Ich will nicht - Artist Network
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Erst neulich war wieder ein Paket<br />
in der Post: Marken-Sneakers,<br />
teuer, neueste Kollektion. Ein<br />
Geschenk, ungefragt adressiert<br />
an Clemens Schick, Kreuzberg,<br />
Berlin. „Natürlich schickt man mir die<br />
<strong>nicht</strong> einfach so“, sagt Schick. Sondern<br />
weil er Schauspieler ist, sogar einer, der<br />
schon mit Daniel Craig und Eva Green die<br />
Leinwand geteilt hat. Weil er über rote<br />
Teppiche läuft und dabei, hoffentlich, die<br />
neuen Schuhe trägt. Oder die Gratis-Designer-Anzüge,<br />
die in einem anderen Paket<br />
steckten. „Aber bloß <strong>nicht</strong> den Namen der<br />
Firma verraten“, sagt er und lacht. Denn<br />
die Sneakers werden niemals einen roten<br />
Teppich zu sehen bekommen. Weil er sie<br />
alle verschenkt hat – an Straßenkinder<br />
eines Theaterprojekts von Freunden. Und<br />
die, deshalb „pst!“, können auch in Zukunft<br />
weiter neue Treter gebrauchen.<br />
Schick grinst, dass seine stahlblauen Augen<br />
tanzen, und hebt zum Beweis den rechten<br />
Fuß. Daran ein abgeliebter weißer Turnschuh<br />
– von der Konkurrenz. Es kommt<br />
<strong>nicht</strong> nur mehr Post, seit er, der langjährige<br />
Theaterschauspieler, 2006 plötzlich<br />
neben James Bond den Bösewicht mimte<br />
(in „Casino Royale“ als rechte Hand von<br />
Mads Mikkelsen). Es kommen auch Ratschläge,<br />
viele und meist ungefragt, von<br />
Kollegen, Journalisten und vermeintlichen<br />
Branchenkennern, die an dem Wahlberliner<br />
herumzergeln. Und mit dem moralischen<br />
Zeigefinger wedeln, weil er, der Typ „aus<br />
der High-End-Kultur“ Theater, plötzlich die<br />
„Desperate Housewives“ ablöst: mit „Unschuldig“,<br />
einer Krimiserie (mittwochs,<br />
20.15 Uhr auf Pro7). Hochwertig gedreht,<br />
toll besetzt, raffinierte Plots. Aber eben<br />
eine Krimiserie. „In Amerika dreht jetzt sogar<br />
Glenn Close eine Serie“, sagt Schick,<br />
<strong>will</strong> dabei aber bloß <strong>nicht</strong> den Anschein erwecken,<br />
er würde sich entschuldigen.<br />
” Schick, <strong>nicht</strong><br />
Sobald ich komme,<br />
rufen<br />
die Fotografen: Herr<br />
Es fällt leicht, sich mit Clemens Schick wohlzufühlen:<br />
Der 35-Jährige redet mit einem<br />
wie mit einer langjährigen Bekannten,<br />
offen, interessiert, aber <strong>nicht</strong> zu offen,<br />
<strong>nicht</strong> zu interessiert. Er ist kein Träumer, er<br />
ist ein In-die-Hand-Nehmer. Der, obwohl<br />
„jemand, der eher zurückhaltend ist“, dem<br />
Regisseur von „Casino Royale“ vorschlägt,<br />
dass er doch auch in der und der Szene gut<br />
mitspielen könnte – obwohl das Drehbuch<br />
ihn dafür gar <strong>nicht</strong> vorsieht. Und, da sein<br />
Vorschlag einleuchtet, damit auch durchkommt.<br />
Der bei Drehs auf einen Wohnwagen<br />
besteht, „<strong>nicht</strong> weil ich Starallüren<br />
habe, sondern die Möglichkeit brauche,<br />
allein zu sein“. Der aber auch zugibt, dass<br />
er den „Casino Royale“-Dreh „tierisch aufregend“<br />
fand. Und: Er ist sich <strong>nicht</strong> zu schade,<br />
am Tag vorm Interview schnell noch mal<br />
zum Kreuzberger Café zu laufen, in dem er<br />
sich verabreden möchte. Damit er <strong>nicht</strong> die<br />
falsche Hausnummer weitergibt.<br />
Clemens Schick ist ein Kind seiner Eltern.<br />
Eine Familie, in der „man sehr gerne lacht,<br />
zum Glück“, in der auch mal „die Teller flogen“,<br />
die aber auch eine Haltung lebt: kein<br />
Fernseher, keine Comics, keine Barbies und<br />
” mir zu tun<br />
Meine Familie meinte,<br />
mönch<br />
werden, das hätte<br />
<strong>nicht</strong>s mit<br />
“<br />
schick im TV<br />
lachen!<br />
“<br />
nur begrenzt Taschengeld. Für Extrawünsche<br />
mussten die Kinder, vier Brüder und<br />
eine Schwester, eigenes Geld verdienen.<br />
Und sahen diese Wünsche so aus, dass ein<br />
Kind erst ins katholische Internat, in dem<br />
Hermann Hesse war, und dann zum Zirkus<br />
<strong>will</strong> (in beiden Fällen Ideen von Nesthäk-<br />
Sie kämpfen für Menschen, die<br />
unschuldig im gefängnis sitzen:<br />
Rechsanwältin Anna Winter<br />
(Alexandra Neldel), Krebsforscher<br />
Dr. Sebastian Krüger<br />
(Erhan Emre) und der coole Excop<br />
und Draufgänger Marco Lochen<br />
Clemens), legten die Eltern, eine Lehrenz<br />
(Clemens Schick). Der hütet<br />
rerin und ein Staatsanwalt, keine Steine in<br />
wie seine zwei Mitstreiter ein Ge-<br />
den Weg. Hatten wohl aber auch <strong>nicht</strong>s<br />
dagegen, als beides im Sande verlief. Mit<br />
jedem Familienmitglied telefoniert Clemens<br />
Schick heute oft und viel, am meisten<br />
mit seinem Z<strong>will</strong>ingsbruder, mit dem<br />
er einen Humor teilt, „eine Sprache“, der,<br />
obwohl zweieiig, „auch keine Ohrläpp-<br />
einen Witz daraus. Sobald ich komme,<br />
schreien sie: Herr Schick, <strong>nicht</strong> lachen,<br />
NICHT lachen!“ Er grinst.<br />
Konsequenter als der Durchschnitt zu<br />
heimnis: Er hat einen schweren<br />
herzfehler – und sollte<br />
daher längst tot sein. Die rasante<br />
Krimiserie „unschuldig“ besticht<br />
durch spannende Fälle und<br />
tiefgründige Charaktere. Mittwochs<br />
um 20.15 Uhr auf Pro7<br />
chen hat“ – und trotzdem den Gegenent-<br />
sein, das ist jedoch keine leichte Aufgabe.<br />
wurf zu Schicks Leben lebt: als Rechts-<br />
Genauso wie: sich treu zu bleiben. Eine<br />
anwalt, solide, in der gemeinsamen Heimat<br />
Theaterrolle nach der anderen zu spie-<br />
Stuttgart, ein Süddeutscher eben. „Aber<br />
len – den Richard III., den Don Carlos,<br />
ein sehr lustiger Süddeutscher“, ergänzt<br />
sogar den Tod im „Jedermann“ bei den Monate. „Religion im Sinne von sich an<br />
Schick und lacht.<br />
Salzburger Festspielen – auch wenn die die Hände fassen und Ringelreihen tanzen,<br />
Ein seltener Anblick. Zumindest in der Öf-<br />
breite Masse davon kaum Notiz nimmt. das gibt mir <strong>nicht</strong>s“, sagt er, „mir ging es<br />
fentlichkeit. Clemens Schick guckt sogar<br />
Und seine Ideen durchzusetzen. Wie die um die Strenge.“ Doch sogar die Mönche<br />
auf seiner Autogrammkarte ernst, hält die<br />
mit Anfang 20, als er beschloss, Mönch sind skeptisch, legen ihm schließlich nahe,<br />
Arme vor der in einem Anzug steckenden<br />
zu werden. „Meine Freunde haben gesagt, es doch weiter mit Theater zu versuchen.<br />
Brust verschränkt. Als Inkarnation der Bot-<br />
dass ich völlig bekloppt bin. Und meine Clemens geht, wider<strong>will</strong>ig, studiert weiter,<br />
schaft: „Hey, ich gebe dir ein Autogramm,<br />
Familie meinte, dass das <strong>nicht</strong>s mit mir zu halbherzig, besucht dafür aber jeden Mor-<br />
aber das heißt noch lange <strong>nicht</strong>, dass ich<br />
tun hat.“ Vom oberflächlichen Schauspielgen in Berlin die Messe, um sieben, noch<br />
dein Buddy bin.“ Das ist ein klein bisschen<br />
studium genervt, geht er 1992 auf Rat eines vor dem Schauspielunterricht – und saß da<br />
Pose. Und viel echte Konsequenz. „Die Fo-<br />
Freundes ins Kloster der Communauté de allein mit drei Nonnen, zwei Rentnern und<br />
tografen am roten Teppich wissen, dass ich<br />
Taizé in Burgund. Will ein paar Tage ab- einem Pfarrer. „Bis ich irgendwann merk-<br />
<strong>nicht</strong> gern lache, und machen sich schon<br />
schalten, schweigen. Und bleibt sieben te: Okay, jetzt reicht’s.“ Was geblieben ist:<br />
nein, <strong>nicht</strong> der Glaube an Gott, aber an<br />
Werte wie Nächstenliebe. Oder Mut. Und<br />
das Tattoo auf dem linken Bizeps, die Madonna?<br />
Nein, die kam viel später. Sie und<br />
das Messer auf dem rechten Arm stünden<br />
für „zwei Liebesgeschichten. Aber mehr<br />
sage ich da <strong>nicht</strong> zu“.<br />
Reißt er bei einer Frage die Augen auf,<br />
guckt ernst, heißt das: Hier hört jemand<br />
zu. Schocken hingegen lässt sich Clemens<br />
Schick <strong>nicht</strong> so leicht. Selbst wenn man<br />
ihm die Fotos unter die Nase hält, die Starfotografin<br />
Nan Goldin 2001 in Paris von<br />
ihm gemacht hat. In provokanten, intimen<br />
Posen. Sehr, sehr intimen Posen. „Erst mal<br />
ist das Kunst, krasse Kunst“, sagt Schick<br />
und wuschelt sich durch die kurz geschnittenen<br />
Haare. Und zum zweiten sei<br />
das, wie jetzt die Krimiserie, eine Facette<br />
seines Lebens gewesen, „aber <strong>nicht</strong> mehr“.<br />
Diese Facette ist die gemeinsame Zeit mit<br />
Starfotografin Nan Goldin, die er das erste<br />
Mal bei der Berlinale 1996 traf, im „Cantamaggio“,<br />
dem Restaurant, in dem Schauspielschüler<br />
Schick kellnerte. Mit Goldin<br />
reiste er durch die Welt: Paris, Marokko,<br />
Schweiz, New York. Bis die Engagements<br />
häufiger wurden und die Flüge in die USA<br />
immer seltener.<br />
Vielleicht sehe man sich ja mal bei seinem<br />
Soloabend, sagt er zum Abschied und verspricht,<br />
eine Einladung zu schicken. Erzählt<br />
dann schnell noch von seiner kleinen Wohnung<br />
um die Ecke, 55 Quadratmeter, mit<br />
kaum Möbeln und gar keinem Schnickschnack.<br />
Und dass er wie Robert De Niro<br />
in „Heat“ <strong>nicht</strong> viel länger als 15 Minuten<br />
braucht, um alles in einen Koffer zu werfen.<br />
Klar, in so einem Leben ist für schnieke<br />
Turnschuhe kein Platz. ■<br />
Maxi 137