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AJP 03_2009.indb - Dike Verlag AG

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Inhaltsverzeichnis/Sommaire<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Aufsätze / Articles Seite / page<br />

Nathalie Voser / Sonja Stark-Traber / Andrea Dorjee-Good:<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen 251<br />

Roland Müller / Stefan Rieder:<br />

Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber 267<br />

Sandrine Giroud-Roth/ Laurent Moreillon:<br />

Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants:<br />

les cas Duvalier et Mobutu 275<br />

Marnie Engewald-Dannacher:<br />

Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen? 288<br />

Andrea Mondini / Manuel Liatowitsch:<br />

Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort<br />

Schweiz 294<br />

Daniel Trachsel / Margherita Bortolani-Slongo:<br />

«Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat»: Taugliches Instrument familienrechtlichen<br />

Risikomanagements? 301<br />

Urs Feller:<br />

Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld 323<br />

Franco Lorandi / Michael Erismann:<br />

Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG) 331<br />

Chronik der Rechtsetzung / Législation<br />

Daniel Füllemann, St. Gallen 346<br />

Rechtsprechungsübersicht / Répertoire de jurisprudence<br />

Rebekka Keller, St. Gallen 353<br />

Entscheidungen / Jurisprudence<br />

(1) Mit Bemerkungen von Dominika Blonski:<br />

Die unbeschränkte Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profi len und Fingerabdrücken<br />

von einst verdächtigten jedoch nicht verurteilten Personen ist mit<br />

Art. 8 EMRK nicht vereinbar.<br />

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Grosse Kammer, 4. Dezember 2008,<br />

S. und Marper gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 30562/04 und 30566/04. 363<br />

(2) Mit Bemerkungen von Alfred Koller:<br />

Art. 965 ZGB, Art. 24 Abs. 1 bis lit. a GBV, Art. 164 Abs. 1 und 2 OR. Die Vereinbarung,<br />

wonach die Übertragung eines selbständigen und dauernden Baurechts der<br />

Genehmigung durch die Grundeigentümerin bedarf, hat keine dinglich wirkende<br />

Verfügungsbeschränkung zur Folge. Wird das Baurecht veräussert, hat demnach der<br />

Grundbuchverwalter nicht zu prüfen, ob der dienstbarkeitsbelastete Grundeigentümer<br />

seine Zustimmung zur Veräusserung erteilt hat.<br />

Bundesgericht, II. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 5A_614/ 2008 vom<br />

26. November 2008 i.S. Burgergemeinde Bern gegen Justiz-, Gemeinde- und<br />

Kirchendirektion des Kantons Bern, Beschwerde in Zivilsachen (BGE 134 III …). 369<br />

(3) Mit Bemerkungen von Alfred Koller:<br />

Vorzeitige Kündigung des Mietverhältnisses (Art. 257 f. Abs. 3 OR); Untervermietung<br />

ohne Zustimmung des Vermieters (Art. 262 OR). Der Mieter, der das<br />

Mietobjekt untervermietet, ohne die Zustimmung des Vermieters einzuholen,<br />

riskiert eine vorzeitige Aufl ösung des Mietverhältnisses, wenn er auf eine schriftliche<br />

Abmahnung des Vermieters nicht reagiert und dieser sich aus einem der in Art. 262<br />

Abs. 2 OR genannten Gründe der Untervermietung hätte widersetzen können.<br />

Bundesgericht, I. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 4A_516/ 2007 vom 6. März 2008<br />

(BGE 134 III 300 = Pra 2008 Nr. 130). 371<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 249 10.3.2009 9:11:52 Uhr


Schriftleitung / Direction:<br />

Prof. Dr. Ivo Schwander, Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen<br />

Tel. 071 224 22 42, Fax 071 224 28 70,<br />

E-Mail: ivo.schwander@unisg.ch<br />

<strong>Verlag</strong> und Abonnementverwaltung /<br />

Edition et administration:<br />

<strong>Dike</strong> Zeitschriften <strong>AG</strong>, Zürich/St. Gallen<br />

Postadresse: Weinbergstr. 41, 8006 Zürich<br />

Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29<br />

E-Mail: auslieferung@dike.ch, Internet: http://www.dike.ch<br />

Inseratenverwaltung / Annonces:<br />

<strong>Dike</strong> Zeitschriften <strong>AG</strong>, Zürich/St. Gallen<br />

Postadresse: Weinbergstr. 41, 8006 Zürich<br />

Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29<br />

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Erscheint monatlich / Paraît chaque mois<br />

Abonnementspreis:<br />

Fr. 352.–/Jahr, inkl. Mehrwertsteuer;<br />

– für Studierende (bitte Kopie der Legitimationskarte<br />

beilegen) Fr. 228.–/Jahr, inkl. Mehrwertsteuer.<br />

– Preis für Einzelnummer Fr. 39.–<br />

(Sondernummer Fr. 55.–), inkl. Mehrwertsteuer.<br />

– Für Abonnemente ins Ausland erfolgt zusätzliche<br />

Rechnungstellung für die effektiven Portikosten.<br />

– Bestellungen sind ausschliesslich direkt an den <strong>Verlag</strong><br />

(Abonnementverwaltung) zu richten.<br />

– Die Bezugsgebühren von Zeitschriften des <strong>Verlag</strong>es<br />

werden zu Beginn eines jeden Jahres in voller Höhe<br />

für das laufende Kalenderjahr berechnet.<br />

Inhaltsverzeichnis/Sommaire<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

(4) Mit Bemerkungen von Christof Riedo / Matthias Zurbrügg:<br />

Der Jetlag dauert an oder Neue Unwägbarkeiten im Recht der strafrechtlichen<br />

Verjährung.<br />

Bundesgericht, Urteil der Strafrechtlichen Abteilung vom 16. Oktober 2008,<br />

6B_686/2008 (BGE 134 IV 328). 372<br />

Literaturübersicht / Bibliographie<br />

Rebekka Keller, St. Gallen 381<br />

Mitteilungen / Communications<br />

Veranstaltungskalender / Calendrier des manifestations 388<br />

Impressum 391<br />

Autorenverzeichnis / Adresse des auteurs 392<br />

Vorschau <strong>AJP</strong> / Aperçu PJA 4 /2009 392<br />

Impressum<br />

Prix de l'abonnement:<br />

Frs. 352.–/année, TVA incluse;<br />

– pour les étudiants (prière de joindre une copie de la carte<br />

de légitimation) frs. 228.–/année, TVA incluse.<br />

– Prix à la vente au numéro frs. 39.– (numéro spécial<br />

frs. 55.–), TVA incluse.<br />

– Pour les abonnements à l'étranger, les frais de port effectifs<br />

s'ajoutent à ces montants.<br />

– Les commandes doivent être exclusivement adressées à<br />

l'éditeur (Service des abonnements).<br />

Kündigungen für die neue Abonnementsperiode sind schriftlich<br />

und bis spätestens 31. Oktober des vorangehenden Jahres<br />

mitzuteilen. Beanstandungen können nur innert 8 Tagen nach<br />

Eingang der Sendung berücksichtigt werden. Für durch die Post<br />

herbeigeführte Beschädigungen sind Reklamationen direkt bei<br />

der Poststelle am Zustellort anzubringen.<br />

La résiliation de l'abonnement pour une nouvelle période doit être<br />

communiquée par écrit au plus tard jusqu'au 31 octobre de l'année<br />

précédant la nouvelle période.<br />

Seules les réclamations faites dans les huit jours dès réception du<br />

numéro seront prises en compte. Les réclamations relatives aux<br />

dommages causés par les services postaux doivent être directement<br />

adressées à l'offi ce postal de distribution.<br />

Alle Urheber- und <strong>Verlag</strong>srechte an dieser Zeitschrift und allen<br />

ihren Teilen sind vorbehalten. Das Recht zum Nachdruck, zur<br />

Vervielfältigung, Mikroverfi lmung, Übernahme auf elektronische<br />

Datenträger und andere Verwertungen jedes Teils dieser<br />

Zeitschrift steht ausschliesslich der <strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong> <strong>AG</strong> zu.<br />

ISSN 1660-3362.<br />

Les droits de réimpression, de reproduction, de mise sur microfi lm,<br />

d'enregistrement sur un support électronique de données et d'exploitation<br />

sous toute autre forme de chacune des parties de cette revue<br />

appartiennent exclusivement à <strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong> SA. ISSN 1660-3362.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 250 10.3.2009 9:11:54 Uhr


NATHALIE VOSER<br />

PD Dr. iur. LL.M.<br />

(Columbia University),<br />

Rechtsanwältin<br />

Zürich, Lehrbeauftragte<br />

an der Universität<br />

Basel<br />

SONJA STARK-TRABER<br />

lic. iur., Rechtsanwältin<br />

Zürich<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

Eine Einführung unter besonderer Berücksichtigung möglicher<br />

Einfl üsse auf das gesetzliche Gewährleistungsrecht<br />

ANDREA DORJEE-GOOD<br />

lic. iur., Rechtsanwältin<br />

Zürich<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Einleitung<br />

2. Begriff und Erscheinungsformen von Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

3. Funktion von Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

3.1 Präventionsfunktion<br />

3.2 Rationalisierungsfunktion<br />

3.3 Perpetuierungsfunktion<br />

3.4 Haftungsverteilungsfunktion<br />

4. Typischer Inhalt von QS-Vereinbarungen<br />

4.1 Qualitätssicherungsmassnahmen<br />

4.2 Spezifi kation<br />

4.3 Freigabe durch Abnehmer bzw. Erstmusterprüfung<br />

4.4 Informationsaustausch<br />

4.5 Geheimhaltung<br />

4.6 <strong>Verlag</strong>erung der Warenkontrolle<br />

4.7 Haftungsregelung<br />

5. Rechtliche Qualifi kation von QS-Vereinbarungen<br />

6. Vergütungsanspruch des Zulieferers<br />

7. Aufl ösung von QS-Vereinbarungen<br />

8. Wechselwirkungen zwischen QS-Vereinbarungen und gesetzlichem<br />

Gewährleistungsrecht<br />

8.1 Ausgangslage<br />

8.2 Übersicht über das werkvertragliche Gewährleistungsrecht<br />

8.2.1 Allgemeines<br />

8.2.2 Der Begriff des Werkmangels<br />

8.2.3 Die Mängelrüge<br />

8.2.4 Die einzelnen Mängelrechte<br />

8.3 Auswirkungen von QS-Vereinbarungen auf die werkvertragliche<br />

Mängelhaftung<br />

8.3.1 Allgemeines<br />

8.3.2 Gewährleistungspfl icht trotz Einhaltung des vereinbarten<br />

QS-Systems?<br />

8.3.2.1 Grundsatz: Die Pfl icht zur Lieferung mängelfreier<br />

Produkte gilt unabhängig vom<br />

Vorliegen einer QS-Vereinbarung<br />

8.3.2.2 Ausnahme: Einschränkung der Gewährleistungspfl<br />

icht infolge Mitverantwortung<br />

des Bestellers<br />

8.3.3 Mängelhaftung infolge Nichteinhaltung des vereinbarten<br />

QS-Systems?<br />

8.3.3.1 Allgemeines<br />

8.3.3.2 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als<br />

vereinbarte oder vorausgesetzte Eigenschaften<br />

8.3.3.3 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als<br />

vertragliche Haupt- oder Nebenpfl ichten<br />

8.4 Ersatz des Mangelfolgeschadens<br />

9. Zusammenfassende Bemerkungen<br />

1. Einleitung<br />

Sowohl in der Industrie wie auch im Dienstleistungssektor<br />

ist in den vergangenen Jahren eine zunehmende Tendenz<br />

festzustellen, einzelne Schritte im Rahmen der Produktion<br />

eines Gutes an spezialisierte Drittunternehmen auszulagern<br />

(Stichwort: Outsourcing bzw. Abnahme der eigenen Fertigungstiefe).<br />

Gründe hierfür sind in erster Linie erwartete<br />

Kosteneinsparungen, aber auch die Möglichkeit, eigene<br />

Überlastungssituationen besser auffangen zu können. Gleichzeitig<br />

sind die Ansprüche an die Qualität der Produkte stark<br />

gestiegen und das Thema Qualitätsmanagement ist mehr und<br />

mehr zu einem wesentlichen Bestandteil der Unternehmenspolitik<br />

geworden 1 .<br />

Diese beiden Entwicklungen haben die Notwendigkeit<br />

mit sich gebracht, mit der Qualitätssicherung nicht erst im<br />

eigenen Betrieb, sondern bereits auf der Stufe des Drittunternehmens<br />

anzusetzen. Als Instrument hierzu dienen sogenannte<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen Drittunternehmer<br />

(Zulieferer) und Besteller (Abnehmer). Solche<br />

Vereinbarungen ermöglichen es, die Leistung des Drittunternehmens<br />

schon früh im Fertigungsprozess zu überprüfen<br />

und eventuell auftretende Fehler, die sich im Endprodukt<br />

fortsetzen könnten, bereits in diesem Stadium festzustellen<br />

und zu beseitigen 2 .<br />

1 Einen Überblick über den Stand und die Effekte von Out- und<br />

Insourcing im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands bieten<br />

Steffen Kinkel/Gunter Lay, Fertigungstiefe – Ballast oder<br />

Kapital?; Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung<br />

(ISI), Mitteilungen aus der Produktionsinnovationserhebung,<br />

30/20<strong>03</strong>, abrufbar unter http://www.publica.<br />

fraunhofer.de.<br />

2 Horst Franke, Qualitätsmanagement und Bauvertrag, in: Jürgen<br />

Doerry (Hrsg.), FS für Wolfgang Heiermann zum 60. Geburtstag,<br />

Wiesbaden, Berlin 1995, 63; Maximilian Teichler,<br />

Qualitätssicherung und Qualitätssicherungsvereinbarungen,<br />

Wirtschaftliche und rechtliche Auswirkungen, Versicherungsaspekte,<br />

Betriebs-Berater 1991, 428.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 251 10.3.2009 9:11:54 Uhr<br />

251


252<br />

Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />

Trotz der erheblichen Bedeutung, welche Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

in der Praxis erlangt haben, sind<br />

sie bislang nur vereinzelt Gegenstand der schweizerischen<br />

Rechtsliteratur gewesen 3 . Der vorliegende Aufsatz soll einen<br />

Beitrag leisten, um diese Lücke zu füllen und einen Überblick<br />

über verschiedene Aspekte der Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

geben. Der Fokus liegt dabei auf Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

im Rahmen von industriellen<br />

Lieferbeziehungen. In solchen treten Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

primär im Zusammenhang mit Kauf- und Werk-<br />

bzw. Werklieferungsverträgen auf. Überwiegend dürften die<br />

Vertragswerke zwischen Besteller und Zulieferer dabei als<br />

Werklieferungsverträge zu qualifi zieren sein, denn Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

enthalten zumeist umfassende<br />

Anforderungen an das zu liefernde Produkt sowie Vorgaben<br />

hinsichtlich des Herstellungs- und Prüfungsverfahrens, was<br />

gerade für den Werklieferungsvertrag typisch ist. Trotzdem<br />

sind Abgrenzungsschwierigkeiten zum Kaufvertrag durchaus<br />

denkbar 4 . Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung<br />

wird indessen vom Regelfall des Werklieferungsvertrages<br />

ausgegangen.<br />

Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht der<br />

Einfl uss von Qualitätssicherungsvereinbarungen auf die Haftungssituation<br />

zwischen dem Besteller (Abnehmer) und dem<br />

Drittunternehmen (Zulieferer), wobei insbesondere die Wechselwirkungen<br />

zwischen Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

und Gewährleistungsrecht näher untersucht werden sollen.<br />

2. Begriff und Erscheinungsformen von<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

Unter Qualitätssicherung (im Folgenden «QS» genannt) 5<br />

werden im allgemeinen Massnahmen bzw. ein System an<br />

Massnahmen verstanden, die von einem Unternehmen eingesetzt<br />

werden, um die Erfüllung der Kundenanforderungen<br />

3 Dies im Gegensatz zur deutschen Rechtsliteratur, die sich sehr<br />

umfassend mit der Thematik beschäftigt hat.<br />

4 Namentlich bei serienmässig hergestellten Produkten, welche<br />

unter Einhaltung eines allgemeinen Qualitätssicherungssystems<br />

(z.B. Qualitätsmanagement nach ISO 9000 ff.) produziert<br />

werden, kann sich u.E. im Einzelfall die Anwendung der kaufrechtlichen<br />

Bestimmungen aufdrängen. Für Einzelheiten zu<br />

den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Kaufvertrag und<br />

Werklieferungsvertrag kann auf die umfangreiche Literatur<br />

verwiesen werden; vgl. insbesondere: Walter Grob, Qualitätsmanagement,<br />

Sachverhalt und schuldrechtliche Aspekte,<br />

Diss., Freiburg 1995, 175; Claire Huguenin, Obligationenrecht<br />

Besonderer Teil, 3. A., Zürich 2008, N 51; Heinrich<br />

Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer<br />

Teil, 8. A., Bern 2006, 271; Roland Hürlimann/Thomas Siegenthaler,<br />

in: Marc Amstutz (et al.) (Hrsg.), Handkommentar<br />

zum Schweizer Privatrecht, Zürich 2007, Art. 363 OR N 3.<br />

5 Der Begriff «Qualitätssicherung» wird in der Literatur häufi g<br />

mit dem Begriff «Qualitätsmanagement» gleichgesetzt.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

nach qualitativ hochstehenden Produkten bestmöglich zu<br />

gewährleisten 6 . Das gesamte QS-System verfolgt primär das<br />

Ziel, die Erfüllung der Spezifi kationen (vgl. dazu hinten,<br />

Ziff. 4.2) zuverlässig und andauernd zu erfüllen 7 .<br />

Ein Hersteller von Gütern oder auch ein Erbringer von<br />

Dienstleistungen kann zur Verbesserung der Qualität seiner<br />

Produkte und zur Reduzierung seiner Haftungsrisiken aus<br />

eigenem Antrieb geeignete QS-Massnahmen ergreifen. Daneben<br />

kann sich ein Unternehmen gegenüber dem Besteller<br />

aber auch vertraglich hierzu verpfl ichten. Dies geschieht in<br />

Form von sog. QS-Vereinbarungen 8 .<br />

QS-Vereinbarungen werden in den allermeisten Fällen<br />

zwischen unmittelbar aufeinanderfolgenden Gliedern einer<br />

Wertschöpfungskette geschlossen, also zwischen Unternehmen,<br />

die im Rahmen des Produkteherstellungsprozesses<br />

aufeinanderfolgende Beiträge leisten. Typischerweise treten<br />

QS-Vereinbarungen deshalb in Branchen auf, welche die Serienfertigung<br />

von Gütern oder deren Absatz zum Gegenstand<br />

haben 9 . Vertragspartner sind in der Regel Teile- und Endhersteller,<br />

in der Fertigung aufeinanderfolgende Teilehersteller<br />

untereinander oder auch Endhersteller und Händler 10 .<br />

In vielen Fällen handelt es sich bei QS-Vereinbarungen<br />

sodann um vorformulierte Regelwerke, die zur Verwendung<br />

gegenüber allen bzw. noch nicht konkretisierten mehreren<br />

Zulieferern vorgesehen sind 11 . Es handelt sich mithin sehr oft<br />

6 Rainer Schumacher, Vertragsgestaltung, Systemtechnik für<br />

die Praxis, Zürich 2004, N 2141. Durch den Erlass der ISO-<br />

Normenreihe 9000 ff. im Jahre 1987 seitens der International<br />

Organization for Standardization (ISO) wurde das Qualitätsmanagement<br />

international einheitlich defi niert, normiert und<br />

zertifi ziert. Die Schweiz hat die Normen 1990 unverändert<br />

übernommen. Die ISO-Normenreihe defi niert in einem umfassenden<br />

Regelungswerk den Qualitätsbegriff, gibt mögliche<br />

Modelle für die Qualitätssicherung vor und leistet Hilfe für das<br />

interne Qualitätsmanagement; vgl. dazu Grob (FN 4), 37 ff.;<br />

Anton Henninger, Die Qualitätssicherung beim Bauen, BRT<br />

1995, Bd. II, Freiburg 1995, 49 f.<br />

7 Hans-Joachim Hess/Hasso Werk, Qualitätssicherung und<br />

Produktehaftung, Zürich 1994, 242.<br />

8 Grob (FN 4), 149.<br />

9 QS-Vereinbarungen können durchaus auch in anderen Bereichen<br />

abgeschlossen werden, beispielsweise in der Bau- oder<br />

Dienstleistungsbranche; siehe dazu Henninger (FN 6), 45 ff.;<br />

Martin Moser, Die Haftung für Dienstleistungen im Lichte<br />

eines zertifi zierten Qualitätsmanagementsystems, <strong>AJP</strong>/PJA<br />

1997, 181 ff.<br />

10 Axel Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen: Zulieferverträge,<br />

Vertragstypologie, Risikoverteilung, <strong>AG</strong>B-Kontrolle,<br />

Köln 1992, 155 f.; Grob (FN 4), 150.<br />

11 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 157;<br />

Jürgen Ensthaler (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum<br />

Handelsgesetzbuch mit UN-Kaufrecht, 7.A., Neuwied 2007,<br />

nach § 377 HGB N 5; Peter Sina, Qualitätssicherungsvereinbarung<br />

– Einordnung und Rechtsfolgen, Monatsschrift für<br />

Deutsches Recht 48, 1994, 332. Zur Verwendung vorgeschlagen<br />

werden QS-Vereinbarungen denn auch regelmässig vom<br />

Besteller; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 252 10.3.2009 9:11:55 Uhr


um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Teilweise werden<br />

QS-Vereinbarungen jedoch auch an das jeweilige spezifi sche<br />

Einzellieferverhältnis und die individuellen Interessen der<br />

beteiligten Parteien angepasst 12 .<br />

Die Unterscheidung von QS-Vereinbarungen als Individualvertrag<br />

im Gegensatz zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

hat im Anwendungsbereich des schweizerischen<br />

Rechts zwar nicht die gleiche Bedeutung wie beispielsweise<br />

im deutschen Recht 13 . Trotzdem sind bei allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

die von der Praxis entwickelte Unklarheitenregel<br />

sowie die Ungewöhnlichkeitsregel zu beachten.<br />

Nach Art. 8 UWG handelt zudem unlauter, wer Allgemeine<br />

Geschäftsbedingungen verwendet, die in irreführender Weise<br />

zum Nachteil einer Vertragspartei von der unmittelbar oder<br />

sinngemäss anwendbaren gesetzlichen Ordnung erheblich<br />

abweichen oder eine der Vertragsnatur erheblich widersprechende<br />

Verteilung von Rechten und Pfl ichten vorsehen 14 .<br />

Neben der Frage, ob es sich bei den massgebenden QS-<br />

Vereinbarungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen oder<br />

um Individualverträge handelt, muss sodann auch stets untersucht<br />

werden, in welcher Form QS-Vereinbarungen Eingang<br />

in die konkrete Lieferbeziehung fi nden. In der Praxis<br />

geschieht dies im Wesentlichen auf zwei Arten: Einerseits<br />

können QS-Vereinbarungen in Einkaufs-, Liefer-, Prüf- oder<br />

Abnahmebedingungen eingebettet sein, die Bestandteil des<br />

158 f.; Detlef Schmidt, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

und ihr rechtlicher Rahmen, NJW 1991, 145.<br />

12 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 157; Sina<br />

(FN 11), 332. Gemäss Hess/Werk (FN 7), 278 f., sollten QS-<br />

Vereinbarungen stets individuell ausgehandelt und den Gegebenheiten<br />

der jeweiligen Geschäftsbeziehung angepasst werden.<br />

Diese Forderung dürfte indessen schon deswegen nicht<br />

realistisch sein, weil ein Besteller die Qualität und Sicherheit<br />

seiner Produkte häufi g generell wird regeln wollen und nicht<br />

nur im Einzelfall. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der<br />

Besteller ein just-in-time-delivery System eingeführt hat; vgl.<br />

dazu Schmidt (FN 11), 146.<br />

13 Im Anwendungsbereich des deutschen Rechts sind die Bestimmungen<br />

der §§ 305 bis 310 BGB zu berücksichtigen, mit<br />

welchen im Rahmen des Schuldrechtmodernisierungsgesetzes<br />

die Vorschriften des früheren <strong>AG</strong>B-Gesetzes weitgehend unverändert<br />

in das BGB überführt wurden. Besondere Beachtung<br />

verdient dabei § 307 BGB, der eine Inhaltskontrolle von Allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen vorsieht. Danach sind Bestimmungen<br />

in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam,<br />

wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten<br />

von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.<br />

14 Art. 8 UWG lehnt sich zwar eng an § 307 Abs. 2 BGB an, unterscheidet<br />

sich jedoch durch das Erfordernis der Irreführung.<br />

Eine generelle Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

fi ndet im Anwendungsbereich des schweizerischen<br />

Rechts trotz entsprechender Forderungen aus der Lehre bislang<br />

nicht statt; vgl. dazu Ingeborg Schwenzer, Schweizerisches<br />

Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 4. A., Bern 2006,<br />

N 44.01 ff.; Peter Gauch/Walter R. Schluep/Jörg Schmid/<br />

Heinz Rey, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner<br />

Teil, Band I, 9. A., Zürich/Basel/Genf 2008, N 1118 ff.<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Zuliefervertrags und/oder jedes einzelnen konkreten Liefergeschäfts<br />

sind 15 . Andererseits können QS-Vereinbarungen<br />

als äusserlich verselbständigte Vertragswerke ausgestaltet<br />

sein 16 . Letztere stellen häufi g Rahmenvereinbarungen dar,<br />

welche typischerweise dazu dienen, die gleichbleibenden<br />

Modalitäten künftiger Beschaffungsverträge vorab (umfassend<br />

oder teilweise) festzulegen. Sie sind demzufolge in ihrer<br />

Wirkung in der Regel vom Bestand eines konkreten Zuliefervertrags<br />

abhängig 17 . Allerdings fi nden sich in solchen<br />

QS-Vereinbarungen oftmals auch Rechte und Pfl ichten, die<br />

unabhängig von einem konkreten Geschäft bestehen, so z.B.<br />

die Verpfl ichtung zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung<br />

eines QS-Systems 18 . Dadurch wird insbesondere versucht,<br />

die generelle Qualitätsfähigkeit des Lieferanten zu beeinfl ussen<br />

und die Voraussetzungen für das Zustandekommen und<br />

die komplikationslose Abwicklung künftiger Geschäfte zu<br />

schaffen 19 . Vorvertragliche Elemente, d.h. die Verpfl ichtung<br />

zum Abschluss nachfolgender Einzelverträge, sind in QS-<br />

Vereinbarungen demgegenüber eher unüblich 20 .<br />

3. Funktion von Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

QS-Vereinbarungen erfüllen im Wesentlichen die folgenden<br />

vier Funktionen 21 :<br />

3.1 Präventionsfunktion<br />

Die primäre Funktion von QS-Vereinbarungen ist es, die<br />

Voraussetzungen für sichere Fertigungsprozesse beim Zu-<br />

15 Michael Martinek, Zulieferverträge und Qualitätssicherung,<br />

Köln 1991, 133; Joachim Quittnat, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

und Produkthaftung, Betriebs-Berater 1989,<br />

571 f.; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),<br />

158; Sina (FN 11), 332.<br />

16 Martinek (FN 15), 133; Quittnat (FN 15), 571 f.; Merz,<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 158 und 217;<br />

Grob (FN 4), 150. Gemäss Hess/Werk (FN 7), 243, sollten<br />

Beschaffungsvertrag sowie QS-Vereinbarung stets in zwei unabhängigen<br />

Vereinbarungen festgeschrieben werden. Dadurch<br />

soll eine Vermengung der beiden unterschiedlichen juristischen<br />

Materien verhindert und die Übersichtlichkeit erhöht werden.<br />

17 Dies gilt beispielsweise für Haftungsregelungen oder konkrete<br />

Prüfungspfl ichten; vgl. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 218 f.; Grob (FN 4), 151 und 163 f.<br />

18 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 220 ff.;<br />

Grob (FN 4), 151 f. und 164 f., bezeichnet solche QS-Vereinbarungen<br />

als systembezogen.<br />

19 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 220.<br />

20 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 225 ff.;<br />

Grob (FN 4), 163.<br />

21 Jürgen Ensthaler, Haftungsrechtliche Bedeutung von Qualitätssicherungsvereinbarungen,<br />

NJW 1994, 817 f.; Ensthaler,<br />

Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 6;<br />

Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 196 ff.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 253 10.3.2009 9:11:55 Uhr<br />

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Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />

lieferer und damit eine effi ziente Prävention gegenüber jeder<br />

Art von Qualitätsabweichung zu schaffen. Durch ein geeignetes<br />

QS-System wird die Qualität eines Produktes während<br />

des gesamten Produktionsprozesses laufend überprüft. Auf<br />

diese Weise sollen Abweichungen in der vorangehenden Fertigungsstufe<br />

möglichst frühzeitig und effi zient vermieden<br />

oder zumindest entdeckt werden 22 .<br />

3.2 Rationalisierungsfunktion<br />

Durch die Einführung von Qualitätssicherungsmassnahmen<br />

auf der Stufe des Zulieferers und gleichzeitiger Reduktion<br />

des Umfangs und der Häufi gkeit der Wareneingangskontrollen<br />

beim Abnehmer sollen die Qualitätskontrollkosten gesenkt<br />

werden 23 .<br />

3.3 Perpetuierungsfunktion<br />

Mittels QS-Vereinbarungen soll die generelle Qualitätsfähigkeit<br />

des Zulieferers gefördert und damit zugleich die Grundlage<br />

für eine langfristige Geschäfts- bzw. Lieferbeziehung<br />

geschaffen werden, die sich jederzeit kurzfristig aktivieren<br />

lässt 24 .<br />

3.4 Haftungsverteilungsfunktion<br />

QS-Vereinbarungen bezwecken schliesslich regelmässig, die<br />

Verantwortungsbereiche und Haftungsrisiken von Abnehmer<br />

und Zulieferer festzulegen und abzugrenzen. Dies geschieht<br />

beispielsweise durch einen Verzicht auf die Einrede der verspäteten<br />

Mängelrüge, durch eine Verlängerung der Gewährleistungsfristen,<br />

durch Freizeichnungsklauseln oder durch<br />

eine Vereinbarung der Haftungsverteilung im Innenverhältnis<br />

25 .<br />

4. Typischer Inhalt von QS-Vereinbarungen<br />

In Bezug auf ihren Inhalt lassen sich QS-Vereinbarungen<br />

grundsätzlich in produktbezogene, organisatorische (insbesondere<br />

verfahrensbezogene) und rechtliche Aspekte unter-<br />

22 Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 196 ff.; Grob (FN 4), 161.<br />

23 Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 206 ff.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 21), 818; Grob (FN 4), 161.<br />

24 Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 208 f.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 21), 818; Grob (FN 4), 161 f.<br />

25 Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 210 ff.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 21), 818.; Grob (FN 4), 162.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

teilen 26 . Die Ausgestaltung variiert dabei je nach Art der Zusammenarbeit<br />

und des zu liefernden Produkts. Im Folgenden<br />

werden einige der in QS-Vereinbarungen typischerweise<br />

vereinbarten Inhalte dargestellt.<br />

4.1 Qualitätssicherungsmassnahmen<br />

Den eigentlichen Kern von QS-Vereinbarungen bildet naturgemäss<br />

die Verpfl ichtung des Zulieferers, bestimmte QS-<br />

Massnahmen zu treffen bzw. ein ganzes QS-System einzurichten.<br />

Dabei können die einzelnen QS-Massnahmen in der<br />

QS-Vereinbarung selbst oder in einer separat beigefügten<br />

Anlage enthalten sein oder sie werden durch eine Bezugnahme<br />

auf externe Regelwerke, wie z.B. die ISO Normenreihe<br />

9000 ff. konkretisiert 27 .<br />

Nebst der Vereinbarung von QS-Massnahmen, die unmittelbar<br />

den Fertigungsvorgang betreffen, bestimmte Prüfverfahren<br />

vorschreiben (z.B. Warenausgangskontrollen) oder<br />

verwaltungsorganisatorische (insbesondere Dokumentations-<br />

und Änderungswesen) oder personalwirtschaftliche<br />

Massnahmen (Bestellung eines betrieblichen QS-Beauftragten)<br />

vorsehen, regeln QS-Vereinbarungen häufi g auch die<br />

dem eigentlichen Fertigungsprozess vor- und nachgelagerten<br />

Bereiche (z.B. Werkstoffbeschaffung, Art der Verpackung<br />

und Lagerung, Modalitäten der Anlieferung) 28 .<br />

Daneben können auch generelle Massnahmen vereinbart<br />

werden. Sie dienen in erster Linie dem Aufbau einer längerfristigen<br />

Geschäftsbeziehung 29 .<br />

4.2 Spezifi kation<br />

In QS-Vereinbarungen fi nden sich sodann häufi g Spezifi kationen,<br />

d.h. detaillierte technische Beschreibungen des zu<br />

liefernden Produktes. Sie legen seine vertraglich geforderten<br />

Eigenschaften fest und sind als vereinbarte «Soll-Beschaffenheit»<br />

insbesondere massgeblich für die Beurteilung der<br />

Frage, ob ein Sach- oder Werkmangel vorliegt (dazu nachfolgend<br />

Ziff. 8.2.2) 30 .<br />

Wird eine QS-Vereinbarung als Rahmenvertrag für<br />

künftige Einzelverträge abgeschlossen, werden die Produktspezifi<br />

kationen in der Regel in eigenständigen Spezifi -<br />

kationsvereinbarungen festgelegt, deren Einhaltung die QS-<br />

Vereinbarung vorschreibt.<br />

26 Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377<br />

HGB N 7.<br />

27 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 198; siehe<br />

auch FN 6.<br />

28 Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 199 ff.; Grob (FN 4), 152.<br />

29 Grob (FN 4), 152 f.<br />

30 Grob (FN 4), 153.; Schmidt (FN 11), 144.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 254 10.3.2009 9:11:56 Uhr


4.3 Freigabe durch Abnehmer bzw.<br />

Erstmusterprüfung<br />

Häufi g ist in QS-Vereinbarungen eine Erstmusterprüfung<br />

durch den Abnehmer vorgesehen.<br />

Sog. Bemusterungsverfahren fi nden in der Regel vor dem<br />

Beginn der Serienlieferungen (Serienphase) statt 31 . Die sog.<br />

Erstmuster werden ausschliesslich mit den für die Serienfertigung<br />

vorgesehenen Einrichtungen und Verfahren unter den<br />

entsprechenden Rahmenbedingungen gefertigt. Sie werden<br />

dem Abnehmer zusammen mit den sog. Erstmusterprüfberichten<br />

zur Prüfung hinsichtlich ihrer Anforderungskonformität<br />

unterbreitet. Gelangt der Abnehmer bei seiner Prüfung<br />

zum Ergebnis, dass die Erstmuster den Anforderungen entsprechen,<br />

erteilt er die «technische Freigabe».<br />

Vorserienphase und Serienphase bilden zwar einen einheitlichen<br />

wirtschaftlichen Vorgang, rechtlich sind die beiden<br />

Stufen aber klar zu trennen. In der Regel handelt es sich<br />

bereits bei der ersten Stufe (Vorserienphase) um einen eigenständigen<br />

Kauf- oder Werk(lieferungs)vertrag, in welchem<br />

sich der Lieferant verpfl ichtet, ein Muster zu übergeben bzw.<br />

herzustellen, und zwar meist gegen entsprechende Vergütung<br />

32 .<br />

Um einen eigenständigen Kauf- oder Werk(lieferungs)vertrag<br />

handelt es sich sodann auch bei der zweiten Stufe<br />

(Serienphase) 33 . In der Regel wird die Wirksamkeit dieses<br />

Liefervertrages vom positiven Ergebnis des Bemusterungsverfahrens<br />

abhängen 34 . Es handelt sich mithin regelmässig<br />

um einen suspensiv bedingten Vertrag 35 .<br />

Bei Vorliegen einer Erstmusterprüfung stellt sich die Frage,<br />

ob das Erstmuster ausschliesslich zur Ermittlung der<br />

vom Lieferanten geschuldeten Sollbeschaffenheit der zu<br />

liefernden Ware herangezogen werden kann oder ob daneben<br />

auch die ursprünglichen Spezifi kationen und Begleitabreden<br />

für Mängel in der zweiten Stufe (Serienphase) weiterhin<br />

massgeblich sind. Diese Frage ist in der deutschen<br />

Lehre strittig 36 . Es empfi ehlt sich daher, bei Erteilung der<br />

31 Ein Bemusterungsverfahren kann infolge von Produkt- oder<br />

Verfahrensänderungen allerdings auch während eines laufenden<br />

Liefervertrages notwendig werden; vgl. Merz (FN 10), 100.<br />

32 Denkbar ist grundsätzlich auch ein Kauf auf Probe gemäss<br />

Art. 223 ff. OR; vgl. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 1<strong>03</strong> ff. Die Erstmusterpräsentation kann gemäss Merz<br />

sodann auch lediglich Teil der Vertragsanbahnung hinsichtlich<br />

eines Liefervertrages sein und damit Aquisitionszwecken dienen.<br />

Diesfalls liegt kein selbständiges Erwerbsgeschäft vor;<br />

vgl. zum Ganzen auch Grob (FN 4), 154.<br />

33 Grob (FN 4), 154.<br />

34 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 107; Grob<br />

(FN 4), 154 f.<br />

35 Grob (FN 4), 155.<br />

36 Gemäss Ensthaler Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach<br />

§ 377 HGB N 21, berechtigt die Durchführung einer Erstmusterprüfung<br />

ohne deutliche, gegenteilige Anhaltspunkte nicht zur<br />

Annahme, dass mit der Freigabeerteilung die Spezifi kationsvor-<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

technischen Freigabe eine entsprechende Klarstellung anzubringen.<br />

4.4 Informationsaustausch<br />

Des Weiteren sind in QS-Vereinbarungen regelmässig auch<br />

Bestimmungen über die Dokumentationspfl ichten des Zulieferers<br />

enthalten 37 . Der Abnehmer strebt damit in der Regel<br />

die Einrichtung eines Frühwarnsystems an, mit welchem<br />

bereits frühzeitig kontrolliert und beurteilt werden kann, ob<br />

die Lieferqualität den Vorgaben entspricht. So können Fehler<br />

systematisch ausgeschaltet werden 38 .<br />

Der Zulieferer wird beispielsweise verpfl ichtet, seinen<br />

Lieferungen Dokumente beizulegen, welche dem Abnehmer<br />

Auskunft über Durchführung und Ergebnis von an den gelieferten<br />

Produkten vorgenommenen Prüfungen erteilen 39 . Diese<br />

Pfl icht ist oft verbunden mit einer Aufbewahrungs- und<br />

Offenbarungspfl icht des Zulieferers hinsichtlich Dokumenten,<br />

welche die einzelnen Schritte der Qualitätssicherung<br />

aufzeichnen 40 . Sie sollen dem Abnehmer in einem etwaigen<br />

Haftungsstreit mit einem Endabnehmer ermöglichen, den<br />

Beweis zu erbringen, dass sämtliche Sorgfaltsanforderungen<br />

eingehalten worden sind 41 .<br />

Diese lieferungsbezogenen Informationspfl ichten des<br />

Zulieferers werden häufi g mit dem Recht des Abnehmers<br />

kombiniert, die Produktionsstätten des Zulieferers zu betreten,<br />

Einsicht in dessen Unterlagen zu nehmen und Kontrol-<br />

gaben bzw. Begleitabreden gegenstandslos sein sollen. Demgegenüber<br />

wertet Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 108 ff., die vorbehaltlose Freigabeerklärung als umfassende<br />

Billigung aller vom Abnehmer erkannten sowie – verschuldet<br />

oder unverschuldet – nicht erkannten Abweichungen<br />

von den zuvor als verbindlich zugrunde gelegten Spezifi kationen.<br />

Dies jedenfalls insoweit, als die vereinbarten Leistungsmerkmale<br />

überhaupt im Erstmuster verkörperungsfähig sind<br />

(als weitergeltend erachtet werden bspw. die in den Spezifi kationen<br />

festgelegten Toleranzen). Im Gegenzug anerkennt Merz<br />

allerdings ein (sehr stark eingeschränktes) Anfechtungsrecht<br />

des Abnehmers hinsichtlich seiner Freigabeerklärung. Im Übrigen<br />

geht Merz (FN 10), 115, von einem Kauf nach Muster<br />

aus, wobei sich die als zugesichert geltenden Eigenschaften aus<br />

den mitgelieferten Erstmusterprüfberichten ergeben würden.<br />

37 Vgl. zum Ganzen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 202 ff.; Grob (FN 4), 155; Ensthaler, Gemeinschaftskommentar<br />

(FN 11), nach § 377 HGB N 30 ff., N 39 ff.;<br />

Martinek (FN 15), 139 ff.<br />

38 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 202; Ensthaler,<br />

Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB<br />

N 39.<br />

39 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 202; zu<br />

Umfang und Inhalt der Dokumentation vgl. Ensthaler, Gemeinschaftskommentar<br />

(FN 11), nach § 377 HGB N 45 ff.<br />

40 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 2<strong>03</strong>; siehe<br />

auch Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach<br />

§ 377 HGB N 50 ff. und N 54 ff.<br />

41 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 2<strong>03</strong>; vgl.<br />

auch Hess/Werk (FN 7), 270.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 255 10.3.2009 9:11:56 Uhr<br />

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Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />

len durchzuführen (sog. Audits oder Auditierungen) 42 . Diese<br />

Massnahmen dienen der Überwachung und Sicherung der<br />

generellen (d.h. nicht lediglich produktbezogenen) Qualitätsfähigkeit<br />

des Zulieferers 43 . Im Gegenzug ist der Abnehmer in<br />

der Regel verpfl ichtet, den Zulieferer über die Ergebnisse der<br />

Audits zu informieren 44 .<br />

4.5 Geheimhaltung<br />

Die gegenseitigen Informationspfl ichten und die Zutritts-,<br />

Einblick- und Kontrollrechte des Abnehmers im Speziellen<br />

führen in der Regel zur Vereinbarung einer gegenseitigen<br />

Geheimhaltungspfl icht 45 .<br />

4.6 <strong>Verlag</strong>erung der Warenkontrolle<br />

Wie bereits ausgeführt wurde, bezwecken QS-Massnahmen<br />

unter anderem die Rationalisierung der Betriebsabläufe und<br />

insbesondere die Minimierung der Qualitätskontrollkosten<br />

beim Abnehmer (vgl. dazu vorstehend Ziff. 3) 46 . Letzteres<br />

soll vor allem mit Durchführung geeigneter Zwischen- und<br />

Endprüfungen beim Zulieferer erreicht werden, so dass die<br />

Wareneingangskontrolle beim Abnehmer reduziert werden<br />

kann. Auf diese Weise werden einerseits doppelte Prüfungen<br />

vermieden. Andererseits wird aber auch sichergestellt, dass<br />

dieselben möglichst frühzeitig im Produktionsprozess durchgeführt<br />

werden. Die Wahrscheinlichkeit, Fehler zu entdecken<br />

ist dadurch grösser und die Möglichkeiten zur Beseitigung<br />

der Fehler sind einfacher und billiger 47 .<br />

Vor diesem Hintergrund enthalten die meisten QS-Vereinbarungen<br />

Bestimmungen, wonach der Abnehmer berechtigt<br />

ist, seine eigene Wareneingangskontrolle hinsichtlich Prüfschärfe<br />

und -intensität 48 zu reduzieren oder gar ganz darauf<br />

zu verzichten 49 . Die Eingangskontrolle des Bestellers wird<br />

auf diese Weise auf den Zulieferer verlagert.<br />

42 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 204; Grob<br />

(FN 4), 155; Quittnat (FN 15), 573; Hess/Werk (FN 7), 272.<br />

43 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 204 f.;<br />

Grob (FN 4), 155.<br />

44 Grob (FN 4), 156; vgl. auch Hess/Werk (FN 7), 272.<br />

45 Grob (FN 4), 156; Hess/Werk (FN 7), 273.<br />

46 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 206 f.<br />

47 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 207; Grob<br />

(FN 4), 157; Schmidt (FN 11), 148.<br />

48 Siehe dazu Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),<br />

207: Die «Prüfschärfe» bezeichnet den Anteil der untersuchten<br />

im Verhältnis zur ungeprüft entgegen genommenen Ware; die<br />

«Prüfi ntensität» bezeichnet den Umfang der durchgeführten<br />

Untersuchung (Sichtprüfung, Funktionsprüfung, Lebensdauerprüfung<br />

etc.).<br />

49 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 207; Grob<br />

(FN 4), 157; Quittnat (FN 15), 572; Schmidt (FN 11), 148.<br />

Denkbar ist insbesondere eine Beschränkung der Wareneingangsprüfung<br />

auf äusserlich erkennbare Transport- und Verpackungsschäden<br />

sowie auf die Menge und Identität der gelieferten<br />

Ware.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Die Reduzierung der Wareneingangskontrolle seitens des<br />

Bestellers birgt für diesen trotz vorgeschalteter QS-Massnahmen<br />

allerdings ein schwer kalkulierbares Fehlerrestrisiko.<br />

Namentlich wenn sich herausstellt, dass das vereinbarte<br />

QS-System Qualitätsmängel nicht verhindern oder rechtzeitig<br />

aufdecken konnte, muss sich der Besteller die Möglichkeit<br />

offen halten, erst später aufgedeckte Mängel ungeachtet<br />

der zeitlichen Verzögerung ohne Verlust seiner Gewährleistungsrechte<br />

rügen zu können. Ergänzend wird in QS-Vereinbarungen<br />

deshalb regelmässig vereinbart, dass der Zulieferer<br />

auf die Einrede der verspäteten Mängelrüge verzichtet 50 .<br />

Es handelt sich dabei mithin um eine Modifi kation oder<br />

gar eine Abbedingung von Art. 367 Abs. 1 OR (bzw. Art. 201<br />

Abs. 1 OR). Aufgrund der dispositiven Natur dieser Bestimmungen<br />

sind solche Klauseln in QS-Vereinbarungen unter<br />

Schweizer Recht grundsätzlich zulässig 51 . Gemäss Bundesgericht<br />

ist allerdings zu verlangen, dass solche Regelungen<br />

ausdrücklich und klar verfasst sind 52 .<br />

4.7 Haftungsregelung<br />

Nebst der Modifi zierung der gesetzlichen Bestimmungen<br />

über die Prüf- und Rügeobliegenheiten sind es vorab Haftungsfreizeichnungsklauseln,<br />

welche die Verteilung der vertraglichen<br />

Haftungsrisiken beeinfl ussen. Gemäss Art. 100<br />

Abs. 1 OR kann die Haftung allerdings nur für leichte Fahrlässigkeit,<br />

nicht aber für rechtswidrige Absicht oder grobe<br />

Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden 53 . Da QS-Vereinbarungen<br />

indessen regelmässig vom Abnehmer vorformuliert<br />

werden, der naturgemäss kein Interesse an einer Haftungsfreizeichnung<br />

zu seinen eigenen Lasten hat, sind solche Freizeichnungsklauseln<br />

zu Gunsten des Zulieferers in QS-Vereinbarungen<br />

eher selten zu fi nden.<br />

50 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 212 f.;<br />

Grob (FN 4), 157; Quittnat (FN 15), 572; Schmidt (FN 11),<br />

148.<br />

51 Heinrich Honsell, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/<br />

Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht<br />

I, 4. A., Basel/Genf/München 2007, Art. 201 N 13;<br />

Gaudenz G. Zindel/Urs Pulver, in: Heinrich Honsell/Nedim<br />

Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar,<br />

Obligationenrecht I, 4. A., Basel/Genf/München 2007, Art. 367<br />

N 29. Unter deutschem Recht ist stark umstritten, ob solche Regelungen<br />

in QS-Vereinbarungen, die als <strong>AG</strong>B zu qualifi zieren<br />

sind, gültig sind; siehe dazu bspw. Ensthaler, Gemeinschaftskommentar<br />

(FN 11), nach § 377 N 8 ff.; Schmidt (FN 11),<br />

148.<br />

52 Siehe BGE 4C.401/1999, E. 4b.<br />

53 Ebenfalls zulässig ist ein Ausschluss der Haftung für Hilfspersonen,<br />

der sich gemäss Art. 101 Abs. 2 OR grundsätzlich<br />

auch auf Absicht und grobe Fahrlässigkeit erstrecken kann.<br />

Ob der bei Kaufverträgen zu beachtende Art. 199 OR auch bei<br />

Werk- und Werklieferungsverträgen anwendbar ist, ist in der<br />

Lehre umstritten. Für eine Übersicht zum momentanen Meinungsstand;<br />

vgl. Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht<br />

(FN 4), 291.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 256 10.3.2009 9:11:56 Uhr


Hinsichtlich der Haftungsrisiken im Aussenverhältnis<br />

sind QS-Vereinbarungen insoweit relevant, als die Parteien<br />

darin eine Regelung treffen können, unter welchen Voraussetzungen<br />

und in welchem Umfang die von einem Geschädigten<br />

belangte Partei auf den Vertragspartner Rückgriff nehmen<br />

kann 54 .<br />

5. Rechtliche Qualifi kation von<br />

QS-Vereinbarungen<br />

Merz legt für das deutsche Recht dar, dass die Pfl ichten<br />

des Zulieferers unter einer QS-Vereinbarung funktional mit<br />

denjenigen eines Architekten vergleichbar seien. Gleich wie<br />

der Zulieferer übernehme auch der Architekt Aufgaben der<br />

Qualitätsplanung, Qualitätslenkung, Qualitätssicherung und<br />

Qualitätskontrolle. Aufgrund der in hohem Masse geforderten<br />

Verlässlichkeit dieser Qualitätssicherungsmassnahmen<br />

geht Merz von einer Erfolgsbezogenheit derselben aus und<br />

schliesst deshalb – in Übereinstimmung zum Architektenvertrag<br />

– insoweit auf die Anwendbarkeit von Werkvertragsrecht<br />

55 .<br />

Der Vergleich der Qualitätssicherungsaufgaben des Zulieferers<br />

mit denjenigen des Architekten vermag zwar zu<br />

überzeugen, führt aber nach schweizerischem Recht zur Anwendbarkeit<br />

von Auftragsrecht 56 , denn die vom Zulieferer<br />

geschuldeten Qualitätssicherungsmassnahmen entsprechen<br />

funktional in der Tat weitgehend den Bauleitungspfl ichten<br />

des Architekten, die gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung<br />

dem Auftragsrecht zuzuordnen sind 57 . Der Erfolg der<br />

eingeführten Qualitätssicherungsmassnahmen wird denn<br />

auch vielfach nicht anhand objektiver Kriterien überprüft<br />

werden können. Dies schliesst indessen nicht aus, dass eine<br />

QS-Vereinbarung nach Schweizer Recht auch werkvertragliche<br />

Elemente enthält, beispielsweise die Pfl icht des Zulieferers<br />

zur Abgabe einer umfassenden schriftlichen Dokumentation<br />

seiner Massnahmen.<br />

QS-Vereinbarungen haben zudem häufi g auch gesellschaftsähnlichen<br />

Charakter 58 . Die Implementierung von feh-<br />

54 Grob (FN 4), 160; Hess/Werk (FN 7), 256.<br />

55 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 242 f.;<br />

Axel Merz, in: Dr. Friedrich Graf von Westphalen (Hrsg.),<br />

Produkthaftungshandbuch, Band 1: Vertragliche und deliktische<br />

Haftung, Strafrecht und Produkt-Haftpfl ichtversicherung, 2. A.,<br />

München 1997, § 44 N 11; ebenfalls für die Anwendbarkeit<br />

von Werkvertragsrecht spricht sich für das Schweizer Recht<br />

Theodor Bühler, in: Jörg Schmid/Peter Gauch (Hrsg.), Zürcher<br />

Kommentar, V. Band Obligationenrecht, Teilband V 2d,<br />

Art. 363–379 OR, 3. A., Zürich 1998, Art. 363 N 189 aus, dies<br />

allerdings ohne weitere Begründung.<br />

56 Von der weitgehenden Anwendbarkeit von Auftragsrecht geht<br />

wohl auch Grob (FN 4), 169 f., aus.<br />

57 Vgl. BGE 109 II 462, 465 f.<br />

58 Siehe dazu Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),<br />

257 ff. und insbesondere 260 f.; Grob (FN 4), 170; Bühler<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

ler- bzw. schadenspräventiven Massnahmen liegt nämlich im<br />

Interesse beider Parteien. Während Qualitätssicherungsmassnahmen<br />

im Aussenverhältnis zur Senkung des Haftungsrisikos<br />

beitragen, führen sie im Innenverhältnis zu Kosteneinsparungen<br />

59 . Aufgrund dieser Interessenparallelität kann<br />

sich zur Beantwortung von Einzelfragen die (analoge) Anwendung<br />

der Regeln der einfachen Gesellschaft anbieten 60 .<br />

Nach dem Gesagten sind QS-Vereinbarungen deshalb in<br />

der Regel als Innominatverträge, und zwar als gemischte<br />

Verträge, zu qualifi zieren 61 .<br />

Zu beachten ist indessen, dass QS-Massnahmen, welche<br />

lediglich für einen einzelnen Beschaffungsvertrag vereinbart<br />

werden und damit keine Wirkungen haben, die über das<br />

betreffende Geschäft hinausgehen, zumeist als vertragliche<br />

Nebenpfl ichten zu qualifi zieren sind und somit grundsätzlich<br />

den Bestimmungen des entsprechenden Einzelvertrages unterliegen<br />

62 .<br />

6. Vergütungsanspruch des Zulieferers<br />

Die Verpfl ichtung des Zulieferers zum Aufbau und Betrieb<br />

eines QS-Systems stellt regelmässig eine eigenständige wirtschaftliche<br />

Leistung dar, da die in der QS-Vereinbarung festgelegten<br />

Pfl ichten über die im eigentlichen Liefergeschäft<br />

vereinbarte Herstellung und Lieferung eines bestimmten<br />

Produktes hinausgehen 63 . Daraus wird mangels gegenteiliger<br />

Vereinbarung der Parteien ein eigenständiger Entschädigungsanspruch<br />

des Zulieferers für die zusätzlichen, unter der<br />

QS-Vereinbarung erbrachten Leistungen abgeleitet 64 .<br />

(FN 55), Art. 363 N 189; vgl. auch Hans Caspar von der<br />

Crone, Rahmenverträge: Vertragsrecht, Systemtheorie, Ökonomie,<br />

Habil., Zürich 1993, 322 ff. zur Qualifi kation von Rahmenverträgen,<br />

die transaktionsbezogene Investitionen beinhalten,<br />

als einfache Gesellschaft.<br />

59 Siehe dazu insbesondere Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 231 ff. und Grob (FN 4), 170.<br />

60 Siehe z.B. nachfolgend FN 68 zum Investitionsersatz und<br />

Ziff. 7 zur Aufl ösung von QS-Vereinbarungen.<br />

61 Gl.M. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 261;<br />

Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 6.<br />

62 Grob (FN 4), 151.<br />

63 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 7 f.: Während<br />

der Zulieferer aufgrund des Liefervertrages die Produktion<br />

und Lieferung eines mangelfreien, näher spezifi zierten<br />

Produktes schuldet (ergebnisbezogene Pfl icht), ist er aufgrund<br />

der QS-Vereinbarung verpfl ichtet, einen qualitätsgesicherten<br />

Produktionsvorgang einzurichten und aufrecht zu erhalten (verfahrensbezogene<br />

Pfl icht). Auch wenn die beiden Elemente in<br />

der Regel eng miteinander verfl ochten sind, handelt es sich um<br />

inhaltlich unterschiedliche Pfl ichtenkreise, die je einen eigenständigen<br />

(Dienstleistungs-)Wert darstellen. Dieser Ansicht ist<br />

beizupfl ichten. Vgl. dazu auch Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 261; Grob (FN 4), 168, mit Bezug auf<br />

systembezogene QS-Vereinbarungen.<br />

64 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 244 f.;<br />

Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 9 ff; Grob<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 257 10.3.2009 9:11:57 Uhr<br />

257


258<br />

Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />

Dem ist unseres Erachtens jedenfalls für eigenständige<br />

QS-Vereinbarungen beizupfl ichten. Hier übernimmt der Zulieferer<br />

unter anderem Pfl ichten zur Implementierung eines<br />

QS-Systems, die unabhängig von konkreten Beschaffungsverträgen<br />

geschuldet sind. Deshalb wird ein Vergütungsanspruch<br />

des Zulieferers auch ohne ausdrückliche Vereinbarung<br />

häufi g zu bejahen sein. Dies gilt insbesondere, wenn die<br />

Übernahme der betreffenden Pfl ichten nach den Umständen<br />

nur gegen Entgelt zu erwarten war. Diesfalls ist von einer<br />

stillschweigenden Vergütungsabrede auszugehen (vgl. auch<br />

Art. 394 Abs. 3 OR) 65 .<br />

Als Kriterien für die Frage, welche QS-Massnahmen der<br />

Besteller vom Zulieferer nur gegen gesonderte Vergütung erwarten<br />

darf, werden etwa die folgenden genannt66 :<br />

Grad der Abnehmerspezifi tät der QS-Leistungen des Zulieferers<br />

bzw. Umfang der notwendigen Zusatzleistungen;<br />

Ausmass der Kosteneinsparungsmöglichkeiten beim Abnehmer<br />

als Folge der QS-Leistungen des Zulieferers;<br />

Deckungsgrad zwischen der Betriebsorganisation des Zulieferers<br />

mit den organisationsbezogenen Vorgaben des<br />

Abnehmers.<br />

Nebst dem Anspruch des Zulieferers auf eine Vergütung für<br />

die vertragsgemäss erbrachten QS-Massnahmen ist in der<br />

genannten Konstellation auch ein Ersatzanspruch für die<br />

vereinbarten oder tatsächlich notwendigen Investitionen, die<br />

der Zulieferer für den konkreten Fall getätigt hat (sog. vertragszweckbedingte<br />

transaktionsspezifi sche Investitionen67 ),<br />

zu bejahen68 . In der Regel dürfte dieser Ersatzanspruch nach<br />

dem Willen der Parteien indessen in die für die QS-Massnahmen<br />

zu bezahlende Vergütung integriert sein69 •<br />

•<br />

•<br />

.<br />

(FN 4), 168 und 170 ff.; wohl auch Ensthaler, Gemeinschaftskommentar<br />

(FN 11), nach § 377 HGB N 43 (im Zusammenhang<br />

mit Dokumentationsregelungen in QS-Vereinbarungen).<br />

65 Gl.M. Grob (FN 4), 172, FN 130; Walter Fellmann, Berner<br />

Kommentar, VI/2/4, Bern 1992, Art. 394 N 369 f. m.w.H., welcher<br />

darauf hinweist, dass die Vergütung in solchen Fällen gewöhnlich<br />

als «üblich» zu bezeichnen ist.<br />

66 Siehe Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),<br />

244 f.<br />

67 Siehe dazu von der Crone (FN 58), 254 ff. und 277 ff.; Grob<br />

(FN 4), 170 f.<br />

68 Dabei ist mit von der Crone (FN 58, 311 ff., insbesondere<br />

320 f.) und Grob (FN 4, 171) von der Anwendbarkeit der Regeln<br />

der einfachen Gesellschaft auszugehen, die zu einem sachgerechteren<br />

Resultat führen als die Bestimmungen des Auftragsrechts<br />

(insbesondere Art. 402 Abs. 1 OR). Abzulehnen ist<br />

demgegenüber ein Entschädigungsanspruch für Investitionen,<br />

die auf einseitigen Entscheid des Zulieferers zurückgehen, vgl.<br />

von der Crone (FN 58), 320; Grob (FN 4), 170.<br />

69 Vgl. zu dieser Möglichkeit Rolf H. Weber, in: Heinrich Honsell/Nedim<br />

Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar,<br />

Obligationenrecht I, 4. A., Basel/Genf/München 2007,<br />

Art. 402 N 16; Fellmann (FN 65), Art. 402 N 64.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Ohnehin dürfte die geschuldete Vergütung für die Pfl icht<br />

des Zulieferers, ein QS-System zu unterhalten, kaum je als<br />

zusätzliches Fixum bezahlt werden, sondern von den Vertragsparteien<br />

regelmässig in die vereinbarten Stückpreise<br />

einberechnet werden 70 . Ist die QS-Vereinbarung daher in einen<br />

konkreten Liefervertrag integriert, d.h. beispielsweise in<br />

den Lieferbedingungen enthalten, oder wird sie zumindest<br />

im Zusammenhang mit einem oder mehreren bereits konkreten<br />

Lieferverträgen abgeschlossen, so besteht unseres Erachtens<br />

die Vermutung, dass die Vergütung für die vereinbarten<br />

QS-Massnahmen durch den Werklohn (bzw. Kaufpreis)<br />

abgegolten ist 71 .<br />

7. Aufl ösung von QS-Vereinbarungen<br />

Verletzt der Zulieferer qualitätssichernde Pfl ichten, die lediglich<br />

für einen einzelnen, konkreten Beschaffungsvertrag vereinbart<br />

wurden, und hat diese Vertragsverletzung die Mangelhaftigkeit<br />

des Produktes zur Folge, so führt dies vorab<br />

zur Anwendbarkeit der Gewährleistungsbestimmungen des<br />

entsprechenden Vertragstyps (dazu nachfolgend Ziff. 9.3) 72 .<br />

Die Verletzung von produktbezogenen Pfl ichten kann unter<br />

Umständen aber auch die Aufl ösung des betreffenden Beschaffungsvertrages<br />

rechtfertigen 73 , und zwar gestützt auf die<br />

auf den Beschaffungsvertrag anwendbaren Bestimmungen 74 .<br />

Gleiches gilt auch für die Verletzung von Pfl ichten, die nicht<br />

produktbezogen sind 75 und deren Nichtbeachtung deshalb<br />

keinen Produktmangel zur Folge haben.<br />

Verletzt der Zulieferer demgegenüber qualitätssichernde<br />

Pfl ichten, die in einer eigenständigen, als Rahmenvertrag<br />

zu qualifi zierenden QS-Vereinbarung und damit für eine<br />

Vielzahl von Beschaffungsverträgen oder gar unabhängig<br />

von solchen festgelegt wurden (vgl. vorstehend Ziff. 2), so<br />

stellt sich die Frage, nach welchen Bestimmungen sich das<br />

Recht zur Aufl ösung der QS-Vereinbarung beurteilt 76 . Aufgrund<br />

der Natur der QS-Vereinbarung als Dauerschuldverhältnis<br />

kommt nur ein Kündigungsrecht, nicht aber ein<br />

Rücktrittsrecht in Betracht 77 . Da QS-Vereinbarungen dar-<br />

70 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 17.<br />

71 Vgl. auch Grob (FN 4), 172.<br />

72 Grob (FN 4), 173.<br />

73 A.M. wohl Grob (FN 4), 173.<br />

74 Wie vorstehend (Ziff. 5) ausgeführt, unterliegen Qualitätssicherungsmassnahmen,<br />

die für einen Einzelvertrag vereinbart wurden,<br />

grundsätzlich dessen Bestimmungen. Als Grundlage für<br />

die Vertragsaufl ösung kann beispielsweise Art. 366 Abs. 2 OR<br />

dienen.<br />

75 Beispielsweise Informations- und Dokumentationspfl ichten.<br />

76 Die Verletzung von produktbezogenen Pfl ichten, die zur Mangelhaftigkeit<br />

des Produktes führt, ist gleich wie bei Einzelverträgen<br />

vorab nach den Gewährleistungsbestimmungen zu ahnden.<br />

77 Grob (FN 4), 173; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 301.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 258 10.3.2009 9:11:57 Uhr


auf ausgerichtet sind, die Grundlagen für eine längerfristige<br />

Geschäftsbeziehung zu schaffen, befriedigt das jederzeitige<br />

Kündigungsrecht nach Auftragsrecht (Art. 404 OR) nicht.<br />

Aufgrund der gegebenen Interessenparallelität 78 anerbietet<br />

sich vielmehr die Anwendung der Aufl ösungsregel der einfachen<br />

Gesellschaft 79 . Danach kann eine auf unbestimmte<br />

Dauer geschlossene QS-Vereinbarung mit einer Frist von<br />

sechs Monaten gekündigt werden (Art. 546 Abs. 1 OR) 80 .<br />

Daneben muss aber auch ein jederzeitiges Aufl ösungsrecht<br />

aus wichtigem Grund bejaht werden, das bei Dauerschuldverhältnissen<br />

allgemein gilt 81 .<br />

Die Aufl ösung einer QS-Vereinbarung führt nicht automatisch<br />

auch zur Beendigung bereits laufender Beschaffungsverträge.<br />

Eine solche wird sich aber in der Regel aufdrängen,<br />

da mit dem Verlust des Vertrauens in die Qualitätsfähigkeit<br />

des Zulieferers auch die Geschäftsgrundlage für einzelne<br />

Lieferverträge entfällt 82 . Haben es die Parteien versäumt,<br />

eine ausdrückliche Regelung für diesen Fall zu treffen 83 , ist<br />

durch Auslegung der einzelnen Beschaffungsverträge zu ermitteln,<br />

ob die Parteien beabsichtigten, deren Wirksamkeit<br />

vom Bestand der QS-Vereinbarung abhängig zu machen 84 .<br />

8. Wechselwirkungen zwischen<br />

QS-Vereinbarungen und gesetzlichem<br />

Gewährleistungsrecht<br />

8.1 Ausgangslage<br />

Das primäre Ziel von QS-Vereinbarungen besteht nach dem<br />

Gesagten regelmässig darin, mittels gezielter QS-Massnahmen<br />

bestmögliche Voraussetzungen zu schaffen, damit jeg-<br />

78 Siehe dazu vorstehend Ziff. 5.<br />

79 Gl.M. Grob (FN 4), 173; von der Crone (FN 58), 323; Rolf<br />

H. Weber, Rahmenverträge als Mittel zur rechtlichen Ordnung<br />

langfristiger Geschäftsbeziehungen, ZSR 106/1987, I, 430.<br />

80 Art. 546 OR ist dispositiver Natur und kann deshalb vertraglich<br />

abgeändert werden. Wird indessen eine bestimmte vertragliche<br />

Mindestdauer vereinbart, so treffen die Parteien für die davon<br />

erfasste Zeit eine abschliessende Beendigungsordnung, die die<br />

Anwendung der ordentlichen gesetzlichen Kündigungsregel<br />

ausschliesst (BGE 106 II 229).<br />

81 BGE 128 III 429 m.w.H. Das Klageerfordernis gemäss Art. 545<br />

Abs. 1 Ziff. 7 OR ist für QS-Vereinbarungen abzulehnen. Vgl.<br />

auch Weber, Rahmenverträge (FN 79), 430, der eine ausserordentliche<br />

Aufl ösung eines Rahmenvertrages aus wichtigem<br />

Grund z.B. bei permanenter Verletzung der Einzelverträge bejaht.<br />

82 Grob (FN 4), 174.<br />

83 Denkbar ist z.B., dass die Beschaffungsverträge aufl ösend bedingt<br />

geschlossen werden, vgl. Grob (FN 4), 174. Möglich ist<br />

aber auch eine Regelung, wonach bereits eingegangene Einzelverträge<br />

vollständig abgewickelt werden, und zwar mit bisherigem<br />

Vertragsinhalt und unter Zugrundelegung der Regelungen<br />

der QS-Vereinbarung.<br />

84 Grob (FN 4), 174.<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

liche Arten von Qualitätsabweichungen vermieden werden<br />

können und das bestellte Produkt bei seiner Ablieferung<br />

letztlich vollumfänglich den vertraglich vereinbarten Eigenschaften<br />

entspricht (vgl. auch vorstehend Ziff. 3.1) 85 . Kein<br />

noch so durchdachtes QS-System vermag in der Praxis indessen<br />

die völlige Fehlerfreiheit der Produkte zu gewährleisten,<br />

weshalb immer wieder Mängel am zu liefernden Produkt<br />

zu Tage treten, welche durch eben diese QS-Massnahmen<br />

hätten verhindert werden sollen 86 .<br />

Die Ursachen für Mängel können dabei sehr vielfältig<br />

sein. Denkbar ist einerseits, dass das vereinbarte QS-System<br />

fehlerhaft bzw. unzureichend ist oder aber, dass es der<br />

Zulieferer mangelhaft umgesetzt hat. Daneben können aber<br />

auch gänzlich ausserhalb des QS-Systems anzusiedelnde<br />

Faktoren für die Fehlerhaftigkeit der Produkte mitursächlich<br />

sein 87 . In der Praxis ist es zumeist schwierig, die effektiv<br />

massgeblichen Fehlerquellen zu eruieren.<br />

Interessant und in der Schweizer Literatur bis anhin wenig<br />

diskutiert ist in diesem Zusammenhang die Frage, wer<br />

das Risiko für solche Mängel zu tragen hat, die trotz oder<br />

möglicherweise gerade infolge des vereinbarten QS-Systems<br />

eingetreten sind, und ob bzw. inwieweit sich der Zulieferer<br />

allenfalls durch den Nachweis einer vertragsgemässen<br />

Durchführung des vereinbarten QS-Systems von seiner Haftung<br />

entlasten kann 88 .<br />

Die nachfolgenden Ausführungen wollen diese Frage mit<br />

Blick auf das werkvertragliche Gewährleistungsrecht im<br />

Sinne von Art. 367 ff. OR näher beleuchten. Da die Pfl icht<br />

des Zulieferers zur Ablieferung mangelfreier Ware nach<br />

der Konzeption des schweizerischen Obligationenrechts als<br />

verschuldensunabhängige Garantiehaftung ausgestaltet ist,<br />

ist diese Anspruchsgrundlage für den Besteller äusserst interessant.<br />

Gleichzeitig birgt die Gewährleistungspfl icht für<br />

den Zulieferer ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko.<br />

Es würde den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen,<br />

auch die Aspekte der verschuldensabhängigen Vertragshaftung<br />

sowie der ausservertraglichen Haftung, insbesondere<br />

der Produktehaftpfl icht, in die Untersuchung miteinzubeziehen.<br />

Es sei diesbezüglich auf die einschlägige Literatur verwiesen<br />

89 .<br />

85 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 196;<br />

Peter Gauch, Der Werkvertrag, 4. A., Zürich 1996, N 2560;<br />

Hess/Werk (FN 7), 242.<br />

86 Grob (FN 4), 41.<br />

87 Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377<br />

HGB N 18.<br />

88 Grob (FN 4), 176.<br />

89 Vgl. insb. Hess/Werk (FN 7), 256; zum deutschen Recht vgl.<br />

sodann auch Quittnat (FN 15), 571 ff.; Teichler (FN 2),<br />

428 ff.; Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44<br />

N 27 ff.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 21), 817 ff.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 259 10.3.2009 9:11:57 Uhr<br />

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260<br />

Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />

8.2 Übersicht über das werkvertragliche<br />

Gewährleistungsrecht<br />

8.2.1 Allgemeines<br />

Ähnlich wie im Kaufvertragsrecht (Art. 197 ff. OR) gilt auch<br />

im Werkvertragsrecht eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung<br />

des Unternehmers für allfällige Werkmängel im<br />

Zeitpunkt der Ablieferung (vgl. Art. 367 ff. OR) 90 .<br />

Mit einem überwiegenden Teil der Lehre ist davon auszugehen,<br />

dass sich die kaufvertraglichen Gewährleistungsbestimmungen<br />

nach Art. 197 OR und die werkvertraglichen<br />

Bestimmungen nach Art. 368 OR hinsichtlich des Mangelbegriffes<br />

und der Prüfungs- und Rügeobliegenheiten weitgehend<br />

entsprechen. Die unterschiedliche Formulierung<br />

des Sachmangel- bzw. Fehlerbegriffs in den entsprechenden<br />

Bestimmungen hat im Ergebnis daher kaum praktische Relevanz<br />

91 . Entsprechend sind auch allfällige Abgrenzungsschwierigkeiten<br />

zwischen Werklieferungs- und Kaufvertrag<br />

mit Blick auf die Gewährleistungspfl icht des Zulieferers nur<br />

von untergeordneter Bedeutung (vgl. vorstehend die einleitenden<br />

Bemerkungen in Ziff. 1) 92 .<br />

8.2.2 Der Begriff des Werkmangels<br />

Art. 368 OR unterscheidet zwischen «erheblichen Mängeln»<br />

und sonstigen Abweichungen vom Vertrag, die das Werk für<br />

den Besteller unbrauchbar machen oder aufgrund welcher<br />

ihm die Annahme des Werkes billigerweise nicht zugemutet<br />

werden kann. Ungeachtet dieser Differenzierung handelt es<br />

sich bei einem Werkmangel nach schweizerischer Rechtsauffassung<br />

ganz allgemein um einen vertragswidrigen Zustand,<br />

der darin besteht, dass der gelieferten Ware eine vertraglich<br />

geforderte Eigenschaft fehlt, sei diese vertraglich vereinbart<br />

bzw. zugesichert oder aber vertraglich vorausgesetzt 93 . Vertraglich<br />

vorausgesetzt sind Eigenschaften, welche von den<br />

Parteien zwar nicht besonders vereinbart wurden, deren Vorhandensein<br />

der Besteller im Sinne einer gewöhnlich vorausgesetzten<br />

Beschaffenheit aufgrund des Vertrauensprinzips<br />

jedoch erwarten darf. Vereinbarte Eigenschaften sind demgegenüber<br />

Vertragsabreden, in denen die Parteien (ausdrück-<br />

90 Ausführlich zur werkvertraglichen Mängelhaftung Gauch<br />

(FN 85), N 1352 ff.<br />

91 Huegenin (FN 4), N 637; Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht<br />

(FN 4), 281; für eine «eigenständige Begriffsbestimmung»<br />

des Werkmangels dagegen Gauch (FN 85), N 1352 ff.<br />

92 Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 281;<br />

Thomas Siegenthaler, Die Mängelhaftung bei der Lieferung<br />

von Maschinen: Nach schweizerischem Obligationenrecht und<br />

unter Berücksichtigung der Liefer- und Montagebedingungen<br />

des Vereins schweizerischer Maschinen-Industrieller, Diss. Zürich<br />

2000, 19; Zindel/Pulver (FN 51), Art. 367 N 2; Grob<br />

(FN 4), 193; BGE 104 II 355.<br />

93 Gauch (FN 85), N 1356; Hürlimann/Siegenthaler (FN 4),<br />

Art. 367 OR N 3; Siegenthaler (FN 92), 19.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

lich oder konkludent) übereinkommen, dass das geschuldete<br />

Werk bestimmte Eigenschaften aufweisen muss.<br />

Daraus ergibt sich, dass immer dann ein Werkmangel vorliegt,<br />

wenn die «Ist-Beschaffenheit» des Werkes nicht mit<br />

der «Soll-Beschaffenheit» übereinstimmt, sei diese nun vertraglich<br />

festgelegt oder vorausgesetzt 94 . Die Frage, was ein<br />

Mangel im Rechtssinne darstellt, hängt damit jeweils vom<br />

konkreten Vertrag ab und fällt nicht notwendigerweise mit<br />

dem zusammen, was unter technischen Gesichtspunkten als<br />

«Mangel» anzusehen ist 95 .<br />

Ein Mangel kann beispielsweise körperlicher, ästhetischer<br />

oder auch wirtschaftlicher Natur sein (z.B. zu hoher Energieverbrauch).<br />

Sodann wird gemeinhin anerkannt, dass auch<br />

ausserhalb der physischen und technischen Beschaffenheit<br />

liegende Sachverhalte für die Sachmängelhaftung relevante<br />

Eigenschaften sein können 96 . Erfasst werden beispielsweise<br />

auch innere Eigenschaften (z.B. Funktionsfähigkeit, Sparsamkeit<br />

oder Unterhaltsfreiheit) 97 .<br />

Kein Mangel liegt indessen vor, wenn ein völlig anderes<br />

Werk als das geschuldete geliefert wird (Aliudlieferung) 98 .<br />

8.2.3 Die Mängelrüge<br />

Die Gewährleistungspfl icht setzt sowohl nach Kaufvertrag<br />

als auch nach Werkvertrag voraus, dass der Besteller die<br />

Sache, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich<br />

ist, prüft und dem Zulieferer allfällige Mängel unverzüglich<br />

anzeigt (vgl. Art. 201 OR und Art. 367 OR). Unterbleibt die<br />

Rüge offenkundiger Mängel, so gilt die Ware grundsätzlich<br />

als genehmigt und der Besteller verliert seine Mängelrechte.<br />

Versteckte Mängel, d.h. Mängel, die bei Abnahme und ordnungsmässiger<br />

Prüfung nicht erkennbar waren oder erst später<br />

zu Tage getreten sind, müssen sofort nach Entdecken gerügt<br />

werden (Art. 370 Abs. 3 OR).<br />

94 Bühler (FN 55), Art. 368 N 28; vgl. auch Huguenin (FN 4),<br />

N 637: Werkmangel als Differenz zum vereinbarten Leistungsprogramm.<br />

95 Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 77 und<br />

281; Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 367 OR N 3;<br />

Gauch (FN 85), N 919 und 1357; Bühler (FN 55), Vorbemerkungen<br />

zu Art. 367–371 N 2; Grob (FN 4), 192.<br />

96 Grob (FN 4), 178.<br />

97 Gauch (FN 85), N 1358.<br />

98 Zur Abgrenzung Schlechterfüllung vs. Aliud vgl. Gauch<br />

(FN 85), N 1443 ff.; sehr weitgehend BGE 4C.204/2002<br />

Erw. 5.1, wonach immer dann, wenn die Vertragsparteien das<br />

Vertragsobjekt detailliert defi nieren, das Fehlen eines Elementes<br />

dieser Defi nition zur Folge hat, dass dieses als aliud zu qualifi -<br />

zieren ist. Diese Auffassung ist u.E. abzulehnen, zumal das vertragliche<br />

Gewährleistungsrecht gerade im Anwendungsbereich<br />

von QS-Vereinbarungen, welche oft umfassende Produktspezifi -<br />

kationen enthalten, andernfalls weitgehend obsolet würde.<br />

Nach herrschender Lehre treten bei einer Aliudlieferung ausschliesslich<br />

die Rechtsfolgen der Nichterfüllung bzw. der nicht<br />

gehörigen Erfüllung nach Art. 97 ff OR ein und nicht diejenigen<br />

der Gewährleistung; vgl. Bühler (FN 55), Art. 368 N 35.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 260 10.3.2009 9:11:58 Uhr


8.2.4 Die einzelnen Mängelrechte<br />

Die einzelnen Mängelrechte des Bestellers ergeben sich aus<br />

Art. 368 OR. Es sind dies Nachbesserung, Wandelung, Minderung<br />

und Schadenersatz 99 .<br />

8.3 Auswirkungen von QS-Vereinbarungen<br />

auf die werkvertragliche Mängelhaftung<br />

8.3.1 Allgemeines<br />

Aufgrund des Werklieferungsvertrages verpfl ichtet sich der<br />

Zulieferer zur Produktion und Ablieferung eines näher spezifi<br />

zierten Werkes bzw. Produktes. Im Rahmen von QS-Vereinbarungen<br />

bzw. den zugehörigen Spezifi kationsvereinbarungen<br />

werden die einzelnen Qualitätsmerkmale, welchen<br />

das zu liefernde Produkt entsprechen soll, von den Parteien<br />

mehr oder weniger umfassend festgelegt (sog. Spezifi kationen,<br />

vgl. vorstehend Ziff. 4.2). Gleichzeitig wird der Zulieferer<br />

im Rahmen von QS-Vereinbarungen regelmässig zur<br />

Einrichtung und Aufrechterhaltung eines bestimmten QS-<br />

Systems verpfl ichtet, welches sich in aller Regel allein auf<br />

die Ausgestaltung des Fertigungs- und Qualitätsprüfungsverfahrens<br />

bezieht, um sicherzustellen, dass das zu liefernde<br />

Produkt letztlich tatsächlich den vereinbarten Qualitätsmerkmalen<br />

entspricht. Für die Behandlung der Auswirkungen von<br />

QS-Vereinbarungen auf das Gewährleistungsrecht sollten die<br />

produktbezogenen QS-Vereinbarungen (Spezifi kationen bzw.<br />

Qualitätsmerkmale des zu liefernden Produktes) einerseits<br />

und die verfahrensbezogenen QS-Vereinbarungen (einzelne<br />

QS-Massnahmen bzw. QS-System) andererseits grundsätzlich<br />

stets auseinander gehalten werden, da es jeweils um einen<br />

ihrer Natur nach grundsätzlich anderen Regelungsinhalt<br />

geht 100 . In der Praxis lässt sich die Grenze zwischen verfahrens-<br />

und produktbezogenen Vorgaben allerdings kaum je<br />

ganz klar ziehen 101 .<br />

Auch wenn der Abschluss von QS-Vereinbarungen zweifellos<br />

zu einer stärkeren Zusammenarbeit der Vertragspartner<br />

führt, als es dem klassischen Austausch- oder Werklieferungsvertrag<br />

entspricht, rechtfertigt eine entsprechende<br />

Vereinbarung, wie nachfolgende Ausführungen zeigen wer-<br />

99 Für weitergehende Ausführungen zu den werkvertraglichen<br />

Mängelrechten vgl. Gauch (FN 85), N 1352 ff.<br />

100 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 45 N 1 ff. Dabei<br />

ist im Einzelfall zu untersuchen, wie detailliert die Parteien die<br />

Anforderungen an das QS-System defi niert haben. Denkbar ist,<br />

dass die Parteien sich lediglich auf die Einführung und Aufrechterhaltung<br />

eines «geeigneten» QS-Systems geeinigt haben,<br />

auf ein genormtes QS-System (z.B. durch Bezugnahme auf den<br />

umfassende Regelungswert der DIN ISO 9000 bis 9004) oder<br />

aber die Parteien arbeiten gemeinsam ein detailliertes fallspezifi<br />

sches QS-System aus.<br />

101 Ausführlich Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44<br />

N 6 ff.<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

den, unseres Erachtens keine prinzipielle Verdrängung des<br />

klassischen Gewährleistungsrechts 102 . Indessen lässt der Abschluss<br />

von QS-Vereinbarungen das werkvertragliche Gewährleistungsrecht<br />

nicht gänzlich unberührt.<br />

Häufi g erfährt das Gewährleistungsrecht im Rahmen von<br />

QS-Vereinbarungen sodann eine umfassende Regelung,<br />

sei es, dass die dispositiven gesetzlichen Bestimmungen<br />

modifi ziert werden oder dass deren Anwendbarkeit gänzlich<br />

ausgeschlossen wird. So wird namentlich die Wareneingangskontrolle<br />

des Bestellers häufi g auf den Zulieferer<br />

vorverlagert (vgl. vorstehend Ziff. 4.6) 1<strong>03</strong> . Überdies wird<br />

der Zulieferer regelmässig versucht sein, seine Haftung für<br />

verbleibende Mängel im Rahmen von QS-Vereinbarungen<br />

soweit als möglich auszuschliessen (vorstehend Ziff. 3.4) 104 .<br />

Es versteht sich von selbst, dass entsprechende Individualabreden<br />

aufgrund des dispositiven Charakters der gesetzlichen<br />

Bestimmungen den nachfolgenden, allgemeinen Ausführungen<br />

vorgehen.<br />

8.3.2 Gewährleistungspfl icht trotz Einhaltung<br />

des vereinbarten QS-Systems?<br />

8.3.2.1 Grundsatz: Die Pfl icht zur Lieferung<br />

mängelfreier Produkte gilt unabhängig vom<br />

Vorliegen einer QS-Vereinbarung<br />

Die Kernfrage im Rahmen der Wechselwirkung zwischen<br />

QS-Vereinbarungen und werkvertraglichem Gewährleistungsrecht<br />

ist, ob dem Besteller auch dann Gewährleistungsansprüche<br />

offenstehen, wenn der Zulieferer sämtliche<br />

verfahrensbezogenen Vorgaben der QS-Vereinbarung eingehalten<br />

hat, die abgelieferte Ware aber dennoch einen Mangel<br />

aufweist und somit nicht den vereinbarten produktbezogenen<br />

Qualitätsmerkmalen entspricht, oder ob sich der Zulieferer<br />

diesfalls durch den Nachweis der Befolgung des vereinbarten<br />

QS-Systems von seiner vertraglichen Mängelhaftung befreien<br />

kann.<br />

Auf den ersten Blick könnte man dem Gedanken verfallen,<br />

dass die Festlegung der vom Zulieferer zu erbringenden<br />

QS-Massnahmen das Gewährleistungsrecht verdrängt, zumal<br />

der Besteller durch sein Einverständnis bzw. allenfalls<br />

seine eigenen Vorgaben hinsichtlich der anzuwendenden QS-<br />

Massnahmen implizit zu erkennen gibt, dass er das Auftreten<br />

fehlerhafter Teile unter Einhaltung des entsprechenden QS-<br />

Systems selbst nicht mehr für möglich hält. Daraus wieder-<br />

102 Ebenso Franke (FN 2), 68; Gauch (FN 85), N 2560 f.<br />

1<strong>03</strong> Grob (FN 4), 157; Zindel/Pulver (FN 51), Art. 367 N 29;<br />

Schmidt (FN 11), 148; ebenso Quittnat (FN 15), 572.<br />

104 Für arglistig verschwiegene Mängel ist eine vertragliche Beschränkung<br />

oder Aufhebung der Haftung nach h.L. generell unzulässig<br />

(Art. 199 OR); vgl. Huguenin (FN 4), N 634; Bühler<br />

(FN 55), Art. 368 N 249; a.M. Honsell, Schweizerisches<br />

Obligationenrecht (FN 4), 290 f.; vgl. auch Hess/Werk (FN 7),<br />

253 f.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 261 10.3.2009 9:11:58 Uhr<br />

261


262<br />

Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />

um könnte der Schluss gezogen werden, dass der Zulieferer<br />

für dennoch eintretende Mängel an der abgelieferten Ware<br />

nicht zu haften braucht, wenn er nachzuweisen vermag, dass<br />

er sich vollumfänglich an das vertraglich vereinbarte QS-<br />

System gehalten hat 105 .<br />

Eine solche pauschale Verdrängung des Gewährleistungsrechts<br />

durch die Vereinbarung eines QS-Systems oder einzelner<br />

QS-Massnahmen ist indessen abzulehnen. Vielmehr ist<br />

mit der überwiegenden Lehre vom Grundsatz auszugehen,<br />

dass die Pfl icht zur Lieferung mängelfreier Ware unabhängig<br />

davon besteht, ob zwischen den Parteien eine QS-Vereinbarung<br />

abgeschlossen wurde 106 . Andernfalls würde der<br />

Abschluss einer QS-Vereinbarung indirekt implizieren, dass<br />

die Fertigungsprozesse durch Einhaltung entsprechender<br />

QS-Massnahmen 100 %ig sicher gestaltet werden und folglich<br />

letztlich eine Nullfehlerquote erzielt werden könnte, was<br />

indessen nicht der Realität entspricht 107 .<br />

In aller Regel kann sich der Zulieferer deshalb nicht durch<br />

den Nachweis, dass er das vereinbarte QS-System eingehalten<br />

hat, von seiner Pfl icht zur Lieferung mängelfreier Ware<br />

entlasten 108 . Produktmängel, welche trotz des vereinbarten<br />

Qualitätssicherungssystems eintreten, unterliegen deshalb<br />

grundsätzlich weiterhin der Untersuchungs- und Rügepfl<br />

icht 109 .<br />

Anders lautende Vereinbarungen der Parteien bleiben<br />

selbstverständlich vorbehalten 110 .<br />

8.3.2.2 Ausnahme: Einschränkung der Gewährleistungspfl<br />

icht infolge Mitverantwortung<br />

des Bestellers<br />

8.3.2.2.1 Allgemeines<br />

Auch bei Geltung des soeben dargelegten Grundsatzes muss<br />

indessen berücksichtigt werden, dass die beim abgelieferten<br />

Produkt festgestellte Abweichung der Ist-Beschaffenheit<br />

von der Soll-Beschaffenheit auf unterschiedliche Ursachen<br />

zurückzuführen sein kann. Wie bereits dargelegt wurde (vgl.<br />

Ziff. 8.1 vorstehend), können sich die aufgetretenen Mängel<br />

105 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 265.<br />

106 Franke (FN 2), 68; ebenso Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 265 f., mit dem Hinweis, dass auch das<br />

Argument der doppelten Vergütung (für die Herstellung des<br />

Sachgutes einerseits und die Qualitätssicherungsleistung andererseits)<br />

gegen eine Beschränkung auf die Haftung für die Qualität<br />

des QS-Systems spricht.<br />

107 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 22.<br />

108 Gauch (FN 85), N 2560; Henninger (FN 6), 65.<br />

109 Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 820.<br />

110 So wäre beispielsweise eine Abrede, wonach der Zulieferer<br />

nicht verpfl ichtet ist, mängelfreie Ware zu liefern, sondern einzig,<br />

das vereinbarte QS-System zu befolgen, durchaus denkbar.<br />

Allein aufgrund des Umstandes, dass sich der Lieferant zur<br />

Durchführung einzelner QS-Massnahmen verpfl ichtet hat, darf<br />

indessen nicht auf eine solche (stillschweigende) Abrede geschlossen<br />

werden; vgl. Gauch (FN 85), N 2561.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

am gelieferten Produkt namentlich deshalb eingestellt haben,<br />

weil das vereinbarte QS-System von den Parteien unzureichend<br />

ausgestaltet wurde. Denkbar ist aber auch, dass<br />

die Mängel gerade durch die Einhaltung eines vom Besteller<br />

abverlangten QS-Systems bedingt sind 111 .<br />

Haben sich Mängel gerade deshalb eingestellt, weil der<br />

Zulieferer sich an gemeinsam vereinbarte oder allenfalls<br />

vom Besteller alleine aufgezwungene QS-Massnahmen<br />

gehalten hat, wäre es in der Regel stossend, wenn sich der<br />

Besteller bei Mängeln an der gelieferten Ware auf die Alleinverantwortlichkeit<br />

des Zulieferers berufen könnte 112 . Je<br />

weitreichender die Einwirkungsherrschaft des Bestellers ist,<br />

umso weitreichender muss nach dem Grundsatz der Parallelität<br />

von Herrschaft und Haftung deshalb auch seine Mitverantwortung<br />

für eingetretene Mängel sein 113 .<br />

8.3.2.2.2 Einschränkung der Gewährleistung<br />

infolge Anweisung<br />

Erteilt der Besteller im Rahmen der QS-Vereinbarung verbindlich<br />

Anweisungen, wie der Zulieferer das Werk in dieser<br />

oder jener Hinsicht auszuführen bzw. eine Ware herzustellen<br />

hat, so handelt es sich aus Sicht des Schweizer Rechts regelmässig<br />

um werkvertragliche Ausführungsanweisungen im<br />

Sinne von Art. 369 OR. Resultiert aus der Befolgung einer<br />

derartigen Weisung (z.B. über das anzuwendende Arbeitsverfahren,<br />

den zu verwendenden Werkstoff oder den Beizug<br />

eines bestimmten Subunternehmers) folglich ein Mangel, so<br />

kann der Zulieferer nach Massgabe des Art. 369 OR von seiner<br />

Gewährleistungspfl icht befreit sein.<br />

Es muss jedoch stets im Einzelfall geprüft werden, ob sich<br />

die Einfl ussnahme des Bestellers effektiv auf den eingetretenen<br />

Sachmangel ausgewirkt hat. Wird ein Sachmangel beispielsweise<br />

aufgrund des vom Besteller angeordneten Sicherungskonzepts<br />

lediglich nicht frühzeitig aufgedeckt, so hat<br />

dies nicht ohne weiteres einen Verlust der Gewährleistungsansprüche<br />

zur Folge, da zwischen der Anweisung des Bestellers<br />

und der Mangelentstehung kein Kausalzusammenhang<br />

besteht114 .<br />

Damit sich der Zulieferer entlasten kann, wird zudem vorausgesetzt,<br />

dass dieser den Besteller rechzeitig abgemahnt<br />

und unmissverständlich darauf hingewiesen hat, dass die erteilte<br />

Weisung seines Erachtens zu einem Werkmangel führen<br />

könnte und er die Verantwortung für die entsprechende<br />

Ausführung ablehne115 .<br />

Nur ausnahmsweise, wenn die Weisung des Bestellers<br />

sachverständig erteilt wurde und der Zulieferer deren Fehler-<br />

111 Vgl. auch Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 21), 820 f.<br />

112 Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 820;<br />

Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 25.<br />

113 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 267; vgl.<br />

auch Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 45.<br />

114 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 280.<br />

115 Zindel/Pulver (FN 51), Art. 369 N 9.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 262 10.3.2009 9:11:58 Uhr


haftigkeit weder erkannt hat noch hat erkennen müssen, kann<br />

letzterer auch ohne Abmahnung von der Sachgewährleistung<br />

befreit sein. Als sachverständig gilt eine Weisung, wenn der<br />

Besteller oder sein Berater über jene fachlichen Kenntnisse<br />

verfügen, die es ihnen gestatten, die erteilten Weisungen auf<br />

ihre Richtigkeit hin zu durchschauen und ihre Fehlerhaftigkeit<br />

zu erkennen 116 . Indessen muss der Zulieferer den Besteller<br />

auch im Falle einer sachverständig erteilten Weisung<br />

unverzüglich abmahnen, nachdem er deren Fehlerhaftigkeit<br />

erkannt hat oder hätte erkennen müssen 117 .<br />

Schliesslich setzt ein haftungsausschliessendes Selbstverschulden<br />

des Bestellers im Sinne von Art. 369 OR nach h.L.<br />

voraus, dass die Verursachung des Mangels ausschliesslich<br />

dem Besteller zuzurechnen ist 118 . An dieser Voraussetzung<br />

fehlt es, wenn daneben auch Ursachen aus der Pfl icht- und<br />

Risikosphäre des Unternehmers zur Entstehung des Mangels<br />

beigetragen haben 119 . Im Rahmen einvernehmlich festgelegter<br />

QS-Massnahmen trägt der Zulieferer in aller Regel<br />

ebenfalls zur Entstehung des Mangels bei und er dürfte sich<br />

deshalb kaum je gänzlich von der Gewährleistungspfl icht<br />

befreien können. Durch die analoge Anwendung von Art. 99<br />

Abs. 3 OR i.V.m. Art. 44 Abs. 1 OR kann der Zulieferer aber<br />

immerhin teilweise entlastet werden, soweit den Besteller<br />

ebenfalls ein gewisses Selbstverschulden trifft 120 .<br />

8.3.2.2.3 Einschränkung der Gewährleistung<br />

infolge Datentransparenz<br />

Neben der Weisungsbefugnis des Bestellers führt namentlich<br />

auch die im Rahmen von QS-Vereinbarungen erhöhte<br />

Datentransparenz (siehe auch vorstehend Ziff. 4.4) häufi g zu<br />

einer Mitverantwortung des Bestellers. Durch den erhöhten<br />

Informationsaustausch zwischen den Parteien befi ndet sich<br />

der Besteller regelmässig in einer im Vergleich zur gesetzlichen<br />

Regelung verbesserten Informationslage: Während er<br />

im Normalfall erst nach Ablieferung des Werkes eine Prüfung<br />

desselben vornehmen kann, erlauben es ihm die vereinbarten<br />

Informationsrechte, Mängel früher und leichter festzustellen121<br />

. Jede vorwerfbar nicht ausreichend verwertete<br />

Information (z.B. auch Erkenntnisse, die im Rahmen einer<br />

Auditierung erlangt werden oder hätten erlangt werden können),<br />

welche objektiv erkennbar auf Mängel im QS-System<br />

oder auf drohende bzw. bereits realisierte Qualitätsmängel<br />

hinweist, führt letztlich zu einer Mitverantwortung des Bestellers<br />

infolge Untätigkeit und entlastet im Ergebnis den Zulieferer<br />

von seiner alleinigen Haftung122 .<br />

116 Zindel/Pulver (FN 51), Art. 369 N 14.<br />

117 Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 369 OR N 5.<br />

118 Zindel/Pulver (FN 51), Art. 369 N 3.<br />

119 Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 369 OR N 7.<br />

120 Huguenin (FN 4), N 634; Hürlimann/Siegenthaler (FN 4),<br />

Art. 369 OR N 7.<br />

121 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 47.<br />

122 Parallelität von Informationsherrschaft und Haftung; vgl. auch<br />

Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 268; sie-<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Insbesondere wird durch die dem Besteller eingeräumten<br />

Informationsrechte auch die Grenze zwischen erkennbaren<br />

und verborgenen Mängeln verschoben: Mängel, die aufgrund<br />

herkömmlicher Prüfung kaum feststellbar sind, können<br />

allenfalls aufgrund der dem Abnehmer verfügbaren Information<br />

erkennbar werden 123 .<br />

Daraus folgt, dass der Abnehmer dem Zulieferer ausnahmsweise<br />

124 noch vor der Ablieferung der Ware Mängel<br />

anzuzeigen hat, die er beispielsweise aufgrund eines durchgeführten<br />

Audits oder aufgrund von Prüfberichten des Zulieferers<br />

festgestellt hat oder hätte feststellen können. Andernfalls<br />

verliert er seine Mängelrechte 125 .<br />

8.3.3 Mängelhaftung infolge Nichteinhaltung<br />

des vereinbarten QS-Systems?<br />

8.3.3.1 Allgemeines<br />

Nachdem vorstehend untersucht wurde, inwieweit der Zulieferer<br />

trotz Einhaltung des vereinbarten QS-Systems für<br />

die Mängelfreiheit seiner Produkte Gewähr zu leisten hat<br />

(vgl. vorstehend Ziff. 8.3.2), soll nachfolgend geprüft werden,<br />

welche Auswirkungen die Nichteinhaltung des vereinbarten<br />

QS-Systems auf die Gewährleistungspfl ichten des<br />

Zulieferers haben.<br />

In diesem Zusammenhang sind wiederum verschiedene<br />

Fallkonstellationen denkbar. Einerseits ist es möglich, dass<br />

das vereinbarte QS-System nicht eingehalten wurde und das<br />

vom Zulieferer abgelieferte Produkt darüber hinaus auch<br />

nicht den in der QS-Vereinbarung festgelegten Qualitätsanforderungen<br />

bezüglich Güte und Beschaffenheit entspricht<br />

(produktbezogene QS-Vereinbarungen, vgl. vorstehend<br />

Ziff. 8.3.1). Solche in den technischen Spezifi kationen festgelegten<br />

Eigenschaftsmerkmale fl iessen zweifellos in die<br />

Defi nition dessen ein, was nach dem Willen der Vertragsparteien<br />

als «mangelfreie Ware» anzusehen ist («Soll-Beschaffenheit»)<br />

126 . Fehlen entsprechende produktbezogene<br />

Qualitätsmerkmale am gelieferten Produkt, liegt folglich<br />

ein mangelhaftes Produkt vor. Hinsichtlich der Gewährleistungspfl<br />

ichten des Zulieferers kann nichts anderes gelten als<br />

he auch 278; Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44<br />

N 42 ff.; vgl. auch Peter Gauch, Garantie pour les défauts –<br />

Application par analogie de CO 200?, in: BR 1992, 96, der sich<br />

für eine analoge Anwendung von Art. 200 OR nach teleologischen<br />

Kriterien ausspricht.<br />

123 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 47; Ders.,<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 297.<br />

124 Im Grundsatz besteht vor der Ablieferung des beendeten<br />

Werkes für den Besteller weder eine Prüfungs- noch eine Anzeigepfl<br />

icht; vgl. Roman Bögli, Der Übergang von der Leistungspfl<br />

icht zur Mängelhaftung beim Werkvertrag – Zeitpunkt<br />

und Voraussetzungen, Diss., St. Gallen 1996, N 140; Zindel/<br />

Pulver (FN 51), Art. 367 N 5; BGE 4C.190/20<strong>03</strong>, E. 5.2.<br />

125 Überzeugend Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 297 ff.; Grob (FN 4), 158.<br />

126 Franke (FN 2), 69.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 263 10.3.2009 9:11:59 Uhr<br />

263


264<br />

Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />

bei Mängeln, die sich trotz Einhaltung des vereinbarten QS-<br />

Systems eingestellt haben. Der Zulieferer hat vorbehaltlich<br />

eines Mitverschuldens des Bestellers deshalb vollumfänglich<br />

für die eingetretenen Mängel einzustehen; es kann insoweit<br />

auf die voranstehenden Ausführungen verwiesen werden<br />

(vgl. Ziff. 8.3.2). Vorbehalten bleiben sodann allfällige Schadenersatzansprüche<br />

infolge Nichteinhaltung des QS-Systems<br />

(vgl. sogleich).<br />

Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob der Besteller<br />

auch dann in den Genuss der Gewährleistungsrechte<br />

kommen soll, wenn er zwar ein einwandfreies Produkt erhält,<br />

mithin also die produktbezogenen Bestimmungen der<br />

QS-Vereinbarung eingehalten wurden, das vom Zulieferer<br />

im Rahmen des Herstellungsprozesses gemäss QS-Vereinbarung<br />

einzuhaltende QS-System (verfahrensbezogene QS-<br />

Vereinbarung, vgl. Ziff. 8.3.1 vorstehend) aber mangelhaft<br />

umgesetzt wird 127 . Dies kann beispielsweise dann zutreffen,<br />

wenn sich aus den abzuliefernden Dokumentationen ergibt,<br />

dass bestimmte Testverfahren nicht im vereinbarten Rahmen<br />

durchgeführt wurden (es fanden z.B. nur 10 anstatt wie<br />

vereinbart 50 Testläufe zur Überprüfung der Widerstandsfähigkeit<br />

eines Produktes statt), das abgelieferte Produkt aber<br />

dennoch die vereinbarte Widerstandsfähigkeit aufweist.<br />

Ob und in welchem Umfang den Zulieferer diesfalls eine<br />

Gewährleistungspfl icht trifft, muss je nach Inhalt der konkreten<br />

QS-Vereinbarung gesondert bestimmt werden und<br />

hängt insbesondere davon ab, wie die entsprechende QS-Vereinbarung<br />

im Einzelfall rechtlich zu qualifi zieren ist 128 . Wie<br />

im Folgenden dargelegt wird, sind verschiedene Lösungsansätze<br />

denkbar.<br />

8.3.3.2 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen<br />

als vereinbarte oder vorausgesetzte<br />

Eigenschaften<br />

Wie bereits dargelegt wurde (vgl. Ziff. 8.2.2), ist gemeinhin<br />

anerkannt, dass nicht nur die physische und technische Beschaffenheit<br />

des zu liefernden Produkts als relevante Eigenschaft<br />

von den Parteien vereinbart oder vorausgesetzt sein<br />

kann, sondern auch innere Eigenschaften129 .<br />

In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, ob<br />

neben den im Rahmen von Spezifi kationen festgelegten<br />

Produktanforderungen130 auch verfahrensbezogene Bestimmungen<br />

von QS-Vereinbarungen über unmittelbar fertigungsbezogene<br />

Vorgänge (Fertigungs-, Ablauforganisation<br />

und -planung), über Qualitätskontrollmechanismen (z.B.<br />

127 Ausführlich hierzu Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55),<br />

§ 44 N 18 ff.<br />

128 Ausführlich hierzu Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55),<br />

§ 44 N 18 ff.<br />

129 Grob (FN 4), 178.<br />

130 Die in Spezifi kationen festgelegten Eigenschaftsmerkmale<br />

fl iessen ohne weiteres in die Defi nition dessen ein, was nach<br />

dem Willen der Vertragsparteien als «mangelfreie Ware» anzusehen<br />

ist; vgl. auch Ziff. 4.2).<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Prüfplanerstellung, Warenausgangskontrollen etc.) oder über<br />

den der Fertigung nachgelagerten Bereich (so z.B. im Zusammenhang<br />

mit der Art der Verpackung und der Lagerung,<br />

der Kennzeichnung der fertigen Lieferteile, Modalitäten der<br />

Anlieferung) Eigenschaften im Sinne von Art. 368 OR darstellen<br />

können 131 .<br />

Grundsätzlich ist es durchaus denkbar, dass auch der<br />

Umstand, wonach eine Sache unter Anwendung bestimmter<br />

QS-Massnahmen hergestellt werden soll, nach dem Willen<br />

der Parteien derart mit der Sache verknüpft wird, dass<br />

er zur Eigenschaft der Sache wird. Ob die QS-Massnahmen<br />

im Einzelfall auch tatsächlich vorausgesetzt werden durften<br />

bzw. zugesichert wurden, ist aufgrund des Vertrages und der<br />

konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden 132 . Namentlich<br />

wenn aus den Umständen des Vertragsschlusses für<br />

den Zulieferer klar erkennbar ist, dass die Einhaltung eines<br />

bestimmten QS-Systems aufgrund der individuellen Interessen<br />

des Bestellers einen massgebenden Einfl uss auf den Wert<br />

oder die Gebrauchstauglichkeit der Lieferung hat, insbesondere<br />

etwa weil er das Produkt unter Hinweis auf die QS-<br />

Massnahmen weiterverkaufen will, so muss die Anwendung<br />

der entsprechenden QS-Massnahmen als vorausgesetzte oder<br />

vereinbarte Eigenschaft gelten 133 .<br />

Die Parteien sind jedoch gut beraten, die Nichteinhaltung<br />

sämtlicher QS-Massnahmen ausdrücklich als Mangel im<br />

Sinne des Gewährleistungsrechts zu defi nieren und auf diese<br />

Weise das gesamte Qualitätsmanagement durch Vereinbarung<br />

der Mängelhaftung zu unterstellen, falls dies ihrem<br />

Willen entspricht 134 .<br />

Die blosse Bezugnahme im Vertrag der Parteien auf von<br />

der Industrie aufgestellte allgemeine Qualitätssicherungsnormen<br />

(z.B. ISO-Normen) berechtigt nach nicht unumstrittener<br />

Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes –<br />

sofern keine besonderen Umstände dazukommen – indessen<br />

regelmässig nicht zur Annahme, der Zulieferer wolle für die<br />

Einhaltung dieser Normen im Sinne einer Zusicherung oder<br />

Eigenschaftsvereinbarung nach den Bestimmungen des Gewährleistungsrechts<br />

einstehen 135 .<br />

8.3.3.3 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als<br />

vertragliche Haupt- oder Nebenpfl ichten<br />

Fehlt es an einer ausdrücklichen Vereinbarung und ist für den<br />

Zulieferer auch aus den Umständen des Vertragsschlusses<br />

131 Grob (FN 4), 176; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

(FN 10), 199 f.<br />

132 Grob (FN 4), 181.<br />

133 Grob (FN 4), 183; Siegenthaler (FN 92), 54.<br />

134 Beispiel nach Siegenthaler (FN 92), 54: «Diese Qualitätssicherungsvereinbarung<br />

ist Bestandteil der gültigen und vom<br />

Lieferer bestätigten Prüf- und Lieferspezifi kationen».<br />

135 Kritiker wollen die Bezugnahme auf allgemeine technische<br />

Normen für eine schlüssige Eigenschaftszusicherung bereits<br />

genügen lassen; vgl. Birgit Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

und Produkthaftung, Diss., München 1994, 84 f.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 264 10.3.2009 9:11:59 Uhr


nicht klar erkennbar, dass die Einhaltung der QS-Massnahmen<br />

als vorausgesetzte Eigenschaft gelten soll, stellt die<br />

Einhaltung der entsprechenden Massnahmen unseres Erachtens<br />

in aller Regel lediglich eine vertragliche Pfl icht dar, für<br />

deren Erfüllung der Zulieferer nach Art. 97 OR einzustehen<br />

hat. Ob es sich dabei um eine Haupt- oder eine blosse selbstständige<br />

Nebenpfl icht handelt, ist aufgrund der Umstände<br />

des Einzelfalles zu entscheiden. Eine Hauptpfl icht dürfte namentlich<br />

dann vorliegen, wenn die Pfl icht zur Errichtung und<br />

Aufrechterhaltung eines QS-Systems unabhängig von einem<br />

konkreten Liefergeschäft besteht. Die Frage ist aber insofern<br />

von untergeordneter Bedeutung, als sich die Haftung in beiden<br />

Fällen nach Art. 97 OR richtet.<br />

Die Verletzung der entsprechenden Massnahmen führt<br />

diesfalls nicht zu einem Werkmangel am Produkt im vorne<br />

dargelegten Sinne und lässt die Bestimmungen über die<br />

Mängelhaftung unberührt. Dem Besteller stehen folglich regelmässig<br />

keine Gewährleistungsansprüche offen – zumindest<br />

soweit die Ware im Übrigen den vertraglich getroffenen<br />

Vereinbarungen entspricht – und der Zulieferer haftet nur,<br />

wenn ihn ein Verschulden trifft 136 und ein Schaden eingetreten<br />

ist 137 .<br />

Soweit das vereinbarte QS-System indessen auch werkvertragliche<br />

Elemente enthält, wie beispielsweise eine Pfl icht<br />

zur Dokumentation der vorgenommenen Massnahmen, ist<br />

eine selbständige werkvertragliche Gewährleistungspfl icht<br />

gestützt auf die QS-Vereinbarung ausnahmsweise denkbar,<br />

so dass für den Besteller folglich zwei Anspruchssysteme<br />

gleichzeitig nebeneinander bestehen: Ansprüche aus der QS-<br />

Vereinbarung einerseits und Ansprüche aus dem Werklieferungsvertrag<br />

andererseits (differenziertes Gewährleistungssystem),<br />

wobei selbständige Gewährleistungsansprüche aus<br />

der QS-Vereinbarung namentlich in den Fällen interessant<br />

sind, in denen rein verfahrensbezogene Verhaltenspfl ichten<br />

der QS-Vereinbarung verletzt werden, ohne dass sich diese<br />

unmittelbar in Gestalt eines Produktemangels auswirken 138 .<br />

8.4 Ersatz des Mangelfolgeschadens<br />

Gesondert muss schliesslich die Frage untersucht werden, ob<br />

auch für Mangelfolgeschäden – also für Schäden, die nicht<br />

im Mangel selbst gründen, aber auf das mangelhafte Produkt<br />

zurückzuführen sind 139 – gehaftet wird. Sowohl Art. 208<br />

136 Franke (FN 2), 68; ebenso Sina (FN 11), 332 f.<br />

137 Zur Verstärkung der Pfl icht zur Einhaltung von QS-Massnahmen<br />

kann es sich daher aufdrängen, schadensunabhängige Konventionalstrafen<br />

für deren Nichteinhaltung zu vereinbaren.<br />

138 Ausführlich hierzu Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55),<br />

§ 44 N 18 ff.<br />

139 Auf eine detaillierte Darlegung des Lehrmeinungsstreites hinsichtlich<br />

der Frage, welche Schäden nach schweizerischer<br />

Rechtsauffassung als Mangelschäden und welche als Mangelfolgeschäden<br />

qualifi ziert werden müssen, wird vorliegend<br />

Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Abs. 3 OR als auch Art. 368 Abs. 1 OR setzen für eine entsprechende<br />

Haftung ein Verschulden des Zulieferers für die<br />

Mangelhaftigkeit des Werkes und damit ein pfl ichtwidriges<br />

Verhalten voraus.<br />

Wurde ein vereinbartes QS-System vom Zulieferer nicht<br />

eingehalten, dürfte dem Zulieferer eine Exkulpation in der<br />

Regel schwer fallen 140 . Demgegenüber lässt umgekehrt die<br />

Einhaltung des massgebenden QS-Systems die Vermutung<br />

entstehen, dass der Zulieferer seiner Sorgfaltspfl icht nachgekommen<br />

ist und ihm somit kein Verschulden vorgeworfen<br />

werden kann. Dem Besteller steht es jedoch offen, nachzuweisen,<br />

dass der Zulieferer trotz Einhaltung der Qualitätssicherungsvereinbarung<br />

seine Sorgfaltspfl ichten verletzt und<br />

er folglich ein Recht auf Ersatz des Mangelfolgeschadens<br />

hat 141 .<br />

9. Zusammenfassende Bemerkungen<br />

QS-Vereinbarungen werden in der Regel zwischen aufeinanderfolgenden<br />

Gliedern einer Wertschöpfungskette<br />

geschlossen, insbesondere im Rahmen industrieller Lieferbeziehungen.<br />

Sie verpfl ichten den Zulieferer zur Ergreifung<br />

gezielter Massnahmen zur Qualitätssicherung und<br />

bezwecken primär, Qualitätsabweichungen des bestellten<br />

Produktes von den vertraglich geschuldeten Eigenschaften<br />

möglichst zu vermeiden oder wenigstens deren frühzeitige<br />

Erkennbarkeit sicherzustellen.<br />

Die Einhaltung vereinbarter verfahrensbezogener QS-<br />

Massnahmen bzw. des vereinbarten QS-Systems führt indessen<br />

grundsätzlich nicht zu einer Verdrängung des Gewährleistungsrechts,<br />

falls am gelieferten Endprodukt trotzdem<br />

Mängel auftreten (Nichteinhaltung von produktbezogenen<br />

QS-Vereinbarungen). Allerdings kann der Abschluss einer<br />

QS-Vereinbarung zu gewissen Modifi kationen des<br />

gesetzlichen Gewährleistungsrechts führen, sei es durch<br />

Abänderung dispositiver gesetzlicher Gewährleistungsbestimmungen,<br />

sei es zufolge typischer Mitverantwortung des<br />

Bestellers.<br />

Daneben ist es denkbar, dass der Zulieferer ein grundsätzlich<br />

mangelfreies Endprodukt abliefert, gleichzeitig aber<br />

das vereinbarte QS-System bzw. die verfahrensbezogenen<br />

QS-Vereinbarungen, nicht eingehalten hat. Ob der Besteller<br />

auch in solchen Fällen Gewährleistungsansprüche geltend<br />

machen kann, hängt primär davon ab, ob die Einhaltung der<br />

QS-Massnahmen gestützt auf die konkreten Umstände des<br />

Einzelfalles als vereinbarte oder vorausgesetzte Eigenschaft<br />

des zu liefernden Produktes qualifi ziert werden kann.<br />

verzichtet. Es sei hierzu auf die Ausführungen in Honsell,<br />

Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 104 ff. verwiesen.<br />

140 Grob (FN 4), 194.<br />

141 Henninger (FN 6), 65; Moser (FN 9), 191 f.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 265 10.3.2009 9:11:59 Uhr<br />

265


266<br />

Nathalie Voser/Sonja Stark-Traber/Andrea Dorjee-Good<br />

Um möglichen Unklarheiten und Missverständnissen vorzubeugen,<br />

empfi ehlt es sich im Ergebnis, die Bedeutung der<br />

vereinbarten qualitätssichernden Massnahmen hinsichtlich<br />

der Gewährleistungsansprüche vertraglich eindeutig zu regeln.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Les conventions d’assurance qualité jouent aujourd’hui un rôle<br />

important dans le cadre des relations de livraison industrielles.<br />

Par de telles conventions, le fournisseur s’engage en premier<br />

lieu à prendre des mesures destinées à assurer la qualité. Celles-ci<br />

permettent d’écarter autant que possible des pertes de<br />

qualité sur le produit commandé et donc d’éviter, ou au moins<br />

reconnaître à temps, des écarts par rapport aux qualités dues<br />

par contrat. Outre le problème de la qualifi cation juridique des<br />

conventions d’assurance qualité, la question de l’interaction<br />

avec la garantie légale en raison des défauts en particulier se<br />

pose quelle est la situation juridique si le produit livré présente<br />

des défauts malgré le respect des mesures d’assurance qualité<br />

convenues? Comment apprécier la responsabilité, si les<br />

mesures d’assurance qualité n’ont pas été respectées, mais<br />

qu’aucun défaut ne survient? Il faut de manière générale partir<br />

du principe que les conventions d’assurance qualité ne supplantent<br />

pas la garantie légale pour les défauts. Mais chaque<br />

cas particulier pourra appeler une solution différente.<br />

(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 266 10.3.2009 9:12:00 Uhr


Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber<br />

ROLAND MÜLLER<br />

Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt,<br />

Staad/SG<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Retentionsrecht des Arbeitnehmers –<br />

Konsequenzen für den Arbeitgeber<br />

STEFAN RIEDER<br />

M.A. HSG, St.Gallen<br />

Inhaltsübersicht<br />

A. Einleitung<br />

I. Gesetzliche Regelung aber fehlende Spezialliteratur<br />

II. Vielfältige Retentionsprobleme<br />

1. Übersicht über die Retentionsprobleme<br />

2. Unberechtigte Retention<br />

3. Unberechtigte Nutzung des Retentionsobjektes<br />

4. Untergang oder Beschädigung des Retentionsobjektes<br />

5. Die Haftung des retinierenden Arbeitnehmers<br />

B. Rechtsgrundlagen des Retentionsrechts<br />

I. Voraussetzungen des Retentionsrechts<br />

II. Unselbständiger Besitzer oder Besitzdiener<br />

C. Retentionsprobleme in der Praxis<br />

I. Retention eines Geschäftswagens als Beispiel<br />

1. Ausgangslage des konkreten Falles<br />

2. Gerichtliche Hinterlegung einer hinreichenden Sicherheit<br />

3. Fortsetzung der Retention trotz Hinterlegung einer<br />

Sicherheit<br />

4. Urteil und Rückgabe des Fahrzeuges ohne strafrechtliche<br />

Folgen<br />

II. Erkenntnisse aus dem konkreten Fall<br />

III. Verwertung eines retinierten, geleasten Geschäftswagen<br />

D. Zusammenfassung und Empfehlungen<br />

A. Einleitung<br />

I. Gesetzliche Regelung aber fehlende<br />

Spezialliteratur<br />

In vielen Unternehmen werden Arbeitnehmern fi rmeneigene<br />

Muster, Geräte oder Fahrzeuge im Zusammenhang mit dem<br />

Arbeitsvertrag überlassen. Es erstaunt nicht, dass es in der<br />

Praxis oft zu Auseinandersetzungen über die Rückgabe solcher<br />

Gegenstände kommt, wie es zahlreiche kantonale und<br />

eidgenössische Gerichtsurteile belegen. 1<br />

Die Rechtslage scheint auf den ersten Blick klar: Gemäss<br />

Art. 339 Abs. 1 OR werden mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.<br />

Dann hat jede Vertragspartei der anderen alles herauszugeben,<br />

was sie für die Dauer des Arbeitsverhältnisses von ihr<br />

oder Dritten für deren Rechnung erhalten hat. 2 Explizit sieht<br />

Art. 339a Abs. 2 OR die Rückgabepfl icht von Fahrzeugen<br />

und Fahrausweisen vor, soweit sie die Forderungen des Arbeitnehmers<br />

übersteigen. Jedoch bleiben allfällige Retentionsrechte<br />

der Vertragsparteien gemäss Art. 339a Abs. 3<br />

OR ausdrücklich vorbehalten. Diese ausführliche gesetzliche<br />

Regelung dürfte wohl der Hauptgrund dafür sein, dass<br />

es zum Thema «Retentionsrecht des Arbeitnehmers» keine<br />

Spezialliteratur gibt und zur Beantwortung von allfälligen<br />

Fragen auf die zahlreiche Literatur zum Retentionsrecht im<br />

Allgemeinen zurückgegriffen werden muss.<br />

II. Vielfältige Retentionsprobleme<br />

1. Übersicht über die Retentionsprobleme<br />

In der Praxis kann das Retentionsrecht des Arbeitnehmers<br />

trotz der anscheinend klaren gesetzlichen Regelung zu vielerlei<br />

Problemen führen, die für den Arbeitgeber erhebliche<br />

Konsequenzen haben können. Dabei geht es hauptsächlich<br />

um die Frage, ob die Voraussetzungen eines Retentionsrechts<br />

gegeben sind und der zurückbehaltene Gegenstand überhaupt<br />

für eine Retention geeignet ist. Für den Arbeitgeber ist allerdings<br />

die Rechtsfrage, ob der Gegenstand rechtmässig oder<br />

unberechtigt retiniert wurde, sekundär. Ihm entstehen durch<br />

die Retention i.d.R. erhebliche Zusatzkosten, da der retinierte<br />

Gegenstand nicht mehr zur Verfügung steht. Allenfalls<br />

muss ein Ersatz beschafft werden, bis die Retention auf dem<br />

aufwändigen gerichtlichen Weg rückgängig gemacht werden<br />

kann. Im Überblick können folgende Retentionsprobleme<br />

unterschieden werden:<br />

1 Z.B. ArbGer. ZH 28.2.20<strong>03</strong>, in: JAR 2004, 591–594; ArbGer.<br />

ZH 27.1.1995, in: ZR 97 (1998) Nr. 81, S. 193–195; App. BE<br />

19.9.1962, in: ZBJV 1964, 127–130; KG ZG 30.12.1988, in:<br />

JAR 1989, 239–242; OGer. SO 3.6.1988, in: SJZ 1990, 287 f.;<br />

OGer. ZH 1.2.1996, in: JAR 1998, 256–261; BGE 4P.83/20<strong>03</strong>;<br />

BGE 67 II 20.<br />

2 Art. 339a OR.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 267 10.3.2009 9:12:00 Uhr<br />

267


268<br />

Abbildung 1: Darstellung der Retentionsprobleme<br />

Unberechtigte<br />

Retention<br />

– ZGB 927<br />

– StGB 141<br />

Retention während dem<br />

Arbeitsverhältnis<br />

Unberechtigte<br />

Nutzung<br />

– SVG 94<br />

Ziff. 2<br />

2. Unberechtigte Retention<br />

Roland Müller/Stefan Rieder<br />

Untergang<br />

oder Beschädigung<br />

– OR 321e<br />

– ZGB 890<br />

– StGB 144<br />

– StGB 172 ter<br />

Sowohl während als auch nach dem Arbeitsverhältnis kann<br />

sich ergeben, dass der Arbeitnehmer nicht Besitzer sondern<br />

blosser Besitzdiener 3 des Retentionsobjektes ist, weshalb er<br />

zur Retention gar nicht berechtigt ist. 4 Dieses Problem dürfte<br />

wohl häufi g vorkommen, zumal sich der Arbeitnehmer nicht<br />

für die Unterscheidung zwischen unselbständigem Besitzer<br />

und Besitzdiener interessiert. Er geht davon aus, dass er den<br />

Gegenstand «besitzt». Daher wird der Arbeitnehmer, der<br />

eine offene Forderung gegenüber seinem Arbeitgeber hat<br />

und zeitgleich «im Besitz» eines entsprechenden Wertgegenstandes<br />

ist, diesen ohne weiteres retinieren.<br />

Eine unberechtigte Retention kann aber beispielsweise<br />

auch dann entstehen, wenn zuerst eine berechtigte Retention<br />

vorliegt und als Abwehrmittel dagegen eine hinreichende Sicherheitsleistung<br />

gerichtlich hinterlegt wurde, der retinierte<br />

Gegenstand im Anschluss daran aber nicht zurückgegeben<br />

wird.<br />

3 Der Besitzdiener ist nicht Besitzer, denn in Bezug auf die Sache<br />

hat er kein Recht gegen den Besitzer (Emil Stark, Berner<br />

Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 3. A., Bern 2001,<br />

N 34 zu Art. 919 ZGB).<br />

4 Beim Arbeitsvertrag kommt es für die Abgrenzung zum Besitzer<br />

darauf an, wie selbständig die Stellung des Arbeitnehmers<br />

gegenüber dem Arbeitgeber und Dritten ist (Paul Eitel/Ruth<br />

Arnet, Handkommentar zum Schweizerischen Privatrecht,<br />

Zürich 2007, N 3 zu Art. 919 ZGB).<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Retentionsprobleme<br />

Unberechtigte<br />

Retention<br />

– ZGB 927<br />

– StGB 141<br />

Retention nach dem<br />

Arbeitsverhältnis<br />

Unberechtigte<br />

Nutzung<br />

– SVG 94<br />

Ziff. 2<br />

Untergang<br />

oder Beschädigung<br />

– OR 321e<br />

– ZGB 890<br />

– StGB 144<br />

– StGB 172 ter<br />

Dieser Problematik kann mittels zivilrechtlichen und<br />

strafrechtlichen Lösungsansätzen begegnet werden. Zivilrechtlich<br />

steht die Klage aus Besitzentziehung nach Art. 927<br />

ZGB zur Verfügung und nach Art. 141 StGB kann eine Strafklage<br />

wegen Sachentziehung Abhilfe schaffen.<br />

Verweigert der Arbeitnehmer die Rückgabe von Vermögenswerten<br />

an den Arbeitgeber, die er für die Dauer des<br />

Arbeitsverhältnisses erhalten hat, und ist die Retention von<br />

Beginn an unberechtigt, richtet sich die Haftung für allfällige<br />

daraus resultierende Schäden 5 nach Art. 321e OR. Dabei ist<br />

zu bedenken, dass bei einer Haftung nach Art. 321e OR ihre<br />

Höhe von den Gerichten je nach Grad der Fahrlässigkeit auf<br />

ein, zwei oder drei Monatslöhne begrenzt und nur bei Vorsatz<br />

darüber hinausgegangen wird. 6<br />

3. Unberechtigte Nutzung des<br />

Retentionsobjektes<br />

Das Retentionsrecht umfasst grundsätzlich zwei Rechte:<br />

ein Zurückbehaltungsrecht und ein Verwertungsrecht. Sein<br />

Zweck ist, dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber<br />

zur Sicherung seiner Retentionsforderung ein Druckmittel<br />

zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitnehmer ist im Rahmen<br />

der Retention berechtigt, das Retentionsobjekt bis zur Begleichung<br />

der Forderung zurückzubehalten, nicht aber es<br />

5 Beispielsweise die Kosten für einen Ersatzgeschäftswagen.<br />

6 Vgl. Roland Müller, Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung<br />

des Arbeitnehmers, ArbR 2006, 38 f.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 268 10.3.2009 9:12:00 Uhr


Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber<br />

zu nutzen. Damit ihm dies auch klar ist, sollte der Arbeitgeber<br />

nach Bekanntwerden der Retention unverzüglich und<br />

ausdrücklich ein Benützungsverbot aussprechen und ihn<br />

gleichzeitig auf die Verpfl ichtung zur angemessenen Nutzungsentschädigung<br />

hinweisen. Wenn der Arbeitnehmer den<br />

retinierten Gegenstand trotzdem nutzt, kann je nach Art des<br />

Retentionsobjektes gegen ihn vorgegangen werden. Wird<br />

beispielsweise ein Geschäftswagen retiniert und auch weiterhin<br />

benutzt, kann Art. 94 Ziff. 2 SVG als praktische Waffe<br />

für den Arbeitgeber herangezogen werden. 7 Nach dieser Bestimmung<br />

wird auf Antrag mit Haft oder Busse bestraft, wer<br />

ein ihm anvertrautes Motorfahrzeug zu Fahrten verwendet,<br />

zu denen er offensichtlich nicht ermächtigt ist.<br />

Grundsätzlich kann eine angemessene Nutzungsentschädigung<br />

auf zwei verschiedenen Haftungsgrundlagen geltend<br />

gemacht werden: aufgrund von Art. 321e OR, der eine Haftung<br />

des retinierenden Arbeitnehmers für die Wertverminderung<br />

des Retentionsgegenstandes statuiert, andererseits kann<br />

der Arbeitnehmer hierfür auch nach Art. 890 Abs. 1 ZGB<br />

zur Verantwortung gezogen werden. Der Arbeitnehmer haftet<br />

als Retentionsgläubiger für eine Wertverminderung oder<br />

den Untergang der retinierten Vermögenswerte grundsätzlich<br />

gleich wie ein Faustpfandgläubiger nach Art. 890 ZGB. 8<br />

4. Untergang oder Beschädigung<br />

des Retentionsobjektes<br />

Der Retinierende ist verpfl ichtet, die zurückbehaltenen Sachen<br />

sorgfältig zu behandeln und so zu lagern, dass daran<br />

kein Schaden entsteht. 9 Allerdings können durch die sorgfältige<br />

Aufbewahrung Kosten entstehen, vor allem ab einer gewissen<br />

Grösse der zurückbehaltenen Sache. Diese kann der<br />

Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zurückfordern. Die Höhe des<br />

Anspruches wird meist im Rahmen dessen liegen, was eine<br />

reguläre Drittaufbewahrung gekostet hätte. Wäre die Sache<br />

nicht beim Retinierenden untergebracht, müsste der Arbeitgeber<br />

eine andere Unterbringung bezahlen. 10<br />

Wenn der retinierte Gegenstand beschädigt wird oder<br />

gar untergeht, dann haftet der Arbeitnehmer hierfür entweder<br />

nach Art. 321e OR oder nach Art. 890 ZGB. 11 Zusätz-<br />

7 Zum Tatbestand von Art. 94 Ziff. 2 SVG vgl. Philippe Weissenberger,<br />

Gebrauchsanmassung von Motorfahrzeugen, in:<br />

<strong>AJP</strong> 1999, 31–40.<br />

8 Vgl. auch Karl Oftinger/Rolf Bär, Zürcher Kommentar,<br />

3. A., Zürich 1981, N 159 zu Art. 895 ZGB, welche sich bei der<br />

Haftung im Rahmen des allgemeinen Retentionsrecht ebenfalls<br />

für die Anwendung von Art. 890 ZGB aussprechen.<br />

9 Corrado Rampini/Hermann Schulin/Peter Nedim Vogt,<br />

in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, 3. A.,<br />

Basel 20<strong>03</strong>, N 60 und 62 zu Art. 895 ZGB.<br />

10 Vgl. dazu OGer Luzern, Urteil vom 27. September 1961, in:<br />

ZBJV 1962, 201–202.<br />

11 Die Anwendung von Art. 890 ZGB beim Retentionsrecht wird in<br />

der Lehre einhellig bejaht. Vgl. dazu Thomas Bauer, in: Honsell/Vogt/Wiegand<br />

(Hrsg.), Basler Kommentar, 3. A., Basel 20<strong>03</strong>,<br />

N 3 zu Art. 890 ZGB; Karl Oftinger/Rolf Bär, Zürcher<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

lich kann der Arbeitgeber auch strafrechtlich aufgrund von<br />

Art. 144 StGB oder Art. 173 ter StGB gegen den Arbeitnehmer<br />

vorgehen.<br />

Für den Arbeitgeber ist eine Retention durch den Arbeitnehmer<br />

dann von Bedeutung, wenn der retinierte Gegenstand<br />

für den Geschäftsbetrieb unbedingt benötigt wird oder einen<br />

erheblichen Wert aufweist. Insbesondere gilt es zu beachten,<br />

dass ein Arbeitnehmer, selbst wenn sich seine Forderung lediglich<br />

auf ein paar tausend Franken beziffert, auch einen<br />

Gegenstand mit erheblichem Wert, etwa einen teuren Geschäftswagen,<br />

retinieren kann, wenn kein anderes geeignetes<br />

Retentionsobjekt zur Verfügung steht. 12<br />

5. Die Haftung des retinierenden<br />

Arbeitnehmers<br />

Während der Arbeitnehmer für Schäden aus der unberechtigten<br />

Retention nur aufgrund von Art. 321e OR haftet, kann<br />

er bei der unberechtigten Nutzung sowie beim Untergang<br />

oder Beschädigung des Retentionsobjektes sowohl aufgrund<br />

von Art. 321e OR als auch Art. 890 ZGB belangt werden.<br />

Die Haftung nach Art. 321e OR wird von den Gerichten in<br />

der Höhe je nach Grad der Fahrlässigkeit auf ein, zwei oder<br />

drei Monatslöhne begrenzt und nur bei Vorsatz wird darüber<br />

hinausgegangen. 13 Im Rahmen von Art. 890 ZGB wird<br />

die Haftung des retinierenden Arbeitnehmers dagegen nicht<br />

begrenzt. Der Arbeitnehmer kann sich lediglich durch den<br />

Nachweis befreien, dass ihn am Untergang bzw. an der Wertverminderung<br />

des Retentionsgegenstandes kein Verschulden<br />

trifft. Der Arbeitgeber beruft sich also mit Vorteil auf Art. 890<br />

ZGB, zumal die arbeitsvertragliche Haftung nach Art. 321e<br />

OR durch richterliches Ermessen begrenzt werden kann. Die<br />

Haftung nach Art. 890 ZGB stellt gegenüber derjenigen nach<br />

Art. 321e OR eine Überlagerung und Erweiterung dar, welche<br />

sich schematisch wie folgt darstellen lässt:<br />

Abb. 2: Darstellung der Haftung des retinierenden Arbeitnehmers<br />

Unberechtigte Unberechtigte<br />

Retention<br />

Nutzung<br />

OR 321e OR 321e<br />

Untergang oder<br />

Beschädigung<br />

OR 321e<br />

ZGB 890 ZGB 890<br />

Kommentar, 3. A., Zürich 1981, N 3 zu Art. 890 ZGB; Dieter<br />

Zobl, Berner Kommentar, Bern 1982, N 6 zu Art. 890 ZGB.<br />

12 ArbGer. ZH vom 27.1.1995 in: ZR 97 (1998) Nr. 81: Der beklagte<br />

Arbeitnehmer fuhr einen Mercedes-Benz 300 E als Geschäftswagen,<br />

welcher der Arbeitgeberin (Klägerin) gehörte.<br />

Mit Schlussrechnung vom 10. Juni 1993 verlangte die Klägerin<br />

die Rückgabe des Fahrzeugs. Der Beklagte behielt ihn und<br />

machte daran Retention geltend.<br />

13 Vgl. Roland Müller, Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung<br />

des Arbeitnehmers, ArbR 2006, 38 f.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 269 10.3.2009 9:12:01 Uhr<br />

269


270<br />

B. Rechtsgrundlagen des<br />

Retentionsrechts<br />

I. Voraussetzungen des Retentionsrechts<br />

Die allgemeine Rückgabepfl icht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

gemäss Art. 339 Abs. 1 OR wird durch<br />

das in Art. 339a Abs. 3 OR vorbehaltene Retentionsrecht<br />

eingeschränkt. Im Rahmen des arbeitsvertraglichen Retentionsrechts<br />

gelten die allgemeinen Bestimmungen betreffend<br />

Retentionsrecht gemäss den Art. 895 ff. ZGB. Ein Arbeitnehmer<br />

kann demnach ein Retentionsrecht an beweglichen<br />

Sachen oder Wertpapieren, die dem Arbeitgeber gehören,<br />

ausüben, sofern nachfolgende Voraussetzungen kumulativ<br />

gegeben sind:<br />

Der Arbeitnehmer hat eine fällige Forderung gegen den<br />

Arbeitgeber.<br />

Er ist im Besitz von beweglichen Sachen oder Wertpapieren,<br />

die dem Arbeitgeber gehören.<br />

Er hat diese beweglichen Sachen bzw. Wertpapiere mit<br />

dem Einverständnis des Arbeitgebers erhalten.<br />

Er hat diese beweglichen Sachen bzw. Wertpapiere im<br />

Rahmen der Erfüllung des Arbeitsvertrages erhalten.<br />

Retinierbar ist also nur eine verwertbare fremde bewegliche<br />

Sache. Verwertbar ist eine Sache dann, wenn sie übertragbar,<br />

d.h. verkehrsfähig ist und einen Vermögenswert aufweist. 14<br />

Demnach sind Ausweise, Akten, Zeugnisse oder Schlüssel15 aufgrund fehlender Verwertbarkeit nicht retinierbar. Der Arbeitnehmer<br />

muss mit Willen des Arbeitgebers im Besitz des<br />

betreffenden Gegenstandes sein. Weiter muss eine Forderung<br />

bestehen, welche mit dem zurückbehaltenen Gegenstand im<br />

Zusammenhang steht, d.h. sie muss aus dem Arbeitsverhältnis,<br />

aufgrund dessen der Arbeitnehmer den Gegenstand zu Besitz<br />

erhalten hat, herrühren. 16 1.<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

Bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen<br />

problematisch ist insbesondere die Frage, ob der<br />

Arbeitnehmer Besitzer des retinierten Gegenstandes ist.<br />

II. Unselbständiger Besitzer oder<br />

Besitzdiener<br />

Eine rechtmässige Retention durch den Arbeitnehmer kann<br />

nur erfolgen, wenn er Besitzer des Retentionsobjektes ist.<br />

Nach den Regeln des ZGB ist das derjenige, welcher die<br />

tatsächliche Gewalt über eine Sache innehat, wobei «Sachherrschaft»<br />

eine feste, auf Dauer berechnete Beziehung einer<br />

Person zu einer Sache bedeutet. 17 Nach Art. 920 ZGB kann<br />

14 Vgl. Dieter Zobl, Berner Kommentar, Bern 20<strong>03</strong>, N 4 zu<br />

Art. 896 ZGB.<br />

15 Vgl. Chambre d’appel des prud’hommes du Canton de Genève,<br />

Urteil vom 13.2.20<strong>03</strong>, in: JAR 2004, 471 ff.<br />

16 Vgl. Oskar Brander, Das Retentionsrecht nach schweizerischem<br />

Zivilrecht, Diss., Zürich 1933, 87.<br />

17 Art. 919 Abs. 1 ZGB.<br />

Roland Müller/Stefan Rieder<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

der Besitz selbstständig oder unselbständig sein. In aller Regel<br />

ist der Arbeitnehmer lediglich unselbständiger Besitzer,<br />

das heisst, dass er, nachdem ihm der selbständige Besitzer,<br />

der Arbeitgeber, den Besitz übertragen hat, diesen sozusagen<br />

stellvertretend ausübt. Häufi g besitzt er den Gegenstand<br />

unmittelbar und kann darüber direkt verfügen. Neben den<br />

Formen des selbstständigen und unselbständigen Besitzes<br />

nach Art. 920 ZGB gibt es auch den Fall des Besitzdieners,<br />

in welchem ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zwar Gewalt<br />

über einen Gegenstand erhält, aber im Gegensatz zum unselbständigen<br />

Besitzer keinerlei eigene Rechte am Gegenstand<br />

hat, er ist vielmehr verpfl ichtet, den Anweisungen des<br />

Arbeitgebers als Besitzer des Gegenstandes zu folgen. Wenn<br />

der Arbeitnehmer also blosser Besitzdiener ist, steht ihm<br />

kein Retentionsrecht zu.<br />

Die Frage, ob der Arbeitnehmer unselbständiger Besitzer<br />

oder Besitzdiener ist, beschäftigt auch die Gerichte regelmässig.<br />

Unter anderem musste entschieden werden, ob ein<br />

Arbeitnehmer von einem durch den Arbeitgeber geleasten<br />

Fahrzeug überhaupt Besitzer sein kann. Das Arbeitsgericht<br />

Zürich hatte einen Fall zu beurteilen, in welchem die Arbeitgeberin<br />

ein Auto für den ausschliesslichen Gebrauch durch<br />

den Arbeitnehmer geleast hat. Das Fahrzeug durfte unbestrittenermassen<br />

sowohl für geschäftliche als auch für private<br />

Zwecke benutzt werden. Weil der Arbeitnehmer das Fahrzeug<br />

nach freiem Ermessen benutzen durfte, war er unselbständiger<br />

Besitzer und nicht bloss Besitzdiener. Das Arbeitsgericht<br />

Zürich entschied mit Urteil vom 28. Februar 20<strong>03</strong><br />

folgerichtig, dass der Arbeitnehmer ein Retentionsrecht am<br />

Geschäftsfahrzeug geltend machen kann. 18 Im Vergleich zum<br />

Arbeitnehmer, der den geleasten Geschäftswagen auch für<br />

Privatzwecke nutzen darf und somit unselbständiger Besitzer<br />

ist, hat ein Chauffeur, der den Lastwagen nur weisungsgemäss<br />

einsetzen darf, kein Retentionsrecht, weil er eben nur<br />

Besitzdiener ist. 19<br />

C. Retentionsprobleme in der Praxis<br />

I. Retention eines Geschäftswagens<br />

als Beispiel<br />

1. Ausgangslage des konkreten Falles<br />

Rainer Renitent 20 hatte seine juristischen Studien abgeschlossen<br />

und trat am 1. Januar 2007 eine Stelle als Verkaufsleiter<br />

18 JAR 2004, 591–594.<br />

19 Ullin Streiff/Adrian von Kaenel, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar<br />

zu Art. 319–362 OR, 6. A., Zürich 2006, N 4 zu<br />

Art. 339a OR.<br />

20 Der Name des Arbeitnehmers wurde aus Gründen des Daten-<br />

und Persönlichkeitsschutzes geändert, die Datumsangaben<br />

wurden zur Verdeutlichung der Problematik jedoch unverändert<br />

übernommen.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 270 10.3.2009 9:12:01 Uhr


Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber<br />

an. Für die Ausübung seiner Tätigkeit und auch zur privaten<br />

Nutzung wurde ihm ein repräsentativer Geschäftswagen zur<br />

Verfügung gestellt. Schon nach einem Jahr kündigte Rainer<br />

Renitent jedoch per 31. August 2008 das Arbeitsverhältnis.<br />

Es endete, ohne dass der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber<br />

geleasten Geschäftswagen zurückgegeben hätte. Nach<br />

schriftlicher Aufforderung (eingeschrieben und per E-Mail)<br />

des Arbeitgebers zur unverzüglichen Rückgabe macht Rainer<br />

Renitent unter Hinweis auf sein Retentionsrecht eine<br />

Lohnforderung und Ferienentschädigung in Höhe von rund<br />

CHF 11 100.– geltend. Die geltend gemachten Forderungen<br />

waren zwar offensichtlich übersetzt, doch dem Arbeitgeber<br />

blieb zur Wahrung seiner Rechte nichts anderes übrig, als<br />

einen Rechtsanwalt einzuschalten und die gerichtliche Herausgabe<br />

des retinierten Wagens zu verlangen. Ursprünglich<br />

hegte er die Hoffnung, dieser Prozess werde relativ rasch<br />

abgeschlossen sein, da es sich doch um ein arbeitsgerichtliches<br />

Verfahren handle. Dies sollte sich aber als verfehlt<br />

erweisen.<br />

2. Gerichtliche Hinterlegung einer<br />

hinreichenden Sicherheit<br />

Weil der Arbeitgeber den Geschäftswagen im Hinblick auf<br />

die laufenden Leasingkosten möglichst rasch zurückerhalten<br />

wollte und die geltend gemachte Forderung bestritt, entschied<br />

sich der Rechtsanwalt für die gerichtliche Hinterlegung<br />

einer hinreichenden Sicherheitsleistung. Zuvor verbot<br />

er Rainer Renitent im Namen des Arbeitgebers ausdrücklich<br />

die weitere Nutzung des Geschäftswagens mit dem Hinweis<br />

auf eine angemessene Nutzungsentschädigung bei Missachtung<br />

des Benützungsverbotes. Grundsätzlich dient dem<br />

Arbeitgeber die Sicherstellung der geltend gemachten Forderung<br />

in erster Linie als geeignetes Abwehrmittel der Retention.<br />

Sobald die Forderung des Arbeitnehmers durch den<br />

Arbeitgeber oder einen Dritten hinreichend sichergestellt<br />

ist, darf der Arbeitnehmer den retinierten Gegenstand nicht<br />

mehr zurückbehalten und schon gar nicht verwerten. 21 Falls<br />

die Sicherstellung nicht die ganze Forderung abdeckt, ist<br />

der Gläubiger verpfl ichtet, einen Teil der retinierten Sache<br />

zurückzugeben, sofern diese teilbar ist. 22 Damit eine ausreichende<br />

Sicherstellung gewährleistet ist, muss die Forderung<br />

inklusive Zinsen und Kosten tatsächlich gerichtlich hinterlegt<br />

werden. Eine blosse persönliche Garantie des Arbeitgebers<br />

reicht nicht aus. 23<br />

Um eine Sicherheitsleistung hinterlegen zu können, ist<br />

vorab ein entsprechender Gerichtsbeschluss nötig. Dieser<br />

wiederum bedingt zuerst ein Gesuch an das örtlich und<br />

sachlich zuständige Gericht. Rainer Renitent hatte nach Er-<br />

21 Art. 898 Abs. 1 ZGB; vgl. auch Rampini/Schulin/Vogt<br />

(FN 8), N 53 zu Art. 895 ZGB.<br />

22 Oftinger/Bär (FN 7), N 141 zu Art. 895 ZGB.<br />

23 Streiff/von Kaenel (FN 18), N 4 zu Art. 339a OR.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

halt des Benützungsverbotes vorsorglich seinen Wohnsitz in<br />

die französischsprachige Schweiz verlegt. Damit sollte dem<br />

Arbeitgeber wohl ein zusätzlicher Aufwand bei der Durchsetzung<br />

seines Anspruches verursacht werden. Doch der<br />

Rechtsvertreter des Arbeitgebers machte den Fall einer freiwilligen<br />

Gerichtsbarkeit im Sinne von Art. 11 GestG geltend<br />

und klagte beim Gericht am Sitz des Gesuchsstellers.<br />

Rainer Renitent bestritt vorab die örtliche und sachliche<br />

Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sowie in einer zusätzlichen<br />

Prozessschrift die grundsätzliche Möglichkeit<br />

einer Sicherstellung. Dies führte zu weiteren Prozessverzögerungen<br />

und Anwaltskosten, musste doch auch zur zusätzlichen<br />

Prozesseingabe eine Stellungnahme abgegeben werden.<br />

Schliesslich verfügte das Gericht am 19.11.2007, knapp<br />

drei Monate nach Beginn der Retention, die Zulässigkeit<br />

der Hinterlegung einer hinreichenden Sicherheitsleistung.<br />

Im Gerichtsbeschluss wurde festgehalten, dass es sich bei<br />

der Hinterlegung tatsächlich um einen Anwendungsfall der<br />

freiwilligen Gerichtsbarkeit handle. Allerdings komme diese<br />

Gesetzesbestimmung nach ihrem Wortlaut nur zur Anwendung,<br />

«sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt». Der Anspruch<br />

auf Hinterlegung einer Sicherheitsleistung wird aus<br />

Art. 898 ZGB hergeleitet, weshalb insbesondere zu prüfen<br />

war, ob es sich beim Gesuch um Hinterlegung einer Sicherheitsleistung,<br />

um eine Klage über dingliche Rechte an beweglichen<br />

Sachen im Sinn von Art. 20 GestG handelt. Dies<br />

wurde verneint, zumal Art. 20 GestG ausdrücklich von «Klagen»<br />

spricht, ein Hinweis dafür, dass eine Anwendung nur<br />

bei streitigen Angelegenheiten Anwendung fi ndet. Zudem<br />

geht es bei der Hinterlegung einer Sicherheitsleistung nicht<br />

um einen materiellen Entscheid über ein dingliches Recht an<br />

einer beweglichen Sache. Die rechtlichen Erwägungen des<br />

Gerichts lassen erkennen, dass die örtliche und sachliche Zuständigkeit<br />

zur Hinterlegung einer Sicherheit im Falle einer<br />

Retention nicht leicht zu bestimmen ist.<br />

3. Fortsetzung der Retention trotz<br />

Hinterlegung einer Sicherheit<br />

Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist und Zugang der Rechtskraftbestätigung<br />

hinterlegte der Arbeitgeber am 17.12.2007<br />

die Summe von rund CHF 20 000.– zur Sicherstellung aller<br />

möglichen Ansprüche des Arbeitnehmers. Doch Rainer Renitent<br />

machte geltend, der hinterlegte Betrag reiche zur Sicherstellung<br />

seiner Ansprüche nicht aus und liess sich trotz<br />

gerichtlicher Bestätigung der Hinterlegung am 20.12.2007<br />

nicht davon abhalten, das Fahrzeug weiter zu behalten.<br />

Der Arbeitgeber hatte nun die Wahl, einen weiteren personell<br />

und fi nanziell aufwändigen Gerichtsprozess auf Herausgabe<br />

des Firmenwagens anzustrengen oder einen Teil der<br />

geltend gemachten Forderung zu bezahlen und so hoffentlich<br />

rasch wieder in den Besitz des Firmenwagens zu gelangen.<br />

Am 1.3.2008 wurde schliesslich eine aussergerichtliche Vereinbarung<br />

zwischen den Parteien geschlossen, wonach sich<br />

der Arbeitgeber zur Bezahlung eines Teilbetrages der geltend<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 271 10.3.2009 9:12:02 Uhr<br />

271


272<br />

gemachten Forderung per saldo aller Ansprüche verpfl ichtete<br />

und Rainer Renitent die Rückgabe des Firmenwagens sowie<br />

die Freigabe der Sicherheitsleistung versprach.<br />

Die Forderung wurde im anerkannten Umfang fristgerecht<br />

vom Arbeitgeber bezahlt. Doch noch immer fühlte<br />

sich Rainer Renitent nicht verpfl ichtet, den Geschäftswagen<br />

herauszugeben. Nun machte er stattdessen plötzlich eine<br />

weitere Forderung von rund CHF 42 000.– wegen angeblich<br />

missbräuchlicher Kündigung geltend. Dem Arbeitgeber<br />

blieb deshalb nichts anderes übrig, als Strafklage gegen Rainer<br />

Renitent wegen Sachentziehung und zeitgleich ein zivilrechtliches<br />

Gesuch um vorsorgliche Massnahmen wegen<br />

Besitzesentziehung am 31.3.2008 einzureichen.<br />

4. Urteil und Rückgabe des Fahrzeuges ohne<br />

strafrechtliche Folgen<br />

Aufgrund der zivilrechtlichen Klage wurde Rainer Renitent<br />

mit richterlichem Entscheid vom 13. Mai 2008 angewiesen,<br />

den Geschäftswagen bis zum 19. Mai 2008 herauszugeben.<br />

Nachdem Rainer Renitent dagegen zuerst das Rechtsmittel<br />

der Appellation ergriffen, dann jedoch wieder zurückgezogen<br />

hatte, retournierte er am 19. Juni 2008 endlich das bis auf<br />

einige Kratzer unbeschädigte Firmenfahrzeug. Die Kosten<br />

des Gerichtsentscheides und die ausseramtliche Entschädigung<br />

an den Rechtsanwalt des Arbeitgebers bezahlte er ohne<br />

weiteres.<br />

Am 22.10.2008 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren<br />

gegen Rainer Renitent unter Kostenfolge zu Lasten des<br />

Staates ein. Begründet wurde die Einstellungsverfügung damit,<br />

dass die gesetzliche Strafantragsfrist vom Arbeitgeber<br />

nicht eingehalten worden sei. Tatsächlich handelt es sich bei<br />

der Sachentziehung nach Art. 141 StGB um ein Antragsdelikt,<br />

weshalb der Strafantrag gemäss Art. 31 StGB innert drei<br />

Monaten seit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten<br />

Person die Tat und der Täter bekannt sind, gestellt werden<br />

muss. 24 Durch die Hinterlegung von CHF 20 000.– zur Sicherstellung<br />

aller möglicher Ansprüche des Arbeitnehmers,<br />

endete nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die rechtmässige<br />

Retention schon am 20.12.2007 25 , weshalb die<br />

Strafantragsfrist am 21.3.2008 abgelaufen sei. Im konkreten<br />

Fall hatte der Renitent aber vorerst die örtliche und sachliche<br />

Zuständigkeit des Gerichts bestritten, weshalb die Hinterlegung<br />

der Sicherheit erst am 29.1.2008 rechtswirksam wurde.<br />

Weil aber die Rechtmässigkeit der Hinterlegung auch<br />

hätte verneint werden können, kann für die Berechnung der<br />

Antragsfrist nicht das Datum der Hinterlegungsmitteilung,<br />

24 Bei der Sachentziehung ist zu beachten, dass es sich nicht um<br />

ein Dauerdelikt handelt und die Frist somit nicht erst mit der Beendigung<br />

der Entziehung zu laufen beginnt (Philippe Weissenberger<br />

in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar,<br />

Strafrecht II, 2. A., Basel 2007, N 30 zu Art. 141 StGB).<br />

25 Datum der Bekanntgabe der Hinterlegung einer Sicherheitsleistung<br />

durch das zuständige Gericht.<br />

Roland Müller/Stefan Rieder<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

sondern erst dasjenige der Bekanntgabe der rechtmässigen<br />

Hinterlegung entscheidend sein. Der Arbeitgeber verzichtete<br />

jedoch auf die Ergreifung eines Rechtsmittels, um unnötige<br />

und nicht mehr einbringliche Kosten zu vermeiden.<br />

Da der Betrag von CHF 20 000.– noch immer gerichtlich<br />

hinterlegt war, war damit der Fall noch nicht abgeschlossen.<br />

Dem Arbeitgeber blieb nichts anderes übrig, als selbst<br />

eine negative Feststellungsklage einzureichen, um den gerichtlich<br />

hinterlegten Betrag zurückzuerhalten, da Rainer<br />

Renitent selbst keine Klage einreichte. Er verzichtete dabei<br />

vorsorglich auf die Geltendmachung der kleinen Schäden<br />

am Fahrzeug und der gefahrenen Zusatzkilometer. Jetzt<br />

zahlte sich der abgeschlossene Vergleich doch noch aus,<br />

denn Rainer Renitent konnte nun keine zusätzlichen Forderungen<br />

mehr geltend machen. Die als Sicherheit hinterlegten<br />

CHF 20 000.– wurden dem Arbeitgeber anschliessend zurückbezahlt,<br />

allerdings unverzinst.<br />

II. Erkenntnisse aus dem konkreten Fall<br />

Die Analyse des geschilderten Retentionsfalles zeigt, dass<br />

mit dem Retentionsrecht des Arbeitnehmers u.U. ernsthafte<br />

Konsequenzen für den Arbeitgeber verbunden sein können.<br />

Selbst die gerichtliche Hinterlegung eines Betrages, welcher<br />

weit über der geltend gemachten Forderung liegt, muss nicht<br />

zwingend dazu führen, dass der Arbeitgeber wieder in den<br />

Besitz des Retentionsobjektes gelangt.<br />

Dieser Fall veranschaulicht zudem die derzeit noch unbefriedigende<br />

Rechtswirkung von Vergleichen, welche sich<br />

hoffentlich mit der neuen schweizerischen ZPO ändern<br />

wird. Nach dem aktuellen Entwurf wird es gemäss Art. 345<br />

die sog. vollstreckbare öffentliche Urkunde geben. 26 Anstatt<br />

einer gewöhnlichen Vereinbarung, wie sie im vorliegenden<br />

Fall getroffen wurde, könnte zukünftig eine vollstreckbare<br />

öffentliche Urkunde abgefasst werden, in welcher eine ausdrückliche<br />

Anerkennung der unmittelbaren Vollstreckung<br />

durch die verpfl ichtete Partei festgehalten werden kann.<br />

Dann wäre kein materieller Entscheid mehr notwendig, weil<br />

die Vollstreckung aufgrund des Vergleiches bzw. der entsprechenden<br />

Urkunde verlangt werden könnte und die Durchsetzung<br />

von Besitzesansprüchen würde dadurch eine erhebliche<br />

Zeit- und Kostenreduktion erfahren.<br />

Die Retention durch den Arbeitnehmer hat im vorliegenden<br />

Fall dazu geführt, dass der Arbeitgeber eine Sicherheitsleistung<br />

von rund CHF 20 000.– erbringen und Gerichts- sowie<br />

Anwaltskosten in Höhe von über CHF 25 000.– ausgeben<br />

musste, um erst nach knapp 10 Monaten wieder in den Besitz<br />

des Geschäftswagens zu gelangen. Zudem musste er während<br />

der ganzen Zeit die laufenden Leasingkosten tragen,<br />

ohne daraus einen Nutzen ziehen zu können. Weitere Kosten<br />

sind im Zusammenhang mit dem Strafverfahren und der<br />

26 Vgl. hierzu Dominik Gasser, Die Vollstreckung nach der<br />

Schweizerischen ZPO, in: Anwaltsrevue 2008, 340–346.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 272 10.3.2009 9:12:02 Uhr


Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber<br />

negativen Feststellungsklage zur Rückerstattung der hinterlegten<br />

Sicherheitsleistung angefallen.<br />

III. Verwertung eines retinierten,<br />

geleasten Geschäftswagen<br />

Im konkreten Retentionsfall stellte sich die Frage der Verwertungsmöglichkeit<br />

des retinierten Geschäftswagens nicht,<br />

weil der Arbeitgeber genügend Sicherheit leistete und Rainer<br />

Renitent den Geschäftswagen schliesslich unberechtigt<br />

retinierte. Insbesondere wenn es sich beim Retentionsgegenstand<br />

um ein geleastes Geschäftsfahrzeug handelt, ist die<br />

Verwertungsmöglichkeit von Bedeutung. Sofern der Arbeitnehmer<br />

wie im vorliegenden Retentionsfall nicht nur blosser<br />

Besitzdiener sondern Besitzer des Retentionsgegenstandes<br />

ist, kann er ihn auch verwerten. Dies gilt auch dann, wenn<br />

er weiss, dass der Geschäftswagen lediglich geleast ist. 27<br />

Vor diesem Hintergrund ist der Arbeitnehmer gutgläubig im<br />

Sinne von Art. 895 Abs. 3 ZGB und kann den retinierten Geschäftswagen<br />

in der Folge auch verwerten.<br />

Die Geltendmachung des Verwertungsrechts muss beim<br />

Retentionsrecht grundsätzlich durch Betreibung auf Faustpfandverwertung<br />

nach Art. 151 ff. SchKG erfolgen, zumal es<br />

sich beim Retentionsrecht um ein Besitzpfandrecht handelt<br />

und der Besitz des Retentionsgläubigers gleich geschützt ist<br />

wie derjenige des Faustpfandgläubigers. 28 Bei einem geleasten<br />

Geschäftswagen hat dies zur Folge, dass der Leasinggeber<br />

die Stellung eines Dritteigentümers einnimmt. Will der<br />

Dritteigentümer die Verwertung des Retentionsgegenstandes<br />

verhindern, so hat er das Recht, den Gläubiger zu befriedigen<br />

und so die verpfändete Sache einzulösen. Dann kann er<br />

gegenüber dem Leasingnehmer Regress nehmen. Das Verwertungsverfahren<br />

richtet sich nach Art. 151 SchKG, sodass<br />

der Zahlungsbefehl auch an den Dritteigentümer auszustellen<br />

ist. Das ist i.d.R. kein Problem, da im Fahrzeugausweis<br />

vom Strassenverkehrsamt ein Hinweis auf die Leasinggesellschaft<br />

angebracht wird.<br />

Für die Leasinggesellschaft kann die Verwertung erhebliche<br />

negative Konsequenzen haben. Fraglich ist allerdings,<br />

ob dies in der Praxis überhaupt als Problem wahrgenommen<br />

wird, weil ein Arbeitgeber in aller Regel den geleasten Geschäftswagen<br />

so schnell als möglich wieder in seinem Besitz<br />

haben will und deshalb wohl Sicherheit für den Retentionsgegenstand<br />

leisten wird. Zudem ist ein geleaster Geschäftswagen<br />

dann nicht retentionstauglich und somit auch nicht<br />

verwertbar, wenn er dem Arbeitnehmer nicht zur privaten<br />

Nutzung überlassen wurde. Die Leasinggesellschaften sind<br />

jedenfalls gut beraten, im Leasingvertrag eine entsprechende<br />

Klausel aufzunehmen, dass der Arbeitgeber in einem Reten-<br />

27 Vgl. Franz Studer, Das Retentionsrecht in der Zwangsvollstreckung,<br />

Diss., Zürich 2000, 29 f.<br />

28 Vgl. Dieter Zobl, Berner Kommentar, N 17 f. zu Art. 895<br />

ZGB.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

tionsfall verpfl ichtet ist, umgehend eine hinreichende Sicherheit<br />

zu leisten, um die Verwertung zu verunmöglichen.<br />

D. Zusammenfassung und<br />

Empfehlungen<br />

Das Retentionsrecht des Arbeitnehmers kann für den Arbeitgeber<br />

unangenehme zeitliche und fi nanzielle Kosten haben.<br />

Leider lässt es sich nicht einfach ausschliessen, da es zwingender<br />

Natur und daher durch Vertrag nicht abänder- oder<br />

wegbedingbar ist. 29 Das Retentionsrecht soll dem Arbeitnehmer<br />

ermöglichen, Druck auf den Arbeitgeber auszuüben und<br />

gleichzeitig verhindern, dass der Arbeitgeber den retinierten<br />

Gegenstand zurückverlangen kann, ohne die fi nanziellen<br />

Forderungen des Arbeitnehmers erfüllt oder anderweitig sichergestellt<br />

zu haben.<br />

Um dem Retentionsrecht seines Arbeitnehmers zumindest<br />

bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuweichen,<br />

hat ein Arbeitgeber die Möglichkeit, den potentiellen Retentionsgegenstand<br />

bereits bei der Kündigung zurückzunehmen.<br />

Dies ist allerdings bei einem Geschäftswagen, der vom Arbeitnehmer<br />

auch für private Zwecke verwendet werden darf,<br />

nicht ohne weiteres möglich. In einem solchen Falle müsste<br />

der wegfallende private Nutzen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

entschädigt werden.<br />

Es ist zulässig, in den Arbeitsvertrag eine Klausel aufzunehmen,<br />

wonach dem Arbeitnehmer in gekündigter Stellung<br />

keine private Nutzung des Geschäftwagens mehr zusteht.<br />

Dadurch wird der Arbeitnehmer in gekündigter Stellung automatisch<br />

zum Besitzdiener und eine rechtmässige Retention<br />

demzufolge ausgeschlossen. Gleichzeitig erlischt damit auch<br />

eine Verwertungsmöglichkeit, was bei geleasten Geschäftsfahrzeugen<br />

negative Konsequenzen für die Leasinggesellschaft<br />

ausschliesst.<br />

Wenn nach Inkrafttreten von Art. 345 der neuen Schweizer<br />

ZPO zukünftig eine Vereinbarung über die Rückgabe eines<br />

retinierten Gegenstandes zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber<br />

abgeschlossen wird, so sollte sie als vollstreckbare<br />

öffentliche Urkunde abgefasst werden. Dies wird die rechtliche<br />

Durchsetzung einer solchen Vereinbarung wesentlich<br />

vereinfachen, auch wenn die unangenehmen Konsequenzen<br />

einer Retention des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber nicht<br />

vollständig verhindert werden können.<br />

Bei einer allfälligen Strafanzeige wegen Sachentziehung<br />

nach Art. 141 StGB ist zu beachten, dass es sich dabei um<br />

ein Antragsdelikt handelt, weshalb der Strafantrag gemäss<br />

Art. 31 StGB innert drei Monaten seit dem Tag, an welchem<br />

der Arbeitgeber von der unrechtmässigen Retention<br />

29 Vgl. auch Adrian Staehelin/Frank Vischer, Zürcher Kommentar,<br />

3. A., Zürich 1996, N 9 zu Art. 339a OR, und Streiff/<br />

Von Kaenel (Fn 18), N 6 zu Art. 339a OR.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 273 10.3.2009 9:12:02 Uhr<br />

273


274<br />

Kenntnis hat, gestellt werden muss. Die Staatsanwaltschaft<br />

wird diesen Zeitpunkt sehr früh annehmen. Der Arbeitgeber<br />

ist deshalb gut beraten, den Zeitpunkt der Hinterlegung als<br />

massgebenden Zeitpunkt für die Berechnung der Antragsfrist<br />

zu verwenden.<br />

Roland Müller/Stefan Rieder<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

En pratique, la restitution des modèles, instruments, outils ou<br />

véhicules propres à l’entreprise lorsque les rapports de travail<br />

prennent fi n donne souvent lieu à des discussions. L’art. 339a<br />

al. 3 CO accorde au travailleur un droit de rétention pour les<br />

créances découlant du rapport de travail; toutefois, il doit avoir<br />

obtenu la possession de l’objet grevé du droit de rétention par<br />

la volonté de l’employeur. Il est donc important en pratique de<br />

distinguer la position du travailleur en tant que possesseur ou<br />

simple auxiliaire de la possession. Comme le montre le cas de<br />

rétention traité, le droit de rétention du travailleur peut avoir<br />

des conséquences fi nancières désagréables ou entraîner des<br />

coûts en termes de temps pour l’employeur. Comme le droit<br />

de rétention a un caractère impératif, il ne peut être exclu par<br />

contrat. L’employeur devrait dès lors reprendre les objets pouvant<br />

faire l’objet d’un droit de rétention dès la résiliation. Mais<br />

même lorsque le travailleur n’a pas le droit d’exercer de droit<br />

de rétention, un tel droit exercé à tort peut entraîner différents<br />

problèmes. Que le droit de rétention soit justifi é ou non,<br />

l’employeur est confronté à des questions de responsabilité si<br />

l’objet du droit de rétention a été endommagé ou détruit.<br />

(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 274 10.3.2009 9:12:<strong>03</strong> Uhr


Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />

SANDRINE GIROUD-ROTH<br />

lic. iur., avocate,<br />

Lausanne<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Restitution spontanée de fonds bloqués<br />

à des États défaillants:<br />

les cas Duvalier et Mobutu<br />

LAURENT MOREILLON<br />

Prof. Dr. iur., avocat,<br />

Doyen de la Faculté de<br />

droit de l’Université de<br />

Lausanne<br />

Plan<br />

I. Introduction<br />

II. Les affaires Duvalier et Mobutu<br />

A. L’affaire Duvalier<br />

B. L’affaire Mobutu<br />

III. Les récentes décisions Duvalier et Mobutu<br />

A. Les décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009<br />

B. Les décisions des 12 décembre 2008 et 25 février 2009<br />

C. Deux États «défaillants»<br />

IV. La pratique suisse en matière de restitution spontanée de fonds<br />

à la lumière des récentes décisions Duvalier et Mobutu<br />

A. Cadre légal<br />

1. Personnes exposées politiquement<br />

2. La confi scation<br />

a. Absence de confi scation autonome<br />

b. La confi scation internationale<br />

c. La voie de l’entraide internationale<br />

3. Le blocage «politique»: l’art. 184 al. 3 Cst.<br />

B. Les décisions Duvalier et Mobutu: un équilibre périlleux<br />

des intérêts juridiques en jeu<br />

1. Garantie d’accès au juge<br />

2. Respect du principe de la légalité<br />

a. Garantie de la propriété<br />

b. Bases légales fondant la restitution anticipée<br />

3. Respect du principe de la proportionnalité<br />

4. La charge du fardeau de la preuve au regard de la présomption<br />

d’innocence<br />

V. Propositions pour un projet de loi<br />

VI. Conclusion<br />

I. Introduction<br />

Dans un ultime rebondissement d’une saga qui date déjà de<br />

1986, l’Offi ce fédéral de la justice (OFJ) a décidé, en date des<br />

2 juillet 2008 1 et 12 février 2009, 2 de maintenir le blocage,<br />

respectivement de restituer, les fonds Duvalier à Haïti dans<br />

le cadre d’une nouvelle procédure d’entraide judiciaire. De<br />

même, dans une affaire remontant à 1997, le Conseil fédéral<br />

(CF) a décidé, en date des 12 décembre 2008 3 et 25 février<br />

2009, 4 de prolonger le blocage des fonds Mobutu, le dernier<br />

délai courant jusqu’au 30 avril 2009.<br />

Si ces décisions sont à saluer pour l’esprit de justice qui<br />

les anime, elles soulèvent toutefois certaines interrogations<br />

quant à leur légalité, notamment concernant le fameux<br />

renversement du fardeau de la preuve qu’elles mettent en<br />

œuvre, ainsi que l’utilisation répétée du blocage «politique».<br />

Elles ne sont cependant que le refl et d’une situation tenue<br />

par quelques bouts de fi celle en ce qui concerne la confi scation<br />

des avoirs des criminels internationaux lorsque des États<br />

«défaillants» sont impliqués. La législation et la jurisprudence<br />

dans ce domaine font clairement apparaître les lacunes de<br />

la réglementation suisse que les autorités d’application, animées<br />

des intentions les plus honorables, ne peuvent contourner<br />

qu’au prix d’acrobaties juridiques se concluant souvent<br />

par une pirouette politique. C’est pour mettre fi n à cette situation<br />

que le Conseil fédéral (CF) a chargé le Département<br />

fédéral des affaires étrangères (DFAE) d’établir un projet de<br />

loi qui permette la confi scation des avoirs d’origine illicite de<br />

personnes exposées politiquement (PEP). 5<br />

Le présent article retrace d’abord l’historique des affaires<br />

Duvalier et Mobutu et explique le contenu des récentes décisions<br />

de l’OFJ et du CF y relatives. Il met ensuite en évidence<br />

les interrogations et les problèmes suscités par la pratique<br />

actuelle des autorités suisses en la matière et, à la lumière de<br />

ces deux affaires, en examine les conséquences sous l’angle<br />

des garanties caractérisant un État de droit. Enfi n, il dessine<br />

quelques pistes de réfl exion en vue de la rédaction du futur<br />

projet de loi.<br />

1 Communiqué de presse de l’OFJ du 2 juillet 2008, disponible à<br />

l’adresse électronique: http://www.bj.admin.ch/bj/fr/home/dokumentation/medieninformationen/2008/2008-07-02.html.<br />

2 Communiqué de presse de l’OFJ du 12 février 2009, disponible<br />

à l’adresse électronique: http://www.ejpd.admin.ch/ejpd/fr/<br />

home/dokumentation/mi/2009/ref_2009-02-12.html.<br />

3 Communiqué de presse du DFAE du 12 décembre 2008, disponible<br />

à l’adresse électronique: http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=fr&msg-id=24042.<br />

4 Communiqué de presse du DFAE du 25 février 2009, disponible<br />

à l’adresse électronique: http://www.eda.admin.ch/eda/fr/<br />

home/recent/media/single.html?id=25544.<br />

5 Communiqué de presse du DFAE du 5 décembre 2008, disponible<br />

à l’adresse électronique: http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=fr&msg-id=23694.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 275 10.3.2009 9:12:<strong>03</strong> Uhr<br />

275


276<br />

II. Les affaires Duvalier et Mobutu<br />

A. L’affaire Duvalier<br />

Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon<br />

Succédant en 1971 à son père à la tête de l’État haïtien, Jean-<br />

Claude Duvalier, mieux connu sous le nom de «Baby Doc»,<br />

resta au pouvoir jusqu’en 1986. Sous sa présidence, Haïti fut<br />

le lieu de nombreux crimes et violations des droits de l’homme:<br />

arrestations arbitraires, torture, disparitions forcées, exécutions<br />

extrajudiciaires, etc. 6 À cela s’ajoutèrent des détournements<br />

massifs de biens publics. 7<br />

Suite au départ forcé de Duvalier en 1986, le gouvernement<br />

haïtien demanda au CF l’entraide judiciaire relative aux<br />

avoirs ayant disparu sous sa présidence. Après avoir identifi é<br />

plusieurs comptes bancaires de la famille Duvalier dans les<br />

cantons de Vaud, Zurich et Genève, le CF transmit l’affaire<br />

aux cantons respectifs qui donnèrent l’ordre aux banques<br />

de bloquer les fonds. Un montant d’environ 7,5 millions de<br />

francs fut ainsi bloqué à titre provisoire en vertu de l’art. 18<br />

EIMP. 8<br />

Durant plus d’une décennie, l’affaire n’avança pas, notamment<br />

du fait des graves dysfonctionnements internes que<br />

connut Haïti dans les années 90. La procédure d’entraide<br />

semblant vouée à l’échec, le CF décida, en 2002, de bloquer<br />

les avoirs en Suisse de Duvalier sur la base de la compétence<br />

que lui confère l’art. 184 al. 3 Cst. 9 («blocage politique») en<br />

matière de sauvegarde des intérêts du pays. 10<br />

Le DFAE fut alors chargé d’assister les parties dans la recherche<br />

d’une solution transactionnelle. Une telle issue semblait<br />

à portée de main avant l’échéance du premier blocage<br />

en 2005. Sa fi nalisation nécessitait cependant de réunir tous<br />

les ayants droit de la famille Duvalier, ce qui ne se réalisa pas<br />

par manque de volonté des intéressés. Dans ce contexte, le<br />

CF décida de prolonger la mesure de blocage. 11<br />

Les représentants de la famille Duvalier ont, par la suite,<br />

perdu tout intérêt à la conclusion d’un accord en raison de<br />

l’arrêt du 27 avril 2006 du Tribunal fédéral (TF) dans l’affaire<br />

Mobutu. 12 Bien que reconnaissant la légitimité du blocage,<br />

le TF en critiqua la proportionnalité dans la mesure où<br />

le créancier n’était manifestement pas disposé à collaborer<br />

6 Amnesty International, Haïti: Les visages de la Répression, Paris<br />

1985; Commission Inter-Américaine des Droits de l’Homme,<br />

Rapports annuels: 1971–1987; Patrick Lemoine, Fort-Dimanche,<br />

Fort-La-Mort, New York 2006.<br />

7 Rapport de la Banque de la République d’Haïti du 15 janvier<br />

1987.<br />

8 Loi fédérale sur l’entraide internationale en matière pénale<br />

(EIMP, RS 351.1).<br />

9 Constitution fédérale (Cst., RS 101).<br />

10 Communiqué de presse du DFAE du 14 juin 2002.<br />

11 Pierre-Yves Morier, Is Autonomous Confi scation the Acme<br />

of Asset Recovery?, in: Mark Pieth (édit.), Recovering Stolen<br />

Assets, Berne 2008, p. 265.<br />

12 Morier (n. 11), p. 274 ss; ATF 1A.150/2004 du 27 avril 2006.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

pour trouver une solution négociée. Ainsi confortée dans<br />

son attitude non conciliante, la famille Duvalier se contenta<br />

d’attendre l’échéance de la mesure de blocage fi xée au 3 juin<br />

2007.<br />

Le 1 er juin 2007, le CF, s’appuyant une fois de plus sur<br />

sa compétence en matière de politique extérieure, ordonna<br />

un nouveau blocage politique des fonds pour trois mois supplémentaires.<br />

Contre toute attente, cette mesure fut renouvelée<br />

en date du 22 août 2007, pour une nouvelle période<br />

de douze mois. 13 Cette mesure se fondait sur les assurances<br />

données par le Président haïtien quant à la volonté de son<br />

État d’introduire des poursuites contre Duvalier. Cet ultime<br />

répit devait laisser au gouvernement haïtien la possibilité de<br />

concrétiser ses promesses. La décision de prolongation du<br />

blocage des fonds fi t toutefois l’objet d’un recours auprès du<br />

Tribunal administratif fédéral (TAF) qui donna lieu à un arrêt<br />

limité à la recevabilité de la cause. 14 Ce recours devint par la<br />

suite sans objet, consécutivement à la décision du 2 juillet<br />

2008 de l’OFJ. 15<br />

B. L’affaire Mobutu<br />

Président de 1965 à 1997 de la République démocratique du<br />

Congo (RDC) – qu’il avait lui-même rebaptisée Zaïre – Joseph<br />

Désiré Mobutu Sese Seko instaura un régime fondé sur<br />

la corruption et les violations massives des droits de l’homme.<br />

On estime à plusieurs milliards les fonds détournés par<br />

lui et son clan. 16<br />

Suite à l’éviction du pouvoir de Mobutu, la RDC présenta,<br />

le 13 mai 1997, une demande d’entraide judiciaire à la Suisse<br />

en vue du blocage, à titre conservatoire, d’une propriété à<br />

Savigny (Vaud). Le blocage fut prononcé à titre de mesure<br />

conservatoire au sens de l’art. 18 EIMP. Des mesures visant<br />

d’autres biens ne purent être prises car la demande ne<br />

contenait pas une description suffi sante des avoirs à geler et<br />

présentait un caractère trop général pour qu’il puisse y être<br />

donné suite.<br />

Dans l’attente d’une demande d’entraide plus complète,<br />

le CF édicta, le 17 mai 1997, une ordonnance 17 fondée directement<br />

sur l’art. 102 ch. 8 aCst. (art. 184 al. 3 nCst.) afi n de<br />

sauvegarder les avoirs appartenant à la RDC en Suisse pour<br />

une durée d’une année. Des avoirs pour un montant d’envi-<br />

13 Morier (n. 11), p. 275.<br />

14 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 et décision C-7589/2007<br />

du 17 juillet 2008 du TAF.<br />

15 Notons qu’il existe une procédure parallèle, intentée par des<br />

particuliers, visant également les biens de Jean-Claude Duvalier<br />

en Suisse (Arrêt Juste c. Fondation Brouilly et Duvalier<br />

ACJC/1521/2007 du 13 décembre 2007 de la Cour de justice de<br />

Genève = SJ 2008 I 369).<br />

16 Banque Mondiale, World Development Report 2002, Washington<br />

D.C. 2002, p. 232.<br />

17 RO 1997 p. 1149.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 276 10.3.2009 9:12:<strong>03</strong> Uhr


Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />

ron six millions de francs furent répertoriés. 18 Peu après, la<br />

RDC compléta sa demande d’entraide et l’OFJ ordonna le gel<br />

des avoirs appartenant au clan Mobutu dans la mesure où ils<br />

n’étaient pas déjà visés par l’ordonnance du CF. Ces mesures<br />

furent confi rmées par le TF sur recours des hoirs de Mobutu.<br />

19 Par la suite, l’OFJ étendit encore la procédure d’entraide<br />

aux comptes déclarés conformément à l’ordonnance du CF.<br />

Le montant fi nalement gelé par la Suisse s’éleva à environ<br />

7,7 millions de francs.<br />

Pour faire aboutir la requête d’entraide, la RDC devait encore<br />

démontrer l’existence d’un lien direct entre les infractions<br />

reprochées à Mobutu et les biens bloqués en Suisse. 20 Malgré<br />

de nombreux rappels successifs du côté suisse, les autorités<br />

congolaises ne montrèrent aucun empressement à fournir les<br />

preuves nécessaires à l’octroi de l’entraide. 21 En conséquence,<br />

l’OFJ, constatant qu’il n’était pas possible d’établir qu’une<br />

procédure pénale était encore ouverte en RDC contre Mobutu<br />

et ses proches et que les faits faisant l’objet de cette procédure<br />

semblaient prescrits au regard du droit suisse, dut fi nalement<br />

se résoudre, en décembre 20<strong>03</strong>, à rendre une décision négative<br />

terminant la procédure d’entraide.<br />

Le CF ordonna alors un blocage «politique» des avoirs sur<br />

la base de l’art. 184 al. 3 Cst. pour une durée de trois ans.<br />

Durant cette période, le CF confi a au DFAE un mandat de<br />

facilitateur pour assister les parties dans la recherche d’une<br />

issue aussi satisfaisante que possible. Le blocage, renouvelé<br />

en 2006, devait échoir le 15 décembre 2008. C’est dans ce<br />

contexte qu’intervinrent les décisions des 12 décembre 2008<br />

et 25 février 2009. 22<br />

III. Les récentes décisions Duvalier<br />

et Mobutu<br />

A. Les décisions des 2 juillet 2008 et<br />

12 février 2009<br />

En date du 2 juillet 2008, l’OFJ a maintenu le blocage des<br />

fonds Duvalier dans le cadre d’une nouvelle procédure d’en-<br />

18 Alvaro Borghi, Le blocage et la restitution internationale des<br />

biens illicitement acquis, Lausanne 2006, p. 188.<br />

19 Hoirs de feu Mobutu Sese Seko c. Offi ce fédéral de la police,<br />

arrêt non publié du 28 janvier 1998, rés. in: Maurice Harari/<br />

Corinne Corminboeuf, EIMP révisée: Considérations critiques<br />

sur quelques arrêts récents, <strong>AJP</strong>/PJA 1999, p. 145.<br />

20 Communiqué de presse de l’OFJ du 11 mai 1998.<br />

21 Borghi (n. 18), p. 190.<br />

22 Notons encore que les fonds Mobutu en Suisse ont fait l’objet<br />

d’une procédure parallèle de poursuite de la part d’un de ses<br />

créanciers (ATF 132 I 229). Cette procédure a donné lieu à<br />

des réfl exions intéressantes sur la hiérarchie entre une mesure<br />

«politique» de blocage et un jugement défi nitif et exécutoire allouant<br />

une partie de ces fonds au créancier.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

traide judiciaire. 23 Dans le même temps, il a invité les détenteurs<br />

des comptes à prouver, pour la fi n septembre 2008,<br />

que ces avoirs – totalisant environ sept millions de francs –<br />

n’étaient pas d’origine délictueuse. 24 Sans réponse des intéressés<br />

dans ce délai, les fonds seraient restitués à Haïti. Cette<br />

décision ayant rendu caduc le blocage politique des fonds en<br />

vigueur jusque là, le CF a, dans le même temps, mis fi n à<br />

cette mesure. 25<br />

Le 12 février dernier, l’OFJ a ordonné la remise des fonds<br />

bloqués à Haïti, les détenteurs des comptes n’ayant pu démontrer<br />

que ces avoirs ne sont pas d’origine criminelle.<br />

Conformément à cette décision, les avoirs doivent être affectés<br />

à des projets de développement au profi t de la population<br />

haïtienne. 26 La décision du 12 février 2009 est une décision<br />

de clôture de la procédure d’entraide 27 et reste sujette à recours<br />

devant la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral<br />

(TPF) dans un délai de 30 jours. 28<br />

B. Les décisions des 12 décembre 2008<br />

et 25 février 2009<br />

Dans la perspective de l’échéance du délai, au 15 décembre<br />

2008, du blocage des fonds Mobutu, le gouvernement suisse<br />

a relancé une dernière fois les autorités congolaises. Donnant<br />

suite à la proposition suisse, la RDC a fi nalement mandaté un<br />

avocat suisse afi n d’entreprendre les procédures utiles en vue<br />

de la confi scation des avoirs de l’ancien dictateur en Suisse.<br />

Vu les signes de bonne volonté de la part de la RDC, le CF a<br />

décidé, en date du 12 décembre 2008, de prolonger une «ultime»<br />

fois la mesure de blocage jusqu’au 28 février 2009 afi n<br />

de permettre la concrétisation des démarches projetées par<br />

la RDC. 29<br />

23 Il s’agit d’une décision incidente fondée sur l’art. 74a EIMP (remise<br />

en vue de confi scation ou de restitution) sujette à recours<br />

dans le délai de dix jours, conditionné toutefois à l’existence<br />

d’un «préjudice immédiat et irréparable». En l’espèce, aucun<br />

recours n’a été interjeté par le clan Duvalier.<br />

24 OFJ (n. 1). Relevons que, sur suggestion du gouvernement<br />

suisse, c’est un avocat suisse, mandaté par Haïti, qui a rédigé la<br />

nouvelle requête d’entraide. Ses honoraires sont pris en charge<br />

par la Direction du développement et de la coopération (DDC).<br />

25 Cette décision a été suivie d’une décision de clôture de la procédure<br />

de recours contre la prolongation du blocage des fonds du<br />

22 août 2007 pendante devant le TAF (Décision C-7589/2007<br />

du 17 juillet 2008 du TAF).<br />

26 Notons que les modalités imposées de restitution soulèvent de<br />

nombreuses questions quant au respect de la souvraineté étatique,<br />

d’une part, et à la manière d’éviter que l’argent vienne à<br />

nouveau alimenter un État victime de corruption, d’autre part.<br />

27 Art. 80d EIMP.<br />

28 Art. 80e et 80k EIMP.<br />

29 DFAE (n. 3). Comme dans l’affaire Duvalier, les frais de procédure<br />

et les honoraires de cet avocat sont supportés par la<br />

Suisse.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 277 10.3.2009 9:12:04 Uhr<br />

277


278<br />

Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon<br />

La RDC a déposé une dénonciation pénale auprès du Ministère<br />

public de la Confédération (MPC) le 23 janvier 2009.<br />

Suite à ce nouveau développement, le CF a estimé nécessaire<br />

d’ordonner une extension de deux mois de la prolongation<br />

du blocage, soit jusqu’au 30 avril 2009. 30<br />

La nature juridique de la mesure du CF du 12 décembre<br />

2008, respectivement du 25 février 2009, est une question<br />

qui, déjà par le passé, a soulevé un certain nombre de problèmes.<br />

31 Il s’agit d’une mesure fondée sur l’art. 184 al. 3 Cst.<br />

prise en vue de la sauvegarde des intérêts du pays. Selon cet<br />

article, ces mesures revêtent la forme de l’ordonnance lorsqu’elles<br />

constituent des règles de droit au sens de l’art. 22<br />

al. 4 LParl 32 et celle de décision lorsqu’elles visent des cas<br />

particuliers. 33 La mesure du 12 décembre 2008, respectivement<br />

du 25 février 2009, s’apparente donc à une ordonnance<br />

puisqu’elle présente un caractère général et abstrait propre<br />

à une règle de droit. 34 Cette mesure s’adresse en effet à une<br />

pluralité de personnes et à différents biens, y compris ceux<br />

non encore connus.<br />

C. Deux États «défaillants»<br />

Les affaires Duvalier et Mobutu présentent plusieurs points<br />

communs. Premièrement, elles concernent deux États «défaillants».<br />

L’instabilité politique, ainsi que les diffi cultés<br />

institutionnelles, économiques et logistiques propres à ces<br />

pays, compliquent les relations qu’ils ont avec d’autres États,<br />

notamment en matière d’entraide pénale internationale. La<br />

longueur et l’embourbement des procédures relatives à ces<br />

deux affaires en sont une illustration. Deuxièmement, ces<br />

affaires portent sur la confi scation et la restitution d’avoirs,<br />

situés en Suisse, en possession de leurs anciens dirigeants et<br />

dont l’origine, selon toute vraisemblance, est illicite.<br />

Bien que partant d’une situation initiale similaire, ces<br />

États ont emprunté des voies différentes en vue de la restitution<br />

des fonds de PEP. Dans le cas haïtien, le gouvernement,<br />

après avoir introduit des procédures judiciaires contre<br />

Duvalier en Haïti, a procédé par la voie de l’entraide afi n de<br />

demander la confi scation des fonds bloqués sur la base de<br />

l’EIMP. De son côté, le gouvernement congolais a choisi la<br />

voie du droit interne, en application de l’art. 72 CP, 35 en déposant<br />

plainte pénale auprès du MPC.<br />

Le présent article considère toutefois ces deux affaires<br />

dans la perspective de l’entraide internationale sans s’attarder<br />

sur les voies traditionnelles de confi scation offertes par<br />

la législation domestique suisse. Ce choix se justifi e, d’une<br />

30 DFAE (n. 4).<br />

31 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 4.5; ATF 132 I<br />

229 consid. 4.3 et les réf. citées.<br />

32 Loi sur l’Assemblée fédérale (LParl, RS 171.10).<br />

33 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 4.5; ATF 132 I<br />

229 consid. 4.3 et les réf. citées.<br />

34 Ibid.<br />

35 Code pénal suisse (CP, RS 311.0).<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

part, parce que que la «défaillance» commune de ces deux<br />

États et les problèmes en résultant sont à l’origine de l’initiative<br />

du législateur de rédiger un projet de loi en vue de<br />

compléter sa législation sur l’entraide internationale en matière<br />

de confi scation d’avoirs des PEP. D’autre part, bien que<br />

l’affaire Mobutu semble s’être engagée sur la voie pénale, la<br />

voie de l’entraide reste une alternative valable dans le cas où<br />

le MPC viendrait à classer l’affaire.<br />

IV. La pratique suisse en matière de<br />

restitution spontanée de fonds à la<br />

lumière des récentes décisions<br />

Duvalier et Mobutu<br />

A. Cadre légal<br />

Le blocage, respectivement la confi scation, d’avoirs appartenant<br />

à des PEP et leur restitution à des «États défaillants» est<br />

une confi guration qui pose de nombreux problèmes. Nous y<br />

reviendrons plus loin, après avoir situé la question qui nous<br />

occupe dans le cadre légal existant et en avoir défi ni certaines<br />

notions.<br />

1. Personnes exposées politiquement<br />

D’une manière générale, les PEP sont «des personnes qui<br />

exercent, ou qui ont par le passé exercé des fonctions publiques<br />

de premier plan dans un pays donné». 36 L’art. 1<br />

OBA-FINMA 1 37 apporte une défi nition plus précise de cette<br />

notion et qualifi e de PEP: «(1) les personnes suivantes qui<br />

occupent des fonctions publiques importantes à l’étranger:<br />

les chefs d’État ou de gouvernement, les politiciens de haut<br />

rang au niveau national, les hauts fonctionnaires de l’administration,<br />

de la justice, de l’armée et des partis au niveau<br />

national, les plus hauts organes des entreprises étatiques<br />

d’importance nationale; (2) les entreprises et les personnes<br />

qui, de manière reconnaissable, sont proches des personnes<br />

précitées pour des raisons familiales ou personnelles ou pour<br />

des raisons d’affaires». 38 De part leurs fonctions et leurs activités,<br />

Duvalier et Mobutu sont à qualifi er de PEP.<br />

36 GAFI, Les quarante recommandations (20<strong>03</strong>), disponibles à<br />

l’adresse électronique: http://www.fatf-gafi .org/document/<br />

23/0,3343,fr_3225<strong>03</strong>79_32236920_34920215_1_1_1_1,00.<br />

html#lesquarante.<br />

37 Ordonnance de l’Autorité fédérale de surveillance des marchés<br />

fi nanciers sur la prévention du blanchiment d’argent et<br />

du fi nancement du terrorisme dans le domaine des banques,<br />

des négociants en valeurs mobilières et des placements collectifs<br />

(Ordonnance 1 de la FINMA sur le blanchiment d’argent,<br />

OBA-FINMA 1, RS 955.022).<br />

38 V. aussi Carlo Lombardini, Banques et blanchiment d’argent,<br />

Zurich 2006, p. 28.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 278 10.3.2009 9:12:04 Uhr


Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />

2. La confi scation<br />

a. Absence de confi scation autonome<br />

Relevons tout d’abord qu’il n’existe pas en Suisse de confi scation<br />

autonome. En droit suisse, la confi scation implique<br />

que la juridiction helvétique soit compétente. 39 Ainsi, en dehors<br />

de toute coopération internationale requise de la Suisse<br />

par un État étranger ou de tout rattachement de l’infraction<br />

à la Suisse, des valeurs patrimoniales ne sauraient, en l’état<br />

du droit actuel, faire l’objet d’une confi scation. Comme l’a<br />

relevé le TF, il appartient au législateur fédéral de défi nir<br />

à quelles conditions une mesure de confi scation autonome<br />

pourrait intervenir. 40<br />

Les art. 70 ss CP – en particulier l’art. 72 CP – prévoient<br />

certes la confi scation de valeurs patrimoniales qui sont le résultat<br />

d’une infraction. Mais celle-ci doit résulter d’une procédure<br />

pénale suisse, ce qui requiert que le juge suisse soit compétent.<br />

41 Ce rattachement reste néanmoins diffi cile à établir. 42<br />

b. La confi scation internationale<br />

Parmi les instruments internationaux en matière de restitution<br />

de biens, 43 la Convention de l’ONU contre la corruption joue<br />

un rôle clé. Pour la première fois, un instrument multilatéral<br />

pose de manière contraignante le principe de la restitution<br />

des avoirs acquis illicitement. 44 Cette convention n’ayant pas<br />

encore été ratifi ée par la Suisse, elle est toutefois exclue du<br />

cadre légal analysé dans le présent article.<br />

c. La voie de l’entraide internationale<br />

i. Champ d’application<br />

En l’absence de confi scation autonome et internationale, la<br />

confi scation de biens sur le territoire suisse appartenant à<br />

des PEP passe, pour l’heure, principalement par la voie de<br />

l’entraide judiciaire pénale. Les affaires Marcos, 45 Abacha46 39 Mark Pieth, Die Herausgabe illegal erworbener Vermögenswerte<br />

an sog. «Failing States», in: Marcel Niggli/José<br />

Pozo Hurtado/Nicolas Quelloz (édit.), Festschrift für Franz<br />

Riklin, Zurich 2007, p. 5<strong>03</strong>.<br />

40 ATF 128 IV 145.<br />

41 ATF 6B.722/2007 du 9 mai 2008.<br />

42 C’est toutefois l’une des voies empruntées, avec succès, dans<br />

l’affaire Abacha. C’est également la voie actuellement privilégiée<br />

par la RDC.<br />

43 Convention de l’OCDE sur la lutte contre la corruption d’agents<br />

publics étrangers dans les transactions commerciales internationales<br />

(RS 0.311.21); Convention pénale du Conseil de l’Europe<br />

sur la corruption (RS 0.311.55); Convention du Conseil de<br />

l’Europe relative au blanchiment, au dépistage, à la saisie et à la<br />

confi scation des produits du crime (RS 0.311.53).<br />

44 La Convention contient un chapitre entier consacré au recouvrement<br />

d’avoirs et aux mesures connexes (Chapitre V, art. 51 à<br />

59).<br />

45 ATF 113 Ib 257 = JdT 1989 IV 29.<br />

46 ATF 1A.215/2004 du 7 février 2005.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

et Montesinos 47 en sont quelques exemples. Avant de nous<br />

pencher sur les modalités de cette confi scation, il convient<br />

d’abord de bien circonscrire le champ d’application de l’entraide.<br />

Conformément à l’art. 1 er al. 4 EIMP, la loi ne confère<br />

aucun droit à un État requérant d’exiger une coopération internationale<br />

en matière pénale, sous réserve de l’obligation<br />

qui lui serait faite de fournir l’entraide en vertu d’un traité<br />

qui le lierait avec l’État demandeur. Or, dans le cas des avoirs<br />

Duvalier et Mobutu, ce traité fait précisément défaut. Traditionnellement,<br />

la Suisse s’est toutefois montrée disposée à<br />

procéder à des actes d’entraide en faveur d’États étrangers,<br />

même en l’absence d’un traité d’entraide. 48<br />

La coopération judiciaire internationale que la Suisse peut<br />

apporter à des États requérants est une procédure à vocation<br />

administrative qui ne porte ni sur une accusation en matière<br />

pénale, ni sur une contestation concernant des droits de nature<br />

civile au sens de l’art. 6 ch. 1 CEDH. 49 Elle ne représente<br />

pas non plus un simple prolongement, sur le territoire<br />

de l’État requis, de la procédure pénale ouverte dans l’État<br />

requérant. 50 Cependant, cette coopération présuppose – en<br />

particulier dans l’examen du contrôle de la double incrimination<br />

– que l’État requis vérifi e que l’infraction motivant la<br />

demande soit punissable selon son droit pénal matériel interne.<br />

51<br />

Par ailleurs, même si l’État requis prête assistance à l’État<br />

requérant, son bon vouloir est limité par la loi. Rappelons<br />

à cet égard l’existence de l’art. 67a EIMP (transmission<br />

spontanée de moyens de preuve et d’informations). C’est<br />

dans ce cadre-là que doivent être examinés les récents développements<br />

doctrinaux et jurisprudentiels en matière de<br />

restitution spontanée de fonds.<br />

En outre, même si la Suisse est liée par des conventions, la<br />

restitution «spontanée» est soumise à des conditions strictes.<br />

On en veut pour preuve l’art. 18 ch. 4 let. f de la Convention<br />

du Conseil de l’Europe relative au blanchiment, au dépistage,<br />

à la saisie et à la confi scation des produits du crime.<br />

Selon cette disposition, la Suisse peut refuser la coopération<br />

si la demande de confi scation de fonds se rapporte «à une<br />

décision de confi scation rendue en l’absence de la personne<br />

visée par la décision et si, selon la partie requise, la procédure<br />

engagée par la partie requérante et qui a conduit à cette<br />

décision n’a pas satisfait aux droits minima de la défense reconnus<br />

à toute personne accusée d’une infraction».<br />

47 ATF 1A.70/20<strong>03</strong> du 8 septembre 20<strong>03</strong>.<br />

48 Ces actes ont pu prendre la forme de blocages de fonds (art. 18<br />

et 63 EIMP), de remises de moyens de preuves (art. 74 EIMP)<br />

et, dans la mesure où il existe un jugement défi nitif et exécutoire<br />

conforme aux droits de l’homme et aux garanties fondamentales,<br />

de remises en vue de confi scation ou de restitution (art. 74a<br />

EIMP).<br />

49 ATF 123 II 161 consid. 3a = JdT 1999 IV 55.<br />

50 ATF 127 II 104 consid. 3d.<br />

51 ATF 124 II 120 consid. 4c = SJ 1998 I 487.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 279 10.3.2009 9:12:04 Uhr<br />

279


280<br />

Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon<br />

ii. Remise en vue de confi scation ou de restitution:<br />

l’art. 74a EIMP<br />

Depuis la révision de l’EIMP, 52 la législation suisse permet<br />

une remise anticipée d’objets ou de valeurs saisis à titre<br />

confi scatoire par le biais de l’art. 74a EIMP.<br />

L’alinéa 1 énonce le principe selon lequel, sur demande<br />

de l’autorité étrangère compétente, les objets ou valeurs saisis<br />

à titre conservatoire peuvent lui être remis au terme de la<br />

procédure d’entraide en vue de confi scation ou de restitution<br />

de l’ayant droit. Cela implique, d’une part, que la remise de<br />

tels biens à l’État requérant ne peut avoir lieu que dans un but<br />

précis et, d’autre part, que cet État doit avoir ouvert une procédure<br />

interne tendant à leur confi scation ou à leur restitution<br />

à l’ayant droit. 53<br />

L’alinéa 3 laisse à l’autorité un large pouvoir d’appréciation<br />

pour décider si et à quelles conditions la remise peut<br />

avoir lieu. 54 «En règle générale», les autorités de l’État requis<br />

doivent attendre «une décision défi nitive et exécutoire de<br />

l’État requérant», puis examiner si cette décision a été rendue<br />

à l’issue d’une «procédure répondant aux exigences des<br />

art. 4, 58 [a]Cst. et 6 CEDH et si elle est conforme à l’ordre<br />

public suisse par son contenu, sans pour autant faire application<br />

des art. 94 ss EIMP». 55 Cette formulation laisse penser<br />

que l’absence de décision exécutoire et défi nitive relève de<br />

l’exception, ce que porte d’ailleurs à croire le Message du<br />

CF. 56 Partant, des indices relativement forts sont nécessaires<br />

pour justifi er son application. Faute d’une décision défi nitive<br />

et exécutoire, l’autorité compétente doit décider de la remise<br />

après avoir pris en compte toutes les particularités du cas. 57<br />

52 Message du 29 mars 1995 (MCF EIMP), FF 1995 III 1. La révision<br />

du 4 octobre 1996 avait essentiellement pour but de simplifi<br />

er et d’accélérer la procédure d’entraide en vue, notamment,<br />

de renforcer la collaboration internationale entre autorités de<br />

poursuite pénale. L’essentiel des modifi cations proposées portait<br />

sur la partie générale ainsi que la troisième partie de l’EIMP<br />

consacrée à l’entraide accessoire. L’une des nouveautés de cette<br />

révision a été l’introduction d’une disposition séparée relative à<br />

la remise d’objets ou de valeurs en vue de leur confi scation ou<br />

de leur restitution à l’ayant droit dans l’État requérant (art. 74a<br />

EIMP).<br />

53 Borghi (n. 18), p. 175.<br />

54 Id., p. 108.<br />

55 Maurice Harari, Remise internationale d’objets et valeurs:<br />

réfl exions à l’occasion de la modifi cation de l’EIMP, in:<br />

Christian-Nils Robert/Bernhard Sträuli (édit.), Procédure pénale,<br />

droit pénal international, entraide pénale: Études en l’honneur<br />

de Dominique Poncet, Chêne-Bourg 1997, p. 198; MCF<br />

EIMP (n. 52), p. 8. Sur la question du rapport de l’art. 74a EIMP<br />

et de l’art. 94 EIMP v. Robert Zimmermann, La coopération<br />

judiciaire internationale en matière pénale, Berne 2004, p. 108.<br />

56 MCF EIMP (n. 52), p. 14 s.<br />

57 ATF 123 II 595 consid. 4 et 5. Dans cet arrêt relatif aux fonds<br />

Marcos, le TF a considéré que «compte tenu de l’intérêt de la<br />

Suisse à une restitution immédiate des valeurs et de la provenance<br />

manifestement délictueuse de ces dernières, une remise<br />

immédiate se justifi e, pour autant que les Philippines garantis-<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Si l’affaire n’est pas claire, la remise anticipée n’est pas accordée.<br />

58 La Suisse dépend ainsi, dans une large mesure, de<br />

la bonne volonté et de la coopération des autorités judiciaires<br />

de l’État d’origine des fonds. 59<br />

La remise de nature confi scatoire est une mesure défi nitive.<br />

60 Puisqu’elle atteint plus lourdement la personne concernée<br />

et les tiers, elle suppose davantage de circonspection de<br />

la part de l’État requis et ne peut être prononcée qu’en présence<br />

de solides éléments de preuve. 61 Cela est d’autant plus<br />

vrai lorsqu’il s’agit d’une remise intervenant en l’absence<br />

d’une décision défi nitive et exécutoire de l’État requérant.<br />

Les affaires Duvalier et Mobutu posent justement la question<br />

des éléments de preuve nécessaires à la motivation d’une<br />

telle requête.<br />

iii. La jurisprudence Abacha<br />

Dans son fameux arrêt du 7 février 2005 concernant la restitution<br />

des fonds Abacha au Nigéria, le TF a conclu que<br />

l’art. 74a al. 3 EIMP devait être interprété à la lumière de<br />

l’art. 72 CP (art. 59 ch. 3 aCP). 62 Le TF fonda son argumentation<br />

sur la volonté du CF, par l’introduction de cette nouvelle<br />

norme, de déroger à la règle – prévalant tant en droit interne<br />

qu’en matière d’entraide judiciaire internationale – selon laquelle<br />

une valeur ne peut être confi squée que s’il est possible<br />

d’établir l’infraction dont elle provient. Le but était ainsi de<br />

faciliter l’entraide judiciaire et l’exécution de confi scations<br />

étrangères portant sur des valeurs patrimoniales acheminées<br />

en Suisse par des organisations criminelles. Le TF alla même<br />

plus loin en déclarant que «même si le Message ne le dit pas,<br />

l’art. 59 ch. 3 deuxième phrase [a]CP, s’applique aussi dans<br />

le domaine de l’entraide judiciaire». 63 Il en résulte qu’un PEP<br />

et son entourage peuvent recevoir la qualifi cation d’organisation<br />

criminelle. Partant, leurs fonds sont présumés d’origine<br />

délictueuse à moins qu’ils n’apportent la preuve du contraire.<br />

À défaut d’avoir renversé la présomption de l’art. 59 ch. 3<br />

deuxième phrase aCP, la remise est ordonnée en application<br />

de l’art. 74a al. 3 EIMP, sans autre examen de la provenance<br />

des fonds réclamés. 64<br />

sent une procédure de restitution ou de confi scation conforme<br />

au Pacte ONU II».<br />

58 Zimmermann (n. 55), p. 201.<br />

59 Morier (n. 11), p. 273.<br />

60 Id., p. 196.<br />

61 Harari (n. 55), p. 197.<br />

62 ATF 1A.215/2004 du 7 février 2005 consid. 9.1.<br />

63 Dans ce sens également: Harari (n. 55), p. 185; Florian<br />

Baumann, in: Marcel Niggli/Hans Wiprächtiger (édit.), Basler<br />

Kommentar StGB, Bâle 20<strong>03</strong>, ad art. 59 aCP, n. 75, est plus<br />

réticent: tout en soulignant que l’art. 74a EIMP vise la remise<br />

du produit de l’infraction et non pas les valeurs soumises au<br />

pouvoir de disposition d’une organisation criminelle, il admet<br />

une telle remise pour autant que les droits des tiers de bonne foi<br />

soient sauvegardés.<br />

64 ATF 1A.215/2004 du 7 février 2005 consid. 9.1.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 280 10.3.2009 9:12:04 Uhr


Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />

Le TF a conclu en donnant instruction à l’OFJ d’offrir<br />

aux détenteurs des comptes visés la possibilité de faire valoir<br />

les arguments propres à renverser la présomption posée<br />

à l’art. 59 ch. 3 deuxième phrase aCP, c’est-à-dire de démontrer<br />

que les fonds saisis ne sont pas d’origine criminelle.<br />

La qualifi cation d’organisation criminelle de certains PEP<br />

et leur entourage, de même que le renversement du fardeau<br />

de la preuve qui en découle, ont marqué un tournant dans<br />

la réfl exion juridique relative à la confi scation des avoirs de<br />

criminels internationaux.<br />

3. Le blocage «politique»: l’art. 184 al. 3 Cst.<br />

L’art. 184 al. 3 Cst. (art. 102 ch. 8 aCst.) prévoit la compétence<br />

explicite du CF d’adopter des ordonnances et de prendre<br />

des décisions lorsque la sauvegarde des intérêts du pays<br />

l’exige. Une deuxième phrase précise que les ordonnances<br />

doivent être limitées dans le temps. 65 Cet article permet<br />

ainsi au CF d’ordonner le blocage de biens situés en Suisse<br />

lorsque leur remise pourrait être contraire aux intérêts de la<br />

Suisse, afi n notamment de préserver la sécurité et l’intégrité<br />

de la place fi nancière helvétique.<br />

La première mesure de blocage de biens à titre de mesure<br />

de politique extérieure fut prise en 1986 à l’encontre des<br />

avoirs de l’ancien président philippin Marcos. 66 Par la suite,<br />

s’appuyant à nouveau sur l’art. 184 al. 3 Cst., le CF édicta<br />

l’ordonnance relative à la sauvegarde des avoirs de la RDC<br />

en Suisse. Les décisions des 12 décembre 2008 et 25 février<br />

2009 reposent également sur cette norme. L’affaire Duvalier<br />

est un autre cas d’application de l’art. 184 al. 3 Cst. dont le<br />

CF usa à de nombreuses reprises.<br />

B. Les décisions Duvalier et Mobutu:<br />

un équilibre périlleux des intérêts<br />

juridiques en jeu<br />

Malgré l’effi cacité de la législation actuelle en matière de<br />

restitution des avoirs de PEP, les affaires Duvalier et Mobutu<br />

testent les limites du système prévu par l’EIMP qui présuppose<br />

la remise d’une requête d’entraide par un État étranger.<br />

Or, dans les cas d’Haïti et de la RDC, c’est précisément l’absence<br />

d’une requête d’entraide qui a conduit à la paralysie du<br />

système existant. Que faire donc lorsque l’État censé être requérant<br />

ne veut, respectivement ne peut, formuler de requête<br />

d’entraide demandant la restitution des fonds aux conditions<br />

exigées par la législation suisse? C’est là tout le problème des<br />

«États défaillants» qui, soit par manque de volonté politique<br />

(corruption, climat d’impunité, etc.), soit par impossibilité<br />

matérielle (système judiciaire inexistant ou faible, incapacité<br />

65 Borghi (n. 18), p. 132.<br />

66 Id., p. 133; Pascal Mahon/Jean-François Aubert, Petit<br />

Commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération<br />

suisse du 18 avril 1999, Zurich 20<strong>03</strong>, ad art. 18, rem. 13 ss.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

technique ou logistique, etc.), ne sont pas en mesure d’utiliser<br />

la voie de l’entraide internationale.<br />

Dans un tel contexte, les récentes décisions Duvalier et<br />

Mobutu mettent en évidence l’exercice d’équilibriste auquel<br />

doivent s’adonner les autorités d’exécution confrontées à des<br />

fonds revenant à des États défaillants. Ces autorités se trouvent<br />

en effet tiraillées entre leur devoir de fi délité aux principes<br />

de l’État de droit et leur bonne volonté d’aider des États<br />

nécessiteux. Cet exercice se révèle d’autant plus complexe<br />

que les exigences de l’État de droit sont rigoureuses.<br />

Les mesures prises à titre de confi scation – au contraire<br />

de la procédure d’entraide proprement dite – consistent, en<br />

effet, en une «contestation sur des droits ou obligations de<br />

caractère civil» au sens de l’art. 6 ch. 1 CEDH. 67 Celles-ci<br />

doivent donc, sauf exception expressément prévue par la loi,<br />

respecter les garanties procédurales qui en découlent, notamment<br />

la garantie d’accès au juge (1). De plus, l’exercice du<br />

pouvoir d’appréciation de l’autorité compétente reste limité<br />

par les principes généraux de la procédure administrative,<br />

à savoir ceux de la légalité (2) et de la proportionnalité (3),<br />

ainsi que les garanties de procédure fondamentales telle la<br />

répartition du fardeau de la preuve au regard de la présomption<br />

d’innocence (4).<br />

1. Garantie d’accès au juge<br />

Une décision gelant des fonds équivaut à une saisie et touche<br />

directement la personne concernée par la mesure dans ses<br />

droits de caractère civil. Celle-ci dispose en conséquence du<br />

droit d’accès au juge (art. 6 ch. 1 CEDH). 68<br />

Dans le cas d’une confi scation au sens de l’art. 74a EIMP<br />

(affaire Duvalier), les voies de droit sont clairement réglées<br />

par l’EIMP et ne soulèvent aucun problème particulier quant<br />

au respect du droit d’accès au juge. Ce n’est par contre pas le<br />

cas d’un blocage ordonné sur la base de l’art. 184 al. 3 Cst.<br />

(affaire Mobutu), respectivement d’une décision d’exécution<br />

fondée sur une telle ordonnance. Ici, il faut distinguer entre<br />

une mesure prise sous la forme d’une ordonnance et une mesure<br />

prise sous la forme d’une décision du CF.<br />

S’agissant d’une ordonnance, aucune voie de recours<br />

n’est ouverte contre celle-ci. La possibilité de se prévaloir<br />

du droit à ce que sa cause soit jugée par une autorité judiciaire<br />

(art. 29a Cst.) a été rejetée par la jurisprudence qui y<br />

a opposé l’exception expresse prévue à l’art. 189 al. 4 Cst. 69<br />

De même, l’art. 6 ch. 1 CEDH ne permet pas de déduire<br />

un droit à voir sa cause examinée par un juge dans le cadre<br />

d’une ordonnance confi scatoire. Cette disposition implique<br />

l’existence d’une contestation réelle et précise; un lien ténu<br />

ou des répercussions lointaines ne suffi sent pas. L’issue de la<br />

67 Convention de sauvegarde des droits de l’homme et des libertés<br />

fondamentales (CEDH, RS 0.101).<br />

68 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 11.6; ATF 132 I<br />

229 consid. 6.3.<br />

69 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 9.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 281 10.3.2009 9:12:05 Uhr<br />

281


282<br />

Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon<br />

procédure doit être directement déterminante pour le droit en<br />

question. 70 Or, la seule existence d’une ordonnance ne met<br />

pas encore en jeu les droits et obligations protégés par la disposition<br />

conventionnelle. Le lien concret fait dans ce cas défaut.<br />

71 L’autorité a toutefois le devoir de publier cette ordonnance<br />

à caractère confi scatoire. Le CF n’a pas semblé très<br />

soucieux du respect de cette formalité, ce qui a obligé tant le<br />

TF que le TAF à des exercices divinatoires pour conclure à la<br />

qualifi cation d’ordonnance. 72<br />

La situation est différente dans le cas d’une décision<br />

d’exécution d’une mesure ordonnée sur la base de l’art. 184<br />

al. 3 Cst. Cette décision est susceptible de recours auprès du<br />

TAF puisqu’il s’agit d’une décision au sens de l’art. 5 PA<br />

émanant d’une autorité fi gurant à l’art. 33 let. d LTAF 73 – en<br />

règle générale du DFAE – et sujette à recours selon l’art. 31<br />

LTAF. En outre, l’exception prévue à l’art. 32 al. 1 let. a<br />

LTAF ne s’applique pas puisque l’on est en présence de<br />

droits de caractère civil au sens de l’art. 6 ch. 1 CEDH. Il<br />

est vrai que l’application de cette disposition a été niée lorsque<br />

l’autorité dispose d’un libre pouvoir d’appréciation tel<br />

qu’en matière de prérogatives discrétionnaires ou d’actes<br />

de gouvernement. 74 Ces derniers n’échappent toutefois au<br />

contrôle judiciaire que s’ils relèvent de questions politiques<br />

pures comme, par exemple, la question de la reconnaissance<br />

d’un État étranger. Or, la composante politique d’une mesure<br />

se fondant sur l’art. 184 al. 3 Cst. réside uniquement dans la<br />

sauvegarde de l’image de la Suisse et de sa place fi nancière<br />

à l’étranger. Ce but est en principe garanti par l’EIMP ainsi<br />

que par la loi sur le blanchiment d’argent. 75 Ce n’est que dans<br />

le cas d’États défaillants que l’art. 184 al. 3 Cst. intervient et<br />

que le gel des biens s’opère à titre de mesures exceptionnelles<br />

de politique extérieure. Or «[i]l ne serait pas conforme<br />

aux principes régissant un État de droit qu’en présence d’un<br />

même état complexe de faits, les parties se trouvent privées<br />

d’une voie de droit dans un cas (blocage basé sur des motifs<br />

politiques) alors qu’elles en bénéfi cient dans l’autre (blocage<br />

basé sur l’entraide)». 76 Dès lors, il n’y a pas de raison de nier<br />

l’application de l’art. 6 ch. 1 CEDH. Partant, la voie du recours<br />

administratif auprès du TAF est ouverte.<br />

70 ATF 130 I 388 consid. 5.1; ATF 127 I 115 consid. 5b; Cour européenne<br />

des droits de l’homme (Cour eur. DH), Arrêt Athanassoglou<br />

et autres c. Suisse du 6 avril 2000, Recueil des arrêts et décisions,<br />

2000 IV p. 217, par. 43; Cour eur. DH, Arrêt Werner c.<br />

Autriche du 24 novembre 1997, Recueil, 1997 VII p. 2496, par.<br />

34; Cour eur. DH, Arrêt Balmer-Schafroth et autres c. Suisse<br />

du 26 août 1997, Recueil, 1997 IV p. 1346, par. 32 et les arrêts<br />

cités.<br />

71 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 9.3.<br />

72 Id., consid. 5.1; ATF 132 I 229 consid. 4.4.<br />

73 Loi sur le Tribunal administratif fédéral (LTAF, RS 173.32).<br />

74 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 12.2 et les réf. citées.<br />

75 Loi sur le blanchiment d’argent (LBA, RS 955.0).<br />

76 ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 12.5.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

2. Respect du principe de la légalité<br />

Ancré à l’art. 5 al. 1 Cst., le principe de la légalité implique<br />

que le droit soit la base et la limite de l’activité de l’État. La<br />

restriction à un droit fondamental est permise aux conditions<br />

de l’art. 36 Cst.<br />

a. Garantie de la propriété<br />

Incontestablement, la mesure de blocage, respectivement de<br />

confi scation, porte atteinte au droit fondamental qu’est la garantie<br />

de la propriété (art. 26 Cst.). 77<br />

Une telle restriction doit être fondée sur une base légale,<br />

poursuivre un intérêt public, respecter le principe de la proportionnalité<br />

et ne doit, en principe, pas porter atteinte au<br />

noyau dur de la propriété (art. 36 al. 1 Cst.). 78 La base légale<br />

doit en outre présenter une certaine «densité normative», à<br />

savoir qu’elle soit suffi samment claire et précise. L’exigence<br />

découle non seulement du principe général de la légalité mais<br />

également de la sécurité du droit. 79 Ainsi, plus la gravité est<br />

importante, plus la base légale doit être claire et la restriction<br />

revêtir une forme qualifi ée, c’est-à-dire une loi adoptée par le<br />

législateur formellement institué par la Constitution. 80 Enfi n,<br />

comme le relève le TF, «pour déterminer quel degré de précision<br />

on est en droit d’exiger de la loi, il faut tenir compte<br />

du cercle de ses destinataires et de la gravité des atteintes<br />

qu’elle autorise aux droits fondamentaux (...). Une atteinte<br />

grave exige en principe une base légale formelle claire et précise,<br />

alors que les atteintes plus légères peuvent, par le biais<br />

d’une délégation législative, fi gurer dans des actes de niveau<br />

inférieur à la loi, ou trouver leur fondement dans une clause<br />

générale (...)». 81<br />

Il découle de ce qui précède que, s’il n’existe pas de base<br />

légale claire et suffi sante, l’autorité pourrait tout au plus invoquer<br />

la «clause générale de police» pour justifi er une dérogation<br />

aux droits fondamentaux. Cependant, celle-ci n’est<br />

admise en jurisprudence que pour prévenir ou faire cesser<br />

une «atteinte sérieuse et imminente à l’ordre public, atteinte<br />

qui ne saurait être écartée d’une autre manière». 82<br />

Concrètement, l’EIMP ne contient aucune disposition<br />

claire et précise justifi ant une dérogation aux principes de<br />

l’entraide tels que contenus aux art. 1 et 67a EIMP. Il n’y a<br />

77 Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 26 Cst. et les réf. citées.<br />

78 Id., ad art. 26 Cst., rem. 10 et les réf. citées; Bernhard Ehrenzeller/Philippe<br />

Mastronardi/Rainer Schweizer/Klaus<br />

Vallender, Die Schweizerische Bundesverfassung, St. Galler<br />

Kommentar, Zurich 2002, ad art. 26 Cst., rem. 38 ss et les réf.<br />

citées.<br />

79 Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 36 Cst., rem. 9 et les réf. citées.<br />

80 Id., ad art. 26 Cst., rem. 10 et les réf. citées; ATF 119 1a 362, en<br />

particulier p. 366.<br />

81 ATF 123 I 112, en particulier p. 124, cité expressis verbis par<br />

Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 36 Cst., rem. 9.<br />

82 ATF 1<strong>03</strong> Ia 310, en particulier p. 311 s.; v. aussi Mahon/<br />

Aubert (n. 66) ad art. 36 Cst., rem. 10 et les réf. citées.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 282 10.3.2009 9:12:05 Uhr


Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />

donc pas de base légale formelle permettant non seulement<br />

de renverser le fardeau de la preuve, mais également d’accorder<br />

l’entraide de façon plus spontanée et facilitée à l’égard<br />

d’États requérants défaillants – tels Haïti et la RDC – qu’à<br />

l’égard d’autres États respectant les conditions posées par les<br />

autorités suisses. Ni la loi ni le Message du CF ne permettent<br />

une telle interprétation. Dans la mesure où l’EIMP ne<br />

contient aucune base légale expresse permettant de justifi er<br />

les décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009 ainsi que<br />

des 12 décembre 2008 et 25 février 2009, des doutes persistent<br />

quant à la légalité de ces mesures. Il s’agit toutefois<br />

d’examiner si d’autres dispositions peuvent remplir avec satisfaction<br />

la condition de la légalité.<br />

b. Bases légales fondant la restitution anticipée<br />

i. L’art. 184 al. 3 Cst.<br />

Comme nous l’avons vu, l’art. 184 al. 3 Cst. permet au CF<br />

de prendre des mesures, sous la forme d’ordonnances ou de<br />

décisions, lorsque la sauvegarde des intérêts du pays l’exige,<br />

pour autant que celles-ci soient «nécessaires» et «limitées<br />

dans le temps». Lorsque ces conditions sont remplies,<br />

l’art. 184 al. 3 Cst. peut constituer une base légale provisoire<br />

suffi sante pour la restriction des libertés fondamentales, pour<br />

autant qu’elles soient justifi ées par un intérêt public et qu’elles<br />

soient proportionnées au but visé. 83 Toutefois, compte<br />

tenu de son caractère limité dans le temps, cette disposition<br />

ne saurait justifi er à elle seule une confi scation – et encore<br />

moins une restitution anticipée – des fonds bloqués dans les<br />

affaires Duvalier et Mobutu.<br />

ii. L’art. 74a EIMP<br />

L’art. 74a EIMP prévoit expressément la restitution anticipée<br />

d’objets ou de valeurs. Comme indiqué, cette disposition<br />

potestative laisse un large pouvoir d’appréciation à l’autorité.<br />

L’alinéa 3 esquisse toutefois un garde-fou: une saisie<br />

confi scatoire n’intervient en règle générale que sur décision<br />

défi nitive et exécutoire de l’État requérant. En l’absence de<br />

cette décision, l’autorité compétente doit procéder à une évaluation<br />

au cas par cas, afi n d’établir l’opportunité d’une restitution.<br />

Sans préjuger des conclusions de cette évaluation dans les<br />

deux affaires qui nous occupent, nous nous bornons à relever<br />

deux points dont doit tenir compte l’autorité compétente lors<br />

d’une éventuelle décision de remise anticipée: d’une part,<br />

l’existence d’un lien entre des crimes avérés et les fonds visés<br />

et, d’autre part, l’absence de prescription de ces crimes.<br />

La confi scation des biens saisis n’est justifi ée que si ceuxci<br />

appartiennent bel et bien à Duvalier, respectivement à Mobutu,<br />

et que ceux-ci les ont acquis illégitimement. Une telle<br />

mesure ne peut viser que le produit résultant d’une infraction.<br />

L’autorité compétente doit être satisfaite des éléments<br />

83 Art. 36 al. 2 et 3 Cst.; ATF 132 I 229 consid. 10.1; ATF 129 II<br />

193 consid. 5.3.3.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

de preuve à disposition. Ceux-ci doivent être d’autant plus<br />

convaincants qu’aucune décision de confi scation, défi nitive<br />

et exécutoire, n’a été rendue en Haïti, respectivement en<br />

RDC.<br />

La question de la prescription s’avère plus épineuse. Selon<br />

la jurisprudence du TF, la prescription absolue est une cause<br />

d’irrecevabilité de la requête d’entraide, lorsque, en particulier,<br />

la Suisse n’est liée à l’État requérant par aucun traité.<br />

Pour le TF, ce sont des raisons d’ordre public qui ont conduit<br />

le législateur à faire de la prescription absolue une cause d’irrecevabilité,<br />

84 sous réserve de règles plus souples résultant<br />

de droits conventionnels, notamment de la Convention européenne<br />

d’entraide judiciaire en matière pénale (CEEJ). 85<br />

Dans l’affaire Duvalier, les faits remontent au temps de sa<br />

présidence (1971 à 1986). Il s’agit, pour la plupart, de crimes<br />

d’origine patrimoniale dont la prescription est aujourd’hui<br />

acquise. Il en va de même dans le cas Mobutu dont les faits<br />

remontent à 1997 et dont la prescription a déjà été relevée par<br />

l’OFJ. 86 L’exercice consiste donc à relier ces avoirs à des crimes<br />

imprescriptibles tels que des crimes contre l’humanité.<br />

Reste que cette infraction n’est pas encore reconnue en tant<br />

que telle en droit suisse. Quant à son imprescriptibilité, l’art.<br />

101 al. 1 let. a CP n’est guère utile à l’heure actuelle. Rappelons<br />

en effet que la Suisse a tout au plus ratifi é la Convention<br />

de 1948 pour la prévention et la répression du crime de<br />

génocide, 87 après avoir auparavant ratifi é les quatre conventions<br />

de Genève. 88 Il n’existe pas de convention concernant<br />

les crimes contre l’humanité. Dès lors, le droit positif suisse<br />

demeure aujourd’hui lacunaire. La partie générale du CP et<br />

du Code pénal militaire (CPM) 89 ne donne que quelques solutions<br />

– notamment sous l’angle de l’art. 6 CP – en relation<br />

avec la compétence des tribunaux pénaux suisses. La notion<br />

de crime contre l’humanité demeurant encore vague en droit<br />

suisse, le CF a jugé utile, en août 2005, de mettre en consultation<br />

un avant-projet portant sur la Loi fédérale relative à la<br />

modifi cation du CP, du CPM ainsi que d’autres lois fédérales<br />

en vue de la mise en œuvre du Statut de Rome de la Cour<br />

pénale internationale. 90 En avril 2008, le CF a diffusé un nouveau<br />

projet (ci-après: Projet) accompagné d’un Message. 91<br />

L’idée est de rendre imprescriptibles, outre le génocide, les<br />

crimes contre l’humanité (art. 264a al. 1 et 2 Projet), les crimes<br />

de guerre (art. 264c al. 1 à 3, 264d al. 1 et 2, 264e al. 1<br />

84 ATF 116 Ib 452 consid. 4a = JdT 1993 IV 159.3.<br />

85 RS 0.351.1. S’agissant de la CEEJ, rappelons que, selon le TF,<br />

il s’agit d’une lacune proprement dite (ATF 118 Ib 266).<br />

86 ATF 132 I 229 consid. C.<br />

87 RS 0.311.11.<br />

88 RS 0.518.12; RS 0.518.23; RS 0.518.42; RS 0.518.51.<br />

89 RS 321.0.<br />

90 Laurent Moreillon, La Suisse et les crimes contre l’humanité,<br />

in: Laurent Moreillon/Aude Bichovsky/Maryam Massrouri<br />

(édit.), Droit pénal humanitaire, 2 e éd., Genève 2009, p. 459 ss,<br />

en particulier p. 460 et les réf. citées.<br />

91 Message du 23 avril 2008, FF 2008 p. 3461 ss.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 283 10.3.2009 9:12:05 Uhr<br />

283


284<br />

Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon<br />

et 2, 264f al. 2, 264g al. 1 et 2 et 264h Projet), ainsi que les<br />

crimes commis en vue d’exercer une contrainte ou une extorsion<br />

et qui mettent en danger – ou menacent de mettre en<br />

danger – la vie et l’intégrité corporelle d’un grand nombre de<br />

personnes, notamment par l’utilisation de moyens d’extermination<br />

massive, par le déclenchement d’une ca tastrophe ou<br />

par une prise d’otages. 92<br />

Notons encore que, dans le cas d’Haïti, l’OFJ a tenté de<br />

contourner l’obstacle de la prescription en réactivant la requête<br />

d’entraide initiale. En effet, la requête présentée par<br />

le gouvernement haïtien en juillet 2008 ne semble pas avoir<br />

été considérée comme une nouvelle requête mais comme un<br />

nouvel épisode de la procédure de 1986, avec pour conséquence<br />

l’interruption de la prescription à la date de la requête<br />

initiale. Il est vrai qu’en vertu des principes inhérents à la<br />

procédure administrative – notamment celui de l’absence<br />

d’exception de chose jugée – l’autorité peut se ressaisir du<br />

dossier, mais il n’est pas sûr que ce raisonnement résiste à<br />

l’épreuve du juge.<br />

iii. Application analogique de l’art. 72 CP<br />

En l’absence de confi scation autonome, le TF a fait preuve<br />

d’innovation lorsqu’il a qualifi é la structure mise en place par<br />

Abacha et ses complices d’organisation criminelle, ouvrant<br />

ainsi la voie à l’application analogique de l’art. 72 CP dans<br />

le cadre de l’entraide internationale (cf. IV.A.2.c.iii). Ce raisonnement<br />

soulève toutefois plusieurs questions.<br />

Dans un arrêt récent, le TF a rappelé qu’une mesure de<br />

confi scation en Suisse requiert que la juridiction suisse soit<br />

compétente, soit sur la base d’un rattachement à la Suisse,<br />

soit sur la base d’une requête d’entraide. Il a indiqué qu’il<br />

n’y avait pas lieu de s’écarter de cette ligne s’agissant de la<br />

confi scation des fonds d’une organisation criminelle pour<br />

soumettre celle-ci au principe de l’universalité. 93 Or, en<br />

l’absence de rattachement à la Suisse, cette compétence fait<br />

précisément défaut dans le cas des États défaillants comme<br />

Haïti ou la RDC, soit que ce rattachement n’existe tout simplement<br />

pas, soit qu’il soit prescrit.<br />

Qui plus est, la légalité de la confi scation pénale au sens<br />

de l’art. 72 CP (art. 59 ch. 3 aCP) est controversée. Pour le<br />

CF, le renversement du fardeau de la preuve n’est pas incompatible<br />

avec l’art. 6 ch. 2 CEDH dans la mesure où il n’a pas<br />

pour objet la question de l’innocence ou de la culpabilité<br />

d’une personne déterminée, mais porte uniquement sur le<br />

point de savoir à qui appartient le pouvoir de disposition sur<br />

des valeurs patrimoniales déterminées. 94 La doctrine suisse<br />

n’est pas unanimement convaincue de la conformité de la<br />

disposition avec la CEDH. Trechsel ne la met pas en doute,<br />

en se référant en particulier à des arrêts de la CEDH rendus<br />

92 Moreillon (n. 90), p. 476 s.<br />

93 ATF 6B.722/2007 du 9 mai 2008.<br />

94 FF 1993 III 311.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

dans des affaires italiennes. 95 Afi n de respecter les garanties<br />

de la CEDH, il lui paraît toutefois nécessaire que les autorités<br />

pénales ne se montrent pas trop strictes sur la contre-preuve<br />

offerte au détenteur des biens, en tout cas lorsque la personne<br />

concernée n’est pas elle-même membre d’une organisation<br />

criminelle. 96 Il est en outre essentiel que les éléments constitutifs<br />

visés à l’art. 260 ter ch. 1 al. 2 CP soient réalisés, ce qui<br />

suppose, en principe, que la personne sache que sa contribution<br />

pourrait servir à la poursuite du but criminel de l’organisation,<br />

ou qu’elle prévoie cette possibilité et l’accepte dans le<br />

cas où elle se réaliserait. En revanche, dans le cas de l’administration<br />

de valeurs patrimoniales, les éléments constitutifs<br />

du soutien à une organisation criminelle ne supposent pas<br />

que la personne sache ou doive supposer que ces valeurs proviennent<br />

d’une infraction concrète. 97 Si des doutes existent<br />

quant à la conformité de l’art. 72 CP à la CEDH, ceux-ci sont<br />

d’autant plus grands s’agissant d’une application analogique<br />

de cette disposition, par voie de jurisprudence, à l’entraide<br />

internationale.<br />

Les considérations qui précèdent montrent que l’utilisation<br />

de l’art. 72 CP dans le cadre de l’entraide internationale<br />

n’est pas sans soulever des problèmes. Son application aux<br />

affaires Duvalier et Mobutu nous paraît diffi cile. La question<br />

de la compétence, tout d’abord, présente un obstacle insurmontable<br />

en l’absence d’une requête d’entraide. La requête<br />

d’entraide déposée par Haïti, ainsi que la plainte intentée par<br />

la RDC, ont permis, provisoirement, de passer outre cette<br />

diffi culté. Toutefois, il reste encore la fragilité de l’exigence<br />

de la contre-preuve compte tenu de son origine jurisprudentielle.<br />

Enfi n, cet article suppose, comme condition première,<br />

la qualifi cation d’organisation criminelle. Or, il n’est pas<br />

avéré que cette qualifi cation puisse s’appliquer à la famille<br />

Duvalier et au clan Mobutu.<br />

3. Respect du principe de la proportionnalité<br />

Une mesure de blocage, respectivement de confi scation, doit<br />

obéir au principe de la proportionnalité. 98 Celui-ci s’impose<br />

tant au regard de l’art. 184 al. 3 Cst. (affaire Mobutu) qu’au<br />

regard des art. 74a EIMP et 72 CP (affaire Duvalier). 99<br />

Pour qu’une mesure soit conforme au principe de la proportionnalité,<br />

il faut qu’elle soit apte à atteindre le but visé,<br />

que ce dernier ne puisse être atteint par une mesure moins<br />

incisive et qu’il existe un rapport raisonnable entre les effets<br />

de la mesure sur la situation de l’administré et le résultat<br />

95 Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch vom<br />

21. Dezember 1937, Kurzkommentar, 2 e éd., Zurich 2005, ad<br />

art. 59 CP, n. 23 et les nombreuses réf. citées.<br />

96 Ibid.<br />

97 ATF 132 IV 132 consid. 4.1.4; ATF 131 II 235 consid. 12.2 =<br />

JdT 2007 IV p. 29; ATF 128 II 355 consid. 2.4 = JdT 2005 IV<br />

p. 270.<br />

98 Art. 36 al. 3 Cst.<br />

99 ATF 132 I 229 consid. 10.1; ATF 123 IV 29 consid. 3a.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 284 10.3.2009 9:12:06 Uhr


Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />

escompté du point de vue de l’intérêt public. 100 Il n’est jamais<br />

inutile de rappeler que, au sens de la proportionnalité,<br />

le but doit être assez important et doit pouvoir être atteint<br />

de manière assez effi cace pour justifi er, dans son ampleur, la<br />

restriction imposée à la liberté. 101<br />

Savoir si une mesure est nécessaire à la sauvegarde des<br />

intérêts de la Suisse dans les relations avec l’étranger est une<br />

question de droit qui, au vu de ses implications politiques,<br />

comporte une importante marge d’appréciation. Par conséquent,<br />

le TF, outre qu’il ne saurait procéder à un contrôle de<br />

l’opportunité de la mesure, fait preuve d’une grande retenue<br />

dans l’appréciation des faits et la pesée des intérêts en présence<br />

qu’il ne revoit, pratiquement, que sous l’angle de l’arbitraire.<br />

102<br />

Ainsi, au regard de la proportionnalité, une mesure de blocage<br />

qui perdure depuis plus de vingt ans peut s’apparenter à<br />

une confi scation portant atteinte à la garantie de la propriété<br />

protégée par l’art. 26 Cst. 1<strong>03</strong> Il s’ensuit que les blocages des<br />

fonds Duvalier et Mobutu, qui ont duré vingt-trois, respectivement<br />

onze ans, mettent ce principe à rude épreuve. Qui<br />

plus est, le fait que les États concernés n’aient, durant longtemps,<br />

montré aucun intérêt à la procédure de confi scation,<br />

remet en cause l’intérêt public de cette mesure. Il est donc<br />

légitime de se demander si une restitution, au nom de l’intégrité<br />

de la place fi nancière suisse, à un État qui n’est pas<br />

à même de présenter une requête dans ce sens, est vraiment<br />

proportionnée. L’implication des victimes directes de la spoliation,<br />

dont les avoirs confi squés sont le fruit, de même que<br />

des garanties relatives à l’utilisation de ces biens pour des<br />

tâches d’utilité publique, permettraient de rétablir l’équilibre<br />

d’une mesure de confi scation.<br />

4. La charge du fardeau de la preuve au<br />

regard de la présomption d’innocence<br />

Comme relevé précédemment, la règle de l’art. 72 CP demeure<br />

douteuse s’agissant de sa conformité à l’art. 6 ch. 2<br />

CEDH. Certes, l’intéressé peut se voir attribuer la charge de<br />

prouver qu’il n’est pas lié à une organisation criminelle pour<br />

pouvoir revendiquer, en droit suisse, la restitution des fonds.<br />

Cependant, la règle se heurte à une autre, plus fondamentale,<br />

selon laquelle nul n’a l’obligation de s’auto-incriminer. Finalement,<br />

si le tiers n’arrive guère à faire la démonstration<br />

qu’il est un propriétaire légal et licite des fonds, ne court-il<br />

pas le risque d’être recherché pour participation active à une<br />

organisation criminelle?<br />

Comme relevé ci-dessus, la procédure d’entraide judiciaire<br />

a une vocation purement administrative. Dès lors, l’application<br />

de l’art. 6 ch. 2 CEDH pourrait paraître douteuse,<br />

100 ATF 125 I 474 consid. 3 et les arrêts cités.<br />

101 Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 36 Cst., rem. 16 et les réf. citées.<br />

102 ATF 132 I 229 consid. 10.3; ATF 129 II 193 consid. 5.1.<br />

1<strong>03</strong> ATF 1A.335/2005 du 18 août 2006 consid. 6.1.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

s’agissant de l’interprétation telle que conférée par le TF à<br />

l’art. 74a EIMP. À supposer que l’on soit dans une procédure<br />

pénale, il faut encore se demander comment les juges<br />

de Strasbourg règlent la question du fardeau de la preuve.<br />

Celle-ci a été tranchée par la Cour européenne des droits de<br />

l’homme (Cour eur. DH) dans l’affaire Salabiaku c. France.<br />

104 Pour la Cour, la règle du fardeau de la preuve n’est pas<br />

absolue. Tout système juridique connaît nécessairement des<br />

présomptions de fait ou de droit. La CEDH n’y met pas obstacle<br />

en principe. En matière pénale, «elle oblige les États<br />

contractants à ne pas dépasser à cet égard un certain seuil».<br />

Plus particulièrement, si l’art. 6 ch. 2 CEDH «se bornait à<br />

énoncer les garanties à respecter par les magistrats pendant<br />

le déroulement des instances judiciaires, ces exigences se<br />

confondraient en pratique, dans une large mesure, avec le devoir<br />

d’impartialité qu’impose l’art. 6 ch. 1 CEDH». 105 Dans<br />

ce contexte, le grief de la violation de l’art. 6 ch. 2 CEDH<br />

doit être examiné de façon concrète. L’art. 6 CEDH «ne s’intéresse<br />

donc pas aux présomptions de fait ou de droit qui<br />

se rencontrent dans les lois répressives. Il commande aux<br />

États de les enserrer dans des limites raisonnables prenant<br />

en compte la gravité de l’enjeu et préservant les droits de la<br />

défense». 106<br />

Plus particulièrement, si le renversement du fardeau de la<br />

preuve n’est pas un crime en soi, tout va dépendre de la gravité<br />

de la sanction et de la faculté, pour l’intéressé, de pouvoir<br />

participer effi cacement et activement au procès équitable.<br />

107 Pour la Cour, il s’agit de rechercher dans chaque cas<br />

si les limites de la présomption ont été franchies au détriment<br />

de l’accusé. 108 Dans la mesure où l’intéressé a la faculté<br />

d’apporter la preuve qu’il n’est pas l’auteur de l’infraction,<br />

qu’il peut amener des éléments établissant qu’il y a doute sur<br />

sa participation, qu’il peut invoquer le bénéfi ce de circonstances<br />

atténuantes ou qu’il peut faire état d’un cas de force majeure,<br />

il n’y a nulle trace de violation de l’art. 6 CEDH. 109<br />

En l’espèce, la contre-preuve qui incombe à la famille Duvalier,<br />

respectivement au clan Mobutu, porte sur des années<br />

d’activités à la tête d’un État, les faits s’étant en outre déroulés<br />

il y a plus de quinze ans. La diffi culté de cette tâche doit<br />

toutefois être relativisée en comparaison de celle des États,<br />

spoliés et vidés de leurs ressources – avec les conséquences<br />

matérielles et humaines qui en découlent – de venir démontrer<br />

l’origine illicite des fonds bloqués.<br />

104 Cour eur. DH, Arrêt Salabiaku c. France du 7 octobre 1988, Recueil,<br />

Série A n° 141 par. 28.<br />

105 Ibid.<br />

106 Ibid.<br />

107 Laurent Moreillon, La recherche des preuves dans l’instruction<br />

pénale: maxime inquisitoire et droit de la défense, RPS<br />

2004, p. 140 ss, en particulier p. 146 et les réf. citées.<br />

108 Arrêt Salabiaku c. France (n. 104).<br />

109 Ibid.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 285 10.3.2009 9:12:06 Uhr<br />

285


286<br />

V. Propositions pour un projet de loi<br />

Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon<br />

L’analyse des décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009,<br />

ainsi que des 12 décembre 2008 et 25 février 2009, a montré<br />

que la pratique actuelle en matière de restitution anticipée,<br />

dans le cas d’États défaillants, soulève des doutes en terme<br />

de légalité, de proportionnalité et de garanties procédurales.<br />

La confi scation ne s’impose que faiblement et sans convaincre,<br />

par des applications analogiques de la loi et des fondements<br />

jurisprudentiels fragiles. Si la jurisprudence Abacha<br />

a ouvert la porte à de nouveaux développements en matière<br />

de restitution anticipée de fonds, il est maintenant primordial<br />

de pouvoir les ancrer dans une base légale solide qui adresse<br />

formellement la problématique des États défaillants.<br />

La question d’une réforme législative en matière de<br />

confi scation des avoirs des PEP a déjà donné lieu à de nombreux<br />

objets parlementaires. 110 C’est à la suite du Postulat<br />

Gutzwiller du 21 juin 2007 sur l’entraide judiciaire avec les<br />

États défaillants 111 que le CF a décidé d’agir sur le plan législatif<br />

en mandatant le DFAE de rédiger un projet de loi réglementant<br />

la confi scation des avoirs d’origine illicite déposés<br />

en Suisse par des PEP. 112 L’ambition du présent article se limite<br />

à suggérer quelques éléments de réfl exion à considérer<br />

lors de l’élaboration de la nouvelle loi.<br />

Il est évident que le projet de loi ne peut échapper à la<br />

formulation de règles claires et précises concernant la confi scation<br />

et la restitution anticipée. Trois voies sont possibles:<br />

la voie de l’entraide (modifi cation de l’EIMP), la voie pénale<br />

(modifi cation du CP) ou la voie administrative (introduction<br />

d’une nouvelle norme législative).<br />

Les avis sont partagés. Pieth privilégie une modifi cation<br />

de la législation pénale. Dans ce sens, il propose l’adoption<br />

d’une norme de confi scation autonome – à l'exemple des<br />

législations autrichienne et liechtensteinoise – combinée<br />

à un renversement du fardeau de la preuve. 113 Relevant les<br />

diffi cultés liées à une application étendue de l’art. 72 CP,<br />

il favorise un renversement du fardeau de la preuve spécifi<br />

quement adapté au cas des PEP. Il s’agirait ainsi, d’une<br />

part, de délimiter de manière adéquate le concept de PEP et,<br />

d’autre part, d’établir un catalogue des actes incriminés. Tel<br />

n’est pas l’avis de Morier qui considère que le CP ne peut<br />

pallier les dysfonctionnements d’États étrangers et rejette<br />

la voie pénale. Selon lui, le but d’une adaptation législative<br />

doit viser l’introduction d’une norme de confi scation et non<br />

la criminalisation de certains comportements. Il préconise,<br />

110 Interpellation Remo Gysin (07.3324 du 13 juin 2006); Question<br />

Luc Recordon (07.5168 du 11 juin 2007); Interpellation Didier<br />

Berberat (07.3336 du 14 juin 2007); Interpellation Dick Marty<br />

(07.3499 du 22 juin 2007); Initiative parlementaire Groupe<br />

socialiste, porte-parole Carlo Sommaruga (07.445 du 22 juin<br />

2007); Question Didier Berberat (08.1049 du 12 juin 2008).<br />

111 Postulat Felix Gutzwiller (07.3459 du 21 juin 2006).<br />

112 DFAE (n. 5).<br />

113 Pieth (n. 39), p. 505.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

en conséquence, une solution administrative qui reposerait<br />

sur la compétence du CF en matière d’«affaires étrangères»<br />

octroyée par l’art. 54 Cst. 114 Il rejoint toutefois Pieth en<br />

combinant cette norme administrative à un renversement du<br />

fardeau de la preuve. Enfi n, tous les deux excluent la voie de<br />

l’entraide qui pose comme condition essentielle l’existence<br />

d’une requête de l’État étranger. Cette troisième voie a certes<br />

fait ses preuves dans le cas d’États requérants réactifs, 115<br />

mais l’incapacité ou le manque de volonté de certains États<br />

(«défaillants») à produire les éléments de preuve nécessaires<br />

– voire même à formuler une requête d’entraide – a bien<br />

montré les limites du système.<br />

Le choix entre la voie pénale, la voie administrative et<br />

celle de l’entraide internationale, dépend essentiellement de<br />

deux éléments. Le premier est le degré de preuve exigé pour<br />

l’établissement de l’origine illicite des fonds. Le deuxième<br />

concerne la latitude que l’on compte laisser à l’autorité compétente<br />

dans l’application de la norme. La voie pénale permettrait<br />

une application plus systématique d’une telle norme<br />

mais exigerait, en retour, un degré de preuve plus élevé et précis,<br />

ôtant une partie de son pouvoir d’appréciation à l’autorité<br />

compétente. Or, le cas d’un État défaillant comporte toujours<br />

une dimension politique (pauvreté extrême, catastrophes naturelles,<br />

corruption endémique, etc.) qui nécessite un pouvoir<br />

d’appréciation adéquat, ce que la voie administrative permettrait<br />

de préserver au mieux. Quant à la voie de l’entraide, elle<br />

suppose une aide inter États qui semble illusoire dans le cas<br />

d’États défaillants, puisqu’une telle coopération ne peut exister<br />

lorsqu’un État requérant ne veut ou ne peut agir.<br />

Quelle que soit la voie choisie, il nous paraît nécessaire<br />

que le nouveau projet de loi incorpore certains éléments<br />

indispensables au bon déroulement de la confi scation, à<br />

commencer par le renversement du fardeau de la preuve.<br />

D’autres problèmes comme celui de la prescription des actes<br />

incriminés doivent également être adressés. Il s’agira de<br />

fi xer clairement le départ du délai de prescription ainsi que<br />

sa durée, voire l’imprescriptibilité de tels actes. Se pose en<br />

outre la question du rôle des victimes directes. En effet, les<br />

crimes patrimoniaux à l’origine des fonds vont souvent de<br />

pair avec des violations crasses des droits de l’homme, la<br />

mise en place d’un régime de terreur dans un pays favorisant<br />

la corruption et le pillage des ressources. 116 Il existe donc un<br />

lien entre ces violations des droits de l’homme et ces fonds.<br />

Il s’ensuit que les victimes de ces violations devraient également<br />

pouvoir participer à la procédure, en tant que partie<br />

pénale ou civile. 117<br />

114 Morier (n. 11), p. 277 s.<br />

115 V. les affaires Marcos, Abacha et Montesinos citées précédemment<br />

(n. 45 ss).<br />

116 Cette réalité apparaît d’autant plus clairement lorsque la qualifi -<br />

cation d’«organisation criminelle» est utilisée.<br />

117 L’art. 53 de la Convention de l’ONU contre la corruption pourrait<br />

servir de source d’inspiration. En effet, la portée de cet ar-<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 286 10.3.2009 9:12:06 Uhr


Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu<br />

Ces pistes de réfl exion ne sont pas exhaustives et se limitent<br />

à la question de la confi scation. Les modalités de restitution<br />

de ces fonds ainsi que la supervision de leur utilisation,<br />

afi n d’éviter que les fonds restitués ne viennent alimenter<br />

la corruption endémique de certains États bénéfi ciaires, demeurent<br />

une question délicate qui devra être abordée avec<br />

grand soin.<br />

VI. Conclusion<br />

Comme l’affaire Marcos en son temps, les affaires Duvalier<br />

et Mobutu servent aujourd’hui de cas d’école au législateur<br />

helvétique. Le système actuel de confi scation et de restitution<br />

des biens illicites de PEP repose sur la bonne volonté<br />

de l’État requérant. Que cet État, supposé requérant, vienne<br />

à faillir et la machine s’enraie. Loin des tergiversations politiques<br />

et des bricolages juridiques, il s’agit, à présent, d’apporter<br />

une solution claire à la problématique des biens illicites<br />

revenant à des États défaillants.<br />

Cette démarche permettra à la Suisse de préserver au<br />

mieux ses intérêts, notamment en terme de réputation, dans<br />

les domaines fi nanciers et de politique internationale. En effet,<br />

l’absence – voulue ou non – de coopération de la part de<br />

certains États peut faire de la Suisse le coffre-fort international<br />

involontaire de ces fonds litigieux, menaçant son image<br />

de place fi nancière propre, déjà mise à mal ces derniers<br />

temps. Qui plus est, les citoyens de ces États défaillants sont<br />

souvent ceux à qui ces biens seraient les plus nécessaires.<br />

Dans la mesure où leur État n’est pas à même ou ne veut pas<br />

entreprendre les démarches utiles, il serait temps d’offrir à<br />

ces victimes la possibilité de faire valoir leur droit à la restitution<br />

de ces biens illégitimement acquis.<br />

Souhaitons que le législateur saura relever ce défi dans le<br />

respect des principes d’un État de droit et de justice.<br />

ticle qui prévoit la possibilité, pour l’ayant droit légitime, de<br />

recouvrer par le biais d’une action civile les avoirs dissimulés<br />

à l’étranger par un agent public corrompu, n’est pas limitée au<br />

seul État lésé, mais s’étend également à chaque particulier qui<br />

fait valoir un droit légitime.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Die Beschlagnahme und Rückgabe von Vermögenswerten, die<br />

von politisch exponierten Personen widerrechtlich angeeignet<br />

und in der Schweiz deponiert worden sind, haben im Zusammenhang<br />

mit den Affären Duvalier und Mobutu neue rechtliche<br />

Entwicklungen erfahren. Der vorliegende Aufsatz wirft<br />

einen kritischen Blick auf die heutige Rechtspraxis und zeigt<br />

die Grenzen des geltenden Rechts auf. Obwohl die heutigen<br />

Regelungen denjenigen Staaten, die sogleich ihre korrupten<br />

Potentaten zur Verantwortung ziehen, einen effektiven Schutz<br />

bieten, erweisen sie sich aber bei «Säumnis» dieser Staaten als<br />

weitgehend unwirksam. In diesen Fällen tun sich die schweizerischen<br />

Behörden schwer, Gerechtigkeit mit Rechtsstaatlichkeit<br />

zu vereinbaren. Nur grundlegende Gesetzesänderungen können<br />

diese Probleme, die dem Ansehen der Schweiz aussenpolitisch<br />

und mit Bezug auf den Finanzplatz schaden könnten,<br />

lösen. Der Aufsatz schliesst mit einigen Vorschlägen für eine<br />

neue Gesetzgebung.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 287 10.3.2009 9:12:07 Uhr<br />

287


288<br />

Marnie Engewald-Dannacher<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Aufarbeitung von Staatsunrecht<br />

in rechtstaatlichen Grenzen?<br />

Zum Revisionsbedarf des Schweizerischen Einziehungrechts<br />

im Hinblick auf Potentatengelder<br />

MARNIE ENGEWALD-<br />

DANNACHER<br />

lic. iur., Basel<br />

Inhaltsübersicht<br />

I. Einleitung<br />

II. Der Präzedenzfall Abacha und der Nachfolgefall Duvalier<br />

1. Art. 260ter StGB, Staatsregime als kriminelle Organisation<br />

a) Allgemeine Überlegungen zu Art. 260ter StGB<br />

b) Organisation<br />

c) Geheimhaltung<br />

d) Kriminelles Staatsregime als gefährliche Subkultur?<br />

e) Räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich<br />

2. Anwendung von Art. 72 StGB<br />

a) Allgemeine Überlegungen zu Art. 72 StGB<br />

b) Einziehung von Vermögenswerten eines kriminellen<br />

Regimes mittels Art. 72 StGB?<br />

c) Auslegung des Art. 74a IRSG im Lichte von Art. 72 StGB<br />

III. Voraussetzungen einer Gesetzesrevision<br />

IV. Diskutierte Lösungsvorschläge<br />

1. Straftatbestand illicit enrichment, Art. 20 UNCAC<br />

2. Selbständige Einziehung/Civil forfeiture<br />

3. Vorschlag Pieth<br />

4. Neuer Lösungsvorschlag<br />

V. Fazit<br />

I. Einleitung<br />

Die Schweiz als führender internationaler Finanzplatz droht<br />

immer wieder zum safe haven für deliktisch erworbene Vermögenswerte<br />

zu werden. Insbesondere wenn solche Vermö-<br />

genswerte politisch exponierten Personen zugeordnet werden<br />

können – sogenannte Potentatengelder –, scheint sie häufi g<br />

in Bedrängnis zu geraten. Obwohl die Schweiz in der Rückführung<br />

solcher Gelder an das geschädigte Land zweifellos<br />

eine Vorreiterrolle spielt 1 , zeigen etwa die noch hängigen<br />

Fälle Duvalier oder Mobutu die Grenzen des Schweizer<br />

Rechts systems auf. Wenn ein ausländischer Staat den Voraussetzungen<br />

eines Rechtshilfeverfahrens nicht nachkommen<br />

kann oder will, bleiben Potentatengelder zum Teil jahrzehntelang<br />

eingefroren, ohne dass es zu einer Rückgabe kommt 2 .<br />

Da die Schweizer Rechtsordnung keine taugliche autonome<br />

Einziehungsnorm für Potentatengelder kennt, strapazieren<br />

die Schweizer Behörden momentan das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit<br />

enorm mit ihren beinahe akrobatischen Gesetzesauslegungen<br />

und Argumentationen, um eine Herausgabe<br />

solcher Gelder an den berechtigten Staat zu erwirken.<br />

Der BGE 3 über die Herausgabe der Vermögenswerte des<br />

ehemaligen nigerianischen Staatschefs General Sani Abacha<br />

scheint für den Ruf der Schweiz nicht nur ein Erfolg gewesen<br />

zu sein, sondern auch zum Präzendenzfall für weitere in<br />

der Schweiz gesperrte Potentatengelder zu werden. Auch im<br />

Nachfolgefall Duvalier wird vom Bundesamt für Justiz eine<br />

ähnliche Strategie vertreten. Bei genauer Betrachtung der<br />

Erwägungen dieses Abacha-Urteils stellen sich jedoch erhebliche<br />

Rechtsfragen. Politische Zwänge haben beim Entscheid<br />

des Bundesgerichts wohl eine grössere Rolle gespielt<br />

als die Einhaltung gesetzlicher Grenzen. Im Folgenden soll<br />

anhand der vorne erwähnten Fälle die aktuelle Rechtslage,<br />

insbesondere bezüglich der Anwendung des Art. 260 ter StGB<br />

und der dazugehörigen Einziehungsnorm Art. 72 StGB kritisch<br />

betrachtet werden. Hier werden Probleme deutlich, die<br />

es mittels einer allfälligen Gesetzesrevision zu lösen gilt. Im<br />

Anschluss sollen bisher diskutierte Lösungsmöglichkeiten<br />

und eine neue mögliche – weitgehend friktionsfreie – Lösung<br />

dargestellt werden.<br />

Wissenschaftliche Assistentin von Prof. Dr. iur. Mark Pieth,<br />

Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie,<br />

Juristische Fakultät der Universität Basel; Dissertationsprojekt:<br />

Einziehung von Potentatengelder.<br />

1 Pierre-Yves Morier, Is autonomous confi scation the acme of<br />

asset recovery?, in: Mark Pieth (ed.), Recovering Stolen Assets,<br />

Bern/Bruxelles/Frankfurt am Main/New York/Oxford/Wien<br />

2008, 269.<br />

2 Die Vermögenswerte von Duvalier wurden im Jahre 1986 eingefroren,<br />

jene von Mobutu im Jahre 1997.<br />

3 BGE 131 II 196.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 288 10.3.2009 9:12:07 Uhr


Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen?<br />

II. Der Präzedenzfall Abacha und der<br />

Nachfolgefall Duvalier<br />

Das Bundesgericht hat im Fall Abacha 4 erstmals – durchaus<br />

kühn – folgende Linie vertreten: Das Abacha-Regime wurde<br />

als kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260 ter StGB<br />

qualifi ziert. Darauf aufbauend wurde die in Art. 72 StGB statuierte<br />

Beweislastumkehr analog auch im Rechtshilfeverfahren<br />

angewendet 5 . Da der Beweis über die allfällig legale Herkunft<br />

der Vermögenswerte von den Erben Abachas gar nicht<br />

erst angetreten wurde, konnte auf diese Weise eine Summe<br />

von ca. CHF 700 Mio. an Nigeria herausgegeben werden 6 .<br />

Im nun aktuellen Fall Duvalier wurde der gleiche Weg<br />

eingeschlagen. Nach einer jahrzehntelangen Kontosperre,<br />

die der Bundesrat gestützt auf seine aussenpolitischen Kompetenzen<br />

7 immer wieder verlängert hat, hat das Bundesamt<br />

für Justiz das Rechthilfeverfahren am 2. Juli 2008 wieder<br />

aufgenommen und die Vermögenswerte seinerseits gesperrt.<br />

Am 11. Februar 2009 hat das Bundesamt für Justiz folgende<br />

Verfügung erlassen:<br />

«Die haitianischen Behörden werfen dem ehemaligen Staatspräsidenten<br />

Jean-Claude Duvalier vor, von seinem Amtsantritt<br />

im Jahr 1971 bis zu seiner Flucht im Jahr 1986 mit Hilfe von<br />

Personen aus seiner Entourage die Staatskasse geplündert und<br />

die veruntreuten Gelder in Höhe von mehreren hundert Millionen<br />

USD im Ausland angelegt zu haben. Der Duvalier-Clan ist<br />

dabei wie eine kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260 ter<br />

des Schweizerischen Strafgesetzbuches vorgegangen, hält das<br />

BJ in seinem Entscheid fest. Damit ist nicht nur die Voraussetzung<br />

der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt, um in diesem Fall<br />

Rechtshilfe gewähren zu können. Darüber hinaus sind gemäss<br />

der Rechtsprechung des Bundesgerichts im Fall Abacha die<br />

Einziehungsbestimmungen des StGB anwendbar, was eine<br />

Umkehr der Beweislast zur Folge hat. Da die Konteninhaber in<br />

ihren Stellungnahmen keinerlei Hinweise oder Klärungen auf<br />

die rechtmässige Herkunft der in der Schweiz gesperrten Vermögenswerte<br />

in Höhe von rund 7 Millionen Franken vorlegen<br />

konnten, ordnete das BJ deren Herausgabe an Haiti an. 8 »<br />

1. Art. 260 ter StGB, Staatsregime als<br />

kriminelle Organisation<br />

a) Allgemeine Überlegungen zu<br />

Art. 260 ter StGB<br />

1981 wurde ein erster Versuch, einen Straftatbestand für sogenannte<br />

kriminelle Organisationen zu schaffen, abgelehnt.<br />

4 BGE 131 II 169.<br />

5 BGE 131 II 169, 183 ff.<br />

6 Enrico Monfrini, The Abacha Case, in: Mark Pieth (ed.),<br />

Recovering Stolen Assets, Bern/Bruxelles/Frankfurt am Main/<br />

New York/Oxford/Wien 2008, 59.<br />

7 Art. 184 Abs. 3 BV.<br />

8 Medienmitteilung des Bundesamts für Justiz vom 12. Februar<br />

2009.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Die Gegner kritisierten insbesondere dessen präventiven<br />

Charakter, welcher der Funktion des Strafrechts als Mittel<br />

der Aufarbeitung von Unrecht zuwiderläuft. 9 13 Jahre später<br />

wurde dann doch ein Organisationstatbestand, der sogenannte<br />

Mafi a-Artikel, ins Strafgesetzbuch aufgenommen 10 .<br />

Offensichtlich hielt der Gesetzgeber dies für nötig, weil die<br />

Konstruktion von Verbrechensorganisationen den einzelnen<br />

Täter scheinbar als austauschbares Element in einer «bis<br />

zur Undurchdringlichkeit abgeschotteten Vereinigung darstellt»<br />

11 . Einerseits aufgrund des präventiven Charakters,<br />

andererseits durch den Versuch, eine dem Vernehmen nach<br />

hermetisch abgeschottete Vereinigung in einer Norm zu defi<br />

nieren, treten zwangsläufi g grosse Probleme auf. Dies wird<br />

bereits beim Versuch deutlich, die einzelnen Tatbestandsmerkmale<br />

zu präzisieren.<br />

Gemäss Art. 260 ter StGB macht sich schon derjenige<br />

strafbar, der sich an einer Organisation bloss beteiligt oder<br />

eine Organisation unterstützt, die ihren Aufbau und ihre personelle<br />

Zusammensetzung geheimhält und den Zweck verfolgt,<br />

Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen<br />

Mitteln zu bereichern. Im Zusammenhang mit einem<br />

kriminellen Regime soll hier vor allem das Element der geheimen<br />

Organisation genauer betrachtet werden.<br />

b) Organisation<br />

Eine Organisation im Sinne des Art. 260 ter StGB ist ein Zusammenschluss<br />

mehrerer Personen, der festen Regeln der<br />

Willensbildung und Aufgabenteilung unterliegt, der auf eine<br />

dauerhafte Struktur ausgelegt und dessen Mitglieder jederzeit<br />

austauschbar sind, ohne den Bestand der Organisation<br />

zu gefährden 12 . Diese Elemente müssen zwar nicht kumulativ<br />

gegeben sein, die angeblich kriminelle Vereinigung<br />

muss aber nach Qualität und Quantität ein «mafi aähnliches»<br />

Gebilde darstellen, das ein ausserordentliches Gefährdungspotential<br />

aufweist 13 . Ist dies nicht der Fall, wäre eine Strafandrohung<br />

im Dienste eines Sicherheitskonzepts keinesfalls<br />

zu rechtfertigen.<br />

9 Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches<br />

und des Militärstrafgesetzes (Gewaltverbrechen) vom<br />

10. Dezember 1979, BBl 1980 I 1241, 1252 ff.<br />

10 Art. 260 ter StGB wurde mit dem Bundesgesetz 18. März 1994<br />

ins Schweizerische Strafgesetzbuch eingeführt und trat am<br />

1. August 1994 in Kraft.<br />

11 Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches<br />

und des Militärstrafgesetzes (Revision des Einziehungsrechts,<br />

Strafbarkeit der kriminellen Organisation, Melderecht<br />

des Financiers), BBl 1993 III 277, 295.<br />

12 Vgl dazu etwa Günther Stratenwerth, Schweizerisches<br />

Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen,<br />

5. A., Basel 2000, § 40 N 21; Florian Baumann, in: Marcel<br />

Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar,<br />

Strafrecht II, Art. 111–392 StGB, 2. A., Basel 2007,<br />

Art. 260 ter StGB, N 6.<br />

13 Baumann (FN 12), Art. 260 ter StGB, N 6.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 289 10.3.2009 9:12:07 Uhr<br />

289


290<br />

Gemäss der Praxis des Bundesgerichts fallen unter den<br />

Organisationsbegriff mafi aähnliche Verbrechersyndikate<br />

und hochgefährliche terroristische Gruppierungen 14 . Bereits<br />

bei dieser ersten Konkretisierung treten massive Abgrenzungschwierigkeiten<br />

auf. So werden wohl terroristische<br />

Organisationen und organisierte Freiheitskämpfer kaum<br />

voneinander zu unterscheiden sein 15 , beide sind auf eine gewaltsame<br />

Durchsetzung ihrer politischen Ziele ausgerichtet.<br />

Nur bei letzteren wird dieses Ziel aus dem Blickwinkel der<br />

Schweiz positiv bewertet und soll daher nicht zu einem strafbaren<br />

Verhalten führen.<br />

c) Geheimhaltung<br />

Ein zusätzliches Merkmal, das den Begriff der Organisation<br />

eingrenzen soll, ist die Geheimhaltung. Mit der Geheimhaltung<br />

von Aufbau und personeller Zusammensetzung soll<br />

die kriminelle Organisation von erlaubten Unternehmungen<br />

abgegrenzt werden, selbst wenn in deren Bereich auch gelegentlich<br />

Delikte verübt werden 16 .<br />

Dieses Merkmal wurde in Anlehnung an die sizilianische<br />

Mafi a in den Tatbestand aufgenommen 17 . Geheim muss nicht<br />

die Existenz einer solchen Organisation sein, sondern deren<br />

interner Aufbau und der Kreis der Mitbeteiligten und Helfer.<br />

Diese geheime Struktur trägt angeblich wesentlich zur Gefährlichkeit<br />

von kriminellen Organisationen bei, da sie sich<br />

dadurch von der Aussenwelt, insbesondere vor den Strafverfolgungsbehörden<br />

systematisch abschotten kann 18 . Es wird<br />

also vermutet, dass solche geheimen kriminellen Organisationen<br />

eine gefährliche Subkultur bilden – eine Art Parallelwelt,<br />

vor der die Bürger geschützt werden müssen.<br />

d) Kriminelles Staatsregime als gefährliche<br />

Subkultur?<br />

Bezüglich eines kriminellen Staatsregimes fällt auf, dass<br />

zwar offensichtlich organisationsähnliche Strukturen vorliegen<br />

und ein solches Regime zumindest für die dortige Zivilbevölkerung<br />

eine grosse Gefährdung darstellt.<br />

Ob ein kriminelles Regime jedoch einer geheim arbeitenden,<br />

kriminellen Organisation gleichgestellt werden kann,<br />

ist mehr als fraglich. Ein grosser Teil der internen Struktur<br />

eines kriminellen Regimes ist bekannt, mindestens der Head<br />

of state, die Minister, die leitenden Amtsträger, Familienmitglieder,<br />

oft auch die Befehlshabenden von sogenannten Pri-<br />

14 Baumann (FN 12), Art. 260 ter StGB, N 7.<br />

15 Mark Pieth, Criminalizing the Financing of Terrorism, Journal<br />

of International Criminal Justice, Vol. 4, 2006, 1074, 1080 ff.;<br />

Baumann (FN 12), Art. 260 ter StGB, N 7.<br />

16 Botschaft 1993 (FN 11), 298.<br />

17 Mark Pieth, «Das zweite Paket gegen das Organisierte Verbrechen»,<br />

die Überlegungen des Gesetzgebers, ZStrR 1995, 235.<br />

18 Baumann (FN 12), Art. 260 ter StGB, N 7.<br />

Marnie Engewald-Dannacher<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

vatarmeen (etwa die Tonton Macoutes 19 ). Natürlich arbeitet<br />

ein kriminelles Regime auch mittels diverser Handlanger und<br />

Strohmänner. Dies scheint aber noch nicht der qualifi zierten<br />

Geheimhaltung, die in Art. 260 ter StGB gefordert wird, zu<br />

entsprechen.<br />

Auch stimmt wohl die Gesamtsituation einer kriminellen<br />

Staatsführung nicht mit der einer kriminellen Organisation<br />

überein. Während die kriminelle Organisation offensichtlich<br />

im Untergrund arbeitet und die Strafverfolgungsbehörde zu<br />

unterwandern versucht, so wird diese von einem kriminellen<br />

Regime direkt kontrolliert, weil dessen Vertreter eben auch<br />

in einer formalrechtlichen Machtposition stehen. Während<br />

das Handeln einer kriminellen Organisation einen Angriff<br />

auf den Staat ist, liegt beim Handeln eines kriminellen Regimes<br />

eher ein Angriff des Staates selber auf die Zivilbevölkerung<br />

vor.<br />

e) Räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich<br />

Der räumliche Geltungsbereich des Schweizerischen Strafgesetzbuches<br />

(Art. 3–8 StGB) wird durch die Formulierung<br />

in Ziff. 3 des Art. 260 ter StGB für den Tatbestand der kriminellen<br />

Organisation ausgedehnt. So fi ndet Art. 260 ter StGB<br />

schon dann Anwendung, wenn die kriminelle Organisation<br />

ihre verbrecherische Tätigkeit ganz oder teilweise in der<br />

Schweiz ausübt. Der räumliche Geltungsbereich wird bei<br />

der Anwendung dieses Artikels auf kriminelle Regime, die<br />

deliktisch erworbene Vermögenswerte über den Finanzplatz<br />

Schweiz waschen, keine Probleme bereiten.<br />

Problematisch scheint in diesem Zusammenhang der<br />

zeitliche Geltungsbereich dieses Artikels. Dies zeigt sich<br />

vor allem im aktuellen Fall Duvalier. Gemäss Art. 2 Abs. 1<br />

StGB wird nur bestraft, wer nach Inkrafttreten des Gesetzes<br />

Verbrechen oder Vergehen begangen hat. Das Bundesamt<br />

für Justiz hat den Duvalier-Clan in der vorne zitierten Medienmitteilung<br />

als kriminelle Organisation im Sinne von<br />

Art. 260 ter StGB qualifi ziert und die Beweislastumkehr von<br />

Art. 72 StGB angewendet. Beide Artikel sind am 1. August<br />

1994 in Kraft getreten. Jean-Claude Duvalier war allerdings<br />

von 1971–1986 Staatschef Haitis, seine Vermögenswerte auf<br />

Schweizer Bankkonten wurden ebenfalls bereits im Jahre<br />

1986 eingefroren. Folglich hatte der in Frankreich im Exil<br />

lebende Duvalier, während der Zeit zwischen 1987 und 2009<br />

weder die Möglichkeit, in Haiti Vermögens- oder Gewaltdelikte<br />

zu begehen, noch konnte er, da sein Vermögen in der<br />

Schweiz bereits auf Eis gelegt wurde, auch hier keine weiteren<br />

Vermögensdelikte, wie etwa Geldwäscherei verüben.<br />

Die Anwendung des Art. 260 ter StGB ist in diesem konkreten<br />

Fall unzulässig, da sie dem strafrechtlichen Prinzip des<br />

Rückwirkungsverbots entgegensteht. Es wird im Ergebnis<br />

auch keinen Unterschied machen, dass die Subsumierbarkeit<br />

unter den Art. 260 ter StGB nur als Vorfrage beantwortet wird,<br />

19 Haitianische Miliz, offi ziell bekannt als die MVSN, Milice de<br />

Volontaires de la Sécurité.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 290 10.3.2009 9:12:08 Uhr


Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen?<br />

damit die dazugehörige Einziehungsnorm, Art. 72 StGB,<br />

angewendet werden kann. Das Rückwirkungsverbot gilt sowohl<br />

für Strafen wie auch für Massnahmen 20 .<br />

2. Anwendung von Art. 72 StGB<br />

a) Allgemeine Überlegungen zu Art. 72 StGB<br />

Gemäss Art. 72 StGB können Vermögenswerte, die der Verfügungsmacht<br />

einer kriminellen Organisation unterliegen,<br />

eingezogen werden. Bei Vermögenswerten einer Person, die<br />

sich an einer solchen Organisation beteiligt oder sie unterstützt,<br />

wird die Verfügungsmacht der Organisation bis zum<br />

Beweis des Gegenteils vermutet.<br />

In diesem Artikel geht es nicht, wie in der Einziehung üblich,<br />

um das Abschöpfen deliktisch erworbener Vermögenswerte,<br />

sondern um die Wegnahme des Betriebskapitals einer<br />

kriminellen Organisation, weil dieser eine ausserordentliche<br />

Sozialgefährlichkeit zugeschrieben wird. 21 Diese Norm hat<br />

also in erster Linie einen präventiven Charakter: Die Vermögenswerte<br />

müssen eingezogen werden, weil es zu gefährlich<br />

wäre, sie in den Händen der kriminellen Organisation zu belassen.<br />

Gemäss dem zweiten Satz dieser Bestimmung muss die<br />

Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation bei Vermögenswerten<br />

eines ihrer Mitglieder nicht mehr bewiesen<br />

werden – eine solche Person kann aber ihrerseits den Gegenbeweis<br />

führen. Diese Beweislastumkehr bricht mit einem<br />

fundamentalen strafrechtlichen Prinzip: in dubio pro reo<br />

wird missachtet.<br />

Bei einem derartigen Wechsel der Beweislast auf eine private<br />

Person, muss die Schwelle des Gegenbeweises freilich<br />

sehr tief angesetzt werden. Allerdings scheinen die Überlegungen<br />

der herrschenden Lehre, was inhaltlich als Gegenbeweis<br />

gelten soll, der Zielrichtung des Art. 72 StGB entgegenzustehen.<br />

So soll der Gegenbeweis auch darin bestehen,<br />

dass die betroffene Person die legale Herkunft der Vermögenswerte<br />

darlegen kann 22 . Jedoch ist für eine Einziehung<br />

nach Art. 72 StGB die legale oder illegale Herkunft der Vermögenswerte<br />

gerade nicht wesentlich: Die Vermögenswerte<br />

sollen eingezogen werden, weil sie sich in gefährlichen<br />

Händen befi nden. Auf der Ebene des Gegenbeweises müsste<br />

also nicht die Herkunft thematisiert werden, sondern die Verfügungsmacht;<br />

wird die Verfügungsmacht der Organisation<br />

widerlegt, ist das Vermögen ja ungefährlich und daher freizugeben.<br />

20 Günther Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner<br />

Teil I, 2. A., Bern 2006, § 4 N 13; Kurt Seelmann,<br />

Strafrecht Allgemeiner Teil, 3. A., Basel 2007, 28.<br />

21 Florian Baumann, in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger<br />

(Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht I, Art. 1–110 StGB,<br />

2. A., Art. 72 StGB, N 2; Botschaft 1993 (FN 11), 316.<br />

22 Botschaft (FN 11), 319–320; Baumann (FN 21), Art. 72 StGB,<br />

N 11, m.w.H.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

b) Einziehung von Vermögenswerten eines<br />

kriminellen Regimes mittels Art. 72 StGB?<br />

Auch das Konzept dieses Artikels passt grundsätzlich nicht<br />

auf den Missstand eines kriminellen Staatsregimes. Sogenannte<br />

Potentatengelder sollen zurückgegeben werden<br />

können, weil sie der Zivilbevölkerung «gestohlen» wurden.<br />

Hier geht es um die Aufarbeitung von Unrecht, es besteht ein<br />

Restitutionsinteresse. Art. 72 StGB dient jedoch der Gefahrenabwehr.<br />

Dass eine sozialgefährliche – weil kriminell ausgerichtete<br />

– Organisation Zugriff auf Vermögenswerte hat,<br />

soll unterbunden werden. Ob aber beispielsweise ein im Exil<br />

lebender Diktator wie Duvalier diese Gefährlichkeit noch<br />

aufweist, ist höchst unwahrscheinlich.<br />

Ausserdem wurde zu den Fällen Abacha 23 und Duvalier<br />

24 erklärt, dass die betroffenen Personen die Einziehung<br />

verhindern können, wenn sie die legale Herkunft dieser Vermögenswerte<br />

beweisen. Wie vorne bereits erklärt, ist dies<br />

konzeptionell verfehlt, da der Gegenbeweis gegen die Verfügungsmacht<br />

der kriminellen Organisation, aber nicht gegen<br />

die illegale Herkunft der Vermögenswerte geführt werden<br />

müsste.<br />

c) Auslegung des Art. 74a IRSG im Lichte<br />

von Art. 72 StGB<br />

Bezüglich des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs<br />

des Art. 72 kann grundsätzlich auf die Überlegungen in II.1.e)<br />

verwiesen werden. Das Bundesgericht hat in seinem Abacha-<br />

Urteil 25 diesen Artikel aber nicht direkt angewendet, sondern<br />

das Rechtshilfegesetz, insbesondere die Herausgabe von Vermögenswerten<br />

nach Art. 74a IRSG im Lichte des Artikels 72<br />

StGB ausgelegt. In seinen Erwägungen argumentiert es folgendermassen:<br />

Gemäss der Botschaft vom Bundesrat 26 hatte<br />

die neue Einziehungsnorm für Vermögen einer kriminellen<br />

Organisation (Art. 59 Abs.3 aStGB, heute Art. 72 StGB) das<br />

Ziel, die Regel umzustossen, nach der eine Einziehung sowohl<br />

im innerstaatlichen Recht wie auch in der internationalen<br />

Rechtshilfe nur angeordnet werden kann, wenn auch die<br />

Einzeltat, aus der die Vermögenswerte stammen, bewiesen<br />

werden kann. 27<br />

Bei unbefangener Lektüre der Botschaft stellt man aber<br />

fest, dass die neue Norm vor allem Erleichterungen bringen<br />

sollte, soweit bisher verfahrensstrukturelle Unterschiede die<br />

Rechtshilfefähigkeit von Urteilen verhindert hat. So war<br />

etwa die Einziehung im Zusammenhang mit einem «guilty<br />

plea»-Urteil in einem angloamerikanischen plea bargaining-<br />

23 Vgl. FN 4.<br />

24 Siehe Medienmitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 2. Juli<br />

2008.<br />

25 Vgl. FN 4.<br />

26 Botschaft (FN 11).<br />

27 BGE 131 II 169, 183.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 291 10.3.2009 9:12:08 Uhr<br />

291


292<br />

Verfahren in der Schweiz nicht vollziehbar, da die Schweiz<br />

bisher keine schuldunabhängige Einziehung kannte 28 .<br />

Ob die in der Botschaft angesprochenen Erleichterungen<br />

bei einem «early release» gemäss Art. 74a Abs. 3 IRSG, nach<br />

dem Vermögenswerte in jedem Verfahrensstadium herausgegeben<br />

werden können, Bedeutung haben soll, ist zweifelhaft:<br />

Auch diese beiden Artikel passen konzeptionell einfach nicht<br />

zusammen. Art. 74a IRSG stellt klar auf die deliktische Herkunft<br />

von Vermögen ab, während Art. 72 StGB, wie vorne<br />

erläutert, die Einziehung dann zulässt, wenn sich Vermögenswerte<br />

unabhängig von ihrer Herkunft in ausgesprochen<br />

gefährlichen Händen befi nden. Auch die Tatsache, dass bei<br />

der Revision des IRSG im Jahre 1997, als die Neuerung des<br />

early release ins Gesetz aufgenommen wurde, weiterhin<br />

auf die deliktische Herkunft von Vermögenswerten abgestellt<br />

und die Idee des Art. 72 StGB nicht übernommen wurde,<br />

steht der Argumentation des Bundesgerichts entgegen.<br />

Grundsätzlich sind zwar Analogieschlüsse zur Auslegung<br />

des IRSG gemäss Art. 12 Abs. 1 IRSG bei Gesetzeslücken<br />

zulässig. Hier scheint aber eine bestehende Norm des IRSG<br />

durch eine anders ausgerichtete Bestimmung des Strafgesetzbuchs<br />

ersetzt worden zu sein.<br />

III. Voraussetzungen einer<br />

Gesetzesrevision<br />

Die rechtlichen Probleme, die im Zusammenhang mit der<br />

Rückführung von Potentatengeldern zu erkennen sind und<br />

die das rechtstaatliche Handeln unserer Behörden bisweilen<br />

an Grenzen oder darüber hinaus führen, drängen eine Revision<br />

des Einziehungsstrafrechts geradezu auf. Der politische<br />

Druck bezüglich der Rückführung von Potentatengeldern<br />

ist in der Schweiz jetzt – leider nicht schon vor 30 Jahren –<br />

massiv. Gerade deshalb sollte bei einer Revision versucht<br />

werden, den Ansprüchen der Rechstaatlichkeit gerecht zu<br />

werden.<br />

Die Praxis hat gezeigt, dass in Fällen von Potentatengeldern<br />

insbesondere der lückenlose paper trail zwischen<br />

einzelnen Delikten und den Vermögenswerten in der Regel<br />

nicht vorliegt. Diesbezüglich scheint eine Beweiserleichterung<br />

angebracht und vertretbar. Diese Einschränkung des<br />

strafrechtlichen Prinzips in dubio pro reo ist allerdings nur<br />

zu rechtfertigen, wenn gegenüber den übrigen Tatbestandselementen<br />

die volle Beweislast beim Staat bleibt. Es bedarf<br />

eines Einziehungsartikels, der an die deliktische Herkunft<br />

anknüpft, da die betreffenden Gelder der Zivilbevölkerung<br />

entwendet wurden – und diese Tatsache gilt es aufzuarbeiten.<br />

Das Tatbestandsmerkmal der Verfügungsmacht verfehlt<br />

diese Schutzrichtung jedoch, da zumindest vom ehemaligen<br />

Head of state keine Gefährlichkeit mehr ausgeht.<br />

28 Botschaft (FN 11), 317.<br />

Marnie Engewald-Dannacher<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Eventuell muss sich die Schweiz eingestehen, dass Fälle<br />

wie Duvalier mit den jetzigen gesetzlichen Möglichkeiten<br />

nicht lösbar sind. Sie sind ein trauriges Kapitel des Erfolges der<br />

Schweiz als internationaler Finanzplatz. Die Vermögenswerte<br />

trotz entgegenstehender Gesetzeslage einzuziehen, scheint insofern<br />

stossend, als dass den Staatsregimes ja gerade massiver<br />

Machtmissbrauch vorgeworfen wird. Natürlich kann dieser<br />

nicht aufgearbeitet werden, indem die Schweizer Behörden<br />

nun ihrerseits ihre nicht durch das Gesetz gestützte Machtposition<br />

gegenüber einem Beschuldigten missbrauchen.<br />

IV. Diskutierte Lösungsvorschläge<br />

1. Straftatbestand illicit enrichment,<br />

Art. 20 UNCAC 29<br />

Eine Möglichkeit diesen Missstand zu beheben, wäre etwa<br />

die Einführung eines neuen Straftatbestandes oder einer Einziehungsnorm<br />

unter dem Titel illicit enrichment. Gemäss<br />

Art. 20 UNCAC sollen die Vertragsstaaten vorbehaltlich<br />

ihrer Verfassung sowie der Grundprinzipien ihrer Rechtsordnungen<br />

in Erwägung ziehen, die erforderlichen gesetzgeberischen<br />

und sonstigen Massnahmen zu treffen, um die<br />

unerlaubte Bereicherung, d.h. eine erhebliche Zunahme der<br />

Vermögenswerte eines Amtsträgers, die er im Verhältnis zu<br />

seinen rechtmässigen Einkünften nicht angemessen erklären<br />

kann, als Vorsatzstraftat zu umschreiben. Diese offene Formulierung<br />

würde zu weit führen. Sie ist unbestimmt und widerspricht<br />

dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts.<br />

2. Selbständige Einziehung/<br />

Civil forfeiture<br />

Verschiedene Rechtsordnungen kennen ein Instrument der<br />

selbständigen Einziehung. So sind nach dem österreichischen<br />

Recht (§ 20b Abs. 2 öStGB) 30 etwa Vermögenswerte als verfallen<br />

zu erklären, die aus einer mit Strafe bedrohten Handlung<br />

stammen, wenn die Tat, aus der sie herrühren, auch<br />

durch die Gesetze des Tatorts mit Strafe bedroht ist, aber<br />

nicht den österreichischen Strafgesetzen unterliegt.<br />

In einigen Common Law Rechtsordnungen fi nden wir<br />

eine ähnliche Konstruktion, das sogenannte civil forfeiture,<br />

nach dem Vermögenswerte eingezogen werden können,<br />

wenn festgestellt wird, dass sie aus einem Verbrechen stammen<br />

oder der Ausführung von weiteren Verbrechen dienen,<br />

auch wenn kein strafrechtliches Urteil vorliegt. Der Vorteil<br />

dieser Lösung wäre die Anwendung der (leichter zu erfüllenden)<br />

zivilrechtlichen statt der strafrechtlichen Beweisanforderungen.<br />

29 United Nations Convention against Corruption (UNCAC) of<br />

31 Oktober 20<strong>03</strong>.<br />

30 Vgl. in Liechtenstein, § 20b Abs. 2 LiStGB.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 292 10.3.2009 9:12:08 Uhr


Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen?<br />

Beide Lösungswege helfen im Grunde aber nicht weiter,<br />

da sie den Beweis der direkten Verbindung zwischen Vermögenswerten<br />

und einzelnen Delikten verlangen. In diesem<br />

Punkt wäre aus den erwähnten praktischen Gründen eine Beweiserleichterung<br />

angebracht.<br />

3. Vorschlag Pieth<br />

Ein differenzierterer Vorschlag liegt von Pieth vor. In der<br />

Festschrift Riklin31 hat er folgende mögliche Einziehungsnorm<br />

publiziert:<br />

1 Bis zum Beweis des Gegenteils wird vermutet, dass Vermögenswerte<br />

durch eine Straftat erlangt worden sind, die in der Verfügungsmacht<br />

eines ehemaligen oder aktuellen, leitenden ausländischen<br />

Amtsträgers eines Regimes stehen, dessen Vertreter auf<br />

systematische Weise schwere Vermögens- oder Amtsdelikte begangen<br />

haben, oder sich schwere Menschenrechtsverletzungen<br />

haben zuschulden kommen lassen. Misslingt der Gegenbeweis,<br />

sind die Vermögenswerte einzuziehen.<br />

2 Die Einziehung der Vermögenswerte nach Abs. 1 erfolgt auch<br />

dann, wenn die schweizerische Zuständigkeit nach Art. 3 bis 8<br />

StGB nicht gegeben ist. Vorausgesetzt ist aber, dass die Taten<br />

auch am Begehungsort strafbar sind oder dass der Begehungsort<br />

keiner Strafgewalt unterliegt. Die Herausgabe der Vermögenswerte<br />

gemäss IRSG geht der Einziehung nach Art. 72bis vor.<br />

Diese Norm ist sehr eng und präzise formuliert. Der Rechtstaatlichkeit<br />

wird genüge getan, zudem ist die erwünschte<br />

Beweiserleichterung bezüglich der direkten Verbindung zwischen<br />

einzelnen Verbrechen und Vermögenswerten enthalten.<br />

Allerdings wird auch in dieser Norm auf die Verfügungsmacht<br />

abgestellt, worauf es doch nicht ankommen kann, da<br />

das Interesse der Schweiz, diese Vermögenswerte zurückzugeben,<br />

nicht daran liegt, dass sie aufgrund ihrer Gefährlichkeit<br />

eingezogen werden müssen: Es soll vergangenes Unrecht<br />

aufgearbeitet werden.<br />

Weiter scheint das Verhältnis dieser Norm zu der Herausgabe<br />

von Vermögenswerten gemäss dem IRSG nicht klar zu<br />

sein. So könnte etwa der letzte Satz des Abs. 2 bedeuten, dass<br />

die Norm gegenüber Mobutu und Duvalier keine Anwendung<br />

fi nden würde, da in diesen beiden Fällen der Rechtshilfeweg<br />

bereits eingeschlagen wurde.<br />

4. Neuer Lösungsvorschlag<br />

Ein möglicher Lösungsweg mit einem rein repressiven Charakter<br />

und einer genügend bestimmten Formulierung soll<br />

im Folgenden vorgestellt werden. Er schafft eine Beweiserleichterung<br />

(keine Beweislastumkehr) für den direkten Zusammenhang<br />

zwischen Vermögenswerten und einzelnen<br />

31 Mark Pieth, Die Herausgabe illegal erworbener Vermögenswerte<br />

an sog. «Failing States», in: Marcel Alexander Niggli/José<br />

Hurtado Pozo/Nicolas Queloz (Hrsg.), Festschrift für<br />

Franz Riklin, Zürich 2007, 497–507.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Delikten, stellt aber weiterhin auf den deliktischen Ursprung<br />

der Vermögenswerte ab:<br />

Art. 72bis 1 Wenn Vertreter eines ausländischen Staatsregimes in ihrer<br />

Funktion systematisch Amts- oder Vermögensdelikte begangen<br />

haben, sind Vermögenswerte einzuziehen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

aus einem solchen Delikt stammen. Die von der<br />

Einziehung betroffene Person kann diese verhindern, wenn<br />

sie die legale Herkunft der Vermögenswerte glaubhaft machen<br />

kann.<br />

2 Die Einziehung der Vermögenswerte nach Abs. 1 erfolgt auch<br />

dann, wenn die schweizerische Zuständigkeit nach Art. 3 bis 8<br />

StGB nicht gegeben ist.<br />

Um eine Einziehung nach dieser Norm zu erwirken, müsste<br />

der ehemalige kriminelle modus operandi des Staatsregimes<br />

als solcher ohne Abstriche des strafrechtlichen Beweisniveaus<br />

festgestellt werden: mit an Sicherheit grenzender<br />

Wahrscheinlichkeit. Zusätzlich müsste der Richter sämtliche<br />

Anhaltspunkte für den direkten Zusammenhang zwischen<br />

den Vermögenswerten und den begangenen Delikten umfassend<br />

würdigen. Nur wenn sich daraus – zusätzlich zur Kriminalisierung<br />

des Regimes – eine hohe Wahrscheinlichkeit<br />

der kriminellen Herkunft ergibt, können die Vermögenswerte<br />

eingezogen werden.<br />

Die betroffene Person kann den Gegenbeweis antreten.<br />

Die Schwelle dieses Beweises muss allerdings entsprechend<br />

tief sein, dies soll mit der Formulierung «glaubhaft machen»<br />

erreicht werden.<br />

V. Fazit<br />

Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber bei einer allfälligen<br />

Gesetzesrevision dem politischen Druck standhält und eine<br />

Lösung fi ndet, die die gewünschte Praktikabilität bringt,<br />

ohne in Konfl ikt mit der Rechtsstaatlichkeit zu geraten.<br />

La place fi nancière suisse apparaît régulièrement comme un<br />

safe haven pour des valeurs patrimoniales de personnes exposées<br />

politiquement et acquises de manière délictueuse. La<br />

Suisse joue un rôle de précurseur à l’échelle mondiale en remettant<br />

de tels biens aux états qui y ont droit. Dans le précédent<br />

Abacha, un régime étatique étranger a pour la première<br />

fois été qualifi é d’organisation criminelle au sens de l’art. 260 ter<br />

CP, de sorte que le renversement du fardeau de la preuve selon<br />

l’art. 72 CP s’appliquait concernant la provenance délictuelle<br />

des biens. Ce procédé soulève quelques questions de droit.<br />

Afi n d’offrir à l’avenir une base plus solide pour la résolution<br />

de tels cas, une révision de la confi scation pénale s’impose.<br />

Il conviendra de trouver une solution qui évite autant que<br />

possible les frictions avec les principes d’un état de droit, vu<br />

qu’il s’agit justement de corriger l’injustice étatique et l’abus<br />

d’autorité.<br />

(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 293 10.3.2009 9:12:09 Uhr<br />

293


294<br />

ANDREA MONDINI<br />

LL.M., Rechtsanwalt,<br />

Zürich<br />

Andrea Mondini, LL.M., und Dr. Manuel Liatowitsch sind<br />

Partner bei Schellenberg Wittmer Rechtsanwälte in Zürich. Die<br />

Verfasser danken Herrn Dr. Roland Ryser für die wertvolle Mitarbeit.<br />

1 Vgl. BGE 104 II 116.<br />

Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen<br />

schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz<br />

Zeit für eine Praxisänderung zu Art. 404 OR<br />

MANUEL LIATOWITSCH<br />

Dr. iur., Rechtsanwalt,<br />

Zürich<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Ausgangslage<br />

2. Tragweite von Art. 404 Abs. 1 OR<br />

2.1 Bundesgerichtliche Rechtsprechung<br />

2.2 Kantonale Rechtsprechung<br />

2.3 Doktrin<br />

3. Rechtsvergleichung<br />

3.1 Deutschland<br />

3.2 Österreich<br />

3.3 Frankreich<br />

3.4 Italien<br />

4. Art. 404 sollte nur auf typische Aufträge zwingend<br />

angewendet werden<br />

1. Ausgangslage<br />

Art. 404 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts<br />

(OR) sieht vor, dass Auftraggeber und Beauftragter das zwischen<br />

ihnen bestehende Auftragsverhältnis jederzeit widerrufen<br />

oder kündigen können. Im Unterschied zu anderen Verträgen<br />

wird beim Auftrag die Beendigung nicht von einem<br />

bestimmten Termin oder einer bestimmten Frist abhängig<br />

gemacht, sondern als jederzeit zulässig erachtet. Beschränkt<br />

wird dieses Widerrufs- bzw. Kündigungsrecht allein durch<br />

Art. 404 Abs. 2 OR, wonach die zur Unzeit erfolgende Beendigung<br />

den zurücktretenden Vertragspartner zur Zahlung von<br />

Schadenersatz verpfl ichtet 1 .<br />

Im Auftragsrecht gilt Art. 404 Abs. 1 OR als eine der<br />

problematischsten Regelungen. Umstritten ist in Lehre und<br />

Rechtsprechung insbesondere die Frage, ob und vor allem<br />

inwiefern das jederzeitige Beendigungsrecht zwingender<br />

oder dispositiver Natur ist. Ebenso unklar ist die Tragweite<br />

der Regelung: Findet Art. 404 OR nur auf Verträge Anwendung,<br />

die sich als reine Aufträge i.S.v. Art. 394 ff. OR qualifi<br />

zieren oder erstreckt sich die Bestimmung auch auf gemischte<br />

Verträge mit auftragsrechtlichen Elementen oder gar<br />

auf gewisse Verträge sui generis? Fraglich ist schliesslich,<br />

ob dem jederzeitigen Widerrufs- bzw. Kündigungsrecht auch<br />

Verträge unterliegen, die als Dauerschuldverhältnisse einzuordnen<br />

sind.<br />

Die entsprechende Problematik manifestiert sich namentlich<br />

bei den gerade in internationalen Geschäftsverhältnissen<br />

oft anzutreffenden Management-, Beratungs-,<br />

Versicherungsbroker-, Forschungs- und Entwicklungs-,<br />

Outsourcing- und IT-Dienstleistungsverträgen, welche aus<br />

schweizerischer Optik einerseits als Dauerschuldverhältnisse<br />

gelten und andererseits über bestimmte auftragsrechtliche<br />

Merkmale verfügen. Aufgrund der bestehenden<br />

Rechtsunsicherheiten können die Parteien solcher und<br />

weiterer Verträge nicht darauf vertrauen, dass die vertraglich<br />

vereinbarten Beendigungsmodalitäten vor Art. 404 OR<br />

auch tatsächlich standhalten. Im internationalen Verhältnis<br />

führt dies oft dazu, dass die Vertragsparteien von einer Unterstellung<br />

entsprechender Verträge unter Schweizer Recht<br />

absehen und eine Rechtsordnung wählen, welche keine<br />

diesbezüglichen Unklarheiten kennt. Dies schmälert die<br />

Attraktivität der schweizerischen Rechtsordnung und wirkt<br />

sich als Standortnachteil aus.<br />

Eine weitere Negativkonsequenz betrifft die Attraktivität<br />

der Schweiz für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit.<br />

Wenn ausländische Parteien für den Streitfall ein<br />

Schiedsgericht in der Schweiz vorsehen, treffen sie häufi g<br />

ohne längere Abklärungen auch eine Rechtswahl zugunsten<br />

schweizerischen Rechts – ohne sich im Detail darüber<br />

im Klaren zu sein, was dies für ihr Vertragswerk bedeutet.<br />

Gross ist die Überraschung dann, wenn sich im Streitfall<br />

die sorgfältig ausgehandelten Vertragsbeendigungs-Bestimmungen<br />

wegen Art. 404 OR plötzlich als Makulatur<br />

erweisen.<br />

Im Rahmen des vorliegenden Beitrags gilt es, vor diesem<br />

Hintergrund zunächst Lehre und Rechtsprechung zu<br />

Art. 404 OR abzubilden und die entsprechenden Rechtsunsicherheiten<br />

zu benennen (hinten Ziff. 2). Im Anschluss<br />

an einen Blick auf die Rechtsordnungen unserer Nachbarländer<br />

(hinten Ziff. 3) soll ein Vorschlag zu einer engen<br />

zwingenden Anwendung von Art. 404 OR erarbeitet werden<br />

(hinten Ziff. 4).<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 294 10.3.2009 9:12:09 Uhr


Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz<br />

2. Tragweite von Art. 404 Abs. 1 OR<br />

2.1 Bundesgerichtliche Rechtsprechung<br />

Das Bundesgericht erachtet das freie Widerrufs- und Kündigungsrecht<br />

i.S.v. Art. 404 OR in ständiger Rechtsprechung<br />

als zwingend; es darf weder vertraglich ausgeschlossen noch<br />

eingeschränkt werden 2 . Selbst eine mittelbare Sank tionierung<br />

der Unwiderrufl ichkeit durch Konventionalstrafe (Art. 160<br />

OR) wird für unzulässig erklärt 3 . Diesen zwingenden Charakter<br />

von Art. 404 OR rechtfertigt das Bundesgericht mit<br />

der Begründung, dass Beauftragte meist eine besondere Vertrauensstellung<br />

einnehmen und es im Falle einer Störung des<br />

Vertrauensverhältnisses keinen Sinn mache, den Vertrag aufrecht<br />

erhalten zu wollen 4 .<br />

Dem so verstandenen Art. 404 OR kommt nach bundesgerichtlicher<br />

Rechtsprechung ein relativ breiter Anwendungsbereich<br />

zu: Die Regelung beschlägt nämlich nicht nur<br />

typische, namentlich unentgeltliche oder höchstpersönliche<br />

Aufträge, sondern wird durch das Bundesgericht auf sämtliche<br />

Auftragsverhältnisse angewendet 5 . Dem zwingenden<br />

jederzeitigen Aufl ösungsrecht werden darüber hinaus sogar<br />

gemischte Verträge unterstellt, «für welche hinsichtlich<br />

der zeitlichen Bindung der Parteien die Bestimmungen des<br />

Auftragsrechtes als sachgerecht erscheinen» 6 . Entsprechend<br />

wird also auch ein Architektenvertrag mit werkvertrags- und<br />

auftragsrechtlichen Elementen dem zwingenden freien Beendigungsrecht<br />

nach Art. 404 OR unterworfen 7 . Als zwingend<br />

widerrufl ich gelten laut Bundesgericht auch Liegenschaftsverwaltungs-<br />

8 , Musikmanagement- 9 und Internatsverträ-<br />

2 BGE 59 II 261, 95 I 25, 98 II 307, 1<strong>03</strong> II 130, 104 II 111/115,<br />

106 II 159 f., 109 II 467, 115 II 466 ff., 117 II 478; BGer vom<br />

23.5.1989, SJ 1989, 523; BGer vom 6.10.1992, 4C.31/1992,<br />

NZZ vom 5.10.1993; BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004,<br />

E. 5.4; BGer vom 29. Juli 2008, 4A.213/2008, E. 5.2; vgl. auch<br />

die Hinweise auf weitere unveröffentlichte Urteile bei Peter<br />

Münch, Die jederzeitige Aufl ösbarkeit des Auftrages bleibt<br />

zwingend, ZBJV 1997, 333 f.<br />

3 BGE 1<strong>03</strong> II 130, 104 II 116, 109 II 467, 110 II 383.<br />

4 BGE 104 II 115 f., 115 II 466; ferner BGE 98 II 308, 109 II<br />

466, 110 II 382; BGer vom 10.4.2002, 4P.28/2002, E. 3. C.cc;<br />

BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.2.<br />

5 BGE 115 II 466 f.; in BGE 109 II 467 wurde die Frage, ob auch<br />

atypische Auftragsverhältnisse dem jederzeitigen Beendigungsrecht<br />

unterliegen, noch offengelassen.<br />

6 BGE 115 II 466 f.; ferner BGE 109 II 466, 110 II 382. Nach<br />

früherer Rechtsprechung wurde Art. 404 OR hinsichtlich solcher<br />

Verträge dadurch zur Anwendung gebracht, dass Verträge<br />

auf Arbeitsleistung, welche keinem gesetzlichen Vertragstypus<br />

zugeordnet werden konnten, unter Berufung auf Art. 394<br />

Abs. 2 OR integral dem Auftragsrecht unterstellt wurden; vgl.<br />

BGE 104 II 115 f., 106 II 159.<br />

7 BGE 109 II 462 ff., 110 II 382.<br />

8 BGE 106 II 159 f.; BGer vom 23.5.1989, SJ 1989, 523; a.M.<br />

noch BGE 83 II 530 mit Hinweis auf dessen dauervertragliche<br />

Rechtsnatur; vgl. eingehend dazu Willi Fischer, Der Liegenschaftsverwaltungsvertrag,<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 2000, 399 ff.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

ge 10 oder Kooperationsverträge zwischen Depotbanken und<br />

externen Vermögensverwaltern 11 . Dagegen qualifi ziert das<br />

Bundesgericht Charterverträge als Verträge sui generis, deren<br />

Aufl ösung nicht der Vorschrift von Art. 404 OR untersteht<br />

12 . Ebenfalls ausgeschlossen wird durch die bundesgerichtliche<br />

Rechtsprechung eine analoge Anwendung von<br />

Art. 404 OR auf Dauerverträge; so wird in einem neueren<br />

Entscheid festgehalten, dass ein Franchisevertrag aufgrund<br />

seiner dauerschuldvertraglichen Rechtsnatur nicht frei widerrufen<br />

werden könne 13 . Diese Begründung erstaunt indes vor<br />

dem Hintergrund, dass das Bundesgericht wiederholt auch<br />

Dauerschuldverträge als einfache Aufträge qualifi ziert und<br />

dem freien Beendigungsrecht unterstellt hat 14 und ungeachtet<br />

dieses Entscheides weiterhin festhält, der Dauerschuldcharakter<br />

eines Vertrages hindere dessen auftragsrechtliche<br />

Einordnung nicht 15 . Im Ergebnis wendet das Bundesgericht<br />

damit Art. 404 OR unmittelbar auf Dauerverträge an, sobald<br />

es diese als einfache Aufträge qualifi ziert, lehnt aber gleichzeitig<br />

eine bloss sinngemässe Anwendung auf andere Dauerverträge<br />

mit Hinweis auf deren Dauerschuldcharakter ab 16 .<br />

2.2 Kantonale Rechtsprechung<br />

Die kantonale Rechtsprechung hat verschiedentlich versucht,<br />

durch Qualifi kation der zu beurteilenden Verträge<br />

als gemischte Verträge oder Veträge sui generis dem breiten<br />

Anwendungsbereich von Art. 404 OR gemäss der dargestellten<br />

Bundesgerichtspraxis auszuweichen. Nach kantonaler<br />

Rechtsprechung wurden mit dieser Begründung insbesondere<br />

Factoringverträge 17 , Fitnessverträge 18 , Verträge über<br />

9 BGE 104 II 115 f.<br />

10 BGer vom 4.10.1982, C.171/82, E. 3 (zit. bei Arnold F.<br />

Rusch/Michael Hochstrasser, Verträge mit Kinderkrippen,<br />

Jusletter vom 22. Oktober 2007, N 43 Fn. 89); vgl. auch KGer<br />

SG vom 26.2.1982, SJZ 1983, 247 f.<br />

11 BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.2 f. («contrat de collaboration»);<br />

Christoph Gutzwiller, Rechtsfragen der Vermögensverwaltung,<br />

Züirch 2008, 82.<br />

12 BGE 115 II 111.<br />

13 BGer vom 11.10.2000, 4C.228/2000, E. 4; OGer ZH vom<br />

24.6.20<strong>03</strong>, ZR 2004, 233; vgl. auch bereits BGE 83 II 530, 98 II<br />

308, 120 V 305; ferner BGer vom 11.2.20<strong>03</strong>, 4C.270/2002, E. 2.4;<br />

BGer vom 11.6.2002, 4C.66/2002, E. 2.1; BGer vom 30.5.2005,<br />

5C.252/2004, E. 5; OGer ZH vom 10.6.1988, ZR 1988, 310.<br />

14 Vgl. BGE 104 II 115 f., 106 Ib 150, 106 II 159, 108 Ib 192, 100<br />

II 370 f., 110 II 284 f., 111 II 449, 126 III 21 f.<br />

15 BGer vom 7.2.2002, 4C.316/2001, E. 1b; BGer vom 10.4.2002,<br />

4P.28/2002, E. 3.c; BGer vom 27.9.2002, 4C.125/2002, E. 2.1;<br />

BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.2 und 5.3.<br />

16 Ausführlich dazu Peter Gauch, Der Auftrag, der Dauervertrag<br />

und Art. 404 OR, Ein Kurzbeitrag zur Rechtsprechung des<br />

Bundesgerichts, SJZ 2005, 520 ff.<br />

17 OGer ZH vom 10.6.1988, ZR 1988, 310; OGer ZH vom<br />

25.3.1985, ZR 1986, 29 f.; a.M. im konkreten Fall aber HandelsGer<br />

ZH vom 17.12.1990, ZR 1990, 151 ff.<br />

18 BezGer Arlesheim BL vom 15.10.1993, BJM 1994, 137 f.;<br />

KassGer NE vom 21.10.1999, SJZ 2000, 396 f.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 295 10.3.2009 9:12:09 Uhr<br />

295


296<br />

die Erbringung von buchhaltungsbezogenen IT-Dienstleistungen<br />

19 , IT-Serviceverträge 20 , Betreuungsverträge 21 Beratungsverträge<br />

22 . vom Anwendungsbereich von Art. 404 OR<br />

ausgenommen.<br />

2.3 Doktrin 23<br />

In der Literatur wird die bundesgerichtliche Rechtsprechung<br />

bisweilen stark kritisiert. Für wenig überzeugend gehalten<br />

wird insbesondere die Begründung des zwingenden jederzeitigen<br />

Widerrufsrechts mit dem «besonderen Vertrauensverhältnis»;<br />

ein solches sei eben gerade nicht für jeden Auftrag<br />

typisch 24 . Indem das Bundesgericht aber auch solchen Verträgen<br />

fast jegliche Bindungswirkung abspricht, obwohl sie<br />

nicht durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt sind,<br />

werde gegen die ratio legis von Art. 404 OR verstossen 25 .<br />

Überdies könne der Auftraggeber bei fehlender Vertrauensbasis<br />

ohnehin jederzeit kündigen; es müsse bloss das Honorarinteresse<br />

des Beauftragten beachtet werden, wenn kein<br />

wichtiger Grund für die Kündigung vorliege. Art. 404 OR sei<br />

indessen auf unentgeltliche Aufträge zugeschnitten und trage<br />

dem nicht Rechnung 26 . Die bundesgerichtliche Rechtsprechung<br />

tangiere zudem den im Obligationenrecht geltenden<br />

Satz «pacta sunt servanda» 27 . Das Bundesgericht verkenne,<br />

dass das Vertrauen immer gegenseitig sei und primär zum<br />

Halten des gegebenen Wortes verpfl ichte 28 . Sodann sei die<br />

zwingende Natur von Art. 404 OR kaum zu begründen, wenn<br />

keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts (Art. 27<br />

ZGB) vorliege. Im Obligationenrecht herrsche Vertragsfreiheit<br />

und entsprechend seien alle Vorschriften, die nicht gegen<br />

den ordre public verstossen, dispositiver Natur 29,30 .<br />

19 KGer SG vom 6.01.1988, SJZ 1990, 125 f.<br />

20 KGer SZ vom 28.11.1989, SJZ 1990, 380.<br />

21 Vgl. KGer ZG vom 14.7.2005, ZGGVP 2005, 178 f.<br />

22 OGer LU vom 14.12.1988, SJZ 1989, 215 f., ZBJV 1990, 585 ff.<br />

23 Vgl. auch die Übersicht bei Josef Hofstetter, in: Josef Hofstetter/Wolfgang<br />

Wiegand (Hrsg.), Schweizerisches Privatrecht,<br />

Band VII/6: Obligationenrecht – Besondere Vertragsverhältnisse,<br />

Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag,<br />

Basel 2000, 58 f.<br />

24 Claire Huguenin, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. A.,<br />

Zürich/Basel/Genf 2008, N 835; Pierre Engel, Contrats de<br />

droit suisse, 2. A., Bern 2000, 508; Rolf H. Weber, in: Heinrich<br />

Honsell/Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.),<br />

Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 4. A.,<br />

Basel 2007, Art. 404 N 9; Peter Gauch, Art. 404 OR – Sein<br />

Inhalt, seine Rechtfertigung und die Frage seines zwingenden<br />

Charakters, recht 1992, 14.<br />

25 Vgl. Engel (FN 24), 508.<br />

26 Heinrich Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer<br />

Teil, 8. A., Bern 2006, 325.<br />

27 Vgl. Honsell (FN 26), 325; ferner Huguenin (FN 24), N 835.<br />

28 Honsell (FN 26), 325.<br />

29 Honsell (FN 26), 325 f.<br />

30 Vgl. auch die weiteren Argumente gegen die Rechtsprechung<br />

des Bundesgerichts bei Gauch (FN 24), 13 ff.<br />

Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Vor diesem Hintergrund wird nach der Mehrheitsauffassung<br />

in der Lehre 31 sowie neueren kantonalen Gerichtsentscheiden<br />

32 zwischen sog. typischen und atypischen Aufträgen<br />

unterschieden. Als «typisch» und damit zwingend frei<br />

widerrufl ich gilt ein Vertrag dann, wenn er unentgeltlich 33<br />

oder im Falle der Vereinbarung eines Honorars höchstpersönlicher<br />

Natur ist (so z.B. Verträge mit Ärzten, Rechtsanwälten<br />

oder Treuhändern) bzw. wenn ihm ein besonderes Vertrauensverhältnis<br />

zugrunde liegt 34 . Bei Fehlen dieser Merkmale<br />

wird der Auftrag als «atypisch» aufgefasst und die Parteien<br />

können das jederzeitige Aufl ösungsrecht dementsprechend<br />

wegbedingen 35 (in der Literatur wird diese Möglichkeit insbesondere<br />

bei Aufträgen mit Dauercharakter befürwortet 36 ).<br />

Vor dem Hintergrund der Unterscheidung von typischen und<br />

atypischen Verträgen werden etwa Factoring- 37 , Outsourcing-<br />

38 , Facility-Management- 39 , Franchise- 40 , Sponsoring- 41 ,<br />

31 Emmanuel Piaget, Les règles du mandat face aux contrats innomés,<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 2005, 988 ff.; Eric Homburger, Zwingende<br />

Natur des jederzeitigen Widerrufsrecht nach Art. 404 Abs. 1<br />

OR, SZW 1991, 35; Pierre Tercier, Les contrats spéciaux,<br />

4. A., Genève/Zürich 2009, N 4940 ff.; Walter Fellmann,<br />

Berner Kommentar, Bd. VI/2, 4. Teilbd., Der einfache Auftrag,<br />

Art. 394–406 OR, 4. A., Bern 1992, Art. 404 N 115 ff.; Eugen<br />

Bucher, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. A., Zürich<br />

1988, 228; Leo R. Gehrer, Die Gestaltung von Architekturverträgen<br />

– praktische Hinweise, in: Alfred Koller (Hrsg.),<br />

Recht der Architekten und Ingenieure, St. Gallen 2002, 111 f.;<br />

Huguenin (FN 24), N 834 f.; Ueli Sommer, Die rechtliche<br />

Qualifi kation von Verwaltungsrats- und anderen Organverträgen<br />

– Eine Entgegnung auf die bundesgerichtliche Absage an<br />

das Konzerninteresse in BGE 130 III 213, <strong>AJP</strong>/PJA 2004, 1063;<br />

ferner Theo Guhl/Anton K. Schnyder, Das Schweizerische<br />

Obligationenrecht, 9. A., Zürich 2000, § 49 N 32; Honsell<br />

(FN 26), 325 f.; a.M. Hofstetter (FN 23), 60 f., 67 ff.<br />

32 KGer ZG vom 14.7.2005, ZGGVP 2005, 178 f.; OGer LU vom<br />

14.12.1988, SJZ 1989, 215 f., ZBJV 1990, 587; offengelassen<br />

in BezGer Höfe SZ vom 10.8.1994, SJZ 1996, 67.<br />

33 Vgl. Thomas Schneeberger, Der Einfl uss des Entgelts auf<br />

die rechtliche Stellung des Beauftragten, Diss. Bern 1992, 232;<br />

BezGer Höfe SZ vom 10.8.1994, SJZ 1996, 67; OGer LU vom<br />

14.12.1988, SJZ 1989, 215 f.; ZBJV 1990, 587.<br />

34 Engel (FN 24), 510; Franz Werro, in: Luc Thévenoz/Franz<br />

Werro (Hrsg.), Commentaire romand, Code des obligations I,<br />

Art. 1–529, Basel 20<strong>03</strong>, Art. 404 N 7; Huguenin (FN 24),<br />

N 834; Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10; BezGer Höfe SZ<br />

vom 10.8.1994, SJZ 1996, 67; OGer LU vom 14.12.1988, SJZ<br />

1989, 215 f., ZBJV 1990, 587.<br />

35 Vgl. Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10.<br />

36 Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10; Franz Werro, Le mandat<br />

et ses effets, Habil. Fribourg 1993, N 371 ff.; Sommer (FN 31),<br />

1063; ähnlich Guhl/Schnyder (FN 31), § 49 N 32 («atypische,<br />

auf längere Dauer angelegte Vertragsverhältnisse»).<br />

37 Marc Amstutz/Walter R. Schluep, in: Heinrich Honsell/<br />

Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar,<br />

Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 4. A., Basel 2007,<br />

Einl.. vor Art. 184 OR ff. N 125.<br />

38 Vgl. Thomas Brändli, Outsourcing, Vertrags-, Arbeits- und<br />

Bankrecht, Diss. Bern 2001, N 255 ff.; Roland M. Ryser,<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 296 10.3.2009 9:12:10 Uhr


Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz<br />

Fitness- 42 , Internats- 43 oder Krippenverträge 44 vom Anwendungsbereich<br />

von Art. 404 OR ausgenommen 45 . Umgekehrt<br />

wird indessen z.B. der Spitalaufnahmevertrag als Vertrag<br />

mit einem besonderen Vertrauensverhältnis qualifi ziert und<br />

demnach ein voraussetzungsloses auftragsrechtliches Kündigungsrecht<br />

des Patienten zugelassen 46 .<br />

Hinsichtlich der praktisch wichtigen IT-Verträge würden<br />

bei dieser Unterscheidung höchstens reine IT-Beratungsverträge<br />

als «typische» Aufträge dem jederzeitigen Widerrufsrecht<br />

nach Art. 404 OR unterliegen. Die übrigen IT-Verträge<br />

(insbesondere die Wartungs- und Pfl egeverträge) wären hingegen<br />

als «atypische» Aufträge zu qualifi zieren. 47<br />

Andere Lehrmeinungen propagieren eine Unterscheidung<br />

zwischen «Macht» und «Recht». Demnach sollen beide<br />

Vertragsparteien jederzeit und ungeachtet vertraglicher Bindungen<br />

die «Macht» haben, den Auftrag zu widerrufen bzw.<br />

zu kündigen; das «Recht» soll hingegen durch vertragliche<br />

Abreden einschränkbar sein und entsprechend mache eine<br />

Vertragsbeendigung gemäss Art. 404 Abs. 2 OR schadenersatzpfl<br />

ichtig, wenn sie in Verletzung einer bindenden Vertragsdauerbestimmung<br />

(sprich: «zur Unzeit») erfolgt 48 .<br />

Nach einer weiteren Auffassung besteht ein freies Widerrufsrecht<br />

angesichts der in Art. 404 OR vorgesehenen Schadenersatzpfl<br />

icht bei unzeitiger Kündigung nur dann, wenn<br />

dem Vertragspartner dadurch keine besonderen Nachteile<br />

entstehen oder der widerrufende Teil stichhaltige Gründe<br />

für eine fristlose Vertragsaufl ösung geltend machen kann 49 .<br />

Outsourcing – Eine unternehmensstrafrechtliche Untersuchung,<br />

Diss. Zürich 2007, N 64 FN 175.<br />

39 Peter Burkhalter, Facility Management, Ganzheitliches<br />

Immobilienmanagement – erste rechtliche Lösungsansätze,<br />

BR 2004, 41.<br />

40 Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 170.<br />

41 Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 426;<br />

Peter Philipp, Rechtliche Schranken der Vereinsautonomie<br />

und der Vertragsfreiheit im Einzelsport, Diss. Zürich 2004, 156.<br />

42 Arnold F. Rusch, Verträge mit Fitnessstudios, Jusletter vom<br />

27. November 2006, N 14 (mit Hinweis auf das Urteil des Bezirksgerichtspräsidenten<br />

Arlesheim BL vom 15. Oktober 1993,<br />

BJM 1994, 138).<br />

43 Vgl. die Hinweise bei Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor<br />

Art. 184 OR ff. N 408.<br />

44 Rusch/Hochstrasser (FN 10), N 42.<br />

45 Uneinigkeit herrscht in der Lehre indes v.a. beim Fernkursvertrag,<br />

vgl. m.w.H. Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor<br />

Art. 184 OR ff. N 396.<br />

46 Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 357.<br />

47 Bernhard Heusler/Roland Mathys, IT-Vertragsrecht, Zürich<br />

2004, 254.<br />

48 Franz Werro, La distinction entre le pouvoir et le droit de<br />

résilier: la clé de l’interprétation de l’art. 404 CO, BR 1991,<br />

55 ff.; vgl. auch Tercier (FN 31), N 5282 f.; ähnlich im Ergebnis<br />

Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10 (mit Hinweis auf LGVE<br />

1990 I 25 ff.), nach welchem es denkbar ist, eine fristlose Vertragsaufl<br />

ösung gestützt auf Art. 404 OR bei anders lautender<br />

Vertragsabsprache als rechtsmissbräuchlich zu erachten.<br />

49 Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 113.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Gauch schliesslich geht sogar soweit, dass er Art. 404 OR<br />

als rein dispositive Norm auslegen will 50 .<br />

3. Rechtsvergleichung<br />

Dem Auftrag kommt im Recht unserer Nachbarländer eine<br />

geringere Bedeutung zu als in der schweizerischen Rechtsordnung<br />

51 . Begründet liegt dieser Umstand wohl in erster<br />

Linie im unterschiedlichen Rechtsverständnis. So geht das<br />

deutsche Recht etwa von der Unentgeltlichkeit des Auftrages<br />

aus (§ 662 BGB), während es entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge<br />

dem Dienst- oder Werkvertragsrecht zuordnet<br />

(vgl. § 675 BGB). Im österreichischen (§§ 1002 ff. ABGB),<br />

französischen (Art. 1984 ff. CCfr.) und italienischen<br />

(Art. 17<strong>03</strong> ff. CCit.) Recht wird der Auftrag hingegen primär<br />

als Rechtsgeschäftsbesorgung in direkter Stellvertretung<br />

aufgefasst, die entgeltlich oder unentgeltlich sein kann. Während<br />

nach österreichischem und italienischem Recht auch die<br />

Geschäftsbesorgung in indirekter Stellvertretung möglich<br />

ist, stellt das französische Recht auf den Kommissionsvertrag<br />

ab 52 . Unentgeltliche Verträge auf Arbeitsleistung werden<br />

nach österreichischem Recht dem Auftrag zugerechnet 53 .<br />

Wegen solch abweichender Defi nitionen des Auftrages<br />

ist ein Vergleich mit den gesetzlichen Regelungen unserer<br />

Nachbarländer nur bedingt gewinnbringend. Gleichwohl<br />

soll indessen nachfolgend kurz auf die Art. 404 OR entsprechenden<br />

Regelungen eingegangen werden.<br />

3.1 Deutschland<br />

Art. 404 OR fi ndet seine Entsprechung in § 671 des deutschen<br />

Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Nach Abs. 1 dieser<br />

Vorschrift kann der Auftrag vom Auftraggeber jederzeit<br />

widerrufen und vom Beauftragten jederzeit gekündigt werden.<br />

Der Beauftragte darf indessen gemäss Abs. 2 nur «in<br />

der Art kündigen, dass der Auftraggeber für die Besorgung<br />

des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen kann, es sei denn,<br />

dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt.<br />

Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er<br />

dem Auftraggeber den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen».<br />

In der deutschen Doktrin wird das Widerrufsrecht des<br />

Auftraggebers grossmehrheitlich als unverzichtbar erachtet,<br />

wenn der Auftrag im ausschliesslichen Interesse des Auftraggebers<br />

liegt 54 . Soweit der Auftrag allerdings auch im<br />

50 Gauch (FN 24), 15 ff.<br />

51 Hofstetter (FN 23), 9.<br />

52 Hofstetter (FN 23), 7 f.; Weber (FN 24), vor Art. 394–406<br />

OR N 8.<br />

53 Weber (FN 24), vor Art. 394–406 OR N 8.<br />

54 Vgl. etwa Otto Palandt/Hartwig Sprau, in: Otto Palandt<br />

(Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 67. A., München 2009, § 671<br />

N 2.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 297 10.3.2009 9:12:10 Uhr<br />

297


298<br />

Interesse des Beauftragten erteilt wird und dessen In teresse<br />

demjenigen des Auftraggebers zumindest gleichwertig ist,<br />

kann auf das Widerrufsrecht des Auftraggebers wirksam<br />

verzichtet oder in eine Einschränkung eingewilligt werden 55 .<br />

Stets unverzichtbar ist das Widerrufsrecht im Falle des Vorliegens<br />

eines wichtigen Grundes 56 .<br />

Im Unterschied zu dem nur unter bestimmten Voraussetzungen<br />

einschränkbaren Widerrufsrecht des Auftraggebers,<br />

wird eine vertragliche Beschränkung bzw. ein Verzicht auf<br />

das Kündigungsrecht des Beauftragten ohne weiteres als<br />

zulässig erachtet. Vorbehalten bleibt indessen gemäss ausdrücklicher<br />

Anordnung in § 671 Abs. 3 BGB das Beendigungsrecht<br />

aus wichtigem Grund.<br />

Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass<br />

die skizzierte Widerrufs- und Kündigungsregelung aufgrund<br />

der gesetzlichen Defi nition des Auftrages gemäss § 662 BGB<br />

grundsätzlich nur auf unentgeltliche Rechtsverhältnisse Anwendung<br />

fi ndet 57 . Einzugehen ist deshalb vorliegend auch<br />

auf die Widerrufs- bzw. Kündigungsmodalitäten des mit dem<br />

entgeltlichen Auftrag des schweizerischen Rechts vergleichbaren<br />

Dienstvertragsrechts i.S.v. §§ 611 ff. BGB. Bei der<br />

Aufl ösung des Dienstvertrages sind die Kündigungsfristen<br />

gemäss § 621 (allgemeine Kündigungsfristen) bzw. gemäss<br />

§ 622 BGB (Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen) zu<br />

beachten, wenn «die Dauer des Dienstverhältnisses weder<br />

bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der<br />

Dienste zu entnehmen» ist (§ 620 Abs. 2 BGB). § 626 BGB<br />

sieht daneben ein jederzeitiges Kündigungsrecht aus wichtigem<br />

Grund vor.<br />

Für «Dienste höherer Art», welche aufgrund eines besonderen<br />

Vertrauensverhältnisses übertragen werden, sieht § 627<br />

BGB sodann zusätzlich ein jederzeitiges fristloses Kündigungsrecht<br />

vor, wenn der zur Dienstleistung Verpfl ichtete<br />

nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit Festbezügen<br />

steht. Dieses Kündigungsrecht wird durch § 627 Abs. 2 BGB<br />

allerdings insofern eingeschränkt, als der Dienstverpfl ichtete<br />

nur in der Art kündigen darf, «dass sich der Dienstberechtigte<br />

die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn,<br />

dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt.<br />

Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er<br />

dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu<br />

ersetzen». Im Ergebnis begründet damit das deutsche Dienstvertragsrecht<br />

für die typischen Dienstleistungen der freien<br />

Berufe wie etwa der Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater,<br />

Wirtschaftsprüfer oder der Privatlehrer die gleiche Lösung,<br />

wie sie Art. 404 OR im schweizerischen Recht vorsieht. Der<br />

Unterschied liegt indes darin, dass § 627 BGB nach einhel-<br />

55 M.w.H. Palandt/Sprau (FN 54), § 671 N 2.<br />

56 Vgl. die Nachweise bei Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.<br />

57 Vgl. aber für entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge § 675<br />

Abs. 1 BGB, wonach für den Fall, dass dem Verpfl ichteten das<br />

Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen,<br />

die Vorschrift von § 671 Abs. 2 BGB entsprechend angewendet<br />

wird.<br />

Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

liger Auffassung dispositiver Natur ist 58 . Begründet wird dies<br />

dadurch, dass den Vertragspartnern immer noch das Recht<br />

zur ausserordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem<br />

Grund bliebe 59 .<br />

3.2 Österreich<br />

Im österreichischen Recht entspricht Art. 404 OR den<br />

§§ 1020 und 1021 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches<br />

(ABGB), welche zwischen dem Widerrufsrecht des<br />

Geschäftsherrn (§ 1020) und dem Kündigungsrecht des Beauftragten<br />

(§ 1021) unterscheiden.<br />

Nach § 1020 ABGB kann der Auftraggeber die Vollmacht<br />

nach Belieben widerrufen. Allerdings muss er dem Beauftragten<br />

nicht nur «die in der Zwischenzeit gehabten Kosten<br />

und den sonst erlittenen Schaden ersetzen, sondern auch<br />

einen der Bemühung angemessenen Teil der Belohnung<br />

entrichten». Dieses Widerrufsrecht wird insofern als dispositiv<br />

erachtet, als seine Ausübung im Rahmen der «Guten<br />

Sitten» an Fristen und/oder Termine sowie an das Vorliegen<br />

bestimmter Gründe gebunden werden kann. Stets gewahrt<br />

bleibt indessen das ausserordentliche Widerrufsrecht des Geschäftsherrn<br />

aus wichtigem Grund 60 .<br />

Der Auftrag kann nach § 1021 ABGB auch durch den Beauftragten<br />

gekündigt werden. Soweit er den Vertrag aber «vor<br />

Vollendung des ihm insbesondere aufgetragenen, oder vermöge<br />

der allgemeinen Vollmacht angefangenen Geschäftes<br />

aufkündet, so muss er, dafern nicht ein unvorhergesehenes<br />

und unvermeidliches Hindernis eingetreten ist, allen daraus<br />

entstandenen Schaden ersetzen». Daraus wird gemeinhin<br />

geschlossen, dass der Beauftragte im Unterschied zum Auftraggeber<br />

nicht berechtigt ist, den Auftrag jederzeit nach Belieben<br />

folgenlos zu kündigen. Wenn kein unvorhergesehenes<br />

und unvermeidliches Hindernis vorliegt, stellt die einseitige<br />

Vertragsaufl ösung folglich eine Vertragsverletzung dar, die<br />

zwar keinen Erfüllungsanspruch begründet, wohl aber Schadenersatzfolgen<br />

zeitigt 61 . § 1021 ABGB gilt indessen – ebenso<br />

wie § 1020 ABGB – als dispositiv. Die Vertragsparteien<br />

können deshalb ein jederzeitiges freies Kündigungsrecht des<br />

Beauftragten vorsehen. Umgekehrt können bei befristeten<br />

und unbefristeten Daueraufträgen Kündigungsfristen und<br />

Kündigungstermine oder auch Kündigungsgründe vereinbart<br />

werden. Bei unbefristeten Aufträgen können die Parteien<br />

überdies den Ausschluss der grundlosen Kündigung vorsehen.<br />

Beschränkt wird die Dispositionsfreiheit der Parteien<br />

durch die «Gute-Sitten-Klausel» 62 .<br />

58 Statt vieler: Walter Weidenkaff, in: Otto Palandt (Hrsg.),<br />

Bürgerliches Gesetzbuch, 67. A., München 2009, § 627 N 5.<br />

59 Vgl. zum Ganzen auch Fellmann (FN 31), Art. 404 OR<br />

N 127 ff.<br />

60 Vgl. die Nachweise bei Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.<br />

61 M.w.H. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.<br />

62 M.w.H. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 298 10.3.2009 9:12:10 Uhr


Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz<br />

3.3 Frankreich<br />

Das französische Recht erlaubt dem Auftraggeber grundsätzlich,<br />

den Auftrag jederzeit zu widerrufen (Art. 2004 des<br />

Code civil français [CCfr.]). Dabei gilt nach Art. 2006 CCfr.<br />

als Widerruf bereits die Mitteilung an den Beauftragten, es<br />

sei in der betreffenden Angelegenheit ein neuer «mandataire»<br />

ernannt worden. Nach französischer Rechtspraxis ist<br />

Art. 2004 CCfr. dispositiver Natur; entsprechend wird der<br />

Verzicht auf den freien Widerruf oder die Vereinbarung einer<br />

Konventionalstrafe als zulässig erachtet 63 . Vorbehalten bleibt<br />

indessen das Widerrufsrecht aus wichtigem Grund 64 .<br />

Der Mandatar kann das Mandat in jedem Fall kündigen,<br />

wird jedoch gemäss Art. 2007 Abs. 2 CCfr. schadenersatzpfl<br />

ichtig.<br />

3.4 Italien<br />

Auch der italienische Codice civile (CCit.) differenziert zwischen<br />

dem Widerrufsrecht des Auftraggebers und dem Kündigungsrecht<br />

des Beauftragten.<br />

Nach Art. 1723 Abs. 1 CCit. kann der Auftraggeber den<br />

Auftrag jederzeit widerrufen. Er wird dem Beauftragten<br />

gegenüber jedoch schadenersatzpfl ichtig, wenn Unwiderrufl<br />

ichkeit vereinbart worden ist und für den Widerruf kein<br />

wichtiger Grund vorliegt. Ist der Auftrag indessen auch im<br />

Interesse des Beauftragten oder Dritter eingegangen worden,<br />

führt der Widerruf gemäss Art. 1723 Abs. 2 CCit. nicht zum<br />

Erlöschen des Auftrages, es sei denn, es liege eine abweichende<br />

vertragliche Vereinbarung oder ein berechtigter Widerrufsgrund<br />

vor.<br />

Für entgeltliche Aufträge sieht Art. 1725 CCit. sodann<br />

eine Sonderregelung vor: Wurde der Auftrag für eine bestimmte<br />

Zeit oder für ein bestimmtes Geschäft erteilt, trifft<br />

den Auftraggeber gemäss Abs. 1 eine Schadenersatzpfl icht,<br />

wenn der Widerruf vor Ablauf der vereinbarten Zeit oder vor<br />

Abschluss des Geschäfts erfolgt. Der Auftrag kann in diesem<br />

Fall nur widerrufen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.<br />

Bei auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Aufträgen<br />

tritt die Schadenersatzpfl icht gemäss Abs. 2 hingegen nur<br />

dann ein, wenn der Widerruf ohne angemessene Vorankündigungsfrist<br />

erfolgt und für den Widerruf kein berechtigter<br />

Grund angerufen werden kann.<br />

Art. 1727 Abs. 1 CCit. statuiert sodann für den Beauftragten<br />

eine Schadenersatzpfl icht, wenn die Kündigung ohne berechtigten<br />

Grund erfolgt. Bei unbefristeten Aufträgen macht<br />

sich der Beauftragte indessen nur dann schadenersatzpfl ichtig,<br />

wenn er – bei Kündigung ohne wichtigen Grund – eine<br />

angemessene Vorankündigungsfrist nicht einhält. Art. 1727<br />

Abs. 2 CCit. beschränkt das Kündigungsrecht schliesslich<br />

in jedem Falle insofern, als der Beauftragte den Auftrag nur<br />

63 Vgl. Georges Wiederkehr et al. (Hrsg.), Code Civil, 1<strong>03</strong>. A.,<br />

Paris 2004, Art. 2004 CC N 6 ff.<br />

64 M.w.H. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

auf solche Art und Weise und zu einer solchen Zeit kündigen<br />

kann, dass der Auftraggeber anderweitig Vorsorge treffen<br />

kann.<br />

4. Art. 404 sollte nur auf typische Aufträge<br />

zwingend angewendet werden<br />

Die bundesgerichtliche Rechtsprechung begründet das<br />

zwingende Widerrufs- und Kündigungsrecht nach Art. 404<br />

OR für sämtliche Auftragsverhältnisse mit der «besonderen<br />

Vertrauensstellung» des Beauftragten. Ein besonderes Vertrauensverhältnis<br />

liegt allerdings nur den «typischen» Auftragsverhältnissen<br />

(so z.B. mit Ärzten, Rechtsanwälten oder<br />

Treuhändern) zugrunde. Demgegenüber wird in einer modernen<br />

Dienstleistungsgesellschaft bei vielen «atypischen» Aufträgen<br />

kein besonderes Vertrauensverhältnis vorausgesetzt:<br />

Oft sind die geschuldeten Dienstleistungen bei solchen Aufträgen<br />

weitgehend standardisiert und die Leistungserbringer<br />

austauschbar (man denke etwa an IT-Dienstleistungsverträge).<br />

Im Vordergrund steht dabei nicht das Vertrauen in die<br />

Person der Gegenpartei, sondern das Vertrauen, dass die Gegenpartei<br />

die Dienstleistung effektiv während der bindenden<br />

Vertragsdauer erbringen wird.<br />

Die Regelung von Art. 404 Abs. 2 OR, welche die zur<br />

Unzeit zurücktretende Partei zu Schadenersatz verpfl ichtet,<br />

gewährt keinen tauglichen Ausgleich für die fehlende zeitliche<br />

Bindungswirkung: In der Dienstleistungsgesellschaft<br />

vertraut der Auftraggeber darauf, dass er die Dienstleistung<br />

erhält. Bleibt die Dienstleistung aus, kann er seinerseits nicht<br />

produzieren, erleidet er Imageverluste gegenüber seinen<br />

Kunden usw. Um Schadenersatz zu erhalten, müsste er in<br />

einem Zivilprozess den (oft schwer zu beweisenden) Schaden,<br />

den adäquaten Kausalzusammenhang und die «Unzeit»<br />

der Kündigung beweisen. Da Schadenersatzprozesse notorisch<br />

zeit- und kostenintensiv sind und die Erfolgsaussichten<br />

schwer zu schätzen sind, sehen die geschädigten Parteien oft<br />

von der Geltendmachung von Schadenersatz ab und erhalten<br />

keinen Ausgleich für den erlittenen Schaden.<br />

Die breite, zwingende Anwendung von Art. 404 OR birgt<br />

ein erhebliches Missbrauchspotential: Nicht selten wird ein<br />

Auftragsverhältnis gestützt auf Art. 404 OR aufgelöst, weil<br />

der Auftrag für die kündigende Partei wirtschaftlich uninteressant<br />

geworden ist, und nicht etwa weil das Vertrauensverhältnis<br />

gestört wäre. Rechtlich unkundige (ausländische)<br />

Parteien schliessen nicht selten langfristige «atypische» Aufträge<br />

im Vertrauen darauf, dass die fragliche Dienstleistung<br />

für die gesamte Vertragsdauer erbracht wird, und werden<br />

dann damit überrascht, dass ihr Vertragspartner ohne Konsequenzen<br />

den Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen kann.<br />

Die breite zwingende Anwendung von Art. 404 OR auf<br />

alle Aufträge ist somit ein Fremdkörper des ansonsten sehr<br />

liberalen schweizerischen Vertragsrecht und führt dazu, dass<br />

das schweizerische Recht gerade für Dienstleistungsverträge<br />

unattraktiv wird.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 299 10.3.2009 9:12:11 Uhr<br />

299


300<br />

Die Versuche der kantonalen Gerichte, die zu beurteilenden<br />

Verträge als Innominatverträge zu qualifi zieren und so<br />

dem breiten Anwendungsbereich von Art. 404 OR gemäss<br />

obiger Bundesgerichtspraxis zu entziehen, haben zwar in<br />

Einzelfällen zu sachgerechten Resultaten geführt, schaffen<br />

aber keine Rechtssicherheit, so lange das Bundesgericht an<br />

der breiten zwingenden Anwendung von Art. 404 OR festhält.<br />

Das Bundesgericht hätte es in der Hand, Art. 404 OR<br />

nur auf «typische Aufträge» zwingend anzuwenden. Dem<br />

Wortlaut von Art. 404 OR ist nicht zu entnehmen, dass diese<br />

Bestimmung zwingend angewendet werden muss. Eine<br />

zwingende Anwendung von Art. 404 OR ist nur dann gerechtfertigt,<br />

wenn aufgrund des effektiv bestehenden besonderen<br />

Vertrauensverhältnisses eine zeitliche Bindung die<br />

Persönlichkeitsrechte (Art. 27 ZGB) der betreffenden Partei<br />

verletzen würde, oder wenn der Auftrag unentgeltlich ist. In<br />

allen übrigen Fällen ist kein Schutzbedürfnis auszumachen.<br />

Es ist nicht einzusehen, weshalb juristische Personen für IT-<br />

Verträge, Outsourcing-Verträge usw. keine ihren Bedürfnissen<br />

angepasste Bestimmungen über Vertragsdauer und Kündigungsfristen<br />

vereinbaren sollen. Eine breite zwingende<br />

Anwendung von Art. 404 OR ist somit durch die ratio legis<br />

keineswegs geboten.<br />

Art. 404 OR wäre nach der hier vertretenen Meinung dahingehend<br />

restriktiv anzuwenden, dass Aufträge nur dann<br />

zwingend jederzeit frei widerrufen bzw. gekündigt werden<br />

sollen, wenn sie unentgeltlich sind oder wenn ihnen (wie<br />

bei Verträgen mit Ärzten, Anwälten und Treuhändern) ein<br />

besonderes persönlichkeitsbezogenes Vertrauensverhältnis<br />

zugrunde liegt. Bei den übrigen Auftragsverhältnissen sollen<br />

die Parteien frei sein, eine bindende Vertragsdauer oder<br />

Kündigungsfrist zu vereinbaren, wobei wie bei allen Dauerschuldverhältnissen<br />

eine Kündigung aus wichtigem Grund<br />

möglich wäre. Eine derartige Auslegung von Art. 404 OR,<br />

die mit dessen Wortlaut durchaus vereinbar ist, würde den<br />

Dienstleistungsstandort Schweiz stärken und der «Flucht aus<br />

dem Auftragsrecht», die sich zunehmend zu einer Flucht aus<br />

dem schweizerischen Recht entwickelt, ein Ende setzen. Der<br />

internationale Standortwettbewerb wird in der globalisierten<br />

Gegenwart immer härter; die dargelegte unnötige Selbstbenachteiligung<br />

allein aus – u.E. unzutreffenden – dogmatischen<br />

Überlegungen sollte deshalb dringend behoben werden.<br />

Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Dans une jurisprudence constante, le Tribunal fédéral considère<br />

que l’art. 404 CO a un caractère impératif pour tous les<br />

mandats en raison de la relation de confi ance particulière qui<br />

s’établit entre les parties au mandat. La jurisprudence cantonale<br />

tente de s’écarter du vaste champ d’application de l’art. 404<br />

CO en qualifi ant les contrats qu’elle a à juger de contrats sui<br />

generis ou de contrats mixtes. La jurisprudence du Tribunal<br />

fédéral fait l’objet de vives critiques dans la littérature.<br />

Selon l’opinion présentée ici, il conviendrait d’appliquer<br />

l’art. 404 CO de manière restrictive, en ce sens que les mandats<br />

ne pourraient impérativement être révoqués ou répudiés<br />

librement et en tout temps que s’ils sont gratuits ou s’ils reposent<br />

sur une relation de confi ance spéciale de caractère personnel<br />

(comme dans les contrats avec les médecins, avocats<br />

et agents fi duciaires). Pour les autres mandats (comme p. ex.<br />

les contrats IT), les parties doivent être libres de convenir de<br />

manière contraignante de la durée du contrat ou du délai de<br />

résiliation. Une telle interprétation de l’art. 404 CO, tout à fait<br />

compatible avec sa teneur, renforcerait la Suisse comme lieu<br />

de prestations de service et mettrait un terme à la «fuite hors<br />

du droit du mandat» qui devient de plus en plus une fuite hors<br />

du droit suisse.<br />

(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 300 10.3.2009 9:12:11 Uhr


DANIEL TRACHSEL<br />

Dr. iur., Rechtsanwalt und<br />

Mediator, Zürich<br />

Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

«Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat»:<br />

Taugliches Instrument familienrechtlichen<br />

Risikomanagements?<br />

MARGHERITA BORTOLANI-<br />

SLONGO<br />

lic. iur., Rechtsanwältin und<br />

Mediatorin, Zürich<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Einleitung<br />

2. Begriff und Zweck der «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat»<br />

3. Allgemeine Überlegungen zur Tragweite von Scheidungsvereinbarungen<br />

auf Vorrat<br />

4. Vorausvereinbarungen über die Aufhebung des gemeinsamen<br />

Haushaltes und die Aufl ösung der Ehe (Trennungs- und Scheidungspunkt)<br />

4.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

4.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit<br />

4.3 Rechtswahl<br />

5. Vorausvereinbarungen über die Kinder (Sorgerecht und<br />

persönlicher Verkehr)<br />

5.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

5.2 Zuständigkeit und Rechtswahl<br />

6. Vorausvereinbarungen bezüglich der ehelichen Wohnung<br />

6.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

6.1.1 Im Bereich von Art. 169 ZGB<br />

6.1.2 Im Bereich des Eheschutzes<br />

6.1.3 Bei Scheidung<br />

6.1.4 Zum Stellenwert ehevertraglicher oder sachenrechtlicher<br />

Dispositionen betreffend der Familien- bzw.<br />

ehelichen Wohnung<br />

6.2 Zuständigkeit<br />

6.3 Rechtswahl<br />

7. Vorausvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Vorsorgeausgleich<br />

nach Art. 122 ff. ZGB<br />

7.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

7.2. Zuständigkeit<br />

7.3 Rechtswahl<br />

8. Vorausvereinbarungen güterrechtlicher Art<br />

8.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

8.1.1 Eheverträge<br />

8.1.2 Vereinbarungen über die güterrechtliche Auseinandersetzung<br />

8.1.3 Verfahrenstechnische Aspekte<br />

8.1.4 Rechtsgeschäfte zur Milderung einer den einen<br />

Ehegatten benachteiligenden güterrechtlichen<br />

Disposition<br />

8.2 Vereinbarungen zur Rechtswahl und zur Zuständigkeit<br />

8.2.1 Zur Rechtswahl<br />

8.2.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit<br />

9. Vorausvereinbarungen mit erbrechtlichem Charakter<br />

9.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

9.2 Zuständigkeit und Rechtswahl<br />

10. Vorausvereinbarungen über den ehelichen (insbesondere den<br />

Trennungs-) Unterhalt<br />

10.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

10.1.1 Vereinbarungen über die Beiträge der Ehegatten<br />

an den Unterhalt der Familie (Art. 163 ZGB)<br />

10.1.2 Vereinbarungen über die Geldbeiträge, die der<br />

eine Ehegatte dem anderen schuldet (Art. 173<br />

Abs. 1, 176 Abs. 1 Ziff. 1, 137 Abs. 2 ZGB)<br />

10.2 Rechtswahl<br />

10.3 Gerichtsstands- und Schiedsverein barungen<br />

10.3.1 Im Rahmen des IPRG<br />

10.3.2 Im Bereich des LugÜ<br />

11. Vorausvereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt<br />

11.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

11.2 Zuständigkeit<br />

11.3 Rechtswahl<br />

12. Das Rechtsmissbrauchverbot als Rettungsanker der Vorausvereinbarungen?<br />

13. Ausweichen auf eine dem Gericht nicht vorgelegte Zusatzvereinbarung<br />

als Ausweg?<br />

14. Sich gegenseitig bedingende ehe-, erbvertragliche und scheidungsrechtliche<br />

Abmachungen als Lösung?<br />

15. «Ehe light» – vertragliche Gestaltung einer nichtehelichen<br />

Gemeinschaft als Alternative?<br />

16. Ergebnis<br />

17. Formulierungsvorschläge für Scheidungskonventionen<br />

auf Vorrat<br />

1. Einleitung<br />

Seit Jahren werden in der Schweiz jährlich mehr als 20 000<br />

Ehen geschieden. In grossstädtischen Verhältnissen liegt die<br />

Scheidungsquote (im Verhältnis zu den in einem Kalenderjahr<br />

eingegangen neuen Ehen zu den Scheidungen im jeweiligen<br />

Jahr) bei 50 Prozent. Die «klassische» ehe- und erbrechtliche<br />

Planung, die an die «reguläre» Aufl ösung der Ehe<br />

durch den Tod anknüpft, erweist sich damit zunehmend als<br />

ergänzungsbedürftig: Eine Scheidung und die Scheidungsfolgen<br />

beeinfl ussen vermehrt den Lebensentwurf. In der<br />

Schweiz wird seit längerem über das Thema Scheidungsplanung<br />

kontrovers diskutiert 1 , und in der täglichen Beratungs-<br />

1 Vgl. dazu die Hinweise bei Heinz Hausheer/Daniel Steck,<br />

Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen – mehr Privatautonomie<br />

bei verstärkter Inhaltskontrolle ein dringendes Reformanliegen?,<br />

ZBJV 2008, 922 ff.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 301 10.3.2009 9:12:11 Uhr<br />

301


302<br />

Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />

praxis ist vermehrt das Bedürfnis festzustellen, den ökonomischen<br />

Folgen einer allfälligen späteren Scheidung schon<br />

bei der Eheschliessung Beachtung zu schenken und diese,<br />

wenn immer möglich, im Voraus vertraglich zu regeln. Dieser<br />

Wunsch besteht vor allem in so genannt «gehobenen Verhältnissen»<br />

mit einem erheblichen fi nanziellen Spielraum,<br />

wobei – so unsere Beobachtung – es weniger darum geht, die<br />

wirtschaftlich schwächere Seite zu benachteiligen (obwohl<br />

auch dies ein Motiv sein kann), als darum, den «worst case»<br />

berechenbar zu machen. Es ist deshalb sicher zutreffend, von<br />

einem eigentlichen Bedürfnis nach «familienrechtlichem Risikomanagement»<br />

zu sprechen.<br />

Diese Arbeit versucht, den Gestaltungsspielraum auszuloten<br />

und – im Sinne von Hinweisen zweier Praktiker für<br />

Praktikerinnen – konkrete, auf die neuere Literatur und herrschende<br />

Lehre abgestützte Handlungsanleitungen und Formulierungsvorschläge<br />

zu entsprechenden Vereinbarungen zu<br />

liefern. Die Globalisierung und die Personenfreizügigkeit im<br />

Rahmen der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und<br />

der EU führen vermehrt zu internationalen Verhältnissen im<br />

Familienrecht: Seit Jahren haben bei knapp der Hälfte aller in<br />

der Schweiz geschlossenen Ehen beide oder mindestens ein<br />

Ehegatte eine ausländische Staatsangehörigkeit. 2 Aufgrund<br />

der generellen Zunahme der Mobilität sind Wohnsitzverlegungen<br />

ins Ausland oder vom Ausland in die Schweiz immer<br />

häufi ger zu beobachten. Dies legt es nahe, nachfolgend auch<br />

die einschlägigen Gesichtspunkte des internationalen Privat-<br />

und Zivilprozessrechtes, die sich im Hinblick auf eine Ausweitung<br />

des Gestaltungsspielraumes als fruchtbar erweisen,<br />

in die Überlegungen einzubeziehen.<br />

2. Begriff und Zweck der «Scheidungsvereinbarung<br />

auf Vorrat»<br />

2.1 Unter einer «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat» wird<br />

hier eine vor oder nach der Heirat ohne konkreten Scheidungshorizont<br />

zum Voraus in den dafür gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Formen abgeschlossene rechtsgeschäftliche<br />

Abmachung verstanden, mit der – nebst allfälligen ehe- und/<br />

oder erbvertraglichen Dispositionen – die gesetzlich vorgesehene<br />

Regelung der scheidungsrechtlichen Nebenfolgen im<br />

Hinblick auf eine Scheidung im In- oder Ausland konkretisiert,<br />

modifi ziert oder ersetzt werden soll. 3<br />

2 Quelle: Bundesamt für Statistik: Scheidungen nach Staatsangehörigkeit<br />

vor der Heirat und nach Zahl der unmündigen Kinder,<br />

1960–2007, 01/06/blank/key/06/06.Document.20619.xls>.<br />

3 Vgl. auch Philippe Meier, Planifi cation du divorce: une illusion?<br />

Les conventions anticipées d’entretien en droit suisse, in:<br />

Denis Piotet/Denis Tappy (édit.), Recueil de travaux à l’honneur<br />

du Professeur Suzette Sandoz, Genève/Zurich/Bâle 2006, 290;<br />

Maurice Courvoisier, Voreheliche und eheliche Scheidungsfolgenvereinbarungen<br />

– Zulässigkeit und Gültigkeitsvoraussetzungen,<br />

Eine rechtsvergleichende Studie unter Berücksich-<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

2.2 Soweit sich eine Partei an eine solche Vereinbarung später<br />

nicht mehr gebunden fühlen sollte, ist deren Verbindlichkeit<br />

in einem diesfalls stattfi ndenden gerichtlichen Verfahren<br />

(bei dem es sich entweder um ein Eheschutz- oder ein<br />

Scheidungsverfahren handelt) möglichst zu gewährleisten.<br />

Es wird mithin – als ganz zentrales Element – regelmässig<br />

volle Bindungswirkung angestrebt.<br />

3. Allgemeine Überlegungen zur<br />

Tragweite von Scheidungsvereinbarungen<br />

auf Vorrat<br />

3.1 Dass eine Scheidungsvereinbarung bereits vor der Heirat<br />

abgeschlossen werden kann, ergibt sich aus dem allgemeinen<br />

Prinzip der Vertragsfreiheit; für die Zeit nach der Eheschliessung<br />

steht es den Ehegatten nach Art. 168 ZGB und<br />

gemäss der herrschenden Lehre4 ohne weiteres frei, im Rahmen<br />

der gesetzlichen Schranken beliebige Rechtsgeschäfte<br />

miteinander abzuschliessen. Auch das Bundesgericht geht in<br />

BGE 121 III 393 ff. von der selbstverständlichen generellen<br />

Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen aus.<br />

3.2 Welchen Stellenwert hat die «Scheidungsvereinbarung<br />

auf Vorrat» bezüglich des nachehelichen Unterhaltes, wenn<br />

sie dem Gericht vorgelegt wird?<br />

3.2.1 Unter der Bedingung, dass die Scheidung ausgesprochen<br />

und die Vereinbarung der Ehegatten genehmigt wurde,<br />

hatte eine Vereinbarung der Ehegatten über den nachehelichen<br />

Unterhalt unter dem Scheidungsrecht von 1907/1912<br />

entsprechend den allgemeinen Regeln des Vertragsrechtes<br />

grundsätzlich bindende Wirkung. Der einseitige Widerruf der<br />

Vereinbarung durch eine scheidungswillige Partei war demzufolge<br />

unzulässig. Die Bindungswirkung entfi el nur dann,<br />

wenn ein Ehegatte das Scheidungsbegehren zurückzog, der<br />

beklagte Ehegatte die Zustimmung zur Scheidung widerrief<br />

oder eine Partei mit Erfolg entweder die Nichtgenehmigung<br />

der Vereinbarung beantragte oder sich erfolgreich auf einen<br />

Willensmangel berufen konnte. 5<br />

3.2.2 Dies änderte sich mit Inkrafttreten des Scheidungsrechts<br />

von 1998/2000 wesentlich, weil ein Ehegatte die<br />

Scheidungskonvention nun trotz der vorbestehenden vertraglichen<br />

Bindung durch die blosse (ausdrückliche oder<br />

stillschweigende) Verweigerung der Bestätigung gemäss<br />

Art. 111 Abs. 2 ZGB zu Fall bringen kann.<br />

tigung des US-amerikanischen und schweizerischen Rechts;<br />

Juristische Fakultät der Universität Basel, Schriftenreihe für Internationales<br />

Recht, Bd. 99, Basel 2002, 5.<br />

4 Vgl. die Nachweise bei Ingeborg Schwenzer, Grenzen der<br />

Vertragsfreiheit in Scheidungskonventionen und Eheverträgen,<br />

FamPra.ch 2005, 6 m.w.H.<br />

5 Vgl. Hausheer/Steck (FN 1), 940.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 302 10.3.2009 9:12:12 Uhr


Die Scheidungsvereinbarung ist ein familienrechtlicher<br />

Vertrag sui generis. 6 Sie kann allein nach den bundesrechtlichen<br />

Verfahrensbestimmungen von Art. 111 ff. ZGB zustande<br />

kommen und bedarf zu ihrer Rechtsgültigkeit der gerichtlichen<br />

Genehmigung im Urteil über die Aufl ösung der Ehe.<br />

3.2.3 Die Bindungswirkung von Scheidungsvereinbarungen<br />

variiert je nach Zeitpunkt und Verfahren, in dem sie abgeschlossen<br />

worden sind:<br />

Eine während eines Klageverfahrens gemäss Art. 114 bzw.<br />

115 ZGB oder strittigen Nebenfolgenprozesses im Sinne<br />

von Art. 112 ZGB abgeschlossene Vereinbarung kann<br />

nicht einseitig widerrufen werden, sondern sie entfaltet<br />

vielmehr unmittelbar mit ihrem Abschluss Bindungswirkung.<br />

Sie unterliegt keiner zweimonatigen Bedenkfrist. 7<br />

Eine Scheidungsvereinbarung auf Vorrat wird per defi nitionem<br />

vor einem strittigen Verfahren abgeschlossen, und<br />

kann deshalb an dieser Bindungswirkung nicht teilhaben.<br />

Wird eine zum Voraus abgeschlossene Konvention im Rahmen<br />

einer Streitscheidung nach Art. 114/115 ZGB eingereicht<br />

und entsteht mit Bezug auf die Scheidung als solche<br />

nachträgliche Einigkeit, so fi ndet gemäss Art. 116 ZGB<br />

das Verfahren betreffend die Scheidung auf gemeinsames<br />

Begehren sinngemäss Anwendung. Gemäss dem Bundesgerichtsentscheid<br />

vom 14. Juli 2005 (5C.270/2004, E. 3.2)<br />

soll sich diesfalls die Bedenkfi rst nach Art. 111 ZGB nur<br />

dann auf die Scheidungsfolgenvereinbarung beziehen,<br />

wenn diese gemeinsam eingereicht oder wenigstens ihre<br />

gerichtliche Genehmigung gemeinsam beantragt wird.<br />

Soweit die Scheidungsfolgenvereinbarung aber strittig<br />

ist, bleibt sie bindend und kann nicht widerrufen werden,<br />

weil – so das Bundesgericht – nach Art. 112 Abs. 2 ZGB<br />

die Bedenkfrist nur auf die Scheidungsfolgen anwendbar<br />

sei, über die Einigkeit besteht. 8 –<br />

–<br />

Jedenfalls kann aus dieser<br />

eher singulären Fallkonstellation in grundsätzlicher Hinsicht<br />

nichts zugunsten von Scheidungsvereinbarungen auf<br />

Vorrat abgeleitet werden.<br />

Es wird deshalb in aller Regel dabei bleiben, dass sich die<br />

Bindungswirkungen einer «Scheidungsvereinbarung auf<br />

Vorrat» an den Kriterien wird messen lassen müssen, die allgemein<br />

für Vereinbarungen im Verfahren auf gemeinsames<br />

Begehren gelten. Die insoweit geltenden bundesrechtlichen<br />

Verfahrensbestimmungen von Art. 111 ff. ZGB können<br />

rechtsgeschäftlich nicht modifi ziert werden.<br />

6 Daniel Steck, Gedanken zur Rechtsnatur der Scheidungskonvention<br />

im neuen Scheidungsrecht, in: Andreas Donatsch et al.<br />

(Hrsg.), Festschrift 125 Jahre Kassationsgericht des Kantons<br />

Zürich, Zürich 2000, 557 f.; Marion Jakob, Die Scheidungskonvention,<br />

Diss. St. Gallen, Zürich 2008, 113 ff.<br />

7 Alexandra Rumo-Jungo, Reformbedürftiges Scheidungsrecht:<br />

ausgewählte Fragen, in: Alexandra Rumo-Jungo/Pascal<br />

Pichonnaz (Hrsg.), Scheidungsrecht: Aktuelle Probleme und<br />

Reformbedarf, Zürich/Basel/Genf 2008, 11 m.w.H.<br />

8 Diese Praxis ist zu Recht kritisiert worden; vgl. Rumo-Jungo<br />

(FN 7), 12 f.; Hausheer/Steck (FN 1), 17.<br />

Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

3.2.4 Bei der Scheidung auf gemeinsames Begehren mit<br />

umfassender Einigung nach Art. 111 ZGB sind drei Phasen<br />

zu unterscheiden: 9<br />

Erste Phase: Nach erfolgter Anhörung und während laufender<br />

Bedenkfrist kann eine Partei die Vereinbarung einseitig<br />

widerrufen oder sie nach Ablauf der Bedenkzeit nicht<br />

bestätigen; insoweit fehlt jede vertragliche Bindung, und<br />

dies unabhängig davon, ob die Konvention lange zum Voraus<br />

oder erst im Vorfeld einer konkreten Scheidung abgeschlossen<br />

wurde. 10<br />

Zweite Phase: Nach erfolgter Bestätigung durch die Ehegatten<br />

– aber vor der im Scheidungsurteil zu erfolgenden gerichtlichen<br />

Genehmigung – besteht Bindungswirkung zwischen<br />

den Parteien; es kann nur noch die Nichtgenehmigung<br />

verlangt werden (ist dies ausnahmsweise der Fall, so kann<br />

das Gericht auch gegen den Willen einer Partei die Scheidungsvereinbarung<br />

genehmigen und die Scheidung aussprechen).<br />

Dritte Phase: Nach der gerichtlichen Genehmigung ist<br />

die Scheidungskonvention uneingeschränkt wirksam (vorbehältlich<br />

der erfolgreichen Anfechtung in einem Rechtsmittelverfahren,<br />

in welchem Rahmen auch eine gerichtlich<br />

genehmigte Scheidungskonvention wegen Willensmängeln<br />

angefochten werden kann; vgl. etwa BGE 117 II 218 ff.).<br />

3.3 Nach dem Gesagten hat die «Scheidungsvereinbarung<br />

auf Vorrat» grundsätzlich zwei Hürden zu nehmen: Zum einen<br />

die Bestätigung durch beide Ehegatten im Rahmen des<br />

geltenden Art. 111 Abs. 2 ZGB und zum anderen die gerichtliche<br />

Genehmigung nach Art. 140 ZGB (soweit der scheidungsrechtliche<br />

Vorsorgeausgleich in Frage steht: gemäss<br />

Art. 141 ZGB). Auch durch die Integration scheidungsrechtlicher<br />

Nebenfolgen (also nachehelicher Unterhalt, Vorsorgeausgleich,<br />

güterrechliche Auseinandersetzung) in einen<br />

Ehevertrag können solche Vereinbarungen der Genehmigung<br />

durch den Scheidungsrichter nicht entzogen werden (BGE<br />

121 III 395).<br />

3.4 Das Gericht darf die Genehmigung der Konvention nur<br />

aus wichtigen Gründen verweigern (BGE 5C.270/2004,<br />

E. 5.1): Wenn diese nicht aus freiem Willen und nach reiflicher<br />

Überlegung geschlossen wurde oder nicht klar ist und<br />

dann, wenn es die Vereinbarung als offensichtlich unangemessen<br />

erachtet. Bei der Prüfung der Angemessenheit ist<br />

«ein Vergleich anzustellen zwischen der Vereinbarung und<br />

dem Entscheid, den das Gericht ohne sie treffen würde». Er-<br />

9 Thomas Geiser, Bedürfen Eheverträge der gerichtlichen Genehmigung?,<br />

in: Thomas Geiser et al. (Hrsg.), Festschrift für<br />

Heinz Hausheer zum 65. Geburtstag, Bern 2002, 221.<br />

10 Sollte die vorgesehene Novelle zu Art. 111 ZGB [vgl. im einzelnen<br />

Rumo-Jungo (FN 7), 13 f.] angenommen werden und<br />

das Erfordernis der Einhaltung der zweimonatigen Bedenkfrist<br />

wegfallen, besteht das einseitige Widerrufsrecht bis nach Abschluss<br />

der Anhörung [welche aus mehreren Sitzungen bestehen<br />

kann].<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 3<strong>03</strong> 10.3.2009 9:12:12 Uhr<br />

3<strong>03</strong>


304<br />

Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />

gibt sich «eine eklatante, sofort erkennbare Differenz», ist<br />

die Genehmigung zu verweigern. 11<br />

Dass die Intensität der gerichtlichen Überprüfung in der<br />

Praxis nicht einheitlich ist, 12 ist zutreffend, ändert indessen<br />

aus unserer Perspektive nichts daran, dass eine Vorausvereinbarung,<br />

die massiv vom normierten Regelfall abweicht (z.B.<br />

einen vollen Unterhaltsverzicht der wirtschaftlich schwächeren<br />

Partei nach langer, lebensprägender Ehe vorsieht)<br />

diese Hürde kaum nehmen würde. Das Genehmigungserfordernis<br />

engt den Planungsspielraum zusätzlich ein.<br />

3.5 Ein erstes Fazit ist einigermassen ernüchternd: Soweit<br />

eine Vorausvereinbarung von beiden Ehegatten bestätigt<br />

wird und sich in dem von Art. 140 und 141 ZGB abgesteckten<br />

Rahmen hält, wird sie zum Inhalt eines Scheidungsurteils<br />

werden können. Soweit die Bestätigung eines Ehegatten im<br />

späteren Scheidungsverfahren aber ausbleibt, ist es der anderen<br />

Partei unbenommen, im dann nach Art. 112 Abs. 3 ZGB<br />

Platz greifenden kontradiktorischen Verfahren eine Gestaltung<br />

der scheidungsrechtlichen Nebenfolgen entsprechend<br />

der nicht bestätigten Vorausvereinbarung zu beantragen. Der<br />

Vereinbarung – da zumindest Ausdruck eines früher einmal<br />

vorhandenen Konsenses – kommt dann allenfalls eine gewisse<br />

präjudizielle Wirkung zu (soweit sich die damaligen<br />

Verhältnisse nicht wesentlich verändert haben); dies ist indessen<br />

eine zu fragile Basis, um darauf verlässlich disponieren<br />

zu können. Nachdem es sich nun nicht (mehr) um eine<br />

«Vereinbarung» im Sinne von Art. 140 ZGB handelt, kann<br />

auch nicht einseitig die Genehmigung verlangt werden. Der<br />

Prüfungsmassstab ist damit nicht mehr die «offensichtliche<br />

Unangemessenheit», sondern das Gericht wird im Sinne von<br />

Art. 112 Abs. 3 ZGB eigenes Recht anwenden, womit in den<br />

meisten Fällen eine ins Gewicht fallende Abweichung vom<br />

Inhalt der Vorausscheidungsvereinbarung vorprogrammiert<br />

sein wird.<br />

3.6 Stellt also das schweizerische Recht – insbesondere<br />

dort, wo andere als besonders gute wirtschaftliche Verhältnisse<br />

vorliegen – keine tauglichen Instrumente für eine<br />

Scheidungsplanung zur Verfügung? So allgemein lässt sich<br />

die Frage nicht beantworten. Bis anhin sind zwar erhebliche<br />

Schwierigkeiten lokalisiert worden; es macht indessen trotzdem<br />

Sinn, in einer differenzierten Betrachtungsweise die<br />

verschiedenen in Frage kommenden Regelungsmaterien je<br />

einzeln daraufhin zu überprüfen, ob es sich dabei um eine<br />

scheidungsrechtliche Nebenfolge (mit Bestätigungs- und<br />

Genehmigungserfordernis) handelt oder um ein anderes<br />

Rechtsgeschäft, dem a) eine vertragliche Bindungswirkung<br />

zukommt und das b) nicht der gerichtlichen Genehmigung<br />

nach Art. 140 ZGB unterliegt.<br />

11 Hausheer/Steck (FN 1), 938 m.w.H. auf Literatur und Rechtssprechung<br />

in Fn. 83.<br />

12 Was auch vielfach kritisiert wird; vgl. Hausheer/Steck<br />

(FN 1), 941 mit Hinweisen in Fn 98.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

3.7 Die nachfolgende Untersuchung (Ziff. 4 ff.) erfolgt für<br />

jeden (im Kontext einer Scheidung einer Vereinbarung zugänglichen)<br />

Regelungsgegenstand aus drei verschiedenen<br />

Blickwinkeln:<br />

1. Kann – bei schweizerischer Zuständigkeit und bei Anwendung<br />

schweizerischen Rechts – mit bindender Wirkung<br />

überhaupt zum Voraus disponiert werden?<br />

2. Sind – zur Vermeidung hiesiger Restriktionen – Vorausvereinbarungen<br />

zur direkten (internationalprivatrechtlichen)<br />

Zuständigkeit oder Schiedsgerichtsvereinbarungen<br />

mit der Folge, dass der Regelungsgegenstand entweder<br />

von einem Schiedsgericht oder einem ausländischen Gericht<br />

beurteilt wird, möglich?<br />

3. Kann zum Voraus ein anderes Recht gewählt werden, das<br />

den Parteien mehr entspricht als das schweizerische?<br />

4. Vorausvereinbarungen über die<br />

Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes<br />

und die Aufl ösung der Ehe<br />

(Trennungs- und Scheidungspunkt)<br />

4.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

Bei Fragen der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes und<br />

der Eheaufl ösung handelt es sich um höchstpersönliche Entscheidungen,<br />

bei denen aufgrund von Art. 27 ZGB von einem<br />

absoluten Bindungsverbot auszugehen ist. 13 Einer Vorausverpfl<br />

ichtung, der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes<br />

oder der Scheidung auf gemeinsames Begehren zuzustimmen,<br />

d.h. auf die Anrufung der Art. 175, 114 und 115 ZGB<br />

zu verzichten, geht mithin jegliche Bindungswirkung ab.<br />

4.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit<br />

4.2.1 Für die direkte internationalprivatrechtliche Scheidungszuständigkeit<br />

existieren weder multi- noch bilaterale<br />

Übereinkommen. 14 Die Zuständigkeitsvorschriften der<br />

Art. 59 ff. IPRG sind zwingend und ausschliesslich; die<br />

Scheidungszuständigkeit ist nicht derogierbar. Soweit bei<br />

Eheschutzmassnahmen personenbezogene Wirkungen in<br />

Frage stehen, sind die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 46<br />

und 47 IPRG nicht derogierbar. 15<br />

13 Heinz Hausheer, Neuere bundesgerichtliche Rechtssprechung<br />

zu Umfang und Grenzen der Privatautonomie im Familienrecht:<br />

insbesondere zu Unterhaltsvereinbarungen ohne<br />

konkreten Scheidungshorizont, zum Vorsorgeausgleich und zur<br />

Wahlfreiheit beim Güterstand, in: ZBJV 2004, 875.<br />

14 Lukas Bopp, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Anton K.<br />

Schnyder/Stephen V. Berti (Hrsg.), Basler Kommentar Internationales<br />

Privatrecht, 2. A., Basel 2007, Art. 59 N 3.<br />

15 Maurice Courvoisier, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter<br />

Vogt/Anton K. Schnyder/Stephen V. Berti (Hrsg.), Basler Kommentar<br />

Internationales Privatrecht, 2. A., Basel 2007, Art. 46<br />

N 25.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 304 10.3.2009 9:12:12 Uhr


4.2.2. Ob binnenstaatlich eine Gerichtsstandsvereinbarung<br />

möglich ist, ist umstritten. Art. 15 Abs. 1 lit. a GestG (für<br />

Eheschutzmassnahmen, inkl. Begehren um Abänderung, Ergänzung<br />

oder Aufhebung von solchen) sowie Art. 15 Abs. 1<br />

lit. b GestG (für Scheidungsklagen, inkl. gemeinsame Scheidungsbegehren<br />

nach Art. 111 und 112 ZGB) begründen einen<br />

ausschliesslichen, zwingenden Gerichtsstand am Wohnsitz<br />

eines Ehegatten. 16 Im Rahmen von Art. 15 Abs. 1 lit. a<br />

und b GestG sollten die Parteien u.E. aber frei sein, eine Gerichtsstandsvereinbarung<br />

abzuschliessen mit der Wirkung,<br />

dass der benachteiligte Ehegatte im Widerhandlungsfalle<br />

unter Berufung auf die Vorausgerichtsstandsvereinbarung<br />

die Unzuständigkeitseinrede erheben könnte. Denn mit Blick<br />

auf teilweise erhebliche Unterschiede in der kantonalen Gerichtspraxis<br />

kann durchaus ein legitimes Bedürfnis bestehen,<br />

den Gerichtsstand zu fi xieren, etwa wie folgt:<br />

«Die Parteien vereinbaren, dass für sämtliche Verfahren im Zusammenhang<br />

mit dieser Vereinbarung, insbesondere für ein Eheschutzverfahren<br />

gemäss Art. 175 ff. ZGB oder ein Scheidungsverfahren<br />

gemäss Art. 111 ff. ZGB, die ordentlichen Gerichte<br />

am letzten gemeinsamen Wohnsitz der Ehegatten zuständig<br />

sind, sofern im Zeitpunkt des Anhängigmachens mindestens ein<br />

Ehegatte weiterhin dort seinen Wohnsitz hat.»<br />

4.3 Rechtswahl<br />

Eine Rechtswahl ist im Bereich des Scheidungs- oder Trennungspunktes<br />

nicht möglich.<br />

5. Vorausvereinbarungen über die<br />

Kinder (Sorgerecht und persönlicher<br />

Verkehr)<br />

5.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

Für sämtliche Kinderbelange gilt die uneingeschränkte Untersuchungsmaxime.<br />

17 Vereinbarungen der Eltern haben sich<br />

am Massstab des Kindeswohls messen zu lassen; auch im<br />

Bereich von Art. 133 Abs. 2 ZGB ist auf elterliche Vereinbarungen<br />

lediglich Rücksicht zu nehmen. 18<br />

Vereinbarungen der Eltern über die Kinderbelange (insbesondere<br />

hinsichtlich gar noch nicht geborener Kinder) fehlt<br />

eine Verbindlichkeit in dem Sinne, dass das Gericht davon<br />

nicht abweichen könnte. Breitschmid weist indessen zu<br />

Recht darauf hin, dass das Gericht im Rahmen der Würdigung,<br />

ob einem Antrag eines Elternteils noch gefolgt wer-<br />

16 Christoph Leuenberger, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter<br />

Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch<br />

I, 3. A., Basel 2006, Art. 135 N 4.<br />

17 Vgl. Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches<br />

vom 15. November 1995, BBl 1996 I 1–227, 123.<br />

18 Schwenzer (FN 4), 3.<br />

Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

den könne, ein früheres (vertraglich festgelegtes) Einvernehmen<br />

der Beteiligten nicht einfach ausser Acht lassen wird.<br />

Es wird diese Vereinbarung vielmehr in die pfl ichtgemässe<br />

Abwägung der Gegebenheiten einzubeziehen haben, und<br />

dies vor allem dann, wenn eine solche Absprache der effektiv<br />

gelebten Elternverantwortung während einer gewissen Zeit<br />

entsprochen hat. 19<br />

Sinnvoll kann die Aufnahme einer Klausel sein, in der sich<br />

die Parteien bereit erklären, für den Fall von Differenzen im<br />

Bereich der Kinderbelange die «guten Dienste» kompetenter<br />

Drittpersonen in Anspruch zu nehmen. 20 Wie bei einer Mediationsklausel<br />

ist die Durchsetzbarkeit indessen fraglich; 21<br />

zudem bleibt die gerichtliche Genehmigung der im Schlichtungsverfahren<br />

erzielten Übereinkunft vorbehalten, widrigenfalls<br />

ihr jegliche Bindungswirkung abgeht.<br />

5.2 Zuständigkeit und Rechtswahl<br />

Die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung oder einer<br />

Rechtswahl besteht im Bereich der Kinderbelange nicht:<br />

Innerhalb des Anwendungsbereiches des Haager Übereinkommens<br />

über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende<br />

Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen<br />

(MSA) ist die Zuständigkeit zur Regelung der<br />

elterlichen Sorge- und Besuchsrechte ausschliesslich und<br />

abschliessend geregelt (Art. 63 Abs. 2 IPRG i.V.m. Art. 1<br />

MSA). Die Primärzuständigkeit knüpft an den gewöhnlichen<br />

Aufenthalt des Kindes an; subsidiär (und bei Vorliegen der<br />

Voraussetzungen des Art. 4 MSA) sind die Heimatbehörden<br />

zuständig. 22<br />

Nach dem neuen Haager Kindesschutzübereinkommen<br />

vom 19. Oktober 1996 (HKsÜ) – das für die Schweiz Mitte<br />

2009 in Kraft treten soll und das MSA ersetzt (Art. 51<br />

HKsÜ) – ändert sich an der primären Zuständigkeit der Gerichte<br />

und Behörden am gewöhnlichen Aufenthaltsort des<br />

Kindes grundsätzlich nichts. Hingegen ergeben sich gestützt<br />

auf Art. 8 f. HKsÜ neuartige Möglichkeiten zur Übertragung<br />

von Kompetenzen an andere Vertragsstaaten. Neu ist auch,<br />

dass das Scheidungsgericht – neben der Behörde am Ort des<br />

gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes – über eine alternative<br />

Zuständigkeit zur Regelung der Kinderbelange verfügt,<br />

wenn die Voraussetzungen von Art. 10 HKsÜ erfüllt sind,<br />

d.h. wenn ein Elternteil zu Beginn des Scheidungsverfahrens<br />

seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Scheidungsstaat «und<br />

ein Elternteil die elterliche Verantwortung für das Kind hat»<br />

(Art. 10 Abs. 1 lit. a HKsÜ), sowie wenn beide Eltern diese<br />

Zuständigkeit anerkennen (bzw. mit ihr einverstanden sind)<br />

19 Peter Breitschmid, «Scheidungsplanung»?, Fragen um<br />

«Scheidungskonventionen auf Vorrat», <strong>AJP</strong>/PJA 1999, 1612.<br />

20 Vgl. dritter Teil der Formulierungsvorschläge, lit. B Ziff. 6.2.<br />

21 ZR 99 (2000) Nr. 29.<br />

22 BSK IPRG-Bopp (FN 14), Art. 63 N 22.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 305 10.3.2009 9:12:12 Uhr<br />

305


306<br />

Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />

und diese dem Kindeswohl entspricht (Art. 10 Abs. 1 lit. b<br />

HKsÜ).<br />

Gemäss Art. 15 HKsÜ wenden die Behörden der Vertragsstaaten<br />

ihr eigenes Recht an, ersatzweise – wenn es zum<br />

Schutz des Kindes oder seines Vermögens erforderlich ist –<br />

das Recht eines anderen Staates.<br />

Diese neuen Aspekte dienen mit Sicherheit dem Erfordernis<br />

der Einheit des Scheidungsurteils und einheitlicher<br />

Rechtsanwendung; die Möglichkeit des Abschlusses weitergehender<br />

Vorausvereinbarungen über die Zuständigkeit<br />

eröffnen sie aber nicht.<br />

6. Vorausvereinbarungen bezüglich der<br />

ehelichen Wohnung<br />

6.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

6.1.1 Im Bereich von Art. 169 ZGB<br />

Gemäss Art. 169 Abs. 1 ZGB kann ein Ehegatte nur mit der<br />

ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag<br />

kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern<br />

oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den<br />

Wohnräumen der Familie beschränken. Kann zum Voraus,<br />

also ohne dass eine konkrete Kündigungs- oder Veräusserungsabsicht<br />

besteht, die verbindliche Zustimmung zu einem<br />

solchen die Rechte an der Familienwohnung betreffenden<br />

Rechtsgeschäft abgegeben werden? Die herrschende Lehre<br />

geht davon aus, dass dies wegen des zwingenden Charakters<br />

des Art. 169 ZGB und des besonderen Normzweckes nicht<br />

möglich ist. Vielmehr ist sie zu jedem genügend konkretisierten<br />

und terminierten Rechtsgeschäft neu und separat erforderlich.<br />

23<br />

6.1.2 Im Bereich des Eheschutzes<br />

Kann zum Voraus darauf verzichtet werden, gemäss Art. 176<br />

Abs. 1 Ziff. 2 ZGB bei einer Aufhebung des gemeinsamen<br />

Haushaltes die Zuweisung der ehelichen Wohnung an sich<br />

selbst zu verlangen? Soweit ein solcher Verzicht ohne konkreten<br />

Trennungshorizont abgegeben wird und sich später<br />

herausstellt, dass er inzwischen veränderten Verhältnissen<br />

– neuen Bedürfnissen und Lebensumständen der Ehegatten<br />

und der Kinder – nicht mehr entspricht, wird er nach der<br />

hier vertretenen Auffassung nicht bindend vereinbart werden<br />

können. Auch wenn die Rechte und Pfl ichten der Ehegat-<br />

23 Ivo Schwander, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas<br />

Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A.,<br />

Basel 2006, Art. 169 N 17 m.w.H; a.M. Andreas Bucher, Die<br />

Wohnung der Familie im neuen Recht, in: Horst Albert Kaufmann/Bruno<br />

Huwiler (Hrsg.), Das neue Ehe- und Erbrecht des<br />

ZGB mit seiner Übergangsordnung, BTJP 1987, 37 ff., 51 f.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

ten – etwa bezüglich der Zuweisung der ehelichen Wohnung<br />

bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes – im Voraus<br />

schriftlich fi xiert worden sind, verliert eine solche Verständigung<br />

den Charakter einer durch den Eheschutzrichter jederzeit<br />

abänderbaren Vereinbarung nicht. 24<br />

6.1.3 Bei Scheidung<br />

Ist ein Ehegatte wegen der Kinder oder aus anderen wichtigen<br />

Gründen auf die Wohnung der Familie angewiesen, so<br />

räumt ihm Art. 121 ZGB die Möglichkeit ein, die Übertragung<br />

der Rechte und Pfl ichten aus dem Mietvertrag oder (gegen<br />

eine angemessene Entschädigung) ein befristetes Wohnrecht<br />

zu verlangen. Auch dieser Anspruch ist zwingend und<br />

kann nicht zum Voraus vertraglich wegbedungen werden. 25<br />

6.1.4 Zum Stellenwert ehevertraglicher oder<br />

sachenrechtlicher Dispositionen betreffend<br />

der Familien- bzw. ehelichen Wohnung<br />

Die Wahl eines Güterstandes und der geeigneten Eigentumsform<br />

(Alleineigentum oder eine Form gemeinschaftlichen<br />

Eigentums, also Miteigentum oder Gesamteigentum infolge<br />

Gütergemeinschaft oder einfacher Gesellschaft) ist die wichtigste<br />

Weichenstellung, um langfristig bezüglich der ehelichen<br />

Wohnung zu disponieren.<br />

6.1.4.1 Steht die eheliche Wohnung im Alleineigentum eines<br />

Ehegatten, entzieht sich eine sachenrechtliche Neuzuordnung<br />

der Kompetenz des Scheidungsgerichtes. Allerdings ist<br />

die Immobilie nicht davor geschützt, Objekt von Massnahmen<br />

im Sinne der Art. 121, 169 und 176 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB<br />

zu werden.<br />

6.1.4.2 Steht die eheliche Wohnung im Mit- oder Gesamteigentum,<br />

so kann ein Ehegatte im Rahmen der güterrechtlichen<br />

Auseinandersetzung bei Nachweis eines überwiegenden Interesses<br />

verlangen, dass ihm die eheliche Wohnung gegen<br />

Entschädigung des andern Ehegatten umgeteilt zugewiesen<br />

wird (Art. 205 Abs. 2 ZGB). Analoge Bestimmungen fi nden<br />

sich im Bereich der Gütergemeinschaft (Art. 244 Abs. 3<br />

ZGB, welche ihrerseits einen Anwendungsfall von Art. 245<br />

ZGB darstellt) und der Gütertrennung (Art. 251 ZGB).<br />

Beim Zuweisungsanspruch gemäss Art. 205 ZGB handelt<br />

es sich um dispositives Recht, auf das die Ehegatten bei einer<br />

bereits bestehenden Form gemeinschaftlichen Eigentums<br />

zum Voraus verzichten können. 26 Ein solcher Verzicht be-<br />

24 Verena Bräm/Franz Hasenböhler, Kommentar zum<br />

Schweizerischen Zivilrecht, 2. Bd., 3. A., Zürich 1998, Art. 176<br />

ZGB N 10 f.<br />

25 Urs Gloor, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas<br />

Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A.,<br />

Basel 2006, Art. 121 N 3.<br />

26 Heinz Hausheer/Regina e. Aebi-Müller, in: Heinrich Honsell/Nedim<br />

Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar<br />

Zivilgesetzbuch I, 3. A., Basel 2006, Art. 205 N 21.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 306 10.3.2009 9:12:13 Uhr


darf – da er keine Abänderung des Güterstandes bedeutet –<br />

nicht der Form des Ehevertrages. 27 Demgegenüber ist ein<br />

Verzicht gegenüber allem erst inskünftig zu begründendem<br />

Mit- oder Gesamteigentum nicht möglich, weil eine unzulässige<br />

Änderung der Errungenschaftsbeteiligung darstellend<br />

(a.a.O.). Auch im Bereich der Gütergemeinschaft ist Art. 245<br />

ZGB nicht zwingend 28 , wobei dieser Güterstand kaum je im<br />

Rahmen einer antizipierten Scheidungsplanung vereinbart<br />

werden dürfte. Bezüglich des Güterstandes der Gütertrennung<br />

gehen Hausheer/Aebi-Müller 29 davon aus, dass im<br />

konkreten Einzelfall zum Voraus – aber nicht generell hinsichtlich<br />

erst zukünftig zu begründenden gemeinschaftlichen<br />

Eigentums – auf den Zuweisungsanspruch verzichtet werden<br />

kann.<br />

Breitschmid 30 hält entsprechende Absprachen für «unbedenklich»,<br />

weil «die Absehbarkeit für alle Beteiligten ein<br />

Vorteil» sei; auch er geht aber nicht von einer vollen Bindungswirkung<br />

aus und stellt sie unter den Vorbehalt einer<br />

Anfechtung für den Fall, dass bei wesentlicher Veränderung<br />

der Verhältnisse, etwa durch die spätere Geburt von Kindern<br />

oder gesundheitliche Entwicklungen (Invalidität), eine massgebliche<br />

Verschiebung der Bedürfnislage eintritt.<br />

6.2 Zuständigkeit<br />

Gerichtsstandvereinbarungen erscheinen im Bereich der in<br />

Frage stehenden Materie nicht möglich.<br />

6.3 Rechtswahl<br />

Auch wenn die Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse<br />

einem ausländischen Recht unterstellt haben, das einen Zuweisungsanspruch<br />

analog zu Art. 205 Abs. 2, 244 Abs. 3<br />

oder 251 ZGB nicht kennt, bleiben die zwingenden Bestimmungen<br />

der Art. 169, 176 Abs. 1 Ziff. 2 (und insbesondere<br />

Art. 121 ZGB) beachtlich; sowohl bezüglich der Eheschutzmassnahmen<br />

als auch bei Scheidung ist bei schweizerischer<br />

Zuständigkeit grundsätzlich schweizerisches Recht anwendbar<br />

(Art. 48, 61 und 63 IPRG).<br />

27 Heinz Hausheer/Ruth Reusser/Thomas Geiser, Berner<br />

Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,<br />

Bd. II/1/3/1, Das Güterrecht der Ehegatten, Allgemeine Vorschriften,<br />

Art. 181–195a ZGB, Der ordentliche Güterstand der<br />

Errungenschaftsbeteiligung, Art. 196–220 ZGB, Bern 1992,<br />

Art. 205 ZGB N 58.<br />

28 Hausheer/Reusser/Geiser (FN 27), Art. 245 ZGB N 7.<br />

29 Hausheer/Aebi-Müller (FN 26), Art. 251 N 4.<br />

30 Breitschmid (FN 19), 1612.<br />

Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

7. Vorausvereinbarungen im Zusammenhang<br />

mit dem Vorsorgeausgleich<br />

nach Art. 122 ff. ZGB<br />

7.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

7.1.1 Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid vom<br />

4. Februar 2008 (BGE 5A.623/207) den in einem deutschen<br />

Ehevertrag vereinbarten vorsorglichen Ausschluss des Vorsorgeausgleichs<br />

(auf den sich der Ehemann auch hinsichtlich<br />

der in der Schweiz angesparten Austrittsleistung berufen<br />

wollte) als rechtswidrig – nämlich als gegen zwingendes<br />

Recht verstossend und damit als von Anfang an unzulässig –<br />

bezeichnet.<br />

Die Sicherstellung einer angemessenen Alters-, Invaliden-<br />

und Hinterlassenenvorsorge liegt auch im öffentlichen<br />

In teresse. Die Art. 122 ff. ZGB sind deshalb insoweit zwingend,<br />

als das Gesetz die Dispositionsbefugnis der Ehegatten<br />

über ihre Ansprüche aus der berufl ichen Vorsorge<br />

einschränkt. Auf seinen Anspruch kann ein Ehegatte nur verzichten,<br />

wenn seine Alters- und Invalidenvorsorge auf andere<br />

Weise gewährleistet ist (Art. 123 Abs. 1 ZGB); die Erfüllung<br />

dieser Voraussetzung hat das Gericht von Amtes wegen zu<br />

überprüfen (Art. 141 Abs. 2 ZGB). 31 Die ganz überwiegende<br />

herrschende Lehre teilt diese Betrachtungsweise. 32<br />

Auch wenn mit guten Gründen geltend gemacht wird, eine<br />

Vereinbarung könne entgegen BGE 129 III 481 nicht nur im<br />

Vorfeld einer konkreten Scheidung, sondern auch zum Voraus<br />

abgeschlossen werden, 33 so ändert dies nichts am (auch<br />

für die übrigen Vorausvereinbarungen über die Nebenfolgen<br />

der Scheidung geltenden) Grundsatz, dass es mit der rechtsgeschäftlich<br />

herbeizuführenden Planungssicherheit für den<br />

Scheidungsfall nicht weit her ist, wenn die Einigung der dann<br />

tatsächlich Scheidungswilligen erst nach gerichtlicher Überprüfung<br />

und Genehmigung Verbindlichkeit und schliesslich<br />

Rechtskraft erlangen kann. 34<br />

Zudem: Prüfungsmassstab gemäss Art. 141 ZGB ist im<br />

Unterschied zu Art. 140 ZGB nicht die «offensichtliche Unbilligkeit»,<br />

sondern es sind die Kriterien gemäss Art. 123<br />

Abs. 1 ZGB massgebend. 35 Die Messlatte liegt damit deutlich<br />

höher, was zur Folge hat, dass nur in Ausnahmefällen<br />

von der hälftigen Teilung abgewichen werden darf. Selbst<br />

wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses einer Vorauskonvention<br />

die wirtschaftlichen Verhältnisse derart sind, dass von<br />

einer Sicherung der Alters- und Invalidenvorsorge auch bei<br />

einem Teilungsverzicht ausgegangen werden kann, stehen<br />

solche Vereinbarungen unter dem Vorbehalt wesentlich ver-<br />

31 BGE 129 III 481 E. 3.3.<br />

32 Hausheer (FN 13), 877.<br />

33 Vgl. Rumo-Jungo (FN 7), 20.<br />

34 Hausheer (FN 13), 878.<br />

35 Hausheer (FN 13), 878.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 307 10.3.2009 9:12:13 Uhr<br />

307


308<br />

Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />

änderter Verhältnisse, so dass nicht von einer Bindungswirkung<br />

im gewünschten Sinne ausgegangen werden kann.<br />

7.1.2 Eine Reihe von Dispositionen im Rahmen der zweiten<br />

Säule bedürfen der Zustimmung beider Ehegatten. Das<br />

gilt für Barauszahlungen gemäss Art. 5 Abs. 2 FZG und Vorbezüge<br />

zur Finanzierung selbstbewohnten Wohneigentums<br />

gemäss Art. 30 c Abs. 5 BVG sowie für den Entscheid, ob<br />

bei Eintritt ins Pensionsalter die Altersguthaben anstelle einer<br />

Rente in Form einer Kapitalauszahlung bezogen werden<br />

sollen (Art. 37 Abs. 5 BVG). Alle diese Bestimmungen stellen<br />

zwingendes öffentliches Recht dar und sind damit der<br />

Dispositionsbefugnis der Parteien in einer Vorauskonven tion<br />

entzogen. Auch der Anspruch des überlebenden Ehegatten<br />

auf eine Witwen- oder Witwerrente oder eine Abfi ndung<br />

im Sinne von Art. 19 BVG beruht auf öffentlichem, zwingendem<br />

Recht, das der Privatautonomie der Parteien keinen<br />

Raum lässt. 36<br />

7.2. Zuständigkeit<br />

Die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen ist zu<br />

verneinen.<br />

Die Ansparung von Vorsorgeguthaben im Ausland zum<br />

Zweck der Vermeidung der Teilung im Scheidungsfall dürfte<br />

kaum weiterhelfen. Gemäss dem Bundesgerichtsentscheid<br />

vom 4. Februar 2008 (BGE 5A_623/2007) wird zwar das zuständige<br />

schweizerische Gericht das schweizerische Recht in<br />

der Regel nicht direkt auf eine ausländische Vorsorgeeinrichtung<br />

anwenden und die im Ausland gelegenen Vorsorgeguthaben<br />

unmittelbar aufteilen oder den ausländischen Vorsorgeträger<br />

in das schweizerische Verfahren einbinden können.<br />

Aber es wird eine angemessene Entschädigung nach Art. 124<br />

Abs. 1 ZGB festzusetzen sein, 37 sofern eine Ergänzung des<br />

schweizerischen Scheidungsurteils im Ausland nicht möglich<br />

ist.<br />

7.3 Rechtswahl<br />

Es ist nicht zulässig, Ansprüche bezüglich in der Schweiz<br />

gelegenen Vorsorgeguthaben durch Rechtswahl einem ausländischen<br />

Recht zu unterstellen.<br />

8. Vorausvereinbarungen güterrechtlicher<br />

Art<br />

8.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

8.1.1 Eheverträge<br />

Nach Art. 182 Abs. 1 ZGB kann ein Ehevertrag vor oder<br />

nach der Heirat abgeschlossen werden. Braut- oder Eheleu-<br />

36 Hausheer/Steck (FN 1), 12.<br />

37 BGE 5A_623/2007 E. 2 a.E. mit Hinweisen auf die Literatur.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

te können ihren Güterstand innerhalb des gesetzlichen Numerus<br />

clausus wählen, aufheben oder ändern. Die Ehevertragsfreiheit<br />

unterliegt den allgemeinen schuldrechtlichen<br />

Schranken. 38 In seinem Entscheid vom 4. Dezember 20<strong>03</strong><br />

(BGE 5C.114/20<strong>03</strong> E. 3.2.2) hielt das Bundesgericht fest:<br />

«Der Ehevertrag, mit dem einzig ein besonderer Güterstand<br />

gewählt wird und der keine Abmachungen über die konkrete<br />

güterrechtliche Auseinandersetzung, insbesondere aber auch<br />

keine Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Scheidung,<br />

enthält, bedarf keiner Genehmigung durch den Scheidungsrichter<br />

(......). Müsste jeder Ehevertrag im Scheidungsfall<br />

gerichtlich genehmigt werden, gäbe es keine verbindlichen<br />

Eheverträge mehr. Es bliebe stets die Bestätigung durch die<br />

Ehegatten im Verfahren nach Art. 111 f. ZGB vorbehalten<br />

(......). Seit der am 1. Januar 1988 in Kraft getretenen Teilrevision<br />

des Zivilgesetzbuches vom 5. Oktober 1984 sind<br />

Eheverträge im Übrigen in keinem Fall mehr von der Vormundschaftsbehörde<br />

zu genehmigen (vgl. aArt. 181 Abs. 2<br />

aZGB). Es kann nicht Sinn und Zweck von Art. 140 ZGB<br />

sein, sie einer (nachträglichen) Genehmigung im Scheidungsverfahren<br />

zu unterwerfen.»<br />

Diese Rechtsprechung ist als rein formal kritisiert worden.<br />

39 Verschiedene Autoren fordern eine Inhaltskontrolle<br />

anlässlich der Scheidung. 40 Schwander bezeichnet<br />

die heutige Rechtslage als offensichtlich unbefriedigend:<br />

«Während einer 10-, 20- oder 30-jährigen Ehe können sich<br />

die Verhältnisse grundlegend ändern. Eine früher zu wenig<br />

durchdachte oder ursprünglich angemessene ehevertragliche<br />

Regelung erweist sich infolge veränderter Einkommens- und<br />

Vermögensverhältnisse nachträglich als einseitig.» 41 Der<br />

Autor postuliert eine pointiertere Anwendung der clausula<br />

rebus sic stantibus (z.B.: Gütertrennung für solange, als<br />

beide Eheleute einer Erwerbstätigkeit nachgehen; Beschränkung<br />

der zeitlichen Bindung an Verträge nach Art. 27 ZGB,<br />

beispielsweise auf die Dauer von 10 Jahren, oder eben eine<br />

gerichtliche Inhaltskontrolle, welche die ursprüngliche Angemessenheit<br />

der ehevertraglichen Regelung zu überprüfen<br />

hätte). 42 Hubert Stöckli spricht sich zum Schutz der Vertragsparteien<br />

für eine «zweckmässig ausgestaltete Anfechtungsbefugnis»<br />

früher abgeschlossener Eheverträge aus. 43<br />

So verständlich diese – teilweise de lege ferenda vorgetragenen<br />

– Postulate auf den ersten Blick erscheinen, so klar<br />

steht ihnen aus praktischer Sicht das Interesse an Vertrauens-<br />

38 Hubert Stöckli, Die Ehevertragsfreiheit und ihre Schranken,<br />

in: Alexandra Rumo-Jungo/Pascal Pichonnaz (Hrsg.), Scheidungsrecht:<br />

Aktuelle Probleme und Reformbedarf: Symposium<br />

zum Familienrecht 2007, Zürich/Basel/Genf 2008, 85 ff.<br />

39 Schwenzer (FN 4), 7.<br />

40 Schwenzer (FN 4), 9.<br />

41 Ivo Schwander, Eheverträge – zwischen «ewigen» Verträgen<br />

und Inhaltskontrolle, <strong>AJP</strong>/PJA 20<strong>03</strong>, 572 f.<br />

42 Schwander (FN 41), 573; ähnlich Thomas Sutter-Somm/<br />

Felix Kobel, FamPra.ch 2004, 775, 795 ff.<br />

43 Stöckli (FN 38), 100.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 308 10.3.2009 9:12:13 Uhr


schutz und Berechenbarkeit gegenüber. Bindende ehevertragliche<br />

Abmachungen (beispielsweise die Vereinbarung<br />

der Gütertrennung; die Erklärung von Vermögenswerten der<br />

Errungenschaft, die für die Ausübung eines Berufes oder<br />

den Betrieb eines Gewerbes bestimmt sind, zu Eigengut gemäss<br />

Art. 199 Abs. 1 ZGB; der Ausschluss der Mehrwertbeteiligung<br />

nach Art. 206 Abs. 3 ZGB oder eine von Art. 215<br />

ZGB abweichende Teilung des während der Ehe erzielten<br />

Vorschlages nach Art. 216 Abs. 1 ZGB) stellen in der Regel<br />

die Grundlage für weitere Dispositionen dar, die etwa ein<br />

selbständig Erwerbender oder ein Unternehmerehegatte im<br />

Vertrauen auf den Bestand des Ehevertrages trifft. Dieses<br />

Vertrauen ist zu schützen; es kann nicht sein, dass darüber –<br />

möglicherweise gar während Jahrzehnten – die Damoklesschwerte<br />

einer Inhaltskontrolle gemäss Art. 140 ZGB im<br />

Rahmen eines zukünftigen strittigen Scheidungsprozesses<br />

oder bislang nicht existierende Anfechtungs- oder gar Nichtigkeitsgründe<br />

schweben.<br />

Folgte man den Überlegungen der eine spätere Überprüfung<br />

oder Anfechtung befürwortenden Autoren, stellte sich<br />

auch die nicht unwesentliche Frage, unter welchen Voraussetzungen<br />

denn ein Ehevertrag als offensichtlich unangemessen<br />

zu betrachten sei. Es trifft sicher zu, dass früher vereinbarte<br />

ehevertragliche Abmachungen im Ergebnis – verglichen mit<br />

dem Resultat einer späteren güterrechtlichen Auseinandersetzung<br />

nach den Regeln des ordentlichen Güterstandes – zu einer<br />

Benachteiligung des einen oder anderen Ehegatten führen<br />

können. Zutreffend ist wohl auch, dass vorab Brautleute und<br />

Ehegatten in intakter Ehe bei Vertragsschluss die Möglichkeit<br />

einer Scheidung kaum in Betracht ziehen werden oder<br />

wollen und entsprechende Überlegung zu diesem Zeitpunkt<br />

daher nur untergeordnete Bedeutung haben. Demgegenüber<br />

steht aber das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung des<br />

Ehevertrages zweier handlungsfähiger Parteien, mit welcher<br />

sichergestellt werden soll, dass ihnen die Tragweite ihrer<br />

Vereinbarung bewusst ist. Nachdem Ehegatten bewusst auf<br />

Vorteile des gesetzlichen Güterstandes verzichten können,<br />

kann ein solcher Verzicht auch nicht ethisch verpönt sein.<br />

Diese Konsequenz hat der Gesetzgeber, indem er den Parteien<br />

die Möglichkeit eines Ehevertrages (allerdings in den<br />

relativ engen Schranken des Art. 182 Abs. 2 ZGB) zur Verfügung<br />

stellte, vielmehr bewusst in Kauf genommen. Breitschmid<br />

44 weist in diesem Zusammenhang ferner darauf hin,<br />

dass das Gesetz den späteren Scheidungsfall in verschiedener<br />

Hinsicht bereits berücksichtigt, etwa dort, wo die Ehegatten<br />

in Anwendung von Art. 217 oder 242 ZGB Vereinbarungen<br />

über die Abänderung der gesetzlichen Beteiligung am Vorschlag<br />

bzw. Gesamtgut in Abweichung von der gesetzlichen<br />

Vermutung auch auf den Scheidungsfall ausdehnen (was der<br />

Ehevertrag indes ausdrücklich vorzusehen hat, Art. 217, 242<br />

Abs. 3 ZGB).<br />

Die Gegenüberstellung dieser Argumente für und wider<br />

eine Überprüfung des Ehevertrages im Rahmen eines<br />

44 Breitschmid (FN 19), 1608.<br />

Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

nachfolgenden Scheidungsverfahrens ergibt u.E., dass das<br />

Interesse an der Rechtssicherheit jenes an einer späteren<br />

richterlichen Überprüfung bei weitem überwiegt, zumal im<br />

Rahmen der Festsetzung anderer scheidungsrechtlicher Nebenfolgen<br />

dem vorteilhaften oder nachteiligen (bzw. im Falle<br />

der Gütertrennung gänzlich ausbleibenden) Ergebnis der güterrechtlichen<br />

Auseinandersetzung Rechnung getragen werden<br />

kann: So bei der Bestimmung der nachehelichen Eigenversorgungskapazität<br />

im Sinne von Art. 125 Abs. 1 ZGB, 45<br />

und – etwa im Falle einer Gütertrennung mit zugleich unterlassener<br />

berufl icher Vorsorge – bei der Festsetzung nachehelicher<br />

Unterhaltsbeiträge, welche nicht nur für die Zukunft<br />

entsprechend erhöht werden, sondern für deren Finanzierung<br />

auch das Vermögen des pfl ichtigen Ehegatten herangezogen<br />

werden kann. 46<br />

Damit erweist sich der formgültig abgeschlossene Ehevertrag<br />

(neben erbvertraglichen Vereinbarungen) als sehr<br />

wichtiges und wohl zentrales Instrument einer rechtsverbindlichen<br />

Scheidungsplanung.<br />

8.1.2 Vereinbarungen über die güterrechtliche<br />

Auseinandersetzung<br />

Die konkrete Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung,<br />

die aufgrund des gesetzlichen oder eines vertraglichen<br />

Güterstandes erfolgt, unterliegt demgegenüber der<br />

gesetzlichen Genehmigungspfl icht durch das Scheidungsgericht<br />

im Sinne von Art. 140 ZGB. Diese betrifft nicht mehr<br />

den Güterstand als solchen und ist deshalb nicht mehr Inhalt<br />

eines «Ehevertrages» (und dies auch dann, wenn sie im gleichen<br />

Dokument vorgenommen wird) und nimmt daher an<br />

dessen Wirkungen nicht teil. 47<br />

Soweit aber die güterrechtliche Auseinandersetzung ohne<br />

konkreten Scheidungshorizont – etwa im Rahmen der Aufhebung<br />

des gesetzlichen Güterstandes der Errungenschaftsbeteiligung<br />

oder der Gütergemeinschaft und gleichzeitiger Begründung<br />

des Güterstandes der Gütertrennung – und gestützt<br />

auf eine in den Ehevertrag aufgenommene Vereinbarung<br />

(oder wohl auch im Rahmen eines separaten schriftlichen<br />

Teilungsvertrages oder gar nur in Form blosser Realteilung)<br />

erfolgt, wirkt diese sofort 48 und ist sie deshalb der Genehmigung<br />

durch den Scheidungsrichter entzogen.<br />

Diese unterschiedliche Behandlung der güterrechtlichen<br />

Auseinandersetzung unter dem Aspekt von Art. 140 ZGB<br />

ruft nach Beantwortung der Frage, wie der Begriff des «konkreten<br />

Scheidungshorizontes» zu defi nieren sei. Kann von<br />

einem solchen bereits dann gesprochen werden, wenn die<br />

Ehegatten – etwa im Zusammenhang mit vermögensrechtlichen<br />

Meinungsverschiedenheiten, aber während noch mehr<br />

45 Hausheer (FN 13), 877.<br />

46 BGE 129 III 7 ff. und BGE 129 III 257 ff.<br />

47 BGE 5C.114/20<strong>03</strong> E. 3.2.2; Geiser (FN 9), 225, 230; Hausheer/Reusser/Geiser<br />

(FN 27), N 15 zu Art. 182 ZGB.<br />

48 Geiser (FN 9), 226.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 309 10.3.2009 9:12:14 Uhr<br />

309


310<br />

Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />

oder weniger intakter Ehe – ihren Güterstand wechseln und<br />

die güterrechtliche Auseinandersetzung vornehmen? Wie<br />

verhält es sich, wenn sich Ehegatten im Rahmen der Aufhebung<br />

des gemeinsamen Haushaltes auf die Gütertrennung<br />

verständigen – oder wenn diese durch das Eheschutzgericht<br />

auf Begehren eines Ehegatten angeordnet wird – und sie sich<br />

alsdann über die güterrechtliche Auseinandersetzung einigen?<br />

Die im Zusammenhang mit einem Wechsel des Güterstandes<br />

in einen Ehevertrag aufgenommene güterrechtliche<br />

Auseinandersetzung bei anschliessend während Jahren fortdauerndem<br />

Zusammenleben der Ehegatten im Rahmen eines<br />

später stattfi ndenden Scheidungsverfahrens unterliegt unseres<br />

Erachtens keiner Genehmigungspfl icht nach Art. 140<br />

ZGB. Weniger klar ist dies aber bei Vornahme der güterrechtlichen<br />

Auseinandersetzung im Rahmen einer vertraglich<br />

vereinbarten oder gerichtlich angeordneten Gütertrennung<br />

im Zusammenhang mit oder als Folge der Aufhebung<br />

des gemeinsamen Haushaltes. Hier wird man sich an der<br />

(uneinheitlichen) Praxis, welche für die gerichtliche Anordnung<br />

der Gütertrennung nach Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m.<br />

Art. 185 ZGB angewendet wird, zu orientieren haben und im<br />

Zweifel damit rechnen müssen, dass die in diesem Kontext<br />

vorgenommene güterrechtliche Auseinandersetzung als der<br />

Scheidungsvorbereitung dienend betrachtet und mithin der<br />

Genehmigungspfl icht unterstellt werden wird – mit der Konsequenz,<br />

dass das Ausbleiben der Bestätigung im Rahmen<br />

von Art. 111 f. ZGB die zuvor vereinbarte güterrechtliche<br />

Auseinandersetzung wieder in Frage stellt.<br />

Die Praxis ist indessen nicht einheitlich: Das Obergericht<br />

des Kantons Aargau qualifi zierte in seinem Urteil vom<br />

18. Oktober 2007 (ZOR.2007.54) eine sechs Jahre vorher,<br />

nämlich im Rahmen eines Mediationsverfahrens im Jahre<br />

2001, durchgeführte güterrechtliche Auseinandersetzung als<br />

eine vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsprozesses abgeschlossene<br />

Vereinbarung über eine Scheidungsfolge, die<br />

im Rahmen von Art. 111 f. ZGB bestätigt und gerichtlich genehmigt<br />

werden müsse. Demgegenüber hat das Obergericht<br />

des Kantons Bern in einem Entscheid vom 27. März 2008 49<br />

den Widerruf der im Rahmen einer Scheidungskonvention<br />

getroffenen und bereits vor der ersten Anhörung der Parteien<br />

vollständig vollzogenen güterrechtlichen Auseinandersetzung<br />

nicht zugelassen. Häufi g wird indessen das Ergebnis<br />

einer bereits vor Rechtshängigkeit durchgeführten güterrechtlichen<br />

Auseinandersetzung im Scheidungsverfahren<br />

von keiner Partei mehr thematisiert. Die Genehmigung der<br />

«Saldoklausel» trägt dann rein formale Züge; denn dem Gericht<br />

sind in den meisten Fällen die güterrechtlichen Bemessungsfaktoren<br />

(anders als beim nachehelichen Unterhalt, wo<br />

sie gemäss Art. 143 ZGB offen zu legen sind) nicht bekannt,<br />

und sie werden in der Regel auch nicht erfragt.<br />

49 Obergericht des Kantons Bern, Entscheid vom 27. März 2008<br />

in FamPra.ch 4/2008 Nr. 87.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

8.1.3 Verfahrenstechnische Aspekte<br />

Möglich ist demgegenüber eine bindende Verständigung zum<br />

Voraus über «verfahrenstechnische» Aspekte. So können<br />

beispielsweise die Kriterien, nach welchen ein Unternehmen<br />

geschätzt werden soll («Praktikerformel»; «Swiss Gaap<br />

FER», etc.) defi niert oder die Experten bestimmt werden,<br />

welche abschliessend ein Unternehmen oder eine Liegenschaft<br />

bewerten (etwa: «Massgebend für die Bestimmung<br />

des güterrechtlichen Anrechnungswertes ist der Mittelwert<br />

je einer Schätzung des Hauseigentümerverbandes sowie der<br />

Kantonalbank in jeweiligem Lagekanton»).<br />

Nachdem sich die Parteien in der güterrechtlichen Auseinandersetzung<br />

über solche Aspekte nach Belieben einigen<br />

können 50 , kann dies auch zum Voraus geschehen. Solche<br />

Abmachungen unterliegen nicht der gerichtlichen Genehmigung<br />

nach Art. 140 ZGB. 51<br />

8.1.4 Rechtsgeschäfte zur Milderung einer den<br />

einen Ehegatten benachteiligenden güterrechtlichen<br />

Disposition<br />

Unterstellen sich die Ehegatten dem Güterstand der Gütertrennung<br />

oder erklären sie wesentliche Vermögenswerte<br />

gemäss Art. 199 Abs. 1 ZGB zu Eigengut, besteht häufi g<br />

das Bedürfnis, den auf den gesetzlichen Güterstand verzichtenden<br />

Ehegatten mit einer Leistung aus dem Vermögen des<br />

anderen für die nachteiligen wirtschaftlichen Folgen der gewählten<br />

ehevertraglichen Modifi kation zu entschädigen (ein<br />

Beispiel einer entsprechenden Abmachung fi ndet sich im<br />

zweiten Teil der Formulierungsvorschläge, lit. E.).<br />

Solche Vereinbarungen sind, soweit es sich um Schenkungsversprechen<br />

handelt, in der von Art. 243 OR jeweils<br />

geforderten Form abzuschliessen. Ob nun vereinbart wird,<br />

dass nach jedem Jahr des Bestehens eines gemeinsamen<br />

Haushaltes eine Zahlung in bestimmter Höhe erfolgt, oder<br />

ob die Zahlung (oder eine andere in Aussicht genommene<br />

Zuwendung) und deren Fälligkeit an die Voraussetzung einer<br />

rechtskräftigen Scheidung geknüpft werden; es kann kein<br />

Zweifel daran bestehen, dass solche Rechtsgeschäfte unbedenklich<br />

und bindend sind. Breitschmid 52 weist darauf hin,<br />

dass Schenkungen unter Ehegatten nicht allein wegen der<br />

Tatsache einer nachfolgenden Scheidung der Ehe widerrufen<br />

werden können (anders, wenn eine entsprechende Rückfallklausel<br />

ausdrücklich vereinbart worden ist). Auch sofern<br />

solche Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit einer ehevertraglich<br />

vereinbarten Gütertrennung abgeschlossen werden,<br />

handelt es sich per se nicht um die konkrete Durchführung<br />

der güterrechtlichen Auseinandersetzung (welche unter dem<br />

Güterstand der Gütertrennung ohnehin entfällt), also nicht<br />

um eine scheidungsrechtliche Nebenfolge, womit nach der<br />

50 Hausheer (FN 13), Art. 214 N 7.<br />

51 Meier (FN 3), 294.<br />

52 Breitschmid (FN 19), 1609.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 310 10.3.2009 9:12:14 Uhr


hier vertretenen Ansicht diesbezüglich weder ein Bestätigungserfordernis<br />

noch eine Genehmigungspfl icht besteht.<br />

Bei Schenkungen muss steuerlichen Gegebenheiten Rechnung<br />

getragen werden: Im Kanton Zürich etwa sieht § 7 lit. c<br />

ESchG vor, dass der Schenkungssteueranspruch bei Vermögensübergängen<br />

aus Schenkung im Zeitpunkt des Vollzuges<br />

der Schenkung entsteht. Erfolgt die Zahlung mithin erst nach<br />

Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils, können sich<br />

Steuerfolgen ergeben. Dies soll gemäss Zürcherischer Praxis<br />

dann nicht der Fall sein, wenn ihr Rechtsgrund in der<br />

gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention liegt. Ist<br />

das Schenkungsversprechen hingegen nicht in der dem Gericht<br />

zur Genehmigung vorgelegten Vereinbarung abgegeben<br />

worden, sollte die Zahlung sicherheitshalber vor Eintritt der<br />

Rechtskraft erfolgen (beispielsweise innerhalb von drei Arbeitstagen<br />

nach Vorlage des Nachweises des Versandes der<br />

Bestätigungserklärung i.S.v. Art. 111 Abs. 2 ZGB an das Gericht,<br />

unter der Bedingung des Eintritts der Rechtskraft des<br />

Scheidungsurteils).<br />

8.2 Vereinbarungen zur Rechtswahl und<br />

zur Zuständigkeit<br />

8.2.1 Zur Rechtswahl<br />

Angesichts der Wichtigkeit ehevertraglicher Dispositionen<br />

als Planungsinstrument und der Zunahme der Zahl multinationaler<br />

Ehen soll auf einige Besonderheiten des Internationalen<br />

Privat- und Zivilprozessrechtes des Ehegüterrechts<br />

hingewiesen werden, auf die Schwander 53 vor kurzem aufmerksam<br />

gemacht hat. In methodischer Hinsicht empfi ehlt<br />

Schwander in einem ersten Schritt die Prüfung der objektiven<br />

Anknüpfung (d.h. Rechtslage ohne Rechtswahl), wobei<br />

diese aus der Sicht der Gerichte jedes möglicherweise zuständigen<br />

Staates (Heimatstaat, Wohnsitzstaat, Staat der gelegenen<br />

Sache) untersucht werden muss. Erst in einem zweiten<br />

Schritt ist zu entscheiden, ob mit einer ausdrücklichen<br />

Rechtswahl die objektive Anknüpfung verstärkt oder abgeändert<br />

werden soll. Art. 52 IPRG ermöglicht den Gatten die<br />

Wahl zwischen dem Recht des Staates, in dem beide ihren<br />

Wohnsitz haben oder nach der Eheschliessung haben werden,<br />

und dem Recht eines ihres Heimatstaaten (bei dem es<br />

sich nicht um das effektive Heimatrecht, mit dem die Person<br />

am engsten verbunden ist, handeln muss). Wer eine bestimmte<br />

Rechtslage zumindest auf absehbare Zeit hin stabilisieren<br />

möchte, dem muss zu einem Ehevertrag geraten werden, der<br />

die güterrechtlichen Verhältnisse einer bestimmten Rechtsordnung<br />

unterstellt und zudem die Erklärung enthält, dass<br />

der gewählte Güterstand auch bei Wohnsitzwechsel beibehalten<br />

werden soll. 54 (Die Wandelbarkeit des Güterrechtsstatutes<br />

gemäss Art. 55 IPRG kann wegbedungen werden.)<br />

53 Ivo Schwander, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht<br />

des Ehegüterrechts, <strong>AJP</strong>/PJA 2008, 1055 ff.<br />

54 Schwander (FN 53), 1059.<br />

Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Gleichwohl erfordert jeder Wohnsitzwechsel neue Abklärungen<br />

der Rechtslage im Hinblick darauf, ob<br />

die Zuständigkeiten der Gerichte und Behörden ändern<br />

(und damit ein anderes IPR zum Zuge kommt),<br />

die objektiv (d.h. ohne Rechtswahl) anwendbare Rechtsordnung<br />

wechselt,<br />

eine bisher bestehende Rechtswahlmöglichkeit oder andere<br />

Rechtsgestaltung (wie Rückwirkung oder Nichtrückwirkung<br />

bzw. solche Wirkungen ausschliessende Erklärungen;<br />

Schenkung; Ehevertrag) wegfällt, oder ob<br />

nach dem Wohnsitzwechsel neue Rechtswahl- und Gestaltungsmöglichkeiten<br />

entstehen. 55<br />

Von einer Rechtswahlerklärung in einfacher Schriftlichkeit<br />

(was gemäss Art. 53 Abs. 1 IPRG genügt) ist abzuraten,<br />

nachdem die meisten ausländischen Staaten eine Rechtswahl<br />

zum Güterrecht – wenn überhaupt – nur in der Form bzw. im<br />

Rahmen eines Ehevertrages anerkennen. 56<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

8.2.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit<br />

Schwander 57 weist mit beachtlichen Gründen darauf hin,<br />

dass die güterrechtliche Planung für den Scheidungsfall ohne<br />

Zuständigkeitsvereinbarung auf halber Strecke stehen bleibt.<br />

Art. 51 lit. a, b, und c, IPRG schliessen eine abweichende<br />

Zuständigkeitsvereinbarung nach Art. 5 IPRG nicht aus, da<br />

es sich beim Güterrecht um eine vermögensrechtliche Materie<br />

handelt. Auch eine Schiedsvereinbarung ist zulässig. 58<br />

Die Lehre rät von solchen Dispositionen für die güterrechtliche<br />

Auseinandersetzung mehrheitlich ab. 59 In der Tat<br />

können sich Fragen im Verhältnis zum Grundsatz der Einheit<br />

des Scheidungsurteils und der daraus abgeleiteten Zuständigkeit<br />

des Scheidungsgerichtes stellen. Zur Vorsicht<br />

mahnen auch Erwägungen der Prozessökonomie: Für die<br />

Festsetzung des nachehelichen Unterhaltes muss das Ergebnis<br />

der güterrechtlichen Auseinandersetzung bekannt sein.<br />

Art. 278 Abs. 1 E BZPO hält den Grundsatz der Einheit des<br />

Scheidungsurteils ausdrücklich fest; indessen ist auch vorgesehen,<br />

dass komplizierte güterrechtliche Auseinandersetzungen<br />

in ein separates Verfahren verwiesen werden können<br />

Art. 278 Abs. 2 E BZPO). Das Scheidungsgericht wird diesfalls<br />

den bei ihm hängigen Prozess sistieren, bis das Ergebnis<br />

der güterrechtlichen Auseinandersetzung bekannt ist. In<br />

gleicher Weise ist vorzugehen, wenn die Parteien mit einer<br />

Gerichtsstandsvereinbarung oder einer Schiedsklausel den<br />

Entscheid über das Güterrecht einem anderen Gericht zugewiesen<br />

haben.<br />

55 Schwander (FN 53), 1060.<br />

56 Schwander (FN 53), 1061.<br />

57 Schwander (FN 53), 1069.<br />

58 Schwander (FN 53), 1069.<br />

59 Schwander (FN 53), 1069 mit Hinweisen in Fn. 20, 1061.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 311 10.3.2009 9:12:14 Uhr<br />

311


312<br />

Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />

Das Urteil des prorogierten Gerichts oder des Schiedsgerichts<br />

unterliegt nicht der Genehmigung nach Art. 140 ZGB,<br />

da es sich dabei nicht um eine Scheidungsfolgenvereinbarung<br />

handelt.<br />

9. Vorausvereinbarungen mit<br />

erbrechtlichem Charakter<br />

9.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

Geschiedene Ehegatten haben zueinander kein gesetzliches<br />

Erbrecht mehr. Diese Bestimmung ist indessen dispositiver<br />

Natur, wie das Bundesgericht noch unter der Herrschaft von<br />

Art. 154 Abs. 2 aZGB festgestellt hat (BGE 122 III 308 ff.).<br />

Daran hat die Scheidungsnovelle nichts geändert. 60 Den<br />

Scheidungsfall einbeziehende erbrechtliche Absprachen unter<br />

Ehegatten ausserhalb eines konkreten Scheidungsverfahrens<br />

sind mithin ohne Weiters möglich. Die Verbindlichkeit<br />

von Verfügungen von Todes wegen, welche die Ehegatten<br />

nach der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens errichtet<br />

haben, wird im Gesetz sogar explizit erwähnt (Art. 120<br />

Abs. 2 ZGB e contrario). Entsprechende Vereinbarungen<br />

müssen in den gesetzlich vorgeschriebenen Formen abgeschlossen<br />

werden, wobei Bedingungen (etwa der Eintritt der<br />

Rechtskraft eines Scheidungsurteils) möglich sind. 61 Nichtig<br />

– weil unvereinbar mit dem Schutz der Persönlichkeit<br />

(Art. 27 Abs. 2 ZGB) – ist indessen das im Rahmen einer<br />

Vorauskonvention abgegebene Versprechen, dereinst einen<br />

Erbvertrag abzuschliessen. 62<br />

Im leider nicht veröffentlichten Entscheid vom 4. Dezember<br />

20<strong>03</strong> (BGE 5C.114/20<strong>03</strong>) hatte das Bundesgericht eine<br />

Konstellation zu beurteilen, bei der ein Ehepaar vor der Ehe<br />

einen Ehevertrag auf Gütertrennung, einen Erbvertrag und<br />

eine Scheidungskonvention auf Vorrat abgeschlossen hatte.<br />

Die Ehefrau verlangte eine Überprüfung des Vertragswerkes<br />

als Einheit, mithin auch des Erbvertrages, unter dem Gesichtspunkt<br />

von Art. 140 ZGB. Dem hielt das Bundesgericht<br />

(mit den beiden kantonalen Vorinstanzen) entgegen, dass die<br />

Verträge nicht derart miteinander verknüpft seien, als dass<br />

einer von den andern abhängig sei; keiner der Verträge setze<br />

das Bestehen eines andern Vertrages oder eine Gegenleistung<br />

aus einem solchen voraus, und durch die Aufhebung eines<br />

Vertrages würden die Wirkungen der beiden andern nicht<br />

tangiert. Die Gültigkeit und Verbindlichkeit der in Frage stehenden<br />

drei Verträge wurden deshalb je einzeln überprüft. Im<br />

Zusammenhang mit dem Erbvertrag hielt das Bundesgericht<br />

fest, dieser enthalte nichts, was für das Scheidungsverfahren<br />

relevant sei, weshalb eine Überprüfung sub specie von<br />

Art. 140 ZGB nicht stattfi nde.<br />

60 Breitschmid (FN 19), 1608.<br />

61 ZR 89 Nr. 99 sowie ZR 96 Nr. 10.<br />

62 BGE 108 II 407.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Auch aus diesem Grund erweist sich der Erbvertrag als<br />

taugliches Planungsinstrument.<br />

Die erbvertragliche Vereinbarung kann – im Sinne eines<br />

Systems aufeinander einwirkender Planungsinstrumente –<br />

auf andere scheidungsrechtliche Nebenfolgen, insbesondere<br />

den nachehelichen Unterhalt, ausstrahlen. Art. 125 Abs. 1<br />

ZGB weist der Sicherung einer angemessenen Altersvorsorge<br />

bei der Gestaltung des nachehelichen Unterhaltes eine<br />

grosse Bedeutung zu. Die erbvertragliche Begünstigung kann<br />

dazu führen, dass eine nacheheliche Unterhaltsregelung, die<br />

der Altersvorsorge keine Rechnung trägt, trotzdem genehmigungsfähig<br />

wird. Dies war der Fall im erwähnten Bundesgerichtsentscheid<br />

vom 4. Dezember 20<strong>03</strong> (BGE 5C.114/20<strong>03</strong>),<br />

wo der Ehefrau höhere Unterhaltsbeiträge als in der Vorauskonvention<br />

vorgesehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt<br />

der Altersvorsorge zugesprochen werden konnten, da ihr<br />

nach dem Erbvertrag erhebliche Anwartschaften (in casu<br />

knapp CHF 4 Mio.) zustanden.<br />

Werden erbvertragliche Dispositionen in Betracht gezogen,<br />

dann sind die steuerlichen Rahmenbedingungen sorgfältig<br />

zu analysieren: Während in den meisten Kantonen die<br />

Ehegatten von Erbschaftssteuern befreit sind, trifft dies für<br />

geschiedene Eheleute nicht mehr zu. Vor allem deswegen<br />

sollte immer auch geprüft werden, ob nicht die (unwiderrufliche)<br />

Begünstigung in einer (Todesfallrisiko-)Lebensversicherung<br />

die sachgerechtere Lösung sein könnte.<br />

9.2 Zuständigkeit und Rechtswahl<br />

Eine detaillierte Darstellung von planerischen Möglichkeiten<br />

im Bereich internationalprivatrechtlicher erbvertraglicher<br />

Dispositionen sprengt den Rahmen dieser Arbeit. Ein<br />

Hinweis erscheint uns indes als wichtig: Soweit bei grenzüberschreitenden<br />

Sachverhalten mit Erbverträgen gearbeitet<br />

wird, ist zu beachten, dass etliche Staaten des romanischen<br />

und des iberoamerikanischen Rechtskreises einen Erbvertrag<br />

im Sinne einer vertraglichen Bindung des Erblassers nicht<br />

anerkennen. Dem ist bei der Planung Rechnung zu tragen. 63<br />

10. Vorausvereinbarungen über den ehelichen<br />

(insbesondere den Trennungs-)<br />

Unterhalt<br />

10.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

10.1.1 Vereinbarungen über die Beiträge der<br />

Ehegatten an den Unterhalt der Familie<br />

(Art. 163 ZGB)<br />

Es steht den Ehegatten frei, bezüglich der von ihnen im Rahmen<br />

von Art. 163 Abs. 2 ZGB vorzunehmenden Verständi-<br />

63 Vgl. die Hinweise bei Schwander (FN 53), 1055 ff., insbesondere<br />

1060 ff.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 312 10.3.2009 9:12:15 Uhr


gung eine schriftliche Vereinbarung über ihre Lebensentwürfe,<br />

die Rollenverteilung und deren Folgen abzuschliessen.<br />

Solche Abmachungen über die Aufgabenteilung können auch<br />

bei einer Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes Bestand<br />

haben und das Ergebnis der dann konkret vorzunehmenden<br />

Berechnung des ehelichen und nachehelichen Unterhalts<br />

wesentlich beeinfl ussen, ist doch eine spätere einseitige Abänderung<br />

derselben nicht ohne weiteres möglich. 64 Einer<br />

Verständigung über die Rollenverteilung, Feststellungen zur<br />

zukünftig beabsichtigten berufl ichen Tätigkeit im Sinne einer<br />

Konkretisierung der Eigenversorgungskapazität u.a. im<br />

Rahmen einer Vorausvereinbarung kommt u.E. ein deutlich<br />

grösseres Gewicht zu als einer antizipierenden Quantifi zierung<br />

von Unterhaltszahlungen, die sich angesichts veränderter<br />

Verhältnisse nach Jahr und Tag kaum noch als sachgerecht<br />

erweisen könnten. 65<br />

10.1.2 Vereinbarungen über die Geldbeiträge,<br />

die der eine Ehegatte dem<br />

anderen schuldet (Art. 173 Abs. 1,<br />

176 Abs. 1 Ziff. 1, 137 Abs. 2 ZGB)<br />

Auch aussergerichtliche Vereinbarungen der Ehegatten über<br />

den ehelichen Unterhalt sind auf der Grundlage von Art. 168<br />

ZGB zulässig und jederzeit möglich. Solche Abreden sind<br />

jedoch jederzeit einseitig widerrufbar. Für die gelebte Vergangenheit<br />

behalten sie zwar Geltung (mit der Folge, dass<br />

Unterhaltsleistungen – entgegen Art. 173 Abs. 3 und 137<br />

Abs. 2 ZGB – nicht mehr für ein Jahr vor Einreichung des<br />

Begehrens gefordert werden können). 66 Ist ein Ehegatte mit<br />

der einst getroffenen mündlichen oder schriftlichen Absprache<br />

aber nicht mehr einverstanden und erfolgt keine neue Einigung,<br />

hat das Eheschutzgericht den Unterhalt auf Begehren<br />

eines Ehegatten festzulegen. Dies erfolgt indes ungeachtet<br />

der bisherigen Vereinbarung i.S.v. Art. 163 Abs. 2 i.V.m.<br />

Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB, weshalb nicht geprüft wird, ob<br />

sich die ihr zugrunde liegenden Verhältnisse erheblich, dauerhaft<br />

und in unvorhersehbarer Weise geändert haben. Wurde<br />

demgegenüber über den ehelichen Unterhalt (im Eheschutz-<br />

oder Massnahmeverfahren) entschieden (oder eine von den<br />

Parteien dem Gericht vorgelegte Vereinbarung genehmigt)<br />

und verlangt ein Ehegatte eine Abänderung der Beiträge,<br />

kann diese durch den Eheschutz- oder Massnahmerichter nur<br />

64 Franz Hasenböhler/Andrea Opel, in: Heinrich Honsell/<br />

Nedim Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar<br />

Zivilgesetzbuch I, 3. A., Basel 2006, Art 163 N 36 f.; Heinz<br />

Hausheer/Thomas Geiser/Regina E. Aebi-Müller, Das<br />

Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches: Eheschliessung,<br />

Scheidung, allgemeine Wirkungen der Ehe, Güterrecht,<br />

Kindesrecht, Vormundschaftsrecht, eingetragene Partnerschaft,<br />

3. A., Bern 2007, Rz 08.18a ff.<br />

65 Vgl. zu den beachtenden Gesichtspunkten die Formulierungsvorschläge<br />

unter Ziff. 17.4, 2. Teil, lit. E.<br />

66 Vgl. ZR 104 Nr. 58.<br />

Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

nach Massgabe von Art. 179 ZGB erfolgen, d.h. erst bei Vorliegen<br />

der bekannten Abänderungsgründe. 67<br />

Mit Blick auf entsprechende Vereinbarungen sind in<br />

Zukunft überdies Art. 267 f. E BZPO zu beachten, die für<br />

Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft nach<br />

Art. 172 bis 179 ZGB – also auch für den Ehegattenunterhalt<br />

– den Untersuchungsgrundsatz vorschreiben 68 ; dieser<br />

wird daher in noch weitergehendem Mass der Dispositionsfreiheit<br />

der Ehegatten entzogen sein. Auch aus diesem Grund<br />

dürfte – nebst der einseitigen Widerrufbarkeit – eine quantifi<br />

zierende Vorausvereinbarung zum ehelichen Unterhalt kein<br />

zuverlässiges Planungsinstrument darstellen.<br />

10.2 Rechtswahl<br />

Für die Unterhaltspfl icht zwischen Ehegatten gilt im internationalen<br />

Verhältnis gemäss Art. 49 IPRG das Haager Übereinkommen<br />

vom 2. Oktober 1973 über das auf Unterhaltspfl<br />

ichten anzuwendende Recht (SR 0.211.213.01; HUntÜ).<br />

Dieses Abkommen, das in der Schweiz erga omnes gilt, sieht<br />

keine Rechtswahlmöglichkeit vor. 69<br />

Zu beachten ist, dass – aufgrund eines von der Schweiz<br />

angebrachten Vorbehaltes – immer dann schweizerisches<br />

Recht angewendet wird, wenn sowohl Unterhaltsschuldner<br />

als auch Unterhaltsgläubiger die schweizerische Staatsangehörigkeit<br />

besitzen und (kumulativ) der Unterhaltsschuldner<br />

seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat. Klagt<br />

also die im Ausland wohnende Ehefrau den in der Schweiz<br />

lebenden Ehemann ein und besitzen beide die schweizerische<br />

Staatsbürgerschaft, fi ndet demnach nicht das Recht<br />

des ausländischen Aufenthaltes der Ehefrau Anwendung<br />

(Art. 4 HUntÜ), sondern die schweizerische lex fori (Art. 15<br />

i.V.m. Art. 24 HUntÜ). 70<br />

10.3 Gerichtsstands- und Schiedsverein<br />

barungen<br />

Im innerstaatlichen Verhältnis sollte u.E. eine Prorogation<br />

im eng umschriebenen Rahmen von Art. 15 Abs. 1 GestG<br />

zulässig sein; nicht aber eine Schiedsabrede. 71<br />

Im internationalen Kontext sind demgegenüber nach<br />

herrschender Auffassung nicht nur Gerichtsstandsvereinbarungen,<br />

sondern auch Schiedsklauseln möglich.<br />

10.3.1 Im Rahmen des IPRG<br />

Im Bereich der ehelichen Unterhaltspfl icht – als vermögensrechtlichem<br />

Anspruch – kann die Zuständigkeit eines Ge-<br />

67 Hausheer/Steck (FN 1), 937.<br />

68 Hausheer/Steck (FN 1), 937.<br />

69 BGE 119 II 167 ff., 171; BSK IPRG-Courvoisier (FN 15),<br />

Art. 49 N 22.<br />

70 BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 49 N 19.<br />

71 Vgl. vorne Ziff. 4.2.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 313 10.3.2009 9:12:15 Uhr<br />

313


314<br />

Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />

richtes für einen bestehenden oder einen künftigen Rechtsstreit<br />

zunächst kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung<br />

durch eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 IPRG<br />

oder durch Einlassung (Art. 6 IPRG) begründet werden;<br />

Schiedsvereinbarungen sind gestützt auf Art. 7 IPRG zulässig.<br />

Diese Dispositionsbefugnis wird als problematisch<br />

erachtet, weil wichtige gesetzgeberische Anliegen (rascher<br />

Rechtsschutz zu Gunsten des klagenden Gatten durch Schaffung<br />

des Klägergerichtsstandes nach Art. 15 Abs. 1 GestG,<br />

Aufgabe der Koordination der personen-, kindes- und vermögensrechtlichen<br />

Wirkungen der Ehe, zweifelhafte Befugnis<br />

eines Schiedsgerichtes zur Anordnung von Vollstreckungsmassnahmen<br />

gemäss Art. 177 f. ZGB) dadurch unterlaufen<br />

werden könnten. 72<br />

10.3.2 Im Bereich des LugÜ<br />

Das LugÜ bietet Parteien, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat<br />

haben, für «Unterhaltssachen» neben dem allgemeinen<br />

Gerichtsstand des Art. 2 LugÜ am Wohnsitz des Beklagten<br />

eine besondere Zuständigkeit vor dem Gericht des<br />

Ortes, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz<br />

oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, an (Art. 5 Ziff. 2<br />

LugÜ).<br />

Gemäss Art. 17 LugÜ können Parteien, von denen mindestens<br />

eine ihren Wohnsitz in einem Vertragstaat hat, nicht<br />

nur über eine bereits entstandene, sondern auch über zukünftige<br />

aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende<br />

Rechtsstreitigkeiten Vereinbarungen über die Zuständigkeit<br />

abschliessen. Dies gilt auch für Unterhaltsvereinbarungen<br />

zwischen Ehegatten, gehören diese doch nicht zu den in<br />

Art. 16 LugÜ bezeichneten Klagen, bezüglich welcher eine<br />

Prorogation unzulässig ist. 73<br />

Im Resultat sind Gerichtsstandsvereinbarungen und<br />

Schiedsklauseln daher zwar nicht im innerstaatlichen Bereich,<br />

wohl aber im internationalen Verhältnis zulässig, was<br />

planerische Möglichkeiten eröffnet, wenn und solange mindestens<br />

ein Ehegatte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen<br />

Aufenthalt in einem Vertragsstaat behält.<br />

11. Vorausvereinbarungen über den<br />

nachehelichen Unterhalt<br />

11.1 Im innerstaatlichen Verhältnis<br />

Einmal abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken zur<br />

Bindungswirkung von Vorauskonventionen 74 tendiert die<br />

neuere und neueste Lehre mehr oder weniger eindeutig dazu,<br />

deren Wirksamkeit und Zulässigkeit schon mit Blick auf das<br />

72 BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 46 N 25.<br />

73 BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 46 N 31, m.w.H.<br />

74 Vgl. vorne Ziff. 3.2.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Verbot übermässiger Bindung gemäss Art. 27 Abs. 2 ZGB<br />

zu verneinen, weil es dabei «um das Übermass an Bindung<br />

in eine ungewisse Zukunft hinein und damit um einen nicht<br />

hinnehmbaren Verlust an unverzichtbarer Gestaltungsfreiheit»<br />

geht. Denn: «Zentral ist im Zusammenhang mit einer<br />

scheidungsunabhängig eingegangenen Scheidungsfolgenvereinbarung<br />

die Ungewissheit darüber, auf was man gegenüber<br />

dem in der Zukunft liegenden gesetzlichen Scheidungsunterhalt<br />

verzichtet hat.» 75 Darüber hinaus dürften<br />

insbesondere jene Scheidungskonventionen auf Vorrat, die<br />

ohne konkreten Scheidungshintergrund und Jahre zum Voraus<br />

abgeschlossen worden sind, dann einen (sich grundsätzlich<br />

nur zurückhaltend anbietenden) Anwendungsfall der auf<br />

Art. 2 ZGB abgestützten clausula rebus sic stantibus darstellen,<br />

wenn die ursprünglich vereinbarten Unterhaltsbeiträge<br />

durch nachträgliche, nicht voraussehbare Umstände in einem<br />

derart offenbaren Missverhältnis zu jenen stehen, die zur Zeit<br />

des Scheidungsurteils zugesprochen werden würden oder<br />

müssten, dass das Beharren des unterhaltspfl ichtigen Ehegatten<br />

auf den vertraglich vereinbarten Unterhaltsbeiträgen als<br />

rechtsmissbräuchlich erscheint.<br />

Da hilft auch die z.T. widersprüchliche Praxis des Bundesgerichtes<br />

76 nicht weiter. Bleibt es im Resultat dabei, dass<br />

bereits Scheidungsvereinbarungen, die im Vorfeld einer<br />

Scheidung oder im Rahmen von Art. 111 ZGB abgeschlossen<br />

wurden, bis zur Bestätigung durch die Parteien nach Ablauf<br />

der Bedenkfrist bzw. bis zur gerichtlichen Genehmigung<br />

keine Bindungswirkung entfalten, 77 so gilt dies nach dem<br />

Gesagten insbesondere für Vorausscheidungskonventionen<br />

ohne konkreten Scheidungshorizont. Darauf sind die immer<br />

zahlreicheren Klienten, die aufgrund ihres Bedürfnisses nach<br />

möglichst nachhaltiger Lebensplanung eine Scheidungskonvention<br />

auf Vorrat mit Regelung des (ehelichen oder) nachehelichen<br />

Unterhaltes nachfragen, in der anwaltlichen Beratungspraxis<br />

mit aller Deutlichkeit hinzuweisen.<br />

11.2 Zuständigkeit<br />

Im Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens<br />

kann für die Beurteilung von ehelichen und nachehelichen<br />

Unterhaltsansprüchen gemäss Art. 17 LugÜ eine Vereinbarung<br />

über die Zuständigkeit abgeschlossen werden (womit<br />

eine Differenz zum innerstaatlichen Recht besteht, wo Gerichtstandsvereinbarungen<br />

im Bereich des Eherechtes nicht<br />

zulässig sind). 78 Wird über den Unterhalt in einem Scheidungsverfahren<br />

entschieden, ist nach Art. 5 Ziff. 2 LugÜ<br />

auch dasjenige Gericht kompetent, welches nach seinem<br />

Recht für dieses Verfahren zuständig ist (es sei denn, diese<br />

75 Hausheer/Steck (FN 1), 956, 922 mit Hinweisen; insbes.<br />

auch Geiser (FN 9), z.B. 233.<br />

76 Vgl. dazu Hausheer/Steck (FN 1), 957 f.<br />

77 Vgl. vorne Ziff. 3.2.3.<br />

78 Karl Spühler/Dominik Vock, Gerichtsstandsgesetz (GestG),<br />

Zürich 2000, Art. 15 N 2.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 314 10.3.2009 9:12:15 Uhr


Zuständigkeit beruhe einzig auf der Staatsangehörigkeit einer<br />

der Parteien). Von Bedeutung ist, dass die Einrede der<br />

Rechtshängigkeit gemäss Art. 21 LugÜ dazu führt, dass der<br />

schweizerische Scheidungsrichter das Verfahren betreffend<br />

die Unterhaltsklage auszusetzen beziehungsweise sich unzuständig<br />

zu erklären hat, wenn sie – etwa gestützt auf eine Gerichtsstandsvereinbarung<br />

– in einem anderen Vertragsstaat<br />

früher anhängig gemacht worden ist und die Zuständigkeit<br />

des zuerst angerufenen Gerichtes feststeht. 79<br />

Allerdings muss sorgfältig überprüft werden, welche Auswirkungen<br />

eine Gerichtsstandsvereinbarung auf das auf den<br />

nachehelichen Unterhalt zur Anwendung gelangende Recht<br />

haben wird: Das prioritär (also vor Rechtshängigkeit eines<br />

schweizerischen Scheidungsverfahrens) aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung<br />

nach Art. 17 LugÜ angerufene<br />

ausländische Gericht wird nicht das auf die Ehescheidung<br />

anzuwendende Recht gemäss Art. 8 HUntÜ anwenden, sondern<br />

wird diesfalls nach den Art. 4 bis 6 HUntÜ anknüpfen.<br />

Primär untersteht damit der Unterhaltsanspruch dem Recht<br />

des Staates, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen<br />

Aufenthalt hat (Art. 4 HUntÜ), subsidiär ist das<br />

gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten anzuwenden (Art. 5<br />

HUntÜ) und subsubsidiär gelangt die lex fori zur Anwendung.<br />

80 Es kann mithin sehr wohl sein, dass das nach Art. 4<br />

bis 6 HUntÜ zu bestimmende Recht letztlich jenes ist, welches<br />

gemäss Art. 8 HUntÜ auf die Ehescheidung anzuwenden<br />

ist, womit in der Sache nichts gewonnen wird.<br />

11.3 Rechtswahl<br />

Im Bereich des in der Schweiz erga omnes angewendeten<br />

HUntÜ besteht keine Rechtswahlmöglichkeit. Der nacheheliche<br />

Unterhalt des berechtigten Ehegatten folgt nach<br />

Art. 8 HUntÜ dem auf die Scheidung angewandten Recht.<br />

Art. 8 HUntÜ gilt in den Vertragsstaaten auch für alle künftigen<br />

Änderungen von Unterhaltsentscheiden; das Scheidungsstatut<br />

bleibt damit auf Jahre hinaus massgebend für<br />

die Regelung und Anpassung des Unterhaltes zwischen den<br />

geschiedenen Ehegatten. 81 Gewährt das von Art. 8 HUntÜ<br />

bestimmte Recht dem geschiedenen Ehegatten keinen Unterhaltsanspruch,<br />

bleibt es – unter Vorbehalt des ordre public<br />

nach Art. 11 Abs. 1 HUntÜ – bei diesem Ergebnis. Gemäss<br />

dem ausdrücklichen Wortlaut der Bestimmung gilt die für<br />

solche Fälle vorgesehene Stufenanknüpfung gemäss Art. 4<br />

bis 6 HUntÜ nicht für den nachehelichen Unterhalt. 82<br />

Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Wegen dieser Koppelung von Unterhaltsrecht und Scheidungsstatut<br />

ist genau zu überlegen, ob die Scheidung nach<br />

Art. 61 Abs. 1 IPRG dem schweizerischen oder nach Art. 61<br />

Abs. 2 IPRG dem gemeinsamen ausländischen Heimatrecht<br />

untersteht. Allenfalls kann es auch von Interesse sein, die<br />

Scheidungsklage im Ausland einzureichen, wenn dort der<br />

Unterhalt nach der Scheidung einem andern Recht untersteht.<br />

83<br />

12. Das Rechtsmissbrauchverbot als<br />

Rettungsanker der Vorausvereinbarungen?<br />

Setzt sich eine Partei, die irrtumsfrei und in voller Kenntnis<br />

aller relevanten Umstände in einer «Scheidungsvereinbarung<br />

auf Vorrat» beispielsweise auf nachehelichen Unterhalt<br />

und den Vorsorgeausgleich verzichtet hat, dem Vorwurf des<br />

Rechtsmissbrauches aus, wenn sie sich später im konkreten<br />

Scheidungsverfahren bei ihrem Verzicht nicht mehr behaften<br />

lassen will?<br />

Das Bundesgericht hat am 4. Februar 2008 (BGE 5A_<br />

623/2007 E. 4.2) einer solchen Betrachtungsweise eine klare<br />

Abfuhr erteilt: «Im Widerspruch zwischen der Zustimmung<br />

zu einer Vereinbarung und der nachträglichen Geltendmachung<br />

ihrer Ungültigkeit unter Berufung auf zwingendes<br />

Recht ist nur dann ein Rechtsmissbrauch zu erblicken, wenn<br />

zusätzlich besondere Umstände gegeben sind. Solche Umstände<br />

können vorliegen, wenn diejenige Partei sich auf<br />

zwingendes Recht beruft, welche die dagegen verstossende<br />

Vereinbarung in eigenem Interesse und in Kenntnis ihrer<br />

Unzulässigkeit selber vorgeschlagen und damit beim Rechtserwerb<br />

unredlich gehandelt hat. Besondere Umstände, welche<br />

die Berufung auf zwingendes Recht als missbräuchlich<br />

erscheinen lassen, sind auch zu bejahen, wenn die von der<br />

angerufenen Norm zu schützenden Interessen entfallen oder<br />

sonst wie gewahrt wurden oder wenn die Partei mit der Geltendmachung<br />

der Nichtigkeit der Vereinbarung derart lange<br />

zuwartet, dass der andern Partei dadurch verunmöglicht wurde,<br />

ihre eigenen Interessen zu wahren.»<br />

Das Bundesgericht hat diese Grundsätze im Zusammenhang<br />

mit einem zum Voraus vereinbarten Verzicht auf den<br />

Vorsorgeausgleich für anwendbar erklärt, weil nicht allein<br />

der Schutz des Ehegatten, sondern auch das öffentliche Interesse<br />

an der Sicherstellung einer angemessenen Alters-, Invaliden-<br />

und Hinterlassenenvorsorge in Frage steht. Mutatis<br />

mutandis gilt dies auch für den nachehelichen Unterhalt, wo<br />

ein gänzlicher oder teilweiser Verzicht zu einer Fürsorgeabhängigkeit<br />

führen kann, die ebensowenig im öffentlichen<br />

Interesse liegt. Auch wenn das Bundesgericht einen offenbaren<br />

Rechtsmissbrauch nicht völlig ausschliessen will, dürfte<br />

79 Andreas Bucher, Internationales Scheidungsrecht in der Praxis,<br />

in: Ingeborg Schwenzer/Andrea Büchler (Hrsg.), Vierte<br />

Schweizer Familienrechtstage: 31. Januar/1. Februar 2008 in<br />

Zürich, Bd. 10, Bern 2008, 48.<br />

80 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspfl ichten anzuwendende<br />

Recht vom 2.10.1973, SR 0.211.213.01. Vgl. im<br />

Einzelnen BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 49 N 10 ff.<br />

81 Bucher (FN 79), 51.<br />

82 BSK IPRG-Bopp (FN 14), Art. 63 N 14. 83 Andreas Bucher (FN 79), 51.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 315 10.3.2009 9:12:16 Uhr<br />

315


316<br />

Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />

gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB die Rettung einer Vorauskonvention<br />

auf diesem Wege kaum je zu erreichen sein.<br />

13. Ausweichen auf eine dem Gericht<br />

nicht vorgelegte Zusatzvereinbarung<br />

als Ausweg?<br />

Eine Zusatzvereinbarung (in der Praxis oft «Side Letter» genannt),<br />

die vor rechtskräftiger Scheidung abgeschlossen und<br />

die dem Gericht zur Genehmigung vorgelegte Scheidungsvereinbarung<br />

abändert, ergänzt oder aufhebt, ist nur dann<br />

verbindlich, wenn sie von den Parteien nach eingetretener<br />

Rechtskraft neu bestätigt wird. 84<br />

Erfolgt keine nachträgliche Bestätigung, geht der Zusatzvereinbarung<br />

jegliche Wirksamkeit ab. Angesichts dieser<br />

Unsicherheit handelt es sich auch hierbei um kein verlässliches<br />

Planungsinstrument.<br />

14. Sich gegenseitig bedingende ehe-,<br />

erbvertragliche und scheidungsrechtliche<br />

Abmachungen als Lösung?<br />

Arnaud Philippe 85 schlägt vor, die «fragile» Scheidungsvereinbarung<br />

auf Vorrat in der Weise mit einer erbvertraglichen<br />

Begünstigung zu verbinden, dass letztere nur dann<br />

gelten soll, wenn die Scheidung gestützt auf die beidseits bestätigte<br />

Vorauskonvention ausgesprochen wird. Oder es wird<br />

eine ehevertraglich vereinbarte Gütertrennung mit einem<br />

Schenkungsversprechen für den Fall der Aufl ösung der Ehe<br />

durch Scheidung ergänzt, welches an die weitere Bedingung<br />

geknüpft wird, dass die Vorauskonvention bestätigt wird. 86<br />

Bei solchen Konstruktionen ist allerdings der Entscheid<br />

vom 4. Dezember 20<strong>03</strong> (BGE 5C.114/20<strong>03</strong>) zu bedenken,<br />

wo – wie erwähnt – das Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerkes,<br />

das insgesamt der richterlichen Genehmigungspfl<br />

icht unterliegt, nur deshalb verneint wurde, weil nicht ge-<br />

84 BGE 127 III 357, insbesondere 361 lit. c; Walter Bühler/<br />

Karl Spühler, in: Arthur Meier-Hayoz (Hrsg.), Berner Kommentar.<br />

Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Familienrecht/Die<br />

Ehescheidung. Art. 137–158 ZGB, Bern 1986,<br />

Art. 158 aZGB N 166 ff.; Thomas Sutter/Dieter Freiburghaus,<br />

Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999,<br />

Art. 140 ZGB N 9; wobei nach der hier vertretenen Meinung<br />

der nachträgliche Verzicht nicht genehmigungsbedürftig ist<br />

[was von Marcel Leuenberger/Ingeborg Schwenzer,<br />

in: Ingeborg Schwenzer (Hrsg.), Familienrechts-Kommentar<br />

Scheidung, 2. A., Bern 2005, Art. 140 N 8 postuliert wird].<br />

85 Arnaud Philippe, Planifi cation du divorce et conventions,<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 2007, 1241 ff.<br />

86 Vgl. vorne Ziff. 8.1.4 sowie den Formulierungsvorschlag<br />

Ziff. 17.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

sagt werden konnte, «die Verträge seien derart miteinander<br />

verknüpft, dass einer von dem andern abhängig sei». Stehen<br />

mithin verschiedene Verträge in einem Bedingungs- und<br />

Abhängigkeitsverhältnis, dann riskieren die Parteien, dass<br />

auch der Erbvertrag und/oder andere ehevertragliche oder<br />

obligationenrechtliche Rechtsgeschäfte in die Angemessenheitsprüfung<br />

einbezogen werden, was sonst nicht der Fall<br />

wäre. Diesen Zusammenhängen ist durch eine sorgfältige<br />

Formulierung und gegebenenfalls durch eine Redaktion der<br />

einzelnen Verträge in verschiedenen Dokumenten Rechnung<br />

zu tragen.<br />

15. «Ehe light» – vertragliche Gestaltung<br />

einer nichtehelichen Gemeinschaft<br />

als Alternative?<br />

Angesichts der erheblichen rechtlichen und ökonomischen<br />

Risiken, die ein Paar – bereits mit der Eheschliessung an<br />

sich, aber auch – mit dem Abschluss von Vorausvereinbarungen<br />

bezüglich der Scheidungsfolgen eingeht, mag die<br />

Begründung oder Fortdauer einer nichtehelichen Gemeinschaft<br />

für jenen Partner, den die wirtschaftlichen Folgen einer<br />

Trennung oder Scheidung stärker belasten, auf den ersten<br />

Blick als verlockend erscheinen. Die Nachteile gegenüber<br />

der Ehe sind indessen evident; dies trifft etwa hinsichtlich<br />

der Elternrechte, der hohen Steuerfolgen bei Schenkungen<br />

und erbrechtlichen Zuwendungen an den Partner, aber auch<br />

in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht zu. Zudem bietet<br />

auch die Liquidation eines Konkubinates immer wieder juristische<br />

Knacknüsse und vermögensrechtliche Risiken, die<br />

im Bewusstsein der Partner der nichtehelichen Gemeinschaft<br />

nur in den wenigsten Fällen verankert sind.<br />

Mit Blick auf die Begründung vertraglicher Vereinbarungen<br />

– z.B. die Verpfl ichtung zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen<br />

an den anderen Partner – ist auch hier das Verbot<br />

übermässiger Bindung nach Art. 27 ZGB zu beachten.<br />

Im Schatten dieser Bestimmung stehen nicht nur etwa die<br />

Verpfl ichtung zur Aufrechterhaltung oder Fortsetzung der<br />

Beziehung, sondern auch jene zur Zahlung einer Entschädigung<br />

bei Aufl ösung der nichtehelichen Gemeinschaft, so<br />

dass eine Verpfl ichtung zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen<br />

ausserhalb einer Ehe höchstens nur sehr beschränkt vereinbart<br />

werden kann. 87 Mangels gesetzlicher Grundlage für den<br />

«vertraglichen» Unterhaltsanspruch gelten die Regeln des<br />

Schenkungsversprechens; auch steuerlich werden entsprechende<br />

Leistungen als Schenkung qualifi ziert.<br />

Ob vor dem Hintergrund dieser Problematik die vertragliche<br />

Gestaltung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der<br />

Ehe vorzuziehen ist, wird von den betroffenen Paaren jeweils<br />

einzeln und sorgfältig abzuwägen sein.<br />

87 Vgl. zum Ganzen Hausheer/Geiser/Aebi-Müller (FN 64),<br />

Rz <strong>03</strong>.25, Rz <strong>03</strong>.28 ff.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 316 10.3.2009 9:12:16 Uhr


16. Ergebnis<br />

16.1 Die Ausbeute der Untersuchung ist bescheiden: Abgesehen<br />

von ehevertraglichen Dispositionen, die – vorab im internationalen<br />

Verhältnis – möglicherweise mit Schiedsklauseln<br />

oder Zuständigkeitsvereinbarungen verstärkt werden<br />

können, Einigungen über die güterrechtliche Auseinandersetzung<br />

ohne konkrete Scheidungsabsicht sowie erbvertraglichen<br />

Vereinbarungen bleibt wenig, was im Rahmen einer<br />

Scheidungsvereinbarung auf Vorrat mit Bindungswirkung<br />

zuverlässig vereinbart werden kann.<br />

16.2 Ergeben sich daraus rechtspolitische Forderungen de<br />

lege ferenda – etwa in dem Sinne, dass nicht nur Ehegatten,<br />

die vor einer Zweit- oder Drittehe stehen, sondern auch<br />

solchen, die ihre erste Ehe eingehen, eine vermehrte scheidungsrechtliche<br />

Planungssicherheit eingeräumt werden soll?<br />

Naturgemäss würde dies in der täglichen Beratungsarbeit<br />

neue und faszinierende Facetten ermöglichen. Aber würde in<br />

der Sache selbst etwas gewonnen? Hausheer/Steck haben<br />

mit Blick auf die Rechtslage in Deutschland überzeugend<br />

nachgewiesen, dass eine mehr oder weniger uneingeschränkt<br />

zugelassene Privatautonomie (sich im Extremfall äussernd<br />

im bekannten «Dreierpack», nämlich: Vereinbarung des<br />

Güterstandes der Gütertrennung, beidseitiger Verzicht auf<br />

Vorsorgeausgleich und beidseitiger Unterhaltsverzicht) 88<br />

zwangsläufi g zu einer gerichtlichen Nachkontrolle führen<br />

muss. Diese kann dazu führen, dass – je nach der im Scheidungszeitpunkt<br />

rückwirkend erfolgenden Beurteilung der<br />

konkreten Umstände beim Abschluss des fraglichen Ehevertrages<br />

– die Wahl der Gütertrennung, der Ausschluss des<br />

Versorgungsausgleiches und der Verzicht auf nachehelichen<br />

Unterhalt – von allem Anfang schon sittenwidrig und damit<br />

rechtlich gar nie verbindlich geworden ist. 89 Eine solche<br />

nachträgliche umfassende Inhaltskontrolle trägt indessen<br />

die Gefahr in sich, dass die Planungssicherheit dort, wo sie<br />

heute noch besteht (nämlich insbesondere in ehe- und erbvertraglicher<br />

Hinsicht), dahinfällt. Mit Hausheer/Steck ist<br />

deshalb davon auszugehen, dass das mit der Scheidung auf<br />

gemeinsames Begehren verbundene Erfordernis der Bestätigung<br />

einer rechtsgeschäftlichen Scheidungsfolgenregelung<br />

(zu welchem Zeitpunkt auch immer sie abgeschlossen wurde)<br />

und «die gerichtlich auf «offensichtliche Unbilligkeit»<br />

hin gebändigte Privatautonomie» zwar nicht zur besten aller<br />

denkbaren Scheidungsfolgenregelungen führen mögen; sie<br />

verdient aber gegenüber einer (nur vordergründig!) erweiterten<br />

Privatautonomie, deren Kehrseite eine «vollumfassende»<br />

und «griffi ge» Gerichtskontrolle im Scheidungszeitpunkt<br />

darstellt, dennoch klar den Vorzug. 90<br />

16.3 Aufschlussreich ist ein Blick auf die Rechtslage in<br />

England (und den meisten Teilstaaten der USA). Als Vor-<br />

88 Schwenzer (FN 4), 5.<br />

89 Hausheer/Steck (FN 1), 954.<br />

90 Hausheer/Steck (FN 1), 958.<br />

Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

aussetzungen, die eine Verbindlichkeit von «pre-nuptial<br />

agreements» unterstützen können und daher zu beachten<br />

sind, werden etwa genannt: «At present, full fi nancial disclosure<br />

is required together with independent legal advice. The<br />

pre-nup should be signed ideally at least 21 days before the<br />

marriage. The most diffi cult test is that the terms of the prenup<br />

must be fair in the eyes of the judge at the time of the<br />

divorce.» 91 Angesichts der darin zum Ausdruck kommenden<br />

Unwägbarkeiten können wir uns über die ehevertraglichen<br />

Planungsinstrumente, die uns hierzulande zur Verfügung stehen,<br />

nur freuen.<br />

17. Formulierungsvorschläge für<br />

Scheidungskonventionen auf Vorrat<br />

17.1 Die beste «Garantie» dafür, dass eine Scheidungsvereinbarung<br />

zum Voraus nach Jahr und Tag von beiden Ehegatten<br />

bestätigt wird, liegt nicht in der Anwendung möglichst<br />

ausgeklügelter juristischer Formulierungskniffe, sondern<br />

darin, dass die Vereinbarung mit Blick auf das spezielle Gepräge<br />

dieser Ehe die legitimen Interessen beider Ehegatten<br />

wahrt. Wer demgegenüber gestützt auf eine ursprüngliche<br />

Verhandlungsmacht ein für ihn «vorteilhaftes» Ergebnis<br />

(etwa die voreheliche Vereinbarung der Gütertrennung, verbunden<br />

mit einem Erbverzicht o.ä.) durchsetzen kann, erzielt<br />

oft nur einen Pyrrhussieg. Die solchen Vertragswerken immanente<br />

Ungerechtigkeit kann eine erhebliche Sprengkraft<br />

entfalten und – wie in der Praxis mehrfach zu beobachten<br />

ist – letztlich eine wesentliche (Mit-) Ursache für das Scheitern<br />

einer Ehe sein. Dass sich gewisse fi nanzielle Vorteile<br />

sichern liessen, dürfte dann ein schwacher Trost für denjenigen<br />

sein, der den Ehepartner, «Haus und Herd» (und meist<br />

auch noch die Kinder) verloren hat.<br />

17.2 Da einer Vorauskonvention, die ohne konkreten Scheidungshorizont<br />

und damit in eine ungewisse Zukunft hinein<br />

abgeschlossen worden ist, bekanntlich das Verbot übermässiger<br />

Bindung des Art. 27 Abs. 2 ZGB oder gar Art. 2 ZGB<br />

entgegenstehen kann – zumal im Falle eines vollständigen<br />

oder wesentlichen Verzichtes auf nachehelichen Unterhalt –<br />

dürften am ehesten jene Konventionen auf Vorrat Chancen<br />

haben, einer richterlichen Überprüfung stand zu halten, welchen<br />

besonders gute wirtschaftliche Verhältnisse zugrunde<br />

liegen. 92 Mit anderen Worten ist der Einsatzbereich von<br />

Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat eher im Bereich ausgesprochen<br />

gehobener Verhältnisse anzusiedeln, etwa dort, wo<br />

eine substantielle Kapitalabfi ndung für nachehelichen Unterhalt<br />

geleistet oder sonst für eine komfortable Eigenversorgungskapazität<br />

der berechtigten Partei gesorgt wird. Damit<br />

kann zwar möglicherweise nicht mehr die bisherige – sehr<br />

gehobene – Lebenshaltung fortgesetzt werden, aber es ist<br />

91 Withers LLB, Family News, February 2008.<br />

92 Vgl. dazu Hausheer/Steck (FN 1), 955 f.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 317 10.3.2009 9:12:16 Uhr<br />

317


318<br />

Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />

immer noch ein Standard gewährleistet, der unter dem Gesichtspunkt<br />

von Art. 140 ZGB unbenklich ist. In «normalen»<br />

oder gar beengten Verhältnissen wird eine Abweichung von<br />

den in Art. 125 ZGB normierten Grundsätzen demgegenüber<br />

eher auf das Verdikt «offensichtlicher Unangemessenheit»<br />

treffen als in luxuriöseren Verhältnissen.<br />

17.3 Dass bei der Beratung auf die teilweise eingeschränkte<br />

Bindungswirkung der nachstehenden Bestimmungen, bei<br />

welchen es sich naturgemäss oftmals nicht um mehr als<br />

rechtlich unverbindliche Absichtserklärungen handeln kann,<br />

ausdrücklich (und im Interesse der Vermeidung späterer<br />

Haftpfl ichtansprüche: schriftlich!) hinzuweisen ist, wurde<br />

bereits mehrmals betont.<br />

17.4 Formulierungsvorschläge<br />

(Die nachstehenden Vorschläge dienen ausschliesslich Informationszwecken;<br />

sie enthalten keinerlei Rechtsauskünfte,<br />

und die Autoren lehnen jede Haftbarkeit aus diesen ab.)<br />

Öffentliche Beurkundung<br />

Ehevertrag sowie Vereinbarung über die Folgen einer<br />

allfälligen Trennung oder Scheidung<br />

zwischen<br />

XX<br />

und<br />

YY<br />

1. Teil: Absicht der Ehegatten und Feststellungen<br />

A. Feststellungen<br />

1. Die Ehegatten haben am ………… in ………… geheiratet.<br />

2. Aus ihrer Ehe sind … Kinder hervorgegangen, nämlich<br />

– ……, geb. …………,<br />

– ……, geb. …………<br />

3. Die Ehegatten leben im gemeinsamen Haushalt in<br />

……………………<br />

4. Die Ehegatten leben unter dem Güterstand der ………… Der<br />

ausserordentliche Güterstand der Gütertrennung ist nicht eingetreten.<br />

B. Absicht<br />

In der Absicht und im Bestreben, unter allen Umständen allfällige<br />

eheliche Konfl ikte einvernehmlich zu lösen, vereinbaren die Ehegatten<br />

bereits jetzt, was im Falle einer Trennung oder Scheidung<br />

ihrer Ehe gelten soll.<br />

Sie lassen sich dabei insbesondere von der Erkenntnis leiten,<br />

dass negative Auswirkungen eines Scheiterns ihrer Ehe für die aus<br />

ihrer Ehe hervorgegangenen Kinder dann am geringsten sind, wenn<br />

sich die Eltern über sämtliche Nebenfolgen einer allfälligen Trennung<br />

oder Scheidung verständigen und ein strittiges gerichtliches<br />

Verfahren vermieden werden kann.<br />

C. Gegenseitige Information über die fi nanziellen Verhältnisse<br />

1. Die Parteien schliessen diese Vereinbarung in Kenntnis der gegebenen<br />

fi nanziellen Bemessungsfaktoren, insbesondere in Kenntnis<br />

der beidseits vorhandenen Vermögen und Einkünfte sowie der<br />

Lebenshaltungskosten der Familie.<br />

2. Jede Partei hat diesen Vertrag eingehend studiert und ist sich<br />

über den Inhalt und dessen Tragweite vollständig im Klaren. Die<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Zustimmung erfolgt nach reifl icher Überlegung und frei von jeder<br />

ungebührlichen Beeinfl ussung durch den anderen Ehegatten.<br />

3. Die Parteien haben sich überdies je einzeln durch rechtskundige<br />

Personen ihrer Wahl und ihres Vertrauens über Inhalt, Tragweite<br />

und Verbindlichkeit dieser Vereinbarung aufklären lassen.<br />

4. Die Parteien bestätigen, dass ihnen der vorliegende Vertragstext<br />

in allen wesentlichen Teilen mindestens drei Wochen vor Unterzeichnung<br />

dieser Vereinbarung bzw. vor der Eheschliessung vorlag.<br />

Kommentar: Diese Bestimmungen sind vor allem wichtig, wenn<br />

nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Vertragswerk einem<br />

Gericht des angelsächsischen Rechtskreises vorgelegt werden muss.<br />

Unabhängig davon wird die Vereinbarung durch spätere Einwendungen<br />

einer Partei auch bei einem schweizerischen Gerichtsverfahren<br />

weniger gefährdet, wenn die massgebenden unterhalts- und<br />

vermögensrechtlichen Bemessungsfaktoren offen gelegt (und allenfalls<br />

in einem Annex dokumentiert) werden und sich die Parteien je<br />

unabhängig über Inhalt und Tragweite der Vereinbarung aufklären<br />

liessen. Mit Blick auf die der Urkundsperson obliegenden Aufklärungspfl<br />

icht ist stets eine öffentliche Beurkundung zu prüfen, auch<br />

wenn dies wegen Fehlens ehe- und/oder erbvertraglicher Bestimmungen<br />

nicht notwendig sein sollte.<br />

D. Verhältnis der heute eingegangenen Vereinbarung zu von<br />

den Parteien früher abgeschlossenen Verträgen<br />

(Sofern solche Vereinbarungen existieren, ist zu klären, in welchem<br />

Verhältnis sie zur Vorauskonvention stehen.)<br />

2. Teil: Ehevertragliche Vereinbarungen<br />

Kommentar: Der Ehevertrag ist hier der Einfachheit halber in die<br />

Vorauskonvention integriert worden. In jedem Fall ist aber unter<br />

Berücksichtigung der Überlegungen unter Ziffer 14 zu entscheiden,<br />

ob der Ehevertrag und die Vorauskonvention nicht in separaten Dokumenten<br />

stipuliert werden sollten.<br />

A. Rechtswahl<br />

1. Wir unterstellen unsere güterrechtlichen Verhältnisse im Sinne<br />

von Art. 52 f. IPRG dem schweizerischen Recht. Diese Rechtswahl<br />

bleibt gemäss Art. 53 Abs. 3 IPRG bestehen, wenn wir unseren<br />

Wohnsitz ins Ausland verlegen.<br />

2. Wir sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass wir bei einer<br />

Verlegung unseres Wohnsitzes ins Ausland selber abklären müssen,<br />

ob die vorstehenden Rechtswahlerklärungen und die nachstehenden<br />

Vereinbarungen nach Massgabe unseres neuen Wohnsitzrechtes<br />

gültig bleibt.<br />

B. Gerichtstands- oder Schiedsgerichtsvereinbarung<br />

(siehe vorne unter Ziff. 8.2.2)<br />

Variante 1<br />

C. Vereinbarung eines neuen Güterstandes<br />

1. Wir heben den bisherigen Güterstand auf und begründen rückwirkend<br />

auf den Beginn unserer Ehe als unseren Güterstand die<br />

Gütertrennung im Sinne von Art. 247 ff.<br />

des schweizerischen Zivilgesetzbuches.<br />

Die Gütertrennung bezieht sich auf das gesamte Vermögen beider<br />

Ehegatten, einschliesslich des später durch Erbgang, Schenkung<br />

usw. anfallenden Vermögens, sowie auf die Einkünfte aus Vermögen<br />

und den Erwerb aus Arbeit.<br />

Innerhalb der gesetzlichen Schranken verwaltet und nutzt jeder<br />

Ehepartner sein Vermögen und verfügt darüber. Jeder Gatte haftet<br />

für seine eigenen Schulden.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 318 10.3.2009 9:12:17 Uhr


2. Art. 248 ZGB ist uns bekannt. Danach hat derjenige, der behauptet,<br />

ein bestimmter Vermögenswert sei sein Eigentum, dies zu<br />

beweisen (beispielsweise mit auf seinen Namen lautenden Rechnungen,<br />

Quittungen, Bankbelegen o.ä.). Misslingt der Beweis, so<br />

wird von Gesetzes wegen Miteigentum beider Gatten vermutet.<br />

3. Ferner wissen wir, dass als Folge dieses Ehevertrages auf Gütertrennung<br />

die Gesetzesbestimmungen des ordentlichen Güterstandes<br />

der Errungenschaftsbeteiligung, beispielsweise über den Mehrwertanteil<br />

und die gegenseitige hälftige Vorschlagsbeteiligung, für<br />

uns nicht anwendbar sein werden.<br />

D. Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung<br />

Kommentar: Diese ist vorzunehmen in den Fällen, da der Vertrag<br />

nicht vor der Heirat abgeschlossen wurde oder wenn die Gütertrennung<br />

nicht auf den Zeitpunkt der Eheschliessung zurückwirkt.<br />

E. Schenkungsversprechen des Ehemannes<br />

1. Für den Fall, dass die Ehe der Parteien durch Scheidung oder<br />

Ungültigerklärung aufgelöst wird, erhält die Ehefrau – vollständig<br />

unabhängig von den Umständen, die zur Aufl ösung der Ehe geführt<br />

haben – für jedes volle Jahr, welches die Ehe gedauert hat,<br />

einen Betrag von CHF …… .–, mindestens jedoch CHF …… .–,<br />

maximal jedoch CHF …… .–, zahlbar innerhalb von zwei Arbeitstagen<br />

gegen den Nachweis des Eingangs der Bestätigung des anspruchsberechtigten<br />

Ehegatten gemäss Art. 111 Abs. 2 ZGB beim<br />

Scheidungsgericht, jedenfalls aber vor Eintritt der Rechtskraft des<br />

Scheidungsurteils.<br />

Kommentar: Vgl. Ziffer 8.1.4 zu den zu beachtenden steuerlichen<br />

Aspekten.<br />

2. Die vorstehenden Beträge beruhen auf dem Index der Konsumentenpreise<br />

vom … von … Punkten (Basis …… = 100 Punkte)<br />

und werden auf den Fälligkeitstermin hin an die Teuerung angepasst.<br />

3. Die Zahlungspfl icht des Ehemannes entfällt in denjenigen Kalenderjahren,<br />

in denen sein jährliches Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit<br />

und Vermögensertrag gemäss der jeweiligen Steuererklärung<br />

den Betrag von CHF …… .– nicht erreicht hat. Dieser<br />

Betrag unterliegt der Indexierung gemäss vorstehend Ziff. 2.<br />

4. Die Zahlungspfl icht des Ehemannes entfällt zudem ersatzlos,<br />

wenn die Ehefrau die Vereinbarung im 3. Teil (mit Ausnahme «Kinderbelange»<br />

gemäss lit. B) vor Gericht und nach Ablauf der Bedenkfrist<br />

des Art. 111 Abs. 2 ZGB nicht bestätigt, sie anfi cht oder<br />

andere Anträge bezüglich der Gestaltung der Nebenfolgen einer<br />

allfälligen Trennung oder Scheidung stellt.<br />

Kommentar: Vgl. zur Problematik eines Bedingungsverhältnisses<br />

zwischen Vorauskonvention und zusätzlichen Leistungen die Bemerkungen<br />

vorne unter Ziffer 14.<br />

Variante 2<br />

C. Ehevertragliche Modifi kation des ordentlichen<br />

Güterstandes<br />

Wir behalten den ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung<br />

im Sinne der Art. 196 ff. ZGB bei, vereinbaren aber die<br />

folgenden Modifi kationen:<br />

1. Sofern der Güterstand aus einem der in Art. 217 ZGB genannten<br />

Gründe aufgelöst wird, behält jeder Ehegatte seinen eigenen Vorschlag.<br />

Eine Beteiligung des anderen Ehegatten fi ndet ausdrücklich<br />

nicht statt.<br />

2. Sofern unsere Ehe durch den Tod eines Gatten aufgelöst wird,<br />

fällt die Gesamtsumme der Vorschläge beider Ehegatten an den<br />

überlebenden Ehegatten.<br />

Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

3. Teil: Vereinbarung über die Gestaltung der Nebenfolgen<br />

im Falle einer Trennung oder Scheidung in der Schweiz<br />

A. Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung dieser<br />

Vereinbarung im Falle einer Trennung oder Scheidung<br />

in der Schweiz<br />

1. Die Ehegatten werden ihre Vereinbarung betr. Aufhebung des gemeinsamen<br />

Haushaltes dem zuständigen Eheschutzrichter zur Vormerknahme<br />

bzw. Genehmigung vorlegen. Sofern ein Ehegatte diese<br />

Vereinbarung vor Gericht nicht bestätigt, ist der andere berechtigt,<br />

eine gerichtliche Regelung der Modalitäten des Getrenntlebens entsprechend<br />

dieser Vereinbarung zu beantragen.<br />

2.1 Die Eheleute wissen weiter, dass sie im Falle einer Scheidung<br />

ihre Vereinbarung zunächst anlässlich des gerichtlichen Anhörungstermins<br />

und anschliessend ein weiteres Mal nach Ablauf der<br />

zweimonatigen Bedenkfrist gemäss Art. 111 Abs. 2 ZGB bestätigen<br />

müssen. Die Ehegatten sichern sich verbindlich zu, die heute<br />

abgeschlossene Vereinbarung, die sie aus freiem Willen getroffen<br />

haben und an die sie sich gebunden erklären, in diesem Sinne zu<br />

bestätigen.<br />

2.2 Den Parteien ist weiter bekannt, dass ihre Vereinbarung der<br />

richterlichen Genehmigung im Sinne von Art. 140 ZGB bedarf,<br />

welche das Gericht dann ausspricht, wenn es sich davon überzeugt<br />

hat, dass die Vereinbarung klar, vollständig und nicht offensichtlich<br />

unangemessen ist.<br />

Die Parteien sichern sich weiter zu, dass sie gemeinsam um gerichtliche<br />

Genehmigung ihrer Scheidungsvereinbarung im Sinne<br />

von Art. 140 ZGB ersuchen werden, falls ein Scheidungsverfahren<br />

gestützt auf ein gemeinsames Scheidungsbegehren anhängig gemacht<br />

wird.<br />

2.3 Sofern ein Ehegatte entgegen dieser Abmachung die vorliegende<br />

Vereinbarung nicht bestätigt, ist der andere Ehegatte berechtigt,<br />

eine gerichtliche Regelung der scheidungsrechtlichen Nebenfolgen<br />

entsprechend dieser Vereinbarung zu beantragen.<br />

Kommentar: Die Parteien sind unmissverständlich darauf hinzuweisen,<br />

dass es sich um eine unverbindliche Absichtserklärung<br />

handelt. Eine Pfl icht, die Vereinbarung zu bestätigen, kann nicht<br />

wirksam vereinbart werden.<br />

B. Kinderbelange<br />

1. Elterliche Sorge<br />

Die Eltern vereinbaren, dass sie das Sorgerecht über ihre gemeinsamen<br />

Kinder auch nach der Scheidung gemeinsam ausüben werden.<br />

2. Wohnsitz der Kinder<br />

Die Kinder werden bei der Mutter wohnen und dort ihren zivilrechtlichen<br />

Wohnsitz haben.<br />

3. Betreuungszeiten<br />

Über die Betreuungszeiten werden sich die Ehegatten dannzumal<br />

auf einvernehmlicher Basis und unter Rücksichtnahme auf die Interessen<br />

und Bedürfnisse sämtlicher Familienmitglieder verständigen.<br />

4. Kinderunterhalt<br />

4.1 Der Vater verpfl ichtet sich, der Mutter an die Kosten des Unterhalts<br />

und der Erziehung je Kind, welches seinen Wohnsitz der<br />

Mutter hat, mit Wirkung ab dem ersten Tage desjenigen Monats, in<br />

welchem der gemeinsame Haushalt aufgehoben wird, bis zum dem<br />

Zeitpunkt, in welchem jedes Kind eine Erstausbildung ordentlicherweise<br />

abgeschlossen hat, mithin auch über die Mündigkeit hinaus,<br />

einen monatlichen, jeweils auf den Ersten eines jeden Monats zum<br />

Voraus zahlbaren und gerichtsüblich indexierten Unterhaltsbeitrag<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 319 10.3.2009 9:12:17 Uhr<br />

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320<br />

Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />

(zuzüglich Kinderzulagen, sondern der Vater solche bezieht) zu bezahlen,<br />

der<br />

– bei einem Kind 17 %;<br />

– bei zwei Kindern 27 %, sowie<br />

– bei drei Kindern insgesamt 35 %<br />

des vom Ehemann dannzumals erzielten Nettoeinkommens beträgt,<br />

maximal je Kind indessen CHF …… .– beträgt.<br />

Kommentar: Diese Regelung, die sich an der «Berner Praxis»<br />

orientiert und zugleich einen «Cap» vorsieht, dürfte mit Sicherheit<br />

genehmigungsfähig sein.<br />

4.2 Darüber hinaus übernimmt der Vater unter vollständiger Entlastung<br />

der Mutter sämtliche ausserordentlichen Auslagen für die Kinder<br />

(z.B. für Zahnkorrekturen, schulische Fördermassnahmen u.ä.)<br />

wie auch sämtliche mit dem Besuch von Privatschulen verbundenen<br />

Kosten, sofern er dazu vorgängig seine schriftliche Zustimmung erteilt<br />

hat. Wenn und solange ein Kind ein Internat besucht und unter<br />

der Woche nicht mehr bei der Mutter lebt, reduziert sich der monatliche<br />

Unterhaltsbeitrag gemäss Ziffer 4.1 auf Fr. … .– für dieses Kind.<br />

5. Information der Kinder<br />

Die Eltern werden die Gestaltung der zukünftigen Eltern-/Kindbeziehung<br />

bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes mit den Kindern<br />

besprechen.<br />

6. Abweichende Regelung und Vereinbarung eines<br />

Vermittlungsverfahrens<br />

6.1 Das Recht eines jeden Ehegatten, aus unter dem Gesichtspunkt<br />

des Kindeswohles beachtenswerten Gründen eine andere Gestaltung<br />

der Kinderbelange zu beantragen, bleibt von dieser Vereinbarung<br />

unberührt. Vorbehalten bleibt auch der Fall, dass ein Kind aus<br />

beachtenswerten Gründen eine andere Lösung, die dem Kindeswohl<br />

entspricht, wünscht. Die Eltern wissen, dass die Gestaltung<br />

der Kinderbelange der Untersuchungsmaxime unterliegt und das<br />

Gericht im Interesse des Kindeswohls Anordnungen treffen kann,<br />

die von der von ihnen getroffenen Vereinbarungen abweichen.<br />

6.2. Die Eltern werden bei allfälligen Schwierigkeiten im Zusammenhang<br />

mit den Kinderbelangen im Interesse der Kinder möglichst<br />

rasch eine Lösung suchen, und dies gegebenenfalls unter Beizug<br />

einer gemeinsam zu bestimmenden Drittperson, die sich über<br />

die erforderlichen Fachkenntnisse ausweist. Falls sie sich über die<br />

beizuziehende Fachperson nicht verständigen können, wird diese<br />

durch …… bestimmt.<br />

C. Güterrechtliche Auseinandersetzung<br />

1. Die Parteien unterstehen dem Güterstand der Gütertrennung<br />

(vgl. den 2. Teil dieser Vereinbarung). Eine güterrechtliche Auseinandersetzung<br />

entfällt damit.<br />

2. Den Hausrat und das Mobiliar werden die Parteien bei Aufhebung<br />

des gemeinsamen Haushaltes einvernehmlich aufteilen.<br />

D. Scheidungsrechtlicher Vorsorgeausgleich<br />

Die von den Ehegatten während der Ehe angesparten Vorsorgeguthaben<br />

sind (unter Berücksichtigung allfälliger Vorbezüge für<br />

die Finanzierung selbstbewohnten Wohneigentums oder allfälliger<br />

Einlagen, die nach dem Recht der Errungenschaftsbeteilung als Eigengut<br />

eines Ehegatten zu qualifi zieren sind) auf den Zeitpunkt einer<br />

allfälligen Scheidung hin zu aktualisieren. Die so festgestellten<br />

Austrittsleistungen sind gemäss Art. 122 ZGB zu teilen.<br />

E. Nachehelicher Unterhalt<br />

Variante 1: Vereinbarung bei einem kinderlosen Brautpaar<br />

1. Sofern ein Ehegatte innerhalb von fünf (5) Jahren nach der<br />

Heirat beim zuständigen Richter ein Begehren um Aufhebung des<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

gemeinsamen Haushaltes (Trennung) im Sinne von Art. 175 ZGB<br />

anhängig macht, verzichten die Parteien beidseitig auf (eheliche)<br />

Unterhaltszahlungen im Sinne von Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung<br />

mit Art. 163 ZGB für die Dauer des Getrenntlebens.<br />

2. Sofern ein Ehegatte innerhalb von sieben (7) Jahren nach der<br />

Heirat beim zuständigen Richter ein Scheidungsbegehren im Sinne<br />

von Art. 111 ff. ZGB anhängig macht, verzichten die Parteien<br />

beidseitig auf (nacheheliche) Unterhaltszahlungen im Sinne von<br />

Art. 125 ZGB.<br />

3. Der beidseitige Verzicht auf ehelichen und nachehelichen Unterhalt<br />

gilt indessen nur, sofern<br />

3.1 die Ehe der Parteien kinderlos geblieben ist, und<br />

3.2 die auf Seiten des Ehemannes und der Ehefrau derzeit gegebene<br />

vollumfängliche Erwerbsfähigkeit nicht aus schwerwiegenden gesundheitlichen<br />

Gründen in erheblichem Ausmasse beeinträchtigt ist.<br />

4. Diese Vereinbarung gilt auch dann, wenn das Trennungs- oder<br />

Scheidungsbegehren im Ausland anhängig gemacht wird.<br />

Variante 2: Vereinbarung, bei der anstelle einer quantifi zierten<br />

Unterhaltsregelung eine Verständigung über die Aufgabenteilung<br />

und die Lebensentwürfe, insbesondere auch über die Eigenversorgungskapazität,<br />

erfolgt<br />

Angestrebt wird, dass sich die Partner Klarheit über ihre Lebensentwürfe<br />

und die daraus resultierende Aufgabenteilung zu verschaffen.<br />

Dies setzt in der Regel eine Auseinandersetzung und Einigung<br />

über folgende Gesichtspunkte voraus:<br />

1. Erwerbstätigkeit<br />

– Welche berufl ichen Ziele hat jeder Ehegatte?<br />

– Ist noch einer der Partner in Ausbildung?<br />

– Weiterbildung/Wiedereinstieg: Sind bereits Projekte vorhanden?<br />

– Ist ein Wechsel zu selbstständiger Erwerbstätigkeit geplant?<br />

– Ist aus anderen als Kinderbetreuungsgründen eine Reduktion<br />

der Erwerbstätigkeit geplant? Wenn ja, und in welchem Umfang<br />

und für wie lange?<br />

– Ist ein Wohnortswechsel/Auswanderung absehbar? Wer wird<br />

deswegen die Berufstätigkeit zurückstecken/aufgeben?<br />

2. Haushaltstätigkeit:<br />

– Wer übernimmt Haushaltsarbeiten in welchem Umfang?<br />

– Wird Erwerbstätigkeit wegen Haushaltsarbeit reduziert? Wenn<br />

ja, in welchem Umfange und für wie lange?<br />

3. Falls aus der Beziehung Kinder hervorgehen:<br />

– Wer übernimmt die Betreuung in welchem Umfang? Wird deswegen<br />

Erwerbstätigkeit reduziert? Wenn ja, in welchem Umfange<br />

und für wie lange?<br />

– Ist eine (Mit-)Betreuung durch Dritte (Au Pair, Nanny etc.) vorgesehen?<br />

– Besuchen die Kinder Tagesschulen oder Internate?<br />

– Falls ein gänzlicher oder partieller Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit<br />

beabsichtigt ist: In welchem Alter der Kinder wird ein<br />

Wiedereinstieg geplant?<br />

4. Altersvorsorge<br />

– Wie erfolgt die Altersvorsorge?<br />

– Sind Erbanwartschaften vorhanden?<br />

5. Vorgesehenes Sparverhalten<br />

– Welche Auswirkungen ergeben sich daraus für den Lebensstandard?<br />

6. Periodische Überprüfung und Bestätigung insbesondere der<br />

Verständigung über Rollenverteilung vorsehen.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 320 10.3.2009 9:12:17 Uhr


Variante 3: Vereinbarung über eine konkrete Unterhaltsregelung<br />

bei langer, lebensprägender Ehe:<br />

1. Der Ehemann verpfl ichtet sich, der Ehefrau im Falle einer Scheidung<br />

gestützt auf Art. 125 ZGB (respektive gestützt auf Art. 163<br />

ZGB in Verbindung mit Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB im Falle einer<br />

Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes für die Dauer einer solchen<br />

Trennung) die folgenden, gerichtsüblich indexierten Unterhaltsbeiträge<br />

zu bezahlen:<br />

1.1. Fr. ………… pro Jahr, zahlbar in 12 monatlichen, gleich hohen<br />

Teilbeträgen, jeweils auf den Ersten eines jeden Monates zum<br />

Voraus, zahlbar ab dem ersten Tag desjenigen Monates, in dem der<br />

eheliche Haushalt aufgehoben wird bis zum letzten Tag desjenigen<br />

Monates, in welchem das jüngste gemeinsame Kind der Ehegatten<br />

das ………… Altersjahr vollendet hat,<br />

1.2. Danach Fr. ………… pro Jahr, zahlbar in 12 monatlichen,<br />

gleich hohen Teilbeträgen, jeweils auf den Ersten eines jeden Monates<br />

zum Voraus, bis zum letzten Tag desjenigen Monates, in welchem<br />

die Ehefrau das ordentliche Pensionierungsalter erreicht hat.<br />

2. Der Ehemann kann, falls er dies wünscht, nach einer Scheidung<br />

zu jedem ihm richtig scheinenden Zeitpunkt in Tilgung sämtlicher<br />

periodischer Unterhaltsansprüche gemäss den Ziffern 1.1 und 1.2<br />

der Ehefrau eine einmalige Kapitalabfi ndung bezahlen. Deren Berechung<br />

erfolgt abschliessend anhand der Barwerttafeln von Stauffer/Schaetzle,<br />

Zürich 2001, Tafel 48 (Barwert einer Zeitrente),<br />

Zinssatz 2.5 %/3.5 % und im Übrigen entsprechend der dannzumals<br />

gegebenen Restlaufzeit der Unterhaltsbeiträge. Der so berechnete<br />

Betrag wird pauschal um … % reduziert in teilweiser Kompensa tion<br />

der steuerlichen Vorteile, die sich für die Ehefrau aus der Kapitalisierung<br />

der Unterhaltsbeiträge ergeben sowie mit Blick auf die auf<br />

ihrer Seite gegebene statistische Wiederverheiratungswahrscheinlichkeit,<br />

resp. die Wahrscheinlichkeit, eine neue (aussereheliche)<br />

Lebenspartnerschaft einzugehen.<br />

Kommentar: Wird der Unterhalt in Kapitalform ausgerichtet, fällt<br />

er in den meisten Kanton und im Bund unter die einkommensteuerfreien<br />

Leistungen; als Korrelat zur Steuerfreiheit kann die Kapitalleistung<br />

vom Pfl ichtigen nicht abgezogen werden. Dies gilt<br />

indessen nur, wenn die Kapitalform (wenn auch nur als Eventualmöglichkeit)<br />

bereits in der Scheidungsvereinbarung vorgesehen ist<br />

(Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum harmonisierten<br />

Zürcher Steuergesetz, 2. A., Zürich 2006, § 31 N. 56).Es macht deshalb<br />

Sinn, den Parteien diese Option offenzuhalten.<br />

3. Die von den Ehegatten vereinbarte Unterhaltsregelung beruht im<br />

Sinne von Art. 143 ZGB auf folgenden Bemessungsfaktoren.<br />

3.1. Der Unterhaltsbeitrag beruht auf dem heute gegebenen einem<br />

unterhaltsrechtlich massgebenden jährlichen Nettoeinkommen des<br />

Ehemannes von CHF …… .–.<br />

Sofern sich im Zeitpunkt der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes<br />

die unterhaltsrechtlich massgebenden Einkünfte des Ehemannes<br />

um mindestens … % gegenüber dem dieser Vereinbarung<br />

zugrunde liegenden Betrag von Fr. ……. reduziert haben sollten<br />

(wofür er die Beweislast trägt), wird auf der Basis des dannzumaligen<br />

effektiven Einkommens des Ehemannes im Vorjahr der Unterhaltsbeitrag<br />

der Ehefrau nach folgender Formel berechnet:<br />

Neuer Unterhaltsbeitrag<br />

=<br />

Der Unterhaltsbeitrag beträgt jedoch maximal CHF ……… .–,<br />

mindestens jedoch CHF ………… .– pro Monat (welche Beträge<br />

an die Teuerung angepasst werden).<br />

Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat<br />

bisheriger Beitrag x Einkünfte im Vorjahr<br />

CHF … (Referenzeinkommen im Zeitpunkt<br />

des Abschlusses der Vorausvereinbarung)<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

3.2. Die Ehefrau erzielt derzeit keine Erwerbseinkünfte.<br />

Die Parteien gehen davon aus, dass die Ehefrau spätestens nachdem<br />

das jüngste Kind das ………… Lebensjahr vollendet hat, ein jährliches<br />

Nettoeinkommen von CHF ………… .– erzielen kann.<br />

3.3 Auf dem auf ihrer Seite vorhandenen Vermögen lässt sich die<br />

Ehefrau einen jährlichen Ertrag von .... % anrechnen, der bei der<br />

Unterhaltsberechnung im Zeitpunkt der Trennung/Scheidung von<br />

den Unterhaltsbeiträgen gemäss Ziffer 1.1. und 1.2. in Abzug zu<br />

bringen ist.<br />

3.4. Die Ehegatten gehen von folgendem gebührenden Unterhalt<br />

der Ehefrau gemäss Art. 125 ZGB (ohne Lebenshaltungskosten der<br />

Kinder, die aus den Kinderunterhaltsbeiträgen beglichen werden)<br />

aus:<br />

Wohnkosten CHF<br />

Ernährung zu Hause, Einladungen und Getränke CHF<br />

Mobilität CHF<br />

Kleider, Schuhe, Accessoires CHF<br />

Ferien CHF<br />

Freizeit, Kultur, Bücher, etc. CHF<br />

Coiffeur, Kosmetika CHF<br />

Drogerie, chem. Reinigung, Kleinanschaffungen<br />

für Haushalt CHF<br />

Kommunikation CHF<br />

Gesundheit, Zahnarzt, Optik CHF<br />

Zwischentotal CHF<br />

Steuern (approximativ) CHF<br />

Total CHF<br />

3.5 Die Ehefrau verzichtet auf höhere Unterhaltsbeiträge auch<br />

dann, wenn ihre Lebenshaltungskosten in der einer Trennung oder<br />

Scheidung unmittelbar vorhergehenden Phase des gemeinsamen<br />

Haushaltes höher als hier dargestellt gewesen sein sollten.<br />

Variante 4: Vereinbarung, mit Tilgung sämtlicher Unterhaltsansprüche<br />

durch ein einmalige Kapitalzahlung<br />

In vollständiger und abschliessender Tilgung sämtlicher Unterhaltsansprüche<br />

der Ehefrau gemäss Art. 163 und Art. 125 ZGB (insbesondere<br />

auch in Tilgung des Vorsorgeunterhaltes gemäss Art. 125<br />

Abs. 1 ZGB) bezahlt der Ehemann der Ehefrau eine einmalige Kapitalabfi<br />

ndung von<br />

– CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt weniger als fünf<br />

Jahre gedauert hat;<br />

– CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt weniger als zehn<br />

Jahre gedauert hat;<br />

– CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt weniger als zwanzig<br />

Jahre gedauert hat;<br />

– CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt nach Eintritt der<br />

Ehefrau ins ordentliche Pensionierungsalter aufgehoben wird;<br />

zahlbar innerhalb von dreissig Tagen nach Eintritt der Rechtskraft<br />

des Scheidungsurteils.<br />

Unterhaltszahlungen, die der Ehemann ab Aufhebung des gemeinsamen<br />

Haushaltes bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils<br />

erbringt, erfolgen à conto der oben vereinbarten Kapitalzahlung.<br />

Die vorstehenden Kapitalzahlungen beruhen auf dem Index der<br />

Konsumentenpreise vom …… von ……… Punkten (Basis ………<br />

= 100 Punkte) und werden auf den Fälligkeitstermin hin an die Teuerung<br />

angepasst.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 321 10.3.2009 9:12:18 Uhr<br />

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322<br />

Daniel Trachsel/Margherita Bortolani-Slongo<br />

F. Vereinbarungen im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren<br />

1. Der Ehemann übernimmt die Gerichtskosten eines allfälligen<br />

Eheschutz- oder Scheidungsverfahrens, in welchem die Parteien<br />

gemeinsam um Genehmigung dieser Vereinbarung ersuchen. Die<br />

Ehegatten verzichten diesfalls beidseits auf Umtriebs- und Prozessentschädigung.<br />

2. Die Ehegatten sind sich ausdrücklich einig darüber, dass die<br />

getroffenen Vereinbarungen (mit Ausnahme von lit. B «Kinderbelange»)<br />

eine Einheit darstellen und deshalb nur insgesamt bestätigt<br />

oder verworfen werden können.<br />

G. Schlussbestimmungen<br />

1. Diese zum Voraus abgeschlossene Trennungs- und Scheidungsvereinbarung<br />

umfasst und regelt sämtliche gegenseitigen Ansprüche<br />

bezüglich Unterhalt, Altersvorsorge und Güterrecht gemäss schweizerischem<br />

Recht, welchem eine allfällige Scheidung oder Trennung<br />

unterstehen wird. Sie umfasst und regelt abschliessend auch sämtliche<br />

weiteren Ansprüche, die nach dem Recht anderer Länder, welches<br />

allenfalls zur Anwendung gelangen könnte, existieren.<br />

2. Mit der Erfüllung dieser Scheidungsvereinbarung erklären sich<br />

beide Ehegatten als per Saldo aller gegenseitigen Ansprüche aus<br />

– Ehe-,<br />

– Scheidungs-,<br />

– Vermögens- und Güterrecht sowie<br />

– Vorsorgerecht<br />

auseinandergesetzt. Demzufolge behält jede Partei mit Aktiven und<br />

Passiven zu Alleineigentum, was sie gegenwärtig besitzt bzw. was<br />

auf ihren Namen lautet. Keine Partei hat nach Vollzug dieser Vereinbarung<br />

von der anderen noch etwas zu fordern.<br />

3. Die Parteien beabsichtigen eine Mediation durchzuführen, falls<br />

– Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung<br />

entstehen,<br />

– die Notwendigkeit entsteht, diese Vereinbarung veränderten<br />

Verhältnissen anzupassen,<br />

und wenn sie sich darüber nicht einigen können.<br />

Sofern sich die Parteien über den/die MediatorIn nicht einig sind,<br />

wird diese(r) durch den Präsidenten des kantonalen Anwaltsverbandes,<br />

bei Verhinderung desselben durch den Präsidenten des<br />

Obergerichtes des Kantons Zürich, bestimmt.<br />

Ort / Datum:<br />

(die Ehefrau) (der Ehemann)<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Dans l’activité de conseil quotidienne, on constate de plus en<br />

plus le besoin de régler à l’avance par contrat les conséquences<br />

économiques d’un éventuel divorce. Cet article tente – sous<br />

forme d’indications de deux praticiens à des praticiennes – de<br />

livrer des instructions concrètes pour agir et des propositions<br />

pour formuler de telles «conventions de divorce en réserve»<br />

en se basant sur la littérature récente et la doctrine dominante<br />

tout en tenant compte des aspects correspondants du droit<br />

international privé et de la procédure civile. Bien que le droit<br />

suisse révèle d’importantes diffi cultés en matière de planifi -<br />

cation du divorce – d’une part, la confi rmation par les deux<br />

époux dans le cadre de l’art. 111 al. 2 CC et d’autre part, la ratifi<br />

cation par le juge selon l’art. 140 CC – il est judicieux d'examiner<br />

les questions réglées préalablement par une approche<br />

différenciée pour déterminer s’il s'agit d’effets accessoires du<br />

divorce (soumis à l’exigence de confi rmation et de ratifi cation)<br />

ou d’autres actes juridiques entraînant un lien contractuel<br />

(sans exigence de ratifi cation). Le résultat de cette recherche<br />

montre qu’il n’y a que peu de marge pour des conventions de<br />

divorce convenues préalablement avec effet obligatoire.<br />

(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 322 10.3.2009 9:12:18 Uhr


Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Offenlegung von Management-Transaktionen<br />

im europäischen Umfeld<br />

URS FELLER<br />

Dr. iur., Rechtsanwalt,<br />

Solicitor (England &<br />

Wales), Zürich<br />

Inhaltsübersicht<br />

I. Zur Verlegung des Aktienhandels von London nach Zürich<br />

II. Weshalb Offenlegung von Management-Transaktionen?<br />

III. Anwendbare Regeln<br />

IV. Inhalt der Regeln<br />

A. Grundsätzliches<br />

B. Betroffene Führungspersonen<br />

C. Verbundene Personen<br />

D. On Own Account<br />

E. Transaktionen<br />

F. Details zum Inhalt und zum Verfahren der Offenlegung<br />

V. Durchsetzung der Regeln im Vereinigten Königreich<br />

I. Zur Verlegung des Aktienhandels<br />

von London nach Zürich<br />

Verschiedene SMI- bzw. SLI-Emittenten, deren Aktien an<br />

der SWX Europe gehandelt werden, unterliegen auch den<br />

europäischen Offenlegungsregeln. Nachdem für die meisten<br />

Emittenten das Vereinigte Königreich der sogenannte Home<br />

Member State ist, sind die Marktmissbrauchsrichtlinie<br />

(«MAD») und deren Umsetzung im Vereinigten Königreich<br />

massgebend. Nachstehend werden die aktuellen Regeln im<br />

Vereinigten Königreich vor dem Hintergrund dargelegt, dass<br />

die SIX den Handel in SMI- und SLI-Titeln Mitte 2009 von<br />

London zurück nach Zürich verlegen wird.<br />

1. Der kürzlich angekündigte Rückzug des Handels aus London<br />

erfolgt – so die Schweizer Börse – aus Kostengründen<br />

und um sicherzustellen, dass die Emittenten nur noch die<br />

Regeln der SIX und nicht mehr die Vorgaben von Grossbritannien<br />

bzw. der EU einzuhalten haben. Dies überrascht.<br />

Zunächst ist zu erwähnen, dass die SIX ihre Regeln in den<br />

letzten Jahren bereits weitgehend den europäischen Normen<br />

angepasst hat. Dank der kontinuierlichen Anpassung an das<br />

regulatorische Umfeld in Europa in der Vergangenheit erfüllen<br />

etliche schweizerische Emittenten heute die Anforderungen,<br />

um auf einem geregelten Markt europäischen Zuschnitts<br />

zu bestehen. Für einige Schweizer Emittenten wird<br />

der Rückzug auch deshalb wenig verändern, weil sie nebst<br />

der Kotierung an der SIX auch noch auf einer europäischen<br />

Börse zugelassen sind und damit ohnehin unter die entsprechende<br />

europäische Regelung fallen.<br />

2. Unbestrittenermassen bestehen aber dennoch gewisse Unterschiede,<br />

der wohl grösste besteht im Zusammenhang mit<br />

der Offenlegung von Management-Transaktionen1 . Die europäischen<br />

Regeln sind in diesem Bereich umfassender als<br />

die schweizerischen. Die weniger strenge Regelung in der<br />

Schweiz erscheint aus Sicht der SIX als Hauptvorteil für die<br />

Emittenten; darauf ist näher einzugehen.<br />

3. Im Folgenden werden vorerst einige Überlegungen zu den<br />

potentiellen Nachteilen für den Finanzplatz Schweiz bzw. die<br />

Emittenten erläutert. Anschliessend wird dargelegt, weshalb<br />

die Offenlegung von Management-Transaktionen als wichtiges<br />

Element eines reifen Kapitalmarkts erachtet wird und<br />

schliesslich, inwiefern die Regeln im Vereinigten Königreich<br />

über die Bestimmungen in der Schweiz hinausgehen.<br />

4. Für den einzelnen Emittenten können sich die potentiellen<br />

Nachteile ganz unterschiedlich präsentieren. Was für den einen<br />

wünschenswert ist, ist für einen anderen unwesentlich<br />

oder gar eine Last. Ohne einen spezifi schen Fokus einzunehmen,<br />

ergeben sich zumindest folgende Überlegungen mit<br />

mehr oder weniger Allgemeingültigkeit.<br />

5. Aus der Sicht des schweizerischen Finanzplatzes ist es<br />

schwierig zu begründen, weshalb betreffend Transparenz<br />

und Offenlegung im gesamten europäischen Umfeld strengere<br />

Regeln gelten sollen als in der Schweiz. Es erscheint<br />

merkwürdig, dass in der Schweiz für die Blue Chips geringere<br />

Standards als beispielsweise in den neuen EU-Ländern<br />

wie Rumänien oder Bulgarien als genügend erachtet werden.<br />

Verschiedene Ereignisse in der Vergangenheit lassen annehmen,<br />

dass eine Verminderung der Transparenz oder ein Zurückstehen<br />

hinter diesbezüglichen Entwicklungen sich für<br />

1 Zu weiteren Unterschieden zwischen der schweizerischen Regelung<br />

und der Praxis im Vereinigten Königreich siehe Urs<br />

Feller, Relevanz der EU-Finanzmarktrichtlinien für Schweizer<br />

Unternehmen, deren Aktien an der SWX Europe gehandelt<br />

werden, in: Jusletter 19. Mai 2008; Stefan R. Sulzer, Insiderverzeichnisse,<br />

in: Thomas U. Reutter/Thomas Werlen (Hrsg.),<br />

Kapitalmarkttransaktionen III, Zürich 2008, 153 ff.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 323 10.3.2009 9:12:18 Uhr<br />

323


324<br />

einen Finanzplatz kaum als vorteilhaft erweisen2 . Transparenz<br />

im Bereich von Management-Transaktionen ist deshalb<br />

genügend Aufmerksamkeit zu schenken.<br />

6. Aus Sicht der einzelnen Emittenten ist zu erwähnen, dass<br />

offen ist, ob die schweizerischen Emittenten ohne weiteres<br />

auf die Vorteile der Zulassung auf einem geregelten Markt<br />

der EU verzichten möchten. So erlaubt ein von der FSA<br />

(oder einer anderen europäischen Aufsichtsbehörde) genehmigter<br />

Prospekt den Vertrieb von Aktien in ganz Europa.<br />

Zweitens bestehen Anzeichen dafür, dass wichtige Investoren<br />

wie beispielsweise ausländische Pensionskassen in ihren<br />

Investments in Aktien, die nicht auf einem geregelten Markt<br />

der EU zugelassen sind, beschränkt sind. Drittens ist nicht<br />

auszuschliessen, dass sich aufgrund geringerer Liquidität die<br />

Kapitalkosten für die Emittenten verteuern. Viertens gilt die<br />

Zulassung zu einem geregelten Markt der EU als Gütesiegel<br />

betreffend die Einhaltung von anerkannten Standards guter<br />

Unternehmensführung in Europa. Insbesondere diejenigen<br />

Emittenten, deren Aktien heute auf einem geregelten Markt<br />

der EU gehandelt werden und die eine gewisse Erfahrung im<br />

Umgang mit den europäischen Normen gesammelt haben,<br />

werden prüfen wollen, ob mit dem Rückzug der SIX aus der<br />

europäischen Plattform ihren langfristigen Interessen gedient<br />

ist.<br />

7. Je nach Konstellation für den einzelnen Emittenten ist offen,<br />

ob die Vorteile oder die Nachteile des Rückzugs überwiegen.<br />

Anderseits sichert sich die SIX mit der Konzentra tion in<br />

der Schweiz ein grösseres Mass an operativer Freiheit.<br />

II. Weshalb Offenlegung von<br />

Management-Transaktionen?<br />

1. Was sind die Gründe, welche die EU bewegt haben, ein<br />

vergleichsweise strenges Offenlegungsregime zu implementieren?<br />

Mit dem Erlass der Marktmissbrauchsrichtlinie<br />

3 («MAD») soll nach Auffassung der Mitgliedstaaten<br />

der Marktmissbrauch verhindert und parallel dazu der Insiderhandel<br />

auf allen regulierten Märkten der EU so weit wie<br />

möglich unterbunden werden. Die früher vorhandenen gesetzlichen<br />

Regeln der einzelnen Mitgliedstaaten zur Gewährleistung<br />

der Marktintegrität erschienen als verzettelt, basierten<br />

auf unterschiedlichen Defi nitionen und Konzepten und<br />

boten nur ungenügenden Schutz 4 . Die Gewährleistung der<br />

Integrität der Finanzmärkte einerseits und die Verbesserung<br />

2 Christoph B. Bühler unter Mitarbeit von Conradin Cramer,<br />

Gesellschaftsrechtliche Governance, Offenlegung von Management-Transaktionen:<br />

Neue Leitplanken und Bodenwellen auf<br />

der Corporate-Governance-Schnellstrasse, in: Ernst A. Kramer/<br />

Peter Nobel/Robert Waldburger (Hrsg.), Festschrift für Peter<br />

Böckli zum 70. Geburtstag, Zürich 2006, 497 ff., 517 f.<br />

3 20<strong>03</strong>/6/EC.<br />

4 20<strong>03</strong>/6/EC, Einleitung, para. 11.<br />

Urs Feller<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

des Vertrauens der Investoren in diese Märkte sind die primären<br />

Ziele, denen die MAD dienen soll5 . Dies wird erreicht<br />

durch die umgehende Offenlegung von «inside information»<br />

(Art. 6 Ziff. 1 MAD), die Führung von Insiderlisten (Art. 6<br />

Ziff. 3 MAD) und die Offenlegung von Management-Transaktionen<br />

(Art. 6 Ziff. 4 MAD). Gemäss Ziffer 7 der Einleitung<br />

der MAD implementierenden Richtlinie6 besteht der<br />

Zweck der Offenlegung von Management-Transaktionen in<br />

der Überzeugung, dass diese Information für Marktteilnehmer<br />

wertvoll ist und es zusätzlich der Aufsichtsbehörde erlaubt,<br />

den Finanzmarkt besser zu überwachen.<br />

2. Das erste Argument für die Offenlegung basiert auf der<br />

Theorie des effi zienten Marktes, wonach unternehmensrelevante<br />

Informationen möglichst frei und allen in gleicher<br />

Weise zugänglich sein sollen. Ökonomische Studien zeigen,<br />

dass Führungspersonen mit ihren Transaktionen in Aktien<br />

des Emittenten wiederholt höhere Renditen erwirtschaften<br />

konnten, als dies die Markttheorie erlauben würde7 . Anders<br />

gesagt verfügen Führungspersonen (wenig überraschend)<br />

über Wissen, das ihnen erlaubt, grössere Gewinne zu erwirtschaften<br />

als Marktteilnehmer ohne dieses zusätzliche Wissen.<br />

Die Offenlegung dieser Transaktionen bezweckt also,<br />

dass die übrigen Marktteilnehmer möglichst über gleiche<br />

Voraussetzungen verfügen und zumindest indirekt am Wissen<br />

der Führungspersonen teilhaben können.<br />

3. Zur Gewährleistung grösstmöglicher Effi zienz eines<br />

Markts ist somit u.a. die Offenlegung von Management-<br />

Transaktionen erforderlich. Wenn sich bei Investoren der<br />

Eindruck bestätigt, dass andere Marktteilnehmer regelmässig<br />

über mehr Informationen verfügen bzw. der Zugang zu<br />

diesen Informationen nicht in gleicher Weise offen steht (Informationsasymmetrien),<br />

bleiben sie am Ende dem Markt<br />

fern8 . Damit aber werden die Kosten für die Aufnahme von<br />

Kapital verteuert. Die Märkte gelten deshalb dort als besonders<br />

effi zient und liquide, wo strenge Offenlegungs- und Insidernormen<br />

durchgesetzt werden9 .<br />

5 20<strong>03</strong>/6/EC, Einleitung, para. 12.<br />

6 2004/72/EC.<br />

7 Nejat Seyhun (Chair of Finance und Professor der University<br />

of Michigan Business School) kommt in seiner breiten Untersuchung<br />

unter anderem zum Schluss, dass (i) Aktienkurse nach<br />

Käufen durch das Management zum Steigen tendieren und den<br />

Markt um 4.5 % übertreffen, (ii) Käufe durch das Management<br />

in den meisten Jahren profi tabel sind, (iii) Management-Transaktionen<br />

typischerweise nicht auf die Veröffentlichung von<br />

ad-hoc-Meldungen ausgerichtet sind, sondern auf die Langzeiterwartungen<br />

des Managements, und (iv) die Signale von<br />

Management-Transaktionen besonders stark sind, wenn das<br />

Management in den letzten 12 Monaten keine gegenteiligen<br />

Transaktionen getätigt hat (H. Nejat Seyhun, Investment Intelligence<br />

from Insider Trading, MIT Press, 1998, 63 ff.)<br />

8 Jonathan Marsh/Brian McDonnell, A Practitioner’s Guide<br />

to Inside Information: Managing the legal and regulatory risks,<br />

Surrey 2006, 2.<br />

9 Marsh/Mc Donnell (FN 8), 2.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 324 10.3.2009 9:12:19 Uhr


Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld<br />

4. Als zweites Argument wird ausgeführt, dass die Arbeit der<br />

Aufsichtsbehörde vereinfacht werden soll10 . Setzt ein Emittent<br />

beispielsweise eine Ad-hoc-Meldung ab, die zu einer<br />

erheblichen Preisänderung der Wertpapiere führt, dann erleichtert<br />

es die Durchsetzung des Verbots des Insiderhandels<br />

massgeblich, wenn Insider ihre Transaktionen bereits offengelegt<br />

haben. Mit der geltenden Regelung kann ein Computerprogramm<br />

die Überprüfung vornehmen, ob und von wem<br />

im Zeitraum vor einer Ad-hoc-Meldung Transaktionen vorgenommen<br />

wurden.<br />

5. Zusätzlich zu den vorerwähnten Punkten ist der Aspekt<br />

der Reputation zu erwähnen. Das Ausnützen von Insiderwissen<br />

zum persönlichen Vorteil von Führungspersonen kann<br />

zu schwerwiegenden Reputationsschäden sowohl der betreffenden<br />

Führungsperson als auch des Emittenten führen. Die<br />

Bemühungen des schweizerischen Gesetzgebers in diesem<br />

Zusammenhang zeigen sich unter anderem in der Revision<br />

der Insiderstrafnorm (Art. 161 StGB). Die Insiderstrafnorm<br />

stellt das Ausnützen vertraulicher kursrelevanter Informationen<br />

unter Strafe. Bis anhin war der Begriff der vertraulichen<br />

kursrelevanten Tatsache auf eine bevorstehende Emission<br />

neuer Beteiligungsrechte, auf eine Unternehmensverbindung<br />

oder auf ähnliche Sachverhalte von vergleichbarer Tragweite<br />

beschränkt. Mit der ersatzlosen Streichung der Ziffer 3<br />

des Artikels 161 StGB wird diese Einschränkung aufgehoben.<br />

Damit wird das Verbot des Ausnützens vertraulicher<br />

Tatsachen auf praktisch alle kursrelevanten Tatsachen (einschliesslich<br />

Gewinnwarnungen) ausgedehnt. Die revidierte<br />

Vorschrift wurde per 1. Oktober 2008 in Kraft gesetzt11 .<br />

III. Anwendbare Regeln<br />

1. Für schweizerische Emittenten, deren Aktien an der SWX<br />

Europe Ltd. (früher virt-x, nachfolgend «SWX Europe»)<br />

gehandelt werden, sind die europäischen Offenlegungsregeln<br />

dann von Bedeutung, wenn diese Emittenten von der<br />

Ausnahmebestimmung gemäss Art. 9 Abs. 3 der MAD keinen<br />

Gebrauch machen können 12 . Alle am 1. Juli 2005 an der<br />

SWX kotierten und bereits zum Handel auf der SWX Europe<br />

zugelassenen Beteiligungsrechte wurden dem sog. EU-kompatiblen<br />

Segment der SWX zugewiesen, sofern der Emittent<br />

10 2004/72/EC, Einleitung, para. 7. Auch der SIX scheint dies ein<br />

Anliegen zu sein, wird doch am Monatsende pro meldepfl ichtige<br />

Person eine Meldung für diejenigen Transaktionen erwartet,<br />

die unterhalb des Schwellenwerts von CHF 100 000 getätigt<br />

wurden. Die entsprechenden Transaktionen, die den Schwellenwert<br />

von CHF 100 000 pro Kalendermonat nicht überschreiten,<br />

werden allerdings nicht veröffentlicht; siehe http://www.<br />

six-swiss-exchange.com/admission/being_public/management_transactions_de.html.<br />

11 AS 2008, 4501 f.<br />

12 Vgl. im Detail: Feller (FN 1) Rz. 1 ff. und Sulzer (FN 1),<br />

165 f.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

nicht eine besondere Erklärung abgab, ins UK Exchange Regulated<br />

Market Segment wechseln zu wollen13 . Die Mehrheit<br />

der Emittenten gab keine solche Erklärung ab und wurde daraufhin<br />

dem EU-kompatiblen Segment zugeteilt14 . Nach bereits<br />

früher dargelegter Auffassung dürfte eine nicht geringe<br />

Anzahl von Emittenten des EU-kompatiblen Segments den<br />

Normen des europäischen Offenlegungsrechts unterstehen15 und weil für die meisten Emittenten das Vereinigte Königreich<br />

der sog. «Home Member State» ist16 , werden nachstehend<br />

die diesbezüglichen Pfl ichten der Emittenten und ihrer<br />

Führungskräfte unter den anwendbaren Normen des Vereinigten<br />

Königreichs näher dargestellt.<br />

2. Die Umsetzung der MAD-Bestimmungen im Vereinigten<br />

Königreich erfolgte vorab in den Disclosure and Transparency<br />

Rules («DTR») der Financial Services Authority<br />

(«FSA») gestützt auf die Ermächtigung in Section 96A und<br />

96B der Financial Services and Markets Act («FSMA»).<br />

Das dritte Kapitel der DTR, zugleich das kürzeste, befasst<br />

sich ausschliesslich mit der Offenlegung von Management-<br />

Transaktionen und implementiert Art. 6 Abs. 4 der MAD17 .<br />

3. Vorab ist auf eine Besonderheit hinzuweisen: Art. 9 Abs. 3<br />

der MAD gewährt unter bestimmten Voraussetzungen eine<br />

Ausnahme von den an die Emittenten gerichteten Verpfl ichtungen<br />

wie die Offenlegung von «inside information» und<br />

das Führen von Insiderlisten. Die Ausnahmeklausel verweist<br />

in ihrem Wortlaut allerdings nur auf Artikel 6 Abs. 1 – Abs. 3<br />

der MAD, Art. 6 Abs. 4 der MAD wird nicht erwähnt. Dies<br />

wirft die Frage auf, ob die Verpfl ichtungen gemäss Art. 6<br />

Abs. 4 MAD (also die Offenlegung der Management-Transaktionen)<br />

nicht ohnehin anwendbar sind, unabhängig davon,<br />

ob ein Emittent für sich die Ausnahmebestimmung von Art. 9<br />

Abs. 3 MAD in Anspruch nehmen kann.<br />

4. Eine Analyse der einschlägigen Umsetzungsbestimmungen<br />

lässt aber den Schluss zu, dass auch die Offenlegung der<br />

Management-Transaktionen von der Ausnahmebestimmung<br />

erfasst wird. Die Anwendbarkeit des Kapitels 3 der DTR umfasst<br />

ausländische Unternehmen, für die das Vereinigte Königreich<br />

der Home Member State unter den Bestimmungen<br />

der EU Prospektrichtlinie ist18 . Der FSA Glossar defi niert<br />

einen «issuer» für die Zwecke von Kapitel 1–3 der DTR allerdings<br />

als einen Emittenten, dessen Aktien zum Handel<br />

auf einem geregelten Markt zugelassen sind oder der eine<br />

entsprechende Zulassung beantragt hat und schliesst damit<br />

Emittenten aus, welche dem Handel ihrer Aktien auf einem<br />

13 Art. 38 des Zusatzreglements für die Kotierung im EU-kompatiblen<br />

Segment der SWX.<br />

14 Siehe http://www.swx.com/admission/listing/equity_market/<br />

eu_compatible/issuer_list_de.html.<br />

15 Feller (FN 1), Rz. 19 ff.<br />

16 Art. 23 und Art. 30 Ziff. 2 des Zusatzreglements für die Kotierung<br />

im EU-kompatiblen Segment der SWX.<br />

17 Siehe http://fsahandbook.info/FSA/html/handbook/DTR/3/1.<br />

18 Siehe DTR 1.1.1(4) und dazu List! 11, Sept. 2005, 10.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 325 10.3.2009 9:12:19 Uhr<br />

325


326<br />

geregelten Markt weder verlangt noch ihm zugestimmt haben19<br />

. Diese analoge Formulierung, die möglicherweise Art. 9<br />

Abs. 3 MAD entlehnt ist, ermöglicht den Emittenten auch die<br />

Management-Transaktionen analog zu den Verpfl ichtungen<br />

im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizität bzw. der Führung<br />

von Insiderlisten zu behandeln. Es macht durchaus Sinn,<br />

dass Emittenten, welche keine Pfl icht trifft, «inside information»<br />

gemäss den Regeln der DTR offenzulegen, auch von<br />

der Mitteilungspfl icht von Management-Transaktionen ausgenommen<br />

sind. Solange sich Emittenten auf die Ausnahmebestimmung<br />

von Art. 9 Abs. 3 MAD berufen können, weil sie<br />

den Handel ihrer Aktien auf einem geregelten Markt weder<br />

verlangt noch ihm zugestimmt haben, spricht nichts dagegen,<br />

gestützt auf die Defi nition von «issuer» im Glossary dieselbe<br />

Ausnahme mit Bezug auf die Offenlegung von Management-<br />

Transaktionen in Anspruch zu nehmen20 .<br />

5. Durch DTR 3.1.8 wird der Anwendungsbereich des Kapitels<br />

3 auf Emittenten ausgeweitet, für welche das Vereinigte<br />

Königreich nicht der Home Member State ist21 . Entsprechend<br />

gilt die Offenlegungspfl icht von Management-Transaktionen<br />

im Vereinigten Königreich beispielsweise auch für die UBS<br />

<strong>AG</strong>, obwohl die UBS <strong>AG</strong> Deutschland als Home Member<br />

State gewählt hat.<br />

IV. Inhalt der Regeln<br />

A. Grundsätzliches<br />

1. DTR 3.1.3 verlangt, dass Führungskräfte und mit ihnen<br />

verbundene Personen alle Transaktionen in Aktien des Emittenten<br />

oder in Finanzinstrumenten, die die Aktien betreffen,<br />

innert vier Geschäftstagen dem Emittenten gegenüber zu<br />

melden haben. DTR 3.1.4 wiederum verlangt vom Emittenten<br />

diese Meldungen umgehend (spätestens aber am folgenden<br />

Geschäftstag nach Eintreffen der Meldung) via ein<br />

Regulatory Information Service 22 («RIS») der Öffentlichkeit<br />

zur Verfügung zu stellen. Nachfolgend werden die Einzelheiten<br />

dieser Regelung, insbesondere die angesprochenen<br />

Personen, der Handel «on own account», die Art der Transaktionen<br />

und das Verfahren der Offenlegung dargelegt.<br />

19 http://fsahandbook.info/FSA/glossary-html/handbook/Glossary/I?defi<br />

nition=G627; das gleiche ergibt sich auch aus der Defi -<br />

nition des PDMR im FSA Glossar. Die DTR Defi nition basiert<br />

auf der Ermächtigung in FSMA 96A(1)(c).<br />

20 Allerdings dürften nach hier vertretener Auffassung nur wenige<br />

Emittenten, deren Aktien im EU-kompatiblen Segment gehandelt<br />

werden, nach wie vor unter die Ausnahmebestimmung von<br />

Art. 9 Abs. 3 MAD fallen; vgl. vorne III.1.<br />

21 List! 11 Sept. 2005, 10 f.<br />

22 Derzeit gibt es acht verschiedene Provider, welche über die<br />

Zulassung der FSA verfügen, «regulatory information» zu verbreiten,<br />

vgl. http://www.fsa.gov.uk/pages/Doing/UKLA/RIS/<br />

Contact/index.shtml.<br />

Urs Feller<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

B. Betroffene Führungspersonen<br />

1. Zur Umschreibung der betroffenen Führungspersonen<br />

verwenden sowohl die MAD als auch die DTR den Begriff<br />

der «Persons Discharging Managerial Responsibilities»<br />

(«PDMR»). Art. 96B FSMA defi niert PDMR a) als Verwaltungsräte<br />

eines Emittenten und b) als jene hochrangigen<br />

Manager («senior executives»), die regelmässig Zugang zu<br />

«inside information» haben, die den Emittenten betrifft23 und<br />

die befugt sind, Managemententscheidungen zu treffen, die<br />

die zukünftige Entwicklung und die Geschäftsaussichten des<br />

Emittenten beeinfl ussen24 .<br />

2. Mit dieser umständlichen Defi nition soll sichergestellt<br />

werden, dass nur solche Topmanager unter die Offenlegungspfl<br />

icht fallen, deren Transaktionen für andere Investoren<br />

einen Informationswert haben. Es wird allerdings davon<br />

ausgegangen, dass (neben den Verwaltungsräten) zumindest<br />

diejenigen Führungskräfte, die in einem Executive Committee<br />

tätig sind, davon erfasst werden25 . Wer nur Informationen<br />

aufbereitet und analysiert fällt nicht unter den Begriff<br />

des PDMR, wenn er nicht selber an der Entscheidfi ndung<br />

des Emittenten beteiligt ist26 . Entsprechend dürfte der Legal<br />

Counsel nur selten ein PDMR sein27 . Ferner können auch<br />

Manager, die nicht Angestellte des Emittenten sondern einer<br />

anderen Gruppengesellschaft sind, als PDMR qualifi zieren,<br />

sofern die anderen Voraussetzungen erfüllt sind28 . Es obliegt<br />

dem Emittenten und den entsprechenden Führungskräften zu<br />

bestimmen, welche Führungspersonen im Unternehmen die<br />

Kriterien erfüllen und als PDMR qualifi zieren. Es gibt auch<br />

keine Maximalzahl an PDMR, sondern die Anzahl PDMR<br />

bestimmt sich je nach Unternehmen unterschiedlich29 .<br />

Selbstverständlich ist, dass jeder PDMR auf den einschlägigen<br />

Insiderlisten erscheint30 .<br />

C. Verbundene Personen<br />

1. Die Offenlegungspfl icht betrifft nicht nur PDMR, sondern<br />

auch mit ihnen verbundene Personen (sog. «connected persons»).<br />

23 Mit dieser Einschränkung werden Manager von Investmentabteilungen<br />

der Banken von der Defi nition ausgenommen, die<br />

durch ihre Arbeit regelmässig Zugang zu «inside information»<br />

haben, die aber in der Regel andere Emittenten betreffen und<br />

nicht die Bank, für die sie arbeiten.<br />

24 Die entsprechende Defi nition fi ndet sich auch im Glossary der<br />

FSA unter dem Stichwort «person discharging managerial responsibilities»:http://fsahandbook.info/FSA/glossary-html/handbook/Glossary/P?defi<br />

nition=G1689.<br />

25 Market Watch, Issue 12, June 2005, 8.<br />

26 List! 16, July 2007, 15.<br />

27 List! 16, July 2007, 15.<br />

28 Market Watch, Issue 12, June 2005, 9.<br />

29 List! 16, July 2007, 16.<br />

30 Marsh/McDonnell (FN 8), 93. Betreffend die Führung von<br />

Insiderlisten wird auf die umfassende Darstellung von Stefan<br />

R. Sulzer (FN 1), 153 ff. verwiesen.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 326 10.3.2009 9:12:19 Uhr


Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld<br />

2. Art. 96B (2) FSMA bezeichnet hiefür drei Gruppen von<br />

Personen:<br />

2.1. Zunächst wird auf die Defi nition in sec. 346 des<br />

Companies Act 1985 verwiesen, wonach folgende Personen<br />

als mit dem PDMR verbunden erachtet werden: der Ehepartner31<br />

, Kinder32 und Stiefkinder unter 18 Jahren33 , Gesellschaften,<br />

bei denen PDMR oder dessen Ehepartner, Kind<br />

oder Stiefkind 20 % des Aktienkapitals beherrschen34 , und<br />

Trustees von Trusts, in welchen PDMR oder dessen Ehepartner,<br />

Kind oder Stiefkind Begünstigte oder potentiell Begünstigte<br />

sind35 .<br />

2.2. Zweitens fallen unter die Gruppe der verbundenen<br />

Personen auch Verwandte von PDMR, die zum Zeitpunkt der<br />

Transaktion seit mindestens 12 Monaten mit dem PDMR im<br />

gleichen Haushalt wohnen36 .<br />

2.3. Schliesslich werden auch Gesellschaften vom Begriff<br />

der verbundenen Person erfasst, in welchen ein PDMR oder<br />

eine mit dem PDMR verbundene Person (gemäss den vorstehenden<br />

ersten beiden Personengruppen), Verwaltungsrat ist<br />

oder eine Managementposition innehat, die es ihm erlaubt,<br />

Managemententscheidungen zu treffen, welche die zukünftige<br />

Entwicklung und die Geschäftsaussichten der Gesellschaft<br />

beeinfl ussen37 .<br />

3. Nachdem die Offenlegungspfl icht auch eine persönliche<br />

Pfl icht der verbundenen Personen (mit entsprechenden<br />

Sanktionsmöglichkeiten) ist, erscheint eine Information der<br />

betreffenden Personen über ihre Pfl ichten als dringend angezeigt.<br />

Diese Information kann durch den PDMR oder den<br />

Emittenten vorgenommen werden.<br />

31 Einschliesslich des Partners gemäss dem Civil Partnership Act<br />

2004. Nicht geklärt ist, wie eingetragene Partner aus anderen<br />

Jurisdiktionen behandelt würden. Meines Erachtens sprechen<br />

gute Gründe für die Annahme, dass beispielsweise eine eingetragene<br />

Partnerschaft nach Schweizer Recht unter den Anwendungsbereich<br />

von DTR 3 fällt.<br />

32 Das britische Parlament hat auch illegitime Kinder ausdrücklich<br />

eingeschlossen, Companies Act 1985 section 346 para. 3(a).<br />

33 Diskutiert wurde, ob die erweiterte Defi nition von «connected<br />

person» aus dem neuen Companies Act 2006, welche auch Kinder<br />

über 18 Jahre und Eltern, Geschwister, etc. umfasst, auch<br />

für DTR 3 gelte. Die Defi nition der FSA verwies 2007 kurzfristig<br />

auf den neuen Companies Act 2006, wechselte dann aber<br />

wieder zurück zur engeren Defi nition gemäss Companies Act<br />

1985. Siehe auch FSMA section 96B. Entsprechend zu verstehen<br />

sind die Ausführungen von Stephen Mathews betreffend<br />

dem Companies Act 2006 in Stephen Mathews, Continuing<br />

Obligations, in: Maurice Button (ed.), A Practitioner’s Guide to<br />

The Financial Services Authority Listing Regime 2008/2009,<br />

London 2008, 196.<br />

34 Für die zahlreichen Details siehe Companies Act 1985 section<br />

346.<br />

35 Ob und inwieweit diese Regeln im Zusammenhang mit den Anwartschaften<br />

von PDMR gegenüber Stiftungen der berufl ichen<br />

Vorsorge beachtlich sein können, wird in D.2. dargelegt.<br />

36 Art. 96B (2) FSMA.<br />

37 Art. 96B (2) FSMA.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

D. On Own Account<br />

1. Der Meldepfl icht unterliegen lediglich Transaktionen, die<br />

«on own account» gemacht werden. Gemäss der Auffassung<br />

der FSA erfolgt eine Transaktion «on own account», wenn sie<br />

das Ergebnis einer Handlung des PDMR ist (z.B. in dessen<br />

Auftrag) oder anderweitig mit seiner Zustimmung erfolgte,<br />

wenn die Vorteile der Transaktion hauptsächlich beim PDMR<br />

anfallen und diese eine wesentliche Auswirkung auf die Beteiligung<br />

des PDMR am Emittenten hat38 . Nach Auffassung<br />

der FSA gibt es allerdings keine abschliessende Defi nition<br />

des Begriffs «on own account», weshalb bei jeder Transaktion<br />

zu überprüfen ist, ob die Qualifi kation erfüllt ist39 .<br />

2. Für den Fall von Transaktionen mit vorsorgerechtlichem<br />

Hintergrund, etwa im Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligungsplänen<br />

(scheme administered by an «employee benefi<br />

t trust») gilt, dass Transaktionen eines solchen Trusts dann<br />

nicht offenzulegen sind, wenn der Trust für alle Berechtigten<br />

handelt40 . Anders wäre zu entscheiden, wenn Transaktionen<br />

auf einen Auftrag eines PDMR zurückgeführt werden können<br />

– beispielsweise der Verkauf von Aktien beim Austritt<br />

der Führungskraft aus dem Mitarbeiterbeteiligungsplan41 .<br />

3. An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Begriff der «wesentlichen<br />

Auswirkung» (material impact) nicht dazu verwendet<br />

werden kann, kleinere Transaktionen, beispielsweise den<br />

Kauf einer einzigen Aktie, von der Meldepfl icht auszunehmen42<br />

. Das Merkmal der «wesentlichen Auswirkung» dürfte<br />

vielmehr lediglich bei komplexen Geschäften wie der Beurteilung<br />

von Mitarbeiterbeteiligungsplänen herangezogen werden,<br />

bei welchen eine Vielzahl von Begünstigten es schwierig<br />

macht zu bestimmen, ob die Transaktion noch einem oder<br />

mehreren PDMR zugeordnet werden kann oder nicht.<br />

E. Transaktionen<br />

1. Der Begriff der Transaktion ist in DTR 3 nicht näher umschrieben.<br />

Sowohl die EU (CESR) als auch die FSA scheinen<br />

auf eine Defi nition darauf verzichtet zu haben. Allerdings<br />

hält DTR 3.1.2 fest, dass alle Geschäfte erfasst werden,<br />

welche «shares of the issuer, derivatives or other fi nancial<br />

instruments relating to those shares» betreffen. Diese Formulierung<br />

macht hinreichend klar, dass der Anwendungsbereich<br />

weit gesteckt ist. Darunter fallen neben Aktienkäufen<br />

und -verkäufen auch der Handel mit Differenzgeschäften<br />

wie den im Vereinigten Königreich sehr populären Contracts<br />

for Difference oder spread bets 43 , weiter alle Derivative, die<br />

38 List! 11, Sept. 2005, 11.<br />

39 List! 11, Sept. 2005, 11.<br />

40 Marsh/McDonnell (FN 8), 95.<br />

41 Marsh/McDonnell (FN 8), 95; List! 11, Sept. 2005, 11.<br />

42 Es sind ausnahmslos alle Transaktionen mitzuteilen, vgl. nachstehend<br />

E.9.<br />

43 List! 11, Sept. 2005, 11.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 327 10.3.2009 9:12:20 Uhr<br />

327


328<br />

sich auf die Aktie beziehen (z.B. Optionen, Swaps, Futures<br />

und Forwards). Zusätzlich dürften auch Positionen in Anleihen<br />

mit einem convertible-Element darunterfallen, weil auch<br />

diesbezüglich die Verbindung zu den Aktien des Emittenten<br />

hinreichend eng erscheint44 .<br />

2. Bei Index- und Basketprodukten kann aufgrund der relativen<br />

Gewichtung des einzelnen Titels recht einfach ausgerechnet<br />

werden, in welchem Umfang die Transaktion Aktien<br />

des Emittenten betrifft. Es besteht Grund zur Annahme, dass<br />

auch Transaktionen mit Index- und Basketprodukten unter<br />

besonderen Umständen ebenfalls meldepfl ichtig werden<br />

können. So wäre es ein Leichtes, ein Indexprodukt «short»<br />

zu verkaufen und gleichzeitig alle im Index enthaltenen Titel<br />

ausser der Aktie des Emittenten zu kaufen. Ökonomisch<br />

würde dieses Arrangement auf den Verkauf nur gerade der<br />

Aktien des Emittenten hinauslaufen. Die FSA hat sich soweit<br />

ersichtlich noch nie zu dieser Problematik im Zusammenhang<br />

mit DTR 3 geäussert. Allerdings ist darauf hinzuweisen,<br />

dass das analoge Problem beim gegenwärtigen<br />

Verbot des short selling von Finanztiteln im dargelegten<br />

Sinne beurteilt wurde45 . Wird also ein Index- oder Basketprodukt<br />

praktisch zur Umgehung der Meldepfl icht benutzt,<br />

ist diese trotzdem anwendbar. Als sehr weitgehend erschiene<br />

demgegenüber Index- oder Basketkäufe, die nicht der Umgehung<br />

dienen, ebenfalls vollumfänglich der Meldepfl icht zu<br />

unterstellen.<br />

3. Mit dem Begriff der «weiteren Finanzinstrumente» wird<br />

gemäss dem FSA Glossar beabsichtigt sicherzustellen, dass<br />

nichts durch die engen Maschen fällt.<br />

4. Im Vereinigten Königreich ist der Begriff der Transaktion<br />

zudem vor dem Hintergrund des Model Code46 zu betrachten.<br />

Der Model Code gilt für Emittenten, die ein Primärlisting ihrer<br />

Aktien im Vereinigten Königreich haben. Auf Schweizer<br />

Emittenten, deren Aktien nur an der SWX kotiert sind, ist der<br />

Model Code somit nicht anwendbar. Im Gegensatz zu DTR 3<br />

beinhaltet der Model Code keine Offenlegungspfl icht, sondern<br />

Handelsverbote zu gewissen Zeiten sowie ein umfassendes<br />

Zustimmungssystem. In der Quintessenz schreibt<br />

der Model Code vor, dass PDMR vor einem «dealing» die<br />

Zustimmung einer übergeordneten Instanz einholen müssen.<br />

Zusätzlich ist ein «dealing» vor der Bekanntgabe von gewissen<br />

Finanzzahlen sowie immer dann verboten, wenn das Unternehmen<br />

über inside information verfügt.<br />

5. Im Gegensatz zu DTR 3 verwendet der Model Code nicht<br />

den Begriff der Transaktion sondern spricht von «dealing».<br />

44 Vgl. dazu E.10.<br />

45 Siehe Frage 15 der FSA FAQ Version 2 zum Short Selling<br />

(No. 5) Instrument 2009 vom 19. Januar 2009; http://www.fsa.<br />

gov.uk/pubs/other/Short_selling_FAQs_V2.pdf.<br />

46 Der Model Code fi ndet sich in Annex 1 von Kapitel 9 der Listing<br />

Rules: http://fsahandbook.info/FSA/html/handbook/LR/9/<br />

Annex1.<br />

Urs Feller<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Zudem wird genau aufgezählt, welche Handlungen unter<br />

den Begriff des «dealings» fallen. Von «dealing» wird nicht<br />

nur das Verfügungs-, sondern bereits das Verpfl ichtungsgeschäft<br />

erfasst. Zusätzlich umfasst der Begriff auch stock<br />

lending agreements47 . Zu beachten ist auch der Umgang mit<br />

dem Stellen von Sicherheiten. Gemäss Model Code gilt als<br />

«dealing», wenn ein PDMR Aktien als Sicherheiten stellt,<br />

da dadurch ökonomisch gesehen Wert aus den Aktien herausgenommen<br />

wird48 . Dies liegt auf der Hand, wenn die Aktien<br />

die einzige Sicherheit bilden, die einer Kredit gewährenden<br />

Bank zur Verfügung stehen. Falls neben den Aktien<br />

der PDMR auch persönlich haftet (was häufi g der Fall sein<br />

dürfte), ist der Zusammenhang mit einem «normalen» Aktienverkauf<br />

allerdings deutlich schwächer.<br />

6. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken<br />

wird regelmässig vorgesehen, dass die Bank bei Nichtbezahlung<br />

von Gebühren etc. auf das Depot zurückgreifen kann.<br />

Diese Konstellation allein dürfte kaum als Stellen einer Sicherheit<br />

im Sinne des Model Code qualifi zieren. Dies gilt<br />

umso mehr, solange der PDMR liquide ist. Es wäre auch<br />

schwierig darzulegen, in welchem Umfang der PDMR gehandelt<br />

hat. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der PDMR<br />

speziell für die Absicherung eines Kredites ein Aktienpaket<br />

an eine Bank überträgt. In diesem Fall liegt ein «dealing» im<br />

Sinne des Model Code vor und die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

dies auch als Transaktion gemäss DTR 3 qualifi ziert würde,<br />

ist nicht gering49 .<br />

7. Nunmehr erklärte die FSA – unter Hinweis auf den Model<br />

Code – in einer Pressemitteilung vom 9. Januar 2009, dass<br />

Verpfändungen («pledge, mortgage or charge») von Aktien<br />

des Emittenten durch PDMR in gleicher Weise der Offenlegung<br />

unterstehen wie der Handel mit Aktien50 . Zugleich<br />

wurde auf eine Frist bis zum 23. Januar 2009 hingewiesen,<br />

innert welcher allfällige Verpfändungen aus der Vergangenheit<br />

nachzumelden waren.<br />

8. Ein weiteres Abgrenzungsproblem zwischen DTR 3 und<br />

Model Code zeigt sich bei denjenigen Transaktionen, die<br />

47 Model Code 1(c)(iv).<br />

48 Model Code 1(c)(v).<br />

49 Siehe diesbezüglich beispielsweise die Offenlegungsmeldung<br />

durch die FTSE 250 Gesellschaft Carphone Warehouse vom<br />

8. Dezember 2008, die zum Rücktritt eines Verwaltungsrates<br />

führte, da er die Verpfändung seiner Aktien nicht offengelegt<br />

hatte: http://www.investegate.co.uk/Article.aspx?id=200812080<br />

700106904J und die anschliessende Pressekommentierung beispielsweise<br />

durch die Financial Times: http://www.ft.com/cms/<br />

s/0/ccc678d8-c4f9-11dd-b516-000077b07658.html?nclick_<br />

check=1.<br />

50 http://www.fsa.gov.uk/pages/Doing/UKLA/company/disclosure/index.shtml,<br />

sowie http://www.fsa.gov.uk/pages/Library/Communication/PR/2009/005.shtml.<br />

Dies im Gegensatz zur<br />

Regelung in der Schweiz, wonach die Verpfändung von der Meldepfl<br />

icht ausdrücklich ausgeschlossen ist; vgl. Rz 17 der Richtlinie<br />

betreffend Offenlegung von Management-Transaktionen;<br />

RLMT.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 328 10.3.2009 9:12:20 Uhr


Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld<br />

gemäss Model Code kein «dealing» darstellen, indessen<br />

gemäss DTR 3 meldepfl ichtig sind, wie dies beispielsweise<br />

beim Kauf von Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung der<br />

Fall ist51 . Aufgrund der unterschiedlichen Natur der Regelwerke<br />

(Model Code verbietet gewisse Transaktionen, DTR 3<br />

verlangt nur deren Offenlegung), ist der Model Code nicht<br />

einschlägig und somit der Kauf von Aktien im Rahmen einer<br />

Kapitalerhöhung gemäss DTR 3 offenzulegen.<br />

9. Im Vereinigten Königreich wurde darauf verzichtet,<br />

Kleinsttransaktionen von der Meldepfl icht auszunehmen.<br />

Gemäss Art. 6 Abs. 1 der MAD implementierenden Richtlinie52<br />

sind Mitgliedstaaten berechtigt, Transaktionen unter<br />

EUR 5000 von der Meldepfl icht auszunehmen. Eine entsprechende<br />

Einschränkung ist nicht erfolgt, damit sind auch minimale<br />

Transaktionen offenzulegen.<br />

10. Welche Transaktionen sind von einer Offenlegungspfl icht<br />

ausgenommen? Dazu gehört beispielsweise der Kauf oder<br />

Verkauf einer Schuldverschreibung des Emittenten53 . Ebenfalls<br />

ausserhalb des Anwendungsbereich von DTR 3 sind<br />

Transaktionen mit Credit Default Swaps (CDS) 54 .<br />

F. Details zum Inhalt und zum Verfahren<br />

der Offenlegung<br />

1. Art. 6(3) der die MAD implementierenden Richtlinie55 umfasst eine abschliessende Liste der Informationen, welche<br />

an den Emittenten zu melden sind. Diese Liste wurde in<br />

DTR 3.1.3 direkt übernommen. Sie umfasst<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

•<br />

den Namen des PDMR bzw. der mit ihm verbundenen<br />

Person,<br />

den Grund für die Offenlegungspfl icht,<br />

den Namen des Emittenten,<br />

eine Beschreibung des Finanzinstruments,<br />

die Natur der Transaktion (z.B. Kauf oder Verkauf),<br />

Ort und Zeit der Transaktion, sowie<br />

Preis und Volumen der Transaktion.<br />

51 Model Code 2(a).<br />

52 2004/72/EC.<br />

53 Ausser es handelt sich um einen Convertible. Der Hinweis auf<br />

«Debentures» im Meldeformular der FSA dürfte in diesem<br />

Sinne verstanden werden (zum Formular siehe unten mehr), da<br />

gewöhnliche Unternehmensanleihen nicht mit den Aktien des<br />

Emittenten verbunden sind, was gemäss DTR 3.1.2 eine Voraussetzung<br />

der Offenlegungspfl icht ist.<br />

54 Diese Instrumente spiegeln das Konkursrisiko eines Emittenten<br />

wieder und eignen sich sehr gut, sich gegen den Ausfall eines<br />

Emittenten abzusichern. Handelt ein PDMR kurz vor dem Konkurs<br />

des Emittenten mit CDS, so dürften aber die Verbote des Insiderhandels<br />

und des Marktmissbrauchs gemäss sec. 118 FSMA<br />

in Frage stehen, obwohl diese Instrumente m.E. ausserhalb der<br />

Offenlegungspfl icht liegen (siehe Market Watch Issue No. 30,<br />

13).<br />

55 2004/72/EC.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

2. Die Transaktion ist seitens der betreffenden Personen innerhalb<br />

von vier Werktagen dem Emittenten zu melden56 .<br />

Der Emittent muss unverzüglich, spätestens aber bis zum<br />

Ende des darauffolgenden Werktages die Transaktion via ein<br />

Regulatory Information Service (RIS) veröffentlichen57 . Damit<br />

ist den Anforderungen der die MAD implementierenden<br />

Richtlinie (worin eine Meldung innert fünf Tagen verlangt<br />

wird) Genüge getan58 . Die FSA hat ein Meldeformular59 veröffentlicht,<br />

welches für die Meldungen der Emittenten gebraucht<br />

werden kann, aber nicht gebraucht werden muss60 .<br />

Die Veröffentlichung des Emittenten hat zudem die Information<br />

zu enthalten, wann der Emittent über die Transaktion<br />

informiert wurde61 .<br />

3. Schliesslich ist noch darauf hinzuweisen, dass der zusätzliche<br />

Meldetatbestand, der in DTR 3.1.4(1)(c) erwähnt wird<br />

(Offenlegung der gehaltenen Aktien gemäss sec. 793 Companies<br />

Act 2006), auf Schweizer Emittenten nicht anwendbar<br />

ist. Im Meldeformular für die Emittenten ist bereits vorgesehen,<br />

dass nicht in jedem Fall auch eine Meldung gemäss<br />

Companies Act zu erfolgen hat.<br />

V. Durchsetzung der Regeln im<br />

Vereinigten Königreich<br />

1. Die FSA ist zuständig für die Einhaltung einer Vielzahl<br />

unterschiedlicher Regeln mit unterschiedlichem Wichtigkeitsgrad.<br />

Eine Durchsicht der publizierten Urteile der FSA<br />

bzw. der zuständigen gerichtlichen Organe zeigt, dass DTR 3<br />

nicht im Zentrum der Vollstreckungsbemühungen zu liegen<br />

scheint. Vielmehr liegt der Fokus auf der Durchsetzung des<br />

Verbots des Insiderhandels und des Marktmissbrauchs.<br />

2. Die Offenlegungsregeln von DTR 3 erscheinen daher in<br />

einem gewissen Mass subsidiär zu anderen Regeln. Die FSA<br />

dürfte nur dort wirklich interessiert sein, Verletzungen von<br />

DTR 3 zu verfolgen, wo zugleich starke Hinweise auf Insiderhandel<br />

vorliegen bzw. eine Ad-hoc-Meldung nicht rechtzeitig<br />

abgesetzt wurde. Dies mag damit zu tun haben, dass<br />

Emittenten nicht selten gesellschaftsinterne Sanktionen für<br />

Verstösse im Zusammenhang mit DTR 3 vorsehen und sich<br />

die FSA damit auf grobe Verletzungen konzentrieren kann. 62<br />

3. Beachtenswert bleibt jedenfalls, dass die möglichen Konsequenzen<br />

einer Nichtbeachtung von DTR 3 beträchtlich<br />

56 DTR 3.1.2.<br />

57 DTR 3.1.4 (2).<br />

58 Siehe Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2004/72/EC.<br />

59 http://www.fsa.gov.uk/pubs/forms/DR_responsibility.pdf.<br />

60 DTR 3.1.7.<br />

61 DTR 3.1.5.<br />

62 Vgl. FN 49 betreffend den Rücktritt von David Ross aus dem<br />

Verwaltungsrat von Carphone Warehouse vom 8. Dezember<br />

2008 als Folge einer unterbliebenen Offenlegung.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 329 10.3.2009 9:12:20 Uhr<br />

329


330<br />

sind. Zunächst fällt auf, dass im Gegensatz zur Regelung<br />

in der Schweiz nicht nur der Emittent selber, sondern auch<br />

die entsprechenden Führungspersonen (und auch die mit ihr<br />

verbundenen Personen) persönlich zur Rechenschaft gezogen<br />

werden können 63 . Dabei sind im Extremfall Bussen in<br />

unlimitierter Höhe vorgesehen. Wegen der Nähe der DTR 3<br />

zu den Tatbeständen des Insiderdealings ist neben einer allfälligen<br />

Busse auch immer ein möglicher Reputationsverlust<br />

zu beachten – der sowohl für den Emittenten als auch für die<br />

entsprechende Führungsperson mit nicht geringen Nachteilen<br />

verbunden sein kann.<br />

63 DTR 1.5.3.G und FSMA sec. 91.<br />

Urs Feller<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Différents émetteurs SMI ou SLI, dont les actions sont négociées<br />

sur SWX Europe, sont soumis aux règles européennes<br />

relatives à la publicité. La directive sur les abus de marché<br />

(«MAD») et sa mise en œuvre dans le Royaume-Uni sont déterminantes,<br />

presque tous les émetteurs ayant ce pays comme<br />

Etat membre d’origine (Home Member State). Le présent<br />

article expose les règles en vigueur au Royaume-Uni, ayant<br />

en vue que la SIX transfèrera le négoce des titres SMI et SLI<br />

à la mi-2009 de Londres à Zurich. Les normes européennes<br />

sont incontestablement plus complètes; elles s’appliquent,<br />

par exemple, aussi au négoce d’instruments dérivés et elles<br />

ne connaissent pas de franchise de CHF 100 000 par mois à<br />

l’inverse de la Suisse.<br />

(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 330 10.3.2009 9:12:21 Uhr


FRANCO LORANDI<br />

Prof. Dr. iur., LL.M., Lehrbeauftragter<br />

an der Universität<br />

St. Gallen, Rechtsanwalt,<br />

Zürich<br />

Inhaltsübersicht<br />

Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />

MICHAEL ERISMANN<br />

MLaw, Muri bei Bern<br />

I. Einleitung<br />

II. Zustandekommen des Nachlassvertrages im Konkurs<br />

A. Antragsrecht<br />

B. Gläubigerversammlung<br />

1. Einberufung<br />

2. Aufgaben der Konkursverwaltung<br />

3. Teilnahmeberechtigung<br />

4. Wahlen und Wahlberechtigung<br />

5. Zustimmung zum Nachlassvertrag<br />

6. Antrag der Konkursverwaltung an den Nachlassrichter<br />

C. Einstellung der Verwertung<br />

D. Bestätigungsverhandlung und Entscheid des Nachlassrichters<br />

(Homologation)<br />

1. Zustimmung der Gläubiger<br />

a. Quoren<br />

b. Berechnung der Quoren<br />

2. Hinlängliche Sicherstellung<br />

a. Beim ordentlichen Nachlassvertrag<br />

b. Beim Liquidationsvergleich<br />

III. Folgen bei Bestätigung des Nachlassvertrages<br />

A. Widerruf des Konkurses<br />

B. Folgen beim ordentlichen Nachlassvertrag<br />

1. Folgen für das Konkursverfahren<br />

2. Dividendenberechtigung<br />

3. Bedeutung des Kollokationsplans<br />

4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss Art. 260 SchKG<br />

und gestützt darauf ein geleitete Prozesse<br />

5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse<br />

C. Folgen beim Liquidationsvergleich<br />

1. Folgen für das Konkursverfahren/ Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens<br />

2. Bedeutung des Kollokationsplans/<br />

Dividendenberechtigung<br />

3. Schicksal hängiger Kollokationsprozesse<br />

4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss Art. 260 SchKG<br />

und gestützt darauf ein geleitete Prozesse<br />

5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse<br />

I. Einleitung<br />

Das Gesetz regelt den Nachlassvertrag im Konkurs nur partiell<br />

1 . Viele Fragen bei der praktischen Handhabung bleiben<br />

daher offen. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, welche<br />

Normen gelten und wo besondere Regeln Platz greifen müssen.<br />

Dabei ist zuweilen zu unterscheiden, ob ein ordentlicher<br />

Nachlassvertrag 2 oder ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />

3 in Frage steht.<br />

II. Zustandekommen des Nachlassvertrages<br />

im Konkurs<br />

A. Antragsrecht<br />

Legitimiert, während eines Konkursverfahrens einen Nachlassvertrag<br />

vorzuschlagen, ist nach dem Wortlaut des Gesetzes<br />

einzig der Schuldner 4 . Dies ist auf ein gesetzgeberisches<br />

Versehen zurückzuführen 5 . Das Antragsrecht ist<br />

deshalb – analog dem Nachlassverfahren ausser Konkurs 6 –<br />

auch jedem Gläubiger zuzugestehen, der ein Konkursbegehren<br />

stellen kann 7 .<br />

Der Schuldner bzw. der antragsberechtigte Gläubiger<br />

hat einen Nachlassvertrag auszuarbeiten 8 . Dabei genügt der<br />

1 Art. 238 Abs. 2, Art. 252 Abs. 2, Art. 332 SchKG.<br />

2 Art. 314 ff. SchKG.<br />

3 Art. 317 ff. SchKG. Soweit eine Kombination von Dividendenvergleich<br />

und Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung abgeschlossen<br />

wird, gelten in aller Regel die Bestimmungen über<br />

den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung.<br />

4 Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.<br />

5 Daniel Hunkeler, Das Nachlassverfahren nach revidiertem<br />

SchKG, Diss. Freiburg 1996, Rz. 182.<br />

6 Art. 293 Abs. 2 SchKG.<br />

7 Hunkeler (FN 5), Rz. 184; Alain Winkelmann/Laurent<br />

Lévy/Yvan Jeanneret/Olivier Merkt/Francesca Birchler,<br />

in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin<br />

(Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung<br />

und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 332 SchKG N 6;<br />

Karl Wüthrich/Fritz Rothenbühler, in: Daniel Hunkeler<br />

(Hrsg.), Kurzkommentar zum Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz,<br />

Basel 2008, Art. 332 SchKG N 9; BlSchK 2008,<br />

153.<br />

Die Expertengruppe Nachlassverfahren schlägt deshalb vor,<br />

den Gesetzestext entsprechend zu ändern, vgl. Art. 332 Abs. 1<br />

VE-SchKG; Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes<br />

(SchKG): Sanierungsverfahren, Bericht und Vorentwurf<br />

der Expertengruppe Nachlassverfahren vom Juni 2008, 18, 31.<br />

8 Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 331 10.3.2009 9:12:21 Uhr<br />

331


332<br />

blosse Entwurf. Dieser muss ernsthaft erscheinen 9 , d.h. er<br />

darf nicht von vornherein aussichtslos sein.<br />

Zusätzliche Unterlagen (wie etwa Bilanz, Erfolgsrechnung<br />

oder ähnliche Unterlagen 10 ) oder die Unterschrift der<br />

Gläubigermehrheit sind nicht erforderlich 11 . Es steht dem<br />

Antragsteller aber frei, in einer kurzen Stellungnahme aus<br />

seiner Sicht darzulegen, weshalb der Nachlassvertrag für die<br />

Gläubiger Sinn macht. Der Entwurf des Nachlassvertrages<br />

wird der Konkursverwaltung eingereicht 12 , welche die Funktion<br />

des Sachwalters übernimmt 13 . Diese begutachtet den<br />

Entwurf 14 und verfasst eine Beurteilung.<br />

Das Antragsrecht besteht während der ganzen Dauer<br />

des Konkursverfahrens bis zu dessen Schluss 15 , solange die<br />

Schlussverteilung noch nicht statt gefunden hat 16 . Ein Antrag<br />

kann insbesondere auch dann noch gestellt werden, wenn<br />

schon alle Aktiven verwertet sind 17 . Wie alle sonstigen Handlungen<br />

im Rahmen eines SchKG-Verfahrens steht auch das<br />

Recht, einen Nachlassvertrag im Konkurs vorzuschlagen,<br />

unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs. Ein solcher<br />

kann vorliegen, wenn es dem Schuldner einzig darum geht,<br />

das laufende Konkursverfahren in die Länge zu ziehen 18 .<br />

9 Pierre-Robert Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur<br />

la poursuite pour dettes et la faillite, Lausanne 2001, Art. 332<br />

SchKG N 10; BGE 48 III 136.<br />

10 Vgl. Art. 293 Abs. 1 SchKG.<br />

11 Carl Jaeger, Das Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung<br />

und Konkurs, 3. A., Zürich 1911, Art. 317 SchKG N 2; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler<br />

(FN 7), Art. 332<br />

SchKG N 9 und N 14; Carl Jaeger/Hans Ulrich Walder/<br />

Thomas M. Kull/Martin Kottmann, Bundesgesetz über<br />

Schuldbetreibung und Konkurs, 4. A., Zürich 1997, Art. 332<br />

SchKG N 9 und N 11; BGE 78 III 18; BlSchK 2008, 153; a.M.<br />

BGE 38 I 323, welcher zum alten Wortlaut von Art. 293 SchKG<br />

erging.<br />

12 Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.<br />

13 Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG.<br />

14 Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.<br />

15 Art. 332 Abs. 3 i.V.m. Art. 195 Abs. 2 SchKG; Hans Glarner,<br />

Das Nachlassvertragsrecht nach schweizerischem SchKG, Diss.<br />

Zürich 1967, 37.<br />

16 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 5; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann<br />

(FN 11), Art. 332 SchKG N 10; Wüthrich/Rothenbühler<br />

(FN 7), Art. 332 SchKG N 4; a.M. Urteil des Obergerichts des<br />

Kantons Thurgau vom 28. November 2005, RBOG 2005, 192<br />

(= BlSchK 2008, 152 ff.), welches – ungeachtet der bereits abgeschlossenen<br />

Verteilung – einen Nachlassvertrag auch nach<br />

Schluss des Konkursverfahrens noch zulassen will, solange der<br />

Entscheid des Konkursgerichts noch nicht rechtskräftig ist.<br />

17 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 2; Winkelmann/Lévy/<br />

Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 5;<br />

Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG<br />

N 10.<br />

18 Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 10.<br />

Franco Lorandi/Michael Erismann<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

B. Gläubigerversammlung<br />

1. Einberufung<br />

Die Verhandlung über den Nachlassvertrag fi ndet frühestens<br />

in der zweiten Gläubigerversammlung statt 19 . In diesem<br />

Zeitpunkt ist der Kollokationsplan zwar noch nicht zwingend<br />

rechtskräftig. Er ist aber zumindest aufgelegt, womit<br />

eine gewisse Klarheit über die Passiven des Konkursiten<br />

besteht. Dies ist von Bedeutung, weil der Kollokationsplan<br />

die Grundlage für Teile des Bestätigungs- und Nachlassverfahrens<br />

bildet 20 . Da auch das Inventar in diesem Zeitpunkt<br />

erstellt ist, besteht ebenso Klarheit über einen Grossteil der<br />

Aktiven 21 .<br />

Hat im ordentlichen Konkursverfahren die zweite Gläubigerversammlung<br />

schon stattgefunden, ist eine dritte einzuberufen<br />

22 . Diesfalls hat der Schuldner für die Kosten der<br />

Gläubigerversammlung einen Vorschuss zu leisten 23 . Beantragt<br />

ein Gläubiger einen Nachlassvertrag im Konkurs, so hat<br />

dieser auch den Kostenvorschuss zu leisten 24 .<br />

Im summarischen Konkursverfahren fi nden in der Regel<br />

keine Gläubigerversammlungen statt 25 . Wenn jedoch ein<br />

Nachlassvertrag vorgeschlagen wird, liegen die vom Gesetz<br />

geforderten besonderen Umstände 26 vor. Die Konkursverwaltung<br />

hat deshalb ausnahmsweise eine Gläubigerversammlung<br />

einzuberufen 27 . Der Gemeinschuldner bzw. der<br />

19 Art. 332 Abs. 1 Satz 2 SchKG.<br />

20 Vgl. II.D.1.b. (Zustimmungsquoren), II.D.2.b.aa. (Sicherstellung),<br />

III.C.2. (Dividendenberechtigung).<br />

21 Vgl. Pierre-Robert Gilliéron, Poursuite pour dettes, faillite<br />

et concordat, 4. A., Basel 2005, N 3173.<br />

22 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Ernst Blumenstein,<br />

Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes,<br />

Bern 1911, 724, 895; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/<br />

Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 11; Dominique Junod<br />

Moser/Louis Gaillard, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/<br />

Nicolas Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de<br />

la Loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que<br />

des articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international<br />

privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 332 SchKG<br />

N 15; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />

N 13; BlSchK 2008, 154; BGE 48 III 136.<br />

23 Glarner (FN 15), 37; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/<br />

Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 11; Urs Bürgi, in: Adrian<br />

Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar<br />

zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/<br />

Genf/München 1998, Art. 252 SchKG N 14; Gilliéron (FN 9),<br />

Art. 332 SchKG N 10, N 17; BGE 78 III 18, 48 III 135 f.<br />

24 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 11.<br />

25 Art. 231 Abs. 3 Ziff. 1 SchKG.<br />

26 Art. 231 Abs. 3 Ziff. 1 SchKG.<br />

27 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 10; Urs Lustenberger, in: Adrian Staehelin/Thomas<br />

Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum<br />

Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/<br />

München 1998, Art. 231 SchKG N 32.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 332 10.3.2009 9:12:21 Uhr


antragstellende Gläubiger hat die entsprechenden Kosten<br />

vorzuschiessen 28 . Die Gläubigerversammlung kann auch im<br />

summarischen Konkursverfahren erst dann stattfi nden, wenn<br />

der Kollokationsplan aufl iegt 29 .<br />

Die Versammlung ist auch dann durchzuführen, wenn<br />

schon eine genügende Anzahl von Gläubigern dem Nachlassvertrag<br />

zugestimmt hat 30 . Für einen Nachlassvertrag mit<br />

Vermögensabtretung ist dies evident, da die Liquidatoren und<br />

ein Gläubigerausschuss gewählt werden müssen 31 . Auch bei<br />

einem Dividendenvergleich macht die Gläubigerversammlung<br />

aber in jedem Fall Sinn, da der Vorschlag anlässlich der<br />

Beratung in der Versammlung noch abgeändert werden kann<br />

und diesfalls die Gläubiger erneut zustimmen müssen 32 .<br />

In Bezug auf die Publikation fi nden die Vorschriften von<br />

Art. 301 und Art. 300 Abs. 1 Satz 2 SchKG 33 analog Anwendung<br />

34 , obschon Art. 332 Abs. 2 SchKG keinen Verweis<br />

auf diese Normen enthält: Die Einladung zur Gläubigerversammlung<br />

ist mindestens einen Monat vor der Versammlung<br />

in den Amtsblättern zu publizieren 35 . Die Publikation macht<br />

deshalb Sinn, weil für das Zustimmungsquorum auch Forderungen<br />

zu berücksichtigen sind, welche zu diesem Zeitpunkt<br />

noch nicht angemeldet sind 36 .<br />

Zudem sind die bekannten Gläubiger durch Spezialanzeige<br />

einzuladen 37 . Die Einladung hat mindestens 20 Tage vor<br />

28 Art. 96 lit. a KOV; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332<br />

SchKG N 17; Lustenberger (FN 27), Art. 231 SchKG N 32;<br />

Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 11, N 18; Wüthrich/<br />

Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 13; BlSchK 2008,<br />

154.<br />

29 Art. 332 Abs. 1 Satz 2 SchKG; Art. 252 Abs. 2 SchKG analog;<br />

Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 10; Junod Moser/Gaillard (FN 22),<br />

Art. 332 SchKG N 17; Gilliéron (FN 21), N 3173.<br />

30 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 4; Jaeger/Walder/<br />

Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 18; Wüthrich/<br />

Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 12.<br />

31 Art. 317 Abs. 2 SchKG; Hunkeler (FN 5), Rz. 938; vgl.<br />

II.B.4.<br />

32 Jaeger (FN 11), Art. 302 SchKG N 2; Kurt Amonn/Fridolin<br />

Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts,<br />

8. A., Bern 2008, § 54 N 63. Der Gemeinschuldner ist<br />

jedoch nicht verpfl ichtet, derartige Änderungen am Nachlassvertragsentwurf<br />

vorzunehmen resp. Änderungen, welche die<br />

Gläubiger vornehmen, gegen sich gelten zu lassen, vgl. Alexander<br />

Vollmar, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel<br />

Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung<br />

und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 302<br />

SchKG N 17.<br />

33 A.M. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 28, in Bezug auf<br />

Art. 300 SchKG.<br />

34 Vgl. auch Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler<br />

(FN 7), Art. 332 SchKG N 12; Wüthrich/Rothenbühler<br />

(FN 7), Art. 332 SchKG N 14.<br />

35 Art. 301 Abs. 1 SchKG analog.<br />

36 Vgl. II.D.1.b.<br />

37 Art. 301 Abs. 2 i.V.m. Art. 300 Abs. 1 Satz 2 SchKG analog.<br />

Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

der Versammlung zu erfolgen 38 . In der Einladung ist darauf<br />

hinzuweisen, dass über einen Nachlassvertrag verhandelt<br />

werden soll 39 .<br />

Die Akten können während 20 Tagen vor der Versammlung<br />

bei der Konkursverwaltung eingesehen werden 40 . Zu<br />

den Akten gehören der Nachlassvertrag, eine allfällige Stellungnahme<br />

des Antragstellers 41 und die Beurteilung durch<br />

die Konkursverwaltung 42 .<br />

2. Aufgaben der Konkursverwaltung<br />

Die Konkursverwaltung leitet die Versammlung. Sie erstattet<br />

Bericht über die Vermögens- und die Ertrags- bzw. Einkommenslage<br />

des Schuldners 43 . Sie gibt Auskunft über den Stand<br />

und den voraussichtlichen Ausgang des Konkursverfahrens.<br />

Dies umfasst auch eine Einschätzung für den Ausgang hängiger<br />

Prozesse 44 . Sie begutachtet zudem zuhanden der Gläubigerversammlung<br />

den Vorschlag zum Nachlassvertrag 45 .<br />

Die Konkursverwaltung kann den Nachlassvertrag auch<br />

einem allfälligen Gläubigerausschuss 46 unterbreiten; dazu<br />

verpfl ichtet ist sie nicht 47 .<br />

3. Teilnahmeberechtigung<br />

Teilnahmeberechtigt sind alle gemäss Kollokationsplan noch<br />

nicht rechtskräftig abgewiesenen Gläubiger 48 . Ebenfalls teilnahmeberechtigt<br />

sind Gläubiger, welche ihre Forderung erst<br />

nach Aufl age des Kollokationsplans eingegeben haben 49 .<br />

Teilnahmeberechtigt sind demnach auch Gläubiger, welche<br />

nicht über die Annahme des Nachlassvertrages mitentschei-<br />

38 Es drängt sich hier die Anwendung der konkursrechtlichen<br />

Regelung analog Art. 252 Abs. 1 SchKG auf; vgl. Jaeger<br />

(FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann<br />

(FN 11), Art. 332 SchKG N 16.<br />

39 Art. 252 Abs. 2 SchKG; Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3;<br />

Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG<br />

N 15; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG<br />

N 19; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />

N 14; BGE 35 I 268.<br />

40 Art. 301 Abs. 1 Satz 1 SchKG analog; Winkelmann/Lévy/<br />

Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 11), Art. 332 SchKG N 12;<br />

Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 19;<br />

Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 14.<br />

41 Vgl. II.A.<br />

42 Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 19.<br />

43 Art. 302 Abs. 1 i.V.m. Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG.<br />

44 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3.<br />

45 Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.<br />

46 Art. 237 Abs. 3, Art. 253 Abs. 2 SchKG.<br />

47 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Jaeger/Walder/Kull/<br />

Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 14; Winkelmann/<br />

Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />

N 12.<br />

48 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Junod Moser/Gaillard<br />

(FN 22), Art. 332 SchKG N 20.<br />

49 A.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 333 10.3.2009 9:12:21 Uhr<br />

333


334<br />

den können 50 , wohl aber an der Diskussion teilnehmen dürfen<br />

sollen. Dies gilt für privilegierte Gläubiger, Pfandgläubiger<br />

(im Umfang der Pfandsicherheit) und Ehegatten. Unmassgeblich<br />

ist auch, wann die Forderung angemeldet wurde 51 , oder<br />

ob sie vom Gemeinschuldner bestritten worden ist 52 . Beim<br />

Teilnahmerecht verhält es sich somit gleich wie beim Nachlassvertrag<br />

ausser Konkurs. Ob ein ordentlicher Nachlassvertrag<br />

oder ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />

vorgeschlagen ist, spielt für die Teilnahmeberechtigung keine<br />

Rolle.<br />

4. Wahlen und Wahlberechtigung<br />

Handelt es sich beim Vorschlag um einen ordentlichen Nachlassvertrag,<br />

so wird weder ein Liquidator noch ein Gläubigerausschuss<br />

gewählt; die Gläubigerversammlung ist diesfalls<br />

bloss beratend tätig 53 .<br />

Anders verhält es sich beim Liquidationsvergleich: Bei<br />

diesem sind von der Gläubigerversammlung die Liquidatoren<br />

und der Gläubigerausschuss zu wählen 54 . Wahlberechtigt<br />

sind dieselben Gläubiger, welchen auch das Stimmrecht 55<br />

für die Annahme des Nachlassvertrages zukommt 56 . Für die<br />

Wahl gilt das einfache Mehr der abstimmenden Gläubiger<br />

nach Köpfen 57 .<br />

Die Versammlung untersteht weder bei einem Dividendenvergleich<br />

noch bei einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />

dem Anwesenheitsquorum gemäss Art. 235 Abs. 3<br />

SchKG 58 ; es gilt kein Präsenzquorum 59 . Es verhält sich somit<br />

50 Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 20; vgl.<br />

auch Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 62, für den Nachlassvertrag<br />

ausser Konkurs.<br />

51 Solange die Forderung «suffi samment tôt pour participer»<br />

eingegeben wurde, vgl. Junod Moser/Gaillard (FN 22),<br />

Art. 332 SchKG N 20; a.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG<br />

N 3, welcher Gläubiger, die ihre Forderung i.S.v. Art. 251<br />

SchKG verspätet eingegeben haben und deren Berechtigung<br />

daher von der Konkursverwaltung noch nicht geprüft wurde,<br />

nicht zulassen will.<br />

52 Für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Winkelmann/Lévy/<br />

Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 317 SchKG N 17.<br />

53 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 13; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 15.<br />

54 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 317 Abs. 2 Satz 2 SchKG.<br />

55 Zur Vermeidung von Missverständnissen wird hier die Berechtigung<br />

zur Teilnahme an der Wahl der Liquidatoren und<br />

gegebenenfalls des Gläubigerausschusses als «Wahlrecht», die<br />

Berechtigung zur Zustimmung oder Ablehnung des Nachlassvertrages<br />

dagegen als «Stimmrecht» bezeichnet.<br />

56 Vgl. II.D.1.<br />

57 Peter Ludwig, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />

(Liquidationsvergleich), Diss. Bern 1970, 47.<br />

58 Mindestens ein Viertel der bekannten Gläubiger bzw. mindestens<br />

die Hälfte der Gläubiger, wenn es vier oder weniger Gläubiger<br />

sind.<br />

59 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 302 Abs. 3 SchKG; Ludwig<br />

(FN 57), 47; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birch-<br />

Franco Lorandi/Michael Erismann<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

gleich wie bei Wahlen im Rahmen eines Nachlassvertrages<br />

(mit Vermögensabtretung) ausser Konkurs 60 .<br />

5. Zustimmung zum Nachlassvertrag<br />

Die Zustimmungen der Gläubiger zum Nachlassvertrag<br />

müssen in jedem Fall schriftlich und individuell erfolgen 61 .<br />

Es fi nden keine Beschlüsse in der Versammlung statt. Die<br />

schriftlichen Zustimmungen können vor oder nach der Gläubigerversammlung<br />

erteilt werden. Sie müssen spätestens bis<br />

zur Bestätigungsverhandlung vor dem Nachlassrichter vorliegen<br />

62 .<br />

6. Antrag der Konkursverwaltung an den<br />

Nachlassrichter<br />

Nach der Gläubigerversammlung leitet die Konkursverwaltung<br />

den Nachlassvertrag mitsamt ihrer Beurteilung, den<br />

bereits vorhandenen Zustimmungserklärungen 63 und einer<br />

Abrechnung über die bislang durch das Konkursverfahren<br />

verursachten Kosten 64 von Amtes wegen an den Nachlassrichter<br />

weiter 65 . Die Konkursverwaltung muss auch dann an<br />

den Nachlassrichter gelangen, wenn bis dahin die erforderlichen<br />

Zustimmungen der Gläubiger nicht vorliegen 66 . Zum<br />

einen kann die Konkursverwaltung nicht über das Zustandekommen<br />

des Nachlassvertrags entscheiden 67 ; sie hat vielmehr<br />

für einen Entscheid des Nachlassrichters zu sorgen 68 .<br />

Zum anderen können (weitere) Zustimmungserklärungen<br />

noch bis zum Bestätigungsentscheid beigebracht werden 69 .<br />

ler (FN 7), Art. 332 SchKG N 13; Junod Moser/Gaillard<br />

(FN 22), Art. 332 SchKG N 22; Wüthrich/Rothenbühler<br />

(FN 7), Art. 332 SchKG N 16; BGE 82 III 87 ff. (allerdings für<br />

den Nachlassvertrag ausser Konkurs); a.M. Jaeger (FN 11),<br />

Art. 317 SchKG N 4; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann<br />

(FN 11), Art. 332 SchKG N 18; Gilliéron (FN 21), N 3178,<br />

jedoch mit Ausnahme hinsichtlich der Beratung über den Nachlassvertrag.<br />

60 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 317 SchKG N 15; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 16; BGE 82 III 27.<br />

61 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 302 Abs. 3 SchKG.<br />

62 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 1 Satz 1 SchKG; Hunkeler<br />

(FN 5), Rz. 945; Ludwig (FN 57), 46; Winkelmann/<br />

Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />

N 13; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />

N 15.<br />

63 BGE 35 I 268.<br />

64 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Winkelmann/Lévy/<br />

Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 16;<br />

Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20.<br />

65 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 304 Abs. 1 SchKG.<br />

66 Gilliéron (FN 21), N 3178; Wüthrich/Rothenbühler<br />

(FN 7), Art. 332 SchKG N 18; BGE 35 I 268.<br />

67 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 14; BGE 78 III 18.<br />

68 BGE 35 I 267.<br />

69 Vgl. II.B.5.; BGE 35 I 368.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 334 10.3.2009 9:12:22 Uhr


C. Einstellung der Verwertung<br />

Grundsätzlich wird der Lauf des Konkursverfahrens durch<br />

die Einreichung eines Nachlassvertragsvorschlages nicht unmittelbar<br />

beeinträchtigt 70 . Nach Art. 332 Abs. 2 SchKG wird<br />

jedoch die Verwertung eingestellt, bis der Nachlassrichter<br />

über die Bestätigung des Nachlassvertrages entschieden hat.<br />

Die Einstellung der Verwertung erfolgt ex lege 71 ; es bedarf<br />

somit keines Einstellungsentscheides.<br />

Der Gesetzeswortlaut gibt jedoch keinen Aufschluss darüber,<br />

ab wann die Verwertungshandlungen von Gesetzes wegen<br />

als eingestellt gelten. Die Einreichung des Vorschlags<br />

für einen Nachlassvertrag genügt für sich alleine nicht, damit<br />

die Verwertung sistiert wird 72 . Eine Sistierung fi ndet aber in<br />

jedem Fall statt, sobald sich die (zweite bzw. speziell einberufene)<br />

Gläubigerversammlung zum Nachlassvertragsentwurf<br />

äussern konnte 73 . Dies gilt u.E. unbesehen davon, dass<br />

dannzumal in aller Regel noch nicht genügend Zustimmungen<br />

der Gläubiger vorliegen werden. Die Verwertung wird<br />

somit nicht erst dann eingestellt, wenn die Quoren gemäss<br />

Art. 305 SchKG erfüllt sind 74 , zumal dieser Zeitpunkt objektiv<br />

schwer feststellbar ist und überdies die Zustimmungen<br />

noch bis zur Bestätigungsverhandlung beigebracht werden<br />

können 75 .<br />

Vor Durchführung der Gläubigerversammlung kann die<br />

Konkursverwaltung nach eigenem Ermessen entscheiden,<br />

ob die Verwertungshandlungen einzustellen sind 76 . Zudem<br />

kann auch schon die erste Gläubigerversammlung 77 die Einstellung<br />

der Verwertung beschliessen, wenn der Schuldner<br />

dannzumal einen Nachlassvertrag vorschlägt 78 .<br />

70 Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 19; Jaeger/Walder/Kull/<br />

Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 12.<br />

71 Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 17; BGE 120 III 96, 35 I<br />

269.<br />

72 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 15; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann<br />

(FN 11), Art. 332 SchKG N 12; Gilliéron (FN 9), Art. 332<br />

SchKG N 18, N 21; BGE 120 III 96, 78 III 17, 35 I 269.<br />

73 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 15; BGE 78 III 18 (zu Art. 81 aKOV), 35 I<br />

269 (von dem Zeitpunkt an, «wo das ordentliche Verwertungsverfahren<br />

der Art. 256 ff. beginnen darf»).<br />

74 So aber Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 17 f.; Erwin<br />

Brügger, SchKG-Gerichtspraxis 1946–2005, Zürich 2006,<br />

Art. 332 SchKG N 4; Junod Moser/Gaillard (FN 22),<br />

Art. 332 SchKG N 25; BGE 120 III 96.<br />

75 Vgl. II.B.5.<br />

76 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 15; Junod Moser/Gaillard (FN 22),<br />

Art. 332 SchKG N 26; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann<br />

(FN 11), Art. 332 SchKG N 6 f.<br />

77 Für diese gilt das Präsenzquorum gemäss Art. 235 SchKG, vgl.<br />

Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 10, N 17.<br />

78 Art. 238 Abs. 2 SchKG; Jaeger (FN 11), Art. 238 SchKG<br />

N 8, Art. 317 SchKG N 2; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann<br />

(FN 11), Art. 332 SchKG N 12; Gilliéron (FN 9), Art. 332<br />

SchKG N 10, N 17; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332<br />

Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

D. Bestätigungsverhandlung und<br />

Entscheid des Nachlassrichters<br />

(Homologation)<br />

Nachdem die Konkursverwaltung im Anschluss an die Gläubigerversammlung<br />

an den Nachlassrichter gelangt ist 79 , setzt<br />

dieser eine Bestätigungsverhandlung an und trifft seinen<br />

Entscheid beförderlich 80 . Der Nachlassrichter lädt die Konkursverwaltung,<br />

welche die Interessen der Masse vertritt und<br />

die Funktion des Sachwalters einnimmt 81 , zum Bestätigungstermin<br />

ein 82 .<br />

Die Voraussetzungen für die Bestätigung des Nachlassvertrages<br />

richten sich auch beim Nachlassvertrag im Konkurs<br />

nach Art. 305 (Annahme durch die Gläubiger) und Art. 306<br />

SchKG (Voraussetzungen für den Bestätigungsentscheid) 83 .<br />

Dieser Verweis auf die beim Nachlassvertrag ausser Konkurs<br />

geltenden Regeln wirft, so einfach er gesetzgebungstechnisch<br />

erscheinen mag, bei genauerer Betrachtung einige Fragen<br />

auf. Der Grund dieser Unklarheiten bei der sinngemässen<br />

Anwendung der Bestätigungserfordernisse auf den Nachlassvertrag<br />

im Konkurs liegt in folgendem Umstand: Das Konkurs-<br />

und das Nachlassverfahren folgen unterschiedlichen<br />

Regeln. Beim Nachlassvertrag im Konkurs fi ndet ein Wechsel<br />

vom Konkursverfahren zum Nachlassverfahren statt. Fraglich<br />

ist, wann dieser Paradigmenwechsel statt fi nden soll 84 . Der<br />

beschriebene Verfahrenswechsel ist in seinen Konsequenzen<br />

beim ordentlichen Nachlassvertrag wesentlich stärker ausgeprägt<br />

als beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, da<br />

letzterer ähnlichen Regeln folgt wie der Konkurs. Es drängt<br />

sich daher nachfolgend eine Unterscheidung zwischen diesen<br />

beiden Nachlassvertragsarten auf.<br />

1. Zustimmung der Gläubiger<br />

a. Quoren<br />

Es gelten die Quoren gemäss Art. 305 SchKG: Bis zum Bestätigungszeitpunkt<br />

muss die Mehrheit der Gläubiger, welche<br />

ihrerseits mindestens zwei Drittel des Gesamtbetrages<br />

SchKG N 27; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332<br />

SchKG N 12; BGE 120 III 96, 35 I 269. Die Verhandlung über<br />

den Nachlassvertrag hat aber auch in diesem Fall erst nach Auflage<br />

des Kollokationsplans zu erfolgen, vgl. II.B.1.<br />

79 Vgl. II.B.6.<br />

80 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 304 Abs. 2 und 3 SchKG.<br />

81 Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG.<br />

82 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Winkelmann/Lévy/<br />

Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 16;<br />

Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 24;<br />

Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 19.<br />

83 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 f. SchKG; Winkelmann/Lévy/<br />

Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 7 f.;<br />

Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 22.<br />

84 Es stellt sich namentlich die Frage, ob der Wechsel schon bei<br />

der Zustimmung zum Nachlassvertrag (II.D.1.b), bei der Sicherstellung<br />

des Vollzugs (II.D.2), oder aber erst bei der Dividendenberechtigung<br />

erfolgen soll (III.B.2/III.C.2.).<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 335 10.3.2009 9:12:22 Uhr<br />

335


336<br />

der Forderungen vertreten, oder ein Viertel der Gläubiger,<br />

welche mindestens drei Viertel des Gesamtbetrages der Forderungen<br />

vertreten, zugestimmt haben 85 .<br />

Privilegierte Gläubiger und deren Forderungen werden<br />

nicht mitgezählt 86 . Pfandgesicherte Forderungen sind nur im<br />

Umfang des geschätzten Ausfallbetrages stimmberechtigt 87 .<br />

Die Konkursverwaltung hat zu diesem Zweck eine Pfandschätzung<br />

vorzunehmen 88 ; massgeblich ist der voraussichtliche<br />

Liquidationswert des Pfandobjektes 89 . Unabhängig von<br />

einer allfälligen Privilegierung ist der Ehegatte 90 des Schuldners<br />

in jedem Fall nicht stimmberechtigt 91 .<br />

b. Berechnung der Quoren<br />

Für die Berechnung verweist Art. 332 Abs. 2 Satz 1 SchKG<br />

auf Art. 305 SchKG. Dessen Abs. 3 sieht für den Nachlassvertrag<br />

ausser Konkurs vor, dass der Richter u.a. entscheidet,<br />

ob und zu welchem Betrag bestrittene Forderungen mitzuzählen<br />

sind. Damit sind die vom Schuldner bestrittenen Forderungen<br />

gemeint92 .<br />

Aus «Nachlassvertrags-Optik» würde diese Regelung<br />

für den ordentlichen Nachlassvertrag, mit Blick auf die<br />

letztendliche Dividendenberechtigung im Falle des Zustandekommens<br />

des Nachlassvertrags, auch beim Nachlassvertrag<br />

im Konkurs Sinn machen: Massgebend ist diesbezüglich<br />

– unter Vorbehalt der rechtskräftigen Feststellung durch<br />

den Richter – einzig die Anerkennung der Forderung durch<br />

den Schuldner; der Kollokationsplan hingegen ist für die Dividendenberechtigung<br />

beim ordentlichen Nachlassvertrag<br />

grundsätzlich bedeutungslos93 .<br />

Aus «Konkurs-Optik» jedoch will eine solche Regelung<br />

für einen ordentlichen Nachlassvertrag im Konkurs nicht<br />

recht passen: Im Konkurs wird über die Zulassung der Forderungen<br />

grundsätzlich im Kollokationsverfahren entschieden;<br />

auf die Anerkennung oder Bestreitung durch den Schuldner<br />

kommt es diesfalls nicht an. U.E. ist dieser konkursrechtlichen<br />

Sichtweise der Vorzug zu geben. Sie trägt zum Schutz<br />

des rechtskräftig kollozierten Gläubigers94 vor der Bestäti-<br />

85 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 1 SchKG.<br />

86 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 2 SchKG; für den Nachlassvertrag<br />

ausser Konkurs: Hunkeler (FN 5), Rz. 950.<br />

87 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 2 SchKG; für den Nachlassvertrag<br />

ausser Konkurs: Hunkeler (FN 5), Rz. 954.<br />

88 Art. 299 Abs. 1 SchKG analog; Gilliéron (FN 9), Art. 332<br />

SchKG N 15; BGE 107 III 41.<br />

89 BGE 107 III 41 f.<br />

90 Gleichgestellt ist der Partner einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen<br />

Partnerschaft (Art. 305 Abs. 2 Satz 1 SchKG).<br />

91 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 2 SchKG; für den Nachlassvertrag<br />

ausser Konkurs: Hunkeler (FN 5), Rz. 951.<br />

92 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 305 SchKG N 32; Gilliéron (FN 9), Art. 305 SchKG<br />

N 16; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 305<br />

SchKG N 45.<br />

93 Vgl. III.B.2.<br />

94 Der Bestand seiner Forderung wurde durch die Konkursverwaltung<br />

immerhin summarisch geprüft (Art. 244 f. SchKG). Es<br />

Franco Lorandi/Michael Erismann<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

gung eines sich für ihn allenfalls nachteilig auswirkenden<br />

Nachlassvertrages bei.<br />

Für die Berechnung der Quoren ist somit in erster Linie<br />

auf den Kollokationsplan abzustellen 95 . Ob der Gemeinschuldner<br />

die betreffende Forderung bestritten hat, ist daher<br />

unmassgeblich. Massgeblich sind die rechtskräftig kollozierten<br />

Gläubiger und deren Forderungen 96 . Im Rahmen der<br />

Kollokation defi nitiv abgewiesene Forderungen werden bei<br />

der Berechnung nicht mit einbezogen 97 .<br />

Dies muss a fortiori für den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />

gelten, da sich bei diesem (im Unterschied<br />

zum ordentlichen Nachlassvertrag) selbst die Dividendenberechtigung<br />

nach der Kollokation richtet 98 .<br />

Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs sind nur diejenigen<br />

Gläubiger stimmberechtigt, welche ihre Forderungen rechtzeitig<br />

angemeldet haben 99 . Mangels vorgängiger Bekanntmachung<br />

100 eines Zeitpunkts, bis wann eine Forderungsanmeldung<br />

zu erfolgen hat, um das Stimmrecht zu wahren, gibt<br />

es beim Nachlassvertrag im Konkurs keinen datummässig<br />

bestimmten Zeitpunkt, bis wann die Forderungen angemeldet<br />

werden müssen. Da Zustimmungserklärungen zum<br />

Nachlassvertrag noch bis zur Bestätigungsverhandlung geleistet<br />

werden können 101 , sind u.E. auch alle Forderungen zu<br />

berücksichtigten, welche bis dahin angemeldet werden.<br />

Der Nachlassrichter entscheidet, ob bzw. inwiefern<br />

Forderungen, welche im Konkursverfahren verspätet eingegeben<br />

wurden 102 , so dass sie im Kollokationsplan nicht<br />

aufgeführt sind, berücksichtigt werden 1<strong>03</strong> . Dasselbe gilt für<br />

Forderungen, deren Kollokation ausgesetzt worden ist 104 .<br />

Ebenso entscheidet er, inwieweit Forderungen, die im Zeitpunkt<br />

der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Pro-<br />

erscheint unbillig, die Stimmberechtigung trotz durchgeführter<br />

Kollokation von der Anerkennung der Forderung durch den Gemeinschuldner<br />

abhängig zu machen und damit in dessen Belieben<br />

zu stellen oder gar für Manipulationen anfällig zu machen.<br />

95 Ein neuer Schuldenruf fi ndet nicht statt (Art. 332 Abs. 2 i.V.m.<br />

Art. 300 SchKG e contrario; Junod Moser/Gaillard (FN 22),<br />

Art. 332 SchKG N 10).<br />

96 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Jaeger/Walder/<br />

Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 19; Wüthrich/<br />

Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6.<br />

97 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 3 SchKG; Winkelmann/<br />

Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />

N 7; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332<br />

SchKG N 19 f.; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332<br />

SchKG N 20 f.<br />

98 Vgl. III.C.2.<br />

99 Art. 300 Abs. 1 Satz 1 SchKG.<br />

100 Zum Nachlass ausser Konkurs vgl. Art. 300 Abs. 1 SchKG.<br />

101 Vgl. II.B.5.<br />

102 Art. 251 SchKG.<br />

1<strong>03</strong> Vgl. Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6.<br />

Gemäss diesen Autoren soll dies nur gelten, soweit die Forderung<br />

vom Schuldner bestritten wird.<br />

104 Art. 59 Abs. 3 KOV; gemäss Wüthrich/Rothenbühler<br />

(FN 7), Art. 332 SchKG N 6 soll dies nur gelten, soweit die<br />

Forderung vom Schuldner bestritten wird.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 336 10.3.2009 9:12:23 Uhr


zesses bildeten und daher im Kollokationsplan nur pro memoria<br />

aufgeführt wurden 105 , bei der Berechnung der Quoren<br />

zu berücksichtigen sind 106 .<br />

Der Richter hat auch darüber zu entscheiden, inwieweit<br />

Forderungen, welche Gegenstand einer Anfechtung des Kollokationsplans<br />

sind, bei der Berechnung der Quoren gemäss<br />

Art. 305 SchKG mit einbezogen werden 107 . Dies gilt sowohl<br />

für Forderungen, welche Gegenstand einer positiven Kollokationsklage<br />

(eines Gläubigers gegen die Masse auf Zulassung<br />

seiner Forderung 108 ) bilden, als auch für solche, welche<br />

Gegenstand einer negativen Kollokationsklage (eines Gläubigers<br />

auf Wegweisung der Forderung eines anderen Gläubigers<br />

109 ) sind.<br />

Bei seiner Entscheidung über die Stimmberechtigung<br />

stellt der Nachlassrichter auf die Wahrscheinlichkeit der<br />

Berechtigung der Forderung ab 110 . Dabei kann er eine Forderung<br />

auch nur teilweise als stimmberechtigt einstufen 111 .<br />

Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs stützt er sich bei<br />

seiner Beurteilung auf den Bericht des Sachwalters und allenfalls<br />

auf die Stellungnahmen der betroffenen Gläubiger<br />

und des Schuldners 112 . Der Antrag des Sachwalters über die<br />

Stimmberechtigung ist dabei für den Richter nicht bindend,<br />

hat aber praxisgemäss eine wichtige Bedeutung 113 .<br />

Beim Nachlassvertrag im Konkurs tritt die Konkursverwaltung<br />

an die Stelle des Sachwalters 114 . Sie muss sich in<br />

ihrem Bericht zuhanden des Nachlassrichters 115 zur Berechnung<br />

der Quoren und damit auch zur Wahrscheinlichkeit<br />

solcher Forderungen äussern. Der Nachlassrichter stützt sich<br />

bei seinem Entscheid zudem auch auf die Konkursakten 116 .<br />

Soweit es um Forderungen geht, die Gegenstand eines Prozesses<br />

bilden (gleichgültig, ob der Prozess bei Konkurseröff-<br />

105 Art. 63 Abs. 1 KOV.<br />

106 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Gilliéron (FN 9),<br />

Art. 332 SchKG N 15.<br />

107 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Winkelmann/Lévy/<br />

Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />

N 7; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 15; Jaeger/<br />

Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 20;<br />

Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 20;<br />

Wüthrich/ Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6.<br />

108 Art. 250 Abs. 1 SchKG.<br />

109 Art. 250 Abs. 2 SchKG.<br />

110 Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 15; betreffend vom<br />

Schuldner bestrittener Forderungen beim Nachlassvertrag ausser<br />

Konkurs: Hans Ulrich Hardmeier, in: Adrian Staehelin/<br />

Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz<br />

über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/<br />

München 1998, Art. 305 SchKG N 32.<br />

111 Für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Hardmeier (FN 110),<br />

Art. 305 SchKG N 32.<br />

112 Hardmeier (FN 110), Art. 305 SchKG N 32; Jaeger/Walder/<br />

Kull/Kottmann (FN 11), Art. 305 SchKG N 38.<br />

113 Brügger (FN 74), Art. 305 SchKG N 5.<br />

114 Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG.<br />

115 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 304 SchKG.<br />

116 «Le dossier de la faillite», vgl. Gilliéron (FN 9), Art. 332<br />

SchKG N 15.<br />

Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

nung schon hängig war oder ob es sich um einen Kollokationsprozess<br />

handelt), wird der Nachlassrichter auch auf die<br />

Prozessakten abstellen und sich ein Urteil bilden. Die Anerkennung<br />

oder Bestreitung der Forderung durch den Schuldner<br />

ist für den Richter nur ein (eher ungewichtiges) Indiz.<br />

2. Hinlängliche Sicherstellung<br />

Eine Voraussetzung für die Bestätigung des Nachlassvertrages<br />

ist, dass der Vollzug des Nachlassvertrages, die vollständige<br />

Befriedigung der angemeldeten privilegierten Gläubiger<br />

sowie die Erfüllung der während der Stundung mit<br />

Zustimmung des Sachwalters eingegangenen Verbindlichkeiten<br />

hinlänglich sichergestellt sind, soweit nicht einzelne<br />

Gläubiger ausdrücklich auf die Sicherstellung ihrer Forderung<br />

verzichten 117 . Diese Regelung ist auf den ordentlichen<br />

Nachlassvertrag (Dividendenvergleich) ausser Konkurs zugeschnitten<br />

118 . Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />

(Liquidationsvergleich) und bei Nachlassverträgen im<br />

Konkurs ergeben sich Besonderheiten.<br />

a. Beim ordentlichen Nachlassvertrag<br />

aa. Vollzug des Nachlassvertrages<br />

Sicherzustellen ist zunächst der «Vollzug des Nachlassvertrages»<br />

119 . Darunter fällt beim Dividendenvergleich neben<br />

den Verfahrenskosten auch die fristgerechte Auszahlung<br />

der (gesamten120 ) Nachlassdividende121 . Beim Nachlassvertrag<br />

ausser Konkurs ist darunter die Dividende für sämtliche<br />

angemeldeten Forderungen, die dem Nachlassvertrag<br />

unterliegen, zu verstehen122 . Sicherzustellen sind auch verspätet<br />

angemeldete Forderungen123 sowie (grundsätzlich)<br />

vom Schuldner bestrittene Forderungen124 , nicht jedoch die<br />

aufgrund der Pfandschätzung gedeckten pfandgesicherten<br />

Forderungen125 . Ob diese für den Nachlassvertrag ausser<br />

117 Art. 332 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.<br />

118 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 19; Amonn/Walther<br />

(FN 32), § 54 N 77; Hunkeler (FN 5), Rz. 1004; Sylvain<br />

Marchand, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/Nicolas Jeandin<br />

(Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la Loi fédérale sur<br />

la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que des articles 166 à<br />

175 de la Loi fédérale sur le droit international privé (Commentaire<br />

Romand), Basel 2005, Art. 306 SchKG N 37.<br />

119 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.<br />

120 Jaeger (FN 11), Art. 306 SchKG N 10; Marchand (FN 118),<br />

Art. 306 SchKG N 39; BGE 64 I 82.<br />

121 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20.<br />

122 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; Marchand<br />

(FN 118), Art. 306 SchKG N 40.<br />

123 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; a.M. Hunkeler<br />

(FN 5), Rz. 891 f.<br />

124 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; Marchand<br />

(FN 118), Art. 306 SchKG N 40; Gilliéron (FN 9), Art. 306<br />

SchKG N 28.<br />

125 Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG N 27; Hardmeier<br />

(FN 110), Art. 306 SchKG N 20.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 337 10.3.2009 9:12:23 Uhr<br />

337


338<br />

Konkurs geltenden Grundsätze auch beim (ordentlichen)<br />

Nachlassvertrag im Konkurs Geltung haben, ist unklar.<br />

U.E. ist zur Beantwortung dieser Frage vom Grundsatz<br />

auszugehen, dass die Sicherstellung in aller Regel alle dividendenberechtigten<br />

Forderung umfassen soll 126 . Die Dividendenberechtigung<br />

ist von der Kollokation unabhängig 127 .<br />

Beim Dividendenvergleich im Konkurs kann u.E. somit<br />

hinsichtlich des Umfangs der Sicherstellung – wie ausser<br />

Konkurs – grundsätzlich auf die angemeldeten Forderungen<br />

abgestellt werden; der Kollokationsplan ist in diesem Zusammenhang<br />

bedeutungslos.<br />

Umstritten ist die Sicherstellungspfl icht hinsichtlich vom<br />

Schuldner bestrittener Forderungen. Ein Teil der Lehre (zum<br />

Nachlassvertrag ausser Konkurs) spricht sich für die vollumfängliche<br />

Sicherstellung auch bestrittener Forderungen<br />

aus 128 , ein anderer Teil will die Sicherstellung von der Begründetheit<br />

der Forderung abhängig machen, welche vom<br />

Nachlassrichter analog Art. 305 Abs. 3 SchKG summarisch<br />

zu prüfen ist 129 . U.E. ist letztere Meinung vorzuziehen, wonach<br />

der Nachlassrichter entscheidet, ob und in welchem<br />

Umfang bestrittene Forderungen ebenfalls sicherzustellen<br />

sind. Die Sicherstellung entfällt nachträglich, sofern der<br />

Gläubiger der bestrittenen Forderung nicht innert der gesetzlich<br />

festgelegten Frist zur Feststellung seiner Forderung Klage<br />

einleitet 130 .<br />

Weiter ist beim Dividendenvergleich im Konkurs unklar,<br />

ob die Rechtzeitigkeit der Forderungsanmeldung relevant<br />

ist und was Rechtzeitigkeit in diesem Kontext überhaupt be-<br />

126 A.M. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20, welcher<br />

dafür hält, dass die Sicherstellungspfl icht in der Regel mit der<br />

Beurteilung der Stimmberechtigung übereinstimmen wird.<br />

127 Vgl. III.B.2.<br />

128 Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG N 40; so wohl auch<br />

BGE 36 II 461, wo eine indifferent formulierte Bürgschaft auch<br />

bestrittene Forderungen sicherstellte.<br />

129 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; Junod Moser/<br />

Gaillard (FN 22), Art. 315 SchKG N 10; Gilliéron (FN 9),<br />

Art. 306 SchKG N 28, mit Verweis auf BGE 47 III 186, wonach<br />

jedoch von der Sicherstellung nur bestrittene Forderungen<br />

auszunehmen sind, die offensichtlich jeglicher Grundlage entbehren;<br />

Entscheid der Rekurskommission des Kt. Thurgau vom<br />

18. November 1970, RBOG 1970 Nr. 6 = SJZ 1971 Nr. 145,<br />

328; so auch der Vorentwurf der Expertengruppe SchKG, allerdings<br />

nur in Bezug auf bestrittene privilegierte Forderungen<br />

(Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 VE-SchKG); ebenfalls für eine<br />

analoge Anwendung von Art. 305 Abs. 3 SchKG auf privilegierte<br />

Forderungen Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 77;<br />

BGE 44 III 235 in Bezug auf Art. 310 aSchKG (heute Art. 315<br />

Abs. 1 SchKG).<br />

130 Art. 315 Abs. 1 SchKG; Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG<br />

N 40; Gilliéron (FN 21), N 3257; Ders. (FN 9), Art. 315<br />

SchKG N 9; zur Frage, ob die Sicherstellung durch Hinterlegung<br />

bei der Depositenanstalt (Art. 315 Abs. 2 SchKG) kumulativ<br />

oder alternativ zu erfolgen hat vgl. BGE 36 II 460 f. und<br />

Kritik dazu bei Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 315<br />

SchKG N 16 m.w.H.; vgl. III.B.2.<br />

Franco Lorandi/Michael Erismann<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

deutet. Da keine öffentliche Bekanntmachung unter Androhung<br />

des Verlustes des Stimmrechts 131 (und damit allenfalls<br />

auch des Anspruchs auf Sicherstellung 132 ) erfolgt, scheint es<br />

nicht angebracht, Gläubiger ihres Sicherstellungsanspruchs<br />

zu berauben. U.E. ist daher grundsätzlich auch die Dividende<br />

solcher Gläubiger sicherzustellen, deren Forderung<br />

nicht aus dem Kollokationsplan hervorgeht, sondern die<br />

ihre Forderung bis spätestens zur Bestätigungsverhandlung<br />

anmelden 133 . Der Schuldner hat sich über die Anerkennung<br />

oder Bestreitung dieser Forderung zu erklären. Über die Sicherstellung<br />

bestrittener Forderungen entscheidet der Nachlassrichter<br />

aufgrund der Wahrscheinlichkeit ihrer Berechtigung<br />

134 .<br />

Wie das Zustimmungsquorum 135 wird auch das Quantitativ<br />

der Sicherstellung somit erst im Zeitpunkt der Homologation<br />

vom Nachlassrichter festgelegt. Aus praktischen<br />

Gründen wird man dem Schuldner eine kurze Nachfrist zur<br />

allfällig erforderlichen Erhöhung der Sicherstellung gewähren<br />

können 136 .<br />

Hingegen kommt bei der Sicherstellung – anders als<br />

beim Zustimmungsquorum 137 – eine auf die Dividendenberechtigung<br />

gerichtete «Nachlassvertrags-Optik» 138 zur<br />

Anwendung. Der beschriebene Paradigmenwechsel vom<br />

Konkurs- zum Nachlassverfahren 139 fi ndet (zumindest beim<br />

Dividendenvergleich) bei der Sicherstellung statt.<br />

bb. Privilegierte Forderungen<br />

Sicherzustellen ist weiter die vollständige Befriedigung der<br />

angemeldeten privilegierten Gläubiger140 . Beim Dividendenvergleich<br />

im Konkurs wirft diese Voraussetzung keine besonderen<br />

Fragen auf. Es verhält sich gleich wie beim Nachlassvertrag<br />

ausser Konkurs.<br />

cc. Masseverbindlichkeiten<br />

Schliesslich müssen beim Nachlass ausser Konkurs «die<br />

während der Stundung mit Zustimmung des Sachwalters<br />

eingegangenen Verbindlichkeiten» sichergestellt werden141 .<br />

Dieser Wortlaut nimmt auf Art. 310 Abs. 2 SchKG Bezug,<br />

welcher die Masseverbindlichkeiten während der Nachlassstundung<br />

regelt. Bei sinngemässer Anwendung dieser Be-<br />

131 Art. 300 Abs. 1 SchKG.<br />

132 Hunkeler (FN 5), Rz. 891.<br />

133 Vgl. II.D.1.b.<br />

134 Vgl. II.D.1.b.<br />

135 Vgl. II.D.1.b.<br />

136 A.M. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 25, wonach<br />

beim Nachlassvertrag ausser Konkurs kein Anspruch auf eine<br />

derartige Nachfrist besteht.<br />

137 Vgl. II.D.1.b.<br />

138 Vgl. II.D.1.b.<br />

139 Vgl. II.D.<br />

140 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG; Hardmeier<br />

(FN 110), Art. 306 SchKG N 21.<br />

141 Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 338 10.3.2009 9:12:23 Uhr


stimmung 142 auf den Nachlass im Konkurs sind darunter die<br />

seit Konkurseröffnung entstandenen Masseverbindlichkeiten<br />

zu verstehen 143 . Sie müssen bei einem Dividendenvergleich<br />

ebenfalls sichergestellt werden.<br />

dd. Hinlänglichkeit der Sicherstellung und Anrechnung<br />

von liquidem Massevermögen<br />

Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs ist im gesetzlich vorgesehenen<br />

Umfang hinlänglich Sicherstellung zu leisten144 .<br />

Dies bedeutet in quantitativer Hinsicht grundsätzlich vollumfängliche<br />

Sicherstellung145 , es sei denn, einzelne Gläubiger<br />

verzichten auf Sicherstellung146 . Beim ordentlichen<br />

Nachlass im Konkurs verhält es sich u.E. anders: Die Nachlassdividende<br />

wird (zumindest teilweise) aus den Konkursaktiven<br />

bestritten werden. Soweit diese in geldwerter Form<br />

vorliegen, kann nur die Konkursverwaltung darüber verfügen147<br />

. Diese Gelder sind somit bereits aufgrund der gesetzlichen<br />

Ordnung während des Konkursverfahrens genügend<br />

sichergestellt. Aufgrund dessen kann sich der Schuldner die<br />

Konkursaktiven, soweit sie in geldwerter Form vorliegen, auf<br />

die Sicherstellung anrechnen lassen, indem nur im darüber<br />

hinausgehenden Betrag separat Sicherstellung zu leisten ist.<br />

In qualitativer Hinsicht bedeutet Hinlänglichkeit, dass im<br />

Zeitpunkt der Bestätigung des Nachlassvertrages gewährleistet<br />

ist, dass der sicherzustellende Betrag den Gläubigern im<br />

Zeitpunkt, in welchem sie die Leistung vom Schuldner verlangen<br />

können, auch wirklich zur Verfügung steht148 . Im Übrigen<br />

bestimmt der Nachlassrichter, welche Art der Sicherstellung<br />

er als hinlänglich erachtet149,150 . Die Sicherstellung<br />

kann durch den Schuldner oder durch Dritte erfolgen151 .<br />

142 Art. 332 Abs. 2 SchKG.<br />

143 Art. 262 Abs. 1 SchKG.<br />

144 Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.<br />

145 Vgl. II.D.2.a.aa.<br />

146 Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 in fi ne SchKG. Der Verzicht hat von jedem<br />

Gläubiger einzeln, ausdrücklich und schriftlich zu erfolgen;<br />

ein genereller Verzicht im Nachlassvertrag ist ungenügend,<br />

vgl. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 24; Marchand<br />

(FN 118), Art. 306 SchKG N 47; Brügger (FN 74), Art. 306<br />

SchKG N 6.<br />

147 Art. 9, Art. 24, Art. 223 Abs. 2, Art. 241 SchKG.<br />

148 Ursula Fuchs, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />

an einen Dritten, Diss. Basel 1999, 152; Marchand (FN 118),<br />

Art. 306 SchKG N 43; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG<br />

N 20.<br />

149 ZR 95 Nr. 81; Hans Fritzsche/Hans Ulrich Walder,<br />

Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,<br />

Bd. II, Zürich 1993, § 74 N 12.<br />

150 In Betracht kommen Barhinterlage auf einem Sperrkonto, Realsicherheiten<br />

(Pfandbestellung, Sicherungsübereignung), Bürgschaften,<br />

Bankgarantien und andere Personalsicherheiten oder<br />

auch der Schuldbeitritt, allenfalls auch die Übertragung besonderer<br />

Vollzugs- und Überwachungsaufgaben (Art. 314 Abs. 2<br />

SchKG) auf einen Dritten.<br />

151 Fuchs (FN 148), 152; Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG<br />

N 28.<br />

Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

b. Beim Liquidationsvergleich<br />

aa. Vollzug des Nachlassvertrages<br />

Bei einem Liquidationsvergleich sind unter diesem Titel einzig<br />

die Verfahrenskosten sicherzustellen, da die Nachlassgläubiger<br />

beim Liquidationsvergleich durch die Einräumung<br />

des Verfügungsrechts an den schuldnerischen Aktiven ausreichend<br />

sichergestellt sind152 .<br />

Anders verhält es sich nur, wenn der Nachlassvertrag<br />

eine spezielle Sicherstellungsverpfl ichtung oder eine zusätzliche<br />

Verpfl ichtung des Schuldners enthält, welche über<br />

die Abtretung (von Teilen) seines Vermögens hinausgeht153 .<br />

Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung im Konkurs<br />

ist ein im vorangegangenen Konkursverfahren aufgestellter<br />

(rechtskräftiger) Kollokationsplan massgebend für die Teilnahme<br />

am Liquidationsergebnis154 . Ist demnach (infolge zusätzlicher<br />

Verpfl ichtungen des Schuldners neben der Vermögensabtretung)<br />

überhaupt eine Sicherstellung notwendig, so<br />

hat diese u.E. nur die rechtskräftig kollozierten und die noch<br />

nicht rechtskräftig abgewiesenen Gläubiger zu umfassen. Im<br />

Gegensatz zum Dividendenvergleich kommt es hier somit<br />

auf die Anerkennung oder Bestreitung der Forderung durch<br />

den Schuldner nicht an. Verspätet angemeldete Forderungen<br />

sowie pro memoria vorgemerkte oder im Kollokationsstreit<br />

liegende Forderungen sind diesfalls grundsätzlich, d.h. vorbehältlich<br />

eines abweichenden Entscheides des Nachlassrichters<br />

aufgrund der voraussichtlichen Unbegründetheit der<br />

Forderung, ebenso sicherzustellen.<br />

Bei einem Liquidationsvergleich mit Vermögensabtretung<br />

an einen Einzelnen155 umfasst die Sicherstellung zusätzlich<br />

zu den Verfahrenskosten auch die Abtretungssumme, d.h. die<br />

Gegenleistung des Abtretungsempfängers156 . Für die Sicherstellung<br />

wird in diesen Fällen regelmässig der Abtretungsempfänger<br />

besorgt sein.<br />

bb. Privilegierte Forderungen<br />

Beim Liquidationsvergleich ist die Pfl icht zur Sicherstellung<br />

der privilegierten Gläubiger grundsätzlich durch die<br />

im Nachlassvertrag enthaltene Vermögensabtretung erfüllt,<br />

sofern die Aktiven voraussichtlich157 zu deren vollständigen<br />

Befriedigung ausreichen158 . Eine separate Sicherstellung ist<br />

diesbezüglich nicht erforderlich.<br />

152 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26; Brügger (FN 74),<br />

Art. 306 SchKG N 4 und N 9; Hunkeler (FN 5), Rz. 1006.<br />

153 Dies ist selten bis (fast) nie der Fall. Als zusätzliche Verpfl ichtung<br />

kommt etwa eine garantierte Mindestdividende bei einem<br />

kombinierten Dividenden-/Liquidationsvergleich in Betracht.<br />

154 Vgl. III.C.2.<br />

155 Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.<br />

156 Ludwig (FN 57), 8; Hunkeler (FN 5), Rz. 1006; Fuchs<br />

(FN 148), 152; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26.<br />

157 Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG N 34 spricht dagegen von<br />

«certitude».<br />

158 Hunkeler (FN 5), Rz. 1007 f.; Brügger (FN 74), Art. 306<br />

SchKG N 9; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 339 10.3.2009 9:12:24 Uhr<br />

339


340<br />

cc. Masseverbindlichkeiten<br />

Bei einem Liquidationsvergleich gelten auch die Masseverbindlichkeiten159<br />

durch die Vermögensabtretung als hinlänglich<br />

gesichert160 , sofern das abgetretene Vermögen voraussichtlich<br />

zur vollständigen Erfüllung derselben genügt.<br />

III. Folgen bei Bestätigung des<br />

Nachlassvertrages<br />

Der Entscheid des Nachlassrichters über den Nachlassvertrag<br />

wird der Konkursverwaltung mitgeteilt 161 . Wird der Nachlassvertrag<br />

nicht genehmigt, so nimmt das Konkursverfahren<br />

seinen Fortgang 162 . Kommt der Nachlassvertrag hingegen<br />

zustande, hat dies verschiedene Auswirkungen.<br />

A. Widerruf des Konkurses<br />

Lautet der Entscheid des Nachlassrichters auf Bestätigung<br />

des Nachlassvertrages, so beantragt die Konkursverwaltung<br />

von Amtes wegen 163 beim Konkursgericht den Widerruf des<br />

Konkurses 164 . Erst mit Widerruf des Konkurses wird der<br />

Nachlassvertrag wirksam 165 . Da der Konkurs widerrufen und<br />

nicht abgeschlossen wird, werden keine Verlustscheine ausgestellt.<br />

Obschon Art. 332 Abs. 2 SchKG keinen Verweis auf<br />

Art. 308 enthält, ist u.E. nicht nur der Widerruf des Konkurses<br />

166 , sondern auch die Bestätigung des Nachlassvertrages<br />

öffentlich bekannt zu machen 167 . Die Gläubiger und<br />

159 Wie beim ordentlichen Nachlassvertrag (vgl. II.D.2.a.cc.) gelten<br />

die während des Konkursverfahrens entstandenen Kosten<br />

als Masseverbindlichkeiten (Art. 261 Abs. 1 SchKG).<br />

160 Hunkeler (FN 5), Rz. 1012; Hardmeier (FN 110), Art. 306<br />

SchKG N 26.<br />

161 Art. 332 Abs. 3 Satz 1 SchKG.<br />

162 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Jaeger/Walder/Kull/<br />

Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 27; Gilliéron (FN 9),<br />

Art. 332 SchKG N 33.<br />

163 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Jaeger/Walder/Kull/<br />

Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 26; Winkelmann/<br />

Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />

N 17; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 34.<br />

164 Art. 332 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Art. 195 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG;<br />

Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 17; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG<br />

N 34; Marchand (FN 118), Art. 332 SchKG N 29; Wüthrich/<br />

Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21; BGE 85 III 88.<br />

165 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Winkelmann/Lévy/<br />

Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 17<br />

in fi ne; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332<br />

SchKG N 26; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332<br />

SchKG N 22.<br />

166 Gemäss Art. 195 Abs. 3 SchKG.<br />

167 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 17; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),<br />

Franco Lorandi/Michael Erismann<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

sonstige Interessierte sollen damit nicht nur vom Ende des<br />

Konkursverfahrens (zufolge Widerruf), sondern auch vom<br />

Grund hierfür, nämlich dem Zustandekommen eines Nachlassvertrages,<br />

Kenntnis erlangen. Ein zusätzlicher Aufwand<br />

oder zusätzliche Kosten sind damit nicht verbunden; die beiden<br />

Publikationen können miteinander verbunden werden.<br />

Die Publikation obliegt dem Gericht, welches den Entscheid<br />

getroffen hat 168 ; vorliegend dem Konkursgericht.<br />

Die Folgen des Widerrufs des Konkurses sind unterschiedlich,<br />

je nachdem, ob ein ordentlicher Nachlassvertrag<br />

oder ein solcher mit Vermögensabtretung zustande kommt.<br />

B. Folgen beim ordentlichen<br />

Nachlassvertrag<br />

1. Folgen für das Konkursverfahren<br />

Durch den Widerruf des Konkurses wird das Konkursverfahren<br />

in seiner Gesamtheit rückgängig gemacht. Die vor dem<br />

Konkurs bestandenen Rechtsverhältnisse leben grundsätzlich<br />

wieder auf, soweit dies faktisch noch möglich ist 169 . Bereits<br />

vorgenommene Verwertungshandlungen bleiben jedoch<br />

gültig 170 .<br />

Die Konkursmasse als Sondervermögen und Rechtssubjekt<br />

wird aufgehoben 171 . Der Schuldner erlangt die Verfügungsgewalt<br />

über sein Vermögen wieder, soweit dieses noch<br />

nicht verwertet worden ist 172 . Bei bereits durchgeführter<br />

Verwertung besteht dieses Recht des Schuldners am Verwertungsergebnis.<br />

Ist der Schuldner eine juristische Person,<br />

so wird die Vertretungsmacht der Organe wiederhergestellt.<br />

Art. 332 SchKG N 23; a.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG<br />

N 6; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332<br />

SchKG N 25; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 23, N 35.<br />

168 Art. 308 SchKG und Art. 332 Abs. 3 i.V.m. Art. 195 Abs. 3 und<br />

Art. 176 SchKG analog; Hardmeier (FN 110), Art. 308 SchKG<br />

N 16; Alexander Brunner, in: Adrian Staehelin/Thomas<br />

Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz<br />

über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München<br />

1998, Art. 195 SchKG N 13.<br />

169 Jaeger (FN 11), Art. 195 SchKG N 2.<br />

170 Flavio Cometta, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/Nicolas<br />

Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la Loi<br />

fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que des<br />

articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international<br />

privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 195 SchKG<br />

N 8.<br />

171 Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25;<br />

BGE 49 III 197.<br />

172 Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25;<br />

Glarner (FN 15), 37 f.; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/<br />

Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 18; Amonn/<br />

Walther (FN 32), § 39 N 6; Gilliéron (FN 9), Art. 332<br />

SchKG N 30; Walter A. Stoffel, Voies d’éxécution, Bern<br />

2002, § 9 N 125; Cometta (FN 170), Art. 195 SchKG N 8;<br />

Junod Moser/Gaillard (FN 32), Art. 332 SchKG N 32;<br />

BGE 117 III 42, 49 III 198.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 340 10.3.2009 9:12:24 Uhr


Das Handelsregisteramt hat die anlässlich der Konkurseröffnung<br />

vorgenommenen Löschungen von Amtes wegen rückgängig<br />

zu machen 173 . Die Befugnisse der Konkursverwaltung<br />

und eines allfälligen Gläubigerausschusses erlöschen vollumfänglich<br />

174 . Allenfalls kann der Nachlassrichter eine Person<br />

einsetzen, die zur Durchführung oder zur Sicherstellung<br />

der Erfüllung des Nachlassvertrages mit Überwachungs-,<br />

Geschäftsführungs- oder Liquidationsbefugnissen betraut<br />

wird 175 .<br />

Die Pfandgläubiger erhalten die Befugnis zur Verwertung<br />

ihrer Pfänder wieder, sofern der Nachlassrichter deren Verwertung<br />

nicht sistiert 176 . Betreibungen, die im Zeitpunkt der<br />

Konkurseröffnung hängig waren, leben grundsätzlich nicht<br />

wieder auf 177 . Eine Ausnahme gilt für Betreibungen auf<br />

Pfandverwertung; diese werden fortgeführt 178 .<br />

2. Dividendenberechtigung<br />

Dividendenberechtigt sind zum einen alle Gläubiger, deren<br />

Forderungen (vor Konkurseröffnung bzw. bis zum Widerruf<br />

desselben mit voller materieller Rechtskraftwirkung 179 )<br />

gerichtlich festgestellt wurden. Anspruch auf Dividende haben<br />

auch Gläubiger, deren Forderungen der Gemeinschuldner<br />

im Konkursverfahren bei der Prüfung der eingegebenen<br />

Forderungen anerkannt hat 180 . Es ist damit der Schuldner,<br />

der – gleich wie beim (ordentlichen) Nachlassvertrag ausser<br />

Konkurs 181 – über die Zulassung von Forderungen und damit<br />

über die Dividendenberechtigung entscheidet 182 . Auf die<br />

173 Glarner (FN 15), 38; Art. 158 f. HRegV.<br />

174 Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Winkelmann/Lévy/<br />

Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20;<br />

Junod Moser/Gaillard (FN 32), Art. 332 SchKG N 36;<br />

Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25.<br />

175 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 314 Abs. 2 SchKG.<br />

176 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 306a Abs. 1 SchKG; Winkelmann/<br />

Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />

N 19; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 36; Wüthrich/<br />

Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 26; a.M. BGE<br />

107 III 42 f., welcher allerdings zum alten Gesetzeswortlaut<br />

erging, so dass dieser Entscheid nicht mehr massgeblich ist,<br />

vgl. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 22.<br />

177 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 311 SchKG; Gilliéron (FN 9),<br />

Art. 332 SchKG N 26; Brunner (FN 168), Art. 195 SchKG<br />

N 11; Amonn/Walther (FN 32), § 39 N 7; Stoffel (FN 173),<br />

§ 9 N 125; Cometta (FN 170), Art. 195 SchKG N 8; BGE 93<br />

III 59, 75 III 67.<br />

178 Art. 332 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 311 SchKG.<br />

179 Kollokationsurteile entfalten keine materielle Rechtskraft über<br />

das Konkursverfahren hinaus (vgl. III.B.3.).<br />

180 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 315 sowie Art. 244 SchKG; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler<br />

(FN 7), Art. 332<br />

SchKG N 18; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29; Junod<br />

Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 33; Wüthrich/<br />

Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25; BGE 49 III<br />

198 f.<br />

181 Vgl. Art. 315 SchKG.<br />

182 BGE 49 III 199.<br />

Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Beurteilung der Forderung durch die Konkursverwaltung im<br />

Rahmen der Kollokation kommt es (anders als beim Nachlassvertrag<br />

mit Vermögensabtretung 183 ) nicht an 184 .<br />

Wenn der Schuldner eine Forderung im Konkursverfahren<br />

bestritten hat, setzt der Nachlassrichter bei Bestätigung<br />

des Dividendenvergleichs dem Gläubiger eine Frist von<br />

20 Tagen ab Widerruf des Konkurses 185 an, um seine Forderung<br />

gerichtlich gegen den Schuldner geltend zu machen 186 .<br />

Nach Massgabe des Prozessausgangs ist auch dieser Gläubiger<br />

dividendenberechtigt 187 . Selbst wenn der betreffende<br />

Gläubiger die Frist verstreichen lässt, bedeutet dies nicht<br />

die Verwirkung seiner Forderung. Er kann seinen Anspruch<br />

auf Nachlassdividende unter Vorbehalt der Verjährung seiner<br />

Forderung jederzeit geltend machen. Mit Ablauf der 20-tägigen<br />

Frist verliert er einzig das Privileg der Sicherstellung<br />

seiner Dividende 188 .<br />

3. Bedeutung des Kollokationsplans<br />

Beim ordentlichen Nachlassvertrag 189 im Konkurs verliert<br />

der Kollokationsplan mit Bestätigung des Dividendenvergleichs<br />

jede Bedeutung 190 . Dies ergibt sich aus dem Wesen<br />

des Kollokationsverfahrens, welches auf das Vollstreckungsverfahren<br />

beschränkt ist. Dies zeigt sich auch darin, dass es<br />

sich bei der Kollokationsklage um eine betreibungsrechtliche<br />

Klage mit Refl exwirkung auf das materielle Recht handelt.<br />

Das Urteil im Kollokationsprozess hat keine über das betreffende<br />

Konkursverfahren hinausgehende materiellrechtliche<br />

Bedeutung. Dies gilt für unangefochtene Kollokationsverfügungen<br />

a fortiori. Weder Kollokationsverfügungen noch<br />

Kollokationsurteile begründen daher ausserhalb des betreffenden<br />

Konkursverfahrens die Einrede der res iudicata 191 .<br />

Somit werden hängige Kollokationsklagen mit Widerruf<br />

des Konkurses (zufolge Zustandekommens eines ordent-<br />

183 Vgl. III.C.2.<br />

184 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 18; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 25; zur Relevanz der Kollokation und des<br />

Kollokationsplans vgl. III.B.3.<br />

185 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 18; Junod Moser/Gaillard (FN 22),<br />

Art. 332 SchKG N 33 f.; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 25.<br />

186 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 315 Abs. 1 SchKG; Winkelmann/<br />

Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />

N 18; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29; Junod Moser/Gaillard<br />

(FN 22), Art. 332 SchKG N 33 f.<br />

187 Aus diesem Grund sind grundsätzlich auch bestrittene Forderungen<br />

sicherzustellen (vgl. II.D.2.a.aa.).<br />

188 Art. 315 Abs. 1 SchKG; vgl. II.D.2.a.aa.<br />

189 Anders beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, vgl.<br />

III.C.2.<br />

190 BGE 49 III 198.<br />

191 Statt vieler: Amonn/Walther (FN 32), § 46 N 62; a.M. Daniel<br />

Spichty, Gegenstand, Rechtsnatur und Rechtskraftwirkung des<br />

Kollokationsplanes im Konkurs, Diss. Basel 1979, 146 ff.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 341 10.3.2009 9:12:24 Uhr<br />

341


342<br />

lichen Nachlassvertrages) gegenstandslos 192 . Dies gilt sowohl<br />

für Zulassungs- 193 als auch für Wegweisungsklagen 194 .<br />

Mit der Aufhebung der Konkursmasse fällt denn auch die<br />

Prozessführungsbefugnis des Wegweisungsklägers dahin 195 .<br />

Ganz generell gilt: «Die Gläubiger konkurrieren nicht mehr<br />

miteinander mit Bezug auf das Recht, aus einem bestimmten<br />

Aktivum [nämlich der Masse] bezahlt zu werden. Jeder<br />

einzelne von ihnen kann nur verlangen, dass er gemäss dem<br />

Nachlassvertrag befriedigt [wird].» 196<br />

4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss<br />

Art. 260 SchKG und gestützt darauf eingeleitete<br />

Prozesse<br />

Abtretungsgläubiger agieren als Prozessstandschafter in<br />

eigenem Namen und auf eigene Rechnung, aber aus dem<br />

Recht der Masse 197 . Die Abtretung gemäss Art. 260 SchKG<br />

ist ein insolvenzrechtliches Institut (der Generalexekution)<br />

zum Zwecke der Verwertung bestrittener Aktivforderungen<br />

der Masse. Mit dem Widerruf des Konkurses wird die Masse<br />

aufgehoben 198 . Mit Zustandekommen eines ordentlichen<br />

Nachlassvertrages fi ndet keine Generalexekution mehr statt.<br />

Damit entfällt die konkursrechtliche Grundlage der Abtretung.<br />

Die Abtretungen fallen daher mit Widerruf des Konkurses<br />

von Gesetzes wegen dahin 199,200 .<br />

Gleichsam fehlt es dem Abtretungsgläubiger nunmehr an<br />

der notwendigen konkursrechtlichen Legitimation zur Verfolgung<br />

des abgetretenen Anspruchs 201 . Somit werden Klagen,<br />

welche vom Abtretungsgläubiger angehobenen worden sind,<br />

grundsätzlich gegenstandslos 202 . Diese Regel gilt ausnahmslos,<br />

soweit es sich um rein vollstreckungsrechtliche Klagen<br />

oder um betreibungsrechtliche Klagen mit Refl exwirkung<br />

auf das materielle Recht handelt. Dazu gehören etwa paulia-<br />

192 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 18; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG<br />

N 29.<br />

193 Art. 250 Abs. 1 SchKG.<br />

194 Art. 250 Abs. 2 SchKG.<br />

195 BGE 49 III 197.<br />

196 BGE 49 III 198.<br />

197 BGE 122 III 490, 113 III 137.<br />

198 Vgl. III.B.1.<br />

199 Jaeger (FN 11), Art. 260 SchKG N 3; Winkelmann/Lévy/<br />

Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20;<br />

Amonn/Walther (FN 32), § 47 N 71; Junod Moser/Gaillard<br />

(FN 22), Art. 332 SchKG N 36; BGE 109 III 29, 49 III<br />

197, 43 III 75; noch offengelassen wurde die Frage in BGE 33 I<br />

242.<br />

200 Es handelt sich insofern nicht um eine bereits abgeschlossene<br />

Verwertungshandlung, vgl. III.B.1.<br />

201 BGE 109 III 29, 33 I 242.<br />

202 BGE 49 III 197; vgl. auch Winkelmann/Lévy/Jeanneret/<br />

Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20; Brunner<br />

(FN 168), Art. 195 SchKG N 11; Wüthrich/Rothenbühler<br />

(FN 7), Art. 332 SchKG N 27.<br />

Franco Lorandi/Michael Erismann<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

nische Anfechtungsklagen (Art. 285 ff. SchKG) 2<strong>03</strong> oder Aussonderungsklagen<br />

(Art. 242 SchKG) 204 .<br />

Anders kann es sich u.E. dagegen für Prozesse verhalten,<br />

welche eine rein materiellrechtliche Streitigkeit zum Gegenstand<br />

haben. In diesen Fällen ist es nach Massgabe des<br />

Prozessrechts möglich, dass der Schuldner anstelle des Abtretungsgläubigers<br />

in den Prozess eintritt und diesen (anstelle<br />

des Abtretungsgläubigers) fortführt (sog. Parteiwechsel).<br />

Denn mit Widerruf des Konkurses erlangt der Schuldner wieder<br />

die volle Verfügungsbefugnis über sein Vermögen 205 und<br />

damit über den Streitgegenstand. Sofern die massgebliche<br />

Prozessordnung schon bei materiellrechtlicher Übertragung<br />

des Prozessgegenstandes 206 einen Parteiwechsel zulässt 207 , so<br />

muss dies bei Wiedererlangung der Prozessführungsbefugnis<br />

(zufolge Wegfalls der Abtretung gemäss Art. 260 SchKG) a<br />

fortiori gelten.<br />

5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse<br />

Prozesse, welche vor Konkurseröffnung eingeleitet und zufolge<br />

Konkurs sistiert wurden (Art. 207 SchKG), werden<br />

zwischen dem Schuldner und der Gegenpartei fortgeführt 208 .<br />

Dies gilt sowohl für Aktivprozesse als auch für Forderungsprozesse<br />

gegen den Schuldner. Soweit der Schuldner in<br />

einem Passivprozess die Forderung im Rahmen der Erwährung<br />

(weiterhin) bestritten hat, macht es keinen Sinn, solche<br />

Prozesse als gegenstandslos zu betrachten und dem Gläubiger<br />

sogleich gemäss Art. 315 SchKG Frist anzusetzen 209 ,<br />

um eine neue Klage gegen den Schuldner zu führen. Hat der<br />

Schuldner die Forderung im Konkurs hingegen anerkannt, ist<br />

der Gläubiger zwar grundsätzlich dividendenberechtigt 210 ,<br />

jedoch nur vorbehältlich der gerichtlichen Feststellung von<br />

Bestand und Umfang seiner Forderung. Der Prozess wird<br />

daher nicht gegenstandslos, sondern ist fortzuführen. Da der<br />

2<strong>03</strong> Statt vieler: Amonn/Walther (FN 32), § 52 N 39 ff.<br />

204 Amonn/Walther (FN 32), § 45 N 46; Marc Russenberger,<br />

in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.),<br />

Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs,<br />

Basel/Genf/München 1998, Art. 242 SchKG N 6; Nicolas<br />

Jeandin/Philipp Fischer, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/<br />

Nicolas Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la<br />

Loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que<br />

des articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international<br />

privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 242 SchKG<br />

N 27; Gilliéron (FN 9), Art. 242 SchKG N 71.<br />

205 Vgl. III.B.1.<br />

206 Wie etwa bei Abtretung des einklagten Anspruchs, vgl.<br />

Richard Frank/Hans Sträuli/Georg Messmer, Kommentar<br />

zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. A., Zürich 1997,<br />

§ 49 ZPO N 2; auch bei Veräusserung des Streitgegenstandes<br />

auf Beklagtenseite: Hans Ulrich Walder-Richli, Zivilprozessrecht,<br />

4. A., Zürich 1996, § 15 N 4.<br />

207 Vgl. § 49 ZPO ZH; Art. 83 E-ZPO.<br />

208 A.M. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29.<br />

209 Art. 244 Satz 2 SchKG.<br />

210 Vgl. III.B.2.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 342 10.3.2009 9:12:25 Uhr


Schuldner die Forderung anerkennt, wird er sich der Klage<br />

kaum mehr widersetzen. Wenn der Schuldner nicht nur die<br />

Forderung, sondern auch die Klage anerkennt, wird der Prozess<br />

als zufolge Klageanerkennung erledigt abgeschrieben.<br />

Für Prozesse, welche die Konkursmasse gegen Dritte angehoben<br />

hat, verhält es sich u.E. gleich wie für Prozesse von<br />

Abtretungsgläubigern 211 : Die Prozesse der Masse werden<br />

mit Widerruf des Konkurses gegenstandlos, soweit es sich<br />

um rein vollstreckungsrechtliche Klagen oder um betreibungsrechtliche<br />

Klagen mit Refl exwirkung auf das materielle<br />

Recht handelt. Prozesse, für welche der Konkurs eine Voraussetzung<br />

darstellt (wie etwa Verantwortlichkeitsklagen der<br />

Gesellschaftsgläubiger; Art. 757 OR), sind abzuweisen, da<br />

es mit Widerruf des Konkurses an der Aktivlegitimation der<br />

Kläger fehlt 212 . Bei rein materiellrechtlichen Streitigkeiten<br />

(für welche der Konkurs keine Voraussetzung ist) ist nach<br />

Massgabe des Prozessrechts ein Parteiwechsel möglich, in<br />

welchem Fall der Schuldner den Prozess gegen den Dritten<br />

fortsetzen kann.<br />

C. Folgen beim Liquidationsvergleich<br />

1. Folgen für das Konkursverfahren/<br />

Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens<br />

Bei Annahme eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung<br />

tritt das eine Verfahren der Generalexekution (Liquidationsvergleich)<br />

an die Stelle des anderen (Konkursverfahren).<br />

Die Auswirkungen sind daher bedeutend geringer als<br />

bei Annahme eines ordentlichen Nachlassvertrages.<br />

An die Stelle der Konkursmasse tritt die Nachlassmasse 213 .<br />

Der Schuldner erlangt diesfalls die Verfügungsmacht über<br />

sein Vermögen (zumindest im Umfang, da er seinen Gläubigern<br />

das Verfügungsrecht eingeräumt hat 214 ) gerade nicht<br />

wieder 215 . An die Stelle der Konkursverwaltung treten die Liquidatoren<br />

216 . Sie vertreten die Nachlassmasse vor Gericht 217 .<br />

Das nachfolgende Verfahren richtet sich nach den Art. 317 ff.<br />

211 Vgl. III.B.4.<br />

212 Vgl. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 20; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 27 sprechen von «Beendigung» solcher Verfahren.<br />

213 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 21; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG<br />

N 29.<br />

214 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 317 Abs. 1 SchKG.<br />

215 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 319 Abs. 1 SchKG; Winkelmann/<br />

Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG<br />

N 21; Amonn/Walther (FN 32), § 55 N 22; Gilliéron<br />

(FN 9), Art. 332 SchKG N 30 f.; Wüthrich/Rothenbühler<br />

(FN 7), Art. 332 SchKG N 28.<br />

216 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 21.<br />

217 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 319 Abs. 4 Satz 1 SchKG.<br />

Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

SchKG, soweit diese Ordnung nicht durch das vorangegangene<br />

Verfahren (Art. 332 SchKG) derogiert worden ist 218 .<br />

Betreibungen können nicht fortgesetzt werden 219 . Vorbehalten<br />

bleibt das Absonderungsrecht der Faustpfandgläubiger<br />

220 und das Recht der Grundpfandgläubiger, ihr Pfand zu<br />

verwerten 221 .<br />

2. Bedeutung des Kollokationsplans/<br />

Dividendenberechtigung<br />

Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung konkurrieren<br />

die Gläubiger (unbesehen des Widerrufs des Konkurses)<br />

ebenso miteinander, wie dies im Konkurs der Fall war; sie<br />

wollen aus denselben Aktiven befriedigt werden. Im Gegensatz<br />

zum Dividendenvergleich 222 kommt es beim Nachlassvertrag<br />

mit Vermögensabtretung (ausser Konkurs) für die<br />

Frage, ob ein Gläubiger am Liquidationsergebnis teilhaben<br />

kann, nicht auf die Anerkennung seiner Forderung durch den<br />

Nachlassschuldner an 223 . Massgebend ist einzig der Kollokationsplan.<br />

Dieser wird im Regelfall (des Nachlassvertrages<br />

ausser Konkurs) durch die im Liquidationsvergleich bezeichneten<br />

Liquidatoren aufgestellt 224 .<br />

Beim Liquidationsvergleich im Konkurs besteht insofern<br />

eine Besonderheit, als im Konkursverfahren, welches dem<br />

Nachlassverfahren vorangegangen ist, bereits eine Kollokation<br />

durchgeführt werden musste 225 . Auf die Kollokation<br />

beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (ausser Konkurs)<br />

sind grundsätzlich die konkursrechtlichen Bestimmungen<br />

sinngemäss anwendbar 226 . Es ergäbe deshalb keinen<br />

Sinn, die bereits durchgeführte Kollokation zu ignorieren<br />

und ein neues Kollokationsverfahren durch die Liquidatoren<br />

durchzuführen. Deshalb ist die Nachlassmasse an den im<br />

Rahmen des Konkursverfahrens aufgestellten Kollokationsplan<br />

gebunden 227 . Es wird kein neuer Kollokationsplan aufgestellt<br />

228 .<br />

Dabei gilt es folgendes zu beachten: Im Konkurs müssen<br />

bei der Kollokation grundsätzlich nur angemeldete Forde-<br />

218 Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 31.<br />

219 Art. 332 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 311 SchKG.<br />

220 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 324 SchKG.<br />

221 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 323 SchKG.<br />

222 Vgl. III.B.2.<br />

223 Fritzsche/Walder (FN 149), § 77 N 24.<br />

224 Art. 321 SchKG.<br />

225 Art. 332 Abs. 1 Satz 2 SchKG.<br />

226 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 332 SchKG N 21.<br />

227 Ludwig (FN 57), 86; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/<br />

Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21; Junod Moser/Gaillard<br />

(FN 22), Art. 321 SchKG N 7; BGE 49 III 198; missverständlich<br />

Amonn/Walther (FN 32), § 55 N 33; Wüthrich/<br />

Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 28; BGE 49 III<br />

198.<br />

228 Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 343 10.3.2009 9:12:25 Uhr<br />

343


344<br />

rungen berücksichtig werden 229 ; einzig die aus dem Grundbuch<br />

ersichtlichen Forderungen sind von Amtes wegen zu<br />

berücksichtigen 230 . Demgegenüber besteht beim Nachlassvertrag<br />

mit Vermögensabtretung (ausser Konkurs) die Pfl icht,<br />

bei der Kollokation auch sämtliche Forderungen von Amtes<br />

wegen zu berücksichtigen, welche sich aus den Geschäftsbüchern<br />

des Nachlassschuldners ergeben 231 . Trotz des Verweises<br />

in Art. 332 Abs. 3 Satz 1 SchKG auf die Bestimmung<br />

beim Liquidationsvergleich ausser Konkurs müssen u.E.<br />

Geschäftsbuchforderungen nicht von Amtes wegen berücksichtigt<br />

werden 232 . Da die Kollokation unter dem Regime des<br />

Konkursrechts erfolgte und aus Gründen der Verfahrensökonomie<br />

für den Liquidationsvergleich übernommen wird, ist<br />

es nicht gerechtfertigt, die Geschäftsbuchgläubiger besser zu<br />

stellen als andere Gläubiger, welche ihre Forderungen nicht<br />

anmelden.<br />

3. Schicksal hängiger Kollokationsprozesse<br />

Ist beim Liquidationsvergleich der im vorangehenden Konkursverfahren<br />

erstellte Kollokationsplan massgebend 233 , so<br />

sind folgerichtig auch hängige Kollokationsprozesse weiterzuführen.<br />

Sowohl die Liquidatoren (als Vertreter der beklagten<br />

Masse beim positiven Kollokationsprozess) als auch die<br />

Wegweisungskläger (beim negativen Kollokationsprozess)<br />

agieren aus dem Recht der Masse. Diese mutiert infolge der<br />

Bestätigung des Nachlassvertrages von der Konkurs- zur<br />

Nachlassmasse. Dies stellt jedoch keinen Rechtsübergang<br />

dar. Die Mutation ändert auch nichts am Rechtsschutzinteresse<br />

der Parteien des Kollokationsprozesses.<br />

Die Liquidatoren bzw. die Nachlassmasse treten an Stelle<br />

der Konkursverwaltung bzw. der Konkursmasse in den positiven<br />

Kollokationsprozess ein 234 . Es fi ndet u.E. von Bundesrechts<br />

wegen ein Parteiwechsel i.w.S. statt, welcher unbesehen<br />

der Bestimmungen der anwendbaren Prozessordnung<br />

zum Parteiwechsel zulässig ist 235 . Auch der Wegweisungsprozess<br />

bleibt u.E. von der Bestätigung des Liquidationsvergleichs<br />

bzw. vom Konkurswiderruf unberührt.<br />

229 Art. 244 Abs. 1 SchKG.<br />

230 Art. 246 SchKG.<br />

231 Art. 321 SchKG.<br />

232 So auch Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 31.<br />

233 Vgl. III.C.2.<br />

234 Ludwig (FN 57), 86; vgl. auch Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler<br />

(FN 7), Art. 332 SchKG N 21; Wüthrich/Rothenbühler<br />

(FN 7), Art. 332 SchKG N 28.<br />

235 Es verhält sich insofern ähnlich, wie wenn in einem hängigen<br />

Prozess anstelle der (vormals aufrechtstehenden) Partei die<br />

Masse in den Prozess eintritt, vgl. Adrian Staehelin/ Daniel<br />

Staehelin/Pascal Grolimund, Zivilprozessrecht, Zürich<br />

2008, § 13 N 78.<br />

Franco Lorandi/Michael Erismann<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss<br />

Art. 260 SchKG und gestützt darauf eingeleitete<br />

Prozesse<br />

Im Fall des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung muss<br />

hinsichtlich des Schicksals von im Konkurs vorgenommenen<br />

Forderungsabtretungen (Art. 260 SchKG) und gestützt darauf<br />

eingeleiteten Klagen unterschieden werden:<br />

Bei der Abtretung gemäss Art. 260 SchKG (im Konkurs)<br />

handelt es sich um eine Verwertungshandlung, wie sie ebenso<br />

beim Liquidationsvergleich möglich ist 236 . Sofern durch<br />

den Nachlassvertrag das gesamte schuldnerische Vermögen<br />

abgetreten wird und die Abtretung dieses Vermögens nicht<br />

an einen Einzelnen erfolgt 237 , besteht kein Grund, die Forderungsabtretung<br />

dahinfallen zu lassen. Die konkursrechtliche<br />

Grundlage wird durch die nachlassrechtliche substituiert.<br />

Weder muss die Abtretung im Konkursverfahren widerrufen,<br />

noch muss durch die Liquidatoren eine neue Abtretungsverfügung<br />

erlassen werden.<br />

Dementsprechend fallen auch gestützt auf die Abtretung<br />

angehobene Klagen nicht dahin. Die Abtretung und die gestützt<br />

darauf eingeleiteten Prozesse überdauern den Übergang<br />

vom Konkurs zum Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />

unberührt.<br />

Handelt es sich bei der nach Art. 260 SchKG abgetretenen<br />

Forderung hingegen um einen strittigen Anspruch, in Bezug<br />

auf welchen der Gläubigergesamtheit im Liquidationsvergleich<br />

das Verfügungsrecht nicht eingeräumt worden ist 238 ,<br />

so fällt der Anspruch an den Nachlassschuldner zurück 239 .<br />

Es gilt damit dasselbe wie beim Dividendenvergleich: Die<br />

bestrittene Forderung ist diesfalls nicht Teil der Nachlassmasse;<br />

der Abtretungsgläubiger kann nicht mehr aus deren<br />

Recht agieren. Dasselbe gilt, wenn der strittige Anspruch, in<br />

Bezug auf welchen eine Abtretung gemäss Art. 260 SchKG<br />

erfolgt ist, im Nachlassvertrag an einen Dritten (und nicht an<br />

die Gläubigergesamtheit) übertragen wird 240 . In beiden Fällen<br />

fällt die Abtretung nach Art. 260 SchKG dahin.<br />

Hingegen ist u.E. auch in diesen Fällen ein Parteiwechsel<br />

nach Massgabe des anwendbaren Prozessrechts durchaus<br />

möglich und sinnvoll: Voraussetzung ist jedoch, dass es sich<br />

um eine rein materiellrechtliche Streitigkeiten handelt 241 . Je<br />

nach Konstellation kann somit der Nachlassschuldner oder<br />

der einzelne Abtretungsgläubiger in den Prozess eintreten.<br />

Bei rein betreibungsrechtlichen Klagen und bei betreibungsrechtlichen<br />

Klagen mit Refl exwirkung auf das materielle<br />

Recht besteht eine solche Möglichkeit dagegen nicht 242 .<br />

236 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 325 SchKG.<br />

237 Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.<br />

238 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 317 Abs. 1 SchKG.<br />

239 Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 319 SchKG N 4.<br />

240 Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.<br />

241 Vgl. III.B.4., III.B.5.<br />

242 Vgl. III.B.4.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 344 10.3.2009 9:12:25 Uhr


5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse<br />

Prozesse, welche vor Konkurseröffnung eingeleitet und<br />

deshalb zufolge Konkurs sistiert wurden 243 , werden von der<br />

Nachlassmasse weitergeführt, wenn die Liquidatoren (und je<br />

nach dessen Kompetenzen auch der Gläubigerausschuss 244 )<br />

dies so beschliessen 245 . Gleiches gilt für während des Konkursverfahrens<br />

angehobene Prozesse zwischen der Konkursmasse<br />

und Dritten.<br />

Wenn der im Prozess liegende Aktivanspruch der Masse<br />

im Nachlassvertrag einem Dritten übertragen worden ist 246 ,<br />

fi ndet eine materiellrechtliche Übertragung des Anspruchs<br />

statt. Soweit das massgebliche Prozessrecht in diesen Fällen<br />

einen Parteiwechsel zulässt 247 , kann der Dritte in den Prozess<br />

eintreten. Entsprechendes muss für den Nachlassschuldner<br />

gelten, wenn der streitgegenständliche Anspruch vom Nachlassvertrag<br />

mit Vermögensabtretung ausgenommen wird, so<br />

dass er an den Nachlassschuldner zurückfällt.<br />

Prozesse, für welche der Konkurs eine Voraussetzung<br />

darstellt (wie etwa Verantwortlichkeitsklagen der Gesellschaftsgläubiger<br />

248 ), können trotz Widerruf des Konkurses<br />

weitergeführt werden 249 ; die Genehmigung eines Nachlassvertrages<br />

mit Vermögensabtretung wird einem Konkurs<br />

gleichgesetzt 250 . Voraussetzung ist auch diesbezüglich, dass<br />

der Anspruch der Gläubigergesamtheit im Nachlassvertrag<br />

abgetreten worden ist.<br />

243 Art. 207 SchKG.<br />

244 Art. 318 Abs. 1 Ziff. 2, Art. 320 Abs. 1 SchKG.<br />

245 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),<br />

Art. 319 SchKG N 37.<br />

246 Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.<br />

247 Vgl. III.B.4 in fi ne.<br />

248 Art. 757 OR.<br />

249 Hunkeler (FN 5), Rz. 1099.<br />

250 Peter Widmer/Dieter Gericke/Stefan Waller, in: Heinrich<br />

Honsell/Peter Nedim Vogt/Rolf Watter (Hrsg.), Basler<br />

Kommentar zum Schweizerischen Priavtrecht, Obligationenrecht<br />

II (OR 530–1186), 3. A., Basel 2008, Art. 757 OR N 3;<br />

BGE 65 II 4 f.<br />

Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Le concordat dans la procédure de faillite donne lieu à un passage<br />

de la procédure de faillite à la procédure concordataire.<br />

Les règles relatives au concordat hors de la faillite ne peuvent<br />

dès lors pas s’appliquer sans autre au concordat dans la procédure<br />

de faillite qui n’est que partiellement réglé dans la loi. Par<br />

ailleurs, il convient de distinguer le concordat-dividende et le<br />

concordat par abandon d’actif.<br />

Il existe notamment des particularités concernant l'assemblée<br />

des créanciers, le calcul des seuils d'approbation, la garantie<br />

du dividende concordataire et le droit au dividende.<br />

Dans ce cadre, l'importance de la collocation dans la faillite est<br />

plus ou moins prononcée. Finalement, l’homologation d’un<br />

concordat dans la procédure de faillite entraîne des conséquences<br />

sur les cessions selon l’art. 260 LP ainsi que sur les<br />

procès engagés sur cette base et d’autres procès. Le présent<br />

article offre un aperçu de la procédure de concordat dans la<br />

faillite et traite de manière approfondie certaines particularités<br />

qui en découlent.<br />

(trad. LT LAWTANK, Fribourg)<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 345 10.3.2009 9:12:25 Uhr<br />

345


346<br />

Stand / Etat: 17. Februar 2009 / 17 février 2009<br />

1. Verfassungs- und Verwaltungsrecht /<br />

Droit constitutionnel et administratif<br />

1.2. Staatsorganisation und Behörden /<br />

Organisation de l’Etat et autorités<br />

• Bundesgesetz über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz,<br />

ParlG) (Geschäftsbericht des Bundesrates) vom<br />

13. Dezember 2002 (SR 171.10). AS 2009 697.<br />

Loi sur l’Assemblée fédérale (Loi sur le Parlement, LParl)<br />

(Rapport de gestion du Conseil fédéral) du 13 décembre<br />

2002 (RS 171.10). RO 2009 697.<br />

Änderungserlass mit Themenangabe vom 3. Oktober 2008. Inkrafttreten<br />

am 1. März 2009.<br />

Die Änderung betrifft die Regelung zur Vertretung des bundesrätlichen<br />

Geschäftsberichts vor dem Parlament.<br />

• Geschäftsreglement des Nationalrates (GRN) (Geschäftsbericht<br />

des Bundesrates) vom 3. Oktober 20<strong>03</strong> (SR 171.13).<br />

AS 2009 699.<br />

Règlement du Conseil national (RCN) (Rapport de gestion<br />

du Conseil fédéral) du 3 octobre 20<strong>03</strong> (RS 171.13). RO<br />

2009 699.<br />

Änderungserlass mit Themenangabe vom 19. Dezember 2008.<br />

Inkrafttreten am 1. März 2009.<br />

Die Änderung betrifft die Regelung zur Vertretung des bundesrätlichen<br />

Geschäftsberichts vor dem Nationalrat.<br />

1.8. Landesverteidigung. Militärrecht. Notstand /<br />

Défense nationale. Droit militaire. Etat de<br />

nécessité<br />

• Militärstrafgesetz und Militärstrafprozess (Korrekturen<br />

infolge der Revision des AT MStG und weitere Anpassungen)<br />

vom 3. Oktober 2008. AS 2009 701.<br />

Code pénal militaire et procédure pénale militaire (Modifi -<br />

cations découlant de la nouvelle PG CPM et autres adaptations)<br />

du 3 octobre 2008. RO 2009 701.<br />

Anpassungserlass. Inkrafttreten am 1. März 2009.<br />

Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert:<br />

– SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (Änderung per<br />

1. März 2009).<br />

– SR 322.1 Militärstrafprozess vom 23. März 1979 (Änderung<br />

per 1. März 2009).<br />

1.12. Abgaben- und Finanzrecht /<br />

Finances et droit fi scal<br />

1.12.8. Öffentliche Finanzen / Finances publiques<br />

• Verordnung des EFD über die Ausfuhrbeitragsansätze für<br />

landwirtschaftliche Grundstoffe vom 27. Januar 2005 (SR<br />

632.111.723.1). AS 2009 377.<br />

Ordonnance du DFF sur les taux des contributions à<br />

l’exportation de produits agricoles de base du 27 janvier<br />

2005 (RS 632.111.723.1). RO 2009 377.<br />

Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Chronik der Rechtsetzung<br />

Législation<br />

Dr. iur. HSG Daniel Füllemann, St. Gallen<br />

Änderung des Inhalts vom 13. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

1. Dezember 2008.<br />

• Verordnung des EFD über die Ausfuhrbeitragsansätze für<br />

landwirtschaftliche Grundstoffe vom 27. Januar 2005 (SR<br />

632.111.723.1). AS 2009 381.<br />

Ordonnance du DFF sur les taux des contributions à<br />

l’exportation de produits agricoles de base du 27 janvier<br />

2005 (RS 632.111.723.1). RO 2009 381.<br />

Änderung des Inhalts vom 13. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

1. Januar 2009.<br />

• Verordnung des EFD über Zollerleichterungen für Waren<br />

je nach Verwendungszweck (Zollerleichterungsverordnung,<br />

ZEV) vom 4. April 2007 (SR 631.012). AS 2009 579.<br />

Ordonnance du DFF sur les marchandises bénéfi ciant<br />

d’allégements douaniers selon leur emploi (Ordonnance<br />

sur les allégements douaniers, OADou) du 4 avril 2007 (RS<br />

631.012). RO 2009 579.<br />

Änderung des Inhalts vom 30. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

1. Februar 2009.<br />

• Verordnung des EFD über die anwendbaren beweglichen<br />

Teilbeträge bei der Einfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten<br />

vom 27. Januar 2005 (SR 632.111.722.1).<br />

AS 2009 473.<br />

Ordonnance du DFF concernant les éléments mobiles applicables<br />

à l’importation de produits agricoles transformés<br />

du 27 janvier 2005 (RS 632.111.722.1). RO 2009 473.<br />

Änderung des Inhalts vom 26. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

1. Februar 2009.<br />

1.13. Wirtschaftsverwaltungsrecht /<br />

Droit économique administratif<br />

S. 3.10. / V. 3.10.<br />

1.15. Land- und Forstwirtschaft /<br />

Droit rural et culture, exploitation forestière<br />

• Verordnung über die zweite Teilinkraftsetzung der Änderung<br />

vom 15. November 2006 der Tierseuchenverordnung<br />

vom 29. Oktober 2008. AS 2009 559.<br />

Ordonnance concernant la deuxième partie de la mise<br />

en vigueur de la modifi cation du 15 novembre 2006 de<br />

l’ordonnance sur les épizooties du 29 octobre 2008. RO<br />

2009 559.<br />

Berichtigung vom 3. Februar 2009. Inkrafttreten am 1. Januar<br />

2009.<br />

Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert:<br />

– SR 916.351.0 Milchqualitätsverordnung vom 23. November<br />

2005 (Änderung per 1. Januar 2009).<br />

• Verordnung des BLW über die Festlegung von Perioden<br />

und Fristen sowie die Freigabe von Zollkontingentsteilmengen<br />

für die Einfuhr von frischem Gemüse, frischem Obst<br />

und von frischen Schnittblumen (VE<strong>AG</strong>OG-Freigabeverordnung)<br />

vom 12. Januar 2000 (SR 916.121.100). AS 2009<br />

717.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 346 10.3.2009 9:12:26 Uhr


Ordonnance de l’OF<strong>AG</strong> sur la fi xation des périodes et des<br />

délais ainsi que sur l’autorisation de parties de contingent<br />

tarifaire de légumes frais, de fruits frais et de fl eurs coupées<br />

fraîches (Ordonnance sur l’autorisation des importations<br />

relative à l’OIELFP) du 12 janvier 2000 (RS 916.121.100).<br />

RO 2009 717.<br />

Änderung des Inhalts vom 1. Februar 2009. Inkrafttreten am<br />

6. Januar 2009.<br />

• Allgemeine Verordnung über die Einfuhr von landwirtschaftlichen<br />

Erzeugnissen (Agrareinfuhrverordnung, AEV)<br />

vom 7. Dezember 1998 (SR 916.01). AS 2009 485.<br />

Ordonnance générale sur l’importation de produits agricoles<br />

(Ordonnance sur les importations agricoles, OIAgr) du<br />

7 décembre 1998 (RS 916.01). RO 2009 485.<br />

Änderung des Inhalts vom 23. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

1. Februar 2009.<br />

• Verordnung des BVET über Impfungen gegen die Blauzungenkrankheit<br />

im Jahr 2009 vom 14. Januar 2009 (SR<br />

916.401.348.2). AS 2009 455.<br />

Ordonnance de l’OVF concernant la vaccination contre la<br />

fi èvre catarrhale du mouton en 2009 du 14 janvier 2009 (RS<br />

916.401.348.2). RO 2009 455.<br />

Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />

• Allgemeine Verordnung über die Einfuhr von landwirtschaftlichen<br />

Erzeugnissen (Agrareinfuhrverordnung, AEV)<br />

vom 7. Dezember 1998 (SR 916.01). AS 2009 483.<br />

Ordonnance générale sur l’importation de produits agricoles<br />

(Ordonnance sur les importations agricoles, OIAgr) du<br />

7 décembre 1998 (RS 916.01). RO 2009 483.<br />

Änderung des Inhalts vom 22. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

3. Februar 2009.<br />

• Tierseuchenverordnung (TSV) vom 27. Juni 1995 (SR<br />

916.401). AS 2009 581.<br />

Ordonnance sur les épizooties (OFE) du 27 juin 1995 (RS<br />

916.401). RO 2009 581.<br />

Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

1. März 2009.<br />

Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert:<br />

– SR 916.404.2 Verordnung über die Gebühren für den Tierverkehr<br />

vom 16. Juni 2006 (Änderung per 1. März 2009).<br />

1.16. Energie- und Umweltrecht /<br />

Energie et environnement<br />

• Bundesbeschluss über die Kompensation der CO2-Emissionen<br />

von Gaskombikraftwerken vom 23. März 2007 (SR<br />

641.72). AS 2009 385.<br />

Arrêté fédéral concernant la compensation des émissions<br />

de CO2 des centrales à cycles combinés alimentées au gaz<br />

du 23 mars 2007 (RS 641.72). RO 2009 385.<br />

Änderung des Inhalts vom 3. Oktober 2008. Inkrafttreten am<br />

1. Januar 2009.<br />

Der Bundesbeschluss bleibt in Kraft, bis die Kompensation der<br />

CO2-Emissionen von Gaskombikraftwerken im CO2-Gesetz vom<br />

Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

8. Oktober 1999 geregelt ist, längstens aber bis zum 31. Dezember<br />

2010.<br />

1.17. Kommunikationsrecht /<br />

Droit de la communication<br />

• Verordnung des UVEK über Fernmeldeanschlüsse ausserhalb<br />

des Siedlungsgebiets vom 15. Dezember 1997 (SR<br />

784.101.12). AS 2009 477.<br />

Ordonnance du DETEC sur les raccordements de télécommunication<br />

situés hors des zones habitées du 15 décembre<br />

1997 (RS 784.101.12). RO 2009 477.<br />

Änderung des Inhalts vom 23. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

15. Februar 2009.<br />

• Verordnung des Bundesamtes für Kommunikation über<br />

Fernmeldedienste und Adressierungselemente vom 9. Dezember<br />

1997 (SR 784.101.113). AS 2009 715.<br />

Ordonnance de l’Offi ce fédéral de la communication sur les<br />

services de télécommunication et les ressources d’adressage<br />

du 9 décembre 1997 (RS 784.101.113). RO 2009 715.<br />

Änderung des Inhalts vom 10. Februar 2009. Inkrafttreten am<br />

1. März 2009.<br />

1.18. Transport- und Verkehrsrecht /<br />

Droit des transports et de trafi c<br />

• Ausführungsbestimmungen zur Verordnung über die Abgasemissionen<br />

von Schiffsmotoren auf schweizerischen Gewässern<br />

(AB-SAV) vom 9. Januar 2009 (SR 747.201.31).<br />

AS 2009 387.<br />

Dispositions d’exécution de l’ordonnance sur les prescriptions<br />

relatives aux gaz d’échappement des moteurs de bateaux<br />

dans les eaux suisses (DE-OEMB) du 9 janvier 2009<br />

(RS 747.201.31). RO 2009 387.<br />

Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />

Vorheriger Erlass: Ausführungsbestimmungen zur Verordnung<br />

über die Abgasemissionen von Schiffsmotoren auf schweizerischen<br />

Gewässern vom 14. August 1997 (Aufhebung per 1. Februar<br />

2009).<br />

1.19. Sozial- und Sozialversicherungsrecht /<br />

Droit social et droit des assurances sociales<br />

• Verordnung über die Einschränkung der Zulassung von<br />

Leistungserbringern zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen<br />

Krankenpfl egeversicherung vom 3. Juli 2002 (SR<br />

832.1<strong>03</strong>). AS 2009 453.<br />

Ordonnance sur la limitation de l’admission des fournisseurs<br />

de prestations à pratiquer à la charge de l’assurancemaladie<br />

obligatoire du 3 juillet 2002 (RS 832.1<strong>03</strong>). RO<br />

2009 453.<br />

Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

1. Februar 2009.<br />

1.21. Öffentliches Dienstrecht / Fonction publique<br />

• Personalverordnung des Bundesgerichts (PVBger) vom<br />

27. August 2001 (SR 172.220.114). AS 2009 353.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 347 10.3.2009 9:12:26 Uhr<br />

347


348<br />

Ordonnance sur le personnel du Tribunal fédéral (OPersTF)<br />

du 27 août 2001 (RS 172.220.114). RO 2009 353.<br />

Änderung des Inhalts vom 23. Dezember 2008. Inkrafttreten am<br />

1. Januar 2009.<br />

• Verordnung des EFD über Optimierungen im Lohnsystem<br />

des Bundespersonals vom 20. Januar 2009. AS 2009 351.<br />

Ordonnance du DFF sur l’optimisation du système salarial<br />

du personnel fédéral du 20 janvier 2009. RO 2009 351.<br />

Änderungserlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />

Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert:<br />

– SR 172.220.111.31 Verordnung des EFD zur Bundespersonalverordnung<br />

vom 6. Dezember 2001 (Änderung per 1. Februar<br />

2009).<br />

– SR 172.220.111.71 Verordnung des EFD über die Personalbeurteilung<br />

und den Lohn des Personals der Reinigungsdienste<br />

vom 22. Mai 2002 (Änderung per 1. Februar 2009).<br />

1.25. Forschungsrecht, Bildungs- und<br />

Erziehungsrecht /<br />

Droit de recherche, formation<br />

et éducation<br />

• Verordnung über die berufl iche Grundbildung Korb- und<br />

Flechtwerkgestalterin/Korb- und Flechtwerkgestalter mit<br />

eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom 5. Dezember<br />

2008 (SR 412.101.221.00). AS 2009 369.<br />

Ordonnance sur la formation professionnelle initiale vannière<br />

créatrice/vannier créateur avec certifi cat fédéral de<br />

capacité (CFC) du 5 décembre 2008 (RS 412.101.221.00).<br />

RO 2009 369.<br />

Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Januar 2009.<br />

• Verordnung über die berufl iche Grundbildung Küferin/<br />

Küfer mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom<br />

5. Dezember 2008 (SR 412.101.221.01). AS 2009 371.<br />

Ordonnance sur la formation professionnelle initiale tonnelière/tonnelier<br />

avec certifi cat fédéral de capacité (CFC) du<br />

5 décembre 2008 (RS 412.101.221.01). RO 2009 371.<br />

Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Januar 2009.<br />

• Verordnung über die berufl iche Grundbildung Drucktechnologin/Drucktechnologe<br />

mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis<br />

(EFZ) vom 28. November 2008 (SR<br />

412.101.221.<strong>03</strong>). AS 2009 375.<br />

Ordonnance sur la formation professionnelle initiale technologue<br />

en impression avec certifi cat fédéral de capacité<br />

(CFC) du 28 novembre 2008 (RS 412.101.221.<strong>03</strong>). RO<br />

2009 375.<br />

Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Januar 2009.<br />

• Verordnung über die berufl iche Grundbildung Bühnentänzerin/Bühnentänzer<br />

mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis<br />

(EFZ) vom 1. Dezember 2008 (SR 412.101.221.02). AS<br />

2009 373.<br />

Ordonnance sur la formation professionnelle initiale danseuse<br />

interprète/danseur interprète avec certifi cat fédéral de<br />

Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

capacité (CFC) du 1 er décembre 2008 (RS 412.101.221.02).<br />

RO 2009 373.<br />

Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />

• Verordnung über die berufl iche Grundbildung Anlagenführerin/Anlagenführer<br />

mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis<br />

(EFZ) vom 12. Dezember 2008 (SR<br />

412.101.221.04). AS 2009 563.<br />

Ordonnance sur la formation professionnelle initiale opératrice<br />

de machines automatisées/opérateur de machines<br />

automatisées avec certifi cat fédéral de capacité (CFC) du<br />

12 décembre 2008 (RS 412.101.221.04). RO 2009 563.<br />

Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />

1.28. Übriges Verwaltungsrecht /<br />

Autres domaines du droit administratif<br />

• Verordnung über Massnahmen gegenüber der Demokratischen<br />

Republik Kongo vom 22. Juni 2005 (SR<br />

946.231.12). AS 2009 459.<br />

Ordonnance instituant des mesures à l’encontre de la République<br />

démocratique du Congo du 22 juin 2005 (RS<br />

946.231.12). RO 2009 459.<br />

Änderung des Inhalts vom 16. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

27. Januar 2009.<br />

• Verordnung über den Schutz vor gefährlichen Stoffen<br />

und Zubereitungen (Chemikalienverordnung, ChemV) vom<br />

18. Mai 2005 (SR 813.11). AS 2009 401.<br />

Ordonnance sur la protection contre les substances et les<br />

préparations dangereuses (Ordonnance sur les produits<br />

chimiques, OChim) du 18 mai 2005 (RS 813.11). RO 2009<br />

401.<br />

Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

1. Februar 2009.<br />

Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert:<br />

– SR 813.12 Verordnung über das Inverkehrbringen von und den<br />

Umgang mit Biozidprodukten vom 18. Mai 2005 (Änderung<br />

per 1. Februar 2009).<br />

– SR 814.81 Verordnung zur Reduktion von Risiken beim Umgang<br />

mit bestimmten besonders gefährlichen Stoffen, Zubereitungen<br />

und Gegenständen vom 18. Mai 2005 (Änderung per<br />

1. Februar 2009).<br />

– SR 916.161 Verordnung über das Inverkehrbringen von Pfl anzenschutzmitteln<br />

vom 18. Mai 2005 (Änderung per 1. Februar<br />

2009).<br />

• Verordnung des EDI über die Einstufung und Kennzeichnung<br />

von Stoffen vom 28. Juni 2005 (SR 813.112.12). AS<br />

2009 443.<br />

Ordonnance du DFI sur la classifi cation et l’étiquetage offi<br />

ciels des substances du 28 juin 2005 (RS 813.112.12). RO<br />

2009 443.<br />

Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am<br />

1. Februar 2009.<br />

• Verordnung des EDI über die erforderliche Sachkenntnis<br />

zur Abgabe besonders gefährlicher Stoffe und Zube-<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 348 10.3.2009 9:12:26 Uhr


eitungen vom 28. Juni 2005 (SR 813.131.21). AS 2009<br />

445.<br />

Ordonnance du DFI sur les connaissances techniques<br />

requises pour la remise des substances et des préparations<br />

particulièrement dangereuses du 28 juin 2005 (RS<br />

813.131.21). RO 2009 445.<br />

Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am<br />

1. Februar 2009.<br />

• Verordnung des EDI über die Fachbewilligung für die Desinfektion<br />

des Badewassers in Gemeinschaftsbädern (VFB-<br />

DB) vom 28. Juni 2005 (SR 814.812.31). AS 2009 447.<br />

Ordonnance du DFI relative au permis pour l’emploi des<br />

désinfectants pour l’eau des piscines publiques (OPer-D)<br />

du 28 juin 2005 (RS 814.812.31). RO 2009 447.<br />

Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am<br />

1. Februar 2009.<br />

• Verordnung des EDI über die Fachbewilligung für die<br />

allgemeine Schädlingsbekämpfung (VFB-S) vom 28. Juni<br />

2005 (SR 814.812.32). AS 2009 449.<br />

Ordonnance du DFI relative au permis pour l’emploi<br />

des pesticides en général (OPer-P) du 28 juin 2005 (RS<br />

814.812.32). RO 2009 449.<br />

Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am<br />

1. Februar 2009.<br />

• Verordnung des EDI über die Fachbewilligung für die<br />

Schädlingsbekämpfung mit Begasungsmitteln (VFB-B)<br />

vom 28. Juni 2005 (SR 814.812.33). AS 2009 451.<br />

Ordonnance du DFI relative au permis pour l’emploi des<br />

fumigants (OPer-Fu) du 28 juin 2005 (RS 814.812.33). RO<br />

2009 451.<br />

Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am<br />

1. Februar 2009.<br />

• Verordnung des B<strong>AG</strong> über die Aufnahme von Wirkstoffen<br />

in die Liste I der Wirkstoffe zur Verwendung in Biozidprodukten<br />

nach Anhang 1 der Biozidprodukteverordnung<br />

vom 26. Januar 2009. AS 2009 479.<br />

Ordonnance de l’OFSP sur l’inscription des substances<br />

actives dans la liste I des substances actives pour inclusion<br />

dans les produits biocides selon l’annexe 1 de<br />

l’ordonnance sur les produits biocides du 26 janvier 2009.<br />

RO 2009 479.<br />

Änderungserlass. Inkrafttreten am 15. Februar 2009.<br />

Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert:<br />

– SR 813.12 Verordnung über das Inverkehrbringen von und den<br />

Umgang mit Biozidprodukten vom 18. Mai 2005 (Änderung<br />

per 15. Februar 2009).<br />

• Tierschutzverordnung (TSchV) vom 23. April 2008 (SR<br />

455.1). AS 2009 565.<br />

Ordonnance sur la protection des animaux (OPAn) du<br />

23 avril 2008 (RS 455.1). RO 2009 565.<br />

Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

1. März 2009.<br />

Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

3. Wirtschaftsrecht / Droit économique<br />

3.5. Wettbewerbsrecht – allgemein /<br />

Droit de la concurrence – en général<br />

• Geschäftsreglement der Wettbewerbskommission vom<br />

1. Juli 1996 (SR 251.1). AS 2009 355.<br />

Règlement interne de la Commission de la concurrence du<br />

1er juillet 1996 (RS 251.1). RO 2009 355.<br />

Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

1. Februar 2009.<br />

3.10. Wirtschaftsverwaltungsrecht /<br />

Droit économique administratif<br />

• Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen<br />

der Groupe d’action fi nancière vom 3. Oktober<br />

2008. AS 2009 361.<br />

Loi fédérale sur la mise en œuvre des recommandations révisées<br />

du Groupe d’action fi nancière du 3 octobre 2008. RO<br />

2009 361.<br />

Änderungserlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />

Die Massnahmen zur Geldwäschereibekämpfung bewegen sich<br />

in einem normativen Umfeld, das stetig an die Entwicklungen der<br />

internationalen Wirtschafts- und Finanzkriminalität anzupassen<br />

ist. Die Gesetzesänderungen betreffen und bezwecken insbesondere<br />

die Ausweitung des GwG auf die Terrorismusfi nanzierung,<br />

die Verbesserung der Wirksamkeit des Meldesystems, die<br />

Aufnahme von Vortaten der Geldwäscherei ins schweizerische<br />

Recht, die Systematisierung und Verankerung der aktuellen Praxis<br />

der Sorgfaltspfl ichten, die Anpassung der Bestimmungen zur<br />

Rechtshilfe sowie die Unterstützung der Zollverwaltung bei der<br />

Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfi nanzierung.<br />

Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert:<br />

– SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember<br />

1937 (Änderung per 1. Februar 2009).<br />

– SR 313.0 Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht vom<br />

22. März 1974 (Änderung per 1. Februar 2009).<br />

– SR 351.1 Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in<br />

Strafsachen vom 20. März 1981 (Änderung per 1. Februar<br />

2009).<br />

– SR 955.0 Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geldwäscherei<br />

und der Terrorismusfi nanzierung im Finanzsektor vom<br />

10. Oktober 1997 (Änderung per 1. Februar 2009).<br />

– SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (Änderung per 1. Februar<br />

2009).<br />

• Verordnung über die Kontrolle des grenzüberschreitenden<br />

Barmittelverkehrs vom 11. Februar 2009 (SR 631.052). AS<br />

2009 709.<br />

Ordonnance sur le contrôle du trafi c transfrontière de<br />

l’argent liquide du 11 février 2009 (RS 631.052). RO 2009<br />

709.<br />

Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. März 2009.<br />

Diese Verordnung regelt die durch die Eidgenössische Zollverwaltung<br />

(EZV) vorgenommene Kontrolle des grenzüberschreitenden<br />

Barmittelverkehrs zur Bekämpfung der Geldwäscherei<br />

und der Terrorismusfi nanzierung und stützt sich auf den durch<br />

das neue Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfeh-<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 349 10.3.2009 9:12:27 Uhr<br />

349


350<br />

lungen der Groupe d’action fi nancière vom 3. Oktober 2008 geänderten<br />

Art. 95 Zollgesetz.<br />

Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert:<br />

– SR 631.061 Verordnung über die Bearbeitung von Personendaten<br />

in der Eidgenössischen Zollverwaltung vom 4. April<br />

2007 (Änderung per 1. März 2009).<br />

• Verordnung über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagenverordnung,<br />

KKV) vom 22. November 2006 (SR<br />

951.311). AS 2009 719.<br />

Ordonnance sur les placements collectifs de capitaux (Ordonnance<br />

sur les placements collectifs, OPCC) du 22 novembre<br />

2006 (RS 951.311). RO 2009 719.<br />

Änderung des Inhalts vom 28. Januar 2009. Inkrafttreten am<br />

1. März 2009.<br />

3.11. Landwirtschaftsrecht / Droit rural<br />

Zum Land- und Forstwirtschaft s. 1.15. / Pour le droit rural<br />

et culture, exploitation forestière v. 1.15.<br />

3.12. Europäisches Wirtschaftsrecht /<br />

Droit économique européen<br />

S. 8.11.3. / V. 8.11.3.<br />

7. Strafrecht / Droit pénal<br />

7.3. Strafrecht – Besonderer Teil – allgemein /<br />

Droit pénal – Partie spéciale – en général<br />

7.3.5. Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität<br />

/ Infractions contre l’intégrité sexuelle<br />

• Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft<br />

(BV) vom 18. April 1999 (SR 101). AS 2009 471.<br />

Constitution fédérale de la Confédération suisse (Cst.) du<br />

18 avril 1999 (RS 101). RO 2009 471.<br />

Änderung des Inhalts vom 13. Juni 2008. Inkrafttreten am<br />

30. November 2008.<br />

Diese Verfassungsänderung (Einführung der Unverjährbarkeit<br />

der Strafverfolgung und der Strafe bei sexuellen und bei pornografi<br />

schen Straftaten an Kindern vor der Pubertät) ist von Volk<br />

und Ständen am 30. November 2008 angenommen worden und<br />

damit in Kraft getreten.<br />

7.3.19. Einziehung, Geldwäscherei, mangelhafte Sorgfalt<br />

bei Finanzgeschäften und Melderecht /<br />

Confi scation, blanchiment d’argent, manque<br />

de diligence dans (l’éxécution) des opérations<br />

fi nancières et droit de communication<br />

• Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen<br />

der Groupe d’action fi nancière vom 3. Oktober<br />

2008. AS 2009 361.<br />

Loi fédérale sur la mise en œuvre des recommandations révisées<br />

du Groupe d’action fi nancière du 3 octobre 2008. RO<br />

2009 361.<br />

Änderungserlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.<br />

Für weitere Informationen zu diesem Erlass s. 3.10.<br />

Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

7.8. Strafrecht international /<br />

Droit pénal international<br />

7.8.3. Völkerstrafrecht, internationaler Gerichtshof /<br />

Droit pénal international public, cour international<br />

de justice<br />

S. 8.13. / V. 8.13.<br />

8. Völkerrecht und Europarecht /<br />

Droit international public et droit européen<br />

8.11. Europäisches Wirtschaftsrecht /<br />

Droit économique européen<br />

8.11.3. Handelsrecht, Wertpapierrecht /<br />

Droit commercial, droit des papiers-valeurs<br />

• Beschluss Nr. 4/2007 des Rates zur Änderung der Anlage<br />

2 zu Anhang K des Übereinkommens vom 4. Januar<br />

1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation<br />

(EFTA) (Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit)<br />

(SR 0.632.31). AS 2009 605.<br />

Décision no 4/2007 du Conseil portant modifi cation de<br />

l’appendice 2 à l’annexe K de la Convention du 4 janvier<br />

1960 instituant l’Association européenne de Libre-Echange<br />

(AELE) (Coordination des systèmes de sécurité sociale)<br />

(RS 0.632.31). RO 2009 605.<br />

8.13. Internationales Strafrecht /<br />

Droit pénal international<br />

• Bundesbeschluss über die Genehmigung des Internationalen<br />

Übereinkommens zur Bekämpfung nuklearterroristischer<br />

Handlungen. AS 2009 491.<br />

Arrêté fédéral portant approbation de la Convention internationale<br />

pour la répression des actes de terrorisme nucléaire.<br />

RO 2009 491.<br />

Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Staatsvertrags.<br />

• Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung nuklearterroristischer<br />

Handlungen (SR 0.353.23). AS 2009 493.<br />

Convention internationale pour la répression des actes de<br />

terrorisme nucléaire (RS 0.353.23). RO 2009 493.<br />

Auszug aus der Botschaft:<br />

Das Übereinkommen will in erster Linie sicherstellen, dass die<br />

Vertragsstaaten innerstaatlich über effektive Strafgesetze zur<br />

Verfolgung nuklearterroristischer Handlungen verfügen. Weiter<br />

möchte es den Informationsaustausch zwischen den Vertragsstaaten<br />

zur Verhinderung und Aufdeckung solcher Handlungen verbessern<br />

sowie die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen<br />

gewährleisten. Es regelt überdies die Rückgabe beschlagnahmten<br />

Nuklearmaterials. Die Artikel 3–17 und 19–28 des Übereinkommens<br />

entsprechen weitgehend Bestimmungen anderer UNO-<br />

Übereinkommen gegen den Terrorismus, namentlich dem Übereinkommen<br />

vom 26. Oktober 1979 über den physischen Schutz<br />

von Kernmaterial sowie dem Internationalen Übereinkommen<br />

vom 15. Dezember 1997 zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge.<br />

Die Schweiz hat diese Übereinkommen bereits ratifi -<br />

ziert und die landesrechtlichen Voraussetzungen zu ihrer Umsetzung<br />

geschaffen. Das Übereinkommen gegen Nuklearterrorismus<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 350 10.3.2009 9:12:27 Uhr


enthält dementsprechend keine neuartigen Verpfl ichtungen für<br />

die Schweiz. Im Unterschied zum Übereinkommen über den physischen<br />

Schutz von Kernmaterial ist der Anwendungsbereich des<br />

Übereinkommens gegen Nuklearterrorismus weiter gefasst. So<br />

ist es nicht auf für friedliche Zwecke genutztes Kernmaterial beschränkt,<br />

das sich im internationalen Nukleartransport befi ndet.<br />

Es bestraft neben dem Missbrauch von waffenfähigem Nuklearmaterial<br />

auch die verbrecherische Verwendung von anderem radioaktivem<br />

Material, das wegen seiner Strahlung für Mensch und<br />

Umwelt gefährlich ist. Allerdings enthält das Übereinkommen<br />

gegen Nuklearterrorismus keine Verpfl ichtungen der Mitgliedstaaten,<br />

spezifi sche präventive Massnahmen zum Schutz von Nuklearanlagen<br />

und -material zu treffen. Es enthält lediglich einen<br />

Aufruf an die Staaten, die entsprechenden Empfehlungen der<br />

IAEO zum Schutz von radioaktivem Material zu berücksichtigen.<br />

Im Vergleich zum Übereinkommen gegen terroristische Bombenanschläge<br />

sind in Bezug auf das strafbare Verhalten nur geringe<br />

Unterschiede festzustellen, ist doch das Übereinkommen gegen<br />

terroristische Bombenanschläge auch anwendbar, wenn Strahlung<br />

oder radioaktive Substanzen freigesetzt, verbreitet oder zur<br />

Wirkung gebracht werden. Das Übereinkommen gegen Nuklearterrorismus<br />

erfasst zusätzlich den Besitz und die Herstellung von<br />

Nuklearmaterial zu terroristischen Zwecken sowie die Drohung,<br />

aus terroristischen Motiven Nuklearanschläge zu begehen. Das<br />

Übereinkommen verfügt im Unterschied zu anderen internationalen<br />

Abkommen nicht über einen Kontrollmechanismus mit der<br />

Pfl icht zur regelmässigen Berichterstattung oder mit Überprüfungskonferenzen.<br />

8.16. Internat. gewerblicher Rechtsschutz.<br />

Internat. Immaterialgüterrecht /<br />

Droit de la propriété industrielle international.<br />

Droit de la propriété immatérielle<br />

international<br />

• Gemeinsame Ausführungsordnung zum Madrider<br />

Abkommen über die internationale Registrierung von<br />

Marken und zum Protokoll zu diesem Abkommen (SR<br />

0.232.112.21). AS 2009 591.<br />

Règlement d’exécution commun à l’arrangement de Madrid<br />

concernant l’enregistrement international des marques et<br />

au protocole relatif à cet arrangement (RS 0.232.112.21).<br />

RO 2009 591.<br />

8.19. Öff. Gesundheitswesen. Soziale Sicherheit /<br />

Santé publique. Sécurité sociale<br />

• Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März<br />

1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG)<br />

Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen<br />

Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren<br />

Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft<br />

zu- und abwandern. In der Fassung von Anhang II zum<br />

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft<br />

einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und<br />

ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit.<br />

Anpassung durch das Protokoll vom 26. Oktober 2004<br />

über die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf<br />

die neuen EG-Mitgliedstaaten (SR 0.831.109.268.11). AS<br />

2009 621.<br />

Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Règlement (CEE) No 574/72 du Conseil, du 21 mars 1972,<br />

fi xant les modalités d’application du règlement (CEE) no<br />

1408/71 relatif à l’application des régimes de sécurité sociale<br />

aux travailleurs salariés, aux travailleurs non salariés<br />

et aux membres de leur famille qui se déplacent à l’intérieur<br />

de la Communauté. Adapté selon l’annexe II à l’Accord<br />

sur la libre circulation des personnes entre la Suisse d’une<br />

part, et la Communauté européenne et ses Etats membres,<br />

d’autre part. Modifi é par le Protocole du 26 octobre 2004<br />

relatif à l’extension de l’Accord sur la libre circulation<br />

des personnes aux nouveaux Etats membres de la CE (RS<br />

0.831.109.268.11). RO 2009 621.<br />

8.21. Kultur. Kunst. Freizeit. Sport /<br />

Culture. Art. Loisir. Sport<br />

• Bundesbeschluss über die Genehmigung des Internationalen<br />

Übereinkommens gegen Doping im Sport. AS 2009<br />

519.<br />

Arrêté fédéral portant approbation de la Convention internationale<br />

contre le dopage dans le sport. RO 2009 519.<br />

Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Staatsvertrags.<br />

• Internationales Übereinkommen gegen Doping im Sport<br />

(SR 0.812.122.2). AS 2009 521.<br />

Convention internationale contre le dopage dans le sport<br />

(RS 0.812.122.2). RO 2009 521.<br />

Auszug aus der Botschaft:<br />

Die Konvention besteht aus 43 Artikeln, zwei integralen Anlagen<br />

und drei Anhängen. Die Konvention und die zwei Anlagen<br />

(Liste der verbotenen Substanzen und Methoden sowie ein Teil<br />

des Standards über die Gewährung von Ausnahmebewilligungen<br />

zu therapeutischen Zwecken) sind zwischenstaatlich verbindlich<br />

und haben keinen self-executing-Charakter. Der Welt-Anti-Doping-Code<br />

und die zwei Internationalen Standards für Laboratorien<br />

und für Dopingkontrollen dienen als Anhänge zur Information<br />

und sind keine integralen Bestandteile der Konvention.<br />

Bei der Ratifi zierung durch einen Staat können keine Vorbehalte<br />

(vgl. Art. 43 der Konvention) gemacht werden, die dem Ziel und<br />

Zweck der Konvention widersprechen. Die Konvention soll dazu<br />

beitragen, die Bestimmungen und Prinzipien des Welt-Anti-Doping-Codes<br />

in den Gesetzen der Vertragsparteien zu verankern.<br />

Für die Regierungen besteht dabei eine grosse Flexibilität im<br />

gewählten Ansatz. So kann die Konvention durch Gesetzgebung,<br />

Reglemente, politische Mittel oder administrative Bestimmungen<br />

umgesetzt werden. Vertragsparteien müssen Massnahmen<br />

ergreifen zur: Einschränkung der Verfügbarkeit von verbotenen<br />

Substanzen und Methoden (ausser zu legitimen medizinischen<br />

Zwecken) einschliesslich Massnahmen gegen deren Handel;<br />

Erleichterung von Dopingkontrollen im eigenen Land und zur<br />

Unterstützung des nationalen Dopingkontrollprogramms; Einstellung<br />

von fi nanziellen Beiträgen an Athletinnen und Athleten<br />

und deren Umfeld, wenn sie gegen die Dopingbestimmungen<br />

ver stossen, sowie an Sportorganisationen, die die Bestimmungen<br />

des Codes nicht erfüllen; Ermutigung von Produzenten und<br />

Vertreibern von Nahrungsergänzungsmitteln, eine «beste Praxis»<br />

bei der Beschriftung, beim Marketing und beim Vertrieb von Produkten<br />

einzuführen, die verbotene Substanzen enthalten könnten;<br />

Unterstützung der Dopingprävention für Athletinnen und Athleten<br />

und allgemein die Förderung eines sportlichen Umfeldes.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 351 10.3.2009 9:12:27 Uhr<br />

351


352<br />

8.25. Naturschätze und Energie /<br />

Ressources naturelles et énergie<br />

• Briefwechsel vom 5./20. November 2008 zwischen dem<br />

Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen<br />

Republik betreffend den Bereich und die Einzelheiten<br />

der Alarmierung und/oder der Übermittlung von<br />

Informationen im Falle von Kleinereignissen oder Unfallsituationen<br />

im Kernkraftwerk Fessenheim oder in den<br />

schweizerischen Kernkraftwerken Beznau, Gösgen, Leibstadt<br />

und Mühleberg (SR 0.732.323.491). AS 2009 515.<br />

Echange de lettres des 5/20 novembre 2008 entre le Conseil<br />

fédéral suisse et le Gouvernement de la République française<br />

concernant le domaine et les modalités de l’alerte et/<br />

ou de la transmission d’informations en cas d’événement<br />

mineur ou de situation accidentelle dans la centrale nucléaire<br />

de Fessenheim ou dans les centrales nucléaires<br />

suisses de Beznau, Gösgen, Leibstadt et Mühleberg (RS<br />

0.732.323.491). RO 2009 515.<br />

8.26. Aussenpolitik, Sicherheitspolitik und internationale<br />

Beziehungen /<br />

Politique extérieure, politique de sécurité et<br />

relations internationales<br />

• Notenaustausch vom 14. Januar 2009 zwischen der<br />

Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend<br />

die Übernahme der Entscheidung 2008/905/EG des Rates<br />

vom 27. November 2008 zur Änderung von Anlage 13 der<br />

Gemeinsamen Konsularischen Instruktion mit Hinweisen<br />

zum Ausfüllen der Visummarke (Weiterentwicklung des<br />

Schengen-Besitzstands) (SR 0.360.268.121.5). AS 2009<br />

511.<br />

Echange de notes du 14 janvier 2009 entre la Suisse et la<br />

Communauté européenne concernant la reprise de la décision<br />

du Conseil 2008/905/CE du 27 novembre 2008 modifi<br />

ant l’annexe 13 des instructions consulaires communes<br />

relative au remplissage de la vignette-visa (Développement<br />

de l’acquis Schengen) (RS 0.360.268.121.5). RO 2009 511.<br />

Chronik der Rechtsetzung/Législation<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 352 10.3.2009 9:12:27 Uhr


Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />

In dieser Rubrik wird stichwortartig auf in den Wochen vor Drucklegung<br />

der <strong>AJP</strong>/PJA veröffentlichte Entscheidungen hingewiesen.<br />

Für Vollständigkeit und Exaktheit der Angaben wird keine Gewähr<br />

übernommen. Der eigentliche Inhalt kann nur durch Lektüre der<br />

Entscheidungen an der angegebenen Fundstelle erschlossen werden.<br />

Dans cette rubrique, les décisions publiées dans les semaines qui<br />

précèdent la mise sous presse de PJA/<strong>AJP</strong> sont signalées à l'aide de<br />

mots-clés. Nous n'assumons aucune garantie quant à l'intégralité<br />

et à l'exactitude des informations. Pour avoir exactement connaissance<br />

du contenu de ses décisions, veuillez vous référer aux sources<br />

mentionnées.<br />

■ Rechtsprechung des Bundes ■ Jurisprucence fédérale<br />

• Rechtsprechung der Kantone • Jurisprudence cantonale<br />

1. Verfassungs- und Verwaltungsrecht /<br />

Droit constitutionnel et administratif<br />

1.4. Grundrechte / Droits fondamentaux<br />

1.4.1. Persönliche Freiheit / Liberté personelle<br />

■ Diskriminierungsverbot. Behinderungsgerechte Prüfungsbedingungen.<br />

BV 7 Abs. 4, Behindertengesetz 2 Abs. 5. BVGE,<br />

15.7.2008 (B-7914/2007). Mit Bemerkungen von Kurt Pärli und<br />

Andreas Petrik. <strong>AJP</strong>/PJA 2009, 110.<br />

1.4.11. Verfahrensgarantien / Garanties de procédure<br />

■ EMRK/CEDH 6 Ziff. 1. BV/Cst. 29a. AHVG/LAVS 52. Überprüfung<br />

des Forderungsbetrages. Die von einer Schadenersatzforderung<br />

betroffene Person muss auf Grund der Rechtsweggarantie die<br />

Möglichkeit gehabt haben, das Massliche der Beitragsforderungen,<br />

für die sie haftbar gemacht wird, zumindest einmal bei einer Gerichtsinstanz<br />

bestreiten zu können, die den Sachverhalt frei prüft.<br />

Aus der Unternehmung ausgeschiedene frühere Organe haben bei<br />

späterer Zustellung der Beitragsverfügung keine Möglichkeit mehr,<br />

in ihrer Organeigenschaft die Beitragsverfügung anzufechten oder<br />

anfechten zu lassen, weshalb diese in ihrem Falle im Rahmen des<br />

Schadenersatzverfahrens frei überprüfbar sein muss (Präzisierung<br />

der Rechtsprechung). / Examen du montant de la créance. En raison<br />

de la garantie de l’accès au juge, la personne à qui l’on réclame la<br />

réparation du dommage résultant du non-paiement de cotisations<br />

sociales doit avoir eu la possibilité de contester au moins une fois le<br />

montant de la créance de cotisations devant une autorité judiciaire<br />

disposant d’un plein pouvoir d’examen en fait et en droit. Dans la<br />

mesure où un ancien organe de l’employeur n’a plus la possibilité<br />

d’attaquer ou de faire attaquer en qualité d’organe une décision de<br />

cotisations signifi ée ultérieurement à son départ, cette décision doit<br />

pouvoir être librement examinée dans le cadre de la procédure en<br />

réparation du dommage (précision de la jurisprudence). BGer/TF,<br />

8.10.2008 (9C_901/2007); BGE/ATF 134 V 401.<br />

■ BV 29 Abs. 3. Gilt in einem Verfahren die Untersuchungsmaxime,<br />

so lässt dies die anwaltliche Vertretung nicht ohne Weiteres als<br />

unnötig erscheinen. Abgesehen davon, dass die Untersuchungsmaxime<br />

allfällige Fehlleistungen der Behörde nicht zu verhindern vermag,<br />

ist zu bedenken, dass sie nicht unbegrenzt ist. Sie verpfl ichtet<br />

die Behörde zwar, von sich aus alle Elemente in Betracht zu ziehen,<br />

die entscheidwesentlich sind, und unabhängig von den Anträgen<br />

der Parteien Beweise zu erheben. Diese Pfl icht entbindet die Beteiligten<br />

indessen nicht davon, durch Hinweise zum Sachverhalt oder<br />

Bezeichnung von Beweisen am Verfahren mitzuwirken. Somit kann<br />

auch in Verfahren wie dem vorliegenden, die vom Untersuchungs-<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Rechtsprechungsübersicht<br />

Répertoire de jurisprudence<br />

Rebekka Keller, B. A. HSG, St. Gallen<br />

grundsatz beherrscht sind, eine anwaltliche Vertretung erforderlich<br />

sein. BGer, 24.9.2008 (1C_339/2008). Anwaltsrevue/Revue de<br />

l’avocat 2009, 29.<br />

■ Es ist nachvollziehbar, dass eine Partei von einem Richter, der<br />

sie in einem anderen Verfahren als Gegenanwalt bekämpft(e), nicht<br />

erwartet, er werde ihr plötzlich völlig unbefangen gegenübertreten,<br />

weshalb in solchen Fällen ein Anschein von Befangenheit zu bejahen<br />

ist. / On peut comprendre qu’une partie ne puisse pas considérer<br />

comme soudainement totalement impartial un juge qui l’a combattue<br />

comme avocat de la partie adverse dans une autre procédure.<br />

Il faut donc admettre une apparence de partialité dans un tel cas.<br />

BGer/TF, 6.10.2008 (5A_201/2008). Bearbeitet durch Markus<br />

Felber. SJZ/RSJ 2009, 61.<br />

1.12. Abgaben- und Finanzrecht /<br />

Finances et droit fi scal<br />

1.12.1. Einkommenssteuer und direkte Steuern –<br />

im Allgemeinen /<br />

Impôt sur le revenu et impôts directs – en général<br />

■ 32, 34 DBG/LIFD Gewinnungskosten. Unterhaltskosten. Wertvermehrende<br />

Investitionen. Mangelhafte Gartenbauarbeiten und<br />

Durchführung einer Gesamtsanierung statt Nachbesserung: Das<br />

Vorgehen der Beschwerdegegner bestätigt, dass die ursprünglichen<br />

Aufwendungen keinen Mehrwert schufen, sondern erst die Arbeiten<br />

des Jahres 2004, welche demgemäss nicht als abzugsfähige<br />

Unterhaltskosten qualifi ziert werden können. / Frais d’acquisition.<br />

Frais d’entretien; investissements entraînant une augmentation de<br />

la valeur de l’immeuble. Travaux défectueux pour l’aménagement<br />

du jardin et exécution d’un assainissement complet au lieu<br />

d’une réparation: le procédé choisi par l’intimé confi rme que les<br />

dépenses encourues à l’origine n’ont en rien augmenté la valeur de<br />

l’immeuble, au contraire de celles réalisées en 2004, qui ne peuvent<br />

par conséquent pas être considérées comme des frais d’entretien<br />

déductibles. BGer/TF, 11.12.2008 (2C.57/2008). StR/RF 2009,<br />

117.<br />

■ DBG/LIFD 33 Abs. 1 lit.a. StHG/LHID 9 Abs. 2 lit. a. Schuldzinsenabzug.<br />

Der Begriff «Schuldzinsen» in DBG 33 Abs. 1 lit. a<br />

bzw. StHG 9 Abs. 2 lit. a ist wirtschaftlich auszulegen. Vorliegend<br />

neutralisieren sich wirtschaftlich betrachtet die Wirkungen der<br />

ausgerichteten Schenkung und des gewährten Darlehens gegenseitig.<br />

Es erübrigt sich, das Vorliegen einer Steuerumgehung zu<br />

prüfen. / Déduction des intérêts passifs. Le terme «intérêts passifs»<br />

mentionné à LIFD 33 al. 1 lettre a, respectivement à LHID 9<br />

al. 2 lettre a doit être interprété d’un point de vue économique.<br />

Ici, d’un point de vue économique, les effets de la donation effectuée<br />

et du prêt accordé s’annulent l’un l’autre. Il n’est pas nécessaire<br />

d’examiner le cas sous l’angle de l’évasion fi scale. BGer/TF,<br />

19.11.2008 (2C.393/2008). StR/RF 2009, 110.<br />

■ LIFD/DBG 112. OG/OG 98a. LTF/BGG 86 cpv. 2, 130 cpv. 3.<br />

Assistenza di altre autorità in favore del fi sco. Procedura. Autorità<br />

competent. Portata dell’obbligo di collaborazione. Giurisprudenza<br />

in tema di autorità competenti ad esaminare le domande di assistenza<br />

in favore del fi sco secondo LIFD 112. Esigenze poste dagli<br />

OG 98a e LTF 86 cpv. 2. In tale ambito, se un’autorità cantonale<br />

ammette la propria competenza, il Tribunale federale deve per ora<br />

unicamente verifi care che non si sia fondata su un’interpretazione<br />

arbitraria del diritto cantonale. Portata dell’obbligo di collaborazione<br />

in virtù LIFD 112. Per quanto concerne la cernita dei documenti<br />

vanno applicati per analogia i principi validi in materia di assistenza<br />

giudiziaria internazionale, tenendo inoltre conto che nello scambio<br />

di informazioni in base LIFD 112 non si pongono problemi di<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 353 10.3.2009 9:12:28 Uhr<br />

353


354<br />

Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />

salvaguardia della sovranità nazionale e che dev’essere garantita<br />

un’ampia collaborazione tra le autorità. / Amtshilfe anderer Behörden<br />

zugunsten der Steuerbehörden. Verfahren. Zuständigkeit.<br />

Tragweite der Pfl icht zur Amtshilfe. Überblick über die Rechtsprechung<br />

zur Zuständigkeit von Behörden zur Prüfung von Ersuchen<br />

um Amtshilfe zugunsten der Steuerbehörden gemäss DBG 112.<br />

Anforderungen gemäss OG 98a und BGG 86 Abs. 2. Bejaht eine<br />

kantonale Behörde ihre Zuständigkeit, so prüft das Bundesgericht<br />

zurzeit nur, ob dies auf einer willkürlichen Auslegung des kantonalen<br />

Rechts beruht. Tragweite der Pfl icht zur Amtshilfe gemäss<br />

DBG 112. Geht es um die Ausscheidung von Dokumenten, so gelten<br />

die Grundsätze analog, die für die internationale Rechtshilfe<br />

anwendbar sind, wobei zu berücksichtigen ist, dass der auf DBG<br />

112 gestützte Informationsaustausch nicht Fragen der Gewährleistung<br />

der nationalen Souveränität aufwirft und eine umfassende<br />

Zusammenarbeit zwischen den Behörden garantiert ist. TF/BGer,<br />

28.7.2008 (2C_443/2007); DTF/BGE 134 II 318.<br />

■ Abschreibungen. Geschäftsvermögen. In der Lehre wird die Auffassung<br />

vertreten, dass die Bedeutung des zivilrechtlichen Eigentums<br />

im Vermögenssteuerbereich teilweise vom Begriff des wirtschaftlichen<br />

Eigentums abgelöst werde. Auch die handelsrechtliche<br />

Literatur stellt für die Aktivierung nicht so sehr auf das formelle<br />

Eigentum am betreffenden Vermögensgegenstand ab, sondern darauf,<br />

ob ein Vermögenswert dem Unternehmen uneingeschränkt zur<br />

Verfügung steht. Im vorliegenden Fall stellt die zur Diskussion stehende<br />

Remise eine auf lange Dauer ausgelegte Baute dar, für deren<br />

Zuordnung zwingend die zivilrechtliche Betrachtungsweise und<br />

nicht die faktische Nutzung des Gebäudes massgebend ist. / Amortissements.<br />

Fortune commerciale. Dans la doctrine, on trouve la<br />

conception selon laquelle, pour ce qui est de l’imposition de la fortune,<br />

l’importance de la propriété au sens du droit civil est en partie<br />

remplacée par la notion de propriété économique. De même, dans<br />

la littérature de droit commercial, la question de l’activation n’est<br />

pas tant résolue sur la base de la propriété formelle aux biens que<br />

celle de la disponibilité illimitée d’un bien pour l’entreprise. Dans<br />

le cas d’espèce, la remise qui fait l’objet du litige représente une<br />

construction faite pour durer, pour laquelle seul le point de vue du<br />

droit civil permet de trancher, et non son utilisation de fait. BGer/<br />

TF, 4.12.2008 (2C.379/2008). StR/RF 2009, 113.<br />

• Bei der Vermietung von Wohneigentum an Verwandte zu Vorzugsbedingungen<br />

ist nach bundesgerichtlicher Praxis eine Aufrechnung<br />

des Einkommens bis zur Höhe des Eigenmietwerts nur dann<br />

zulässig, wenn die tatsächlich erzielten Mietzinse weniger als die<br />

Hälfte des Eigenmietwerts ausmachen; in diesem Fall besteht eine<br />

widerlegbare Vermutung der Steuerumgehung. Voraussetzungen<br />

für eine Praxisänderung. Für die generelle Einkommensbesteuerung<br />

der Differenz zwischen einem unter dem Eigenmietwert liegenden<br />

Vorzugsmietzins und dem Eigenmietwert fehlt es an einer<br />

gesetzlichen Grundlage. Der Vorwurf eines starren Schematismus<br />

ist ungerechtfertigt; die Praxis hält vor dem Rechtsgleichheitsgebot<br />

stand. / Impôt sur le revenu; imposition de loyers préférentiels. En<br />

cas de location de locaux d’habitation par des proches à des conditions<br />

préférentielles, la jurisprudence du Tribunal fédéral n’autorise<br />

une correction du revenu à concurrence de la valeur locative que si<br />

le loyer effectif est inférieur à la moitié de la valeur locative; dans<br />

un tel cas, une présomption – réfragable – de fait en vue d’éluder<br />

l’impôt est admise. Conditions pour un changement de jurisprudence.<br />

Absence de base légale pour imposer de manière générale,<br />

en tant que revenu, la différence entre le loyer préférentiel inférieur<br />

à la valeur locative et cette dernière. Le reproche de schématisme<br />

rigide est injustifi é; la pratique est conforme au droit à l’égalité de<br />

traitement. VerwGer BE, 18.9.2008. BVR 2008, 543.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

1.12.2. Besteuerung juristischer Personen /<br />

Taxation des personnes juridiques<br />

■ Sociétés privilégiées. Rendements des participations. Un gain de<br />

change comptabilisé dans le compte de pertes et profi ts est un rendement<br />

de participation s’il est directement lié à un prêt à long terme<br />

octroyé à une fi liale de la société contribuable. Ce seul poste étant<br />

en l’espèce supérieur aux deux tiers des recettes, la seconde condition<br />

alternative de LIPM 22 est remplie. La recourante doit donc bénéfi<br />

cier du statut de holding pour la période litigieuse. / Privilegierte<br />

Gesellschaften. Beteiligungsertrag. Ein in der Erfolgsrechnung<br />

gebuchter Kursgewinn stellt Beteiligungsertrag dar, sofern er mit<br />

einem langfristigen an eine Tochtergesellschaft der Steuerpfl ichtigen<br />

gewährten Darlehen im unmittelbaren Zusammenhang steht.<br />

Diese Position allein macht mehr als zwei Drittel der gesamten Erträge<br />

aus. Die zweite alternative Bedingung von LIPM 22 ist deshalb<br />

erfüllt. Der Steuerpfl ichtigen muss also der Holdingstatus für<br />

die strittige Steuerperiode gewährt werden. VerwGer GE, 1.7.2008.<br />

StR/RF 2009, 17.<br />

1.12.5. Indirekte Steuern / Impôts indirectes<br />

■ MWSTG 10, 14. Dienstleistungsbezug aus dem Ausland; grenzüberschreitende<br />

Leistungen zwischen Hauptsitz und Betriebsstätte.<br />

Vorsteuerpauschale für Banken. BGer, 22.7.2008 (A-1444/2006<br />

und A-1445/2006). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF<br />

2009, 44.<br />

■ MWSTG 15a, 45a. MWSTV 28 Abs. 1, 29 Abs. 1. Vorsteuerabzug,<br />

Preisauffüllung. BGer, 27.6.2008 (A-1555/2006). Bearbeitet<br />

durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 44.<br />

■ MWSTG 36 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 und 9. Fakturierte Steuer. BGer,<br />

29.8.2008 (2C_285/2008). Bearbeitet durch Pierre Scheuner.<br />

StR/RF 2009, 39.<br />

■ MWSTGV 45a. MWSTV 5 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a. Leistungen<br />

an nahestehende Personen, Exportlieferungen, Ausfuhrbelege,<br />

Stellvertretung. BGer, 1.9.2008 (2C_582/2007). Bearbeitet durch<br />

Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 40.<br />

■ MWSTG 58 Abs. 1. MWSTV 47 Abs. 1, 48, 60. Umsatzschätzung.<br />

BGer, 30.7.2008 (2C_170/2008). Bearbeitet durch Pierre<br />

Scheuner. StR/RF 2009, 35.<br />

■ MWSTV 17. Umfang der Steuerpfl icht. BGer, 26.8.2008 (2C_<br />

694/2007). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 38.<br />

■ MWSTV 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 12. Lemma. Saldosteuersatz, Abgabe<br />

von Ess- und Trinkwaren. BGer, 23.7.2008 (2C_662/2007).<br />

Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 35.<br />

■ Lastungsaustausch, Entgelt. BGer, 3.9.2008 (2A.264/2006). Bearbeitet<br />

durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 40.<br />

■ Nichtleisten des Kostenvorschusses. BGer, 4.9.2008 (2C_<br />

552/2008). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 41.<br />

1.12.7. Andere Steuern. Abgaben und Gebühren /<br />

Autres impôts. Taxes et émoluments<br />

■ Droits d’enregistrement. Droits d’enregistrement perçus sur une<br />

donation mixte. L’obligation de paiement d’un capital en espèces<br />

constitue une contre-prestation, ne peut être assimilé à une charge<br />

et confère un caractère onéreux à une partie de l’acte et doit être<br />

soumise aux droits d’enregistrement. De ce fait, l’exonération de<br />

tout droit d’enregistrement pour les donations faites par le donateur<br />

à ses parents en ligne directe ne concerne que la partie donation<br />

de l’acte. / Handänderungssteuern. Handänderungssteuer auf eine<br />

gemischte Schenkung. Die Verpfl ichtung zu einer Kapitalzahlung<br />

in bar stellt eine Gegenleistung dar, welche nicht als eine Last an-<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 354 10.3.2009 9:12:28 Uhr


Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />

gesehen werden kann und welche einem Teil der Transaktion einen<br />

geldwerten Charakter verleiht. Diese Gegenleistung muss mit der<br />

Handänderungssteuer erfasst werden. Die Befreiung von jeglicher<br />

Handänderungssteuer für die Schenkungen des Schenkgebers an<br />

seine Verwandten in direkter Linie betrifft lediglich den Teil der<br />

Transaktion, welcher als Schenkung angeschaut wird. VerwGer<br />

GE, 26.8.2008. StR/RF 2009, 22.<br />

1.16. Energie- und Umweltrecht /<br />

Energie et environnement<br />

• Gewässerschutz. Periodische Wasser- und Abwassergebühren.<br />

Bemessungsgrundlagen.<br />

Ein Gemeindereglement, welches vorsieht, dass die periodischen<br />

Verbrauchsgebühren ausschliesslich nach Massgabe des umbauten<br />

Raums bzw. der Belastungswerte erhoben werden, verstösst gegen<br />

übergeordnetes Recht; ihm ist die Anwendung zu versagen. / Protection<br />

des Eaux. Taxes périodiques de consommation d’eau et<br />

d’élimination des eaux uses. Bases de calcul. Un règlement communal<br />

qui prévoit que les taxes périodiques de consommation d’eau<br />

sont fi xées uniquement d’après l’espace construit et la charge proportionnelle<br />

qui en découle est contraire au droit supérieur et ne<br />

peut être appliqué. VerwGer BE, 11.2.2008. BVR 2008, 557.<br />

1.19. Sozial- und Sozialversicherungsrecht /<br />

Droit social et droit des assurances sociales<br />

■ aAHVG/aLAVS 48 quater Abs. 3 Satz 2. ATSG/LPGA 73 Abs. 3<br />

Satz 2. Quotenvorrecht/Befriedigungsvorrecht. Der Haftpfl ichtige<br />

kann sich gegenüber dem Sozialversicherungsträger, der seinen Regressanspruch<br />

geltend macht, nicht auf das Befriedigungsvorrecht<br />

des Geschädigten berufen, wenn er dessen Direktanspruch die Verjährungseinrede<br />

entgegenhält. / Droit préférentiel/droit préférentiel<br />

de couverture. Le responsable ne peut pas se prévaloir, envers<br />

l’assureur social qui exerce son droit de recours, du droit préférentiel<br />

de couverture du lésé, lorsqu’il excipe de la prescription de la<br />

prétention directe de celui-ci. BGer/TF, 23.9.2008 (4A_246/2008);<br />

BGE/ATF 134 III 636.<br />

■ OAVS/AHVV 24 cpv. 4, 41 bis cpv. 1 lett. f. LPGA/ATSG 26<br />

cpv. 1. Interessi di mora e obbligo di segnalazione. Interpretazione<br />

(scopo, funzione e portata) OAVS. 41 bis cpv. 1 lett. f alla luce della<br />

DTF 134 V 202. Rapporto tra obbligo di segnalazione OAVS 24<br />

cpv. 4 e interessi di mora giusta OAVS 41 bis cpv. 1 lett. f. / Verzugszinsen<br />

und Meldepfl icht. Auslegung (Zweck, Funktion und Tragweite)<br />

des AHVV 41 bis Abs. 1 lit. f im Lichte von BGE 134 V 202.<br />

Verhältnis zwischen Meldepfl icht im Sinne von AHVV 24 Abs. 4<br />

und Verzugszinsen gemäss AHVV 41 bis Abs. 1 lit. f. TF/BGer,<br />

29.8.2008 (9C_738/2007); DTF/BGE 134 V 405.<br />

■ LACI/AVIG 18c al. 1. OAC/AVIV 32. LAVS/AHVG 21. Imputation<br />

d’une prestation de retraite anticipée de la prévoyance professionnelle<br />

sur les prestations de l’assurance-chômage; prestation en<br />

capital. Une avance AVS versée, en cas de retraite anticipée, jusqu’à<br />

l’âge ouvrant le droit à une rente AVS (LAVS 21), puis remboursée<br />

par des retenues sur la pension de retraite pendant dix ans, mais au<br />

plus tard jusqu’au décès du retraité, ne constitue pas un simple prêt.<br />

Une telle avance est une prestation de vieillesse de la prévoyance<br />

professionnelle et doit être déduite des prestations de l’assurancechômage<br />

conformément à LACI 18c al. 1. Si elle est versée sous la<br />

forme d’un capital, la prestation de vieillesse anticipée doit également<br />

être imputée sur les prestations de l’assurance-chômage, après<br />

avoir été convertie en une rente mensuelle. / Anrechnung einer<br />

Leistung der berufl ichen Vorsorge bei vorzeitiger Pensionierung<br />

an die Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Leistung in Kapi-<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

talform. Eine bei vorzeitiger Pensionierung bis zum Erreichen des<br />

AHV-Rentenalters (AHVG 21) ausbezahlte Überbrückungsrente,<br />

die alsdann während einer Dauer von zehn Jahren, längstens aber<br />

bis zum Tode des Rentenbezügers, durch Abzüge von der Altersrente<br />

rückerstattet wird, ist kein gewöhnliches Darlehen. Ein derartiger<br />

Vorschuss bildet vielmehr eine Altersleistung der berufl ichen<br />

Vorsorge, welche gemäss AVIG 18c Abs. 1 von den Leistungen der<br />

Arbeitslosenversicherung abgezogen werden muss. Auch wenn die<br />

Altersleistung als Überbrückungsleistung in Kapitalform erbracht<br />

wird, muss sie an die Leistungen der Arbeitslosenversicherung angerechnet<br />

werden, dies auf der Basis einer durch Umrechnung ermittelten<br />

Monatsrente. TF/BGer, 28.8.2008 (8C_566/2007); ATF/<br />

BGE 134 V 418.<br />

■ BVG/LPP 2 Abs. 1, 7 Abs. 1, 39 Abs. 2, 66 Abs. 2, 73 Abs. 2.<br />

Aufgrund der Dispositionsmaxime steht es nach Eintritt des Leistungsfalles<br />

im Belieben der klagenden Partei, ob sie ihren Arbeitgeber<br />

auf Erfüllung der Beitragspfl icht oder ihre Vorsorgeeinrichtung<br />

auf Zahlung der Versicherungsleistungen einklagen will. / Après la<br />

survenance d’un cas d’assurance, la maxime de disposition impose<br />

de retenir que c’est à la partie plaignante de décider si elle entend<br />

attaquer son employeur en exécution du paiement de la cotisation<br />

obligatoire ou si elle entend s’en prendre à l’organe de prévoyance<br />

en paiement des prestations d’assurance. BGer/TF, 27.10.2008<br />

(9C_139/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009,<br />

63.<br />

■ LAMal/KVG 43 al. 5, 46 al. 4. LTF/BGG 86 al. 1. Cst. / BV 29a,<br />

189 al. 4. CEDH/EMRK 6 par. 1. Recevabilité d’un recours contre<br />

un arrêté du Conseil fédéral. Aucune voie de recours au Tribunal<br />

fédéral n’est ouverte contre une décision d’approbation du Conseil<br />

fédéral relative à la révision de la structure tarifaire à la presta tion<br />

pour les prestations médicales TARMED. / Zulässigkeit der Beschwerde<br />

gegen einen Entscheid des Bundesrates. Gegen einen Genehmigungsentscheid<br />

des Bundesrates betreffend Änderung der für<br />

medizinische Leistungen geltenden Tarifstruktur TARMED steht<br />

kein Rechtsmittel an das Bundesgericht offen. TF/BGer, 20.10.2008<br />

(9C_116/2008); ATF/BGE 134 V 443.<br />

■ LAA/UVG 7 al. 2, 8 al. 2. OLAA/UVV 13. Assurée travaillant au<br />

service de plusieurs employeurs à raison chaque fois de moins de<br />

huit heures par semaine. Les durées d’occupation auprès de chaque<br />

employeur ne peuvent pas être additionnées pour déterminer la durée<br />

de travail minimale requise pour la couverture des accidents non<br />

professionnels. Dans la mesure où, dans sa version française, il assimile<br />

à des accidents professionnels seulement les accidents subis<br />

par des travailleurs «pendant le trajet entre leur domicile et leur lieu<br />

de travail», OLAA 13 al. 2 est conforme à la loi. / Teilzeitbeschäftigte<br />

Versicherte, die für mehrere Arbeitgeber tätig ist und deren<br />

wöchentliche Arbeitszeit bei jedem Arbeitgeber weniger als acht<br />

Stunden beträgt. Bei der Ermittlung der Mindestarbeitsdauer für die<br />

Versicherung der Nichtberufsunfälle bei Teilzeitbeschäftigungen<br />

können die Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern nicht zusammengezählt<br />

werden. Soweit UVV 13 Abs. 2 in der französischen<br />

Fassung nur die auf der Strecke («trajet») zwischen Wohn- und<br />

Arbeitsort erlittenen Unfälle den Berufsunfällen gleichstellt, ist er<br />

gesetzeskonform. TF/BGer, 24.8.2008 (8C_328/2008); ATF/BGE<br />

134 V 412.<br />

■ Verordnung (EWG) Nr. 1408/71/Règlement (CEE) n° 1408/71 13<br />

Abs. 1 und 2 lit. a, 14 Abs. 1 lit. a. Verordnung (EWG) Nr. 574/72/<br />

Règlement (CEE) no 574/72 11. Entsandter Arbeitnehmer. Ein<br />

Arbeitnehmer, der von einem Schweizer Unternehmen in einem<br />

Mitgliedstaat rekrutiert wird, um unmittelbar in einem weiteren<br />

Mitgliedstaat die Erwerbstätigkeit aufzunehmen, erfüllt die Voraussetzungen<br />

einer Entsendung im Sinne der Verordnung (EWG)<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 355 10.3.2009 9:12:28 Uhr<br />

355


356<br />

Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />

Nr. 1408/71 14 Abs. 1 lit. a nicht und unterliegt daher den Rechtsvorschriften<br />

des Beschäftigungslandes gemäss 13 Abs. 2 lit. a dieser<br />

Verordnung. / Travailleur détaché. Un travailleur recruté dans un<br />

Etat membre par une entreprise suisse afi n d’entreprendre immédiatement<br />

une activité lucrative dans un autre Etat membre ne satisfait<br />

pas aux conditions d’un détachement au sens de règlement (CEE)<br />

n° 1408/71 14 par. 1 let. a. Partant il est soumis à la législation de<br />

l’Etat sur le territoire duquel il exerce son activité conformément à<br />

13 par. 2 let. a de ce règlement. BGer/TF, 4.8.2008 (U 50/07); BGE/<br />

ATF 134 V 428.<br />

• ATSG 21 Abs. 4. Kürzung und Verweigerung von Leistungen,<br />

wenn sich der Versicherte einer zumutbaren Behandlung widersetzt:<br />

Zur «Zumutbarkeit» einer Behandlung, zur Verletzung der Behandlungspfl<br />

icht und zur Verhältnismässigkeit der verfügten Sanktion.<br />

Sozialversicherungsgericht BS, 12.3.2008. BJM, 2008, 326.<br />

• ATSG/LPGA 27 Abs. 2. Arbeitslosenversicherung. Anspruch<br />

auf Arbeitslosenentschädigung wegen Verletzung der individuellen<br />

Aufklärungs- und Beratungspfl icht. Das regionale Arbeitsvermittlungszentrum<br />

RAV hat es unterlassen, anlässlich einer allgemeinen<br />

Informationsveranstaltung in einem Arbeitsbetrieb darauf hinzuweisen,<br />

dass vorzeitig pensionierte Versicherte unter gewissen<br />

Voraussetzungen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung haben.<br />

Eine Verletzung der individuellen Aufklärungs- und Beratungspfl<br />

icht liegt nur vor, wenn das RAV über die geplante Frühpensionierung<br />

einzelner Teilnehmer der Veranstaltung orientiert war<br />

und darüber hinaus ersichtlich war, dass diese im Begriff waren,<br />

für sie nachteilige Dispositionen zu treffen. / Assurance-chômage.<br />

droit à l’indemnité de chômage en cas de violation de l’obligation<br />

d’information et de conseil individuels. Lorsque l’Offi ce régional<br />

de placement (ORP), lors d’une séance d’information générale dans<br />

une entreprise, omet de mentionner que les assurés bénéfi ciant d’une<br />

retraite anticipée peuvent aussi prétendre à l’indemnité de chômage<br />

à certaines conditions, il viole son obligation d’information et de<br />

conseil individuels, mais ceci uniquement si l’ORP était au courant<br />

du fait qu’il était prévu de mettre certains collaborateurs à la retraite<br />

anticipée et qu’il était apparent que ces derniers allaient prendre des<br />

dispositions qui leur porteraient préjudice. VerwGer BE, 1.7.2008.<br />

BVR 2008, 563.<br />

1.21. Öffentliches Dienstrecht /<br />

Fonction publique<br />

• Abgangsentschädigung bei Beendigung eines drittmittelfi nanzierten<br />

Anstellungsverhältnisses. Massgebende Rechtsgrundlagen<br />

für drittmittelfi nanzierte Anstellungen an der Universität Bern. Das<br />

Auslaufen der Drittmittel stellt einen triftigen Grund dar für die<br />

Aufl ösung des Anstellungsverhältnisses. Wird ein Arbeitsverhältnis<br />

durch Zeitablauf beendet, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf<br />

Abgangsentschädigung. Dass eine Anstellung drittmittelfi nanziert<br />

ist, steht der Ausrichtung einer Abgangsentschädigung nicht entgegen.<br />

Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen. Vorliegend bestand<br />

kein sachlicher Grund für die Aneinanderreihung befristeter Verträge<br />

und ist ein vernünftiger Grund für die Befristung nicht ersichtlich.<br />

Das befristete Anstellungsverhältnis ist damit in ein unbefristetes<br />

umzudeuten, welches nur durch Kündigung hätte aufgelöst werden<br />

können. Der vertragliche Ausschluss einer Abgangsentschädigung<br />

ist im Rahmen der Mindestansprüche nach OR zulässig. Eine Abgangsentschädigung<br />

ist damit geschuldet für jene Zeit, für welche<br />

ein solcher Ausschluss nicht vereinbart wurde. / Indemnité de départ<br />

à l’échéance d’un rapport de travail fi nancé par des contributions<br />

de tiers. Bases légales déterminantes pour les rapports de travail au<br />

sein de l’Université de Berne fi nancés par des contributions de tiers.<br />

L’épuisement des contributions de tiers constitue un motif pertinent<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

pour la résiliation de l’engagement. Lorsqu’un rapport de travail<br />

se termine en raison de l’écoulement du temps, il n’existe en principe<br />

aucun droit à une indemnité de depart. Le fait qu’un rapport<br />

de travail est fi nancé par des contributions de tiers n’empêche pas<br />

le versement d’une indemnité de depart. Admissibilité de contrats<br />

de travail de durée déterminée successifs. En l’espèce, aucun motif<br />

concret ne justifi ait une succession de contrats de travail de durée<br />

déterminée. Le rapport de travail de durée déterminée doit dès lors<br />

être considéré comme un rapport de travail de durée indéterminée,<br />

auquel un terme ne pouvait être mis que par une résiliation.<br />

L’exclusion dans le contrat du droit à une indemnité de départ est<br />

admissible du point de vue des droits minimaux garantis par le CO.<br />

Une indemnité de départ est dès lors due en l’occurrence pour la<br />

période pour laquelle une telle exclusion n’avait pas été convenue.<br />

VerwGer BE, 21.5.2008. BVR 2008, 529.<br />

2. Privatrecht / Droit privé<br />

2.3. Personenrecht / Droit des personnes<br />

■ OR/CO 1 Abs. 1 und 2, 19 Abs. 1. ZGB 70 Abs. 2. Konsensuale<br />

Aufl ösung der Vereinsmitgliedschaft. Ein Ausscheiden aus einem<br />

Verein ist nicht nur durch einseitigen Austritt (ZGB 70 Abs. 2)<br />

möglich, sondern auch durch vertragliche Einigung zwischen Verein<br />

und Mitglied. In casu ist die Arbeitgeberfi rma, ein Zimmereibetrieb,<br />

wie die meisten Holzbaufi rmen aufgrund zulässiger vertraglicher<br />

Übereinkunft auf Ende März 20<strong>03</strong> aus dem Schweizerischen<br />

Baumeisterverband (SBV) ausgeschieden. Sie unterstand somit<br />

nie dem Geltungsbereich des am 1. Juli 20<strong>03</strong> in Kraft getretenen,<br />

zwischen dem SBV und zwei Gewerkschaften geschlossenen Gesamtarbeitsvertrags<br />

für den fl exiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe<br />

(GAV FAR), weshalb ihrem Arbeitnehmer von vornherein<br />

keine Überbrückungsrente nach GAV FAR zusteht. / Dissolution<br />

consensuelle du lien unissant le sociétaire à l’association dont il est<br />

membre. Il est possible de quitter une association non seulement par<br />

une déclaration unilatérale de sortie (CC 70 al. 2), mais également<br />

par l’établissement d’une convention entre association et membre.<br />

En l’espèce, l’employeur, une charpenterie, comme la plupart des<br />

entreprises de construction actives dans le domaine du bois, s’est<br />

retiré de la Société Suisse des Entrepreneurs (SSE) sur la base d’un<br />

accord contractuel prenant effet à la fi n du mois de mars 20<strong>03</strong>. Il<br />

n’a par conséquent jamais été soumis à la convention collective<br />

de travail pour la retraite anticipée dans le secteur principal de la<br />

construction (CCT RA), entrée en vigueur le 1 er juillet 20<strong>03</strong>, conclue<br />

entre la SSE et deux syndicats, raison pour laquelle il n’existe<br />

a priori pas de droit pour ses employés à une rente intermédiaire<br />

en cas de retraite anticipée selon la CCT RA. BGer/TF, 25.9.2008<br />

(9C_547/2007); BGE/ATF 134 III 625.<br />

2.4. Familienrecht – allgemein /<br />

Droit de famille – en général<br />

2.4.1. Eherecht / Droit de mariage<br />

■ ZGB/CC 177. BGG/LTF 98 i.V.m. 46 Abs. 2. Anweisungen an<br />

die Schuldner. Fristenlauf. Die Schuldneranweisung gemäss den<br />

Bestimmungen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft ist eine vorsorgliche<br />

Massnahme, so dass der gesetzliche Fristenstillstand für<br />

die Beschwerdeführung beim Bundesgericht nicht gilt. / Avis aux<br />

débiteurs. Délai. L’avis aux débiteurs selon les dispositions visant<br />

à assurer la protection de l’union conjugale est une mesure provisionnelle,<br />

de sorte que la suspension des délais prévue par la loi pour<br />

déposer un recours auprès du Tribunal fédéral n’est pas applicable.<br />

BGer/TF, 21.10.2008 (5A_585/2008); BGE/ATF 134 III 667.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 356 10.3.2009 9:12:29 Uhr


Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />

2.4.1.1. Scheidungsrecht / Droit de divorce<br />

■ ZGB/CC 125, 163. Für die Frage, ob eine Ehe lebensprägend<br />

war, kann das vorausgegangene Konkubinat nur in eng begrenzten<br />

bzw. qualifi zierten Ausnahmefällen überhaupt in die Gesamtbetrachtung<br />

einbezogen werden. / Pour déterminer si le mariage a<br />

eu un impact déterminant sur le niveau de vie d’un époux, on ne<br />

doit tenir compte du concubinage précédant le mariage que de manière<br />

restreinte, à savoir dans des situations d’exceptions qualifi ées.<br />

BGer/TF, 3.11.2008 (5A_538/2008). Bearbeitet durch Markus<br />

Felber. SJZ/RSJ 2009, 67.<br />

■ ZGB/CC 163, 276 i.V. m. 285. Es wäre am Gesetzgeber, eine<br />

taugliche Lösung für die unbefriedigende Situation zu schaffen,<br />

die sich bei der familienrechtlichen Unterhaltsregelung aus der als<br />

Praxis bestätigten einseitigen Mankoüberbindung an die Unterhaltsgläubiger<br />

ergibt. / Il incombe au législateur d’élaborer une solution<br />

appropriée pour régler la situation insatisfaisante en matière<br />

de contribution d’entretien après divorce, mais qui découle d’une<br />

pratique confi rmée, selon laquelle c’est au créancier de la contribution<br />

de supporter le manque de ressources. BGer/TF, 23.10.2008<br />

(5A_767/2007). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009,<br />

65.<br />

2.6. Sachenrecht – allgemein /<br />

Droits réels – en général<br />

2.6.1. Das Eigentum / La propriété<br />

■ CC/OR 8, 679, 684. Responsabilité du propriétaire foncier. Causalité<br />

naturelle. Preuve. / Verantwortlichkeit des Grundeigentümers.<br />

Natürliche Kausalität. TF/BGer, 17.4.2008 (5A_597/2007). Mit<br />

Bemerkungen von Paul-Henri Steinauer. BR/DC 2008, 172.<br />

■ ZGB/CC 679, 688. Nachbarrecht. Grundeigentümerhaftung. Verhältnis<br />

von Zivilrecht und öffentlichem Recht. / Droit de voisinage.<br />

Responsabilité du propriétaire. Relation entre le droit civil et le<br />

droit public. BGer/TF, 2.6.2008 (5A_749/2007). Mit Bemerkungen<br />

von Jörg Schmid. BR/DC 2008, 172.<br />

2.7. Schuldrecht – allgemein /<br />

Droit des obligations – en général<br />

2.7.2. Obligationenrecht – Besonderer Teil – allgemein /<br />

Droit des obligations – Partie spéciale –<br />

en général<br />

2.7.2.1. Kauf, CISG und Tausch / Vente, et échange<br />

■ Grundstückkaufvertrag. Baumeisterverpfl ichtung. Verjährung. /<br />

Contrat de vente immobilière. Obligations de l’architecte. Prescription.<br />

BGer/TF, 3.7.2008 (4A_211/2008). Mit Bemerkungen von<br />

Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 166.<br />

2.7.2.3. Miete, Pacht / Bail à loyer, bail à ferme<br />

■ OR 272. Erstreckung und Mieterinvestitionen. Mieterinvestitionen<br />

von Fr. 100 000.– begründen nach neun Jahren Mietdauer mit<br />

günstigem Mietzins keinen Härtegrund mehr. Trotz dringenden Eigenbedarfs<br />

der Vermieterin ist aber aufgrund der übrigen Umstände<br />

eine defi nitive Erstreckung von drei Jahren für eine gemeinnützige<br />

Organisation zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen angemessen.<br />

BGer, 12.6.2008 (4A_85/2008). mp 2008, 225.<br />

■ OR 272. Erstreckung Wohnungsmiete. Nicht zu beanstanden ist<br />

eine defi nitive Erstreckung von drei Jahren für ein Ehepaar nach<br />

einer Mietdauer von über 16 Jahren. Dies gilt auch, wenn der Vermieter<br />

seinen Eigenbedarf ausweist und die Mieter nicht an das<br />

Quartier gebunden sind, in fi nanziell günstigen Verhältnissen leben<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

und keine Suchbemühungen unternommen haben. BGer, 26.5.2008<br />

(4A_130/2008). mp 2008, 228.<br />

■ OR 272 Abs. 2 lit. b. Erstreckung. Quartierverbundenheit. Es ist<br />

nicht unangemessen, für die Annahme des Härtegrunds der Quartierverbundenheit<br />

eine Mietdauer von mindestens zehn Jahren vorauszusetzen.<br />

BGer, 14.3.2008 (4A_17/2008). mp 2008, 238.<br />

■ OR 272, 273, 274a. Frist zur Einreichung des Begehrens um Zweiterstreckung.<br />

Das Begehren um Zweiterstreckung ist auch bei Hängigkeit<br />

des Verfahrens um Ersterstreckung innert gesetzlicher Frist<br />

einzureichen. Die Abschreibung der gegenstandslos gewordenen<br />

Beschwerde gegen eine Ersterstreckung bewirkt nicht unbedingt die<br />

materielle Rechtskraft des angefochtenen Entscheids. Über Erstrekkungsbegehren<br />

im Anschluss an eine ordentliche Kündigung hat die<br />

Schlichtungsbehörde und nicht die Ausweisungsbehörde zu entscheiden.<br />

Bestimmungen über die Miete und die Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen.<br />

BGer, 30.4.2008 (4A_92/2008). mp 2008, 231.<br />

2.7.2.7. Werkvertrag / Contrat d’entreprise<br />

■ CO/OR 107 ss, 372, 378. Demeure. Interprétation. Résolution<br />

du contrat. Werkvertrag. / Verzug. Auslegung. Rücktritt. TF/BGer,<br />

9.9.2008 (4A_306/2008). Mit Bemerkungen von Pascal Pichonnaz.<br />

BR/DC 2008, 168.<br />

■ OR/CO 369. Haftungsbefreiung trotz fehlender Abmahnung.<br />

Wissenszurechnung. / Exclusion de responsabilité malgré un avertissement<br />

lacunaire. Imputation des volontés. BGer/TF, 7.8.2008<br />

(4A_166/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC<br />

2008, 166.<br />

■ CO/OR 366, 377. Qualifi cation d’un contrat de développement<br />

d’un logiciel. / Qualifi kation eines Softwareentwicklungsvertrags.<br />

TF/BGer, 28.8.2008 (4A_265/2008). Mit Bemerkungen von Pascal<br />

Pichonnaz. BR/DC 2008, 168.<br />

■ OR 371. Verjährung von Mängelrechten. Ein Futtersilo ist kein<br />

unbewegliches Bauwerk. / Prescription des droits liés au défaut.<br />

Un silo à grains n’est pas une construction immobilière. BGer/TF,<br />

23.7.2008 (4A_235/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli.<br />

BR/DC 2008, 167.<br />

2.7.2.9. Auftragsrecht / Mandat<br />

■ CO/OR 6, 18, 394 al. 3. Contrat d’architecte et d’ingénieur. Fixation<br />

de la rémunération due au mandataire. Droit du mandataire<br />

de se prévaloir tacitement d’un tarif professionnel. Règlement<br />

d’honoraires VSI-ASAI. / Architekten- und Ingenieurvertrag. Festsetzung<br />

der Vergütung des Beauftragten. Recht des Beauftragten,<br />

sich stillschweigend auf den Berufstarif zu berufen. Honorarverordnung<br />

VSI-ASAI. TF/BGer, 29.5.2008 (4A.100/2008). Mit Bemerkungen<br />

von Franz Werro. BR/DC 2008, 170.<br />

■ CO/OR 398, 99 al. 3, 42 al. 2. CC/ZGB 8. Contrat d’architecte<br />

et d’ingénieur. Responsabilité du mandataire. Preuve du dommage.<br />

Lien de causalité. Fardeau de la preuve. / Architekten- und Ingenieurvertrag.<br />

Haftung des Beauftragten. Schadensbeweis. Kausalzusammenhang.<br />

Beweislast. TF/BGer, 21.4.2008 (4A_38/2008).<br />

Mit Bemerkungen von Franz Werro. BR/DC 2008, 169.<br />

2.7.2.10. Geschäftsführung ohne Auftrag /<br />

Gestion d’affaires<br />

■ OR/CP 419 ff. Architekten- und Ingenieurvertrag. Geschäftsführung<br />

ohne Auftrag. Architektenhonorar bei genehmigter<br />

Geschäftsführung. / Gestion d’affaires sans mandate. Honoraires<br />

d’architecte en cas d’approbation de la gestion. BGer/TF, 31.3.2008<br />

(4A_496/2007). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC<br />

2008, 169.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 357 10.3.2009 9:12:29 Uhr<br />

357


358<br />

Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />

2.7.3. Haftpfl ichtrecht / Responsabilité civile<br />

■ Kann die Direktforderung gegenüber dem Haftpfl ichtigen nicht<br />

mehr durchgesetzt werden, da dieser ihr die Verjährungseinrede<br />

entgegenhält, so erübrigt sich ein Schutz des Geschädigten gegen<br />

Insolvenz und es steht der Durchsetzung des Regressanspruchs des<br />

Sozialversicherers nichts entgegen. / S’il n’est plus possible de faire<br />

valoir l’action directe contre le responsable, parce que celui-ci lui<br />

oppose l’exception de prescription, protéger le lésé contre la faillite<br />

du responsable devient inutile et plus rien ne s’oppose à ce que<br />

l’assureur social fasse valoir ses prétentions récursoires. BGer/TF,<br />

23.9.2008 (4A_246/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/<br />

RSJ 2009, 17.<br />

• OR/CO 58. Werkeigentümerhaftung. Begriff des Werkes. Mangelhafter<br />

Unterhalt. Grillplatz mit Baumbestand. / Responsabilité<br />

pour les bâtiments et autres ouvrages. Notion d’ouvrage. Défaut<br />

d’entretien. Place de grillade avec arbre. KGer BL, 4.3.2008. Mit<br />

Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 182.<br />

3. Wirtschaftsrecht / Droit économique<br />

3.2. Gesellschaftsrecht – allgemein /<br />

Droit des sociétés – en général<br />

3.2.2. Kollektivgesellschaft / Société en nom collectif<br />

■ CO/OR 568 al. 3, 120 al. 1. Société en nom collectif faillie, responsabilité<br />

personnelle des associés pour les dettes sociales (CO 568<br />

al. 3). Rapport de réciprocité dans la compensation (CO 120 al. 1).<br />

Caractéristiques de la société en nom collectif. Particularités de la<br />

responsabilité des associés. Validité de la reconnaissance de dette<br />

litigieuse. Notion de dette de la masse. Les créanciers sociaux pris<br />

individuellement sont les titulaires directs et exclusifs des prétentions<br />

en responsabilité personnelle contre les associés de la société<br />

en nom collectif faillie, et non la masse passive de celle-ci. / Kollektivgesellschaft<br />

in Konkurs, persönliche Haftung der Gesellschafter<br />

für die Gesellschaftsschulden (OR 568 Abs. 3). Gegenseitigkeit der<br />

Forderungen bei der Verrechnung (OR 120 Abs. 1). Charakteristika<br />

der Kollektivgesellschaft. Besonderheiten der Haftung der Gesellschafter.<br />

Gültigkeit der strittigen Schuld anerkennung. Begriff der<br />

Masseschuld. Die einzelnen Gesellschaftsgläubiger sind direkt und<br />

ausschliesslich anspruchsberechtigt aus der persönlichen Haftung<br />

der Gesellschafter der konkursiten Kollektivgesellschaft und nicht<br />

die Konkursmasse derselben. TF/GBer, 23.9.2008 (4A_264/2008);<br />

ATF/BGE 134 III 643.<br />

3.9. Arbeitsrecht / Droit du travail<br />

■ ALCP/FZA 9. Reconnaissance des diplômes. Déni de justice.<br />

Reconnaissance de diplôme de la profession d’assistante socioéducative,<br />

réglementée en Suisse. En vertu de ALCP 9, le système<br />

européen de reconnaissance des diplômes est directement applicable.<br />

L’Offi ce fédéral de la formation professionnelle et de la technologie<br />

(OFFT) est tenu de rendre une décision dans le délai de<br />

quatre mois prévu par Directive 92/51 12 al. 2, dès qu’il dispose de<br />

tous les éléments nécessaires pour comparer la formation reconnue<br />

à l’étranger avec les exigences requises en Suisse. Il lui appartient<br />

d’effectuer rapidement les recherches pour obtenir les informations<br />

juridiques qui lui manquent. Le délai de quatre mois commence<br />

alors à courir à partir de la réception des renseignements demandés.<br />

Dans ce délai, l’Offi ce compétent doit trancher sur le fond et ne<br />

peut se contenter de suspendre la procédure, sous peine de violer<br />

la directive européenne applicable. / Anerkennung von Diplomen.<br />

Rechtsverweigerung. Diplomanerkennung auf dem Gebiet des in<br />

der Schweiz geregelten Berufs einer sozialpädagogischen Assisten-<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

tin. Gemäss FZA 9 ist das europäische System der Anerkennung<br />

von Diplomen direkt anwendbar. Das Bundesamt für Berufsbildung<br />

und Technologie (BBT) ist gehalten, innert der in Richtlinie<br />

92/51 12 Abs. 2 vorgesehenen Frist von vier Monaten einen Entscheid<br />

zu fällen, sobald es über alle notwendigen Elemente verfügt,<br />

um die im Ausland anerkannte Ausbildung mit den in der Schweiz<br />

gültigen Erfordernissen zu vergleichen. Es muss die ihm fehlenden<br />

rechtlichen Informationen rasch in Erfahrung bringen. Sobald es<br />

die angeforderten Auskünfte erhalten hat, beginnt die viermonatige<br />

Frist zu laufen. Innert dieser Frist muss das zuständige Bundesamt<br />

in der Sache entscheiden. Begnügt es sich mit einer Sistierung des<br />

Verfahrens, verstösst es gegen die anwendbare europäische Richtlinie.<br />

TF/GBer, 30.10.2008 (2C_416/2008); ATF/BGE 134 II 341.<br />

■ Whistleblowing, secret bancaire, licenciement abusif. TF,<br />

8.7.2008 (4A_2/2008). Mit Bemerkungen von Carlos Jaico und<br />

Sébastien Micotti. <strong>AJP</strong>/PJA 2009, 115.<br />

4. Internationales Privat- und Verfahrensrecht<br />

/ Droit international privé et droit<br />

international de procédure civile<br />

4.1. Internationales Privatrecht – allgemein /<br />

Droit international privé – en général<br />

4.1.2. Einzelne Gebiete des IPR /<br />

Matières particulières du DIP<br />

■ LDIP/IPRG 27 al. 1, 61, 63 al. 2, 64 al. 2. Action en complément<br />

d’un jugement de divorce étranger. Reconnaissance d’un jugement<br />

de divorce étranger. Le partage de la prestation de sortie de la prévoyance<br />

professionnelle est en principe régi par le droit applicable<br />

au divorce. Le jugement de divorce étranger n’est pas lacunaire,<br />

partant susceptible de complément, lorsque la prestation compensatoire<br />

allouée à l’épouse, en application du droit français, a été fi xée<br />

en tenant compte, notamment, de la prestation de sortie du mari<br />

selon le droit suisse. La reconnaissance d’un jugement de divorce<br />

étranger allouant à l’épouse une prestation compensatoire infé rieure<br />

à la moitié de la prestation de sortie du mari n’est pas manifestement<br />

incompatible avec l’ordre public matériel suisse. / Klage auf<br />

Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils. Anerkennung<br />

eines ausländischen Scheidungsurteils. Die Teilung der Austrittsleistung<br />

der berufl ichen Vorsorge untersteht grundsätzlich dem auf<br />

die Scheidung anwendbaren Recht. Wurde die nach französischem<br />

Recht an die Ehefrau zu leistende Ausgleichszahlung namentlich<br />

unter Berücksichtigung der Austrittsleistung der berufl ichen Vorsorge<br />

des Ehemanns gemäss schweizerischem Recht festgesetzt,<br />

so ist das Scheidungsurteil diesbezüglich nicht unvollständig und<br />

bedarf folglich keiner Ergänzung. Die Anerkennung eines ausländischen<br />

Scheidungsurteils, das der Ehefrau eine Ausgleichszahlung<br />

zuspricht, die weniger als die Hälfte der Austrittsleistung der berufl<br />

ichen Vorsorge des Ehemannes beträgt, ist mit dem schweizerischen<br />

materiellen Ordre public nicht offensichtlich unvereinbar.<br />

TF/BGer, 12.6.2008 (5A_220/2008); ATF/BGE 134 III 661.<br />

■ IPRG 166, 167, 168, 172, 173, 175. Prozessführungsbefugnis<br />

eines ausländischen Konkursverwalters. BGer, 6.3.2008 (4A_<br />

231/2007). Mit Bemerkungen von Ivo Schwander. SZIER 2008,<br />

252.<br />

■ IPRG 167 Abs. 1, 166 ff. Anerkennung eines fi nnischen Konkursdekrets.<br />

BGer, 4.1.2008 (5A_539/2007). Mit Bemerkungen von Ivo<br />

Schwander. SZIER 2008, 251.<br />

■ Scheidung in Frankreich. Ehegatten mit Wohnsitz in Frankreich<br />

und schweizerischer und französischer Staatsangehörigkeit. «Prestation<br />

compensatoire» nach französischem Recht. Nur teilwei-<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 358 10.3.2009 9:12:29 Uhr


Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />

se Berücksichtigung von Vorsorgeansprüchen der Ehefrau in der<br />

Schweiz. Keine Ergänzung möglich. Keine Verletzung des Ordre<br />

Public. BGer, 12.6.2008 (5A_220/2008). Mit Bemerkungen von<br />

Andreas Bucher. <strong>AJP</strong>/PJA 2009, 117.<br />

• Objektive Anküpfung eines Dienstleistungsvertrags. Verhältnis<br />

zwischen der Anknüpfung aufgrund der charakteristischen Leistung<br />

(IPRG 117 Abs. 2 und 3) und derjenigen aufgrund des engsten<br />

Zusammenhangs (IPRG 117 Abs. 1). Handelsgericht SG, 7.4.2008.<br />

Mit Bemerkungen von Ivo Schwander. SZIER 2008, 246.<br />

6. Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht/<br />

Organisation judiciaire et procédure<br />

6.1. Gerichtsorganisation /<br />

Organisation judiciaire<br />

■ LTF/BGG 90 et 98. Sûretés en matière d’impôt. Caractère fi nal au<br />

sens de LTF 90 d’une décision mettant fi n à une procédure relative<br />

à des sûretés en matière d’impôt. Griefs recevables d’après LTF 98<br />

et principe d’allégation/Sicherstellung der Steuer. Der verfahrensabschliessende<br />

Entscheid über eine Sicherstellungsverfügung stellt<br />

einen Endentscheid im Sinne von BGG 90 dar. Zulässige Rügen<br />

gemäss BGG 98 und Substantiierungspfl icht. TF/BGer, 1.10.2008<br />

(2C_414/2008); ATF/BGE 134 II 349.<br />

■ LTF/BGG 123 al. 2 let. a. Révision d’un arrêt du Tribunal<br />

fédéral. Conditions auxquelles un arrêt du Tribunal fédéral peut être<br />

révisé en raison de faits nouveaux. / Revision eines Bundesgerichtsurteils.<br />

Bedingungen, unter denen ein Bundesgerichtsurteil infolge<br />

neuer Tatsachen revidiert werden kann. TF/BGer, 15.9.2008 (5F_<br />

4/2008 / 5F_5/2008); ATF/BGE 134 III 669.<br />

■ OR/CO 5. Vertrag über Dienstleistungen für die Abfallentsorgung.<br />

Verspäteter Akzept. Behandlung von Beschwerden in Zivilsachen<br />

durch die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts.<br />

Öffentlich vergebener Auftrag für den Abtransport<br />

von Hauskehricht als privat- oder verwaltungsrechtlicher Vertrag?<br />

Keine Bindungswirkung der Vertragsofferte über einen Zeitraum<br />

von mehr als zwei Monaten. Schadenersatz gemäss OR 404 Abs. 2<br />

wegen Kündigung zur Unzeit. / Contrat de prestations de service<br />

pour l’élimination des déchets. Acceptation tardive. Traitement<br />

des recours en matière de droit civil par la II e Cour de droit public<br />

du Tribunal fédéral. Contrat portant sur l’évacuation des déchets<br />

ménagers conclu à la suite d’une adjudication publique: contrat de<br />

droit privé ou de droit administratif? Une offre ne lie plus son auteur<br />

après une période de plus de deux mois. Réparation du dommage<br />

selon CO 404 al. 2 en cas de résiliation en temps inopportun.<br />

BGer/TF, 5.11.2008 (2D_64/2008); BGE/ATF 134 II 297.<br />

■ Die Ablösung der staatsrechtlichen Beschwerde in Doppelbesteuerungssachen<br />

und der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Steuerharmonisierungsangelegenheiten<br />

durch die Beschwerde in öffentlichrechtlichen<br />

Angelegenheiten gebietet es, der nach kantonalem Recht<br />

zuständigen Behörde die Beschwerdelegitimation zuzuerkennen. / Le<br />

remplacement du recours de droit public en matière de double imposition<br />

et du 2) recours de droit administratif en matière d’harmonisation<br />

fi scale par le recours en matière de droit public offre la possibilité<br />

de reconnaître la qualité pour agir aux autorités compétentes selon le<br />

droit cantonal. BGer/TF, 17.6.2008 (2C_537/2007). Bearbeitet durch<br />

Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 16.<br />

6.2. Anwaltsrecht /<br />

Droit sur la profession d’avocat<br />

■ LMI/BGBM 2 al. 4, 3. LLCA/BGFA 3. Loi vaudoise sur la profession<br />

d’avocat/Waadtländer Anwaltsgesetz 18. Inscription au ta-<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

bleau des avocats stagiaires. Relations entre la LLCA, dont 3 al. 1<br />

réserve le droit des cantons de fi xer les exigences pour l’obtention<br />

du brevet d’avocat, et la LMI, dont 2 al. 4 1re phrase énonce le<br />

principe du libre accès au marché à toute personne qui remplit<br />

les conditions du premier établissement, sous réserve des restrictions<br />

fi gurant à LMI 3. Limites dans lesquelles les cantons peuvent<br />

exercer les compétences qui leur sont réservées par LLCA 3 al. 1.<br />

Examen de la conformité au regard de la LMI du refus signifi é à un<br />

avocat d’engager un stagiaire. L’exigence posée par la législation<br />

vaudoise d’une pratique de cinq ans dans le canton, telle qu’elle a<br />

été interprétée en l’espèce, viole le principe de la proportionnalité.<br />

La gratuité de la procédure prévue à LMI 3 al. 4 ne s’applique<br />

pas aux procédures de recours. / Aufnahme in die kantonale Liste<br />

der Anwaltskandidaten. Verhältnis zwischen dem BGFA, dessen 3<br />

Abs. 1 das Recht der Kantone, die Anforderungen für den Erwerb<br />

des Anwaltspatents festzulegen, vorbehält, und dem Binnenmarktgesetz,<br />

welches in 2 Abs. 4 Satz 1 jedermann – unter Vorbehalt<br />

der Beschränkungen nach Art. 3 – nach den Vorschriften am Ort<br />

der Erstniederlassung freien Zugang zum Markt gewährleistet.<br />

Schranken der durch BGFA 3 Abs. 1 vorbehaltenen kantonalen<br />

Regelungsbefugnis. Prüfung, ob das gegenüber einem Anwalt<br />

ausgesprochene Verbot, einen Anwaltskandidaten anzustellen, mit<br />

dem Binnenmarktgesetz vereinbar ist. Eine Auslegung des kantonalen<br />

Rechts in dem Sinn, dass dieses die Ausübung der Anwaltstätigkeit<br />

während fünf Jahren im Kanton verlange, verletzt das<br />

Verhältnismässigkeitsprinzip. Die in BGBM 3 Abs. 4 vorgesehene<br />

Unentgeltlichkeit des Verfahrens gilt nicht für Beschwerdeverfahren.<br />

TF/GBer, 24.9.2008 (2C_85/2008 / 2C_94/2008); ATF/BGE<br />

134 II 329.<br />

■ OR/CO 398. Anwaltshaftung. Geschuldete Sorgfalt. Kenntnis<br />

der Rechtsprechung. «Internet»-Urteile. / Responsabilité de<br />

l’avocat. Diligence requise. Connaissance de la jurisprudence.<br />

Décisions accessibles par internet. BGer/TF, 10.7.2008 (4A_<br />

190/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC<br />

2008, 170.<br />

■ Die Frage nach dem Berufsgeheimnis des Unternehmensanwalts<br />

wird weiter offen gelassen, da sich dieses nur auf Informationen beziehen<br />

kann, über die der Anwalt Gewahrsam erlangt hat oder die<br />

ihm ohne seinen Willen abhanden gekommen sind. / La question relative<br />

au secret professionnel de l’avocat d’entreprise est laissée indécise,<br />

car ce secret ne peut se rapporter qu’à des informations, qui<br />

ont été confi ées à l’avocat ou qui lui ont échappées sans sa volonté.<br />

BGer/TF, 28.10.2008 (1B_101/2008). Bearbeitet durch Markus<br />

Felber. SJZ/RSJ 2009, 14.<br />

6.4. Zivilprozessrecht / Procédure civile<br />

■ Passivlegitimation bei Ausübung eines Vorkaufsrechtes. / Légitimation<br />

passive dans l’exercice d’un droit de préemption. GBer/TF,<br />

30.4.2008 (5A_54/2008). Mit Bemerkungen von Peter Reetz.<br />

BR/DC 2008, 181.<br />

6.6. Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht /<br />

Exécution forcée et faillite<br />

■ SchKG/LP 80 Abs. 1. Defi nitive Rechtsöffnung. Aberkennungsurteil.<br />

Defi nitive Rechtsöffnung kann aufgrund eines Urteils gewährt<br />

werden, in dem die Aberkennungsklage abgewiesen wurde,<br />

die der Betriebene im Zuge einer früheren und nunmehr verwirkten<br />

Betreibung bezüglich derselben Forderung angehoben hatte. / Mainlevée<br />

défi nitive de l’opposition. Jugement sur l’action en libération<br />

de dette. La mainlevée défi nitive de l’opposition peut être accordée<br />

sur la base d’un jugement rejetant l’action en libération de dette qui<br />

avait été ouverte par le poursuivi lors d’une précédente poursuite<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 359 10.3.2009 9:12:30 Uhr<br />

359


360<br />

Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />

(en l’occurrence périmée) relative à la même prétention. BGer/TF,<br />

9.9.2008 (5A_164/2008); BGE/ATF 134 III 656.<br />

■ SchKG 288 ff. Absichtsanfechtung und Sanierung. BGer,<br />

29.5.2008 (5A_29/2007); BGE 134 III 452. Mit Bemerkungen<br />

von Andrea Galliker und Hans Caspar von der Crone. SZW<br />

2008, 602.<br />

• SchKG/LP 82 Abs. 1 und 2. Der Arbeitsvertrag hat für die Entschädigung<br />

nach OR 337c Abs. 1 die Eigenschaft eines provisorischen<br />

Rechtsöffnungstitels, wenn nicht der Arbeitgeber die<br />

Rechtmässigkeit der fristlosen Entlassung oder eine Anrechnungspfl<br />

icht des Arbeitnehmers glaubhaft machen kann. Der Einwand,<br />

die fristlose Entlassung sei berechtigt gewesen, stellt keine Einrede<br />

aus dem Vertrag dar, sondern richtet sich gegen den Bestand des<br />

Vertrages. Eine derartige Einwendung wird gleich behandelt wie<br />

die Einwendung gegen eine einseitige Schuldanerkennung, d.h., der<br />

Arbeitgeber muss die Einwendung, der Lohnanspruch sei infolge<br />

Aufl ösung des Arbeitsverhältnisses entfallen, auch bei einer Schuldanerkennung<br />

für einen zweiseitigen Vertrag glaubhaft machen und<br />

nicht bloss behaupten. / Le contrat de travail vaut pour des indemnités<br />

au sens de l’art. 337c CO comme titre de mainlevée provisoire,<br />

sauf si l’employeur rend vraisemblable que la résiliation immédiate<br />

était justifi ée ou qu’il dispose d’une prétention compensatoire<br />

à l’égard de l’employé. L’objection consistant à soutenir que la résiliation<br />

immédiate était justifi ée ne constitue pas une exception issue<br />

du contrat mais se dirige contre l’existence même du contrat. Une<br />

telle objection est traitée comme l’objection contre une reconnaissance<br />

de dette unilatérale, c’est-à-dire que l’employeur ne saurait<br />

se contenter de simplement prétendre que la prétention en salaire<br />

est tombée en raison de la dissolution du rapport de travail, mais<br />

il doit pour une reconnaissance de dette issue d’un contrat bilatéral<br />

également rendre vraisemblable cette objection. KGer/TC SG,<br />

11.4.2008. BlSchK/BPPF 2008, 222.<br />

6.7. Verwaltungsverfahrensrecht, Staats- und<br />

Verwaltungsrechtspfl ege /<br />

Procédure administrative, juridiction constitutionnelle<br />

et administrative<br />

• Aktualität des Rechtsschutzinteresses. Die Beschwerdeerhebung<br />

setzt in der Regel ein aktuelles Rechtsschutzinteresse voraus. Voraussetzungen,<br />

unter welchen trotz Fehlens oder Wegfalls eines aktuellen<br />

Rechtsschutzinteresses ausnahmsweise auf eine Beschwerde<br />

einzutreten ist. Vorbehältlich spezialgesetzlicher Regelung vermag<br />

der Umstand, dass eine Partei Staatshaftungsansprüche in Aussicht<br />

stellt, ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Rechtswidrigkeit<br />

der angefochtenen Verfügung nicht zu begründen. Auf die Beschwerde<br />

ist deshalb mangels Beschwerdebefugnis nicht einzutreten.<br />

Dies führt zu keiner unzulässigen Beeinträchtigung des Rechts<br />

auf Gerichtszugang und steht im Einklang mit dem Anspruch auf<br />

wirksamen Rechtsschutz gemäss EMRK 13. / Actualité de l’intérêt<br />

à recourir. L’introduction d’un recours nécessite en règle générale<br />

un intérêt à recourir actuel. Conditions auxquelles un recours peut<br />

exceptionnellement être recevable en l’absence d’un intérêt à recourir<br />

actuel, ou lorsqu’un tel intérêt a disparu. Sous réserve d’une<br />

réglementation particulière dans une loi spéciale, le fait qu’une partie<br />

entend faire valoir des prétentions en responsabilité à l’encontre<br />

de l’Etat ne suffi t pas à fonder un intérêt au constat de l’illicéité de<br />

la décision contestée. En conséquence, il ne peut être entré en matière<br />

sur le recours, faute de qualité pour recourir. L’irrecevabilité<br />

du recours n’entraîne pas une violation inadmissible de la garantie<br />

d’accès à un tribunal, et est compatible avec le droit à un recours<br />

effectif au sens de CEDH 13. VerwGer BE, 1.9.2008. BVR 2008,<br />

569.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

7. Strafrecht / Droit pénal<br />

7.2. Strafrecht – Allgemeiner Teil – allgemein /<br />

Droit pénal – Partie générale – en général<br />

■ OHG/LAVI 2, 11-17. OHV/OAVI 12. StGB/CP 98, 125. Entschädigung<br />

und Genugtuung nach OHG, Geltungsbereich des<br />

OHG bei Straftaten mit grossem zeitlichem Abstand zwischen<br />

Tathandlung und Erfolgseintritt (Asbestopfer). Bei fahrlässigen<br />

Erfolgsdelikten mit grossem zeitlichem Abstand der Tathandlung<br />

zum Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs ist unter «Begehung<br />

einer Straftat» im Sinne von OHV 12 Abs. 3 die Verwirklichung der<br />

subjektiven und der objektiven Tatbestandsmerkmale zu verstehen.<br />

Für den zeitlichen Geltungsbereich der opferhilferechtlichen Bestimmungen<br />

über Entschädigung und Genugtuung ist somit nicht<br />

allein auf das sorgfaltswidrige Verhalten abzustellen. Entscheidend<br />

ist vielmehr der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs solchen<br />

Verhaltens. / Indemnisation et réparation morale selon la LAVI,<br />

champ d’application de la LAVI lorsque le résultat de l’infraction intervient<br />

longtemps après l’activité coupable (victime de l’amiante).<br />

En cas de délits de résultat commis par négligence, lorsqu’un grand<br />

intervalle de temps s’écoule entre l’activité coupable et le résultat<br />

constitutif de l’infraction, l’expression «infraction commise»<br />

au sens de OAVI 12 al. 3 doit s’entendre comme la réalisation des<br />

éléments constitutifs subjectifs et objectifs de l’infraction. Ainsi,<br />

l’application dans le temps des dispositions sur l’indemnisation et<br />

la réparation morale aux victimes ne dépend pas uniquement du<br />

comportement contraire au devoir de vigilance, mais bien plutôt du<br />

moment où en survient le résultat constitutif de l’infraction. BGer/<br />

TF, 1.10.2008 (1C_73/2008); BGE/ATF 134 II 308. Anwaltsrevue/<br />

Revue de l’avocat 2009, 30.<br />

7.2.6. Strafen / Peines<br />

■ Beim Dauerdelikt verstösst eine weitere Verurteilung nicht gegen<br />

ne bis in idem, doch muss die Summe der wegen des Dauerdelikts<br />

ausgesprochenen Strafen dem Gesamtverschulden angemessen sein<br />

und darf die angedrohte Höchststrafe nicht überschreiten. / En cas<br />

de délit continu, une nouvelle condamnation ne contrevient pas au<br />

principe ne bis in idem. Cependant, le total des peines prononcées<br />

en raison du délit continu doit être proportionné à la faute globale<br />

et ne doit pas dépasser la durée de la peine maximale possible pour<br />

le délit spécifi que. BGer/TF, 4.11.2008 (6B_114/2008). Bearbeitet<br />

durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 19.<br />

7.2.7. Massnahmen (ohne Einziehung) /<br />

Mesures (sans saisie)<br />

■ StGB/CP 59, 64. SchlBest. StGB/Disp. fi n. CP Ziff. 2. Abs. 2.<br />

Überprüfung altrechtlicher Verwahrungen (SchlBest. StGB Ziff. 2<br />

Abs. 2). Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme,<br />

Voraussetzungen (StGB 59). Gegenüber einem altrechtlich verwahrten,<br />

psychisch schwer gestörten gefährlichen Straftäter hat der<br />

Richter an Stelle der Weiterführung der Verwahrung nach neuem<br />

Recht eine stationäre therapeutische Massnahme anzuordnen, wenn<br />

die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass durch eine solche<br />

Massnahme über die Dauer von fünf Jahren die Gefahr von mit der<br />

psychischen Störung in Zusammenhang stehenden Straftaten im<br />

Sinne von StGB 64 deutlich verringert wird. Nicht erforderlich ist<br />

hingegen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bereits nach<br />

fünf Jahren die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung aus<br />

der stationären Massnahme erfüllt sind. / Examen des internements<br />

ordonnés sous l’ancien droit (Disp. fi n. CP ch. 2 al. 2). Mesure thérapeutique<br />

institutionnelle, conditions (CP 59). Lorsqu’un criminel<br />

dangereux interné sous l’ancien droit souffre d’un grave trouble<br />

mental, le juge doit remplacer la poursuite de l’internement selon le<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 360 10.3.2009 9:12:30 Uhr


Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />

nouveau droit par une mesure thérapeutique institutionnelle s’il est<br />

suffi samment vraisemblable qu’une telle mesure entraînera, dans<br />

les cinq ans de sa durée normale, une réduction nette du risque que<br />

l’intéressé commette, en raison de son trouble mental, un crime prévu<br />

à CP 64. Point n’est besoin, en revanche, que l’intéressé puisse<br />

vraisemblablement bénéfi cier d’une libération conditionnelle de<br />

l’exécution de la mesure en milieu institutionnel dans les cinq ans<br />

déjà. BGer/TF, 10.10.2008 (6B_263/2008); BGE/ATF 134 IV 315.<br />

■ CP/StGB 75a unitamente all’art. 62d. Cost. / BV 29 cpv. 1. Ricusa<br />

dei membri della commissione ex CP 62d cpv. 2. Il detenuto<br />

che richiede la liberazione condizionale può ricusare i membri della<br />

commissione chiamata a valutare la sua pericolosità pubblica giusta<br />

CP 75a, analogamente a quanto avviene nei confronti di un esperto.<br />

Il caso di esclusione previsto CP 62d cpv. 2 è limitato al rappresentante<br />

della psichiatria e non può essere esteso agli altri membri della<br />

commissione. La presenza in seno alla commissione di un giudice<br />

che ha condannato il richiedente la liberazione condizionale non<br />

vio la Cost. 29 cpv. 1. Il detenuto può ricusare il procuratore pubblico<br />

membro della commissione ex CP 62d cpv. 2 qualora abbia sostenuto<br />

l’accusa nei processi sfociati in condanne a pene detentive<br />

da cui l’interessato chiede di essere liberato condizionalmente. Non<br />

è per contro suffi ciente che il magistrato abbia esercitato l’azione<br />

pubblica in altri procedimenti conclusisi con un proscioglimento,<br />

un abbandono o una condanna a pene ormai scontate, prescritte<br />

oppure ancora non più esecutive per altre ragioni. / Ablehnung der<br />

Mitglieder einer Kommission nach StGB 62d Abs. 2. Der Inhaftierte,<br />

der um bedingte Entlassung ersucht, kann die Mitglieder der<br />

zur Beurteilung seiner Gemeingefährlichkeit gemäss StGB 75a zuständigen<br />

Kommission in analoger Weise wie einen Sachverständigen<br />

ablehnen. Der in StGB 62d Abs. 2 vorgesehene Ausschluss gilt<br />

nur für den Vertreter der Psychiatrie und nicht auch für die übrigen<br />

Mitglieder der Kommission. Die Kommissionszugehörigkeit eines<br />

Richters, welcher den um bedingte Entlassung ersuchenden Täter<br />

verurteilt hat, verstösst nicht gegen BV 29 Abs. 1. Der Inhaftierte<br />

kann den öffentlichen Ankläger als Mitglied der Kommission nach<br />

StGB 62d Abs. 2 ablehnen, wenn dieser die Anklage im Verfahren<br />

vertreten hatte, das zur Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe führte,<br />

aus deren Vollzug der Betroffene bedingt entlassen werden möchte.<br />

Hingegen genügt es für die Ablehnung nicht, dass der öffentliche<br />

Ankläger die Anklage vertreten hatte in anderen Prozessen, die zu<br />

einem Freispruch, einer Verfahrenseinstellung oder zur Verurteilung<br />

zu einer Strafe geführt haben, die bereits verbüsst oder verjährt ist<br />

oder aus andern Gründen nicht vollzogen werden kann. TF/BGer,<br />

29.8.2008 (6B_348/2008); DTF/BGE 134 IV 289.<br />

7.2.8. Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung /<br />

Delais de la prescription de l’action pénale<br />

et de la peine<br />

■ aStGB/aCP 71. StGB/CP 98 lit. a. Verfolgungsverjährung. Beginn<br />

der Verjährung. Für den Verjährungsbeginn ist nach dem<br />

Wortlaut des Gesetzes auf den Zeitpunkt der Tathandlung und nicht<br />

auf denjenigen des Erfolgseintritts der Straftat abzustellen mit der<br />

Konsequenz, dass Straftaten verjährt sein können, bevor der Erfolg<br />

eingetreten ist. Dieses Ergebnis hält auch vor den Grundrechtsgarantien<br />

stand. / Prescription de l’action pénale. Point de départ de<br />

la prescription. Conformément à la lettre de la loi, c’est le moment<br />

auquel l’auteur a exercé son activité coupable et non celui auquel se<br />

produit le résultat de cette dernière qui détermine le point de départ<br />

de la prescription. Il s’ensuit que des actes pénalement répréhensibles<br />

peuvent être atteints par la prescription avant qu’en survienne le<br />

résultat. Cette conséquence est conforme aux droits fondamentaux.<br />

BGer/TF, 11.8.2008 (6B_627/2007 / 6B_629/2007); BGE/ATF 134<br />

IV 297.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

7.3. Strafrecht – Besonderer Teil – allgemein /<br />

Droit pénal – Partie spéciale – en général<br />

7.3.17. Verletzung der Berufs- und Amtspfl icht /<br />

Violance des devoirs de fonction et des devoirs<br />

professionels<br />

■ CP/StGB 305 ter cpv. 1, 97 seg. LRD/GwG 3–5. Carente diligenza<br />

in operazioni fi nanziarie, prescrizione. L’obbligo di identifi cazione<br />

sorge con la conclusione di una relazione d’affari e perdura<br />

fi no al termine della stessa. L’operatore fi nanziario, che nell’ambito<br />

di una duratura relazione d’affari compie atti di gestione senza accertarsi<br />

dell’identità dell’avente economicamente diritto, agisce in<br />

modo permanentemente contrario al diritto. In questo caso, la carente<br />

diligenza in operazioni fi nanziarie si confi gura come un reato<br />

permanente. Il termine di prescrizione comincia a decorrere dal<br />

giorno in cui è cessata la relazione d’affari e con essa il relativo<br />

dovere di identifi cazione o dal giorno in cui l’operatore fi nanziario<br />

ha posto un termine alla situazione illecita creatasi accertando<br />

l’identità dell’avente economicamente diritto dei valori patrimoniali<br />

gestiti. / Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften, Verjährung.<br />

Die Pfl icht zur Identifi zierung der Vertragspartei entsteht mit der<br />

Aufnahme der Geschäftsbeziehung und dauert bis zu ihrer Beendigung<br />

an. Der Finanzintermediär, der im Rahmen einer dauerhaften<br />

Geschäftsbeziehung Geschäftsführungshandlungen tätigt, ohne die<br />

Identität des wirtschaftlich Berechtigten festzustellen, handelt andauernd<br />

rechtswidrig. In diesem Fall stellt die mangelnde Sorgfalt<br />

bei Finanzgeschäften ein Dauerdelikt dar. Die Verjährung beginnt<br />

daher an dem Tag zu laufen, an dem die Geschäftsbeziehung aufhört<br />

und damit die diesbezügliche Pfl icht zur Identifi zierung nicht mehr<br />

besteht oder an welchem der Finanzintermediär der rechtswidrigen<br />

Situation durch Feststellung der Identität des an den verwalteten<br />

Vermögenswerten wirtschaftlich Berechtigten ein Ende gesetzt hat.<br />

TF/BGer, 12.9.2008 (6B_249/2008); DTF/BGE 134 IV 307.<br />

7.4. Nebenstrafrecht des Bundes – allgemein /<br />

Peines accessoires de la confédération<br />

7.4.1. Verwaltungsstrafrecht / Droit pénal administratif<br />

■ VStrR/DPA 2, 11, 62, 63, 69. ZG/LD 129. MWSTG/LTVA 88<br />

Abs. 1. StGB/CP 97 Abs. 1 lit. c, 333 Abs. 6. Verjährung von Zollund<br />

Mehrwertsteuerdelikten. Ruhen der Verjährung bei Verwaltungsstrafverfahren<br />

gegen mehrere Täter. Unter einem erstinstanzlichen<br />

Urteil, nach welchem eine Verjährung nicht mehr eintreten<br />

kann, sind verurteilende, nicht aber freisprechende Erkenntnisse zu<br />

verstehen. Führt die Regelung von StGB 333 Abs. 6 im Nebenstrafrecht<br />

dazu, dass für Übertretungen eine längere Verjährungsfrist als<br />

für Vergehen desselben Gesetzes gelten würde, reduziert sich die<br />

für die Übertretungen geltende Verjährungsfrist entsprechend. Bei<br />

Verwaltungsstrafverfahren gegen mehrere Beteiligte, die gleiche<br />

oder sich überschneidende Sachverhalte betreffen, ruht während<br />

eines von einem der Beteiligten angehobenen Rechtsmittelverfahrens<br />

gegen die Festsetzung der Leistungspfl icht die strafrechtliche<br />

Verjährungsfrist gegenüber allen Mitbeteiligten. / Prescription des<br />

infractions douanières et des infractions à la loi sur la TVA. Suspension<br />

en cas de procédures pénales administratives dirigées contre<br />

plusieurs auteurs. La notion de jugement de première instance, à<br />

partir duquel la prescription ne court plus, vise les prononcés de<br />

condamnation et non les prononcés d’acquittement. Si la réglementation<br />

prévue à CP 333 al. 6 pour le droit pénal accessoire a pour<br />

conséquence que le délai de prescription applicable aux contraventions<br />

est plus long que celui qui est applicable aux délits de la<br />

même loi, le délai de prescription pour les contraventions est réduit<br />

de manière correspondante. En cas de procédures pénales adminis-<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 361 10.3.2009 9:12:30 Uhr<br />

361


362<br />

Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence<br />

tratives dirigées contre plusieurs participants, qui concernent des<br />

états de fait identiques ou qui se recoupent, le délai de la prescription<br />

pénale est suspendu à l’égard de tous les participants pendant<br />

la procédure de recours introduite par l’un des participants sur la<br />

question de l’assujettissement à la prestation. BGer/TF, 16.10.2008<br />

(6B_686/2008); BGE/ATF 134 IV 328. Bemerkungen zu diesem<br />

Urteil von Christof Riedo und Matthias Zurbrügg in <strong>AJP</strong>/PJA<br />

2009, 372 ff.<br />

7.6. Strafprozessrecht und Gerichtsorganisation /<br />

Procédure pénale et organisation judiciaire<br />

7.6.1. Allgemeines Strafprozessrecht /<br />

Procédure pénale générale<br />

■ Eine Einstellung aufgrund Wiedergutmachung ist im Gerichtsverfahren<br />

von Bundesrechts wegen ausgeschlossen. Abweichendes<br />

kantonales Strafprozessrecht ist insoweit unbeachtlich<br />

(BV 49 Abs. 1). Es ist ein Schuldspruch allenfalls mit Strafverzicht<br />

auszufällen. / Dans une procédure judiciaire, une suspension de<br />

la poursuite en cas de réparation du préjudice causé est exclue en<br />

vertu du droit fédéral. Le droit cantonal divergeant est ainsi écarté<br />

(Cst. 49 al. 1). Il faut prononcer un jugement de condamna tion,<br />

éventuellement avec une renonciation à toute peine. BGer/TF,<br />

27.11.2008 (6B_522/2008). Bearbeitet durch Markus Felber.<br />

SJZ/RSJ 2009, 69.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 362 10.3.2009 9:12:31 Uhr


Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Entscheidungen<br />

Jurisprudence<br />

1. Verfassungs- und Verwaltungsrecht /<br />

Droit constitutionnel et administratif<br />

1.4. Grundrechte / Droits fondamentaux<br />

(1) Die unbeschränkte Aufbewahrung von Zellproben,<br />

DNA-Profi len und Fingerabdrücken von einst<br />

verdächtigten jedoch nicht verurteilten Personen<br />

ist mit Art. 8 EMRK nicht vereinbar.<br />

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Grosse<br />

Kammer, 4. Dezember 2008, S. und Marper gegen das<br />

Vereinigte Königreich, Nr. 30562/04 und 30566/04.<br />

Mit Bemerkungen von<br />

DOMINIKA BLONSKI, MLaw, Assistentin am Institut<br />

für öffentliches Recht der Universität Bern<br />

Zusammenfassung des Sachverhalts:<br />

Am 4. Dezember 2008 verkündete der Europäische Gerichtshof<br />

für Menschenrechte ein Urteil, mit dem Grund sätze der<br />

konventionskonformen Aufbewahrung biometrischer Daten<br />

formuliert wurden. Die Kläger, S. (1989 geboren) und<br />

Michael Marper (1963 geboren) sind zwei im Vereinigten<br />

Königreich lebende britische Staatsangehörige. Im Januar<br />

2001 wurde S. festgenommen und wegen versuchten Raubs<br />

angeklagt. In diesem Zeitpunkt war er elf Jahre alt. Seine<br />

Fingerabdrücke und Zellproben wurden genommen und ein<br />

DNA-Profi l erstellt. Im Juni 2001 wurde er freigesprochen.<br />

Michael Marper wurde im März 2001 festgenommen und<br />

wegen Belästigung seiner Lebensgefährtin angeklagt. Seine<br />

Fingerabdrücke und Zellproben wurden genommen und<br />

ein DNA-Profi l erstellt. Im Juni 2001 wurde das Verfahren<br />

formell eingestellt, nachdem er und seine Partnerin sich versöhnt<br />

hatten. In beiden Verfahren wurden alle Daten in der<br />

nationalen Datenbank gespeichert und trotz Freispruchs und<br />

Verfahrenseinstellung dort belassen mit dem Ziel, permanent<br />

aufbewahrt und regelmässig automatisch im Zusammenhang<br />

mit Strafverfolgungen überprüft zu werden. Als die Verfahren<br />

abgeschlossen waren, beantragten beide Kläger ohne Erfolg<br />

die Entfernung der Fingerabdrücke und DNA-Profi le aus der<br />

nationalen Datenbank beziehungsweise die Vernichtung der<br />

Zellproben, welche zur Erstellung der DNA-Profi le gedient<br />

hatten. Das Verfahren wurde bis vor den Europäischen Gerichtshof<br />

für Menschenrechte weitergezogen.<br />

Die Kläger rügen, durch die Aufbewahrung der Daten einerseits<br />

in ihrem Recht auf Achtung des Privatlebens gemäss<br />

Art. 8 EMRK und andererseits in ihrem Recht auf diskriminierungsfreie<br />

Behandlung gemäss Art. 14 EMRK verletzt<br />

zu sein. Vor dem Gerichtshof stellt sich die Frage, ob die<br />

Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profi len und Fingerabdrücken<br />

der Kläger durch staatliche Behörden mit Art. 8 und<br />

14 EMRK zu vereinbaren ist, nachdem die strafrechtlichen<br />

Verfahren der Kläger mit einem Freispruch und mit der Einstellung<br />

des Verfahrens beendet worden waren.<br />

Zusammenfassung der Erwägungen:<br />

Der Gerichtshof prüft zunächst die Vereinbarkeit des Vorgehens<br />

mit dem in Art. 8 EMRK gewährleisteten Recht auf<br />

Achtung des Privatlebens. Hinsichtlich des Schutzbereichs<br />

erinnert das Gericht daran, dass der Begriff des Privatlebens<br />

sehr weit ist und bisher nicht erschöpfend defi niert wurde.<br />

Es hebt hervor, dass auch der Datenschutz sowie Angaben<br />

über die Gesundheit oder die ethnische Identität einer Person<br />

erfasst werden. Die drei im vorliegenden Fall untersuchten<br />

Arten von Daten (Zellproben, DNA-Profi le und Fingerabdrücke)<br />

enthalten eine unterschiedliche Natur und Fülle von<br />

Informationen über ein Individuum. Daher nimmt das Gericht<br />

übereinstimmend mit seiner früheren Rechtsprechung<br />

eine getrennte Prüfung der Kategorien vor.<br />

Zellproben enthalten sehr sensitive persönliche Informationen<br />

über ein Individuum. Es können beispielsweise Angaben<br />

über die Gesundheit extrahiert werden und die Proben<br />

enthalten den einzigartigen genetischen Code, welcher sowohl<br />

für das Individuum als auch für seine Verwandten Relevanz<br />

hat. Daher ist die systematische Aufbewahrung solcher<br />

Daten per se als Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens<br />

der betroffenen Individuen zu betrachten.<br />

Die Eigenart von DNA-Profi len, als Mittel der Familienforschung<br />

dienen zu können, reicht dazu aus, in ihrer<br />

syste matischen Aufbewahrung einen Eingriff in das Recht<br />

auf Achtung des Privatlebens der betroffenen Individuen zu<br />

sehen. Dies wird durch die Möglichkeit, aus DNA-Profi len<br />

Rückschlüsse auf den ethnischen Ursprung einer Person zu<br />

ziehen, verstärkt. Es spielt keine Rolle, dass die Information<br />

in DNA-Profi len nur unter Zuhilfenahme technischer Prozesse<br />

sichtbar gemacht werden kann.<br />

Fingerabdrücke enthalten weniger einschneidende persönliche<br />

Informationen über ein Individuum als Zellproben<br />

und DNA-Profi le. Sie weisen jedoch genügend einzigartige<br />

Information auf, um externe Identifi kationsfähigkeiten zu<br />

erfüllen. Ihre Aufbewahrung verbunden mit Angaben eines<br />

identifi zierten oder identifi zierbaren Individuums stellt bereits<br />

einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens<br />

dar.<br />

Somit stellt das Gericht bezüglich aller drei Kategorien<br />

von Daten einen Eingriff in das von Art. 8 EMRK gewährleistete<br />

Recht fest.<br />

Bei der Frage, ob der Eingriff gerechtfertigt werden kann,<br />

hält das Gericht fest, dass sich im englischen Recht im Police<br />

and Criminal Evidence Act (PACE) und im Criminal Justice<br />

and Police Act eine genügende gesetzliche Grundlage für die<br />

Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profi len und Fingerabdrücken<br />

fi ndet. Als legitimes Ziel wird die Aufdeckung und<br />

Prävention von Straftaten verfolgt.<br />

Die entscheidende Frage im vorliegenden Fall ist, ob<br />

die Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profi len und Fingerabdrücken<br />

der Kläger als Personen, welche bestimmter<br />

Straftaten verdächtigt jedoch nicht verurteilt wurden, in einer<br />

demokratischen Gesellschaft notwendig ist, das heisst<br />

ob ein dringendes soziales Bedürfnis und ein angemessenes<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 363 10.3.2009 9:12:31 Uhr<br />

363


364<br />

Verhältnis zum verfolgten Ziel besteht und ob die Behörde<br />

erhebliche und ausreichende Gründe zur Rechtfertigung vorlegen<br />

kann.<br />

Der Gerichtshof analysiert die allgemeinen Prinzipien des<br />

Datenschutzes, welche unter anderem im Übereinkommen<br />

zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung<br />

personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981 (Konvention<br />

108, SR 0.235.1, für die Schweiz in Kraft getreten<br />

am 1. Februar 1998) und daran anknüpfenden Empfehlungen<br />

des Ministerkomitees des Europarates festgehalten sind, vergleicht<br />

das Recht und die Praxis der anderen Vertragsstaaten<br />

und kommt zum Schluss, dass die Datenaufbewahrung<br />

in einem vernünftigen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen<br />

muss und eine zeitliche Beschränkung vorgesehen sein<br />

muss. Die meisten Vertragsstaaten sehen als Voraussetzung<br />

für die Entnahme von Zellproben eine Mindestschwere der<br />

verdächtigten Straftat vor und schreiben die sofortige oder<br />

fristgebundene Beseitigung der Zellproben und DNA-Profi<br />

le nach erfolgtem Freispruch oder Entlassung vor. Nur eine<br />

begrenzte Anzahl Ausnahmen von diesen Grundsätzen wird<br />

von einigen Vertragsstaaten zugelassen.<br />

Der in Art. 8 EMRK gewährleistete Schutz wird durch<br />

den Einsatz moderner wissenschaftlicher Techniken im<br />

Strafjustizsystem auf unakzeptable Weise abgeschwächt,<br />

wenn dieser um jeden Preis erfolgt. Dies ist insbesondere der<br />

Fall, wenn solche Techniken auf breiter Basis ohne sorgfältige<br />

Abwägung der Vor- und Nachteile gegen die Interessen<br />

des Schutzes des Privatlebens eingesetzt werden. Auf jedem<br />

Staat, welcher eine Vorreiterrolle in der Entwicklung neuer<br />

Technologien einnimmt, lastet eine spezielle Verantwortung<br />

diesbezüglich, das richtige Gleichgewicht zu fi nden.<br />

Das Vereinigte Königreich ist aus Sicht des Gerichts der<br />

einzige Staat im Europarat, welcher die systematische, unbefristete,<br />

umfassende, pauschale und unterschiedslose Aufbewahrung<br />

von DNA-Material und Fingerabdrücken zulässt.<br />

Die Aufbewahrung ist auch bei freigesprochenen Personen<br />

oder Personen, deren Verfahren eingestellt wurde, erlaubt<br />

und erfolgt unabhängig vom Alter der Person und der Art<br />

oder Schwere der verdächtigten Straftat. Freigesprochenen<br />

Personen werden nur eingeschränkte Möglichkeiten zugestanden,<br />

ihre Daten aus der nationalen Datenbank beseitigen<br />

zu lassen. Der Gerichtshof erkennt an, dass die Erweiterung<br />

der Datenbank bisher bei der Aufdeckung und Prävention<br />

von Straftaten mitgewirkt hat. Trotzdem hält er fest, dass die<br />

blosse Aufbewahrung von persönlichen Daten durch staatliche<br />

Behörden direkt das Recht auf Achtung des Privatlebens<br />

beeinträchtigt, unabhängig davon, wie die Daten erlangt<br />

wurden und ob sie künftig weiterverwendet werden.<br />

Als besonders bedenklich erachtet der Gerichtshof das<br />

Risiko der Stigmatisierung. Auch Personen in der Situation<br />

wie die Kläger, welche einst einer Straftat verdächtigt waren,<br />

aber schliesslich nicht schuldig gesprochen wurden, haben<br />

das in der Konvention gewährleistete Recht auf die Vermutung<br />

ihrer Unschuld. Die blosse Aufbewahrung ihrer Daten<br />

lässt sich nicht mit dem Ausspruch einer Verdächtigung<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

gleichsetzen. Die Empfi ndung betroffener Personen, nicht<br />

als unschuldig zu gelten, wird jedoch verstärkt, indem sie auf<br />

die gleiche Art und Weise wie verurteilte Personen behandelt<br />

werden. Dies ist insbesondere so, weil eine unbegrenzte Aufbewahrung<br />

ihrer Daten erfolgt und weil die Daten von nie<br />

verdächtigten Personen gelöscht werden müssen.<br />

Des Weiteren macht der Gerichtshof auf die nachteiligen<br />

Auswirkungen der Aufbewahrung von Daten, insbesondere<br />

bei Minderjährigen wie dem Kläger S. aufmerksam. Minderjährige<br />

befi nden sich aufgrund der Bedeutung ihrer weiteren<br />

Entwicklung und ihrer Integration in der Gesellschaft in einer<br />

speziellen Situation. Daher müssen höhere Massstäbe gesetzt<br />

werden und insbesondere dem Schutz der Jugendlichen<br />

vor jedem Nachteil, welcher durch die Datenaufbewahrung<br />

entstehen könnte, Beachtung geschenkt werden.<br />

Im Ergebnis hält der Gerichtshof fest, dass mit der fortgesetzten<br />

Datenspeicherung kein angemessenes Gleichgewicht<br />

konkurrierender öffentlicher und privater Interessen<br />

erzielt wird. Der angeklagte Staat hat jede akzeptable Grenze<br />

der Einschätzung diesbezüglich überschritten. Folglich<br />

stellt diese Art der Aufbewahrung eine unverhältnismässige<br />

Beeinträchtigung des Rechts der Kläger auf Achtung ihres<br />

Privatlebens dar und kann nicht als in einer demokratischen<br />

Gesellschaft notwendig angesehen werden. Der Gerichtshof<br />

stellt einstimmig eine Verletzung von Art. 8 EMRK fest.<br />

Hinsichtlich der Rüge, das Diskriminierungsverbot nach<br />

Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK werde verletzt, hält der Gerichtshof<br />

einstimmig fest, dass eine eigenständige Prüfung<br />

nach der Feststellung einer Verletzung des Art. 8 EMRK<br />

nicht mehr nötig ist.<br />

Die Kosten und Auslagen werden den Klägern entschädigt.<br />

Eine Geldleistung als Genugtuung spricht das Gericht<br />

nicht zu.<br />

Bemerkungen:<br />

1. a. Zellproben, DNA-Profi le und Fingerabdrücke dürfen,<br />

wenn eine Person freigesprochen wurde oder das Verfahren<br />

eingestellt wurde, nach dem Strafverfahren nicht weiter aufbewahrt<br />

werden. Eine solche Aufbewahrung wäre unverhältnismässig<br />

und damit eine Verletzung von Art. 8 EMRK.<br />

Das Urteil überzeugt. Das Gericht fällt damit einen wichtigen<br />

Grundsatzentscheid. Bisher war die Rechtslage im<br />

Bereich der Aufbewahrung biometrischer Daten im Zusammenhang<br />

mit Strafverfahren nicht genügend konkretisiert.<br />

Fingerabdrücke werden bereits lange zur Aufdeckung und<br />

Verfolgung von Straftaten eingesetzt. Die technische und<br />

wissenschaftliche Entwicklung hat vor einigen Jahren die<br />

DNA-Analyse als weiteres Verfahren im Strafprozess ermöglicht.<br />

Insbesondere bezüglich der DNA-Analyse lagen<br />

keine klaren Regelungen vor.<br />

b. Das Urteil kann als logische Fortführung der bisherigen<br />

Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Datenschutzrecht und<br />

als Anpassung an neue technische Gegebenheiten angesehen<br />

werden. In seiner Rechtsprechung hat der Gerichtshof<br />

Grundsätze für das Datenschutzrecht entwickelt. Die reine<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 364 10.3.2009 9:12:31 Uhr


Aufbewahrung von Daten, welche das Privatleben eines Individuums<br />

betreffen, stellt allein einen Eingriff in das Recht<br />

auf Achtung des Privatlebens dar, wobei es nicht darauf ankommt,<br />

ob die Daten zu einem späteren Zeitpunkt verwendet<br />

werden oder nicht. Bei der Aufbewahrung von Daten müssen<br />

gewisse Mindestanforderungen erfüllt sein. Die gesetzliche<br />

Grundlage muss ausreichend klare Regeln vorsehen, unter<br />

anderem bezüglich der Dauer und Art der Speicherung, des<br />

Gebrauchs der Daten, des Zugriffs durch Dritte, der Massnahmen<br />

zur Geheimhaltung und der Vorgehensweisen zur<br />

Entfernung der Daten, um vor Missbrauch und Willkür zu<br />

schützen.<br />

c. Nationale Datenbanken, die für die Strafverfolgung<br />

eingesetzt werden, stellen eine besondere Herausforderung<br />

für den Datenschutz dar. Es geht dem Gerichtshof nicht generell<br />

um Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profi len<br />

und Fingerabdrücken, sondern um die besondere Frage,<br />

was nach einem Freispruch und einer Verfahrenseinstellung<br />

mit ihnen zu geschehen hat. Nicht unmittelbar behandelt<br />

wird die Frage der Zulässigkeit der Aufbewahrung bei Verurteilung.<br />

Hinsichtlich dieser Fragestellung kann aus dem<br />

Urteil aber immerhin mittelbar abgeleitet werden, dass bei<br />

verurteilten Personen weniger strenge Massstäbe zu setzen<br />

sind. Jedoch gelten meines Erachtens auch bei verurteilten<br />

Personen Grenzen der legitimen Speicherung. So dürfen die<br />

Daten nicht für alle zugänglich sein, vor allem nicht für Private,<br />

das heisst solche Daten müssen unter strengen Geheimhaltungsregeln<br />

und mit Verschlüsselung für ganz bestimmte<br />

Behörden reserviert werden. Auch müssen Anforderungen<br />

an Schwere der Straftat und an die Aufbewahrungsdauer erfüllt<br />

werden. Daten von Verurteilten können sicherlich länger<br />

aufbewahrt werden als jene von nicht verurteilten Personen.<br />

Eine lebenslängliche Aufbewahrung wäre wohl aus Sicht des<br />

Rechts auf Achtung des Privatlebens auch bei verurteilten<br />

Personen nicht haltbar.<br />

d. Das Gericht unterscheidet zwischen Zellproben, DNA-<br />

Profi len und Fingerabdrücken. Diese Unterscheidung ist<br />

sinnvoll, da unterschiedlich schwere Eingriffe gegeben sind.<br />

Zellproben enthalten viele und sehr sensitive Angaben über<br />

einen Menschen. Nebst den Identifi kationsmöglichkeiten<br />

können Informationen über den Gesundheitszustand oder<br />

das Vorhandensein gewisser Krankheitsrisiken abgelesen<br />

werden. Der einzigartige genetische Code, welcher über verschiedene<br />

Eigenschaften der Person Aufschluss gibt, ist in<br />

Zellproben enthalten. Diese Erkenntnisse weisen eine sehr<br />

grosse Persönlichkeitsnähe auf. Daher stellt der Umgang mit<br />

Zellproben einen schweren Eingriff in das Recht auf Achtung<br />

des Privatlebens dar. Aus DNA-Profi len lassen sich<br />

weniger weit reichende Angaben über einen Menschen ableiten.<br />

Immerhin können aufgrund von DNA-Profi len Aussagen<br />

zu Verwandtschaftsverhältnissen oder zum Geschlecht<br />

der betroffenen Person gemacht werden (vgl. Botschaft zum<br />

Bundesgesetz über die Verwendung von DNA-Profi len im<br />

Strafverfahren und zur Identifi zierung von unbekannten und<br />

vermissten Personen vom 8. November 2000, BBl 2001 29,<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

36 ff.). Die Verwendung von DNA-Profi len stellt daher einen<br />

weniger weit gehenden Eingriff dar als jene von Zellproben.<br />

Dasselbe gilt im Ergebnis auch für Fingerabdrücke. Die absolute<br />

Einzigartigkeit des Erscheinungsbildes der Fingerkuppenlinien<br />

bei jedem Menschen ermöglicht eine sichere<br />

Unterscheidung und Identifi zierung von Personen. Selbst bei<br />

eineiigen Zwillingen sind die Fingerabdrücke verschieden.<br />

Fingerabdrücke verändern sich im Laufe des Lebens nicht.<br />

Aufgrund dieser Eigenschaften muss auch der Einsatz dieser<br />

biometrischer Daten als Eingriff in den Schutzbereich des<br />

Rechts auf Achtung des Privatlebens erkannt werden – wenn<br />

auch dieser Eingriff weniger schwer wiegt als bei Zellproben<br />

und DNA-Profi len.<br />

e. Der Gerichtshof erachtet das Vorgehen als nicht verhältnismässig,<br />

weil er dessen Notwendigkeit in einer demokratischen<br />

Gesellschaft verneint. Dies weil kein angemessenes<br />

Gleichgewicht zwischen konkurrierenden öffentlichen und<br />

privaten Interessen erzielt werden kann. Die sich stellende<br />

Frage im vorliegenden Fall betrifft nicht verurteilte Personen.<br />

Das Erscheinen in einer Verbrecherdatenbank bringt<br />

die Gefahr der Stigmatisierung von betroffenen Personen mit<br />

sich. Davor müssen insbesondere nicht verurteilte Personen<br />

geschützt werden. Es müssen Vorschriften vorgesehen werden,<br />

welche eine Löschung der Daten von nicht schuldig gesprochenen<br />

Personen ermöglichen. Die Daten können nicht<br />

mit der blossen Begründung, dass sie bereits erfasst wurden<br />

und sich bei den Behörden befi nden, gespeichert werden. Insofern<br />

hat der Gerichtshof zu Recht ein unverhältnismässiges<br />

Vorgehen festgestellt.<br />

2. Für die Schweiz stellt sich nach dem Urteil die Frage, ob<br />

die vorhandenen Regelungen den Anforderungen der EMRK<br />

genügen. Diesbezüglich fällt rasch auf, dass die Rechtsgrundlagen<br />

in vielen verschiedenen Gesetzen und Verordnungen<br />

sowohl auf Bundesebene als auch auf kantonaler<br />

Ebene enthalten sind. Die neue eidgenössische Strafprozessordnung<br />

(Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober<br />

2007, StPO, BBl 2007 6977), welche voraussichtlich<br />

am 1. Januar 2011 in Kraft treten wird, soll die Vereinheitlichung<br />

des Strafprozessrechts bringen. Der 5. Titel der StPO<br />

regelt Zwangsmassnahmen. Darin fi nden sich die Kapitel<br />

über die DNA-Analyse und die erkennungsdienstliche Erfassung<br />

(5. und 6. Kapitel).<br />

a. Bezüglich der DNA-Analyse enthält die StPO ausschliesslich<br />

strafprozessuale Bestimmungen (Art. 255 ff.<br />

StPO) und hält ausdrücklich die subsidiäre Anwendbarkeit<br />

des Bundesgesetzes über die Verwendung von DNA-Profi len<br />

im Strafverfahren und zur Identifi zierung von unbekannten<br />

oder vermissten Personen vom 20. Juni 20<strong>03</strong> (DNA-Profi<br />

l-Gesetz, SR 363) fest (Art. 259 StPO). Somit verbleiben<br />

insbesondere die Regelungen über die Aufbewahrung beziehungsweise<br />

die Löschung von DNA-Daten im DNA-Profi l-<br />

Gesetz (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts<br />

vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1085, 1243). Zur<br />

Aufklärung eines Verbrechens oder Vergehens kann bei der<br />

verdächtigten Person eine Zellprobe (meist ein Wangen-<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 365 10.3.2009 9:12:31 Uhr<br />

365


366<br />

schleimhautabstrich, WSA) abgenommen werden und daraus<br />

ein DNA-Profi l erstellt werden (Art. 255 Abs. 1 StPO,<br />

Art. 3 Abs. 1 DNA-Profi l-Gesetz). Bei der Straftat muss es<br />

sich um ein Verbrechen (Freiheitsstrafe von mehr als drei<br />

Jahren; vgl. Art. 10 StGB) oder Vergehen (Freiheitsstrafe bis<br />

zu drei Jahren oder Geldstrafe; vgl. Art. 10 StGB) handeln.<br />

Eine Übertretung (Busse; vgl. Art. 1<strong>03</strong> StGB) genügt nicht.<br />

Allerdings handelt es sich bei den meisten im StGB geregelten<br />

Delikten um Verbrechen oder Vergehen. Der Gerichtshof<br />

hält die Schwere der Straftat als Kriterium für die Frage der<br />

Zulässigkeit der Aufbewahrung von DNA-Daten fest. Ob die<br />

pauschale Gestattung der DNA-Analyse auch bei Vergehen<br />

erforderlich ist, ist zumindest fraglich. Zu Gunsten der effi -<br />

zienten Strafaufklärung sollte dies dennoch zugelassen werden.<br />

Die schweizerische Regelung erfüllt folglich meines<br />

Erachtens die Anforderungen des Gerichtshofs bezüglich<br />

Mindestschwere der Straftat.<br />

b. Das DNA-Profi l-Gesetz enthält eine Bestimmung betreffend<br />

Vernichtung von Zellproben. In Art. 9 DNA-Profi l-<br />

Gesetz wird festgehalten, dass die Strafbehörde die Zellprobe<br />

spätestens nach drei Monaten zur Analyse an ein Labor<br />

senden muss, andernfalls wird die Probe vernichtet (Art. 9<br />

Abs. 1 lit. b DNA-Profi l-Gesetz). Das Labor darf die Probe<br />

nochmals höchstens drei Monate aufbewahren, danach werden<br />

die Zellproben defi nitiv vernichtet (Art. 9 Abs. 2 DNA-<br />

Profi l-Gesetz). Insgesamt können die Zellproben somit nach<br />

Abnahme von der betroffenen Person maximal sechs Monate<br />

aufbewahrt werden.<br />

Für Zellproben müssen besonders hohe Massstäbe angesetzt<br />

werden, da die Bearbeitung solcher Daten einen<br />

schweren Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens<br />

darstellt. Dass Zellproben vernichtet werden müssen, ist im<br />

Sinne des Urteils des Gerichtshofs. Das DNA-Profi l-Gesetz<br />

sieht mit der Vorschrift über die Vernichtung von Zellproben<br />

nur eine kurze Aufbewahrungsfrist vor. Maximal sechs<br />

Monate stellen eine angemessene zeitliche Limite dar. Bezüglich<br />

Freispruch und Verfahrenseinstellung werden keine<br />

davon abweichenden Vorgehensweisen vorgesehen. Bei der<br />

DNA-Analyse darf weder nach dem Gesundheitszustand<br />

noch nach anderen persönlichen Eigenschaften mit Ausnahme<br />

des Geschlechts der betroffenen Person geforscht werden<br />

(Art. 2 Abs. 2 DNA-Profi l-Gesetz). Die Zellproben dürften<br />

somit einzig zur Erstellung eines DNA-Profi ls verwendet<br />

werden. Aufgrund der nur kurzen Aufbewahrungszeit der<br />

Proben und der expliziten Einschränkung der Verwendungsmöglichkeiten<br />

von Proben kann der Umgang mit Zellproben<br />

als verhältnismässig angesehen werden, so dass die Vorgaben<br />

des Gerichtshofs erfüllt werden.<br />

c. DNA-Profi le werden aus den nicht-codierenden Abschnitten<br />

der Erbsubstanz DNA gewonnen (Art. 2 Abs. 1<br />

DNA-Profi l-Gesetz). Aus diesen Bereichen der DNA können<br />

keine Rückschlüsse auf körperliche sowie psychische<br />

Eigenschaften oder Krankheiten der betroffenen Person gezogen<br />

werden (Schlussbericht der Expertenkommission vom<br />

18. Dezember 1998, Errichtung einer gesamtschweizerischen<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

DNA-Profi l-Datenbank, S. 16, abrufbar unter: http://www.<br />

fedpol.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/diverse_berichte.Par.0002.File.tmp/dna1298.pdf).<br />

Die aus Zellproben<br />

erstellten DNA-Profi le von als Täter oder Teilnehmer an<br />

einem Verbrechen oder Vergehen verdächtigten Personen<br />

werden in der nationalen, zentralen DNA-Datenbank CODIS<br />

gespeichert. Um eine anonymisierte Speicherung zu gewährleisten,<br />

wird den Profi len eine PCN (Process-Control-<br />

Number, Prozesskontrollnummer) zugewiesen (Art. 14 des<br />

Bundesgesetzes über die polizeilichen Informationssysteme<br />

des Bundes vom 13. Juni 2008 [BPI, SR 361], welches am<br />

5. Dezember 2008 in Kraft getreten ist). Nebst der Speicherung<br />

des DNA-Profi ls werden in einer getrennten Datenbank<br />

IPAS Personendaten (Personalien usw.) der betroffenen Person<br />

unter derselben PCN gespeichert (Verordnung über das<br />

informatisierte Personennachweis-, Aktennachweis- und<br />

Verwaltungssystem im Bundesamt für Polizei vom 15. Oktober<br />

2008, IPAS-Verordnung, SR 361.2). Erst wenn es bei der<br />

automatisierten Suche zu einer Übereinstimmung (Hit) mit<br />

einem gespeicherten DNA-Profi l kommt, wird über die PCN<br />

eine Verbindung zu den Personendaten hergestellt und damit<br />

die Person identifi ziert.<br />

Bezüglich der Löschung von DNA-Profi len ist das DNA-<br />

Profi l-Gesetz massgebend. Bei Ausschluss der Person von<br />

der Täterstellung oder bei Tod der betroffenen Person ist die<br />

sofortige Löschung vorgesehen (Art. 16 Abs. 1 lit. a und b<br />

DNA-Profi l-Gesetz). Wird das Verfahren mit einem Freispruch<br />

rechtskräftig abgeschlossen, muss das DNA-Profi l<br />

bei Eintritt der Rechtskraft gelöscht werden (Art. 16 Abs. 1<br />

lit. c DNA-Profi l-Gesetz). Die defi nitive Einstellung des Verfahrens<br />

bedingt die Löschung des DNA-Profi ls nach einem<br />

Jahr nach der Verfahrenseinstellung (Art. 16 Abs. 1 lit. d<br />

DNA-Profi l-Gesetz). Erfolgte der Freispruch oder die Verfahrenseinstellung<br />

wegen Schuldunfähigkeit des Täters, werden<br />

die Daten hingegen nicht gelöscht (Art. 16 Abs. 2 DNA-<br />

Profi l-Gesetz). In allen Fällen ist die Löschung von Amtes<br />

wegen spätestens nach 30 Jahren vorgeschrieben (Art. 16<br />

Abs. 3 DNA-Profi l-Gesetz).<br />

Misst man die Löschungsvorschriften der gesetzlichen Regelungen<br />

an den Kriterien des Entscheids, so ist es zunächst<br />

konventionskonform, dass sowohl nach Freispruch als auch<br />

bei Verfahrenseinstellung überhaupt eine Löschung vorgesehen<br />

ist. Die nach Freispruch bei Eintritt der Rechtskraft zu<br />

erfolgende Löschung erfüllt die Anforderungen des Gerichtshofs<br />

bezüglich zeitlicher Beschränkung der Aufbewahrung<br />

von DNA-Profi len. Das Verfahren wird erst bei Eintritt der<br />

Rechtskraft abgeschlossen. Es wäre nicht zweckdienlich, die<br />

Daten zu einem früheren Zeitpunkt zu löschen. In den Fällen<br />

der Verfahrenseinstellung sieht das schweizerische Recht die<br />

Löschung zwar nur mit einjähriger Verzögerung vor, doch<br />

steht auch dies nicht im Widerspruch zur EMRK. Die einjährige<br />

Frist ist zweckmässig, weil die Daten möglicherweise<br />

bei einer Weiterführung des Verfahrens bei neuen Erkenntnissen<br />

verwendet werden könnten. Problematisch ist allein<br />

die Regelung über Nichtlöschung im Falle von Freispruch<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 366 10.3.2009 9:12:32 Uhr


oder Verfahrenseinstellung wegen Schuldunfähigkeit des Täters.<br />

Die DNA-Profi le von schuldunfähigen Tätern werden<br />

folglich erst nach 30 Jahren gelöscht. Geht man nach dem<br />

Wortlaut des Gerichtsentscheids, dann wäre auch hier eine<br />

kurzfristige Löschung vorzusehen, weil es sich um einen Fall<br />

des Freispruchs oder der Verfahrenseinstellung handelt. Die<br />

Schuldunfähigkeit ist allerdings ein Sonderfall, mit dem sich<br />

der Gerichtshof noch gar nicht zu befassen hatte. Der Sache<br />

nach handelt es sich um Situationen, in denen der Täter eigentlich<br />

schuldig zu sprechen wäre, wegen besonderer Umstände<br />

aber von einem Entschuldigungsgrund profi tiert. Für<br />

das Risiko zukünftiger Straftaten bleibt sein DNA-Profi l dabei<br />

gleich relevant, als wäre er tatsächlich verurteilt worden.<br />

Darum muss es zulässig sein, die Daten erst nach 30 Jahren<br />

zu löschen. Weil es sich bei Schuldunfähigkeit um einen<br />

Sonderfall handelt, ist auch diese schweizerische Regelung<br />

konform mit der Rechtsprechung des Gerichts.<br />

d. Auch Fingerabdrücke unterstehen als erkennungsdienstliche<br />

Massnahme den Regelungen der neuen eidgenössischen<br />

StPO (Art. 260 ff. StPO). Jede gerichtspolizeilich<br />

interessierende Person kann erkennungsdienstlichen Massnahmen<br />

unterzogen werden. Voraussetzung ist die Erforderlichkeit<br />

zur Sachverhaltsabklärung und die Wahrung der<br />

Verhältnismässigkeit (Botschaft Strafprozessrecht, a.a.O.,<br />

S. 1243). Wie auch bei den DNA-Profi len werden die Fingerabdrücke<br />

in einer nationalen zentralen Datenbank (Automatisiertes<br />

Fingerabdruck-Identifi kations-System, AFIS)<br />

gespeichert und ihnen eine PCN zugewiesen, wobei in der<br />

getrennten Datenbank IPAS die Personendaten der betroffenen<br />

Person unter derselben PCN gespeichert sind (Art. 14<br />

BPI). Erst wenn sich bei der automatisierten Suche ein Hit<br />

ergibt, das heisst eine Übereinstimmung mit einem gespeicherten<br />

Fingerabdruck festgestellt wird, kann über die PCN<br />

eine Verbindung zu den Personendaten hergestellt und damit<br />

die Person identifi ziert werden.<br />

Die gestützt auf Art. 354 Abs. 4 StGB erlassene Verordnung<br />

über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher<br />

Daten vom 21. November 2001 (AFIS-Verordnung,<br />

SR 361.3) regelt spezialgesetzlich die Aufbewahrungsdauer<br />

und die Löschungspfl ichten bezüglich Fingerabdrücke. Die<br />

erfassten Fingerabdrücke werden gelöscht, sobald die betroffene<br />

Person von der Täterstellung ausgeschlossen werden<br />

kann (Art. 15 Abs. 1 lit. a AFIS-Verordnung). Eine sofortige<br />

Löschung erfolgt auch nach dem Tod der betroffenen Person<br />

(Art. 15 Abs. 1 lit. b AFIS-Verordnung). Als allgemeine<br />

Löschfrist für Fingerabdrücke wird eine Frist von 30 Jahren<br />

vorgesehen (Art. 15 Abs. 1 lit. c AFIS-Verordnung). Defi nitiv<br />

werden alle AFIS-Daten spätestens nach 50 Jahren gelöscht<br />

(Art. 15 Abs. 3 AFIS-Verordnung). Auf Gesuch der<br />

betroffenen Person werden Fingerabdrücke bei Abschluss<br />

des Verfahrens mit Freispruch bei Eintritt der Rechtskraft<br />

des Freispruchs gelöscht (Art. 16 Abs. 1 lit. a AFIS-Verordnung).<br />

Wird das Verfahren defi nitiv eingestellt, werden die<br />

Fingerabdrücke auf Gesuch der betroffenen Person ein Jahr<br />

nach der Verfahrenseinstellung gelöscht (Art. 16 Abs. 1 lit. b<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

AFIS-Verordnung). Erfolgt der Freispruch oder die Verfahrenseinstellung<br />

wegen Schuldunfähigkeit des Täters, werden<br />

die Daten dagegen nicht gelöscht (Art. 16 Abs. 2 AFIS-Verordnung).<br />

Bei der Löschung von Fingerabdrücken nach Freispruch<br />

oder Verfahrenseinstellung sind ähnliche Regeln vorgesehen<br />

wie bei DNA-Profi len. Nach Freispruch werden die Fingerabdrücke<br />

bei Eintritt der Rechtskraft gelöscht und bei Verfahrenseinstellung<br />

erfolgt die Löschung ein Jahr nach der<br />

defi nitiven Einstellung. Auch bei Fingerabdrücken wird vorgesehen,<br />

dass bei Schuldunfähigkeit keine Löschung erfolgt.<br />

Es stellen sich diesbezüglich dieselben Fragen wie bei den<br />

DNA-Profi len (vgl. vorne unter 2. c.). Bei den Vorschriften<br />

zu Fingerabdrücken besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied<br />

zur Regelung bei DNA-Profi len. Die Daten werden<br />

sowohl bei Freispruch als auch bei Verfahrenseinstellung nur<br />

auf Gesuch der betroffenen Person gelöscht. Die Erfassung<br />

von Fingerabdrücken stellt einen weniger schweren Eingriff<br />

in Grundrechte dar als jene von DNA-Profi len, weil aus Fingerabdrücken<br />

nicht gleich persönliche Informationen über<br />

die betroffene Person extrahiert werden können. Daher ist<br />

eine weniger strenge Regelung vertretbar. Jedoch dienen Fingerabdrücke<br />

immerhin als eindeutiges Identifi zierungsinstrument.<br />

Erfolgt die Löschung nur auf Gesuch der betroffenen<br />

Person, führt dies dazu, dass die Daten in den meisten Fällen<br />

nicht gelöscht sondern langfristig aufbewahrt werden, weil<br />

den betroffenen Personen die Erforderlichkeit der Gesuchseinreichung<br />

um Löschung ihrer Daten wohl kaum bekannt<br />

sein wird. In der Praxis wirkt sich diese Regelung folglich so<br />

aus, als ob keine Löschung vorgesehen wäre. Der Gerichtshof<br />

äusserte sich zu einer solchen Regelung nicht konkret.<br />

Immerhin hält er im Urteil im Umkehrschluss fest, dass freigesprochenen<br />

Personen die Möglichkeit gegeben sein muss,<br />

ihre Daten aus der Datenbank entfernen zu lassen. Mit dem<br />

Mittel der Gesuchseinreichung wird diese Voraussetzung erfüllt.<br />

Somit erweisen sich die im schweizerischen Recht vorgesehenen<br />

Bestimmungen auch bezüglich Fingerabdrücken<br />

insgesamt als konform mit den Vorgaben des Gerichtshofs.<br />

Denn eine Löschungsmöglichkeit ist vorgesehen – wenn<br />

auch nur auf Gesuch der betroffenen Person – und eine Befristung<br />

der Aufbewahrungsdauer ist auch vorgeschrieben.<br />

3. Der Gerichtshof weist auf die spezielle Situation Minderjähriger<br />

hin, weil sie sich noch in der Entwicklung befi<br />

nden und ihrer Integration in der Gesellschaft besonderes<br />

Gewicht zuzumessen ist. Daher wirkt sich die Aufbewahrung<br />

ihrer Daten – insbesondere wenn es sich um nicht verurteilte<br />

Personen handelt – besonders schädlich aus. Es besteht die<br />

erhöhte Gefahr der Stigmatisierung. Vor diesen Nachteilen<br />

sind Minderjährige besonders zu schützen. Das Gericht verweist<br />

auf Art. 40 des UNO-Übereinkommens über die Rechte<br />

des Kindes vom 20. November 1989 (SR 0.107, für die<br />

Schweiz in Kraft getreten am 26. März 1997). Dieser Artikel<br />

hält das Recht des Kindes fest, in einer Weise behandelt<br />

zu werden, welche zu einer erfolgreichen Wiedereingliederung<br />

in die Gesellschaft führt, räumt Kindern eine besonde-<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 367 10.3.2009 9:12:32 Uhr<br />

367


368<br />

re Stellung im Strafverfahren ein und hebt hervor, dass das<br />

Privatleben von Kindern in Strafprozessen besonders zu<br />

schützen ist. Des Weiteren schreibt der Artikel vor, dass für<br />

Kinder besondere Verfahren, Behörden, Einrichtungen und<br />

Vorkehrungen vorzusehen sind. Durch die unbefristete Aufbewahrung<br />

der Daten wird die Unschuldsvermutung, welche<br />

im zitierten Artikel auch als Mindestgarantie erwähnt wird,<br />

gefährdet. Der Gerichtshof macht diesbezüglich auf Bedenken<br />

der Vereinbarkeit der unbeschränkten Aufbewahrung der<br />

Daten von Minderjährigen mit dem UNO-Übereinkommen<br />

aufmerksam.<br />

Das Argument der besonderen Schutzwürdigkeit von Minderjährigen<br />

zieht der Gerichtshof zur Bestärkung seiner Argumentation<br />

hinzu, da im vorliegenden Fall ein Minderjähriger<br />

am Verfahren beteiligt ist. Er stellt bloss allgemein fest,<br />

dass Minderjährige mehr Schutz verdienen, stellt jedoch keine<br />

deutlichen Grundsätze für Minderjährige auf. Daher kann<br />

nicht abgeleitet werden, welche Regeln für die Aufbewahrung<br />

von Daten Minderjähriger anzuwenden sind. Immerhin<br />

erwähnt der Gerichtshof das Alter der betroffenen Person als<br />

Kriterium für die Überprüfung der Verhältnismässigkeit der<br />

unbeschränkten Datenaufbewahrung. Im schweizerischen<br />

Recht werden nebst den allgemeinen Grundsätzen (besonderes<br />

Verfahren, andere Behörden und alternative Einrichtungen<br />

und Vorkehrungen) keine besonderen Bestimmungen<br />

bezüglich des Umgangs mit Zellproben, DNA-Profi len und<br />

Fingerabdrücken von Minderjährigen oder gar Altersgrenzen<br />

vorgesehen. Die im schweizerischen Recht vorgesehen<br />

Löschungsfristen bei Freispruch oder Verfahrenseinstellung,<br />

welche auch für Minderjährige gelten, sind nur von kurzer<br />

Dauer. Daher kann diesbezüglich auch für Minderjährige<br />

von der Vereinbarkeit der Regeln mit den Grundsätzen des<br />

Gerichtshofs ausgegangen werden.<br />

4. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die<br />

schweizerischen Bestimmungen den Anforderungen des<br />

Gerichtshofs entsprechen und damit eine mit dem in Art. 8<br />

EMRK gewährleisteten Recht auf Achtung des Privatlebens<br />

vereinbare Regelung vorsehen. Im vorliegenden Fall hat<br />

der Gerichtshof die entscheidende Frage, ob die pauschale,<br />

unterschiedslose und unbefristete Aufbewahrung der Daten<br />

nach Freispruch oder Verfahrenseinstellung verhältnismässig<br />

sei, verneint. Das Gericht verlangt die Beachtung der Unterschiede<br />

zwischen den drei Datenarten und fordert insbesondere<br />

bei der Aufbewahrung von Zellproben erhöhte Schutzvorkehrungen.<br />

Die Verhältnismässigkeitsprüfung erfordert<br />

die Abwägung von verschiedenen Kriterien, so insbesondere<br />

die zeitliche Beschränkung der Aufbewahrung, die Erforderlichkeit<br />

einer Mindestschwere oder einer bestimmten Art der<br />

Straftat und die Beachtung des Alters der Person.<br />

Zwar erfüllt die schweizerische Regelung bezüglich der<br />

Löschung von Fingerabdrücken aus der Datenbank nur auf<br />

Gesuch der betroffenen Person die Voraussetzungen nach<br />

dem Gerichtshof. Jedoch würde sich aus praktischen Gründen<br />

die Löschung von Amtes wegen empfehlen. Denn nur so<br />

kann erreicht werden, dass die Daten auch wirklich gelöscht<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

werden. Die bestehenden Vorschriften sind dennoch mit der<br />

EMRK vereinbar.<br />

Das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte<br />

gefällte Urteil zieht basierend auf dem aktuellen wissenschaftlichen<br />

Stand bezüglich der DNA-Analyse eine Grenze.<br />

Diese Schranke ist wichtig, denn zukünftig wird die<br />

Forschung weitere Möglichkeiten in der DNA-Analyse – insbesondere<br />

bei der Verwendung von Zellproben – hervorbringen,<br />

welche auch in der Strafverfolgung zur Identifi zierung<br />

von Menschen erfolgsversprechend zum Einsatz kommen<br />

werden. Diese Entwicklungen werden erneut rechtliche Regelungen,<br />

welche die Gewährleistung der Grundrechte sicherstellen,<br />

erfordern. In der Zukunft sollten zumindest die<br />

im Urteil festgelegten Grundsätze weitergelten.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 368 10.3.2009 9:12:32 Uhr


2. Privatrecht / Droit privé<br />

2.6. Sachenrecht – allgemein /<br />

Droits réels – en général<br />

2.6.4. Grundbuch / Registre foncier<br />

(2) Art. 965 ZGB, Art. 24 Abs. 1bis lit. a GBV, Art. 164<br />

Abs. 1 und 2 OR. Die Vereinbarung, wonach die<br />

Übertragung eines selbständigen und dauernden<br />

Baurechts der Genehmigung durch die Grundeigentümerin<br />

bedarf, hat keine dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung<br />

zur Folge. Wird das Baurecht<br />

veräussert, hat demnach der Grundbuchverwalter<br />

nicht zu prüfen, ob der dienstbarkeitsbelastete<br />

Grundeigentümer seine Zustimmung zur Veräusserung<br />

erteilt hat.<br />

Bundesgericht, II. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 5A_614/<br />

2008 vom 26. November 2008 i.S. Burgergemeinde Bern<br />

gegen Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons<br />

Bern, Beschwerde in Zivilsachen (BGE 134 III …).<br />

Zusammenfassung des Sachverhalts:<br />

Die Burgergemeinde Bern ist Eigentümerin verschiedener<br />

Grundstücke, welche mit einem selbständigen und dauernden<br />

Baurecht belastet sind. In ihren Baurechtsverträgen<br />

vereinbart sie jeweils einen Vorbehalt für die Übertragung<br />

der Baurechte mit folgendem Wortlaut:<br />

«Die rechtsgeschäftliche Übertragung bedarf der Genehmigung<br />

durch die Grundeigentümerin. Die Genehmigung<br />

kann verweigert werden:<br />

–<br />

–<br />

–<br />

Mit Bemerkungen von<br />

Prof. Dr. ALFRED KOLLER, Universität St. Gallen<br />

wenn der Übernehmer nicht alle Rechte und Pfl ichten aus<br />

diesem Vertrag übernimmt;<br />

wegen fehlender Kreditwürdigkeit des Erwerbers oder<br />

aus anderen wichtigen Gründen.»<br />

Am 19. September stellte die Burgergemeinde beim Kreisgrundbuchamt<br />

VIII Bern-Laupen ein «Gesuch um Feststellung,<br />

dass jede Handänderung von im Grundbuch zu Lasten<br />

ihrer Grundstücke aufgenommenen selbständigen und dauernden<br />

Baurechte mit entsprechendem Genehmigungsvorbehalt<br />

ihrer Zustimmung bedürfe und ohne eine solche Zustimmung<br />

nicht im Grundbuch eingetragen werden dürfe.» Das<br />

Grundbuchamt trat mangels Feststellungsinteresses nicht<br />

auf das Gesuch ein. Dagegen reichte die Burgergemeinde<br />

Beschwerde ein bei der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion<br />

des Kantons Bern (JGK) und erneuerte ihr Gesuch<br />

um Erlass einer Feststellungsverfügung. Die JGK kam zum<br />

Schluss, dass das Grundbuchamt zu Recht auf das Gesuch<br />

der Burgergemeinde nicht eingetreten sei, soweit es um die<br />

Frage der Zustimmung zur Handänderung des Baurechts<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

gehe. Ob hingegen der Grundbucheintrag ohne eine solche<br />

Zustimmung erfolgen dürfe, stelle eine verwaltungsrechtliche<br />

Frage dar. Sie bejahte das Vorliegen eines schutzwürdigen<br />

Feststellungsinteresses und erwog, das Grundbuchamt,<br />

dem die Handänderung eines Baurechts zum Eintrag<br />

vorgelegt werde, habe nicht zu prüfen, ob die Burgergemeinde<br />

als belastete Grundeigentümerin ihre Zustimmung dazu<br />

erteilt hat. Die Beschwerde wurde demzufolge abgewiesen.<br />

Eine Beschwerde der Burgergemeinde beim Verwaltungsgericht<br />

des Kantons Bern hatte keinen Erfolg. Auch der beim<br />

Bundesgericht eingereichten Beschwerde in Zivilsachen war<br />

kein Erfolg beschieden. Auf die Erwägungen des Bundesgerichts<br />

wird im Rahmen der nachfolgenden Bemerkungen<br />

eingegangen.<br />

Bemerkungen:<br />

1. Das Bundesgericht ist auf die Beschwerde mit folgender<br />

Begründung eingetreten: «Strittig ist, ob für die Handänderung<br />

von im Grundbuch eingetragenen selbständigen und<br />

dauernden Baurechten die Zustimmung des Grundeigentümers<br />

erforderlich ist. Es geht um eine Frage der Führung<br />

des Grundbuchs, eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit,<br />

welche in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zivilrecht<br />

steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 BGG). Eine derartige<br />

Streitigkeit weist keinen Vermögenswert auf (vgl. Urteil 5A_<br />

35/2008 vom 10. Juni 2008 E. 2). Der kantonale Rechtsweg<br />

ist zudem im Hinblick auf die Eintretensvoraussetzungen<br />

nicht massgebend (BGE 131 V 271 E. 2; 123 III 346 E. 1a).<br />

Die Beschwerde in Zivilsachen ist damit gegeben.»<br />

2. Die Burgergemeinde, welche einem Dritten ein (selbständiges<br />

und dauerndes) Baurecht einräumt, will verhindern,<br />

dass der Erwerber des Baurechts dieses ohne ihre Zustimmung<br />

weiterveräussert. Das jeweils zum Vertragsinhalt gemachte<br />

Zustimmungserfordernis soll nicht bloss obligatorische<br />

Wirkung zeitigen, sondern dingliche in dem Sinne,<br />

dass eine Veräusserung des Baurechts ohne die erforderliche<br />

Zustimmung unwirksam ist und keinen Rechtsübergang bewirkt.<br />

Mit anderen Worten soll das Zustimmungserfordernis<br />

die Verfügungsbefugnis des Baurechtsinhabers beschränken.<br />

Wäre dieser Parteiwille beachtlich, dürfte der Grundbuchverwalter<br />

bei einer Baurechtsveräusserung den Erwerber nur<br />

ins Grundbuch eintragen (vgl. Art. 35 Abs. 2 lit. d GBV),<br />

wenn die Zustimmung erteilt wurde und der entsprechende<br />

Nachweis erbracht wird (Art. 965 Abs. 1 ZGB, 24 Abs. 1 bis<br />

lit. a GBV). Das Bundesgericht ist indes – wie die Berner<br />

Instanzen – der Auffassung, dass die Verfügungsbefugnis<br />

des Baurechtsinhabers nicht in dieser Weise beschränkt werden<br />

kann.<br />

3. Die Auffassung des Bundesgerichts ist jedenfalls dann<br />

zutreffend, wenn das selbständige und dauernde Baurecht<br />

als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen wurde.<br />

Diesfalls gelten für die Übertragung dieselben Regeln wie<br />

für Liegenschaften. Der Veräusserungsvertrag ist demnach<br />

öffentlich zu beurkunden, das Verfügungsgeschäft besteht<br />

in der Grundbucheintragung. Die Anmeldung erfolgt<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 369 10.3.2009 9:12:33 Uhr<br />

369


370<br />

durch den Baurechtsinhaber bzw. Grundstückseigentümer<br />

(Art. 965 Abs. 1 ZGB); eine allfällige Einschränkung der<br />

Verfügungsbefugnis kann – wie hinsichtlich einer Liegenschaft<br />

– nur obligatorische Bedeutung haben und ist daher<br />

für das Eintragungsverfahren ohne Bedeutung (s. im Einzelnen<br />

Dominik Bachmann, Verfügungsbeschränkungen bei<br />

gebuchten selbständigen und dauernden Rechten, insbesondere<br />

Baurechten, Diss. Zürich, Bern 1993, 144 ff.). Ist das<br />

(selbständige und dauernde) Baurecht nicht als Grundstück<br />

im Grundbuch eingetragen, so folgt die Übertragung ganz<br />

anderen Grundsätzen. Das Veräusserungsgeschäft bedarf<br />

nach wohl herrschender Ansicht der blossen Schriftform<br />

(vgl. Pascal Simonius/Thomas Sutter, Schweizerisches<br />

Immobiliarsachenrecht, Bd. II, Die beschränkten dinglichen<br />

Rechte, Basel/Frankfurt a. Main 1990, § 1 Rn 65, § 4 Rn 51;<br />

Jörg Schmid/Bettina Hürlimann-Kaup, Sachenrecht,<br />

2. A., Zürich 20<strong>03</strong>, Rn 1386; anders [für öffentliche Beurkundung]<br />

und m.E. vorzugswürdig das Eidg. Grundbuchamt<br />

in einer Meinungsäusserung vom 8. Februar 1989, BN<br />

1989, 411 Ziff. 32). Die Verfügung geschieht durch Zession<br />

(Art. 164 ff. OR analog; Bachmann, a.a.O., 170; Schmid/<br />

Hürlimann-Kaup, a.a.O., Rn 1386). Zwar ist eine Eintragung<br />

des neuen Baurechtsinhabers im Grundbuch nach herrschender<br />

Ansicht möglich (vgl. Art. 35 lit. d GBV), jedoch<br />

nicht konstitutiv (z.B. Simonius/Sutter, a.a.O., § 1 Rn 65<br />

m.w.Nw.; Schmid/Hürlimann-Kaup, a.a.O., Rn 1386).<br />

Folgt man dem Gesagten, so läge an sich die Auffassung<br />

nahe, dass die Verfügungsbefugnis des Baurechtsinhabers<br />

dinglich beschränkt werden kann (Art. 164 Abs. 1/2 OR<br />

analog). Art. 164 Abs. 1/2 OR sollte jedoch im vorliegenden<br />

Kontext nicht angewendet werden, vielmehr drängt es sich<br />

auf, eine dingliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis<br />

auszuschliessen, und zwar – in Übereinstimmung mit dem<br />

referierten Entscheid – generell (Bachmann, a.a.O., 170 f.;<br />

a.A. die vom BGer in E. 4.3 zitierten Isler und Schmid<br />

sowie Simonius/Sutter, a.a.O., § 4 Rn 51 Anm. 61). BGE<br />

72 I 233, der eine dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung<br />

unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet<br />

hatte, ist überholt.<br />

4. Nach geltendem Recht kann ein Zustimmungserfordernis<br />

auch nicht durch Vormerkung im Grundbuch realobligatorisch<br />

ausgestaltet werden. Das soll sich ändern: «Die<br />

Revisionsvorlage zum Immobiliarsachenrecht sieht nun<br />

die Möglichkeit vor, die Vormerkung rechtsgeschäftlicher<br />

Vereinbarungen im Grundbuch zu vereinbaren und damit<br />

diese gegenüber Rechtsnachfolgern durchzusetzen. Dies<br />

entspricht nach Ansicht des Gesetzgebers einem Bedürfnis<br />

der Vertragsparteien (Art. 779b E-ZGB; Botschaft vom<br />

27. Juni 2007 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches<br />

[Register-Schuldbrief und weitere Änderungen<br />

im Sachenrecht], BBl 2007 5313). Damit erhalten vertragliche<br />

Abmachungen realobligatorischen Charakter und können<br />

insbesondere gegenüber dem Erwerber des Baurechts<br />

durchgesetzt werden. Das Bundesamt für Justiz scheint in<br />

seiner Vernehmlassung davon auszugehen, dass durch die<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Vormerkung der Vereinbarung über die Beschränkung der<br />

Übertragbarkeit eines Baurechts das Verfügungsrecht des<br />

Baurechtsberechtigten gemäss Art. 965 ZGB eingeschränkt<br />

wird, womit das Grundbuchamt die Handänderung nicht<br />

ohne Zustimmung des Grundeigentümers vornehmen dürfte.<br />

Die Tragweite einer solchen neuen Vormerkungsmöglichkeit<br />

kann indes erst nach Abschluss der Gesetzgebungsarbeiten<br />

beurteilt werden.» (E. 4.4 des referierten Entscheids).<br />

5. Wenn die Parteien eines Baurechtsvertrages eine Verfügungsbeschränkung<br />

abmachen, welche dingliche Wirkung<br />

zeitigen soll, so ist die Vereinbarung auf die Begründung<br />

eines in dieser Form nicht begründbaren (Bau-)Rechts gerichtet.<br />

Ein solches Recht kann daher nicht ins Grundbuch<br />

eingetragen werden, eine entsprechende Anmeldung ist abzuweisen.<br />

Im vorliegenden Fall liess der Genehmigungsvorbehalt<br />

die dingliche Absicht nicht erkennen, vielmehr durfte<br />

der Grundbuchverwalter davon ausgehen, die von den Parteien<br />

beabsichtigte Verfügungbeschränkung solle lediglich<br />

obligatorische Wirkung zeitigen. Die Eintragung erfolgte<br />

daher aus grundbuchrechtlicher Sicht zu Recht. Zivilrechtlich<br />

lag aber möglicherweise ein ungerechtfertigter Eintrag<br />

vor. Dies traf dann zu, wenn tatsächlich eine dingliche Verfügungsbeschränkung<br />

beabsichtigt war und die damit verbundene<br />

rechtliche Unmöglichkeit Ganznichtigkeit des Vertrags<br />

zur Folge hatte (Art. 20 Abs. 2 OR).<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 370 10.3.2009 9:12:33 Uhr


2.7. Schuldrecht – allgemein /<br />

Droit des obligations – en général<br />

2.7.2. Obligationenrecht – Besonderer Teil –<br />

allgemein /<br />

Droit des obligations – Partie spéciale –<br />

en général<br />

2.7.2.3. Miete, Pacht / Bail à loyer, bail à ferme<br />

(3) Vorzeitige Kündigung des Mietverhältnisses<br />

(Art. 257 f. Abs. 3 OR); Untervermietung ohne Zustimmung<br />

des Vermieters (Art. 262 OR). Der Mieter,<br />

der das Mietobjekt untervermietet, ohne die Zustimmung<br />

des Vermieters einzuholen, riskiert eine<br />

vorzeitige Aufl ösung des Mietverhältnisses, wenn<br />

er auf eine schriftliche Abmahnung des Vermieters<br />

nicht reagiert und dieser sich aus einem der in<br />

Art. 262 Abs. 2 OR genannten Gründe der Untervermietung<br />

hätte widersetzen können (E. 3).<br />

Bundesgericht, I. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 4A_516/<br />

2007 vom 6. März 2008 (BGE 134 III 300 = Pra 2008<br />

Nr. 130).<br />

Mit Bemerkungen von<br />

Prof. Dr. ALFRED KOLLER, Universität St. Gallen<br />

Zusammenfassung des Sachverhalts:<br />

Das Ehepaar X. war seit dem Jahr 1988 Mieterin einer<br />

8-Zimmerwohnung in einer Liegenschaft in Genf. Der Mietzins<br />

betrug CHF 4220 pro Monat. Art. 3 des Mietvertrages<br />

sah hinsichtlich einer allfälligen Untervermietung Folgendes<br />

vor:<br />

«Der Mieter ist ermächtigt, nach seinem Belieben und auf<br />

eigene Verantwortung seine Wohnung in den drei Sommermonaten<br />

unterzuvermieten. Der Mieter ist jedoch verpfl ichtet,<br />

den Vermieter jedes Jahr vorgängig über die genauen Daten<br />

und die Bedingungen der Untermiete zu informieren.»<br />

Im Februar 1998 erwarb Y. die vermietete Liegenschaft zu<br />

Eigentum und wurde damit gemäss Art. 261 OR neuer Vermieter.<br />

Am 10. Mai 2001 kündigte Y. das Mietverhältnis unter<br />

Berufung auf Art. 257f Abs. 3 OR – ausserordentlicherweise<br />

– per 31. August 2001. Zur Begründung führte er an,<br />

die Mieter hätten die Wohnung untervermietet, ohne ihrer<br />

Informationspfl icht gemäss Art. 3 des Vertrags nachgekommen<br />

zu sein. Die Eheleute X. fochten die Kündigung an. Mit<br />

Schreiben vom 29. Mai 2001 informierten sie Y. zudem darüber,<br />

dass die Wohnung vom 1. Juni bis zum 31. August 2001<br />

zu einem Mietzins von CHF 12 000.– monatlich an einen<br />

gewissen V. vermietet werde. Eine Untervermietung erfolgte<br />

auch in den Monaten Januar und Februar 2002, wiederum für<br />

monatlich CHF 12 000.–, allerdings ohne Kenntnisgabe an Y.<br />

Mit Schreiben vom 21. Januar 2002 teilte Y. den Eheleuten<br />

X. mit, er habe erfahren, dass die Wohnung – erneut ohne<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

seine Zustimmung – untervermietet worden sei, und forderte<br />

die Mieter auf, ihm die nach Vertrag nötigen Angaben zu machen.<br />

Am 24. Januar 2002, anlässlich der Anhörung im Rahmen<br />

des Verfahrens betreffend Anfechtung der Kündigung<br />

vom 10. Mai 2001, stellten die Eheleute X. wahrheitswidrig<br />

in Abrede, dass die Wohnung noch untervermietet sei. Hierauf<br />

liess Y. dem Ehepaar X. mit Schreiben vom 6. Februar<br />

2002 eine neue (ausserordentliche) Kündigung zukommen.<br />

Auch diese fochten die Eheleute X. an.<br />

Mit Entscheid vom 20. Februar 20<strong>03</strong> hat das Mietgericht<br />

des Kantons Genf die Kündigung vom 10. Mai 2001 aufgehoben.<br />

Hingegen erklärte es die Kündigung vom 6. Februar<br />

2002 für gültig (Urteil vom 22. Januar 2007). Der Appellationshof<br />

des Kantons Genf hat dieses Urteil – auf Berufung<br />

der Mieter hin – bestätigt. Eine von den Eheleute X. beim<br />

Bundesgericht eingereichte Beschwerde in Zivilsachen hatte<br />

keinen Erfolg. Das Bundesgericht hat die Kündigung – gleich<br />

wie der Vermieter und die Vorinstanzen – auf Art. 257 f.<br />

Abs. 3 OR abgestützt.<br />

Bemerkungen:<br />

1. Im Ergebnis ist dem Bundesgericht zuzustimmen. Denn<br />

der Vermieter musste es zweifellos nicht dulden, dass die<br />

Mieter ständig ihre Informationspfl icht (Art. 3 des Vertrags)<br />

verletzten, nicht nur durch Unterlassung, sondern auch durch<br />

positives Tun (Anlügen), und zudem einen im Verhältnis zum<br />

Hauptmietzins missbräuchlichen Untermietzins verlangten.<br />

Zweifelhaft ist hingegen, ob die dogmatische Grundlegung<br />

der Kündigung die richtige ist. Art. 257 f. Abs. 3 OR, den das<br />

Bundesgericht heranzieht, betrifft ja die Vertragsaufl ösung<br />

wegen unsorgfältiger Behandlung der Mietsache (Abs. 1<br />

und 4) bzw. fehlender Rücksichtnahme auf die Nachbarn<br />

(Abs. 2), darum aber ging es in casu offensichtlich nicht.<br />

Zumindest eine unmittelbare Anwendung der Bestimmung<br />

fällt daher ausser Betracht. M.E. ist auch eine (einzel-)analoge<br />

Anwendung abzulehnen, denn die mit einer Untermiete<br />

verbundenen Mieterpfl ichten haben mit den in Art. 257 f.<br />

OR geordneten Pfl ichten wenig gemein. Richtiger scheint<br />

es vielmehr, das Vertragsaufl ösungsrecht im Wege einer Gesamtanalogie,<br />

in deren Rahmen freilich auch Art. 257f OR<br />

beachtlich ist, zu begründen. Für die Darstellung der Einzelheiten<br />

lehne ich mich an das im OR AT Gesagte an (Alfred<br />

Koller, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner<br />

Teil, 3. A., Bern 2009, § 58 Rn. 8):<br />

Dauerverträge wie der Mietvertrag können bei Vorliegen<br />

wichtiger Gründe, welche einer Partei das weitere Festhalten<br />

am Vertrag unzumutbar machen, aufgelöst werden<br />

(z.B. Art. 337 Abs. 1 OR; BGE 128 III 428). Als wichtiger<br />

Grund kommt namentlich vertragswidriges Verhalten einer<br />

Vertragspartei in Betracht (z.B. Art. 337b Abs. 1 OR; BGE<br />

129 III 380 E. 2.2). Im Vordergrund steht die vertragswidrige<br />

Nicht- oder Schlechterbringung der geschuldeten Leistung<br />

(z.B. Art. 257d und 258 Abs. 1 OR), doch können im Einzelfall<br />

auch Nebenpfl ichtverletzungen einen wichtigen Grund<br />

zur Vertragsaufl ösung abgeben. Das ist zwar im schweize-<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 371 10.3.2009 9:12:33 Uhr<br />

371


372<br />

rischen Recht – anders als etwa im deutschen (§ 324 BGB) –<br />

nicht allgemein, sondern nur für einzelne Tatbestände ausdrücklich<br />

festgestellt (z.B. Art. 257 f., 285, 309 Abs. 2, 337b<br />

OR); aus den betreffenden Regeln ist jedoch – im Wege der<br />

Gesamtanalogie (dazu allgemein Ernst A. Kramer, Juristische<br />

Methodenlehre, 2. A., Bern etc. 2005, 179; Koller,<br />

a.a.O., § 28 Anm. 7, m.w.H.) – ein allgemeiner Rechtsgrundsatz<br />

abzuleiten.<br />

Was für Dauerverträge gilt, gilt mutatis mutandis auch für<br />

andere Verträge, etwa Kauf- oder Werkverträge (vgl. meinen<br />

OR AT, § 29 Rn. 3 i.V.m. § 58 Rn. 8). Das sei hier der Vollständigkeit<br />

halber nachgetragen, obwohl es in casu um einen<br />

Dauervertrag ging.<br />

2. Gleichgelagert war der Fall BGE 134 III 300 = Pra 2009<br />

Nr. 21. Auch hier wurde eine ausserordentliche Kündigung<br />

wegen unerlaubter Untermiete in Anwendung von Art. 257f<br />

Abs. 3 OR geschützt. Gleich wie im vorne referierten Entscheid<br />

wurde die Bestimmung unmittelbar zur Anwendung<br />

gebracht.<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

7. Strafrecht / Droit pénal<br />

7.2. Strafrecht – Allgemeiner Teil – allgemein /<br />

Droit pénal – Partie générale – en général<br />

(4) Der Jetlag dauert an oder Neue Unwägbarkeiten<br />

im Recht der strafrechtlichen Verjährung.<br />

Bundesgericht, Urteil der Strafrechtlichen Abteilung vom<br />

16. Oktober 2008, 6B_686/2008 (BGE 134 IV 328).<br />

Mit Bemerkungen von Dr. iur. CHRISTOF RIEDO,<br />

Assoz. Professor an der Universität Fribourg<br />

und MLaw MATTHIAS ZURBRÜGG,<br />

Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Fribourg<br />

Zusammenfassung des Sachverhalts:<br />

A. und B. züchteten ab 1994/95 im Elsass Pferde und verkauften<br />

diese auch in die Schweiz. Eine Untersuchung der<br />

Zollkreisdirektion Basel ergab, dass zwischen 1996 und<br />

1999 zahlreiche dieser Pferde illegal über Grenzübergänge<br />

oder für den Warenverkehr geschlossene Zollstrassen zwischen<br />

Boncourt und Basel St. Louis in die Schweiz eingeführt<br />

wurden.<br />

Die Zollkreisdirektion Basel nahm gegen A. und B. sowie<br />

zahlreiche weitere Personen, darunter C. und D., Schlussprotokolle<br />

auf, in denen sie ihnen Widerhandlungen gegen das<br />

Zollgesetz, das Tierseuchengesetz, die Mehrwertsteuerverordnung<br />

und das Mehrwertsteuergesetz zur Last legte.<br />

Mit Verfügungen vom 31. Januar 2002 wurden A., B., C.,<br />

D. und weitere Personen für die hinterzogenen Abgaben leistungspfl<br />

ichtig erklärt.<br />

B., C. und D. fochten diese Verfügungen an. Über die Beschwerden<br />

von B. und C. entschied die Oberzolldirektion am<br />

19. Mai 2004 bzw. am 17. November 2004; die Entscheide<br />

erwuchsen in Rechtskraft. In Sachen D. entschied die Eidgenössische<br />

Zollrekurskommission am 29. September 2005<br />

letztinstanzlich.<br />

Am 11. Oktober 2006 überwies die Eidgenössische Oberzolldirektion<br />

die Anklageschrift gegen A., B. und C. an das<br />

zuständige Gericht des Kantons Basel-Landschaft zur gerichtlichen<br />

Beurteilung. Alle übrigen Fälle wurden durch<br />

verwaltungsstrafrechtlichen Entscheid der Zollverwaltung<br />

erledigt.<br />

Am 27. September 2007 gab das Strafgerichtspräsidium<br />

Basel-Landschaft dem Verfahren gegen A. wegen eingetretener<br />

Verjährung keine weitere Folge.<br />

Gegen B. und C. erliess das Strafgericht Basel-Landschaft<br />

am 31. Januar 2008 Urteile, welche in Rechtskraft erwachsen<br />

sind.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 372 10.3.2009 9:12:34 Uhr


Am 16. Juni 2008 wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft<br />

die Beschwerde der Oberzolldirektion gegen die vorinstanzliche<br />

Verfügung ab.<br />

Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Eidgenössische<br />

Zollverwaltung, das kantonsgerichtliche Urteil<br />

aufzuheben, festzustellen, dass noch nicht sämtliche A.<br />

vorgeworfenen Straftaten verjährt seien und die Sache zur<br />

Neubeurteilung ans Kantonsgericht zurückzuweisen.<br />

A. beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde<br />

abzuweisen.<br />

Zusammenfassung der Erwägungen:<br />

2.1 Die dem Beschwerdegegner angelasteten Delikte wurden<br />

zwischen März 1997 und Juli 1999 begangen und sollen<br />

nach der Überweisungsverfügung der Oberzolldirektion als<br />

Zollübertretung, Bannbruch und Steuerhinterziehung strafbar<br />

sein. Soweit das Verwaltungsstrafrecht keine besonderen<br />

Regelungen kennt, ist der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches<br />

anwendbar (Art. 2 VStrR).<br />

Art. 83 des im Deliktszeitpunkt geltenden Zollgesetzes<br />

vom 1. Oktober 1925 bestimmte, dass die Verfolgungsverjährung<br />

gemäss Art. 11 Abs. 2 VStrR auch für den Bannbruch<br />

und die Zollhehlerei gelte. Im aktuellen Zollgesetz<br />

vom 18. März 2005 (SR 631.0; ZG) bestimmt Art. 129, dass<br />

Art. 11 Abs. 2 VStrR für alle Zollwiderhandlungen gilt. Die<br />

im Deliktszeitpunkt geltende Mehrwertsteuerverordnung<br />

vom 22. Juni 1994 enthielt keine spezielle Regelung der Verfolgungsverjährung;<br />

Art. 64 Abs. 1 verwies allgemein auf<br />

das Verwaltungsstrafrecht. Daran hat sich im heute geltenden<br />

Mehrwertsteuergesetz vom 2. September 1999 (SR 641.20,<br />

MWSTG) nichts geändert, Art. 88 Abs. 1 erklärt lapidar<br />

das Verwaltungsstrafrecht für anwendbar. Mangels abweichender<br />

spezialgesetzlicher Bestimmungen richtet sich<br />

somit die Verfolgungsverjährung nach dem Verwaltungsstrafrecht<br />

und dem Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches,<br />

dessen revidierte Fassung auf den 1. Januar 2007 in Kraft<br />

gesetzt wurde. Verjährungsfristen und deren Ablauf sind für<br />

die Übertretungen in Art. 11 VStrR speziell geregelt. Die<br />

Verjährungsfristen für Vergehen richten sich nach den allgemeinen<br />

strafrechtlichen Bestimmungen, deren Ablauf nach<br />

Art. 11 Abs. 3 VStrR.<br />

Altrechtlich verjährten die dem Beschwerdegegner vorgeworfenen<br />

Übertretungen relativ in 5, absolut in 7 1 /2 Jahren<br />

(Art. 11 Abs. 2 VStrR). Für Vergehen galten altrechtlich im<br />

Ergebnis die gleichen Fristen (Art. 70 und 72 Ziff. 2 Abs. 2<br />

aStGB).<br />

Neurechtlich verjähren Vergehen in sieben Jahren (Art. 97<br />

Abs. 1 lit. c StGB), wobei die Verjährung nicht mehr unterbrochen<br />

und nach dem erstinstanzlichen Urteil nicht mehr<br />

eintreten kann (Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB).<br />

Fraglich ist, ob darunter nur Verurteilungen zu verstehen<br />

sind oder auch Freisprüche und Verfahrenseinstellungen.<br />

Der Wortlaut lässt beides zu. Die Verjährung bezweckt aus<br />

verschiedenen prozessualen und materiell-strafrechtlichen<br />

Gründen, die Strafverfolgung nach Ablauf einer bestimmten<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Zeitspanne einzustellen. Mit einem Freispruch wird festgestellt,<br />

dass der Angeklagte wegen der gegen ihn erhobenen<br />

Vorwürfe nicht verurteilt werden kann. Es widerspräche jeder<br />

Logik, an diese Feststellung die Rechtsfolge zu knüpfen,<br />

dass der Freigesprochene wegen eben dieser Vorwürfe zeitlich<br />

unbegrenzt weiter verfolgt werden kann, weil die beurteilte<br />

Straftat nicht mehr verjährt. Unter «erstinstanzlichen<br />

Urteilen» im Sinne von Art. 97 Abs. 3 und Art. 333 Abs. 6<br />

lit. d StGB sind daher ausschliesslich verurteilende Erkenntnisse<br />

zu verstehen.<br />

Art. 11 Abs. 2 VStrR, welcher die Verjährung der hier zu<br />

beurteilenden Übertretungen regelt, ist noch nicht ans neurechtliche<br />

Verjährungssystem angepasst worden, welches<br />

keine Unterbrechung mehr kennt. Bis dies erfolgt ist, gilt,<br />

dass die Verfolgungsverjährungsfristen um die ordentliche<br />

Dauer verlängert werden (Art. 333 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 lit. b<br />

StGB). Ausgehend von der fünfjährigen Verjährungsfrist von<br />

Art. 11 Abs. 2 VStrR ergäbe diese eine Verfolgungsverjährung<br />

von zehn Jahren. Es kann indessen nicht sein, dass für<br />

Übertretungen eine längere Verjährungsfrist gilt als für nach<br />

dem gleichen Gesetz zu ahndende Vergehen; diese ist daher<br />

auf das für letztere geltende Mass zu verringern. Daraus<br />

folgt, dass neurechtlich sowohl die dem Beschwerdegegner<br />

vorgeworfenen Übertretungen als auch die Vergehen innert<br />

sieben Jahren verjähren. Das neue Verjährungsrecht ist somit<br />

vorliegend das mildere und damit anwendbare.<br />

2.2 Nach Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht die Verjährung «bei Vergehen<br />

und Übertretungen während der Dauer eines Einsprache-,<br />

Beschwerde- oder gerichtlichen Verfahrens über die<br />

Leistungs- oder Rückleistungspfl icht oder über eine andere<br />

nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage<br />

oder solange der Täter im Ausland eine Freiheitsstrafe<br />

verbüsst». Das Kantonsgericht vertritt im angefochtenen<br />

Entscheid die Auffassung, der Beschwerdegegner habe die<br />

Verfügung vom 31. Januar 2002, mit welcher seine Leistungspfl<br />

icht festgelegt worden sei, nicht angefochten, weshalb<br />

die Verjährung nicht geruht habe und damit eingetreten<br />

sei. Die Beschwerdeführerin sieht dadurch Art. 11 Abs. 3<br />

VStrR verletzt, da ihrer Auffassung nach die Anfechtung der<br />

Leistungspfl icht durch einen Pfl ichtigen genügt, um die Verjährung<br />

gegen alle Mitangeklagten ruhen zu lassen. Gegen<br />

die Verfügungen vom 31. Januar 2002, mit welchen der Beschwerdeführer<br />

und die weiteren am illegalen Pferdeimport<br />

Beteiligten leistungspfl ichtig erklärt wurden, wurden drei<br />

Rechtsmittel erhoben. Als letztes von ihnen wurde dasjenige<br />

von D. am 17. November 2005 endgültig erledigt. Die<br />

Verjährungsfrist im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner<br />

hätte somit nach dieser Auffassung rund 2 3 /4 Jahre<br />

geruht, würde sich um diese Dauer verlängern und wäre<br />

damit jedenfalls in Bezug auf einzelne Delikte auch heute<br />

im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Entscheids noch nicht<br />

abgelaufen.<br />

3.1 Die Beschwerdeführerin führt aus, bei Fiskaldelikten<br />

hänge der Entscheid im Strafpunkt von demjenigen über die<br />

Leistungspfl icht bzw. über die Abgabenberechnung und die<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 373 10.3.2009 9:12:34 Uhr<br />

373


374<br />

Tarifeinreihung ab und werde dementsprechend erst nach<br />

dessen rechtskräftiger Erledigung gefällt. Aufgrund dieser<br />

Abhängigkeit des Strafverfahrens von der Abgabenberechnung<br />

sei das Bundesgericht (BGE 88 IV 87 E. 4b; 89 IV<br />

160 E. 6; 119 IV 330 E. 2d) bereits vor dem Inkrafttreten<br />

von Art. 11 Abs. 3 VStrR davon ausgegangen, dass die Beschwerde<br />

gegen die Leistungspfl icht die Verfolgungsverjährung<br />

ruhen lasse, und zwar gegen alle am Strafverfahren<br />

Beteiligten. Der Entscheid über die Leistungspfl icht betreffe<br />

sowohl die Frage, wer leistungspfl ichtig sei (subjektive<br />

Leistungspfl icht) als auch diejenige, ob überhaupt eine Leistungspfl<br />

icht entstanden sei (objektive Leistungspfl icht). Da<br />

die Beurteilung der Straftat u.a. von diesem Punkt abhange,<br />

es sich somit um eine nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz<br />

zu beurteilende Vorfrage im Sinne von Art. 11 Abs. 3 VStrR<br />

handle, ergebe sich die verjährungshemmende Wirkung in<br />

Bezug auf die Strafverfahren gegen alle Tatbeteiligte bereits<br />

aus dem Gesetzeswortlaut.<br />

3.2 Unter der Herrschaft des alten Zollgesetzes in seiner<br />

bis Ende Mai 1973 geltenden Fassung (AS 1973 644) war<br />

die Rechtslage gemäss expliziter gesetzlicher Regelung in<br />

Art. 110 Abs. 2 aZG insofern klar, als die Beschwerde eines<br />

Tatbeteiligten gegen die Festsetzung der Leistungspfl icht für<br />

alle beschwerdebefugten Personen Wirkung hatte. Daraus<br />

hat das Bundesgericht in den aus den Jahren 1962 und 1963<br />

(BGE 88 IV 87 und 89 IV 160) stammenden Entscheiden<br />

den nahe liegenden Schluss gezogen, dass die Beschwerde<br />

eines Beteiligten die strafrechtliche Verjährung gegen sämtliche<br />

Beschwerdebefugten ruhen lässt. Aus den Materialien<br />

(BBl 1972 II 228 ff.) ergibt sich kein Hinweis, dass diese Regelung<br />

materiell geändert werden sollte; vielmehr diente die<br />

erwähnte Revision dazu, eine Vielzahl spezialgesetzlicher<br />

Verfahrensbestimmungen ins neue Bundesgesetz über das<br />

Verwaltungsstrafrecht zu überführen, Art. 110 Abs. 2 aZG<br />

konkret in Art. 11 Abs. 3 VStrR. Für die Beschwerdeführerin<br />

hat sich dadurch die Rechtslage nicht geändert. Für sie ergibt<br />

sich auch aus der neuen Bestimmung, dass eine Beschwerde<br />

gegen die Festsetzung der Leistungspfl icht die strafrechtliche<br />

Verjährung auch gegenüber den Mitbeteiligten ruhen lässt.<br />

3.3 Im Rechtsmittelsystem des Verwaltungsstrafrechts sind<br />

Strafverfahren (Art. 62 VStrR) und Leistungs- bzw. Rückleistungsverfahren<br />

(Art. 63 VStrR), die gleiche oder sich<br />

zumindest teilweise überschneidende Sachverhalte betreffen<br />

und sich gegen mehrere Beteiligte richten, wechselseitig<br />

voneinander abhängig. Fusst ein Strafbescheid auf einem<br />

Entscheid über die Leistungs- oder Rückleistungspfl icht<br />

und wird dieser erfolgreich angefochten, so erlässt die Verwaltung<br />

einen neuen Strafbescheid (Art. 63 Abs. 3 VStrR).<br />

Einsprachen gegen einen Strafbescheid haben zur Folge,<br />

dass dieser mit Wirkung für alle Beteiligten zu überprüfen<br />

ist, wobei das Einspracheverfahren auszusetzen ist, bis – soweit<br />

mitangefochten – über die Leistungspfl icht befunden ist<br />

(Art. 69 Abs. 1 und 2 VStrR). Nicht anders verhält es sich,<br />

wenn einer der Beteiligten ans Strafgericht zu überweisen ist<br />

(Art. 62 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 VStrR).<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Auch in diesem Fall muss davon ausgegangen werden,<br />

dass die – für den Strafrichter nach Art. 77 Abs. 4 VStrR<br />

grundsätzlich verbindliche – Änderung eines Leistungsentscheides<br />

zu einer Überprüfung bzw. Anpassung der Strafbescheide<br />

und Strafurteile gegenüber allen Beteiligten führt.<br />

Daher ist mit der Überweisung an den Strafrichter solange<br />

zuzuwarten, als ein Verfahren über die Leistungspfl icht<br />

hängig ist, das sich auf die Strafverfahren gegen die Mitbeteiligten<br />

auswirken kann (Art. 69 Abs. 2 VStrR; Kurt Hauri,<br />

Verwaltungsstrafrecht, Bern 1998, S. 150 mit Hinweis auf<br />

die Materialien). Dies setzt voraus, dass die Verjährung für<br />

diesen Zeitraum nach Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht, ansonsten<br />

sie bei langwierigen Verwaltungsverfahren bereits vor der<br />

Überweisung des Strafverfahrens an die kantonalen Strafgerichte<br />

eintreten könnte. Dieses aus der Logik des Rechtsmittelsystems<br />

zwingende Auslegungsergebnis wird vom Wortlaut<br />

der Bestimmung ohne weiteres gedeckt, womit Art. 11<br />

Abs. 3 VStrR auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 1<br />

StGB («Keine Strafe ohne Gesetz») eine taugliche gesetzliche<br />

Grundlage bildet, die strafrechtliche Verjährung ruhen<br />

zu lassen.<br />

Dazu kommt, dass es unter Umständen verfassungsrechtlich<br />

geboten sein kann, Strafverfahren gegen Mittäter zu<br />

vereinigen, insbesondere wenn die Gefahr besteht, dass die<br />

Art und der Umfang der Beteiligung wechselseitig bestritten<br />

werden und somit die Gefahr besteht, dass ein Teilnehmer<br />

die Schuld dem anderen zuweisen will (BGE 116 Ia 305<br />

E. 4b S. 313; vgl. auch 115 Ia 34 E. 2c/cc S. 40). Dies stand<br />

vorliegend umso mehr zu befürchten, als die beiden Haupttäter<br />

in eine Kampfscheidung gerieten. Auch unter diesem<br />

Titel erscheint es sachgerecht, Art. 11 Abs. 3 VStrR dahingehend<br />

auszulegen, dass die Beschwerde eines Tatbeteiligten<br />

gegen seine Leistungspfl icht die Verjährung der Strafverfahren<br />

gegen alle Mitbeteiligten ruhen lässt, weil sonst eine<br />

möglicherweise gebotene Vereinigung der Strafverfahren jedenfalls<br />

bei einer längeren Dauer der Rechtsmittelverfahren<br />

faktisch verunmöglicht würde.<br />

3.4 Hat somit die strafrechtliche Verjährungsfrist für den<br />

Beschwerdegegner während der Dauer der von einzelnen<br />

Mitbeteiligten gegen die Festsetzungen ihrer Leistungspfl<br />

icht angehobenen Rechtsmittelverfahren geruht, so waren<br />

im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids jedenfalls nicht<br />

alle Delikte des Beschwerdegegners absolut verjährt, und sie<br />

sind es auch heute im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Entscheids<br />

noch nicht (vorne E. 2.2). Die Beschwerde ist daher<br />

gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und<br />

die Sache dem Kantonsgericht Basel-Landschaft zu neuem<br />

Entscheid zurückzuweisen. Angesichts der weiter laufenden<br />

Verjährung wird dieses die Angelegenheit ohne Rückweisung<br />

an die erste Instanz beförderlich selber zu entscheiden<br />

haben.<br />

Die Beschwerde wurde gutgeheissen, der angefochtene<br />

Entscheid vom 16. Juni 2008 aufgehoben und die Sache dem<br />

Kantonsgericht Basel-Landschaft zu neuem Entscheid zurückgewiesen.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 374 10.3.2009 9:12:34 Uhr


Bemerkungen:<br />

I. Altes und neues Verjährungsrecht<br />

1. Am 1. Oktober 2002 sind die revidierten Bestimmungen<br />

zur strafrechtlichen Verjährung in Kraft getreten. Gesetzgeberischer<br />

Leitgedanke war es, das als unnötig kompliziert<br />

erkannte und teils unbillige Ergebnisse zeitigende Verjährungsrecht<br />

zu entschlacken und von seinen Mängeln zu<br />

befreien. Dies geschah durch folgende Neuerungen (vgl.<br />

zum Nachfolgenden Martin Schubarth, Das neue Recht<br />

der strafrechtlichen Verjährung, in: ZStrR 2002, 321–339,<br />

330 f.; Christian Denys, Prescription de l’action pénale:<br />

Les nouveaux art. 70, 71, 109 et 333 al. 5 CP, in: SJ 20<strong>03</strong> II<br />

49-66, 50 f.; Christof Riedo/Oliver M. Kunz, Jetlag oder<br />

Grundprobleme des neuen Verjährungsrechts, in: <strong>AJP</strong>/PJA<br />

2004, 904–916, 904):<br />

• Die in Art. 72 aStGB geregelten Institute des Ruhens und<br />

des Unterbrechens der Verfolgungsverjährung wurden<br />

aufgehoben. Damit einhergehend fi el die Unterscheidung<br />

zwischen relativer und absoluter Verjährungsfrist dahin.<br />

• Die durch die Aufhebung von Art. 72 aStGB erfolgte<br />

faktische Verkürzung der (absoluten) Verjährung wurde<br />

durch eine Verlängerung der Verjährungsfristen in Art. 70<br />

aStGB (heute Art. 97 StGB) abgefedert.<br />

• Schliesslich wurde der als unbillig empfundenen Möglichkeit,<br />

sich durch das Einlegen von Rechtsmitteln in die<br />

Verjährung zu retten, der Riegel geschoben: Die Verjährung<br />

kann nicht mehr eintreten, sobald ein erstinstanzliches<br />

Urteil ergangen ist (Art. 70 Abs. 3 aStGB; heute<br />

Art. 97 Abs. 3 StGB).<br />

2. Die sich aus diesen Neuerungen ergebenden übergangsrechtlichen<br />

Fragen regelt Art. 389 StGB, wonach die Bestimmungen<br />

des neuen Verjährungsrechts auch auf den Täter<br />

anwendbar sind, der vor Inkrafttreten des neuen Rechts eine<br />

Tat verübt hat, sofern das neue Recht das mildere ist und das<br />

Gesetz nichts anderes bestimmt.<br />

Damit wird der für das materielle Strafrecht geltende<br />

Grundsatz der lex mitior (Art. 2 Abs. 2 StGB) auch für die<br />

Verjährung festgeschrieben, wenngleich besondere Übergangsbestimmungen,<br />

insbesondere bei bestimmten Straftaten<br />

zum Nachteil von Kindern unter 16 Jahren (Art. 97<br />

Abs. 2 und 4 StGB) sowie bei Völkermord (Art. 101 Abs. 3<br />

StGB), als lex specialis vorbehalten bleiben (vgl. dazu BSK-<br />

Strafrecht II-Riedo, Art. 389 N 13–17).<br />

3. Um die neuen Verjährungsregeln auch im Gestrüpp des<br />

Nebenstrafrechts mit seinen häufi g speziellen Verjährungsfristen<br />

umzusetzen, hat der Gesetzgeber mit Art. 333 Abs. 6<br />

(aStGB: Abs. 5) eine für das gesamte Nebenstrafrecht geltende<br />

Transformationsnorm erlassen (vgl. dazu etwa Riedo/<br />

Kunz, <strong>AJP</strong>/PJA 2004, 905; BSK-Strafrecht II-Wiprächtiger,<br />

Art. 333 N 30 f.):<br />

• Bis zu ihrer ordentlichen Anpassung an das neue Verjährungsregime<br />

werden die Verfolgungsverjährungsfristen<br />

für Verbrechen und Vergehen um deren Hälfte erhöht;<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

diejenigen der Übertretungen verdreifacht (lit. a). Nach<br />

lit. b besteht indes eine Ausnahme für Verjährungsfristen,<br />

die bereits über ein Jahr betragen: Diese werden lediglich<br />

verdoppelt.<br />

Gemäss lit. c werden die Bestimmungen über das Ruhen<br />

und die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung auch<br />

im Nebenstrafrecht aufgehoben. Vorbehalten bleibt einzig<br />

Art. 11 Abs. 3 VStrR. Die Verjährung ruht demnach<br />

während der Dauer eines Einsprache-, Beschwerde- oder<br />

gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder Rückleistungspfl<br />

icht oder über eine andere nach dem einzelnen<br />

Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage oder solange<br />

der Täter im Ausland eine Freiheitsstrafe verbüsst. Art. 11<br />

Abs. 3 VStrR ist freilich immer nur dann anwendbar,<br />

wenn das VStrR direkt oder indirekt (Art. 1 VStrR) für<br />

anwendbar erklärt wird.<br />

Schliesslich kann, nachdem ein erstinstanzliches Urteil<br />

ergangen ist, die Verjährung nicht mehr eintreten (lit. d).<br />

II. Der Beginn der Verjährungsfrist<br />

1. Die Verfolgungsverjährung beginnt (nach altem wie nach<br />

neuem Recht) im Zeitpunkt der strafbaren Handlung (Art. 98<br />

StGB; Art. 71 aStGB).<br />

Führt der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen<br />

Zeiten aus, beginnt die Verjährung «mit dem Tag, an dem er<br />

die letzte Tätigkeit ausführt» (Art. 98 lit. b StGB bzw. Art. 71<br />

Abs. 2 aStGB).<br />

2. Diese Regelung hatte das Bundesgericht dazu veranlasst,<br />

unter gewissen Voraussetzungen mehrere strafbare Verhaltensweisen<br />

zu einem einzigen Delikt zusammenzufassen.<br />

2.1 Das geschah zunächst unter dem Titel des sog. «fortgesetzten<br />

Deliktes»: Das Bundesgericht betrachtete ein fortgesetztes<br />

Delikt als gegeben, wenn mehrere «gleichartige<br />

oder ähnliche Handlungen, die gegen das gleiche Rechtsgut<br />

gerichtet» waren, auf «ein und denselben Willensentschluss»<br />

zurückgingen (BGE 102 IV 74, E. 2a, S. 77). Als<br />

(historisches) Lehrbuchbeispiel galt etwa der wiederholte<br />

ehebrecherische Verkehr (Art. 214 aStGB) mit derselben<br />

Frau (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht,<br />

Allgemeiner Teil I, 1. A., Bern 1982, § 19 N 12). Kein fortgesetztes<br />

Delikt sollte indes vorliegen, wenn sich der Täter<br />

wiederholt entschlossen hatte, mit dem Delinquieren aufzuhören,<br />

dann aber der Versuchung jeweils wieder erlag (Stratenwerth,<br />

AT I, 1. A., § 19 N 15; Hans Schultz, Die<br />

strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre<br />

1964, in: ZBJV 1966, 41–69, 55; Jörg Rehberg/Andreas<br />

Donatsch, Strafrecht I, 7. A., Zürich 2001, 321 f.). Ferner<br />

sollte auch beim Willen, «zahlreiche gleichartige Straftaten<br />

zu verüben, deren Ausführung nach Art, Zeit und Ort aber<br />

ungewiss» war, kein fortgesetztes Delikt vorliegen (BGE 102<br />

IV 74, E. 2b, S. 78).<br />

Die Annahme eines fortgesetzten Delikts hatte verschiedene<br />

Konsequenzen (siehe dazu Günter Stratenwerth,<br />

Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. A., Bern<br />

2005, § 19 N 15; Franz Riklin, Schweizerisches Strafrecht,<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 375 10.3.2009 9:12:34 Uhr<br />

•<br />

•<br />

375


376<br />

Allgemeiner Teil I, 3. A., Zürich 2007, § 22 N 36; Stefan<br />

Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar,<br />

1. A., Zürich 1989, Art. 68 N 8):<br />

• Eine Strafschärfung nach Art. 68 aStGB wegen Zusammentreffens<br />

mehrerer strafbarer Handlungen war ausgeschlossen.<br />

• Die Rechtskraft des Urteils erstreckte sich auch auf Delikte,<br />

die dem Gericht nicht bekannt waren.<br />

• Bei Antragsdelikten begann die Antragsfrist erst mit<br />

Kenntnis des Täters und der letzten strafbaren Handlung<br />

zu laufen. Der Strafantrag erfasste alsdann sämtliche zu<br />

einer Einheit zusammengefassten Delikte.<br />

• Die Verjährung begann erst mit der letzten Tatausführung<br />

zu laufen (sog. verjährungsrechtliche Einheit).<br />

Die Rechtsprechung zum fortgesetzten Delikt wurde in<br />

der Lehre zunehmend kritisch beurteilt (Hans Schultz,<br />

Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, Bd. 1,<br />

4. A., Bern 1982, 130 f.; Ders., ZBJV 1966, 55; Stratenwerth,<br />

AT I, 1. A., § 19 N 19; Werner Arnold Knecht,<br />

Das fortgesetzte Delikt im schweizerischen Strafrecht, Diss.<br />

Bern 1969, 99 f.). Es war sachlich nicht einsehbar, warum<br />

der zur immer wiederkehrenden Delinquenz entschlossene<br />

Täter im Vergleich zum zaudernden Wiederholungstäter mit<br />

Bezug auf die Strafschärfung nach Art. 68 aStGB (heute:<br />

Art. 49 StGB) bessergestellt sein sollte. Umgekehrt führte<br />

das Hinausschieben des Verjährungsbeginns zu teilweise<br />

unverhältnismässig langen Verjährungsfristen.<br />

2.2 Mit BGE 116 IV 121 und BGE 117 IV 408 vollzog<br />

das Bundesgericht eine erste Praxisänderung, indem es die<br />

Rechtsfi gur des fortgesetzten Delikts aufgab. Eine verjährungsrechtliche<br />

Einheit (ein sog. «Einheitsdelikt») sollte<br />

nur noch dann angenommen werden, «wenn die gleichartigen<br />

und gegen dasselbe Rechtgut gerichteten strafbaren<br />

Handlungen – ohne dass bereits ein eigentliches Dauerdelikt<br />

gegeben wäre (Art. 71 Abs. 3 [a]StGB) – ein andauerndes<br />

pfl ichtwidriges Verhalten» bildeten und diese andauernde<br />

Pfl ichtverletzung «vom in Frage stehenden Straftatbestand<br />

ausdrücklich oder sinngemäss mitumfasst» waren (BGE 117<br />

IV 408, E. 2f bb), S. 413 f.; ebenso in der Folge BGE 118 IV<br />

309, E. 2c, S. 317 f.; 118 IV 325, E. 2b, S. 328 f.; 119 IV 73,<br />

E. 2b, S. 77 f.; 119 IV 199, E. 2., S. 200 f.; 120 IV 6, E. 2c,<br />

S. 9; 124 IV 5, E. 2b, S. 8 f.; 126 IV 141, E. 1a, S. 142 f.; 127<br />

IV 49 E. 1b, S. 54 f.; Riklin, § 22 N 37; Stratenwerth,<br />

AT I, 3. A., § 19 N 17; Rehberg/Donatsch, 7. A., 322; Stefan<br />

Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar,<br />

2. A., Zürich 1997, Art. 68 N 8).<br />

2.3 Mit BGE 131 IV 83, E. 2.4, S. 90 ff., wurde dann auch<br />

die Rechtsfi gur des Einheitsdeliktes über Bord geworfen. Als<br />

massgeblich betrachtete das Bundesgericht den Einwand von<br />

Markus Hug, in: Andreas Donatsch, StGB, 16. A., Zürich<br />

2004, 183 f., der fragte, ob die mit dem Wortlaut von Art. 71<br />

lit. b aStGB schwerlich vereinbare Auslegung mit der Neuordnung<br />

der Verjährungsregeln nicht aufgegeben werden<br />

könne.<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Mit dieser zweiten Praxisänderung wurde der Anwendungsbereich<br />

von Art. 98 lit. b StGB bzw. Art. 71 Abs. 2<br />

aStGB entscheidend beschränkt: Unter die genannten Regelungen<br />

fallen nunmehr nur noch Fälle von (a) tatbestandlicher<br />

und solche von (b) natürlicher Handlungseinheit.<br />

(a) Eine tatbestandliche Handlungseinheit wird angenommen,<br />

«wenn das tatbestandsmässige Verhalten schon begriffl<br />

ich, faktisch oder doch typischerweise mehrere Einzelhandlungen<br />

voraussetzt» (BGE 131 IV 83, E. 2.4.5, S. 93),<br />

nämlich:<br />

• bei mehraktigen Delikten, bei denen der Täter in aufeinanderfolgenden<br />

Schritten verschiedene Rechtsgüter verletzt,<br />

um den Erfolg zu erwirken (z.B. Raub: Art. 140 StGB),<br />

• bei Delikten, die typischerweise ein länger dauerndes Verhalten<br />

bedeuten, das aus mehreren Einzelhandlungen besteht<br />

(z.B. politischer Nachrichtendienst: Art. 272 StGB).<br />

(b) Eine natürliche Handlungseinheit soll bestehen, wenn<br />

mehrere Delikte «auf einem einheitlichen Willensakt beruhen<br />

und wegen des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs<br />

bei objektiver Betrachtung noch als ein einheitliches<br />

zusammengehörendes Geschehen erscheinen» (BGE<br />

131 IV 83, E. 2.4.5, S. 94). Diese Voraussetzungen sind laut<br />

Bundesgericht gegeben:<br />

• bei iterativer Tatbestandsverwirklichung (z.B. eine<br />

«Tracht Prügel»);<br />

• bei sukzessiver Tatbegehung (z.B. Besprayen einer Mauer<br />

mit Graffi ti in mehreren aufeinanderfolgenden Nächten).<br />

Eine natürliche Handlungseinheit falle indessen ausser Betracht,<br />

wenn zwischen den einzelnen Handlungen – selbst<br />

wenn diese aufeinander bezogen seien – ein längerer Zeitraum<br />

liege.<br />

Liegt keine – tatbestandliche oder natürliche – Handlungseinheit<br />

im beschriebenen Sinne vor, so soll der Lauf der<br />

Verjährung für jede Tathandlung gesondert beurteilt werden.<br />

Vorbehalten bleibt einzig der Sonderfall der Dauerdelikte<br />

(Art. 98 lit. c StGB bzw. Art. 71 Abs. 3 aStGB).<br />

3. Diese neue Rechtsprechung hat implizit auch im vorliegenden<br />

Fall Anwendung gefunden. Wie selbstverständlich<br />

ist das Bundesgericht davon ausgegangen, die Verjährung<br />

sei in casu für jede strafbare Handlung einzeln zu berechnen<br />

(anders in einem ganz ähnlichen Fall etwa noch BGE 119 IV<br />

73, E. 2b, S. 77 ff.).<br />

4. Insgesamt war es sicherlich richtig, das sog. Einheitsdelikt<br />

aufzugeben. Die Voraussetzungen, die eine verjährungsrechtliche<br />

Einheit entstehen liessen, entsprachen im Wesentlichen<br />

jenen des fortgesetzten Delikts (vgl. auch Schubarth,<br />

ZStrR 2002, 337 f.: Die Ersatzfi gur der verjährungsrechtlichen<br />

Einheit lasse das eigentlich aufgehobene fortgesetzte<br />

Delikt weiter dahinsiechen). Inwieweit sich die neue Konzeption<br />

indes mit dem strafrechtlichen Handlungsbegriff<br />

vereinbaren lässt, wird an anderer Stelle zu prüfen sein.<br />

5. Fraglich ist aber mindestens, ob sich die aktuelle Rechtsprechung<br />

zur Verjährung ohne weiteres auf andere Bereiche<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 376 10.3.2009 9:12:35 Uhr


übertragen lässt. Namentlich bei der Berechnung der Strafantragsfrist<br />

nach Art. 31 StGB können sich Konstellationen<br />

ergeben, in denen dem Verletzten kaum zuzumuten ist, für<br />

jede einzelne strafbare Handlung innert gesondert laufender<br />

Frist rechtzeitig Strafantrag einzureichen. Zu denken ist etwa<br />

an wiederholte Drohungen zum Nachteil einer nahe stehenden<br />

Person (vgl. dazu bereits BSK-Strafrecht I-Riedo,<br />

Art. 30 N 18a f.).<br />

III. Der Begriff des erstinstanzlichen Urteils im<br />

Sinne von Art. 97 Abs. 3 und Art. 333 Abs. 6<br />

lit. d StGB<br />

1. Nach neuem Recht sollen strafbare Handlungen im<br />

Rechtsmittelverfahren nicht mehr verjähren können (Botschaft<br />

BBl 1999 2134 f.). Gemäss Art. 97 Abs. 3 StGB tritt<br />

deshalb die Verjährung nicht mehr ein, sofern vor Ablauf der<br />

Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist.<br />

Das Strafgerichtspräsidium Basel-Landschaft hatte dem<br />

Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Verjährung<br />

keine weitere Folge gegeben und das Kantonsgericht eine<br />

Beschwerde gegen diese Verfügung abgewiesen.<br />

2. Ein Prozessentscheid ist unbestrittenermassen kein «Urteil»<br />

im Sinne der genannten Bestimmung: Als Urteile kommen<br />

von vorneherein nur Entscheide in Betracht, die eine<br />

materiellrechtliche Beurteilung beinhalten (vgl. dazu Denys,<br />

SJ 20<strong>03</strong> II, 60; BSK-Strafrecht I-Müller, Art. 97 N 25).<br />

Im Ergebnis ist also der Entscheid des Bundesgerichts insoweit<br />

nicht zu beanstanden.<br />

3. Bedauerlicherweise hat es das Bundesgericht indessen für<br />

nötig befunden, sich beiläufi g auch noch zur Frage zu äussern,<br />

ob ein Freispruch als Urteil zu gelten habe:<br />

«Der Wortlaut lässt beides zu. Die Verjährung bezweckt<br />

aus verschiedenen prozessualen und materiell-strafrechtlichen<br />

Gründen, die Strafverfolgung nach Ablauf einer bestimmten<br />

Zeitspanne einzustellen. Mit einem Freispruch<br />

wird festgestellt, dass der Angeklagte wegen der gegen ihn<br />

erhobenen Vorwürfe nicht verurteilt werden kann. Es widerspräche<br />

jeder Logik, an diese Feststellung die Rechtsfolge<br />

zu knüpfen, dass der Freigesprochene wegen eben<br />

dieser Vorwürfe zeitlich unbegrenzt weiter verfolgt werden<br />

kann, weil die beurteilte Straftat nicht mehr verjährt. Unter<br />

‹erst instanzlichen Urteilen› im Sinne von Art. 97 Abs. 3 und<br />

Art. 333 Abs. 6 lit. d StGB sind daher ausschliesslich verurteilende<br />

Erkenntnisse zu verstehen.»<br />

Diese Auffassung scheint verfehlt:<br />

3.1 Unhaltbar ist zunächst die Bemerkung, der Wortlaut<br />

der Bestimmung sei nicht eindeutig. Ein Freispruch ist –<br />

grammatikalisch ausgelegt – selbstverständlich ein Urteil.<br />

Zu behaupten, der Wortlaut lasse beides zu, ist schlechterdings<br />

falsch – auch mit Blick auf die lateinischen Gesetzestexte<br />

(«un jugement de première instance» bzw. «una sentenza<br />

di prima istanza»).<br />

3.2 Wenn aber der Wortlaut klar ist, hätte das Abweichen<br />

von eben diesem Wortlaut im Detail begründet werden müssen<br />

(zuletzt BGE 134 V 208, E. 2.2, S. 211). Das Bundesge-<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

richt begnügt sich indessen mit dem Hinweis, dass es jeder<br />

Logik widersprechen würde, wenn ein Freigesprochener<br />

zeitlich unbegrenzt weiter verfolgt werden könnte, weil die<br />

beurteilte Straftat nicht mehr verjähre.<br />

Diese «Logik» vermag uns nicht einzuleuchten: Wird<br />

ein Freispruch (von der Staatsanwaltschaft oder der Privatklägerschaft)<br />

mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten,<br />

so wäre es stossend, wenn ein erstinstanzliches<br />

Fehlurteil im Rechtsmittelverfahren nicht mehr korrigiert<br />

werden könnte. – Genau das ist der Sinn der neuen Regelung<br />

(vgl. dazu auch BGE 133 IV 112, E. 9.4.3, S. 116: «Art. 70<br />

Abs. 3 StGB will nach seinem Sinn und Zweck verhindern,<br />

dass die Verjährung – je nach der konkreten Ausgestaltung<br />

des anwendbaren Prozessrechts – noch während des Rechtsmittelverfahrens<br />

eintreten kann»). Im Übrigen bestehen für<br />

das Einreichen ordentlicher Rechtsmittel (kurze) Fristen,<br />

und erwächst ein Freispruch schliesslich in Rechtskraft, widerspricht<br />

eine neuerliche Strafverfolgung regelmässig dem<br />

Grundsatz «ne bis in idem». Ein unbilliges Hinauszögern des<br />

Verjährungseintritts ist also nicht zu befürchten.<br />

Betrachtet man auch einen Freispruch als «erstinstanzliches<br />

Urteil», so scheint indessen eine Revision zu Ungunsten<br />

eines Freigesprochenen prima vista unbegrenzt zulässig<br />

zu sein. Das mag erklären, weshalb sich das Bundesgericht<br />

veranlasst sah, hier jedwelchen Spekulationen über eine<br />

«kalte» Ausdehnung der strafrechtlichen Unverjährbarkeit<br />

rechtzeitig den Riegel zu schieben.<br />

Allerdings greift die bundesgerichtliche «Lösung» in dieser<br />

Hinsicht zu kurz: Wird ein Angeschuldigter beispielsweise<br />

wegen fahrlässiger Tötung (Art. 117 StGB) schuldig gesprochen,<br />

so ist diese Verurteilung – auch nach Auffassung<br />

des Bundesgerichts – fraglos ein erstinstanzliches Urteil im<br />

Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB. Was ist nun, wenn sich aufgrund<br />

neuer Tatsachen herausstellt, dass ein Schuldspruch<br />

wegen Mordes (Art. 112 StGB) hätte ausgesprochen werden<br />

müssen? Offenbar ist das Problem hier kein anderes: Eine<br />

Wiederaufnahme zu Ungunsten des Beschuldigten kann<br />

auch in dieser Konstellation nicht zeitlich unbeschränkt zulässig<br />

sein.<br />

Der einzig gangbare Ausweg aus der Misere scheint darin<br />

zu bestehen, bei der Frage nach der zeitlichen Zulässigkeit<br />

der Revision zu Ungunsten eines Beurteilten die Art. 97<br />

Abs. 3 und 333 Abs. 6 lit. d StGB gänzlich aus dem Spiel zu<br />

lassen. Das widerspricht zwar – wie die «Lösung» des Bundesgerichts<br />

– dem Wortlaut des Gesetzes, schliesst aber unerwünschte<br />

Unverjährbarkeiten wirksam aus.<br />

3.3 Laut Bundesgericht ist ein Freispruch kein erstinstanzliches<br />

Urteil. Andererseits hat dasselbe Bundesgericht festgehalten,<br />

eine Strafverfügung im Sinne von Art. 70 VStrR<br />

sei sehr wohl als Urteil im Sinne der genannten Bestimmung<br />

zu qualifi zieren:<br />

«Gegen einen Strafbescheid der Verwaltung (Art. 64<br />

VStrR) kann sie [die angeschuldigte Person] – wie vorliegend<br />

geschehen – Einsprache erheben (Art. 67 VStrR). Die<br />

Verwaltung hat alsdann den angefochtenen Bescheid neu zu<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 377 10.3.2009 9:12:35 Uhr<br />

377


378<br />

überprüfen (Art. 69 Abs. 1 VStrR) und eine Strafverfügung<br />

zu treffen (Art. 70 Abs. 1 VStrR), welche zu begründen ist<br />

(Art. 70 Abs. 2 VStrR).<br />

Jeder Strafverfügung (Art. 70 VStrR) hat damit zwingend<br />

ein Strafbescheid (Art. 64 VStrR) voranzugehen, welcher wie<br />

ein Strafmandat (Strafbefehl) auf summarischer Grundlage<br />

getroffen werden kann. Die Strafverfügung dagegen muss –<br />

einem erstinstanzlichen Urteil ähnlich – auf einer umfassenden<br />

Grundlage beruhen und wird in einem kontradiktorischen<br />

Verfahren erlassen (vgl. hierzu MARKUS PETER, Das<br />

neue Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht, ZStrR<br />

90/1974 S. 337 ff., 353; JEAN GAUTHIER, La loi fédérale sur le<br />

droit pénal administratif, in: Quatorzième Journée juridique,<br />

Genf 1975, S. 23 ff., 61).<br />

Während der Erlass eines Strafbescheids (Art. 64 VStrR)<br />

somit Parallelen zu einem Strafmandat (Strafbefehl) aufweist,<br />

ist die Strafverfügung (Art. 70 VStrR) nach dem Gesagten<br />

im Ergebnis einem gerichtlichen Entscheid gleichzustellen<br />

und demnach unter den Begriff des erstinstanzlichen<br />

Urteils im Sinne von Art. 70 Abs. 3 StGB zu subsumieren»<br />

(133 IV 112, E. 9.4.4, S. 116 f.).<br />

Nun kann die beschuldigte Person aber auch gegen eine<br />

Strafverfügung Einsprache erheben; der Fall ist alsdann an<br />

die zuständige richterliche Behörde zu überweisen (Art. 72<br />

und 73 VStrR).<br />

Das bedeutet aber:<br />

• Wird ein Fall nach VStrR direkt (Art. 73 VStrR) oder nach<br />

Erlass eines Strafbescheids, aber ohne Erlass einer Strafverfügung<br />

(Art. 71 VStrR) der zuständigen kantonalen<br />

Staatsanwaltschaft zuhanden des Gerichts überwiesen,<br />

läuft die Verjährung weiter, wenn das Gericht den Angeschuldigten<br />

freispricht.<br />

• Erlässt die Behörde aber einen Strafbescheid und eine<br />

Strafverfügung und fällt das erstinstanzliche kantonale<br />

Gericht dann aufgrund eines Einspruchs einen Freispruch<br />

(Art. 72 und 73 VStrR), kann die Verjährung nicht mehr<br />

eintreten, weil bereits die Strafverfügung der Verwaltungsbehörde<br />

als erstinstanzliches Urteils gelten soll.<br />

Diese Inkonsequenz widerspricht vielleicht nicht jeder, aber<br />

doch unserer bescheidenen Logik: Es kann ja wohl nicht<br />

sein, dass der Lauf der Verjährungsfrist ein anderer ist, je<br />

nachdem, ob ein Fall direkt oder erst über eine Einsprache<br />

gegen eine Strafverfügung zum Gericht gelangt.<br />

Richtig ist deshalb in beiden Fragen der gegenteilige<br />

Standpunkt:<br />

• Strafverfügungen werden nicht von einem Gericht, sondern<br />

von einer Verwaltungsbehörde erlassen. Anzufechten<br />

sind Strafverfügungen nicht mit einem Rechtsmittel,<br />

sondern mit einer blossen Einsprache. Entscheide der Verwaltungsbehörden<br />

(mithin auch Strafverfügungen) sind<br />

deshalb keine Urteile erster Instanz (vgl. Emanuel Jaggi,<br />

Ist der Strafbefehl ein erstinstanzliches Urteil im Sinne<br />

von Art. 70 Abs. 3 StGB?, in: ZStrR 2006, 437–454; ferner<br />

Riklin, § 21 N 14; Riedo/Kunz, <strong>AJP</strong>/PJA 2004, 906;<br />

Denys, SJ 20<strong>03</strong> II, 56; Botschaft BBl 1999 2133).<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

• Umgekehrt bedeuten aber sämtliche materiellen Beurteilungen<br />

durch ein Gericht ein Urteil im Sinne von Art. 97<br />

Abs. 3 StGB. – Das gilt für den Freispruch nicht weniger<br />

als für die Verurteilung (Riklin, § 21 N 14; Riedo/Kunz,<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 2004, 906; Denys, SJ 20<strong>03</strong> II, 54).<br />

3.4 Fällt ein erstinstanzliches Gericht einen Freispruch,<br />

soll dieser kein erstinstanzliches Urteil darstellen. Wird der<br />

Freigesprochene in oberer kantonaler Instanz indes schuldig<br />

gesprochen, so müsste dieser Schuldspruch nach Auffassung<br />

des Bundesgerichts als erstinstanzliches Urteil qualifi ziert<br />

werden – obwohl es sich offensichtlich um ein Urteil zweiter<br />

Instanz handelt. Die Auffassung des Bundesgerichts führt<br />

also auch zu terminologischen Unstimmigkeiten.<br />

3.5 Schliesslich scheint es durchaus möglich, dass die<br />

Praxis aufgrund der neuen Rechtsprechung andere unbillige<br />

«Lösungen» entwickelt. Es besteht von nun an die Gefahr,<br />

dass ein erstinstanzliches Gericht – wenn der Eintritt der<br />

Verjährung vor der Tür steht – präventiv in dubio contra reo<br />

einen Schuldspruch verhängt, um nicht Gefahr zu laufen, einen<br />

materiell falschen Freispruch auf ewig in Stein zu meisseln.<br />

Die Auswirkungen dieser je nach rechtspolitischem<br />

Standpunkt mehr oder minder begrüssenswerten, juristisch<br />

aber schlicht falschen neuen Rechtsprechung dürften also<br />

andernorts kompensiert werden.<br />

IV. Die Dauer der Verjährungsfrist bei Übertretungen<br />

im Sinne von Art. 11 Abs. 2 VStrR<br />

Zustimmung verdienen demgegenüber die Ausführungen<br />

des Bundesgerichts in E. 2.1 in fi ne des besprochenen Urteils<br />

mit Bezug auf die Dauer der Verjährungsfrist gemäss Art. 11<br />

Abs. 2 VStrR.<br />

Tatsächlich kann für Übertretungen nicht eine längere<br />

Verjährungsfrist gelten als für nach dem gleichen Gesetz<br />

zu ahndende Vergehen. Die Verjährungsfristen für Übertretungen<br />

sind daher auf die für Vergehen geltende Dauer zu<br />

verringern.<br />

Neurechtlich verjähren Übertretungen im Sinne von<br />

Art. 11 Abs. 2 VStrR also nicht erst nach zehn, sondern bereits<br />

nach sieben Jahren.<br />

Hieraus indessen ohne weiteres den Schluss zu ziehen,<br />

damit sei in casu das neue Verjährungsrecht das mildere, erweist<br />

sich bei näherem Hinsehen als voreilig… (vgl. dazu<br />

gleich nachfolgend).<br />

V. Die Berücksichtigung eines Ruhens nach<br />

Art. 11 Abs. 3 VStrR<br />

1. Nach Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht die Verjährung (nach neuem<br />

wie nach altem Recht) «bei Vergehen und Übertretungen<br />

während der Dauer eines Einsprache-, Beschwerde- oder<br />

gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder Rückleistungspfl<br />

icht oder über eine andere nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz<br />

zu beurteilende Vorfrage».<br />

2. Das Bundesgericht hat in E. 3.2 f. überzeugend dargelegt,<br />

dass die Beschwerde eines Beteiligten die strafrechtliche<br />

Verjährung gegen sämtliche Beschwerdebefugten ruhen<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 378 10.3.2009 9:12:35 Uhr


lässt. Das ergibt sich insbesondere aus der Bindung des Strafrichters<br />

an den konnexen verwaltungsrechtlichen Entscheid<br />

(Art. 77 Abs. 4 VStrR) und der damit verbundenen Notwendigkeit,<br />

mit der Überweisung an das Strafgericht zuzuwarten,<br />

solange ein Verfahren über die Leistungspfl icht hängig<br />

ist, das sich auf die Strafverfahren gegen alle Mitbeteiligten<br />

auswirken kann.<br />

3. Bei der Anwendung der genannten Grundsätze hat sich das<br />

Bundesgericht indessen einige Ungenauigkeiten geleistet:<br />

3.1 Zunächst sind die Angaben im Entscheid widersprüchlich:<br />

Während gemäss Sachverhaltsdarstellung (B.) in<br />

Sachen D. bereits am 29.9.2005 letztinstanzlich entschieden<br />

wurde, wurde das Verfahren laut E. 2.2 erst am 17.11.2005<br />

endgültig erledigt. Es mag im konkreten Fall eine erhebliche<br />

Rolle spielen, ob dieses oder jenes Datum das richtige ist.<br />

3.2 Im Übrigen blieb völlig unbeachtet, dass die Verjährung<br />

selbstredend nur dann ruhen kann, wenn sie überhaupt<br />

noch läuft. Nun tritt die altrechtliche relative Verjährung gemäss<br />

Art. 11 Abs. 2 VStrR aber bereits nach fünf Jahren ein.<br />

Vorliegend ruhte die Verjährung erst mit der Verfügung<br />

vom 31.1.2002. Die mehr als fünf Jahre vor diesem Datum,<br />

also vor dem 31.1.1997, begangenen Delikte sind altrechtlich<br />

mithin bereits verjährt.<br />

Immerhin hat sich dies im konkreten Fall indes nicht ausgewirkt:<br />

Nach neuem Recht verjähren alle Straftaten nach sieben<br />

Jahren seit ihrer Begehung. Während der Dauer des verwaltungsrechtlichen<br />

Verfahrens über die Leistungspfl icht, also<br />

vom 31.1.2002 bis am 29.9.2005 oder bis am 17.11.2005<br />

(vgl. vorstehend, 3.1), ruhten diese Fristen.<br />

Im Ergebnis sind damit alle Taten verjährt, bei denen zwischen<br />

Deliktsbegehung und erstmaliger gerichtlicher Beurteilung<br />

mehr als zehneinhalb Jahre vergangen sind (Dauer<br />

der Verjährung: sieben Jahre zuzüglich einer Phase des Ruhens:<br />

von mehr als dreieinhalb Jahren – abhängig vom vorliegend<br />

unklaren Termin der Erledigung des Verfahrens über<br />

die Leistungspfl icht).<br />

Bereits im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Urteils<br />

(16.10.2008) war damit die neurechtliche Verjährungsfrist<br />

sicher für sämtliche Delikte abgelaufen, die vor Mitte April<br />

1998 begangen wurden. Das neue Recht ist demnach im Ergebnis<br />

tatsächlich das für den Täter mildere.<br />

Anders wäre es beispielsweise gewesen, wenn die erste<br />

Verfügung im Verfahren über die Leistungspfl icht nicht bereits<br />

am 31.1.2002, sondern erst zwei Jahre später ergangen<br />

wäre: Dann wären altrechtlich bereits sämtliche Delikte<br />

verjährt, die vor dem 31.1.1999 begangen wurden. Damit<br />

wäre – der längeren absoluten Verjährungsfrist zum Trotz –<br />

das alte Verjährungsrecht das für den Täter mildere (allfällige<br />

Unterbrechungshandlungen der Behörden vorbehalten;<br />

vgl. im Übrigen auch die Bemerkungen unter VI., 3).<br />

VI. Rückweisung an das Kantonsgericht<br />

1. Im Ergebnis wurde die Beschwerde der Eidgenössischen<br />

Zollverwaltung gutgeheissen, der angefochtene Entscheid<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

aufgehoben und die Sache dem Kantonsgericht Basel-Landschaft<br />

zu neuem Entscheid zurückgewiesen. Ergänzend hielt<br />

das Bundesgericht fest: «Angesichts der weiter laufenden<br />

Verjährung wird dieses die Angelegenheit ohne Rückweisung<br />

an die erste Instanz beförderlich selber zu entscheiden<br />

haben.»<br />

2. Die Rückweisung an das Kantonsgericht zur beförderlichen<br />

Behandlung mag mit Blick auf das Gebot der Verfahrensbeschleunigung<br />

nahe liegen, bedeutet aber eine massive<br />

Beschneidung der Verteidigungsrechte: Dem Angeschuldigten<br />

geht damit faktisch eine Instanz verloren.<br />

Dem mag man entgegnen, ein Verfahren vor einer einzigen<br />

unabhängigen und unparteiischen Instanz genüge den Anforderungen<br />

von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 30 Abs. 1 BV.<br />

Das trifft zwar zu, doch hat der Beschuldigte nach dem<br />

einschlägigen basellandschaftliche Recht eben einen Anspruch<br />

auf eine zweite Instanz (§ 177 StPO-BL).<br />

Dem Beschuldigten kann nicht zum Vorwurf gemacht<br />

werden, er habe den «Umweg» über das Bundesgericht<br />

selbst verschuldet: Die beiden kantonalen Gerichte haben ihren<br />

jeweiligen Entscheidungen falsche Rechtsauffassungen<br />

zugrunde gelegt. Dies nun den Beschuldigten (im wörtlichen<br />

Sinne) büssen zu lassen, scheint mindestens nicht unproblematisch.<br />

3. Umgekehrt wäre aber eine Rückweisung an die erste Instanz<br />

mit Schwierigkeiten anderer Art verbunden gewesen.<br />

Nach neuem Verjährungsrecht kann die Verjährung nicht<br />

mehr eintreten, sobald ein Urteil erster Instanz ergangen ist<br />

(Art. 97 Abs. 3 StGB, vorne, III.). Nach altem Recht hingegen<br />

muss vor Ablauf der Verjährungsfrist das letzte Sachurteil<br />

ergehen, das mit voller Kognition gefällt wird (Riedo/<br />

Kunz, <strong>AJP</strong>/PJA 2004, 904).<br />

Bei dieser Ausgangslage ist das Bundesgericht unter Umständen<br />

gar nicht in der Lage, darüber zu entscheiden, welche<br />

der beiden Ordnungen die für den Täter mildere ist. Das<br />

hängt nämlich entscheidend davon ab, wie lange das Verfahren<br />

zwischen dem erst- und dem zweitinstanzlichen Urteil<br />

dauern wird – und das lässt sich kaum zuverlässig prognostizieren.<br />

Da verwundert es wenig, dass das Bundesgericht<br />

dazu neigt, aus pragmatischen Gründen Verfahrensrechte zu<br />

schmälern.<br />

VII. Fazit<br />

1. Obwohl das neue Verjährungsrecht nun doch bereits seit<br />

mehr als sechs Jahren in Kraft ist, bestehen nach wie vor<br />

zahlreiche Rechtsunsicherheiten.<br />

2. In zwei wesentlichen Punkten hat das Bundesgericht nun<br />

für die nötige Klarheit gesorgt:<br />

2.1 Die mit zehn Jahren übermässig lange Verfolgungsverjährung<br />

für Abgabeübertretungen (Art. 11 Abs. 2 VStrR<br />

i.V.m. Art. 333 Abs. 6 lit. b StGB) wurde auf die für Vergehen<br />

geltende Verjährungsfrist von sieben Jahren verkürzt.<br />

2.2 Ruht die Verjährung aufgrund von Art. 11 Abs. 3<br />

VStrR während der Dauer eines Einsprache-, Beschwer-<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 379 10.3.2009 9:12:36 Uhr<br />

379


380<br />

de- oder gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder<br />

Rückleistungspfl icht oder über eine andere nach dem einzelnen<br />

Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage für einen<br />

der Beteiligten, so muss dies für alle Tatbeteiligten gelten.<br />

3. Wenig überzeugend ist der besprochene Entscheid hingegen<br />

in anderen Punkten:<br />

3.1 Strafverfügungen im Sinne des VStrR sind (entgegen<br />

einem früheren Bundesgerichtsentscheid) keine Urteile im<br />

Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB. Weshalb indessen ein gerichtlicher<br />

Freispruch kein Urteil sein sollte, vermag nicht<br />

einzuleuchten.<br />

3.2 Eine Rückweisung an das Kantonsgericht mit dem<br />

verbindlichen Auftrag, den Fall nun selbst zu entscheiden,<br />

beschneidet die Rechte des Beschuldigten: Er verliert eine<br />

Instanz.<br />

Der mit der Neuordnung des Verjährungsrechts eingetretene<br />

jetlag dauert also an …<br />

Entscheidungen/Jurisprudence<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 380 10.3.2009 9:12:36 Uhr


1. Verfassungs- und Verwaltungsrecht /<br />

Droit constitutionnel et administratif<br />

1.2. Staatsorganisation und Behörden /<br />

Organisation de l’Etat et autorités<br />

Paulus Christoph G.: Rechtliche Handhaben zur Bewältigung<br />

der Überschuldung von Staaten. RIW 1-2/2009, 11–17. (D)<br />

1.3. Bund und Kantone /<br />

Confédération et cantons<br />

Bieri René: Auswirkungen der bundesrechtlichen (formellen)<br />

Steuerharmonisierung auf die Staatlichkeit der Kantone<br />

– Ein Problemaufriss. StR/RF 2/2009, 86–108.<br />

1.4. Grundrechte / Droits fondamentaux<br />

Nay Giusep: Unhaltbare Lücken im Grundrechtsschutz. pläd<br />

5/2008, 28–29.<br />

1.4.2. Gleichheit vor dem Gesetz / Egalité devant la loi<br />

Epiney Astrid: Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen<br />

der Staatsangehörigkeit im Personenfreizügigkeitsabkommen.<br />

SJZ/RSJ 2009/2, 25–32.<br />

1.4.3. Gleichheit von Frau und Mann /<br />

Egalité entre homme et femme<br />

Wiler Jürg: Chancengleichheit für Frauen und Männer mit<br />

Finanzhilfen ankurbeln. SA/ES 22/2008, 28–29.<br />

1.4.11. Verfahrensgarantien / Garanties de procédure<br />

Zu Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht vgl. auch 6. / Pour<br />

l’organisation judiciaire et procédure comp. 6.<br />

1.8. Landesverteidigung. Militärrecht. Notstand /<br />

Défense nationale. Droit militaire. Etat de<br />

nécessité<br />

Mohler Markus H. F.: «Raumsicherung» – Verfassungsrechtliche<br />

Fragen zur jüngsten Entwicklung in Rechtsetzung,<br />

Doktrin und Reglementierung über den Einsatz der Armee.<br />

LeGes 2008/3, 437–464.<br />

1.9. Polizei- und Ordnungsrecht /<br />

Police et ordre public<br />

Hensler Beat: Internationale Zusammenarbeit, Konkordate<br />

und Konferenz der kantonalen Polizeikommandantinnen<br />

und -kommandanten der Schweiz (KKPKS). LeGes 2008/3,<br />

495–506.<br />

Lienhard Andreas: Auslagerung von sicherheitspolizeilichen<br />

Aufgaben auf private Sicherheitsunternehmen in der<br />

Schweiz? LeGes 2008/3, 425–436.<br />

Linsi Christian: Verfassungsrechtliche Zuständigkeit des<br />

Bundes für den Erlass von Polizeirecht. LeGes 2008/3, 465–<br />

494.<br />

Lobsiger Adrian: Das gesetzgeberische Konzept des Bundesrates<br />

zur Bereinigung des Polizeirechts des Bundes. LeGes<br />

2008/3, 401–414.<br />

Mohler Markus H. F.: «Raumsicherung» – Verfassungsrechtliche<br />

Fragen zur jüngsten Entwicklung in Rechtsetzung,<br />

Doktrin und Reglementierung über den Einsatz der Armee.<br />

LeGes 2008/3, 437–464.<br />

Rossat-Favre Golette: Autorités et usage de la force: quelles<br />

limites? LeGes 2008/3, 415–424.<br />

Literaturübersicht/Bibliographie<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Literaturübersicht<br />

Bibliographie<br />

Rebekka Keller, B. A. HSG, St. Gallen<br />

Schweizer Rainer J. / Müller Lucien: Zwecke, Möglichkeiten<br />

und Grenzen der Gesetzgebung im Polizeirecht. LeGes<br />

2008/3, 379–400.<br />

1.11. Ausländer- und Asylrecht /<br />

Droit des étrangers et droit d’asile<br />

Povlakic Karine: Exclusion de l’aide sociale et dignité de<br />

la personne humaine. ASYL 4/2008, 13–19.<br />

Theumann Géraldine: Etat de la jurisprudence en matière<br />

d’accès aux données personnelles pour les requérant-e-s d’asile<br />

au niveau cantonal et au niveau fédéral (2005–2008). ASYL<br />

4/2008, 4–12.<br />

1.12. Abgaben- und Finanzrecht /<br />

Finances et droit fi scal<br />

Bieri René: Auswirkungen der bundesrechtlichen (formellen)<br />

Steuerharmonisierung auf die Staatlichkeit der Kantone<br />

– Ein Problemaufriss. StR/RF 2/2009, 86–108.<br />

Maute Wolfgang / Stolz Tabea: Grenzüberschreitende<br />

Aspekte aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht.<br />

StR/RF 2/2009, 66–84.<br />

1.12.1. Einkommenssteuer und direkte Steuern –<br />

im Allgemeinen / Impôt sur le revenu et impôts<br />

directs – en général<br />

Matteotti René / Gasser Simone: Börsenspekulation mit<br />

Steuerfolgen. ius.full 6/2008, 174–199.<br />

Richner Felix: Unterpreisliche Gebrauchsüberlassung von<br />

Wohneigentum. ZStP 2008/4, 271–290.<br />

Verrey Bastien: Nouveautés vaudoises en matière<br />

d’imposition des gains immobiliers, de droits de mutation et<br />

d’impôts sur les successions et donations. RDAF 2008/4, 293–<br />

332.<br />

1.12.2. Besteuerung juristischer Personen /<br />

Taxation des personnes juridiques<br />

Weidmann Markus: Keine Umdeutung des aktivierten Fusionsverlustes<br />

in eine Aufwertung übernommener Aktiven.<br />

StR/RF 1/2009, 2–14.<br />

1.12.3. Vermögens- und Kapitalsteuer /<br />

Impôt sur la fortune et le capital<br />

Behnisch Urs R.: Amtshilfe in Steuersachen an die USA:<br />

Zur Bedeutung der QI-Normen. Jusletter, 26. Januar 2009.<br />

Verrey Bastien: Nouveautés vaudoises en matière<br />

d’imposition des gains immobiliers, de droits de mutation et<br />

d’impôts sur les successions et donations. RDAF 2008/4, 293–<br />

332.<br />

1.12.5. Indirekte Steuern / Impôts indirectes<br />

Schwertfeger Richard: Pensionskassen zahlen viel Mehrwertsteuer.<br />

SPV/PPS 12/2008, 33–35.<br />

1.14. Bau- und Planungsrecht. Bodenrecht /<br />

Constructions et aménagement du territoire.<br />

Droit foncier<br />

Bucher Oliver: Verschärfung emissionsmindernder Massnahmen<br />

im Baubewilligungsverfahren. BR/DC 4/2008, 156–<br />

161.<br />

Pfäffli Roland: Entwicklungen im Sachenrecht und Bodenrecht.<br />

SJZ/RSJ 2009/3, 56–61.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 381 10.3.2009 9:12:36 Uhr<br />

381


382<br />

Pichonnaz Pascal: La pierre de l’Yonne: garantie pour les<br />

défauts et dommage évolutif. Commentaire de l’arrêt du Tribunal<br />

fédéral du 8 mai 2007 (4C.130/2006). BR/DC 4/2008, 162–165.<br />

1.19. Sozial- und Sozialversicherungsrecht /<br />

Droit social et droit des assurances sociales<br />

Ammann Dominique: Mehr Eigenverantwortung. Neue Anlagevorschriften<br />

BVV 2. SPV/PPS 12/2008, 87–88.<br />

Beuret Aurore: La protection des données dans le système<br />

de la carte d’assuré (42a LAMal). Jusletter, 19. Januar 2009.<br />

Bonoli Giuliano / Wichmann Sabine: Breiter Horizont<br />

für AHV-Reformen. Rentenreformen in OECD-Staaten: Modelle<br />

für die Schweiz? SPV/PPS 12/2008, 25–26.<br />

Brechbühl Jürg: Ausfi nanzierung öffentlich-rechtlicher<br />

Kassen, was nun? SPV/PPS 12/2008, 37–39.<br />

Brechbühl Jürg: Neuordnung von Aufsicht und Oberaufsicht.<br />

SPV/PPS 11/2008, 33–35.<br />

Cadotsch Paul: Wird der AHV-massgebende Lohn durch die<br />

Auszahl- und Zahladresse beeinfl usst? SZS/RSAS 2009/1, 3–24.<br />

Duc Jean-Louis: Examen de l’utilité pratique de l’article 70<br />

LPGA. SZS/RSAS 2009/1, 50–62.<br />

Dummermuth Andreas: Der IV drohen Zusatzausgaben.<br />

SPV/PPS 1/2009, 33–34.<br />

Helbling Carl: Ausfi nanzierung der Deckungslücke? Öffentlich-rechtliche<br />

Pensionskassen. SPV/PPS 12/2008, 27–28.<br />

Heusser Pierre: Rechtsschutz: Für die Schwächsten zu<br />

schwach. pläd 1/2009, 34–42.<br />

Hürzeler Marc: Die Rechtsprechung des Bundesgerichts<br />

und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zum Sozialversicherungsrecht<br />

(AHV/IV/EO/berufl iche Vorsorge) in den<br />

Jahren 2006 und 2007 (BGE Band 132 und 133). ZBJV/RJB<br />

1/2009, 15–58.<br />

Konrad Hanspeter: ASIP-Charta als verbindlicher Standard.<br />

Wahrnehmung der treuhänderischen Führungsverantwortung.<br />

SPV/PPS 12/2008, 83–84.<br />

Lindenmann Rolf: Die Büchse der Pandora oder eine Wundertüte?<br />

Das neue Familienzulagengesetz. SPV/PPS 11/2008,<br />

87–88.<br />

Maute Wolfgang / Stolz Tabea: Grenzüberschreitende<br />

Aspekte aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht.<br />

StR/RF 2/2009, 66–84.<br />

Rüegg Markus: Praxisleitfaden zur Koordination von Erwerbsausfall-Leistungen<br />

bei (mutmasslichen und tatsächlichen)<br />

Krankheitsfaktoren nach Unfall. Materielle und formelle Koordination<br />

gegenwärtiger und nachträglicher Taggeld- und Rentenleistungen.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 23–32.<br />

Saccone Franco: Participation aux excédents en matière<br />

de prévoyance professionnelle: légalité de la méthode de calcul<br />

basée sur le rendement? SZS/RSAS 2009/1, 25–49.<br />

Schaffhauser René / Schlauri Franz (Hrsg.): Sozialversicherungsrechtstagung<br />

2008. IRP-HSG, St. Gallen 2009, 174<br />

Seiten, CHF 72.–.<br />

Schmid Walter: Die Absicherung des Existenzminimums<br />

zwischen Individualisierung und Standardisierung. SA/ES<br />

23/2008, 12–15.<br />

Schwertfeger Richard: Pensionskassen zahlen viel Mehrwertsteuer.<br />

SPV/PPS 12/2008, 33–35.<br />

Winkler Ruedi: Von der Frühverrentung zum langen Erwerbsleben:<br />

Rentenalter 70 als Perspektive. SA/ES 22/2008,<br />

18–21.<br />

Literaturübersicht/Bibliographie<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

1.23. Datenschutzrecht /<br />

Droit de la protection des donnés<br />

Beuret Aurore: La protection des données dans le système<br />

de la carte d’assuré (42a LAMal). Jusletter, 19. Januar 2009.<br />

Rudin Beat: Verfassungswidrige Anwendbarkeit des Bundesdatenschutzgesetzes.<br />

SJZ/RSJ 2009/1, 1–7.<br />

1.24. Gesundheitsrecht / Droit de la santé<br />

Brugger Schmidt Caroline / Tremp Caroline: «Macht<br />

hoch die Tür, die Tor macht weit!». Jusletter, 19. Januar<br />

2009.<br />

Gächter Thomas: Selbstständige Berufsausübung im Sinn<br />

des Medizinalberufegesetzes (MedBG) und des Psychologieberufegesetzes<br />

(PsyG). Jusletter, 19. Januar 2009.<br />

Häusler Marc: Die Vorteile einer Arztpraxis als juristische<br />

Person. Jusletter, 26. Januar 2009.<br />

Rich Lukas: Die geplante Umsetzung der neuen Spitalfi nanzierung<br />

im Kanton Zürich – eine kritische Betrachtung. Jusletter,<br />

19. Januar 2009.<br />

2. Privatrecht / Droit privé<br />

2.3. Personenrecht / Droit des personnes<br />

Jakob Dominique: Das neue System der Foundation Governance<br />

– interne und externe Stiftungsaufsicht im neuen liechtensteinischen<br />

Stiftungsrecht. LJZ 4/2008, 83–89. (FL)<br />

Manaï Dominique: L’embryon face au droit: une entité polymorphe<br />

à géométrie variable. Jusletter, 19. Januar 2009.<br />

Wagner Jürgen: Neues Stiftungsrecht in Liechtenstein –<br />

Weitere Schritte zur Reform. RIW 11/2008, 773–781. (FL)<br />

2.4. Familienrecht – allgemein /<br />

Droit de famille – en général<br />

Lindenmann Rolf: Die Büchse der Pandora oder eine Wundertüte?<br />

Das neue Familienzulagengesetz. SPV/PPS 11/2008,<br />

87–88.<br />

2.4.1. Eherecht / Droit de mariage<br />

Geiser Thomas: Neuere Rechtsprechung zum Eherecht.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 57–69.<br />

Guillaume Florence: Trust, réserves héréditaires et immeubles.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 33–46.<br />

2.4.2. Kindesrecht / Droit de la fi liation<br />

Büchler Andrea: Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner<br />

Abstammung. FamPra.ch 1/2009, 1–22.<br />

Geiser Thomas: Kind und Recht – von der sozialen zur genetischen<br />

Vaterschaft? FamPra.ch 1/2009, 41–59.<br />

Gerber Jenni Regula / Rumo-Jungo Alexandra / Widmer<br />

Mirjam / Bodenmann Guy / Perrig-Chiello Pasqualina:<br />

Kinder in Gerichtsverfahren – Zwischenergebnisse einer<br />

interdisziplinären Studie. FamPra.ch 1/2009, 60–83.<br />

Vetterli Rolf: Das Recht des Kindes auf Kontakt zu seinen<br />

Eltern. FamPra.ch 1/2009, 23–40.<br />

2.4.4. Vormundschaft / Tutelle<br />

Zobrist Patrick: Die psychosoziale Dimension der vormundschaftlichen<br />

Arbeit im Zwangskontext. Herausforderungen<br />

und Lösungsansätze. ZVW/RDT 6/2008, 465–475.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 382 10.3.2009 9:12:36 Uhr


2.6. Sachenrecht – allgemein /<br />

Droits réels – en général<br />

Guillaume Florence: Trust, réserves héréditaires et immeubles.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 33–46.<br />

Pfäffli Roland: Entwicklungen im Sachenrecht und Bodenrecht.<br />

SJZ/RSJ 2009/3, 56–61.<br />

Schnyder Bernhard: Carl Wielands Beitrag zum schweizerischen<br />

Sachenrecht. BJM 2008/6, 289–305.<br />

2.6.2. Beschränkte dingliche Rechte /<br />

Droits réels limités<br />

Pfäffli Roland / Byland Daniela: Aktuelles aus dem<br />

Bundesgericht: Zur Übertragungsbeschränkung beim selbständigen<br />

und dauernden Baurecht. Jusletter, 9. Februar 2009.<br />

Stadlin Markus W.: Die Bindung der Vertragsparteien in<br />

langfristigen Vertragsverhältnissen (so bei selbständigen und<br />

dauernden Baurechten) – die Voraussetzungen der nachträglichen<br />

Anpassung des Baurechtszinses. Jusletter, 16. Februar 2009.<br />

2.6.4. Grundbuch / Registre foncier<br />

Pfäffli Roland: Die Angst des Grundbuchverwalters vor<br />

dem Eintrag. Jusletter, 26. Januar 2009.<br />

2.7. Schuldrecht – allgemein /<br />

Droit des obligations – en général<br />

2.7.1. Obligationenrecht – Allgemeiner Teil – allgemein /<br />

Droit des obligations – Partie générale –<br />

en général<br />

2.7.1.2. Wirkung / Effet<br />

Wiegand Wolfgang: Die Finanzmarktkrise und die clausula<br />

rebus sic stantibus dargestellt am Beispiel der Bonuszahlungen.<br />

Jusletter, 9. Februar 2009.<br />

2.7.2. Obligationenrecht – Besonderer Teil – allgemein /<br />

Droit des obligations – Partie spéciale –<br />

en général<br />

Rüetschi David: Die Sage von der Teufelsbrücke – Eine<br />

vertragsrechtliche Betrachtung. ius.full 6/2008, 200–202.<br />

2.7.2.3. Miete, Pacht / Bail à loyer, bail à ferme<br />

Spirig Irène: Grundsätze im Erstreckungsrecht. mp 4/2008,<br />

199–224.<br />

2.7.2.9. Auftragsrecht / Mandat<br />

Huguenin Claire / Maissen Eva: Ein Hochzeitskleid mit<br />

Hindernissen. ius.full 6/2008, 204–219.<br />

2.7.3. Haftpfl ichtrecht / Responsabilité civile<br />

Bieri Laurent: La réforme de la responsabilité civile des<br />

détenteurs de chiens. Une perspective juridique et économique.<br />

SJZ/RSJ 2009/3, 49–55.<br />

Hütte Klaus: Genugtuung an sexuell missbrauchte Kinder.<br />

Gedanken zu einem Urteil des OGer Zürich vom 9.6.2008.<br />

HAVE/REAS 4/2008, 343–346.<br />

Küttel Pamela: Begriff der Teilnahme nach Art. 50 OR.<br />

«Gemeinsame Verschuldung» eines Schadens durch Anstifter,<br />

Urheber und Gehilfen und die Rolle des Begünstigers. HAVE/<br />

REAS 4/2008, 320–335.<br />

Mannsdorfer Thomas M.: Schadenersatzansprüche aus<br />

dem Arbeitsverhältnis (Employment Practices Liability). Eine<br />

rechtsvergleichende Einführung. HAVE/REAS 4/2008, 309–<br />

319.<br />

Literaturübersicht/Bibliographie<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Martin Gian: Assisted Suicide im Strassenverkehr. Problematik<br />

des erzwungenen Selbstmords im Strassenverkehr unter<br />

Zuhilfenahme unschuldiger Dritter aus haftpfl ichtrechtlicher<br />

Sicht. HAVE/REAS 4/2008, 336–342.<br />

3. Wirtschaftsrecht / Droit économique<br />

3.2. Gesellschaftsrecht – allgemein /<br />

Droit des sociétés – en général<br />

3.2.4. Aktienrecht / Droit de la société anonyme<br />

Hablützel Oliver: Solidarität in der aktienrechtlichen<br />

Verantwortlichkeit. <strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong>, Zürich 2009, 301 Seiten,<br />

CHF 73.–.<br />

Häusler Marc: Die Vorteile einer Arztpraxis als juristische<br />

Person. Jusletter, 26. Januar 2009.<br />

Kissling Mischa: <strong>AG</strong> und GmbH: Probleme bei Interessenkonfl<br />

ikten. pläd 6/2008, 27–29.<br />

Kunz Peter V.: Aktienrechtsrevision 20xx. Jusletter, 2. Februar<br />

2009.<br />

Pfeifer Michael: Mögliche Auswirkungen der kleinen und<br />

der grossen Aktienrechtsrevision auf die Stellung und Haftung<br />

des Verwaltungsrats. <strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 12–22.<br />

3.2.5. GmbH / Société à responsabilité limitée (s.r.l.)<br />

Kissling Mischa: <strong>AG</strong> und GmbH: Probleme bei Interessenkonfl<br />

ikten. pläd 6/2008, 27–29.<br />

Steffek Felix: Der subjektive Tatbestand der Gesellschafterhaftung<br />

im Recht der GmbH – zugleich ein Beitrag zum<br />

Haftungsdurchgriff. JZ 2/2009, 77–85. (D)<br />

3.5. Wettbewerbsrecht – allgemein /<br />

Droit de la concurrence – en général<br />

Alberini Adrien: Quelques réfl exions sur l’application du<br />

droit de la concurrence à l’innovation rapide et aux marques<br />

attractives à la lumière de l’affaire iPhone. Jusletter, 9. Februar<br />

2009.<br />

Studer Peter: Darf «Tages-Anzeiger online» SF-TV-Beiträge<br />

«einbinden» und als Bild/Tondokument ausstrahlen? Jusletter,<br />

16. Februar 2009.<br />

3.7. Banken- und Börsenrecht /<br />

Droit bancaire et droit boursier<br />

Isenring Bernhard: Das neue Finanzmarktaufsichtsrecht<br />

in der Schweiz – ein Überblick. Jusletter, 26. Januar 2009.<br />

Mülbert Peter O.: Corporate Governance von Banken.<br />

Jusletter, 16. Februar 2009.<br />

Nobel Peter: Entwicklungen im Bank- und Kapitalmarktrecht.<br />

SJZ/RSJ 2009/1, 7–12.<br />

3.8. Immaterialgüterrecht – allgemein / Droit de<br />

la propriété immatérielle – en général<br />

Widmer Peter: Zur Methodik der Beurteilung von Firmenkollisionen.<br />

Die Rechtsprechung des Bundesgerichts bei fi rmenrechtlichen<br />

Kollisionen. sic! 1/2009, 3–15.<br />

3.8.2. Urheberrecht / Droit d’auteur<br />

Abegg Andreas / Berger Mathis: Gerichtsstandsvereinbarungen<br />

und Verletzerzuschläge in verwertungsrechtlichen Tarifen.<br />

Zur Privatautonomie im Rahmen staatsgeleiteter Selbstregulierung<br />

am Beispiel des URG. sic! 2/2009, 65–74.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 383 10.3.2009 9:12:37 Uhr<br />

383


384<br />

Studer Peter: Darf «Tages-Anzeiger online» SF-TV-Beiträge<br />

«einbinden» und als Bild/Tondokument ausstrahlen? Jusletter,<br />

16. Februar 2009.<br />

3.9. Arbeitsrecht / Droit du travail<br />

Egli Hans-Peter: Der rechtliche Charakter von Bonuszahlungen.<br />

SA/ES 2/2009, 4–19.<br />

Gabathuler Thomas: Die Kündigungsfreiheit kommt ins<br />

Wanken. pläd 5/2008, 32–40.<br />

Jaïco Carranza Carlos / Micotti Sébastien: Les nouveaux<br />

projets législatifs à la lumière de la jurisprudence récente<br />

en matière de whistleblowing. Jusletter, 2. Februar 2009.<br />

Ledergerber Zora: Schutz für Whistleblower: Vernehmlassung<br />

ruft nach erheblichen Verbesserungen. pläd 1/2009,<br />

28–29.<br />

Mayer Markus / Nowotnick Uwe: Steueroptimierte Gestaltung<br />

der Mitarbeiterentsendung von Deutschland in die<br />

Schweiz. RIW 12/2008, 851–854.<br />

Raths Ernst: «Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz<br />

sind Chefsache». SA/ES 21/2008, 20–23.<br />

Reinert Peter: Variable Gehaltssysteme aus arbeitsrechtlicher<br />

Sicht. <strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 3–11.<br />

3.12. Europäisches Wirtschaftsrecht /<br />

Droit économique européen<br />

S. 8.11.1. / V. 8.11.1.<br />

4. Internationales Privat- und Verfahrensrecht<br />

/ Droit international privé et droit<br />

international de procédure civile<br />

4.1. Internationales Privatrecht – allgemein /<br />

Droit international privé – en général<br />

Aden Menno: Das Internationale Privatrecht Rumäniens.<br />

RIW 10/2008, 700–706.<br />

Ancel Marie-Elodie: Les contrats de distribution et la<br />

nouvelle donne du règlement Rome I. Revue Critique 3/2008,<br />

561–580.<br />

Einsele Dorothee: Auswirkungen der Rom I-Verordnung<br />

auf Finanzdienstleistungen. WM 7/2009, 289–299. (D)<br />

Flessner Axel: Die internationale Forderungsabtretung<br />

nach der Rom I-Verordnung. IPRax 1/2009, 35–43. (D)<br />

Graziano Kadner Thomas: The Law Applicable to Non-<br />

Contractual Obligations (Rome II Regulation). RabelsZ 2009/1,<br />

1–77. (D)<br />

Kadner Graziano Thomas: Le nouveau droit international<br />

privé communautaire en matière de responsabilité extracontractuelle<br />

(règlement Rome II). Revue Critique 3/2008,<br />

445–512.<br />

Mankowski Peter: Die Rom I-Verordnung. Das neue europäische<br />

IPR für Schuldverträge und seine Bedeutung insbesondere<br />

aus Schweizer Sicht. EuZ 1/2009, 2–17.<br />

Mankowski Peter: Ist eine vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen<br />

möglich? IPRax 1/2009, 23–34. (D)<br />

Maute Wolfgang / Stolz Tabea: Grenzüberschreitende<br />

Aspekte aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht.<br />

StR/RF 2/2009, 66–84.<br />

Muir Watt Horatia: Régulation de l’économie globale et<br />

l’émergence de compétences déléguées sur le droit internatio-<br />

Literaturübersicht/Bibliographie<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

nal privé des actions des groupe (À propos de l’affaire Vivendi<br />

Universal). Revue Critique 3/2008, 581–590.<br />

Pamboukis Charalambos: La renaissance-métamor phose<br />

de la méthode de reconnaissance. Revue Critique 3/2008, 513–<br />

560.<br />

Wagner Rolf: Konturen eines Gemeinschaftsinstruments<br />

zum internationalen Güterrecht unter besonderer Berücksichtigung<br />

des Grünbuchs der Europäischen Kommission. FamRZ<br />

4/2009, 269–281. (D)<br />

Wagner Rolf: The Hague Convention of 30 June 2005 on<br />

Choice of Court Agreements. RabelsZ 2009/1, 100–149. (D)<br />

4.1.2. Einzelne Gebiete des IPR /<br />

Matières particulières du DIP<br />

Guillaume Florence: Trust, réserves héréditaires et immeubles.<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 33–46.<br />

Mankowski Peter / Bock Stefanie: Fremdrechtsanwendung<br />

im Strafrecht durch Zivilrechtsakzessorietät bei Sachverhalten<br />

mit Auslandbezug für Blanketttatbestände und Tatbestände<br />

mit normativem Tatbestandsmerkmal. ZStW 2008/4,<br />

704–758. (D)<br />

Tschäpe Philipp / Kramer Robert / Glück Oliver: Die<br />

Rom II-Verordnung – Endlich ein einheitliches Kollisionsrecht<br />

für die gesetzliche Prospekthaftung? RIW 10/2008, 657–667.<br />

(D)<br />

4.2. Internationales Verfahrens-, Vollstreckungsund<br />

Konkursrecht / Droit international de<br />

procédure civile, exécution forcée internationale<br />

et droit international de la faillite<br />

Dietze Jan / Schnichels Dominik: Die aktuelle Rechtsprechung<br />

des EuGH zum EuGVÜ und zur EuGVVO – Übersicht<br />

über das Jahr 2007. EuZW 2/2009, 33–37. (D)<br />

Jaques Charles: La reconnaissance en Suisse du concordat<br />

homologué en faveur du groupe Parmalat. Jusletter, 2. Februar<br />

2009.<br />

Schneider Marcel: Funktionen des staatlichen Richters am<br />

Sitz des internationalen Schiedsgerichts gemäss 12. Kapitel des<br />

IPRG. Diss. St. Gallen, 2009, 167 Seiten.<br />

4.3. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit /<br />

Juridiction arbitrale internationale<br />

Zhou Cui: Neue Entwicklungen im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit<br />

und der Schiedskommission in der VR China.<br />

RIW 10/2008, 686–691.<br />

4.4. Internationale Rechtshilfe /<br />

Entraide judiciaire internationale<br />

Schweizer Rainer J.: Steuerbehörden benutzen UBS <strong>AG</strong><br />

als Untersuchungsgehilfi n. Jusletter, 9. Februar 2009.<br />

Weinbörner Udo: Die Neustrukturierung und Aktualisierung<br />

des Länderteils der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen<br />

(ZRHO). IPRax 6/2008, 486–489. (D)<br />

5. Rechtsvergleichung / Droit comparé<br />

5.1. Ausländisches Recht / Droit étranger<br />

Anning Paul / Terlau Matthias: Massnahmen gegen die<br />

Finanzmarktkrise – Grossbritannien. RIW 1-2/2009, 54–56.<br />

(GB)<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 384 10.3.2009 9:12:37 Uhr


Assmann Heinz-Dieter: Unternehmenszusammenschlüsse<br />

und Kapitalmarktrecht. ZHR 5-6/2008, 635–669. (D)<br />

Bachmann Gregor: Kapitalmarktrechtliche Probleme bei<br />

der Zusammenführung von Unternehmen. ZHR 5-6/2008, 597–<br />

634. (D)<br />

Barth Uli / Bongard Christian: Gesamtwirtschaftliche<br />

Analyse: Die grosse Unbekannte der Mehrerlösermittlung.<br />

WuW 1/2009, 30–43. (D)<br />

Battes Robert: Echte Wertsteigerungen im Anfangsvermögen<br />

– immer Zugewinn? Ein neuer Vorschlag zur Reform des<br />

gesetzlichen Güterrechts. FamRZ 4/2009, 261–264. (D)<br />

Bederman David J.: Medellín’s new paradigm for treaty interpretation.<br />

AJIL 2008/3, 529–572. (USA)<br />

Borth Helmut: Einführung in das Gesetz zur Reform des<br />

Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der<br />

freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17.12.2008 (FGG-ReformG).<br />

FamRZ 3/2009, 157–171. (D)<br />

Brüning Christoph: «Nichts geht mehr?» – Zum grundrechtlichen<br />

Schutz der Berufsfreiheit vor staatlicher Wirtschaftstätigkeit.<br />

JZ 1/2009, 29–35. (D)<br />

Cannivé Klaus: Die Legal Vendor Due Diligence – Marktstandard<br />

oder Modeerscheinung? ZIP 2009/6, 254–260. (D)<br />

Dammann Reinhard / Samol Michael: Massnahmen gegen<br />

die Finanzmarktkrise –Frankreich. RIW 1-2/2009, 57–59.<br />

(F)<br />

Flägel Peter / Smith Brian: Massnahmen gegen die Finanzmarktkrise<br />

– USA. RIW 1-2/2009, 51–53. (UAS)<br />

Förster Christian: Soziale Verantwortung von Unternehmen<br />

rechtlich reguliert. RIW 12/2008, 833–840. (D)<br />

Inwinkl Petra: Massnahmen gegen die Finanzmarkt krise –<br />

Österreich. RIW 1-2/2009, 60–65. (A)<br />

Luttermann Claus: Kreditversicherung (Credit Default<br />

Swaps): Vertrag, Restrukturierung und Regulierung (Hedge-<br />

Fonds, Rating, Schattenbanken). RIW 11/2008, 737–742. (D)<br />

Vorpeil Klaus: Neuere Entwicklungen im englischen Handels-<br />

und Wirtschaftsrecht. RIW 11/2008, 752–769. (GB)<br />

6. Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht /<br />

Organisation judiciaire et procédure<br />

6.1. Gerichtsorganisation /<br />

Organisation judiciaire<br />

Rüetschi David: Aufforderung zur extensiven Auslegung<br />

von Art. 100 Abs. 6 BGG. Anwaltsrevue/Revue de l’avocat<br />

1/2009, 27–29.<br />

von Weissenfluh Marc: Finden der einschlägigen BGE-<br />

Entscheide auf Internet – Suchstrategien. Anwaltsrevue/Revue<br />

de l’avocat 1/2009, 23–27.<br />

6.2. Anwaltsrecht /<br />

Droit sur la profession d’avocat<br />

Behrens Alexander: Internal Investigations: Hintergründe<br />

und Perspektiven anwaltlicher «Ermittlungen» in deutschen<br />

Unternehmen. RIW 1-2/2009, 22–32. (D)<br />

Bohnet François: Kenntnisse des Anwalts bezüglich<br />

Rechtsprechung – es zählt einzig die Veröffentlichung in der<br />

Amtlichen Sammlung. SJZ/RSJ 2009/1, 12–14.<br />

Kägi-Diener Regula: Die Beziehung zur Klientschaft:<br />

Sind Anwältinnen anders als Anwälte? Anwaltsrevue/Revue de<br />

l’avocat 1/2009, 17–23.<br />

Literaturübersicht/Bibliographie<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

6.4. Zivilprozessrecht / Procédure civile<br />

Fischer Daniel: Sammelklagen: Auch in der Schweiz sinnvoll?<br />

pläd 6/2008, 48–55.<br />

Guy-Ecabert Christine: La médiation dans les lois fédérales<br />

de procédure civile, pénale et administrative: petite<br />

histoire d’un pari sur l’indépendance. <strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 47–56.<br />

Merz Barbara: Entwicklungen in Zivilprozessrecht und<br />

Schiedsgerichtsbarkeit. SJZ/RSJ 2009/2, 33–38.<br />

Rüedi Yves: Materiell rechtswidrig beschaffte Beweismittel<br />

im Zivilprozess. Diss. St. Gallen, 2009, 173 Seiten.<br />

Scyboz Pierre: Les parties et leurs représentants dans le<br />

Code de procédure civile suisse du 19 décembre 2008 – Bref<br />

aperçu. Anwaltsrevue/Revue de l’avocat 1/2009, 12–17.<br />

6.5. Strafprozessrecht / Procédure pénale<br />

S. 7.6.1. / V. 7.6.1.<br />

6.6. Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht /<br />

Exécution forcée et faillite<br />

de Coulon Yves: La préservation de l’entreprise du failli et<br />

sa vente d’urgence. BlSchK/BPPF 2008/6, 205–217.<br />

Emmel Simone / Stauffer Hans-Ulrich: Alle Forderungen<br />

im Konkurs des Arbeitgebers privilegiert. SPV/PPS 11/2008,<br />

94–95.<br />

6.7. Verwaltungsverfahrensrecht, Staats- und<br />

Verwaltungsrechtspfl ege / Procédure<br />

administrative, juridiction constitutionnelle<br />

et administrative<br />

Guy-Ecabert Christine: La médiation dans les lois fédérales<br />

de procédure civile, pénale et administrative: petite<br />

histoire d’un pari sur l’indépendance. <strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 47–56.<br />

7. Strafrecht / Droit pénal<br />

7.1. Strafrecht – Allgemein – Theoretische<br />

Grundlagen / Droit pénal – en général –<br />

éléments nécessaires théoretiques<br />

7.1.1. Strafrechtstheorie / Théorie du droit pénal<br />

Aebersold Peter: Straftäter-Studie: Naiv und wissenschaftlich<br />

ungenügend. pläd 5/2008, 30–31.<br />

Hilgendorf Eric: Strafrecht und Interkulturalität: Plädoyer<br />

für eine kulturelle Sensibilisierung der deutschen Strafrechtsdogmatik.<br />

JZ 3/2009, 139–144. (D)<br />

7.2. Strafrecht – Allgemeiner Teil – allgemein /<br />

Droit pénal – Partie générale – en général<br />

Ehrenzeller Bernhard / Guy-Ecabert Christine /<br />

Kuhn André (Hrsg.): Das revidierte Opferhilfegesetz. <strong>Dike</strong><br />

<strong>Verlag</strong>, Zürich 2009, 242 Seiten, CHF 58.–.<br />

Mankowski Peter / Bock Stefanie: Fremdrechtsanwendung<br />

im Strafrecht durch Zivilrechtsakzessorietät bei Sachverhalten<br />

mit Auslandbezug für Blanketttatbestände und Tatbestände<br />

mit normativem Tatbestandsmerkmal. ZStW 2008/4,<br />

704–758. (D)<br />

Sancinetti Marcelo A.: Hypothetische Kausalverläufe<br />

und die Differenztheorie. ZStW 2008/4, 661–7<strong>03</strong>. (D)<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 385 10.3.2009 9:12:37 Uhr<br />

385


386<br />

7.2.6. Strafen / Peines<br />

Heine Günter: Das neue Strafensystem im Spiegel der<br />

Rechtsprechung: blechen oder schwitzen statt sitzen – gegebenenfalls<br />

gemischt! recht 1/2009, 12–26.<br />

Zünd Andreas: Ein Wegweiser zu den neuen Sanktionen.<br />

pläd 6/2008, 36–47.<br />

7.3. Strafrecht – Besonderer Teil – allgemein /<br />

Droit pénal – Partie spéciale – en général<br />

7.3.3. Straftaten gegen Ehre, Geheim- und Privatbereich<br />

/ Infractions contre l’honneur et contre le<br />

domain secret ou le domaine privé<br />

Kett-Straub Gabriele: Hat Porsche eine Ehre? – Die<br />

passive Beleidigungsfähigkeit von Personengemeinschaften.<br />

ZStW 2008/4, 759–784. (D)<br />

7.3.18. Korruptionsstrafrecht /<br />

Droit pénal de corruption<br />

Peek Markus: Strafrecht als Mittel der Bekämpfung politischer<br />

Korruption: Zur Reform des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung<br />

(§180e StGB). ZStW 2008/4, 785–825. (D)<br />

7.4. Nebenstrafrecht des Bundes – allgemein /<br />

Peines accessoires de la confédération<br />

7.4.4. Steuerstrafrecht / Droit pénal fi scal<br />

Dubs Jürg: Verdeckte Gewinnausschüttungen, solidarische<br />

Mithaftung – Zündstoff im Steuerstrafrecht. <strong>AJP</strong>/PJA 1/2009,<br />

70–82.<br />

7.6. Strafprozessrecht und Gerichtsorganisation /<br />

Procédure pénale et organisation judiciaire<br />

7.6.1. Allgemeines Strafprozessrecht /<br />

Procédure pénale générale<br />

Guy-Ecabert Christine: La médiation dans les lois fédérales<br />

de procédure civile, pénale et administrative: petite<br />

histoire d’un pari sur l’indépendance. <strong>AJP</strong>/PJA 1/2009, 47–56.<br />

Knauer Florian: Pilotverfahren im Strafprozess. ZStW<br />

2008/4, 826–854. (D)<br />

Singelnstein Tobias: Strafprozessuale Verwendungsregelungen<br />

zwischen Zweckbindungsgrundsatz und Verwertungsverboten.<br />

ZStW 2008/4, 855–893. (D)<br />

7.8. Strafrecht international /<br />

Droit pénal international<br />

7.8.3. Völkerstrafrecht, internationaler Gerichtshof /<br />

Droit pénal international public, cour international<br />

de justice<br />

S. 8.13. / V. 8.13.<br />

8. Völkerrecht und Europarecht / Droit international<br />

public et droit européen<br />

8.1. Völkerrecht und Europarecht – allgemein /<br />

Droit international public et de droit<br />

européen – en général<br />

Addis Adeno: Imagining the International Community: The<br />

Constitutive Dimension of Universal Jurisdiction. HRQ 1/2009,<br />

129–162. (USA)<br />

Literaturübersicht/Bibliographie<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Gänswein Olivier: Der Einsatz privater Militär- und Sicherheitsunternehmen<br />

in Krisengebieten aus völkerrechtlicher<br />

Sicht. Jusletter, 2. Februar 2009.<br />

Hilpold Peter: WTO-Recht und EU-Recht – neuste Entwicklungen<br />

in einem komplexen Rechtsverhältnis. RIW<br />

12/2008, 817–823. (D)<br />

Kotzur Markus: Kooperativer Grundrechtsschutz in<br />

der Völkergemeinschaft / Zur Rechtsmittelentscheidung des<br />

EuGH (Grosse Kammer) in den verb. Rsn. Kadi u.a., EuGRZ<br />

2008/22-23, 673–679. (D)<br />

Niestedt Marian / Boeckmann Hanna: Verteidigungsrechte<br />

bei internen Untersuchungen des OLAF – das Urteil<br />

Franchet und Byk des Gerichts erster Instanz und die Reform<br />

der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999. EuZW 3/2009, 70–74.<br />

(D)<br />

Stadler Astrid: Grenzüberschreitender kollektiver Rechtsschutz<br />

in Europa. JZ 3/2009, 121–133. (D)<br />

Urlesberger Franz W.: Europarecht: Das Neueste auf einen<br />

Blick. wbl 11/2008, 527–531. (A)<br />

8.3. Völkerrechtsgeschichte /<br />

Histoire du droit international public<br />

Fletcher Laurel E. / Weinstein Harvey M. / Jamie<br />

Rowen: Context, Timing and the Dynamics of Transitional Justice:<br />

A Historical Perspective. HRQ 1/2009, 163–220. (USA)<br />

8.4. Verhältnis von Völkerrecht, Europarecht<br />

und Landesrecht / Rapports entre le droit<br />

international, le droit européen et le droit<br />

interne<br />

Calliess Christian: Europäische Gesetzgebung und nationale<br />

Grundrechte – Divergenzen in der aktuellen Rechtsprechung<br />

von EuGH und BVerfG? JZ 3/2009, 113–121. (D)<br />

8.11. Europäisches Wirtschaftsrecht /<br />

Droit économique européen<br />

8.11.1. Wirtschaftsrecht allgemein /<br />

Droit économique en général<br />

Cottier Thomas / Diebold Nicolas: Warenverkehr und<br />

Freizügigkeit in der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den<br />

Bilateralen Abkommen. Jusletter, 2. Februar 2009.<br />

Epiney Astrid: Ausländerklauseln im Amateursport. Jusletter,<br />

9. Februar 2009.<br />

Hilpold Peter: Unterhaltsstipendien für Unionsbürger –<br />

Die Rechtssache «Förster» und die Grenzen mitgliedstaatlicher<br />

Solidarität. EuZW 2/2009, 40–43. (D)<br />

Lemor Florian / Haake Kai: Ausgesuchte Rechtsfragen<br />

der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie. EuZW 3/2009,<br />

65–70. (D)<br />

8.11.2. Gesellschaftsrecht / Droit des sociétés<br />

Hadding Walther / Kiessling Erik: Die Europäische Privatgesellschaft<br />

(Societas Privata Europaea – SPE). WM 4/2009,<br />

145–157. (D)<br />

Mörsdorf Oliver: Beschränkung der Mobilität von EU-<br />

Gesellschaften im Binnenmarkt – eine Zwischenbilanz. EuZW<br />

4/2009, 97–102. (D)<br />

Nettesheim Martin: Unternehmensübernahmen durch<br />

Staatsfonds: Europarechtliche Vorgaben und Schranken. ZHR<br />

5-6/2008, 729–767.<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 386 10.3.2009 9:12:38 Uhr


Zimmer Heiko: Einmal SE, immer SE? Zum Bestandsschutz<br />

einer Societas Europaea bei fehlerhafter Gründung. wbl<br />

11/2008, 518–524. (A)<br />

8.11.5. Wettbewerbsrecht / Droit de la concurrence<br />

Roth Wulf-Henning: Aktuelle Probleme der europäischen<br />

Fusionskontrolle. ZHR 5-6/2008, 670–715. (D)<br />

Schwarze Jürgen: Rechtsstaatliche Defi zite des europäischen<br />

Kartellbussgeldverfahrens. WuW 1/2009, 6–11. (D)<br />

Stauber Peter: Neues zur Kontrolle von Zusammenschlüssen<br />

nach ihrem Vollzug. WuW 1/2009, 20–29. (D)<br />

8.11.6. Konsumentenrecht / Droit des consommateurs<br />

Gsell Beate / Schellhase Hans Martin: Vollharmonisiertes<br />

Verbraucherkreditrecht – Ein Vorbild für die weitere<br />

europäische Angleichung des Verbrauchervertragsrechts? JZ<br />

1/2009, 20–29. (D)<br />

8.11.7. Banken- und Börsenrecht /<br />

Droit bancaire et droit boursier<br />

Ackmann Bernd / Reder Lars: Geldwäscheprävention in<br />

Kreditinstituten nach Umsetzung der Dritten EG-Geldwäscherichtlinie<br />

– Teil I. WM 4/2009, 158–170. (D)<br />

Ackmann Bernd / Reder Lars: Geldwäscheprävention in<br />

Kreditinstituten nach Umsetzung der Dritten EG-Geldwäscherichtlinie<br />

– Teil II. WM 5/2009, 200–210. (D)<br />

8.11.8. Immaterialgüterrecht /<br />

Droit de la propriété immatérielle<br />

Mitterer Patrick: Strawberry Fields Forever? Zur geplanten<br />

Verlängerung der Schutzdauer für Tonträger auf 95 Jahre.<br />

wbl 11/2008, 509–517. (A)<br />

8.11.9. Arbeitsrecht / Droit du travail<br />

Junker Abbo: Europäisches Arbeitsrecht 2007/2008. RIW<br />

12/2008, 824–832. (D)<br />

8.12. Menschenrechte im Völkerrecht / Droits de<br />

l’Homme en droit international public<br />

Anaya Muñoz Alejandro: Transnational and Domestic<br />

Processes in the Defi nition of Human Rights Policies in Mexico.<br />

HRQ 1/2009, 35–58. (USA)<br />

Claude E. / Welch Jr.: Defi ning Contemporary Forms of Slavery:<br />

Updating a Venerable NGO. HRQ 1/2009, 70–128. (USA)<br />

Hummer Waldemar / Karl Wolfram: Regionaler Menschenrechtsschutz<br />

– Dokumente samt Einführungen. <strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong>,<br />

Zürich 2009, 1223 Seiten, CHF 284.–.<br />

Kirkup Alex / Evans Tony: The Myth of Western Opposition<br />

to Economic, Social, and Cultural Rights?: A Reply to<br />

Whelan and Donnelly. HRQ 1/2009, 221–237. (USA)<br />

L’Eplattenier-Burri Sabine: «Der Klimawandel wird die<br />

Menschenrechte verändern». pläd 5/2008, 14–15.<br />

Theidon Kimberly: Reconstructing Masculinities: The Disarmament,<br />

Demobilization, and Reintegration of Former Combatants<br />

in Colombia. HRQ 1/2009, 1–34. (USA)<br />

8.12.2. EMRK / CEDH<br />

Cremer Hans-Joachim: Freiheitsentzug und Zwangsbehandlung<br />

in einer Privatklinik, Rechtskraftdurchbrechung und<br />

(mittelbare) Drittwirkung der EMRK / Der Fall Waldtraud<br />

Storck vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.<br />

EuGRZ 2008/19-21, 562–581. (D)<br />

Literaturübersicht/Bibliographie<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Wittinger Michaela: «Europäisches Familienrecht»: Die<br />

familienrechtliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs<br />

für Menschenrechte in jüngerer Zeit – Altbekanntes und<br />

Neues. FamPra.ch 1/2009, 84–111.<br />

8.12.3. UN-Menschenrechtspakte / Pactes ONU<br />

Zehnder Regula: Verstösse gegen das Uno-Recht sind<br />

klagbar. pläd 6/2008, 30–32.<br />

8.13. Internationales Strafrecht /<br />

Droit pénal international<br />

Fiss Owen: Within Reach of the State: Prosecuting Atrocities<br />

in Africa. HRQ 1/2009, 59–69. (USA)<br />

8.13.3. Internationale Aspekte des Terrorismus. Piraterie.<br />

Luftpiraterie / Aspects internationales du<br />

terrorisme<br />

Vagts Detlev F.: Military Commissions: Constitutional limits<br />

on their role in the war on terror. AJIL 2008/3, 573–586.<br />

8.15. Handel und Entwicklung. Finanzbeziehungen<br />

/ Commerce et développement.<br />

Relations fi nancières<br />

Luttermann Claus: «Fair Value»: Mythos, Methoden und<br />

Mass international. RIW 1-2/2009, 1–10. (D)<br />

Mavroidis Petros C.: No outsourcing of law? WTO law as<br />

practiced by WTO courts. AJIL 2008/3, 421–471.<br />

Ratner Steven R.: Regulatory takings in institutional context:<br />

Beyond the fear of fragmented international law. AJIL<br />

2008/3, 475–528.<br />

8.18. Internat. Arbeitsrecht /<br />

Droit du travail international<br />

Chichilnisky Graciela / Hermann Frederiksen Elisabeth:<br />

An equilibrium analysis of the gender wage gap. ILR<br />

4/2008, 297–320.<br />

Kucera David / Roncolato Leanne: Informal employment:<br />

Two contested policy issues. ILR 4/2008, 321–348.<br />

Mesa-Lago Carmelo: Social protection in Chile: Reforms<br />

to improve equity. ILR 4/2008, 377–402.<br />

Weil David: A strategic approach to labour inspection. ILR<br />

4/2008, 349–375.<br />

11. Rechtsphilosophie. Rechtstheorie. Rechtssoziologie<br />

/ Philosophie du droit. Théorie<br />

générale du droit. Sociologie du droit<br />

Büchler Andrea (Hrsg.): Marie Theres Fögen – Opuscula.<br />

<strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong>, Zürich 2009, 131 Seiten, CHF 35.–.<br />

Hofmann Hasso: «In Europa kann’s keine Salomos geben.»<br />

– Zur Geschichte des Begriffspaars Recht und Kultur. JZ<br />

1/2009, 1–10. (D)<br />

Moor Pierre: Einige Gedanken über Recht und Gerechtigkeit.<br />

BJM 2008/6, 306–312.<br />

Wielsch Dan: Die epistemische Analyse des Rechts: Von<br />

der ökonomischen zur ökologischen Rationalität in der Rechtswissenschaft.<br />

JZ 2/2009, 67–77. (D)<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 387 10.3.2009 9:12:38 Uhr<br />

387


388<br />

Mitteilungen/Communications<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Mitteilungen<br />

Communications<br />

Veranstaltungskalender / Calendrier des manifestations<br />

(ohne Gewähr)<br />

Sommerkurs Mediation in Konstanz am Bodensee<br />

Grundausbildung kompakt in 2 Kurswochen<br />

Datum: 17. – 23. August und 21. – 27. September 2009<br />

Aufbaukurse Familien- und Wirtschaftsmediation<br />

ab Oktober 2009<br />

Leitung: Dr. ELKE MÜLLER, Dr. HANSJÖRG SCHWARTZ,<br />

TILMAN METZGER u.a.<br />

Infos zu diesen Kursen:<br />

KONSTANZER SCHULE FÜR MEDIATION<br />

Anerkanntes Ausbildungsinstitut durch BAFM,<br />

BM, (D), SDM-FSM, SAV (CH)<br />

Marktstätte 15, D-78462 Konstanz<br />

Tel: +49(0)7531/819430<br />

info@ksfm.de, www.ksfm.de<br />

Iris Wigger, Dr. iur., LL.M. (Maritime Law)<br />

Global Ocean Management<br />

in Partnership<br />

2009. 238 Seiten, broschiert, CHF 58.– (ISBN 978-3-<strong>03</strong>751-111-4)<br />

CAS Finanz- und Rechnungswesen für Juristen<br />

Certifi cate of Advanced Studies (Nachdiplomkurs)<br />

Nächster Studienstart: 4. Mai 2009<br />

Leitung: Prof. Dr. LINARD NADIG / Prof. Dr. DOMINIK C. ERNY<br />

Weitere Informationen unter www.hslu.ch/ifz-weiterbildung<br />

The oceans play a central role in regulating climate, being part of the food supply<br />

chain, and providing routes for navigation and transport of cargo and passengers.<br />

Shipping is the basic method for transporting goods and cargo. Vir tually every<br />

product ever made, bought, or sold has been affected by shipping.<br />

The International Maritime Organization (IMO) is the UN system’s regulatory<br />

agency for the maritime sector and its global mandate is safer shipping and<br />

cleaner oceans. The common goal is to eradicate substandard shipping. The IMO<br />

initiated and developed the Voluntary IMO Member State Audit Scheme. For the<br />

fi rst time ever, maritime administrations will be (voluntarily) subject to external<br />

audit of how effectively they implement and enforce IMO safety and pollution prevention regulations. The results<br />

of the audits should allow resources from IMO’s Technical Cooperation Programme to be better targeted<br />

at maritime administrations. States, acting in their functions as fl ag, port or coastal states, are given the guidelines<br />

to better fulfi l their duties and responsibilities under international maritime law in general.<br />

Capacity-building and education are needed to enable states and other various stakeholders to tackle the<br />

problems threatening the oceans. Based on these facts and to provide assistance to states in order to fulfi l the<br />

corrective actions required after the carrying out of the IMO Audit, the Global Ocean Management in Partnership<br />

was developed. Innovative technologies and an exchange of knowledge can provide a basis for sound<br />

policymaking towards a global ocean management.<br />

The problems of ocean spaces are closely interrelated and must be considered as a whole. Understanding<br />

the oceanic processes, the legal framework as well as the vulnerability of the marine environment is critical to<br />

our survival.<br />

<strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong> <strong>AG</strong><br />

Weinbergstrasse 41, 8006 Zürich, Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29, www.dike.ch<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 388 10.3.2009 9:12:38 Uhr


Dr. iur. Miguel Enriquez, LL. M. (Harvard), Rechtsanwalt<br />

Die gewillkürte Freistellung des<br />

Arbeit nehmers von seiner Arbeitspfl icht<br />

bis zum Ablauf der Kündigungsfrist –<br />

Rechtsdogmatische Grundlagen<br />

Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Gestaltungsrecht<br />

2008. XL, 270 Seiten, gebunden, CHF 89.–<br />

(ISBN 978-3-<strong>03</strong>751-131-2)<br />

In der betrieblichen Praxis kommt es immer wieder zu Freistellungen<br />

von Arbeitnehmern von ihrer Arbeitspfl icht bis zum Ablauf der<br />

Kündigungsfrist. Trotz der Häufi gkeit solcher Freistellungen werfen<br />

diese oft Fragen auf, die noch nicht oder kaum geklärt sind.<br />

Die vorliegende Zürcher Dissertation beantwortet viele dieser<br />

Fragen umfassend, insbesondere unter Berücksichtigung sämtlicher<br />

dazu bestehender Rechtsprechung und Literatur. Da unklare<br />

Rechtslagen gerade im gekündigten Arbeitsverhältnis nicht selten<br />

zu Prozessen führen, leistet diese Arbeit mit ihren klaren und fundierten<br />

Antworten einen Beitrag zur Verminderung von Prozessen.<br />

Zu den behandelten Fragen gehören u. a.:<br />

– Wann ist von einer Freistellung, wann von einer Beurlaubung<br />

und wann von einer Suspendierung zu reden?<br />

– Unter welchen Voraussetzungen ist eine Freistellung überhaupt<br />

gültig?<br />

– Wie kann ein Arbeitnehmer auf eine unzulässige Freistellung reagieren?<br />

– Muss ein Freigestellter die Arbeitsleistung von sich aus wieder anbieten?<br />

– Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nach einer Freistellung gegen dessen Willen zur Arbeit<br />

aufbieten?<br />

– Lässt sich aus einer direkten Anwendung der arbeitsrechtlichen Annahmeverzugsbestimmung ableiten,<br />

dass sich ein Freigestellter den während der Freistellung anderweitig verdienten Lohn anrechnen<br />

lassen muss?<br />

– Besteht das Konkurrenzverbot des Arbeitnehmers auch nach einer Freistellung?<br />

– Inwieweit kann ein Arbeitgeber eine Freistellung mit einer Lohnkürzung verbinden?<br />

Im Rahmen von Exkursen klärt diese Arbeit darüber hinaus folgende kündigungsrechtliche Streitfragen,<br />

die an die Problematik der Freistellung bloss angrenzen, aber ebenfalls von grosser praktischer<br />

Bedeutung sind:<br />

– Kann ein Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, aber deren Wirkung an die Bedingung knüpfen,<br />

dass sich der Arbeitnehmer nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist mit einer Lohnkürzung für die Zeit<br />

nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist einverstanden erklärt?<br />

– Berechtigt der blosse Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen Verfehlung des Arbeitnehmers<br />

unter gewissen Umständen zu einer fristlosen Entlassung?<br />

– Kann sich der Kündigende im Prozess, in dem die Rechtsfolgen der Kündigung beurteilt werden,<br />

auf Tatsachen berufen, die er vorher noch nicht geltend gemacht hat (z. B. weil er diese erst nach<br />

der Kündigungserklärung entdeckt hat)?<br />

– Inwiefern kann im Falle einer missbräuchlichen Kündigung neben einem Entschädigungsanspruch<br />

auch noch ein Schadenersatz- und/oder Genugtuungsanspruch bestehen?<br />

<strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong> <strong>AG</strong><br />

Weinbergstrasse 41, 8006 Zürich, Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29, www.dike.ch<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 389 10.3.2009 9:12:39 Uhr


Dr. iur. Marco Spadin<br />

Nahestehende Personen nach den Internationalen<br />

Rechnungslegungsstandards IFRS (IAS 24)<br />

2008. LVI, 256 Seiten, broschiert, CHF 76.– (ISBN 978-3-<strong>03</strong>751-133-6)<br />

(Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Band 276)<br />

Die Bedeutung der Internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS steigt weltweit und<br />

besonders auch in der Schweiz stetig. Der angelsächsischen Konzeption der Rechnungslegung<br />

entsprechend, verlangen die IFRS eine fair presentation und damit die Offenlegung<br />

aller für die Investoren relevanten Informationen. Dazu gehört zentral die vom International<br />

Accounting Standard (IAS) 24 gebotene Offenlegung der nahestehenden Personen (related<br />

parties).<br />

Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die Untersuchung darüber, welche – natürlichen oder juristischen<br />

– Personen im Sinne von IAS 24 auf die rechnungslegende Gesellschaft Einfl uss nehmen können oder aber<br />

dem Einfl uss dieser Gesellschaft unterliegen und deshalb als ihr nahestehend zu qualifi zieren sind. Besondere<br />

Beachtung wird dabei der Anwendung von IAS 24 im Rahmen der schweizerischen Rechtsordnung geschenkt.<br />

Dr. iur. Thomas S. Müller<br />

Die Passing-on Defense im schweizerischen<br />

Kartellzivilrecht<br />

Unter besonderer Berücksichtigung des amerikanischen, europäischen<br />

und deutschen Rechts<br />

2008. XLII, 337 Seiten, broschiert, CHF 82.– (ISBN 978-3-<strong>03</strong>751-135-0)<br />

(Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Band 277)<br />

Zivilrechtliche Schadenersatzklagen gegen Kartellrechtsverletzer haben insbesondere in der<br />

europäischen Gemeinschaft in jüngster Zeit vermehrt Beachtung gefunden. Eines der Grundprobleme<br />

solcher Schadenersatzansprüche ist die Behandlung der Passing-on Defense. Die<br />

Passing-on Defense behandelt die Frage, ob der Kartellrechtsverletzer im Zivilprozess gegen eine kartellrechtliche<br />

Schadenersatzklage eines Teilnehmers der Marktgegenseite vorbringen kann, dieser habe den geltend gemachten<br />

Schaden mittels eigener Preiserhöhung auf die untere Marktstufe abgewälzt. Infolge dieser Schadensabwälzung<br />

stehe dem klagenden Teilnehmer der Marktgegenseite kein Schadenersatzanspruch zu. Umgekehrt kann das<br />

Argument der Schadensabwälzung einem Teilnehmer einer tieferen Marktstufe als Grundlage einer Klage gegen<br />

den Kartellrechtsverletzer dienen.<br />

Die vorliegende Berner Dissertation nimmt sich der Frage der Passing-on Defense an, untersucht vor dem<br />

Zweck kartellrechtlicher Schadenersatzklagen, ob die Passing-on Defense im schweizerischen Kartellzivilrecht zugelassen<br />

werden soll und wie sie auszugestalten ist. Besondere Berücksichtigung wird dabei den entsprechenden<br />

Regelungen des amerikanischen, europäischen und deutschen Kartellrechts geschenkt.<br />

Dr. iur. Oliver Hablützel<br />

Solidarität in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit<br />

2009. XLI, 301 Seiten, broschiert, CHF 73.– (ISBN 978-3-<strong>03</strong>751-148-0)<br />

(Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Band 278)<br />

Die grundsätzlich unbeschränkte solidarische Haftung von Leitungsorganen und Revisionsstellen<br />

in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit wird seit Jahrzehnten in der schweizerischen<br />

Lehre und Praxis heftig und kontrovers diskutiert. Dies gilt insbesondere für die<br />

Einbindung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als aktienrechtliche Revisionsstellen in<br />

die Solidaritätsordnung. Entsprechend war und ist die Revision der verantwortlichkeitsrechtlichen<br />

Solidaritätsbestimmungen immer wieder Gegenstand gesetzgeberischer Bemühungen.<br />

Um das erhebliche Haftungsrisiko, welches sich bei einer Mehrzahl von verantwortlichen Personen<br />

für jeden einzelnen aus der Solidarhaftung ergeben kann, zu reduzieren, wurde mit der letzten grossen<br />

Aktienrechtsrevision die so genannte differenzierte Solidarität eingeführt: Diese erlaubt es den verantwortlichen<br />

Organen, sich bereits im Aussenverhältnis auf persönliche Schadenersatzreduktionsfaktoren zu berufen, insbesondere<br />

das eigene (geringe) Verschulden.<br />

Im Mittelpunkt der vorliegenden St. Galler Dissertation steht die umfassende Untersuchung der geltenden<br />

differenzierten Solidarität und ihrer Bedeutung bzw. ihrer Bedeutungslosigkeit für die verantwortlichkeitsrechtliche<br />

Praxis. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Untersuchung werden, als Diskussionsbeitrag zur momentan<br />

laufenden grossen Aktienrechtsrevision und unter Berücksichtigung von internationalen Entwicklungen, Lösungsvorschläge<br />

für eine sachgerechte alternative Ausgestaltung der Solidaritätsordnung in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit<br />

präsentiert und kritisch gewürdigt. Besondere Berücksichtigung wird auch den für den Praktiker<br />

relevanten Fragen der prozessualen Durchsetzung von Verantwortlichkeitsansprüchen gegen eine Mehrzahl von<br />

Verantwortlichen und der Regelung des Rückgriffs zwischen den Verantwortlichen im Innenverhältnis geschenkt.<br />

<strong>Dike</strong> <strong>Verlag</strong> <strong>AG</strong><br />

Weinbergstrasse 41, 8006 Zürich, Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29, www.dike.ch<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 390 10.3.2009 9:12:39 Uhr


Schriftleitung / Direction<br />

Prof. Dr. iur. IVO SCHWANDER<br />

Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen, Tel. 071 224 22 42,<br />

Fax 071 224 28 70, E-Mail: ivo.schwander@unisg.ch<br />

Verfassungs- und Verwaltungsrecht / Droit constitutionnel et<br />

administratif<br />

Prof. ANDREAS AUER, docteur en droit, LL.M. (Université de Genève)<br />

• RA Prof. Dr. iur. REGULA KÄGI-DIENER (St. Gallen) • Prof. Dr. rer. publ.<br />

ANDREAS KLEY (Universität Bern) • Prof. Dr. iur. PAUL RICHLI (Universität<br />

Luzern) • Prof. Dr. iur. PIERRE TSCHANNEN (Universität Bern) • Prof.<br />

Dr. iur. ROBERT WALDBURGER (Universität St. Gallen)<br />

lic. iur. RAINER BENZ (St. Gallen) • Dr. iur. DENISE BUSER (Basel)<br />

• RA Dr. iur. JÜRG DUBS (Zürich/Winterthur) • Prof. Dr. iur. JEAN-LOUIS<br />

DUC (Université de Lausanne) • Prof. Dr. rer. publ. YVO HANGARTNER<br />

(Universität St. Gallen) • Prof. MICHEL HOTTELIER, docteur en droit<br />

(Université de Genève) • RA PD Dr. iur. UELI KIESER (Zürich) • Fürsprecher<br />

lic. iur. BRUNO KNÜSEL (Steuerverwaltung des Kantons Bern)<br />

• Fürsprecher Dr. iur. CHRISTOPH LANZ, LL.M. (Parlamentsdienste<br />

Bern) • XAVIER OBERSON, docteur en droit, avocat (Genève) • Prof.<br />

Dr. iur. RAINER J. SCHWEIZER (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. oec. et<br />

lic. iur. KLAUS VALLENDER (Universität St. Gallen)<br />

Privatrecht / Droit privé<br />

Prof. Dr. iur. THOMAS GEISER (Universität St. Gallen) • Prof. OLI -<br />

VIER GUILLOT, docteur en droit (Neuchâtel) • Prof. Dr. iur. HEINRICH<br />

HONSELL (Zürich) • Prof. Dr. iur. THOMAS KOLLER (Uni versität Bern)<br />

• Prof. Dr. iur. INGEBORG SCHWENZER, LL.M. (Universität Basel) • Prof.<br />

URSULA NORDMANN-ZIMMERMANN, docteur en droit, lic. oec. HSG,<br />

juge fédéral (Lausanne) • Prof. FRANZ WERRO, docteur en droit, LL.M.<br />

(Université de Fribourg)<br />

RA Dr. iur. Dr. rer. soc. oec. PETER BORER (Zürich) • Prof. Dr. PETER<br />

BREITSCHMID (Universität Zürich) • Dr. iur. CHRISTIAN CALAMO<br />

(St. Gallen) • Prof. Dr. iur. JEAN NICOLAS DRUEY, LL.M. (Universität<br />

St. Gallen) • Prof. Dr. iur. WALTER FELLMANN, Rechtsanwalt und Notar<br />

(Luzern) • Dr. iur. WILLI FISCHER (Schleitheim) • PD Dr. iur. PETER HIGI<br />

(Zürich) • FABIENNE HOHL, juge fédérale (Lausanne) • Prof. Dr. iur.<br />

ALFRED KOLLER (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. ERNST A. KRAMER<br />

(Universität Basel) • RA Prof. Dr. oec. HANS RAINER KÜNZLE (Zürich)<br />

• GÉRALD MOUQUIN, docteur en droit, avocat (Lausanne) • Dr. iur.<br />

EVA PETRIG SCHULER (Einsiedeln) • Prof. PAUL-HENRI STEI NAUER, docteur<br />

en droit (Université de Fribourg) • Dr. iur. RUTH REUSSER (EJPD Bern)<br />

• Dr. iur. GIACOMO RONCORONI (EJPD Bern) • Dr. iur. FELIX SCHÖBI<br />

(EJPD Bern) • Prof. Dr. iur. THOMAS SUTTER-SOMM (Universitäten<br />

Basel/Luzern) • Prof. Dr. iur. PIERRE WIDMER (Institut suisse de droit<br />

comparé Lausanne/Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. RAINER<br />

WÖRLEN (Fachhochschule Schmalkalden)<br />

<strong>AJP</strong> Aktuelle Juristische Praxis<br />

PJA Pratique Juridique Actuelle<br />

Publikationsorgan der Schweizerischen Richtervereinigung<br />

Organe offi ciel pour les publications de<br />

l'Association suisse des Magistrats de l'Ordre judiciaire<br />

Achtzehnter Jahrgang / Dix-huitième année<br />

Impressum<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Wirtschaftsrecht / Droit économique<br />

RA Dr. iur. MARTINA ALTENPOHL (Zürich) • RA Dr. iur. ROLAND<br />

BÜHLER (Zürich) • Prof. JEAN-MARC RAPP, docteur en droit (Université<br />

de Lausanne) • Prof. Dr. iur. BERND STAUDER (Université de Genève)<br />

• RA lic. iur. HSG ERIC STUPP (Zürich) • Prof. Dr. iur. ROLF WATTER,<br />

LL.M., Rechtsanwalt (Zürich)<br />

RA Prof. Dr. iur. MARC AMSTUTZ (Universität Fribourg) • Prof. GAB RIEL<br />

AUBERT, docteur en droit, LL.M. (Université de Genève) • Fürsprecher<br />

PHILIPPE BAECHTOLD (WIPO Genf) • Dr. iur. ALEXANDER BRUNNER<br />

(Obergericht Zürich) • RA Dr. iur. LUCAS DAVID (Zürich) • RA Dr. iur.<br />

WILFRIED HEINZELMANN (Zürich) • PD Dr. oec. publ. Dr. iur. MARKUS<br />

RUFFNER (Zürich) • RA lic. iur. H.E.E. REGULA WALTER (Genève) • Prof.<br />

Dr. iur. ROGER ZÄCH (Universität Zürich)<br />

Internationales Privat- und Verfahrensrecht, Rechtsvergleichung,<br />

Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht / Droit international<br />

privé et droit international de procédure civile, Droit comparé,<br />

Organisation judiciaire et procédure<br />

Prof. Dr. iur. ANDREAS FURRER (Rechtsanwalt in Zürich, Professor in<br />

Luzern) • Prof. Dr. iur. JOLANTA KREN KOSTKIEWICZ (Universität Bern)<br />

• Prof. Dr. iur. IVO SCHWANDER (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur.<br />

GERHARD WALTER (Universität Bern)<br />

PAUL ANGST (a. Stadtammann Winterthur) • Fürsprecher Dr. iur.<br />

JÜRGEN BRÖNNIMANN (Bern) • YVES DONZALLAZ, Dr. iur., Dr. h.c., avocat<br />

et notaire, Sion • RA HANS ULRICH HARDMEIER (Zürich) • Prof.<br />

Dr. iur. FRANZ KELLERHALS, Fürsprecher (Universität Bern) • Prof.<br />

Dr. iur. CHRISTOPH LEUENBERGER, Fürsprecher, LL.M. (Kantonsgericht<br />

St. Gallen) • RA PD Dr. iur. FRANCO LORANDI (Zürich) • RA lic.<br />

iur. HSG FLURIN P. VON PLANTA (Lausanne/Zürich) • RA lic. iur. HSG<br />

DOMINIQUE VON PLANTA (Lau sanne/Zürich) • Prof. Dr. iur. KARL SPÜHLER<br />

(Winterthur) • Prof. Dr. DANIEL STAEHELIN, Advokat und Notar (Basel)<br />

Strafrecht / Droit pénal<br />

URSULA CASSANI, professeur, docteur en droit, avocate (Genève) • Prof.<br />

Dr. iur. LUKAS GSCHWEND (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. MARCEL<br />

NIGGLI (Universität Fribourg) • Dr. iur. NIKLAUS OBER HOLZER, Kantonsrichter<br />

(St. Gallen) • Prof. Dr. iur. HANS VEST (Universität Bern)<br />

Prof. Dr. iur. MARC FORSTER (Lausanne/Universität St. Gallen) • Fürsprecher<br />

Dr. iur. PETER MÜLLER (EJPD Bern) • Prof. Dr. iur. CHRISTIAN<br />

SCHWARZENEGGER (Universität Zürich)<br />

Allgemeine Fragen des Völkerrechts und Europarechts /<br />

Questions générales de droit international public et de droit<br />

européen<br />

Prof. Dr. iur. THOMAS COTTIER, LL.M. (Universität Bern/Université de<br />

Neuchâtel) • FRANK EMMERT, LL.M. (Europa-Institut Basel) • Prof.<br />

Dr. iur. ASTRID EPINEY (Universität Fribourg)<br />

Prof. Dr. iur. CHRISTINE BREINING-KAUFMANN (Universität Zürich) • EDGAR<br />

DÖRIG, dipl. en droit européen (DFJP Berne) • DANIEL FEL DER, avocat<br />

LL.M. (Bureau de l'intégration DFAE/DFEP, Berne) • FABRICE FILLIEZ, lic.<br />

sp. en droit européen (DFJP Berne) • Prof. Dr. rer. pol. DIETER FREI-<br />

BURGHAUS (IDHEAP, Université de Lausanne) • Prof. CHRISTINE KADDOUS,<br />

LL.M., lic. sp. en droit européen (Université de Genève) • MARIE-<br />

CLAUDE MEYLAN, dipl. en droit européen (DFPJ Berne) • Prof. Dr. KER-<br />

STIN ODENDAHL (Universität St. Gallen) • Fürsprecherin ERIKA SCHLÄPPI<br />

(Universität Bern) • Dr. iur. FRANK SCHÜRMANN (EJPD Bern) • RA lic. iur.<br />

MANFRED W<strong>AG</strong>NER (Universität Bern) • Dr. iur. LUZIUS WASESCHA, Minister<br />

(EVD Bern)<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 391 10.3.2009 9:12:40 Uhr<br />

391


392<br />

An dieser Nummer haben mitgewirkt:<br />

Ont collaboré à ce numéro:<br />

MLaw Dominika Blonski, LL.M., Assistentin<br />

Universität Bern, Institut für öffentliches Recht<br />

Schanzeneckstrasse 1, Postfach 8573, 3001 Bern<br />

Lic. iur. Margherita Bortolani-Slongo, Rechtsanwältin<br />

und Mediatorin<br />

Langner Stieger Trachsel & Partner<br />

Heuelstrasse 21, 8<strong>03</strong>2 Zürich<br />

Lic. iur. Andrea Dorjee-Good, Rechtsanwältin<br />

Schellenberg Wittmer<br />

Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich<br />

Lic. iur. Marnie Engewald-Dannacher, wissenschaftliche<br />

Assistentin<br />

Universität Basel, Juristische Fakultät<br />

Peter Merian-Weg 8, 4002 Basel<br />

MLaw Michael Erismann<br />

Steinstrasse 58, 80<strong>03</strong> Zürich<br />

Dr. iur. Urs Feller, Rechtsanwalt<br />

Prager Dreifuss, Attorneys at Law<br />

Mühlebachstrasse 6, 8008 Zürich<br />

Dr. iur. Daniel Füllemann, Assistent<br />

Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen<br />

Lic. iur. Sandrine Giroud-Roth, avocate<br />

Av. de La Harpe 17A, 1007 Lausanne<br />

Rebekka Keller, B.A. HSG, Assistentin<br />

Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen<br />

Prof. Dr. iur. Alfred Koller<br />

Universität St. Gallen<br />

Bodanstr. 4, 9000 St. Gallen<br />

LT LAWTANK<br />

Juristische Dienstleistungen − Legal Services −<br />

Services juridiques − Servizi giuridici<br />

Rue de Romont 18, PO BOX 906, 1701 Fribourg<br />

(Übersetzungen)<br />

Dr. iur. Manuel Liatowitsch, Rechtsanwalt<br />

Schellenberg Wittmer<br />

Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich<br />

Prof. Dr. iur. Franco Lorandi, LL.M., Rechtsanwalt<br />

Lehr beauftragter an der Universität St. Gallen<br />

Holenstein Rechtsanwälte<br />

Utoquai 29/31, 8008 Zürich<br />

Lic. iur. Andrea Mondini, LL.M., Rechtsanwalt<br />

Schellenberg Wittmer<br />

Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich<br />

Antoine Roggo/Daniel Staffelbach<br />

<strong>AJP</strong>/PJA 3/2009<br />

Prof. Dr. iur. Laurent Moreillon, avocat<br />

Doyen de la Faculté de droit de l’Université de Lausanne<br />

Université de Lausanne<br />

Institut de criminologie et de droit pénal<br />

Internef, 1015 Lausanne<br />

Prof. Dr. iur. Roland Müller, Rechtsanwalt<br />

Müller Eckstein Rechtsanwälte<br />

Hauptstrasse 17, 9422 Staad<br />

M.A. HSG Stefan Rieder<br />

Kesselhaldenstrasse 74, 9016 St. Gallen<br />

Prof. Dr. iur. Christof Riedo<br />

Universität Freiburg<br />

Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht<br />

Beauregard 11, 1700 Freiburg<br />

Lic. iur. Sonja Stark-Traber, Rechtsanwältin<br />

Schellenberg Wittmer<br />

Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich<br />

Dr. iur. Daniel Trachsel, Rechtsanwalt und Mediator<br />

Langner Stieger Trachsel & Partner<br />

Heuelstrasse 21, 8<strong>03</strong>2 Zürich<br />

PD Dr. iur. Nathalie Voser, LL.M.<br />

Rechtsanwältin, Lehrbeauftragte an der Universität Basel<br />

Schellenberg Wittmer<br />

Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich<br />

MLaw Matthias Zurbrügg, Wissenschaftlicher Assistent<br />

an der Universität Fribourg<br />

Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht<br />

Beauregard 11, 1700 Freiburg<br />

Vorschau <strong>AJP</strong> 4/2009<br />

Aperçu PJA 4/2009<br />

Tom Frischknecht:<br />

Zur Strafbarkeit des Gebrauchs eines fremden WLANs<br />

zwecks Internetzugang<br />

Omar Abo Youssef:<br />

Die Stellung des Opfers im Völkerstrafrecht<br />

Kaveh Mir Fakhraei:<br />

L’ATF 134 III 497 et l’indemnité de clientèle du<br />

distributeur exclusif<br />

und wie immer / et comme toujours<br />

– Chronik der Rechtsetzung / Législation<br />

– Rechtsprechungsübersicht / Répertoire de la<br />

jurisprudence<br />

– Entscheidungen und Entscheidbesprechungen /<br />

Jurisprudence<br />

– Literaturübersicht / Bibliographie<br />

– Buchbesprechungen / Recensions<br />

<strong>AJP</strong> <strong>03</strong>_<strong>2009.indb</strong> 392 10.3.2009 9:12:41 Uhr

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