkungen dieser je nach rechtspolitischem<br />
Standpunkt mehr oder minder begrüssenswerten, juristisch<br />
aber schlicht falschen neuen Rechtsprechung dürften also<br />
andernorts kompensiert werden.<br />
IV. Die Dauer der Verjährungsfrist bei Übertretungen<br />
im Sinne von Art. 11 Abs. 2 VStrR<br />
Zustimmung verdienen demgegenüber die Ausführungen<br />
des Bundesgerichts in E. 2.1 in fi ne des besprochenen Urteils<br />
mit Bezug auf die Dauer der Verjährungsfrist gemäss Art. 11<br />
Abs. 2 VStrR.<br />
Tatsächlich kann für Übertretungen nicht eine längere<br />
Verjährungsfrist gelten als für nach dem gleichen Gesetz<br />
zu ahndende Vergehen. Die Verjährungsfristen für Übertretungen<br />
sind daher auf die für Vergehen geltende Dauer zu<br />
verringern.<br />
Neurechtlich verjähren Übertretungen im Sinne von<br />
Art. 11 Abs. 2 VStrR also nicht erst nach zehn, sondern bereits<br />
nach sieben Jahren.<br />
Hieraus indessen ohne weiteres den Schluss zu ziehen,<br />
damit sei in casu das neue Verjährungsrecht das mildere, erweist<br />
sich bei näherem Hinsehen als voreilig… (vgl. dazu<br />
gleich nachfolgend).<br />
V. Die Berücksichtigung eines Ruhens nach<br />
Art. 11 Abs. 3 VStrR<br />
1. Nach Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht die Verjährung (nach neuem<br />
wie nach altem Recht) «bei Vergehen und Übertretungen<br />
während der Dauer eines Einsprache-, Beschwerde- oder<br />
gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder Rückleistungspfl<br />
icht oder über eine andere nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz<br />
zu beurteilende Vorfrage».<br />
2. Das Bundesgericht hat in E. 3.2 f. überzeugend dargelegt,<br />
dass die Beschwerde eines Beteiligten die strafrechtliche<br />
Verjährung gegen sämtliche Beschwerdebefugten ruhen<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 378 10.3.2009 9:12:35 Uhr
lässt. Das ergibt sich insbesondere aus der Bindung des Strafrichters<br />
an den konnexen verwaltungsrechtlichen Entscheid<br />
(Art. 77 Abs. 4 VStrR) und der damit verbundenen Notwendigkeit,<br />
mit der Überweisung an das Strafgericht zuzuwarten,<br />
solange ein Verfahren über die Leistungspfl icht hängig<br />
ist, das sich auf die Strafverfahren gegen alle Mitbeteiligten<br />
auswirken kann.<br />
3. Bei der Anwendung der genannten Grundsätze hat sich das<br />
Bundesgericht indessen einige Ungenauigkeiten geleistet:<br />
3.1 Zunächst sind die Angaben im Entscheid widersprüchlich:<br />
Während gemäss Sachverhaltsdarstellung (B.) in<br />
Sachen D. bereits am 29.9.2005 letztinstanzlich entschieden<br />
wurde, wurde das Verfahren laut E. 2.2 erst am 17.11.2005<br />
endgültig erledigt. Es mag im konkreten Fall eine erhebliche<br />
Rolle spielen, ob dieses oder jenes Datum das richtige ist.<br />
3.2 Im Übrigen blieb völlig unbeachtet, dass die Verjährung<br />
selbstredend nur dann ruhen kann, wenn sie überhaupt<br />
noch läuft. Nun tritt die altrechtliche relative Verjährung gemäss<br />
Art. 11 Abs. 2 VStrR aber bereits nach fünf Jahren ein.<br />
Vorliegend ruhte die Verjährung erst mit der Verfügung<br />
vom 31.1.2002. Die mehr als fünf Jahre vor diesem Datum,<br />
also vor dem 31.1.1997, begangenen Delikte sind altrechtlich<br />
mithin bereits verjährt.<br />
Immerhin hat sich dies im konkreten Fall indes nicht ausgewirkt:<br />
Nach neuem Recht verjähren alle Straftaten nach sieben<br />
Jahren seit ihrer Begehung. Während der Dauer des verwaltungsrechtlichen<br />
Verfahrens über die Leistungspfl icht, also<br />
vom 31.1.2002 bis am 29.9.2005 oder bis am 17.11.2005<br />
(vgl. vorstehend, 3.1), ruhten diese Fristen.<br />
Im Ergebnis sind damit alle Taten verjährt, bei denen zwischen<br />
Deliktsbegehung und erstmaliger gerichtlicher Beurteilung<br />
mehr als zehneinhalb Jahre vergangen sind (Dauer<br />
der Verjährung: sieben Jahre zuzüglich einer Phase des Ruhens:<br />
von mehr als dreieinhalb Jahren – abhängig vom vorliegend<br />
unklaren Termin der Erledigung des Verfahrens über<br />
die Leistungspfl icht).<br />
Bereits im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Urteils<br />
(16.10.2008) war damit die neurechtliche Verjährungsfrist<br />
sicher für sämtliche Delikte abgelaufen, die vor Mitte April<br />
1998 begangen wurden. Das neue Recht ist demnach im Ergebnis<br />
tatsächlich das für den Täter mildere.<br />
Anders wäre es beispielsweise gewesen, wenn die erste<br />
Verfügung im Verfahren über die Leistungspfl icht nicht bereits<br />
am 31.1.2002, sondern erst zwei Jahre später ergangen<br />
wäre: Dann wären altrechtlich bereits sämtliche Delikte<br />
verjährt, die vor dem 31.1.1999 begangen wurden. Damit<br />
wäre – der längeren absoluten Verjährungsfrist zum Trotz –<br />
das alte Verjährungsrecht das für den Täter mildere (allfällige<br />
Unterbrechungshandlungen der Behörden vorbehalten;<br />
vgl. im Übrigen auch die Bemerkungen unter VI., 3).<br />
VI. Rückweisung an das Kantonsgericht<br />
1. Im Ergebnis wurde die Beschwerde der Eidgenössischen<br />
Zollverwaltung gutgeheissen, der angefochtene Entscheid<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
aufgehoben und die Sache dem Kantonsgericht Basel-Landschaft<br />
zu neuem Entscheid zurückgewiesen. Ergänzend hielt<br />
das Bundesgericht fest: «Angesichts der weiter laufenden<br />
Verjährung wird dieses die Angelegenheit ohne Rückweisung<br />
an die erste Instanz beförderlich selber zu entscheiden<br />
haben.»<br />
2. Die Rückweisung an das Kantonsgericht zur beförderlichen<br />
Behandlung mag mit Blick auf das Gebot der Verfahrensbeschleunigung<br />
nahe liegen, bedeutet aber eine massive<br />
Beschneidung der Verteidigungsrechte: Dem Angeschuldigten<br />
geht damit faktisch eine Instanz verloren.<br />
Dem mag man entgegnen, ein Verfahren vor einer einzigen<br />
unabhängigen und unparteiischen Instanz genüge den Anforderungen<br />
von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 30 Abs. 1 BV.<br />
Das trifft zwar zu, doch hat der Beschuldigte nach dem<br />
einschlägigen basellandschaftliche Recht eben einen Anspruch<br />
auf eine zweite Instanz (§ 177 StPO-BL).<br />
Dem Beschuldigten kann nicht zum Vorwurf gemacht<br />
werden, er habe den «Umweg» über das Bundesgericht<br />
selbst verschuldet: Die beiden kantonalen Gerichte haben ihren<br />
jeweiligen Entscheidungen falsche Rechtsauffassungen<br />
zugrunde gelegt. Dies nun den Beschuldigten (im wörtlichen<br />
Sinne) büssen zu lassen, scheint mindestens nicht unproblematisch.<br />
3. Umgekehrt wäre aber eine Rückweisung an die erste Instanz<br />
mit Schwierigkeiten anderer Art verbunden gewesen.<br />
Nach neuem Verjährungsrecht kann die Verjährung nicht<br />
mehr eintreten, sobald ein Urteil erster Instanz ergangen ist<br />
(Art. 97 Abs. 3 StGB, vorne, III.). Nach altem Recht hingegen<br />
muss vor Ablauf der Verjährungsfrist das letzte Sachurteil<br />
ergehen, das mit voller Kognition gefällt wird (Riedo/<br />
Kunz, <strong>AJP</strong>/PJA 2004, 904).<br />
Bei dieser Ausgangslage ist das Bundesgericht unter Umständen<br />
gar nicht in der Lage, darüber zu entscheiden, welche<br />
der beiden Ordnungen die für den Täter mildere ist. Das<br />
hängt nämlich entscheidend davon ab, wie lange das Verfahren<br />
zwischen dem erst- und dem zweitinstanzlichen Urteil<br />
dauern wird – und das lässt sich kaum zuverlässig prognostizieren.<br />
Da verwundert es wenig, dass das Bundesgericht<br />
dazu neigt, aus pragmatischen Gründen Verfahrensrechte zu<br />
schmälern.<br />
VII. Fazit<br />
1. Obwohl das neue Verjährungsrecht nun doch bereits seit<br />
mehr als sechs Jahren in Kraft ist, bestehen nach wie vor<br />
zahlreiche Rechtsunsicherheiten.<br />
2. In zwei wesentlichen Punkten hat das Bundesgericht nun<br />
für die nötige Klarheit gesorgt:<br />
2.1 Die mit zehn Jahren übermässig lange Verfolgungsverjährung<br />
für Abgabeübertretungen (Art. 11 Abs. 2 VStrR<br />
i.V.m. Art. 333 Abs. 6 lit. b StGB) wurde auf die für Vergehen<br />
geltende Verjährungsfrist von sieben Jahren verkürzt.<br />
2.2 Ruht die Verjährung aufgrund von Art. 11 Abs. 3<br />
VStrR während der Dauer eines Einsprache-, Beschwer-<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 379 10.3.2009 9:12:36 Uhr<br />
379
380<br />
de- oder gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder<br />
Rückleistungspfl icht oder über eine andere nach dem einzelnen<br />
Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage für einen<br />
der Beteiligten, so muss dies für alle Tatbeteiligten gelten.<br />
3. Wenig überzeugend ist der besprochene Entscheid hingegen<br />
in anderen Punkten:<br />
3.1 Strafverfügungen im Sinne des VStrR sind (entgegen<br />
einem früheren Bundesgerichtsentscheid) keine Urteile im<br />
Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB. Weshalb indessen ein gerichtlicher<br />
Freispruch kein Urteil sein sollte, vermag nicht<br />
einzuleuchten.<br />
3.2 Eine Rückweisung an das Kantonsgericht mit dem<br />
verbindlichen Auftrag, den Fall nun selbst zu entscheiden,<br />
beschneidet die Rechte des Beschuldigten: Er verliert eine<br />
Instanz.<br />
Der mit der Neuordnung des Verjährungsrechts eingetretene<br />
jetlag dauert also an …<br />
Entscheidungen/Jurisprudence<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 380 10.3.2009 9:12:36 Uhr
1. Verfassungs- und Verwaltungsrecht /<br />
Droit constitutionnel et administratif<br />
1.2. Staatsorganisation und Behörden /<br />
Organisation de l’Etat et autorités<br />
Paulus Christoph G.: Rechtliche Handhaben zur Bewältigung<br />
der Überschuldung von Staaten. RIW 1-2/2009, 11–17. (D)<br />
1.3. Bund und Kantone /<br />
Confédération et cantons<br />
Bieri René: Auswirkungen der bundesrechtlichen (formellen)<br />
Steuerharmonisierung auf die Staatlichkeit der Kantone<br />
– Ein Problemaufriss. StR/RF 2/2009, 86–108.<br />
1.4. Grundrechte / Droits fondamentaux<br />
Nay Giusep: Unhaltbare Lücken im Grundrechtsschutz. pläd<br />
5/2008, 28–29.<br />
1.4.2. Gleichheit vor dem Gesetz / Egalité devant la loi<br />
Epiney Astrid: Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen<br />
der Staatsangehörigkeit im Personenfreizügigkeitsabkommen.<br />
SJZ/RSJ 2009/2, 25–32.<br />
1.4.3. Gleichheit von Frau und Mann /<br />
Egalité entre homme et femme<br />
Wiler Jürg: Chancengleichheit für Frauen und Männer mit<br />
Finanzhilfen ankurbeln. SA/ES 22/2008, 28–29.<br />
1.4.11. Verfahrensgarantien / Garanties de procédure<br />
Zu Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht vgl. auch 6. / Pour<br />
l’organisation judiciaire et procédure comp. 6.<br />
1.8. Landesverteidigung. Militärrecht. Notstand /<br />
Défense nationale. Droit militaire. Etat de<br />
nécessité<br />
Mohler Markus H. F.: «Raumsicherung» – Verfassungsrechtliche<br />
Fragen zur jüngsten Entwicklung in Rechtsetzung,<br />
Doktrin und Reglementierung über den Einsatz der Armee.<br />
LeGes 2008/3, 437–464.<br />
1.9. Polizei- und Ordnungsrecht /<br />
Police et ordre public<br />
Hensler Beat: Internationale Zusammenarbeit, Konkordate<br />
und Konferenz der kantonalen Polizeikommandantinnen<br />
und -kommandanten der Schweiz (KKPKS). LeGes 2008/3,<br />
495–506.<br />
Lienhard Andreas: Auslagerung von sicherheitspolizeilichen<br />
Aufgaben auf private Sicherheitsunternehmen in der<br />
Schweiz? LeGes 2008/3, 425–436.<br />
Linsi Christian: Verfassungsrechtliche Zuständigkeit des<br />
Bundes für den Erlass von Polizeirecht. LeGes 2008/3, 465–<br />
494.<br />
Lobsiger Adrian: Das gesetzgeberische Konzept des Bundesrates<br />
zur Bereinigung des Polizeirechts des Bundes. LeGes<br />
2008/3, 401–414.<br />
Mohler Markus H. F.: «Raumsicherung» – Verfassungsrechtliche<br />
Fragen zur jüngsten Entwicklung in Rechtsetzung,<br />
Doktrin und Reglementierung über den Einsatz der Armee.<br />
LeGes 2008/3, 437–464.<br />
Rossat-Favre Golette: Autorités et usage de la force: quelles<br />
limites? LeGes 2008/3, 415–424.<br />
Literaturübersicht/Bibliographie<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Literaturübersicht<br />
Bibliographie<br />
Rebekka Keller, B. A. HSG, St. Gallen<br />
Schweizer Rainer J. / Müller Lucien: Zwecke, Möglichkeiten<br />
und Grenzen der Gesetzgebung im Polizeirecht. LeGes<br />
2008/3, 379–400.<br />
1.11. Ausländer- und Asylrecht /<br />
Droit des étrangers et droit d’asile<br />
Povlakic Karine: Exclusion de l’aide sociale et dignité de<br />
la personne humaine. ASYL 4/2008, 13–19.<br />
Theumann Géraldine: Etat de la jurisprudence en matière<br />
d’accès aux données personnelles pour les requérant-e-s d’asile<br />
au niveau cantonal et au niveau fédéral (2005–2008). ASYL<br />
4/2008, 4–12.<br />
1.12. Abgaben- und Finanzrecht /<br />
Finances et droit fi scal<br />
Bieri René: Auswirkungen der bundesrechtlichen (formellen)<br />
Steuerharmonisierung auf die Staatlichkeit der Kantone<br />
– Ein Problemaufriss. StR/RF 2/2009, 86–108.<br />
Maute Wolfgang / Stolz Tabea: Grenzüberschreitende<br />
Aspekte aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht.<br />
StR/RF 2/2009, 66–84.<br />
1.12.1. Einkommenssteuer und direkte Steuern –<br />
im Allgemeinen / Impôt sur le revenu et impôts<br />
directs – en général<br />
Matteotti René / Gasser Simone: Börsenspekulation mit<br />
Steuerfolgen. ius.full 6/2008, 174–199.<br />
Richner Felix: Unterpreisliche Gebrauchsüberlassung von<br />
Wohneigentum. ZStP 2008/4, 271–290.<br />
Verrey Bastien: Nouveautés vaudoises en matière<br />
d’imposition des gains immobiliers, de droits de mutation et<br />
d’impôts sur les successions et donations. RDAF 2008/4, 293–<br />
332.<br />
1.12.2. Besteuerung juristischer Personen /<br />
Taxation des personnes juridiques<br />
Weidmann Markus: Keine Umdeutung des aktivierten Fusionsverlustes<br />
in eine Aufwertung übernommener Aktiven.<br />
StR/RF 1/2009, 2–14.<br />
1.12.3. Vermögens- und Kapitalsteuer /<br />
Impôt sur la fortune et le capital<br />
Behnisch Urs R.: Amtshilfe in Steuersachen an die USA:<br />
Zur Bedeutung der QI-Normen. Jusletter, 26. Januar 2009.<br />
Verrey Bastien: Nouveautés vaudoises en matière<br />
d’imposition des gains immobiliers, de droits de mutation et<br />
d’impôts sur les successions et donations. RDAF 2008/4, 293–<br />
332.<br />
1.12.5. Indirekte Steuern / Impôts indirectes<br />
Schwertfeger Richard: Pensionskassen zahlen viel Mehrwertsteuer.<br />
SPV/PPS 12/2008, 33–35.<br />
1.14. Bau- und Planungsrecht. Bodenrecht /<br />
Constructions et aménagement du territoire.<br />
Droit foncier<br />
Bucher Oliver: Verschärfung emissionsmindernder Massnahmen<br />
im Baubewilligungsverfahren. BR/DC 4/2008, 156–<br />
161.<br />
Pfäffli Roland: Entwicklungen im Sachenrecht und Bodenrecht.<br />
SJZ/RSJ 2009/3, 56–61.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 381 10.3.2009 9:12:36 Uhr<br />
381
382<br />
Pichonnaz Pascal: La pierre de l’Yonne: garantie pour les<br />
défauts et dommage évolutif. Commentaire de l’arrêt du Tribunal<br />
fédéral du 8 mai 2007 (4C.130/2006). BR/DC 4/2008, 162–165.<br />
1.19. Sozial- und Sozialversicherungsrecht /<br />
Droit social et droit des assurances sociales<br />
Ammann Dominique: Mehr Eigenverantwortung. Neue Anlagevorschriften<br />
BVV 2. SPV/PPS 12/2008, 87–88.<br />
Beuret Aurore: La protection des données dans le système<br />
de la carte d’assuré (42a LAMal). Jusletter, 19. Januar 2009.<br />
Bonoli Giuliano / Wichmann Sabine: Breiter Horizont<br />
für AHV-Reformen. Rentenreformen in OECD-Staaten: Modelle<br />
für die Schweiz? SPV/PPS 12/2008, 25–26.<br />
Brechbühl Jürg: Ausfi nanzierung öffentlich-rechtlicher<br />
Kassen, was nun? SPV/PPS 12/2008, 37–39.<br />
Brechbühl Jürg: Neuordnung von Aufsicht und Oberaufsicht.<br />
SPV/PPS 11/2008, 33–35.<br />
Cadotsch Paul: Wird der AHV-massgebende Lohn durch die<br />
Auszahl- und Zahladresse beeinfl usst? SZS/RSAS 2009/1, 3–24.<br />
Duc Jean-Louis: Examen de l’utilité pratique de l’article 70<br />
LPGA. SZS/RSAS 2009/1, 50–62.<br />
Dummermuth Andreas: Der IV drohen Zusatzausgaben.<br />
SPV/PPS 1/2009, 33–34.<br />
Helbling Carl: Ausfi nanzierung der Deckungslücke? Öffentlich-rechtliche<br />
Pensionskassen. SPV/PPS 12/2008, 27–28.<br />
Heusser Pierre: Rechtsschutz: Für die Schwächsten zu<br />
schwach. pläd 1/2009, 34–42.<br />
Hürzeler Marc: Die Rechtsprechung des Bundesgerichts<br />
und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zum Sozialversicherungsrecht<br />
(AHV/IV/EO/berufl iche Vorsorge) in den<br />
Jahren 2006 und 2007 (BGE Band 132 und 133). ZBJV/RJB<br />
1/2009, 15–58.<br />
Konrad Hanspeter: ASIP-Charta als verbindlicher Standard.<br />
Wahrnehmung der treuhänderischen Führungsverantwortung.<br />
SPV/PPS 12/2008, 83–84.<br />
Lindenmann Rolf: Die Büchse der Pandora oder eine Wundertüte?<br />
Das neue Familienzulagengesetz. SPV/PPS 11/2008,<br />
87–88.<br />
Maute Wolfgang / Stolz Tabea: Grenzüberschreitende<br />
Aspekte aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht.<br />
StR/RF 2/2009, 66–84.<br />
Rüegg Markus: Praxisleitfaden zur Koordination von Erwerbsausfall-Leistungen<br />
bei (mutmasslichen und tatsächlichen)<br />
Krankheitsfaktoren nach Unfall. Materielle und formelle Koordination<br />
gegenwärtiger und nachträglicher Taggeld- und Rentenleistungen.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 23–32.<br />
Saccone Franco: Participation aux excédents en matière<br />
de prévoyance professionnelle: légalité de la méthode de calcul<br />
basée sur le rendement? SZS/RSAS 2009/1, 25–49.<br />
Schaffhauser René / Schlauri Franz (Hrsg.): Sozialversicherungsrechtstagung<br />
2008. IRP-HSG, St. Gallen 2009, 174<br />
Seiten, CHF 72.–.<br />
Schmid Walter: Die Absicherung des Existenzminimums<br />
zwischen Individualisierung und Standardisierung. SA/ES<br />
23/2008, 12–15.<br />
Schwertfeger Richard: Pensionskassen zahlen viel Mehrwertsteuer.<br />
SPV/PPS 12/2008, 33–35.<br />
Winkler Ruedi: Von der Frühverrentung zum langen Erwerbsleben:<br />
Rentenalter 70 als Perspektive. SA/ES 22/2008,<br />
18–21.<br />
Literaturübersicht/Bibliographie<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
1.23. Datenschutzrecht /<br />
Droit de la protection des donnés<br />
Beuret Aurore: La protection des données dans le système<br />
de la carte d’assuré (42a LAMal). Jusletter, 19. Januar 2009.<br />
Rudin Beat: Verfassungswidrige Anwendbarkeit des Bundesdatenschutzgesetzes.<br />
SJZ/RSJ 2009/1, 1–7.<br />
1.24. Gesundheitsrecht / Droit de la santé<br />
Brugger Schmidt Caroline / Tremp Caroline: «Macht<br />
hoch die Tür, die Tor macht weit!». Jusletter, 19. Januar<br />
2009.<br />
Gächter Thomas: Selbstständige Berufsausübung im Sinn<br />
des Medizinalberufegesetzes (MedBG) und des Psychologieberufegesetzes<br />
(PsyG). Jusletter, 19. Januar 2009.<br />
Häusler Marc: Die Vorteile einer Arztpraxis als juristische<br />
Person. Jusletter, 26. Januar 2009.<br />
Rich Lukas: Die geplante Umsetzung der neuen Spitalfi nanzierung<br />
im Kanton Zürich – eine kritische Betrachtung. Jusletter,<br />
19. Januar 2009.<br />
2. Privatrecht / Droit privé<br />
2.3. Personenrecht / Droit des personnes<br />
Jakob Dominique: Das neue System der Foundation Governance<br />
– interne und externe Stiftungsaufsicht im neuen liechtensteinischen<br />
Stiftungsrecht. LJZ 4/2008, 83–89. (FL)<br />
Manaï Dominique: L’embryon face au droit: une entité polymorphe<br />
à géométrie variable. Jusletter, 19. Januar 2009.<br />
Wagner Jürgen: Neues Stiftungsrecht in Liechtenstein –<br />
Weitere Schritte zur Reform. RIW 11/2008, 773–781. (FL)<br />
2.4. Familienrecht – allgemein /<br />
Droit de famille – en général<br />
Lindenmann Rolf: Die Büchse der Pandora oder eine Wundertüte?<br />
Das neue Familienzulagengesetz. SPV/PPS 11/2008,<br />
87–88.<br />
2.4.1. Eherecht / Droit de mariage<br />
Geiser Thomas: Neuere Rechtsprechung zum Eherecht.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 57–69.<br />
Guillaume Florence: Trust, réserves héréditaires et immeubles.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 33–46.<br />
2.4.2. Kindesrecht / Droit de la fi liation<br />
Büchler Andrea: Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner<br />
Abstammung. FamPra.ch 1/2009, 1–22.<br />
Geiser Thomas: Kind und Recht – von der sozialen zur genetischen<br />
Vaterschaft? FamPra.ch 1/2009, 41–59.<br />
Gerber Jenni Regula / Rumo-Jungo Alexandra / Widmer<br />
Mirjam / Bodenmann Guy / Perrig-Chiello Pasqualina:<br />
Kinder in Gerichtsverfahren – Zwischenergebnisse einer<br />
interdisziplinären Studie. FamPra.ch 1/2009, 60–83.<br />
Vetterli Rolf: Das Recht des Kindes auf Kontakt zu seinen<br />
Eltern. FamPra.ch 1/2009, 23–40.<br />
2.4.4. Vormundschaft / Tutelle<br />
Zobrist Patrick: Die psychosoziale Dimension der vormundschaftlichen<br />
Arbeit im Zwangskontext. Herausforderungen<br />
und Lösungsansätze. ZVW/RDT 6/2008, 465–475.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 382 10.3.2009 9:12:36 Uhr
2.6. Sachenrecht – allgemein /<br />
Droits réels – en général<br />
Guillaume Florence: Trust, réserves héréditaires et immeubles.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 33–46.<br />
Pfäffli Roland: Entwicklungen im Sachenrecht und Bodenrecht.<br />
SJZ/RSJ 2009/3, 56–61.<br />
Schnyder Bernhard: Carl Wielands Beitrag zum schweizerischen<br />
Sachenrecht. BJM 2008/6, 289–305.<br />
2.6.2. Beschränkte dingliche Rechte /<br />
Droits réels limités<br />
Pfäffli Roland / Byland Daniela: Aktuelles aus dem<br />
Bundesgericht: Zur Übertragungsbeschränkung beim selbständigen<br />
und dauernden Baurecht. Jusletter, 9. Februar 2009.<br />
Stadlin Markus W.: Die Bindung der Vertragsparteien in<br />
langfristigen Vertragsverhältnissen (so bei selbständigen und<br />
dauernden Baurechten) – die Voraussetzungen der nachträglichen<br />
Anpassung des Baurechtszinses. Jusletter, 16. Februar 2009.<br />
2.6.4. Grundbuch / Registre foncier<br />
Pfäffli Roland: Die Angst des Grundbuchverwalters vor<br />
dem Eintrag. Jusletter, 26. Januar 2009.<br />
2.7. Schuldrecht – allgemein /<br />
Droit des obligations – en général<br />
2.7.1. Obligationenrecht – Allgemeiner Teil – allgemein /<br />
Droit des obligations – Partie générale –<br />
en général<br />
2.7.1.2. Wirkung / Effet<br />
Wiegand Wolfgang: Die Finanzmarktkrise und die clausula<br />
rebus sic stantibus dargestellt am Beispiel der Bonuszahlungen.<br />
Jusletter, 9. Februar 2009.<br />
2.7.2. Obligationenrecht – Besonderer Teil – allgemein /<br />
Droit des obligations – Partie spéciale –<br />
en général<br />
Rüetschi David: Die Sage von der Teufelsbrücke – Eine<br />
vertragsrechtliche Betrachtung. ius.full 6/2008, 200–202.<br />
2.7.2.3. Miete, Pacht / Bail à loyer, bail à ferme<br />
Spirig Irène: Grundsätze im Erstreckungsrecht. mp 4/2008,<br />
199–224.<br />
2.7.2.9. Auftragsrecht / Mandat<br />
Huguenin Claire / Maissen Eva: Ein Hochzeitskleid mit<br />
Hindernissen. ius.full 6/2008, 204–219.<br />
2.7.3. Haftpfl ichtrecht / Responsabilité civile<br />
Bieri Laurent: La réforme de la responsabilité civile des<br />
détenteurs de chiens. Une perspective juridique et économique.<br />
SJZ/RSJ 2009/3, 49–55.<br />
Hütte Klaus: Genugtuung an sexuell missbrauchte Kinder.<br />
Gedanken zu einem Urteil des OGer Zürich vom 9.6.2008.<br />
HAVE/REAS 4/2008, 343–346.<br />
Küttel Pamela: Begriff der Teilnahme nach Art. 50 OR.<br />
«Gemeinsame Verschuldung» eines Schadens durch Anstifter,<br />
Urheber und Gehilfen und die Rolle des Begünstigers. HAVE/<br />
REAS 4/2008, 320–335.<br />
Mannsdorfer Thomas M.: Schadenersatzansprüche aus<br />
dem Arbeitsverhältnis (Employment Practices Liability). Eine<br />
rechtsvergleichende Einführung. HAVE/REAS 4/2008, 309–<br />
319.<br />
Literaturübersicht/Bibliographie<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Martin Gian: Assisted Suicide im Strassenverkehr. Problematik<br />
des erzwungenen Selbstmords im Strassenverkehr unter<br />
Zuhilfenahme unschuldiger Dritter aus haftpfl ichtrechtlicher<br />
Sicht. HAVE/REAS 4/2008, 336–342.<br />
3. Wirtschaftsrecht / Droit économique<br />
3.2. Gesellschaftsrecht – allgemein /<br />
Droit des sociétés – en général<br />
3.2.4. Aktienrecht / Droit de la société anonyme<br />
Hablützel Oliver: Solidarität in der aktienrechtlichen<br />
Verantwortlichkeit. <strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong>, Zürich 2009, 301 Seiten,<br />
CHF 73.–.<br />
Häusler Marc: Die Vorteile einer Arztpraxis als juristische<br />
Person. Jusletter, 26. Januar 2009.<br />
Kissling Mischa: <strong>AG</strong> und GmbH: Probleme bei Interessenkonfl<br />
ikten. pläd 6/2008, 27–29.<br />
Kunz Peter V.: Aktienrechtsrevision 20xx. Jusletter, 2. Februar<br />
2009.<br />
Pfeifer Michael: Mögliche Auswirkungen der kleinen und<br />
der grossen Aktienrechtsrevision auf die Stellung und Haftung<br />
des Verwaltungsrats. <strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 12–22.<br />
3.2.5. GmbH / Société à responsabilité limitée (s.r.l.)<br />
Kissling Mischa: <strong>AG</strong> und GmbH: Probleme bei Interessenkonfl<br />
ikten. pläd 6/2008, 27–29.<br />
Steffek Felix: Der subjektive Tatbestand der Gesellschafterhaftung<br />
im Recht der GmbH – zugleich ein Beitrag zum<br />
Haftungsdurchgriff. JZ 2/2009, 77–85. (D)<br />
3.5. Wettbewerbsrecht – allgemein /<br />
Droit de la concurrence – en général<br />
Alberini Adrien: Quelques réfl exions sur l’application du<br />
droit de la concurrence à l’innovation rapide et aux marques<br />
attractives à la lumière de l’affaire iPhone. Jusletter, 9. Februar<br />
2009.<br />
Studer Peter: Darf «Tages-Anzeiger online» SF-TV-Beiträge<br />
«einbinden» und als Bild/Tondokument ausstrahlen? Jusletter,<br />
16. Februar 2009.<br />
3.7. Banken- und Börsenrecht /<br />
Droit bancaire et droit boursier<br />
Isenring Bernhard: Das neue Finanzmarktaufsichtsrecht<br />
in der Schweiz – ein Überblick. Jusletter, 26. Januar 2009.<br />
Mülbert Peter O.: Corporate Governance von Banken.<br />
Jusletter, 16. Februar 2009.<br />
Nobel Peter: Entwicklungen im Bank- und Kapitalmarktrecht.<br />
SJZ/RSJ 2009/1, 7–12.<br />
3.8. Immaterialgüterrecht – allgemein / Droit de<br />
la propriété immatérielle – en général<br />
Widmer Peter: Zur Methodik der Beurteilung von Firmenkollisionen.<br />
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts bei fi rmenrechtlichen<br />
Kollisionen. sic! 1/2009, 3–15.<br />
3.8.2. Urheberrecht / Droit d’auteur<br />
Abegg Andreas / Berger Mathis: Gerichtsstandsvereinbarungen<br />
und Verletzerzuschläge in verwertungsrechtlichen Tarifen.<br />
Zur Privatautonomie im Rahmen staatsgeleiteter Selbstregulierung<br />
am Beispiel des URG. sic! 2/2009, 65–74.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 383 10.3.2009 9:12:37 Uhr<br />
383
384<br />
Studer Peter: Darf «Tages-Anzeiger online» SF-TV-Beiträge<br />
«einbinden» und als Bild/Tondokument ausstrahlen? Jusletter,<br />
16. Februar 2009.<br />
3.9. Arbeitsrecht / Droit du travail<br />
Egli Hans-Peter: Der rechtliche Charakter von Bonuszahlungen.<br />
SA/ES 2/2009, 4–19.<br />
Gabathuler Thomas: Die Kündigungsfreiheit kommt ins<br />
Wanken. pläd 5/2008, 32–40.<br />
Jaïco Carranza Carlos / Micotti Sébastien: Les nouveaux<br />
projets législatifs à la lumière de la jurisprudence récente<br />
en matière de whistleblowing. Jusletter, 2. Februar 2009.<br />
Ledergerber Zora: Schutz für Whistleblower: Vernehmlassung<br />
ruft nach erheblichen Verbesserungen. pläd 1/2009,<br />
28–29.<br />
Mayer Markus / Nowotnick Uwe: Steueroptimierte Gestaltung<br />
der Mitarbeiterentsendung von Deutschland in die<br />
Schweiz. RIW 12/2008, 851–854.<br />
Raths Ernst: «Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz<br />
sind Chefsache». SA/ES 21/2008, 20–23.<br />
Reinert Peter: Variable Gehaltssysteme aus arbeitsrechtlicher<br />
Sicht. <strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 3–11.<br />
3.12. Europäisches Wirtschaftsrecht /<br />
Droit économique européen<br />
S. 8.11.1. / V. 8.11.1.<br />
4. Internationales Privat- und Verfahrensrecht<br />
/ Droit international privé et droit<br />
international de procédure civile<br />
4.1. Internationales Privatrecht – allgemein /<br />
Droit international privé – en général<br />
Aden Menno: Das Internationale Privatrecht Rumäniens.<br />
RIW 10/2008, 700–706.<br />
Ancel Marie-Elodie: Les contrats de distribution et la<br />
nouvelle donne du règlement Rome I. Revue Critique 3/2008,<br />
561–580.<br />
Einsele Dorothee: Auswirkungen der Rom I-Verordnung<br />
auf Finanzdienstleistungen. WM 7/2009, 289–299. (D)<br />
Flessner Axel: Die internationale Forderungsabtretung<br />
nach der Rom I-Verordnung. IPRax 1/2009, 35–43. (D)<br />
Graziano Kadner Thomas: The Law Applicable to Non-<br />
Contractual Obligations (Rome II Regulation). RabelsZ 2009/1,<br />
1–77. (D)<br />
Kadner Graziano Thomas: Le nouveau droit international<br />
privé communautaire en matière de responsabilité extracontractuelle<br />
(règlement Rome II). Revue Critique 3/2008,<br />
445–512.<br />
Mankowski Peter: Die Rom I-Verordnung. Das neue europäische<br />
IPR für Schuldverträge und seine Bedeutung insbesondere<br />
aus Schweizer Sicht. EuZ 1/2009, 2–17.<br />
Mankowski Peter: Ist eine vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen<br />
möglich? IPRax 1/2009, 23–34. (D)<br />
Maute Wolfgang / Stolz Tabea: Grenzüberschreitende<br />
Aspekte aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht.<br />
StR/RF 2/2009, 66–84.<br />
Muir Watt Horatia: Régulation de l’économie globale et<br />
l’émergence de compétences déléguées sur le droit internatio-<br />
Literaturübersicht/Bibliographie<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
nal privé des actions des groupe (À propos de l’affaire Vivendi<br />
Universal). Revue Critique 3/2008, 581–590.<br />
Pamboukis Charalambos: La renaissance-métamor phose<br />
de la méthode de reconnaissance. Revue Critique 3/2008, 513–<br />
560.<br />
Wagner Rolf: Konturen eines Gemeinschaftsinstruments<br />
zum internationalen Güterrecht unter besonderer Berücksichtigung<br />
des Grünbuchs der Europäischen Kommission. FamRZ<br />
4/2009, 269–281. (D)<br />
Wagner Rolf: The Hague Convention of 30 June 2005 on<br />
Choice of Court Agreements. RabelsZ 2009/1, 100–149. (D)<br />
4.1.2. Einzelne Gebiete des IPR /<br />
Matières particulières du DIP<br />
Guillaume Florence: Trust, réserves héréditaires et immeubles.<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 33–46.<br />
Mankowski Peter / Bock Stefanie: Fremdrechtsanwendung<br />
im Strafrecht durch Zivilrechtsakzessorietät bei Sachverhalten<br />
mit Auslandbezug für Blanketttatbestände und Tatbestände<br />
mit normativem Tatbestandsmerkmal. ZStW 2008/4,<br />
704–758. (D)<br />
Tschäpe Philipp / Kramer Robert / Glück Oliver: Die<br />
Rom II-Verordnung – Endlich ein einheitliches Kollisionsrecht<br />
für die gesetzliche Prospekthaftung? RIW 10/2008, 657–667.<br />
(D)<br />
4.2. Internationales Verfahrens-, Vollstreckungsund<br />
Konkursrecht / Droit international de<br />
procédure civile, exécution forcée internationale<br />
et droit international de la faillite<br />
Dietze Jan / Schnichels Dominik: Die aktuelle Rechtsprechung<br />
des EuGH zum EuGVÜ und zur EuGVVO – Übersicht<br />
über das Jahr 2007. EuZW 2/2009, 33–37. (D)<br />
Jaques Charles: La reconnaissance en Suisse du concordat<br />
homologué en faveur du groupe Parmalat. Jusletter, 2. Februar<br />
2009.<br />
Schneider Marcel: Funktionen des staatlichen Richters am<br />
Sitz des internationalen Schiedsgerichts gemäss 12. Kapitel des<br />
IPRG. Diss. St. Gallen, 2009, 167 Seiten.<br />
4.3. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit /<br />
Juridiction arbitrale internationale<br />
Zhou Cui: Neue Entwicklungen im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit<br />
und der Schiedskommission in der VR China.<br />
RIW 10/2008, 686–691.<br />
4.4. Internationale Rechtshilfe /<br />
Entraide judiciaire internationale<br />
Schweizer Rainer J.: Steuerbehörden benutzen UBS <strong>AG</strong><br />
als Untersuchungsgehilfi n. Jusletter, 9. Februar 2009.<br />
Weinbörner Udo: Die Neustrukturierung und Aktualisierung<br />
des Länderteils der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen<br />
(ZRHO). IPRax 6/2008, 486–489. (D)<br />
5. Rechtsvergleichung / Droit comparé<br />
5.1. Ausländisches Recht / Droit étranger<br />
Anning Paul / Terlau Matthias: Massnahmen gegen die<br />
Finanzmarktkrise – Grossbritannien. RIW 1-2/2009, 54–56.<br />
(GB)<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 384 10.3.2009 9:12:37 Uhr
Assmann Heinz-Dieter: Unternehmenszusammenschlüsse<br />
und Kapitalmarktrecht. ZHR 5-6/2008, 635–669. (D)<br />
Bachmann Gregor: Kapitalmarktrechtliche Probleme bei<br />
der Zusammenführung von Unternehmen. ZHR 5-6/2008, 597–<br />
634. (D)<br />
Barth Uli / Bongard Christian: Gesamtwirtschaftliche<br />
Analyse: Die grosse Unbekannte der Mehrerlösermittlung.<br />
WuW 1/2009, 30–43. (D)<br />
Battes Robert: Echte Wertsteigerungen im Anfangsvermögen<br />
– immer Zugewinn? Ein neuer Vorschlag zur Reform des<br />
gesetzlichen Güterrechts. FamRZ 4/2009, 261–264. (D)<br />
Bederman David J.: Medellín’s new paradigm for treaty interpretation.<br />
AJIL 2008/3, 529–572. (USA)<br />
Borth Helmut: Einführung in das Gesetz zur Reform des<br />
Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der<br />
freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17.12.2008 (FGG-ReformG).<br />
FamRZ 3/2009, 157–171. (D)<br />
Brüning Christoph: «Nichts geht mehr?» – Zum grundrechtlichen<br />
Schutz der Berufsfreiheit vor staatlicher Wirtschaftstätigkeit.<br />
JZ 1/2009, 29–35. (D)<br />
Cannivé Klaus: Die Legal Vendor Due Diligence – Marktstandard<br />
oder Modeerscheinung? ZIP 2009/6, 254–260. (D)<br />
Dammann Reinhard / Samol Michael: Massnahmen gegen<br />
die Finanzmarktkrise –Frankreich. RIW 1-2/2009, 57–59.<br />
(F)<br />
Flägel Peter / Smith Brian: Massnahmen gegen die Finanzmarktkrise<br />
– USA. RIW 1-2/2009, 51–53. (UAS)<br />
Förster Christian: Soziale Verantwortung von Unternehmen<br />
rechtlich reguliert. RIW 12/2008, 833–840. (D)<br />
Inwinkl Petra: Massnahmen gegen die Finanzmarkt krise –<br />
Österreich. RIW 1-2/2009, 60–65. (A)<br />
Luttermann Claus: Kreditversicherung (Credit Default<br />
Swaps): Vertrag, Restrukturierung und Regulierung (Hedge-<br />
Fonds, Rating, Schattenbanken). RIW 11/2008, 737–742. (D)<br />
Vorpeil Klaus: Neuere Entwicklungen im englischen Handels-<br />
und Wirtschaftsrecht. RIW 11/2008, 752–769. (GB)<br />
6. Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht /<br />
Organisation judiciaire et procédure<br />
6.1. Gerichtsorganisation /<br />
Organisation judiciaire<br />
Rüetschi David: Aufforderung zur extensiven Auslegung<br />
von Art. 100 Abs. 6 BGG. Anwaltsrevue/Revue de l’avocat<br />
1/2009, 27–29.<br />
von Weissenfluh Marc: Finden der einschlägigen BGE-<br />
Entscheide auf Internet – Suchstrategien. Anwaltsrevue/Revue<br />
de l’avocat 1/2009, 23–27.<br />
6.2. Anwaltsrecht /<br />
Droit sur la profession d’avocat<br />
Behrens Alexander: Internal Investigations: Hintergründe<br />
und Perspektiven anwaltlicher «Ermittlungen» in deutschen<br />
Unternehmen. RIW 1-2/2009, 22–32. (D)<br />
Bohnet François: Kenntnisse des Anwalts bezüglich<br />
Rechtsprechung – es zählt einzig die Veröffentlichung in der<br />
Amtlichen Sammlung. SJZ/RSJ 2009/1, 12–14.<br />
Kägi-Diener Regula: Die Beziehung zur Klientschaft:<br />
Sind Anwältinnen anders als Anwälte? Anwaltsrevue/Revue de<br />
l’avocat 1/2009, 17–23.<br />
Literaturübersicht/Bibliographie<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
6.4. Zivilprozessrecht / Procédure civile<br />
Fischer Daniel: Sammelklagen: Auch in der Schweiz sinnvoll?<br />
pläd 6/2008, 48–55.<br />
Guy-Ecabert Christine: La médiation dans les lois fédérales<br />
de procédure civile, pénale et administrative: petite<br />
histoire d’un pari sur l’indépendance. <strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 47–56.<br />
Merz Barbara: Entwicklungen in Zivilprozessrecht und<br />
Schiedsgerichtsbarkeit. SJZ/RSJ 2009/2, 33–38.<br />
Rüedi Yves: Materiell rechtswidrig beschaffte Beweismittel<br />
im Zivilprozess. Diss. St. Gallen, 2009, 173 Seiten.<br />
Scyboz Pierre: Les parties et leurs représentants dans le<br />
Code de procédure civile suisse du 19 décembre 2008 – Bref<br />
aperçu. Anwaltsrevue/Revue de l’avocat 1/2009, 12–17.<br />
6.5. Strafprozessrecht / Procédure pénale<br />
S. 7.6.1. / V. 7.6.1.<br />
6.6. Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht /<br />
Exécution forcée et faillite<br />
de Coulon Yves: La préservation de l’entreprise du failli et<br />
sa vente d’urgence. BlSchK/BPPF 2008/6, 205–217.<br />
Emmel Simone / Stauffer Hans-Ulrich: Alle Forderungen<br />
im Konkurs des Arbeitgebers privilegiert. SPV/PPS 11/2008,<br />
94–95.<br />
6.7. Verwaltungsverfahrensrecht, Staats- und<br />
Verwaltungsrechtspfl ege / Procédure<br />
administrative, juridiction constitutionnelle<br />
et administrative<br />
Guy-Ecabert Christine: La médiation dans les lois fédérales<br />
de procédure civile, pénale et administrative: petite<br />
histoire d’un pari sur l’indépendance. <strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 47–56.<br />
7. Strafrecht / Droit pénal<br />
7.1. Strafrecht – Allgemein – Theoretische<br />
Grundlagen / Droit pénal – en général –<br />
éléments nécessaires théoretiques<br />
7.1.1. Strafrechtstheorie / Théorie du droit pénal<br />
Aebersold Peter: Straftäter-Studie: Naiv und wissenschaftlich<br />
ungenügend. pläd 5/2008, 30–31.<br />
Hilgendorf Eric: Strafrecht und Interkulturalität: Plädoyer<br />
für eine kulturelle Sensibilisierung der deutschen Strafrechtsdogmatik.<br />
JZ 3/2009, 139–144. (D)<br />
7.2. Strafrecht – Allgemeiner Teil – allgemein /<br />
Droit pénal – Partie générale – en général<br />
Ehrenzeller Bernhard / Guy-Ecabert Christine /<br />
Kuhn André (Hrsg.): Das revidierte Opferhilfegesetz. <strong>Dike</strong><br />
<strong>Verlag</strong>, Zürich 2009, 242 Seiten, CHF 58.–.<br />
Mankowski Peter / Bock Stefanie: Fremdrechtsanwendung<br />
im Strafrecht durch Zivilrechtsakzessorietät bei Sachverhalten<br />
mit Auslandbezug für Blanketttatbestände und Tatbestände<br />
mit normativem Tatbestandsmerkmal. ZStW 2008/4,<br />
704–758. (D)<br />
Sancinetti Marcelo A.: Hypothetische Kausalverläufe<br />
und die Differenztheorie. ZStW 2008/4, 661–7<strong>03</strong>. (D)<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 385 10.3.2009 9:12:37 Uhr<br />
385
386<br />
7.2.6. Strafen / Peines<br />
Heine Günter: Das neue Strafensystem im Spiegel der<br />
Rechtsprechung: blechen oder schwitzen statt sitzen – gegebenenfalls<br />
gemischt! recht 1/2009, 12–26.<br />
Zünd Andreas: Ein Wegweiser zu den neuen Sanktionen.<br />
pläd 6/2008, 36–47.<br />
7.3. Strafrecht – Besonderer Teil – allgemein /<br />
Droit pénal – Partie spéciale – en général<br />
7.3.3. Straftaten gegen Ehre, Geheim- und Privatbereich<br />
/ Infractions contre l’honneur et contre le<br />
domain secret ou le domaine privé<br />
Kett-Straub Gabriele: Hat Porsche eine Ehre? – Die<br />
passive Beleidigungsfähigkeit von Personengemeinschaften.<br />
ZStW 2008/4, 759–784. (D)<br />
7.3.18. Korruptionsstrafrecht /<br />
Droit pénal de corruption<br />
Peek Markus: Strafrecht als Mittel der Bekämpfung politischer<br />
Korruption: Zur Reform des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung<br />
(§180e StGB). ZStW 2008/4, 785–825. (D)<br />
7.4. Nebenstrafrecht des Bundes – allgemein /<br />
Peines accessoires de la confédération<br />
7.4.4. Steuerstrafrecht / Droit pénal fi scal<br />
Dubs Jürg: Verdeckte Gewinnausschüttungen, solidarische<br />
Mithaftung – Zündstoff im Steuerstrafrecht. <strong>AJP</strong>/PJA 1/2009,<br />
70–82.<br />
7.6. Strafprozessrecht und Gerichtsorganisation /<br />
Procédure pénale et organisation judiciaire<br />
7.6.1. Allgemeines Strafprozessrecht /<br />
Procédure pénale générale<br />
Guy-Ecabert Christine: La médiation dans les lois fédérales<br />
de procédure civile, pénale et administrative: petite<br />
histoire d’un pari sur l’indépendance. <strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 47–56.<br />
Knauer Florian: Pilotverfahren im Strafprozess. ZStW<br />
2008/4, 826–854. (D)<br />
Singelnstein Tobias: Strafprozessuale Verwendungsregelungen<br />
zwischen Zweckbindungsgrundsatz und Verwertungsverboten.<br />
ZStW 2008/4, 855–893. (D)<br />
7.8. Strafrecht international /<br />
Droit pénal international<br />
7.8.3. Völkerstrafrecht, internationaler Gerichtshof /<br />
Droit pénal international public, cour international<br />
de justice<br />
S. 8.13. / V. 8.13.<br />
8. Völkerrecht und Europarecht / Droit international<br />
public et droit européen<br />
8.1. Völkerrecht und Europarecht – allgemein /<br />
Droit international public et de droit<br />
européen – en général<br />
Addis Adeno: Imagining the International Community: The<br />
Constitutive Dimension of Universal Jurisdiction. HRQ 1/2009,<br />
129–162. (USA)<br />
Literaturübersicht/Bibliographie<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Gänswein Olivier: Der Einsatz privater Militär- und Sicherheitsunternehmen<br />
in Krisengebieten aus völkerrechtlicher<br />
Sicht. Jusletter, 2. Februar 2009.<br />
Hilpold Peter: WTO-Recht und EU-Recht – neuste Entwicklungen<br />
in einem komplexen Rechtsverhältnis. RIW<br />
12/2008, 817–823. (D)<br />
Kotzur Markus: Kooperativer Grundrechtsschutz in<br />
der Völkergemeinschaft / Zur Rechtsmittelentscheidung des<br />
EuGH (Grosse Kammer) in den verb. Rsn. Kadi u.a., EuGRZ<br />
2008/22-23, 673–679. (D)<br />
Niestedt Marian / Boeckmann Hanna: Verteidigungsrechte<br />
bei internen Untersuchungen des OLAF – das Urteil<br />
Franchet und Byk des Gerichts erster Instanz und die Reform<br />
der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999. EuZW 3/2009, 70–74.<br />
(D)<br />
Stadler Astrid: Grenzüberschreitender kollektiver Rechtsschutz<br />
in Europa. JZ 3/2009, 121–133. (D)<br />
Urlesberger Franz W.: Europarecht: Das Neueste auf einen<br />
Blick. wbl 11/2008, 527–531. (A)<br />
8.3. Völkerrechtsgeschichte /<br />
Histoire du droit international public<br />
Fletcher Laurel E. / Weinstein Harvey M. / Jamie<br />
Rowen: Context, Timing and the Dynamics of Transitional Justice:<br />
A Historical Perspective. HRQ 1/2009, 163–220. (USA)<br />
8.4. Verhältnis von Völkerrecht, Europarecht<br />
und Landesrecht / Rapports entre le droit<br />
international, le droit européen et le droit<br />
interne<br />
Calliess Christian: Europäische Gesetzgebung und nationale<br />
Grundrechte – Divergenzen in der aktuellen Rechtsprechung<br />
von EuGH und BVerfG? JZ 3/2009, 113–121. (D)<br />
8.11. Europäisches Wirtschaftsrecht /<br />
Droit économique européen<br />
8.11.1. Wirtschaftsrecht allgemein /<br />
Droit économique en général<br />
Cottier Thomas / Diebold Nicolas: Warenverkehr und<br />
Freizügigkeit in der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den<br />
Bilateralen Abkommen. Jusletter, 2. Februar 2009.<br />
Epiney Astrid: Ausländerklauseln im Amateursport. Jusletter,<br />
9. Februar 2009.<br />
Hilpold Peter: Unterhaltsstipendien für Unionsbürger –<br />
Die Rechtssache «Förster» und die Grenzen mitgliedstaatlicher<br />
Solidarität. EuZW 2/2009, 40–43. (D)<br />
Lemor Florian / Haake Kai: Ausgesuchte Rechtsfragen<br />
der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie. EuZW 3/2009,<br />
65–70. (D)<br />
8.11.2. Gesellschaftsrecht / Droit des sociétés<br />
Hadding Walther / Kiessling Erik: Die Europäische Privatgesellschaft<br />
(Societas Privata Europaea – SPE). WM 4/2009,<br />
145–157. (D)<br />
Mörsdorf Oliver: Beschränkung der Mobilität von EU-<br />
Gesellschaften im Binnenmarkt – eine Zwischenbilanz. EuZW<br />
4/2009, 97–102. (D)<br />
Nettesheim Martin: Unternehmensübernahmen durch<br />
Staatsfonds: Europarechtliche Vorgaben und Schranken. ZHR<br />
5-6/2008, 729–767.<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 386 10.3.2009 9:12:38 Uhr
Zimmer Heiko: Einmal SE, immer SE? Zum Bestandsschutz<br />
einer Societas Europaea bei fehlerhafter Gründung. wbl<br />
11/2008, 518–524. (A)<br />
8.11.5. Wettbewerbsrecht / Droit de la concurrence<br />
Roth Wulf-Henning: Aktuelle Probleme der europäischen<br />
Fusionskontrolle. ZHR 5-6/2008, 670–715. (D)<br />
Schwarze Jürgen: Rechtsstaatliche Defi zite des europäischen<br />
Kartellbussgeldverfahrens. WuW 1/2009, 6–11. (D)<br />
Stauber Peter: Neues zur Kontrolle von Zusammenschlüssen<br />
nach ihrem Vollzug. WuW 1/2009, 20–29. (D)<br />
8.11.6. Konsumentenrecht / Droit des consommateurs<br />
Gsell Beate / Schellhase Hans Martin: Vollharmonisiertes<br />
Verbraucherkreditrecht – Ein Vorbild für die weitere<br />
europäische Angleichung des Verbrauchervertragsrechts? JZ<br />
1/2009, 20–29. (D)<br />
8.11.7. Banken- und Börsenrecht /<br />
Droit bancaire et droit boursier<br />
Ackmann Bernd / Reder Lars: Geldwäscheprävention in<br />
Kreditinstituten nach Umsetzung der Dritten EG-Geldwäscherichtlinie<br />
– Teil I. WM 4/2009, 158–170. (D)<br />
Ackmann Bernd / Reder Lars: Geldwäscheprävention in<br />
Kreditinstituten nach Umsetzung der Dritten EG-Geldwäscherichtlinie<br />
– Teil II. WM 5/2009, 200–210. (D)<br />
8.11.8. Immaterialgüterrecht /<br />
Droit de la propriété immatérielle<br />
Mitterer Patrick: Strawberry Fields Forever? Zur geplanten<br />
Verlängerung der Schutzdauer für Tonträger auf 95 Jahre.<br />
wbl 11/2008, 509–517. (A)<br />
8.11.9. Arbeitsrecht / Droit du travail<br />
Junker Abbo: Europäisches Arbeitsrecht 2007/2008. RIW<br />
12/2008, 824–832. (D)<br />
8.12. Menschenrechte im Völkerrecht / Droits de<br />
l’Homme en droit international public<br />
Anaya Muñoz Alejandro: Transnational and Domestic<br />
Processes in the Defi nition of Human Rights Policies in Mexico.<br />
HRQ 1/2009, 35–58. (USA)<br />
Claude E. / Welch Jr.: Defi ning Contemporary Forms of Slavery:<br />
Updating a Venerable NGO. HRQ 1/2009, 70–128. (USA)<br />
Hummer Waldemar / Karl Wolfram: Regionaler Menschenrechtsschutz<br />
– Dokumente samt Einführungen. <strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong>,<br />
Zürich 2009, 1223 Seiten, CHF 284.–.<br />
Kirkup Alex / Evans Tony: The Myth of Western Opposition<br />
to Economic, Social, and Cultural Rights?: A Reply to<br />
Whelan and Donnelly. HRQ 1/2009, 221–237. (USA)<br />
L’Eplattenier-Burri Sabine: «Der Klimawandel wird die<br />
Menschenrechte verändern». pläd 5/2008, 14–15.<br />
Theidon Kimberly: Reconstructing Masculinities: The Disarmament,<br />
Demobilization, and Reintegration of Former Combatants<br />
in Colombia. HRQ 1/2009, 1–34. (USA)<br />
8.12.2. EMRK / CEDH<br />
Cremer Hans-Joachim: Freiheitsentzug und Zwangsbehandlung<br />
in einer Privatklinik, Rechtskraftdurchbrechung und<br />
(mittelbare) Drittwirkung der EMRK / Der Fall Waldtraud<br />
Storck vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.<br />
EuGRZ 2008/19-21, 562–581. (D)<br />
Literaturübersicht/Bibliographie<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Wittinger Michaela: «Europäisches Familienrecht»: Die<br />
familienrechtliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs<br />
für Menschenrechte in jüngerer Zeit – Altbekanntes und<br />
Neues. FamPra.ch 1/2009, 84–111.<br />
8.12.3. UN-Menschenrechtspakte / Pactes ONU<br />
Zehnder Regula: Verstösse gegen das Uno-Recht sind<br />
klagbar. pläd 6/2008, 30–32.<br />
8.13. Internationales Strafrecht /<br />
Droit pénal international<br />
Fiss Owen: Within Reach of the State: Prosecuting Atrocities<br />
in Africa. HRQ 1/2009, 59–69. (USA)<br />
8.13.3. Internationale Aspekte des Terrorismus. Piraterie.<br />
Luftpiraterie / Aspects internationales du<br />
terrorisme<br />
Vagts Detlev F.: Military Commissions: Constitutional limits<br />
on their role in the war on terror. AJIL 2008/3, 573–586.<br />
8.15. Handel und Entwicklung. Finanzbeziehungen<br />
/ Commerce et développement.<br />
Relations fi nancières<br />
Luttermann Claus: «Fair Value»: Mythos, Methoden und<br />
Mass international. RIW 1-2/2009, 1–10. (D)<br />
Mavroidis Petros C.: No outsourcing of law? WTO law as<br />
practiced by WTO courts. AJIL 2008/3, 421–471.<br />
Ratner Steven R.: Regulatory takings in institutional context:<br />
Beyond the fear of fragmented international law. AJIL<br />
2008/3, 475–528.<br />
8.18. Internat. Arbeitsrecht /<br />
Droit du travail international<br />
Chichilnisky Graciela / Hermann Frederiksen Elisabeth:<br />
An equilibrium analysis of the gender wage gap. ILR<br />
4/2008, 297–320.<br />
Kucera David / Roncolato Leanne: Informal employment:<br />
Two contested policy issues. ILR 4/2008, 321–348.<br />
Mesa-Lago Carmelo: Social protection in Chile: Reforms<br />
to improve equity. ILR 4/2008, 377–402.<br />
Weil David: A strategic approach to labour inspection. ILR<br />
4/2008, 349–375.<br />
11. Rechtsphilosophie. Rechtstheorie. Rechtssoziologie<br />
/ Philosophie du droit. Théorie<br />
générale du droit. Sociologie du droit<br />
Büchler Andrea (Hrsg.): Marie Theres Fögen – Opuscula.<br />
<strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong>, Zürich 2009, 131 Seiten, CHF 35.–.<br />
Hofmann Hasso: «In Europa kann’s keine Salomos geben.»<br />
– Zur Geschichte des Begriffspaars Recht und Kultur. JZ<br />
1/2009, 1–10. (D)<br />
Moor Pierre: Einige Gedanken über Recht und Gerechtigkeit.<br />
BJM 2008/6, 306–312.<br />
Wielsch Dan: Die epistemische Analyse des Rechts: Von<br />
der ökonomischen zur ökologischen Rationalität in der Rechtswissenschaft.<br />
JZ 2/2009, 67–77. (D)<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 387 10.3.2009 9:12:38 Uhr<br />
387
388<br />
Mitteilungen/Communications<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Mitteilungen<br />
Communications<br />
Veranstaltungskalender / Calendrier des manifestations<br />
(ohne Gewähr)<br />
Sommerkurs Mediation in Konstanz am Bodensee<br />
Grundausbildung kompakt in 2 Kurswochen<br />
Datum: 17. – 23. August und 21. – 27. September 2009<br />
Aufbaukurse Familien- und Wirtschaftsmediation<br />
ab Oktober 2009<br />
Leitung: Dr. ELKE MÜLLER, Dr. HANSJÖRG SCHWARTZ,<br />
TILMAN METZGER u.a.<br />
Infos zu diesen Kursen:<br />
KONSTANZER SCHULE FÜR MEDIATION<br />
Anerkanntes Ausbildungsinstitut durch BAFM,<br />
BM, (D), SDM-FSM, SAV (CH)<br />
Marktstätte 15, D-78462 Konstanz<br />
Tel: +49(0)7531/819430<br />
info@ksfm.de, www.ksfm.de<br />
Iris Wigger, Dr. iur., LL.M. (Maritime Law)<br />
Global Ocean Management<br />
in Partnership<br />
2009. 238 Seiten, broschiert, CHF 58.– (ISBN 978-3-<strong>03</strong>751-111-4)<br />
CAS Finanz- und Rechnungswesen für Juristen<br />
Certifi cate of Advanced Studies (Nachdiplomkurs)<br />
Nächster Studienstart: 4. Mai 2009<br />
Leitung: Prof. Dr. LINARD NADIG / Prof. Dr. DOMINIK C. ERNY<br />
Weitere Informationen unter www.hslu.ch/ifz-weiterbildung<br />
The oceans play a central role in regulating climate, being part of the food supply<br />
chain, and providing routes for navigation and transport of cargo and passengers.<br />
Shipping is the basic method for transporting goods and cargo. Vir tually every<br />
product ever made, bought, or sold has been affected by shipping.<br />
The International Maritime Organization (IMO) is the UN system’s regulatory<br />
agency for the maritime sector and its global mandate is safer shipping and<br />
cleaner oceans. The common goal is to eradicate substandard shipping. The IMO<br />
initiated and developed the Voluntary IMO Member State Audit Scheme. For the<br />
fi rst time ever, maritime administrations will be (voluntarily) subject to external<br />
audit of how effectively they implement and enforce IMO safety and pollution prevention regulations. The results<br />
of the audits should allow resources from IMO’s Technical Cooperation Programme to be better targeted<br />
at maritime administrations. States, acting in their functions as fl ag, port or coastal states, are given the guidelines<br />
to better fulfi l their duties and responsibilities under international maritime law in general.<br />
Capacity-building and education are needed to enable states and other various stakeholders to tackle the<br />
problems threatening the oceans. Based on these facts and to provide assistance to states in order to fulfi l the<br />
corrective actions required after the carrying out of the IMO Audit, the Global Ocean Management in Partnership<br />
was developed. Innovative technologies and an exchange of knowledge can provide a basis for sound<br />
policymaking towards a global ocean management.<br />
The problems of ocean spaces are closely interrelated and must be considered as a whole. Understanding<br />
the oceanic processes, the legal framework as well as the vulnerability of the marine environment is critical to<br />
our survival.<br />
<strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong> <strong>AG</strong><br />
Weinbergstrasse 41, 8006 Zürich, Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29, www.dike.ch<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 388 10.3.2009 9:12:38 Uhr
Dr. iur. Miguel Enriquez, LL. M. (Harvard), Rechtsanwalt<br />
Die gewillkürte Freistellung des<br />
Arbeit nehmers von seiner Arbeitspfl icht<br />
bis zum Ablauf der Kündigungsfrist –<br />
Rechtsdogmatische Grundlagen<br />
Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Gestaltungsrecht<br />
2008. XL, 270 Seiten, gebunden, CHF 89.–<br />
(ISBN 978-3-<strong>03</strong>751-131-2)<br />
In der betrieblichen Praxis kommt es immer wieder zu Freistellungen<br />
von Arbeitnehmern von ihrer Arbeitspfl icht bis zum Ablauf der<br />
Kündigungsfrist. Trotz der Häufi gkeit solcher Freistellungen werfen<br />
diese oft Fragen auf, die noch nicht oder kaum geklärt sind.<br />
Die vorliegende Zürcher Dissertation beantwortet viele dieser<br />
Fragen umfassend, insbesondere unter Berücksichtigung sämtlicher<br />
dazu bestehender Rechtsprechung und Literatur. Da unklare<br />
Rechtslagen gerade im gekündigten Arbeitsverhältnis nicht selten<br />
zu Prozessen führen, leistet diese Arbeit mit ihren klaren und fundierten<br />
Antworten einen Beitrag zur Verminderung von Prozessen.<br />
Zu den behandelten Fragen gehören u. a.:<br />
– Wann ist von einer Freistellung, wann von einer Beurlaubung<br />
und wann von einer Suspendierung zu reden?<br />
– Unter welchen Voraussetzungen ist eine Freistellung überhaupt<br />
gültig?<br />
– Wie kann ein Arbeitnehmer auf eine unzulässige Freistellung reagieren?<br />
– Muss ein Freigestellter die Arbeitsleistung von sich aus wieder anbieten?<br />
– Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nach einer Freistellung gegen dessen Willen zur Arbeit<br />
aufbieten?<br />
– Lässt sich aus einer direkten Anwendung der arbeitsrechtlichen Annahmeverzugsbestimmung ableiten,<br />
dass sich ein Freigestellter den während der Freistellung anderweitig verdienten Lohn anrechnen<br />
lassen muss?<br />
– Besteht das Konkurrenzverbot des Arbeitnehmers auch nach einer Freistellung?<br />
– Inwieweit kann ein Arbeitgeber eine Freistellung mit einer Lohnkürzung verbinden?<br />
Im Rahmen von Exkursen klärt diese Arbeit darüber hinaus folgende kündigungsrechtliche Streitfragen,<br />
die an die Problematik der Freistellung bloss angrenzen, aber ebenfalls von grosser praktischer<br />
Bedeutung sind:<br />
– Kann ein Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, aber deren Wirkung an die Bedingung knüpfen,<br />
dass sich der Arbeitnehmer nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist mit einer Lohnkürzung für die Zeit<br />
nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist einverstanden erklärt?<br />
– Berechtigt der blosse Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen Verfehlung des Arbeitnehmers<br />
unter gewissen Umständen zu einer fristlosen Entlassung?<br />
– Kann sich der Kündigende im Prozess, in dem die Rechtsfolgen der Kündigung beurteilt werden,<br />
auf Tatsachen berufen, die er vorher noch nicht geltend gemacht hat (z. B. weil er diese erst nach<br />
der Kündigungserklärung entdeckt hat)?<br />
– Inwiefern kann im Falle einer missbräuchlichen Kündigung neben einem Entschädigungsanspruch<br />
auch noch ein Schadenersatz- und/oder Genugtuungsanspruch bestehen?<br />
<strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong> <strong>AG</strong><br />
Weinbergstrasse 41, 8006 Zürich, Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29, www.dike.ch<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 389 10.3.2009 9:12:39 Uhr
Dr. iur. Marco Spadin<br />
Nahestehende Personen nach den Internationalen<br />
Rechnungslegungsstandards IFRS (IAS 24)<br />
2008. LVI, 256 Seiten, broschiert, CHF 76.– (ISBN 978-3-<strong>03</strong>751-133-6)<br />
(Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Band 276)<br />
Die Bedeutung der Internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS steigt weltweit und<br />
besonders auch in der Schweiz stetig. Der angelsächsischen Konzeption der Rechnungslegung<br />
entsprechend, verlangen die IFRS eine fair presentation und damit die Offenlegung<br />
aller für die Investoren relevanten Informationen. Dazu gehört zentral die vom International<br />
Accounting Standard (IAS) 24 gebotene Offenlegung der nahestehenden Personen (related<br />
parties).<br />
Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die Untersuchung darüber, welche – natürlichen oder juristischen<br />
– Personen im Sinne von IAS 24 auf die rechnungslegende Gesellschaft Einfl uss nehmen können oder aber<br />
dem Einfl uss dieser Gesellschaft unterliegen und deshalb als ihr nahestehend zu qualifi zieren sind. Besondere<br />
Beachtung wird dabei der Anwendung von IAS 24 im Rahmen der schweizerischen Rechtsordnung geschenkt.<br />
Dr. iur. Thomas S. Müller<br />
Die Passing-on Defense im schweizerischen<br />
Kartellzivilrecht<br />
Unter besonderer Berücksichtigung des amerikanischen, europäischen<br />
und deutschen Rechts<br />
2008. XLII, 337 Seiten, broschiert, CHF 82.– (ISBN 978-3-<strong>03</strong>751-135-0)<br />
(Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Band 277)<br />
Zivilrechtliche Schadenersatzklagen gegen Kartellrechtsverletzer haben insbesondere in der<br />
europäischen Gemeinschaft in jüngster Zeit vermehrt Beachtung gefunden. Eines der Grundprobleme<br />
solcher Schadenersatzansprüche ist die Behandlung der Passing-on Defense. Die<br />
Passing-on Defense behandelt die Frage, ob der Kartellrechtsverletzer im Zivilprozess gegen eine kartellrechtliche<br />
Schadenersatzklage eines Teilnehmers der Marktgegenseite vorbringen kann, dieser habe den geltend gemachten<br />
Schaden mittels eigener Preiserhöhung auf die untere Marktstufe abgewälzt. Infolge dieser Schadensabwälzung<br />
stehe dem klagenden Teilnehmer der Marktgegenseite kein Schadenersatzanspruch zu. Umgekehrt kann das<br />
Argument der Schadensabwälzung einem Teilnehmer einer tieferen Marktstufe als Grundlage einer Klage gegen<br />
den Kartellrechtsverletzer dienen.<br />
Die vorliegende Berner Dissertation nimmt sich der Frage der Passing-on Defense an, untersucht vor dem<br />
Zweck kartellrechtlicher Schadenersatzklagen, ob die Passing-on Defense im schweizerischen Kartellzivilrecht zugelassen<br />
werden soll und wie sie auszugestalten ist. Besondere Berücksichtigung wird dabei den entsprechenden<br />
Regelungen des amerikanischen, europäischen und deutschen Kartellrechts geschenkt.<br />
Dr. iur. Oliver Hablützel<br />
Solidarität in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit<br />
2009. XLI, 301 Seiten, broschiert, CHF 73.– (ISBN 978-3-<strong>03</strong>751-148-0)<br />
(Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Band 278)<br />
Die grundsätzlich unbeschränkte solidarische Haftung von Leitungsorganen und Revisionsstellen<br />
in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit wird seit Jahrzehnten in der schweizerischen<br />
Lehre und Praxis heftig und kontrovers diskutiert. Dies gilt insbesondere für die<br />
Einbindung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als aktienrechtliche Revisionsstellen in<br />
die Solidaritätsordnung. Entsprechend war und ist die Revision der verantwortlichkeitsrechtlichen<br />
Solidaritätsbestimmungen immer wieder Gegenstand gesetzgeberischer Bemühungen.<br />
Um das erhebliche Haftungsrisiko, welches sich bei einer Mehrzahl von verantwortlichen Personen<br />
für jeden einzelnen aus der Solidarhaftung ergeben kann, zu reduzieren, wurde mit der letzten grossen<br />
Aktienrechtsrevision die so genannte differenzierte Solidarität eingeführt: Diese erlaubt es den verantwortlichen<br />
Organen, sich bereits im Aussenverhältnis auf persönliche Schadenersatzreduktionsfaktoren zu berufen, insbesondere<br />
das eigene (geringe) Verschulden.<br />
Im Mittelpunkt der vorliegenden St. Galler Dissertation steht die umfassende Untersuchung der geltenden<br />
differenzierten Solidarität und ihrer Bedeutung bzw. ihrer Bedeutungslosigkeit für die verantwortlichkeitsrechtliche<br />
Praxis. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Untersuchung werden, als Diskussionsbeitrag zur momentan<br />
laufenden grossen Aktienrechtsrevision und unter Berücksichtigung von internationalen Entwicklungen, Lösungsvorschläge<br />
für eine sachgerechte alternative Ausgestaltung der Solidaritätsordnung in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit<br />
präsentiert und kritisch gewürdigt. Besondere Berücksichtigung wird auch den für den Praktiker<br />
relevanten Fragen der prozessualen Durchsetzung von Verantwortlichkeitsansprüchen gegen eine Mehrzahl von<br />
Verantwortlichen und der Regelung des Rückgriffs zwischen den Verantwortlichen im Innenverhältnis geschenkt.<br />
<strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong> <strong>AG</strong><br />
Weinbergstrasse 41, 8006 Zürich, Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29, www.dike.ch<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 390 10.3.2009 9:12:39 Uhr
Schriftleitung / Direction<br />
Prof. Dr. iur. IVO SCHWANDER<br />
Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen, Tel. 071 224 22 42,<br />
Fax 071 224 28 70, E-Mail: ivo.schwander@unisg.ch<br />
Verfassungs- und Verwaltungsrecht / Droit constitutionnel et<br />
administratif<br />
Prof. ANDREAS AUER, docteur en droit, LL.M. (Université de Genève)<br />
• RA Prof. Dr. iur. REGULA KÄGI-DIENER (St. Gallen) • Prof. Dr. rer. publ.<br />
ANDREAS KLEY (Universität Bern) • Prof. Dr. iur. PAUL RICHLI (Universität<br />
Luzern) • Prof. Dr. iur. PIERRE TSCHANNEN (Universität Bern) • Prof.<br />
Dr. iur. ROBERT WALDBURGER (Universität St. Gallen)<br />
lic. iur. RAINER BENZ (St. Gallen) • Dr. iur. DENISE BUSER (Basel)<br />
• RA Dr. iur. JÜRG DUBS (Zürich/Winterthur) • Prof. Dr. iur. JEAN-LOUIS<br />
DUC (Université de Lausanne) • Prof. Dr. rer. publ. YVO HANGARTNER<br />
(Universität St. Gallen) • Prof. MICHEL HOTTELIER, docteur en droit<br />
(Université de Genève) • RA PD Dr. iur. UELI KIESER (Zürich) • Fürsprecher<br />
lic. iur. BRUNO KNÜSEL (Steuerverwaltung des Kantons Bern)<br />
• Fürsprecher Dr. iur. CHRISTOPH LANZ, LL.M. (Parlamentsdienste<br />
Bern) • XAVIER OBERSON, docteur en droit, avocat (Genève) • Prof.<br />
Dr. iur. RAINER J. SCHWEIZER (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. oec. et<br />
lic. iur. KLAUS VALLENDER (Universität St. Gallen)<br />
Privatrecht / Droit privé<br />
Prof. Dr. iur. THOMAS GEISER (Universität St. Gallen) • Prof. OLI -<br />
VIER GUILLOT, docteur en droit (Neuchâtel) • Prof. Dr. iur. HEINRICH<br />
HONSELL (Zürich) • Prof. Dr. iur. THOMAS KOLLER (Uni versität Bern)<br />
• Prof. Dr. iur. INGEBORG SCHWENZER, LL.M. (Universität Basel) • Prof.<br />
URSULA NORDMANN-ZIMMERMANN, docteur en droit, lic. oec. HSG,<br />
juge fédéral (Lausanne) • Prof. FRANZ WERRO, docteur en droit, LL.M.<br />
(Université de Fribourg)<br />
RA Dr. iur. Dr. rer. soc. oec. PETER BORER (Zürich) • Prof. Dr. PETER<br />
BREITSCHMID (Universität Zürich) • Dr. iur. CHRISTIAN CALAMO<br />
(St. Gallen) • Prof. Dr. iur. JEAN NICOLAS DRUEY, LL.M. (Universität<br />
St. Gallen) • Prof. Dr. iur. WALTER FELLMANN, Rechtsanwalt und Notar<br />
(Luzern) • Dr. iur. WILLI FISCHER (Schleitheim) • PD Dr. iur. PETER HIGI<br />
(Zürich) • FABIENNE HOHL, juge fédérale (Lausanne) • Prof. Dr. iur.<br />
ALFRED KOLLER (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. ERNST A. KRAMER<br />
(Universität Basel) • RA Prof. Dr. oec. HANS RAINER KÜNZLE (Zürich)<br />
• GÉRALD MOUQUIN, docteur en droit, avocat (Lausanne) • Dr. iur.<br />
EVA PETRIG SCHULER (Einsiedeln) • Prof. PAUL-HENRI STEI NAUER, docteur<br />
en droit (Université de Fribourg) • Dr. iur. RUTH REUSSER (EJPD Bern)<br />
• Dr. iur. GIACOMO RONCORONI (EJPD Bern) • Dr. iur. FELIX SCHÖBI<br />
(EJPD Bern) • Prof. Dr. iur. THOMAS SUTTER-SOMM (Universitäten<br />
Basel/Luzern) • Prof. Dr. iur. PIERRE WIDMER (Institut suisse de droit<br />
comparé Lausanne/Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. RAINER<br />
WÖRLEN (Fachhochschule Schmalkalden)<br />
<strong>AJP</strong> Aktuelle Juristische Praxis<br />
PJA Pratique Juridique Actuelle<br />
Publikationsorgan der Schweizerischen Richtervereinigung<br />
Organe offi ciel pour les publications de<br />
l'Association suisse des Magistrats de l'Ordre judiciaire<br />
Achtzehnter Jahrgang / Dix-huitième année<br />
Impressum<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Wirtschaftsrecht / Droit économique<br />
RA Dr. iur. MARTINA ALTENPOHL (Zürich) • RA Dr. iur. ROLAND<br />
BÜHLER (Zürich) • Prof. JEAN-MARC RAPP, docteur en droit (Université<br />
de Lausanne) • Prof. Dr. iur. BERND STAUDER (Université de Genève)<br />
• RA lic. iur. HSG ERIC STUPP (Zürich) • Prof. Dr. iur. ROLF WATTER,<br />
LL.M., Rechtsanwalt (Zürich)<br />
RA Prof. Dr. iur. MARC AMSTUTZ (Universität Fribourg) • Prof. GAB RIEL<br />
AUBERT, docteur en droit, LL.M. (Université de Genève) • Fürsprecher<br />
PHILIPPE BAECHTOLD (WIPO Genf) • Dr. iur. ALEXANDER BRUNNER<br />
(Obergericht Zürich) • RA Dr. iur. LUCAS DAVID (Zürich) • RA Dr. iur.<br />
WILFRIED HEINZELMANN (Zürich) • PD Dr. oec. publ. Dr. iur. MARKUS<br />
RUFFNER (Zürich) • RA lic. iur. H.E.E. REGULA WALTER (Genève) • Prof.<br />
Dr. iur. ROGER ZÄCH (Universität Zürich)<br />
Internationales Privat- und Verfahrensrecht, Rechtsvergleichung,<br />
Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht / Droit international<br />
privé et droit international de procédure civile, Droit comparé,<br />
Organisation judiciaire et procédure<br />
Prof. Dr. iur. ANDREAS FURRER (Rechtsanwalt in Zürich, Professor in<br />
Luzern) • Prof. Dr. iur. JOLANTA KREN KOSTKIEWICZ (Universität Bern)<br />
• Prof. Dr. iur. IVO SCHWANDER (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur.<br />
GERHARD WALTER (Universität Bern)<br />
PAUL ANGST (a. Stadtammann Winterthur) • Fürsprecher Dr. iur.<br />
JÜRGEN BRÖNNIMANN (Bern) • YVES DONZALLAZ, Dr. iur., Dr. h.c., avocat<br />
et notaire, Sion • RA HANS ULRICH HARDMEIER (Zürich) • Prof.<br />
Dr. iur. FRANZ KELLERHALS, Fürsprecher (Universität Bern) • Prof.<br />
Dr. iur. CHRISTOPH LEUENBERGER, Fürsprecher, LL.M. (Kantonsgericht<br />
St. Gallen) • RA PD Dr. iur. FRANCO LORANDI (Zürich) • RA lic.<br />
iur. HSG FLURIN P. VON PLANTA (Lausanne/Zürich) • RA lic. iur. HSG<br />
DOMINIQUE VON PLANTA (Lau sanne/Zürich) • Prof. Dr. iur. KARL SPÜHLER<br />
(Winterthur) • Prof. Dr. DANIEL STAEHELIN, Advokat und Notar (Basel)<br />
Strafrecht / Droit pénal<br />
URSULA CASSANI, professeur, docteur en droit, avocate (Genève) • Prof.<br />
Dr. iur. LUKAS GSCHWEND (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. MARCEL<br />
NIGGLI (Universität Fribourg) • Dr. iur. NIKLAUS OBER HOLZER, Kantonsrichter<br />
(St. Gallen) • Prof. Dr. iur. HANS VEST (Universität Bern)<br />
Prof. Dr. iur. MARC FORSTER (Lausanne/Universität St. Gallen) • Fürsprecher<br />
Dr. iur. PETER MÜLLER (EJPD Bern) • Prof. Dr. iur. CHRISTIAN<br />
SCHWARZENEGGER (Universität Zürich)<br />
Allgemeine Fragen des Völkerrechts und Europarechts /<br />
Questions générales de droit international public et de droit<br />
européen<br />
Prof. Dr. iur. THOMAS COTTIER, LL.M. (Universität Bern/Université de<br />
Neuchâtel) • FRANK EMMERT, LL.M. (Europa-Institut Basel) • Prof.<br />
Dr. iur. ASTRID EPINEY (Universität Fribourg)<br />
Prof. Dr. iur. CHRISTINE BREINING-KAUFMANN (Universität Zürich) • EDGAR<br />
DÖRIG, dipl. en droit européen (DFJP Berne) • DANIEL FEL DER, avocat<br />
LL.M. (Bureau de l'intégration DFAE/DFEP, Berne) • FABRICE FILLIEZ, lic.<br />
sp. en droit européen (DFJP Berne) • Prof. Dr. rer. pol. DIETER FREI-<br />
BURGHAUS (IDHEAP, Université de Lausanne) • Prof. CHRISTINE KADDOUS,<br />
LL.M., lic. sp. en droit européen (Université de Genève) • MARIE-<br />
CLAUDE MEYLAN, dipl. en droit européen (DFPJ Berne) • Prof. Dr. KER-<br />
STIN ODENDAHL (Universität St. Gallen) • Fürsprecherin ERIKA SCHLÄPPI<br />
(Universität Bern) • Dr. iur. FRANK SCHÜRMANN (EJPD Bern) • RA lic. iur.<br />
MANFRED W<strong>AG</strong>NER (Universität Bern) • Dr. iur. LUZIUS WASESCHA, Minister<br />
(EVD Bern)<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 391 10.3.2009 9:12:40 Uhr<br />
391
392<br />
An dieser Nummer haben mitgewirkt:<br />
Ont collaboré à ce numéro:<br />
MLaw Dominika Blonski, LL.M., Assistentin<br />
Universität Bern, Institut für öffentliches Recht<br />
Schanzeneckstrasse 1, Postfach 8573, 3001 Bern<br />
Lic. iur. Margherita Bortolani-Slongo, Rechtsanwältin<br />
und Mediatorin<br />
Langner Stieger Trachsel & Partner<br />
Heuelstrasse 21, 8<strong>03</strong>2 Zürich<br />
Lic. iur. Andrea Dorjee-Good, Rechtsanwältin<br />
Schellenberg Wittmer<br />
Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich<br />
Lic. iur. Marnie Engewald-Dannacher, wissenschaftliche<br />
Assistentin<br />
Universität Basel, Juristische Fakultät<br />
Peter Merian-Weg 8, 4002 Basel<br />
MLaw Michael Erismann<br />
Steinstrasse 58, 80<strong>03</strong> Zürich<br />
Dr. iur. Urs Feller, Rechtsanwalt<br />
Prager Dreifuss, Attorneys at Law<br />
Mühlebachstrasse 6, 8008 Zürich<br />
Dr. iur. Daniel Füllemann, Assistent<br />
Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen<br />
Lic. iur. Sandrine Giroud-Roth, avocate<br />
Av. de La Harpe 17A, 1007 Lausanne<br />
Rebekka Keller, B.A. HSG, Assistentin<br />
Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen<br />
Prof. Dr. iur. Alfred Koller<br />
Universität St. Gallen<br />
Bodanstr. 4, 9000 St. Gallen<br />
LT LAWTANK<br />
Juristische Dienstleistungen − Legal Services −<br />
Services juridiques − Servizi giuridici<br />
Rue de Romont 18, PO BOX 906, 1701 Fribourg<br />
(Übersetzungen)<br />
Dr. iur. Manuel Liatowitsch, Rechtsanwalt<br />
Schellenberg Wittmer<br />
Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich<br />
Prof. Dr. iur. Franco Lorandi, LL.M., Rechtsanwalt<br />
Lehr beauftragter an der Universität St. Gallen<br />
Holenstein Rechtsanwälte<br />
Utoquai 29/31, 8008 Zürich<br />
Lic. iur. Andrea Mondini, LL.M., Rechtsanwalt<br />
Schellenberg Wittmer<br />
Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich<br />
Antoine Roggo/Daniel Staffelbach<br />
<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />
Prof. Dr. iur. Laurent Moreillon, avocat<br />
Doyen de la Faculté de droit de l’Université de Lausanne<br />
Université de Lausanne<br />
Institut de criminologie et de droit pénal<br />
Internef, 1015 Lausanne<br />
Prof. Dr. iur. Roland Müller, Rechtsanwalt<br />
Müller Eckstein Rechtsanwälte<br />
Hauptstrasse 17, 9422 Staad<br />
M.A. HSG Stefan Rieder<br />
Kesselhaldenstrasse 74, 9016 St. Gallen<br />
Prof. Dr. iur. Christof Riedo<br />
Universität Freiburg<br />
Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht<br />
Beauregard 11, 1700 Freiburg<br />
Lic. iur. Sonja Stark-Traber, Rechtsanwältin<br />
Schellenberg Wittmer<br />
Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich<br />
Dr. iur. Daniel Trachsel, Rechtsanwalt und Mediator<br />
Langner Stieger Trachsel & Partner<br />
Heuelstrasse 21, 8<strong>03</strong>2 Zürich<br />
PD Dr. iur. Nathalie Voser, LL.M.<br />
Rechtsanwältin, Lehrbeauftragte an der Universität Basel<br />
Schellenberg Wittmer<br />
Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich<br />
MLaw Matthias Zurbrügg, Wissenschaftlicher Assistent<br />
an der Universität Fribourg<br />
Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht<br />
Beauregard 11, 1700 Freiburg<br />
Vorschau <strong>AJP</strong> 4/2009<br />
Aperçu PJA 4/2009<br />
Tom Frischknecht:<br />
Zur Strafbarkeit des Gebrauchs eines fremden WLANs<br />
zwecks Internetzugang<br />
Omar Abo Youssef:<br />
Die Stellung des Opfers im Völkerstrafrecht<br />
Kaveh Mir Fakhraei:<br />
L’ATF 134 III 497 et l’indemnité de clientèle du<br />
distributeur exclusif<br />
und wie immer / et comme toujours<br />
– Chronik der Rechtsetzung / Législation<br />
– Rechtsprechungsübersicht / Répertoire de la<br />
jurisprudence<br />
– Entscheidungen und Entscheidbesprechungen /<br />
Jurisprudence<br />
– Literaturübersicht / Bibliographie<br />
– Buchbesprechungen / Recensions<br />
<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 392 10.3.2009 9:12:41 Uhr