Festschrift 04.indd - Freie Volksbühne Köln eV
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1922 - 2007
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
ICH<br />
Eine Schlacht<br />
von Niki de Saint-Phalle<br />
und Rainer von Diez<br />
Entwurf des Schutzumschlages nach dem<br />
Programm des Staatstheaters Kassel<br />
von Niki de Saint-Phalle<br />
Uraufführung am 28. Juni 1968<br />
im Staatstheater Kassel anläßlich der<br />
Eröffnung der „documenta IV“<br />
(„<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong>“, Ausgabe 30, 1968)
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Inhalt<br />
5<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Vorwort Franz Irsfeld 6<br />
Grußwort Fritz Schramma 8<br />
Grußwort Dr. Michael Naumann 10<br />
Grußwort Martin Hölzer 11<br />
Grußwort Dr. Dieter Hadamczik 12<br />
Grußwort Hans-Jürgen Simmersbach 14<br />
Astrid Völker: Die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> heute 16<br />
Der Vorstand 18<br />
Franz Irsfeld: Die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> - Ihre Geschichte 19<br />
Literaturhinweise 46<br />
Mitglieder-Ehrungen 47<br />
Impressum 50<br />
1922-2007
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
85 Jahre <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong><br />
– mit den durch die Zeitläufe des 20. Jahrhunderts erzwungenen<br />
Unterbrechungen von 1933 bis 1945 resp. 1946 –<br />
heißt das Jahrzehnte intensiver Kulturarbeit in <strong>Köln</strong>, für<br />
die Mitglieder, aber wohl auch für die <strong>Köln</strong>er Kultur insgesamt.<br />
Dabei war die <strong>Volksbühne</strong> immer ein kritischer,<br />
ein fordernder und sicher auch ein vielfältig fördernder<br />
Begleiter der <strong>Köln</strong>er Kultur. Demokratisch orientiert, demokratisch<br />
organisiert, trat sie in den Jahren von Weimar<br />
mutig dem Ungeist entgegen, setzte auf Aufklärung in einer<br />
Zeit, in der mehr und mehr Gefolgschaft, Kadavergehorsam,<br />
Unterwerfung, nationalistischer Rausch auf die<br />
Tagesordnung gesetzt wurden. Und 1945/46, nach der<br />
furchtbaren Katastrophe der Nazi-Herrschaft, nach den Verheerungen<br />
totalitärer Herrschaft, sah es die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> als ihre Pflicht<br />
an, mit kulturellen Angeboten in den Trümmern der Stadt für Freiheit,<br />
Gerechtigkeit, Toleranz, Solidarität einzutreten, ihrem Bildungsauftrag<br />
nachzukommen. Ein gewaltiger Zuspruch aus der <strong>Köln</strong>er Bevölkerung<br />
dankte es der <strong>Volksbühne</strong>.<br />
Heute, nach über sechzig Jahren seit der Wiederbegründung, haben<br />
sich durch die gewaltige Vielfalt kultureller Angebote in unterschiedlichsten<br />
Medien die Voraussetzungen für eine Bildungs- und<br />
Besucherorganisation wie die <strong>Volksbühne</strong> sehr verändert. An vielen<br />
Fronten kämpft sie für das Erreichen ihres Ideals des mündigen, aufgeklärten<br />
Bürgers. Eingedenk dessen haben wir im Jubiläumsjahr<br />
2007 einen Theaterpreis für die beste Inszenierung Politischen Theaters<br />
ausgeschrieben. Er ist mit 5000 € dotiert und nach dem unvergessenen<br />
<strong>Köln</strong>er Kulturdezernenten Kurt Hackenberg benannt. Damit<br />
und auch in den folgenden Jahren wollen wir nachdrücklich unsere<br />
Überzeugungen von Toleranz, Dialog, Humanität sichtbar machen.<br />
Kürzungen im Kulturbereich, umstrittene Inszenierungen, Preissteigerungen<br />
bei Eintrittskarten und Mitgliedsbeiträgen - vieles trägt zur<br />
Verunsicherung der Mitgliedschaft, zu sinkenden Mitgliederzahlen<br />
bei. Daneben gibt es ein demographisches Problem, junge Mitglieder<br />
sind schwer zu gewinnen.<br />
Dennoch: 85 Jahre <strong>Volksbühne</strong> in <strong>Köln</strong> ist eine große Leistung von<br />
zehntausenden Mitgliedern, vieler ehrenamtlicher Vorstände und von<br />
hervorragender hauptamtlicher Tätigkeit.<br />
Wenn heute neue Probleme durch die Schließung und Sanierung der<br />
Oper und die Schließung und den Neubau des Schauspielhauses auf<br />
uns zukommen, und das für viele Jahre, dann hoffen wir, dass wir<br />
mit Unterstützung unserer Mitglieder diese schwierige Phase gut<br />
6 7<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
überstehen werden und die Qualität der zukünftigen Theaterangebote<br />
uns mehr als entschädigen wird für die bevorstehenden Zeiten<br />
der Provisorien.<br />
Franz Irsfeld<br />
Vorsitzender der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong><br />
Für die Unterstützung unseres Jubiläums danken wir<br />
folgenden Unternehmen:<br />
Sparkasse <strong>Köln</strong>Bonn<br />
MIRENA Gastronomie GmbH<br />
Braschoß, Wagner, Linden & Collegen Wirtschaftsprüfer<br />
Gastspieldirektion Otto Hofner GmbH<br />
Italweg Italienreisen GmbH<br />
Agentur für Kommunikation Uli Kissels ! Werbeagentur e.K.
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> e.V. blickt auf eine lange<br />
und wechselvolle Geschichte in dieser Stadt zurück. 32 Jahre<br />
nachdem die erste <strong>Volksbühne</strong> in Berlin entstand, mit der<br />
die <strong>Volksbühne</strong>nbewegung im Wilhelminischen Kaiserreich<br />
begann, wurde die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> im April 1922 gegründet.<br />
In der Weimarer Zeit entwickelte sich die <strong>Köln</strong>er <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong><br />
unter ihrem Gründer und ersten Vorsitzenden Dr.<br />
Paul Honigsheim rasant und steigerte ihre Mitgliederzahl auf<br />
20.000. Noch vor dem zweiten Weltkrieg feiert sie 1932 in<br />
einer großen Festveranstaltung den siebzigsten Geburtstag<br />
Gerhard Hauptmanns – in Anwesenheit des Dichters.<br />
Der Neubeginn nach 1945 beginnt mit einer Mitgliederzahl<br />
von nur 3500. Die Zeit bis in die siebziger Jahre hinein wurde<br />
entscheidend durch den damaligen Vorsitzenden Andreas Becker<br />
geprägt, der als erster <strong>Volksbühne</strong>nleiter eine eigene Mitgliederzeitschrift<br />
herausgab. Die Begriffe Bildung und Aufklärung und das Ideal<br />
des mündigen Bürgers, wie sie bereits in den Ursprüngen der <strong>Volksbühne</strong>nbewegung<br />
formuliert waren, beherrschen bis heute die Planungen<br />
der <strong>Volksbühne</strong>norganisation.<br />
Gerade in den letzten Jahren hat sich die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> dafür eingesetzt,<br />
sich in einem modernen und zeitgemäßen Licht darzustellen.<br />
Franz Irsfeld, seit 2003 Vorsitzender der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong>, und die<br />
neue Geschäftsführung arbeiten mit großem Engagement daran, ihren<br />
Mitgliedern das vielfältige Theater- und Kulturangebot dieser Stadt<br />
in einem übersichtlichen Angebot zu präsentieren. Die Angebote richten<br />
sich dabei selbstverständlich sowohl auf Veranstaltungen in den renommierten<br />
Häusern wie Philharmonie und Städtische Bühnen, als auch<br />
auf die Angebote der vielen kleinen Privattheater und Veranstaltungsräume<br />
der freien Szene für Theater, Tanz, Kabarett und Literatur. Dabei<br />
erfährt das Programmangebot ständig Erweiterungen und versucht so<br />
den veränderten Bedürfnissen der Mitglieder Rechnung zu tragen. Mit<br />
spartenübergreifenden Wahlabonnements, Themenschwerpunkten,<br />
Abonnements für Großeltern und ihre Enkelkinder oder Kulturreisen zu<br />
den reizvollsten Kulturstätten in ganz Europa hat sich die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong><br />
zu einer attraktiven und kundenorientierten Organisation entwickelt,<br />
die als Vermittlerin von Kultur in dieser Stadt eine ganz wichtige<br />
Rolle spielt.<br />
Die Kulturförderung ist ein großer Schwerpunkt, den ich mir vorgenommen<br />
habe und der ebenfalls in unserem Leitbild 2020 prominent vertreten<br />
ist.<br />
Altbundespräsident Richard von Weizsäcker sagte einmal: „Unsere<br />
Kultur ist gewachsen wie ein kräftiger und vielgestalteter Mischwald.<br />
8<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Er leistet seinen Beitrag zur lebensnotwendigen Frischluft.“ Es macht<br />
deutlich, wie wichtig Kultur für unser Leben ist.<br />
Trotz aller finanziellen Restriktionen der letzten Jahre ist unsere Stadt<br />
immer noch eine Kulturmetropole mit überragender internationaler Ausstrahlung.<br />
Kulturelle Angebote tragen viel zur Lebensqualität bei. Die<br />
Pflege dieser Angebote ist meines Erachtens eine vergleichbar wichtige<br />
Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge wie der Betrieb von Krankenhäusern,<br />
von Schulen und Sportstätten. Denn Kunst und Kultur sind<br />
ein Grundbedürfnis jedes Menschen.<br />
Darum will die Stadt <strong>Köln</strong> auch ihrer Verpflichtung als Metropole und kulturelles<br />
Oberzentrum der Region gerecht werden. Sie will den <strong>Köln</strong>erinnen<br />
und <strong>Köln</strong>ern einen hohen kulturellen Standard bieten und nicht zuletzt<br />
Künstlerinnen und Künstlern auch Arbeitsmöglichkeiten schaffen,<br />
die künstlerische Qualität erst möglich machen. Die Stadt <strong>Köln</strong> ist sich<br />
der Verpflichtung bewusst, die <strong>Köln</strong>er Kultur zu fördern.<br />
Der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> wünsche ich weiterhin alles Gute für ihre Arbeit,<br />
dass sie so wandlungsfähig und beweglich bleiben möge wie bisher<br />
und auf diese Weise viele neue theater- und kulturbegeisterte Mitglieder<br />
gewinnen kann.<br />
Ihr<br />
Fritz Schramma<br />
Oberbürgermeister der Stadt <strong>Köln</strong><br />
9
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Als auch die <strong>Köln</strong>er Oper in den letzten Kriegstagen<br />
im Bombenhagel zugrunde ging, mochten manche<br />
geglaubt haben, dass das Herz der <strong>Köln</strong>er Kultur endgültig<br />
still stand.<br />
Die erste Oper meines Lebens hörte ich in der Aula der<br />
<strong>Köln</strong>er Universität, Karl Böhm dirigierte „Figaros Hochzeit“.<br />
Doch dann geschah das <strong>Köln</strong>er Wunder – noch längst waren<br />
nicht alle Kirchen wieder hergestellt, vom Dom ganz<br />
zu schweigen -, da öffnete die neue Oper ihre Türen.<br />
Unvergessen die Uraufführung von Zimmermanns „Soldaten“.<br />
<strong>Köln</strong>s Jahrhunderte alte städtische Kultur blühte wieder<br />
auf. Der Eintritt ins Wallraf-Richartz-Museum kostete<br />
den Schüler nur zwanzig Pfennig, der Gürzenich-Chor erlangte<br />
Weltruhm, unter Günther Wands Dirigat erklangen<br />
Wunderwerke der deutschen Klassik. Kurt Edelhagens Big Band öffnete<br />
die Ohren für eines der schönsten Importgüter, den amerikanischen<br />
Jazz. Gab es eine andere Stadt im Wirtschaftswunderland, die sich mit<br />
gleichem Eifer und gleichem Erfolg ihrer kulturellen Wurzeln besann?<br />
Die Strahlkraft der <strong>Köln</strong>er Theater, die in der Person Jürgen Flimms inzwischen<br />
so große Bühnen wie die Mailänder Scala oder die New York<br />
Met erreicht hat – wirkt weit über die Stadtgrenzen hinaus.<br />
Aber auch die schönsten Podien der Kultur benötigen ein Publikum –<br />
und die „<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong>“ stellte es zur Verfügung. 4.000 Mitglieder<br />
bilden „den Kern“, sie sind für den Bestand, die Akzeptanz und vor allem<br />
für die Fernwirkung aller Kunst eine unverzichtbare Voraussetzung..<br />
Die „<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong>“ hat ihren bedeutenden Anteil am guten Ruf der<br />
<strong>Köln</strong>er Kultur. Ihr wünsche ich nicht nur eine gesicherte Zukunft, sondern<br />
vor allem das Glück neuer, junger Mitglieder. In seinen Theatern<br />
führt die Stadt ihr kulturelles und das heißt auch: ihr kultiviertes Selbstgespräch.<br />
Die „<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong>“öffnet dieses Gespräch für tausend<br />
Bürger dieser Stadt. Ihr zu danken steht jedem an, der sich an das frühe<br />
Glück der Wiedergeburt der <strong>Köln</strong>er Künste nach dem Krieg dankbar<br />
erinnert.<br />
Dr. Michael Naumann<br />
Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien 1998 - 2001<br />
10 11<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
An den Vorstand der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> e.V.<br />
Zum 85. Geburtstag der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> gratulieren<br />
wir sehr herzlich.<br />
Rückblickend ist es eine Zeitspanne mit sehr vielen bedeutenden<br />
Höhen und Tiefen, die kaum noch nachvollziehbar<br />
sind und in der heutigen, schnell-lebigen Zeit, drohen in Vergessenheit<br />
zu geraten.<br />
Von Beginn an hatten die Verantwortlichen der <strong>Köln</strong>er<br />
<strong>Volksbühne</strong> am Aufbau des Landes– und Bundesverbandes<br />
maßgeblichen Anteil. Ihre Stimme fand Gehör und hatte<br />
Gewicht. Sie nahmen regen Anteil an dem Gedeihen der<br />
Verbände und waren gern gesehene und geschätzte Gäste<br />
bei den Landes-Verbands- und <strong>Volksbühne</strong>ntagen.<br />
In <strong>Köln</strong> setzte man sich erfolgreich für die Umsetzung der<br />
<strong>Volksbühne</strong>nidee ein. Ich selbst profitierte über 20 Jahre von den Vorzügen<br />
einer Mitgliedschaft bei der VB <strong>Köln</strong>. Es waren interessante und<br />
begeisternde <strong>Köln</strong>er Theaterjahre. Sie wurden durch viele bedeutende<br />
Ereignisse und wunderbare Ensembles im Theaterbereich getragen. Es<br />
ist schon eine Leistung, Menschen über 85 Jahre hinweg zu motivieren<br />
und für ein Theater-Abo bei der VB <strong>Köln</strong> zu begeistern.<br />
Neben der Freude gab es aber auch manche Enttäuschungen und Ärger,<br />
wenn Inszenierungen nicht nach dem Geschmack der Mitglieder waren<br />
(hat sich da bis heute etwas geändert?). Doch waren es gerade die<br />
<strong>Volksbühne</strong>n mit ihrer großen Mitgliederschar, die in schwierigen Zeiten<br />
manchen Theaterbetrieb „über Wasser“ hielten. Nicht nur Gängiges und<br />
Bekanntes wurde angeboten und vermittelt, sondern auch neuen und unpopulären<br />
Stücken wurde zum Erfolg und Durchbruch verholfen.<br />
Die <strong>Volksbühne</strong>, als Freund und Partner der Theater – in Zusammenarbeit<br />
mit den Kulturverantwortlichen der Stadt – diese Symbiose ist in<br />
<strong>Köln</strong> seit nunmehr 85 Jahren geglückt.<br />
Mögen die Kollegen auch in den nächsten Jahren, die allgemein schwierig<br />
sind und uns alle vor große Aufgaben stellen werden, weiterhin eine<br />
glückliche Hand haben und die <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> sicher und erfolgreich<br />
führen, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden.<br />
Mit allen guten Wünschen für die Zukunft<br />
Bund deutscher <strong>Volksbühne</strong>n<br />
Manfred Hölzer<br />
Vorsitzender
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Seit 36 Jahren verfolge ich die Arbeit der <strong>Freie</strong>n<br />
<strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong>. Ich stieß damals in Berlin in das kleine<br />
Team der drei Geschäftsführer, die für den Bundesverband<br />
der deutschen <strong>Volksbühne</strong>nvereine arbeiteten. Weil ich aus<br />
der praktischen organisatorischen Theaterarbeit kam, zuletzt<br />
am Theater der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> Berlin, setzte mich<br />
der Primus unter uns, Gerhard Schmid, unter anderem auf<br />
die „großen“ <strong>Volksbühne</strong>n an, die der Zuarbeit des Verbandes<br />
weniger bedurften, weil sie sich eigene sachkundige<br />
Geschäftsführer leisten konnten.<br />
Sie übernahmen Vorbild- und Vorreitercharakter in der<br />
Struktur von 90 <strong>Volksbühne</strong>n in Deutschland und hatten<br />
zugleich eigene organisatorische Probleme zu lösen. Zu ihnen<br />
gehörte beispielsweise die Frage, ob der gerade aufkommende<br />
Computer bereits nützlich für eine Besucherorganisation<br />
eingesetzt werden konnte. Die <strong>Volksbühne</strong> in Hannover hatte sich mit<br />
den damals dafür noch aufzubringenden ungeheuer hohen Kosten so<br />
weit übernommen, dass sie nicht mehr allein weiter existieren konnte.<br />
Der <strong>Köln</strong>er Geschäftsführer Paul Hax, ein kluger Kaufmann, ein vorwärts<br />
denkender Initiator, wollte wissen, ob nicht doch etwas an dieser<br />
neuen Technik dran sei für eine <strong>Volksbühne</strong>norganisation? Mit dieser<br />
Frage kam er in die von mir neu eingerichtete Geschäftsführerkonferenz<br />
der deutschen <strong>Volksbühne</strong>n.<br />
Auch in vielen anderen Fragen hatten wir einen schnellen und guten<br />
Kontakt gefunden. Als aus dem traditionsreichen, auf Bundesebene erschienenen<br />
<strong>Volksbühne</strong>n-Spiegel von mir die neue Variante der Zeitschrift<br />
„Bühne und Parkett“ entwickelt worden war, ging es Anfang<br />
der 1970er Jahre darum, ob man sie auch als Mitgliederzeitschrift in<br />
einzelnen Vereinen etablieren könne. Der Vorstand der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong><br />
<strong>Köln</strong> war schnell dabei. In der speziellen <strong>Köln</strong>er Ausgabe gab<br />
es im eingefügten Innenteil eine eigene Rubrik für die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong><br />
<strong>Köln</strong>. Hier berichteten wir aus dem kommunalen Theaterleben und<br />
führten in neue Stücke ein. Lokale Mitarbeiterin war Dr. Adelheid Limbach,<br />
die noch bis zum vorigen Jahr Kulturamtsleiterin in Viersen war.<br />
Das ging über mehrere Jahre, solange es sich der Verein finanziell leisten<br />
konnte.<br />
Noch einige Zeit habe ich dann den nachfolgenden Geschäftsführerinnen<br />
Inhaltsangaben für die Besetzungszettel zugesandt, denn auch aus<br />
meinem späteren Berufsfeld in einem bekannten Theaterspezialverlag<br />
heraus war ich ehrenamtlich einer Reihe von <strong>Volksbühne</strong>n immer verbunden<br />
geblieben.<br />
Der Bundesverband der deutschen <strong>Volksbühne</strong>n-Vereine hat sich Ende<br />
der 1980er Jahre aufgelöst.<br />
12<br />
13<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Für die zurzeit verbliebenen 65 <strong>Volksbühne</strong>n-Vereine in Deutschland<br />
gibt es seit einigen Jahren im kleinen Rahmen erneut einen Informationsdienst,<br />
der den Namen <strong>Volksbühne</strong>n-Spiegel wieder aufgegriffen<br />
hat. Die Zeiten, in denen wir uns mehr leisten konnten, sind dahin.<br />
Aber der Wille und die Freude, ins Theater gehen zu können, sind geblieben.<br />
Auch heute gehört die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> noch zu den „großen“<br />
<strong>Volksbühne</strong>n. Sie steht mit ihren Mitgliederzahlen nach Stuttgart, Hamburg,<br />
Düsseldorf, Berlin und Essen an 6. Stelle. Als ich 1979 aus einer<br />
Materialsammlung die Mitglieder des damaligen Vorstands in Archiven,<br />
vor allem der Theatersammlung <strong>Köln</strong>, zusammengetragen hatte<br />
und eine historische Übersicht zusammenstellte, konnte ich feststellen,<br />
„dass die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> im Kulturleben dieser Stadt freiwillige<br />
Leistungen erbracht hat, die heute zur Geschichte der Stadt <strong>Köln</strong> gehören.<br />
Hier verbinden sich Interesse, Hobby und Freude am Erleben mit<br />
Sachverstand und Wissen um moderne Organisationsformen zu dem,<br />
was wir im guten Sinne eine Bürgerinitiative zu nennen pflegen.“<br />
Inzwischen ist etwas mehr als ein weiteres Vierteljahrhundert vergangen.<br />
Die Herausforderungen sind durch Veränderungen in unserer Gesellschaft<br />
und in der Präsentation von Theaterformen gewachsen. Das<br />
85-jährige Jubiläum bietet Gelegenheit, aus manchem berufenem Munde<br />
die Leistungen dieser <strong>Köln</strong>er Theaterbesucherorganisation zu würdigen.<br />
Ich zolle ihr und für sie stellvertretend dem derzeitigen Vorstand<br />
meinen Respekt. Es ist für mich eine persönliche Freude und als Mann<br />
des Theaters eine Genugtuung miterleben zu dürfen, wie der aus dem<br />
Ende des 19. Jahrhunderts stammende <strong>Volksbühne</strong>ngedanke trotz aller<br />
Medienanfechtungen im 21. Jahrhundert in <strong>Köln</strong> als immer noch gegenwärtige<br />
Willensbekundung eines großen Mitgliederstammes, als<br />
Bekenntnis zu ihrem Theater ungebrochen lebendig geblieben ist.<br />
Dr. Dieter Hadamczik<br />
Arbeitsgemeinschaft der Deutschen <strong>Volksbühne</strong>nvereine<br />
Herausgeber „<strong>Volksbühne</strong>n-Spiegel“
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Die Themen „Bürgerinitiative“ und „Demonstration“<br />
gehören zu unserem Alltag, und wir können stolz darauf<br />
sein, dass wir diese basisdemokratischen Möglichkeiten<br />
gesetzlich verankert wissen, um die Meinung der Bürger zu<br />
kommunizieren. Zugleich wird deutlich, das sich Bürgerinitiativen<br />
heute meist gegen eine Sache, einen Einfluss oder<br />
eine politische Meinung wenden. Anders dagegen der heutige<br />
Anlass, der demonstriert, dass die Bürger sich auch positiv<br />
äußern und engagieren. Die Besucherorganisationen sind<br />
somit die Urzelle aller Bürgerinitiativen, die ihr Recht „Kultur<br />
für alle“ erstritten und durchgesetzt haben.<br />
Sie haben sich europäisch in der EATO zusammengeschlossen<br />
- ob <strong>Volksbühne</strong>n oder Theatergemeinden - und streiten<br />
stets positiv für ihre Sache: Sie wecken, fördern und vertiefen<br />
das Verständnis für Kunst und Kultur. Das tut die <strong>Freie</strong><br />
<strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> nun schon seit 85 Jahren - zum Wohle ihrer Mitglieder<br />
und der <strong>Köln</strong>er Bürger.<br />
Unsere gesellschaftliche Entwicklung zeigt indessen, dass die Gruppe<br />
derjenigen wächst, die mit ihrer zunehmenden Freizeit nichts anzufangen<br />
weiß. Ihre Ratlosigkeit und fehlende Orientierung führt dazu, dass sie für<br />
die Gemeinschaft verloren geht und die Flucht ins Medienlabyrinth wählt.<br />
Unzählige Fernsehprogramme aus aller Welt gehören ebenso dazu, wie<br />
die Welt des Internets oder der Computerspiele. Vereinsamung, Verdummung<br />
und Aggressivität sind die Folgen. Nicht erst seit der Pisa-Studie<br />
ist gerade bei jungen Menschen die Kluft zwischen aktivem und passivem<br />
Freizeitverhalten deutlich und zu einem gesellschaftlichen Problem<br />
geworden. Die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> hält dagegen - mit einem breiten<br />
Spektrum Sinn gebender kultureller Angebote.<br />
Somit gilt es einerseits, die Vielfalt des kulturellen Angebots zu sichern<br />
und zu stärken. Zum anderen müssen wir die Aufgaben der Besucherorganisationen<br />
phantasievoll umsetzen, um noch mehr Menschen für<br />
Kunst und Kultur zu begeistern, um der Beliebigkeit der Medien und Inhaltslosigkeit<br />
der Freizeit vieler Menschen entgegen zu wirken. Dazu gehört<br />
die lebendige Diskussion über Inhalte und Werte des gesellschaftlichen<br />
Zusammenlebens und deren Entwicklung. Und schließlich auch der<br />
Genuss und die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur<br />
Wenn es die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> nicht schon gäbe, müsste sie erfunden<br />
werden.<br />
Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und viel Erfolg für die nächsten<br />
Dezennien in und mit der Welt der Kultur.<br />
Hans-Jürgen Simmersbach, Präsident der EATO<br />
(European Association of Theatreaudience Organizations e. V.)<br />
14<br />
Haus Aachener Straße 5<br />
Colonia-Haus | Millowitsch-Theater<br />
15<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
<strong>Köln</strong> bietet eine vielfältige und facettenreiche Kultur!<br />
Neben Veranstaltungen in den renommierten Häusern wie<br />
etwa der Philharmonie, der Oper oder dem Schauspielhaus<br />
<strong>Köln</strong> gibt es noch eine Vielzahl von Privattheatern und Veranstaltungsräumen<br />
in <strong>Köln</strong> für Theater, Kabarett, Tanz oder<br />
Lesungen.<br />
Unseren Mitgliedern diese Vielfalt verschiedenster Themen<br />
und ihre Präsentation zugänglich zu machen und ihnen zu<br />
helfen, sich durch den „Dschungel“ des reichhaltigen Kulturangebots<br />
hindurchzufinden, haben wir uns zum Ziel gesetzt.<br />
Mit unserem Büro, drei Mitarbeiterinnen und mir, stehen wir<br />
unseren Kunden bei ihrer Auswahl beratend und informierend<br />
zur Seite. Hier werden die Wünsche unserer Mitglieder festgehalten,<br />
Sperrtermine wie Urlaub oder Festtage registriert, Zusatzkarten<br />
für Sie oder Ihre Begleitung bestellt für Veranstaltungen, die außerhalb<br />
des gebuchten Abonnements liegen, und auf Wunsch werden Sitzgruppen<br />
für den gemeinsamen Besuch von Veranstaltungen mit Freunden<br />
oder Bekannten zusammengestellt. Und nicht zuletzt werden hier die<br />
beliebten Kulturreisen organisiert, die unseren Mitgliedern schon viele<br />
reizvolle Kulturstätten in ganz Europa zugänglich machten.<br />
Seit dem Beginn meiner Tätigkeit als Geschäftsführerin der <strong>Freie</strong>n<br />
<strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> im Jahr 2005 hat sich unser Programmangebot stetig<br />
erweitert.<br />
Neben Abonnements mit feststehenden Terminen in unterschiedlichen<br />
Zusammenstellungen (Oper, Konzert und Sprechtheater, Moderne Dramatik,<br />
Tanz, Konzert und Theater etc.) sowie Wahlabonnements, die<br />
die Möglichkeit bieten, nicht nur eine Kunstsparte zu wählen, sondern<br />
auch den bevorzugten Wochentag, an dem man eine Veranstaltung besuchen<br />
möchte, gibt es mittlerweile darüber hinaus eine Reihe spezifischer<br />
Abonnements, die weitere Kulturangebote <strong>Köln</strong>s aufnehmen<br />
oder Themenschwerpunkte setzen.<br />
So verfügt <strong>Köln</strong> über ausgezeichnete Kabarett-Spielstätten, die renommierte<br />
KünstlerInnen ebenso wie talentierten Nachwuchs präsentieren.<br />
Diesem Angebot haben wir mit der Kabarett-Card Rechnung getragen,<br />
mit der jeder bis zum Alter von 28 Jahren an sieben verschiedenen<br />
Veranstaltungsorten je eine Vorstellung seiner Wahl sehen kann. Analog<br />
hierzu ist für diese Spielzeit ein Abonnement mit Lesungen entstanden.<br />
Ein verschiedene Generationen berücksichtigendes Angebot findet<br />
sich unter dem Titel „Oma, Opa + Enkelkind“, das für die Großelterngeneration<br />
und die ganz Jungen im Alter zwischen 4 - 7 den gemeinsa-<br />
16<br />
17<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
men Besuch von Kindertheatervorstellungen ermöglicht.<br />
Neu in dieser Spielzeit sind auch zwei Abonnements, die sich mittels<br />
entsprechender Theaterstücke mit den Themen „Gewalt“ und „Arbeit“<br />
beschäftigen und den gesellschaftspolitischen Diskurs auf der künstlerischen<br />
Ebene subjektiv-emotional fortführen. Das Abonnement zum<br />
Thema „Arbeit“ wird darüber hinaus von einem Seminar unter Leitung<br />
eines fachspezifischen Referenten begleitet.<br />
Um ein junges Publikum für die vielfältige Kultur zu begeistern, haben<br />
wir gemeinsam mit der Theatergemeinde <strong>Köln</strong> Angebote für Schulen<br />
entwickelt, die spielerisch-lustvoll die Brücke zwischen Kunst und Bildung<br />
schlagen. Künstlerinnen und Künstler aus unterschiedlichen Sparten<br />
bieten Workshops oder Kurse für Schülerinnen und Schüler an, die<br />
kreativ Unterrichtsstoffe bzw. Lernabschnitte mit Methoden etwa des<br />
Schauspiels oder des Tanzes erarbeiten.<br />
Die Erweiterung und Spezifizierung unserer Angebote wird, so hoffen<br />
wir, nicht nur unsere Mitglieder interessieren und überzeugen, sondern<br />
auch potentielle neue Mitglieder ansprechen.<br />
Es sollte uns gelingen, wenn wir als Organisation so wandlungsfähig<br />
und beweglich bleiben wie die Kunst selbst!<br />
Es grüßt Sie herzlich<br />
Astrid Völker<br />
Geschäftsführerin <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong>
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Der Vorstand<br />
Ehrenvorsitzender<br />
Dieter Blumenberg<br />
Vorsitzender<br />
Franz Irsfeld<br />
Stellvertretende Vorsitzende<br />
Susanne Schützeberg<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
Gerd Thoma<br />
Schriftführerin<br />
Sieglinde Ludwigs<br />
18 19<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Ein kurzer Aufriss ihrer Geschichte<br />
1922-2007<br />
› 6. <strong>Volksbühne</strong>ntag in Jena, 26.-28.Juni 1925<br />
„Im Kopf kann alles passieren“ (Horst Antes)<br />
Die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> feiert 85! Schon 85 Jahre alt, aber weit<br />
davon entfernt, sich schon im Greisenalter zu sehen und die Rente<br />
genießen zu wollen. - Im Gegenteil. Nicht nur heute wollen wir<br />
zeigen, daß uns unser Alter nicht belastet, sondern Ansporn ist und<br />
Auftrag, eine große Tradition und eine wunderschöne Aufgabe in der<br />
Vermittlung der Künste, von Kunst und Kultur mit Elan fortzusetzen. Dabei<br />
sind wir in der Familie der <strong>Volksbühne</strong>n noch jung, ein Nachkömmling.<br />
Denn die <strong>Volksbühne</strong>nbewegung begann im wilhelminischen Kaiserreich,<br />
in den 80er und 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. Mein<br />
kluger Brockhaus von 1908 führt uns unter „<strong>Freie</strong> Bühne” und sieht
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
die Anfänge in Paris mit dem „Théatre libre“ von Charles Antoine, dem<br />
1889 in Berlin ein Verein folgt mit dem Ziel: „eine Bühne zu begründen,<br />
welche frei ist von den Rücksichten auf Theaterzensur und<br />
Gelderwerb.“ Und weiter heißt es in der Beschreibung der Berliner<br />
Ziele: „Wir binden uns an keine ästhetische Theorie und schwören<br />
auf kein Programm, sondern heißen alles willkommen, was<br />
frei, groß und lebend ist.“ Ein Gründungsaufruf gegen die erstarrten<br />
Formen zeitgenössischer Kultur, die Ablehnung staatlicher Zensur und<br />
die Gängelung konservativer Theaterbetreiber. Die hehren Ziele dieser<br />
Gründung gerieten schnell in Kollision mit den Realitäten und die zeitgleiche<br />
Gründung der „<strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong>” Bruno Willes erwies sich<br />
mit ihrer Arbeit und dem Zuspruch, den sie erhielt, als erfolgversprechender.<br />
Willes Zielsetzung: “die socialistische Weltanschauung in geeigneten<br />
Werken der Bühne herab zu verbreiten.” Der Erfolg war groß,<br />
man zählte bald über 4000 Mitglieder, gab seit 1893 mit der „<strong>Volksbühne</strong>”<br />
ein eigenes Informationsblatt heraus. Aber die Zensur schlief nicht<br />
(vielleicht schläft sie ja nie). Trotz der Aufhebung des Sozialistengesetzes<br />
wurde jede sozialistische Regung argwöhnisch beobachtet und 1896 endete<br />
die Arbeit der <strong>Volksbühne</strong> in Berlin.<br />
Aber eine Idee war in der Welt und fand schnell Aufnahme und Umsetzung,<br />
so bereits 1894 in München. Und wohl auch noch vor Ausbruch<br />
des Krieges in <strong>Köln</strong>. Doch ist hierüber wenig bekannt. Peter<br />
Fuchs, Autor zahlreicher Darstellungen über <strong>Köln</strong>er Persönlichkeiten<br />
und zur Stadtgeschichte, erwähnt einen „<strong>Volksbühne</strong>nverein Theater<br />
des werktätigen Volkes“, der bereits vor dem 1. Weltkrieg tätig war,<br />
ohne wohl allzu erfolgreich zu sein. Zwei Namen sind hier für das Jahr<br />
1906 überliefert: Karl Steinbach und Franz Goebels, die mit einem eigenen<br />
Volks-Theater und mit Unterstützung der <strong>Freie</strong>n Gewerkschaften<br />
in Konkurrenz zum Städtischen Theater treten wollten (Fuchs, in :<br />
40 Jahre FVB, S.10).<br />
1893<br />
Nach Ende des Krieges, ab 1919, bekam die <strong>Volksbühne</strong>nidee einen ge-<br />
1920<br />
1919<br />
waltigen Auftrieb: „Nach der Revolution sind freilich <strong>Volksbühne</strong>n fast<br />
ebenso zahlreich wie Volkshochschulen entstanden. Wie der warme<br />
Regen die Pilze, so hat die Revolution, die erste Bewegung des Riesen<br />
Proletariat, ängstliche Beschwichtigungsversuche des Bürgertums hervorgelockt.<br />
Denn bei der Beurteilung der <strong>Volksbühne</strong>nbewegung, der<br />
Volkshochschulbewegung muß festgehalten werden, daß die Entstehung<br />
dieser Bewegungen überhaupt das Eingeständnis der Herrschenden<br />
dafür bedeutet, daß sie für das geistige Wohl der Arbeiterklasse bisher<br />
so gut wie nichts getan haben“. Der Verfasser, Gerhart Seger, führt<br />
dann weiter aus, daß die <strong>Volksbühne</strong>nbewegung noch „keine festen<br />
20<br />
21<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Formen gebildet hat“. Und er mahnt: „Es sind aber Bestrebungen vorhanden,<br />
die in der <strong>Volksbühne</strong> gewissermassen ein neutrales, von den<br />
Klassengegensätzen unberührtes Gebiet sehen und demzufolge die<br />
Tätigkeit in der <strong>Volksbühne</strong>nbewegung benutzen wollen, um eine Art<br />
Harmonie zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum herzustellen.” Solchen<br />
Bestrebungen erteilt Seger eine grundsätzliche Ablehnung in seiner<br />
Schrift „Proletarierjugend und Theater“ (Berlin 1922).Bemerkenswert<br />
die Besprechung dieser Schrift noch im Erscheinungsjahr 1922 in<br />
der Zeitschrift „<strong>Volksbühne</strong>” durch den Historiker der <strong>Volksbühne</strong>nbewegung,<br />
Siegfried Nestriepke. Er zitiert Seger mit folgendem Satz: „Im<br />
Interesse der Klarheit darf die wirkliche <strong>Volksbühne</strong> nur eine Organisation<br />
der Arbeiterschaft und zwar der organisierten, zielbewußt<br />
vorwärtsstrebenden sein.“ Dazu Nestriepke: „ Auch wir<br />
lehnen es entschieden ab, der <strong>Volksbühne</strong> die Rolle eines Harmonieapostels<br />
im Klassenkampf zuzuweisen. Aber wir möchten<br />
auch nicht die <strong>Volksbühne</strong>norganisationen lediglich den organisierten<br />
Arbeitern vorbehalten. Sie sollen alle umfassen, die den<br />
Willen zum Kunsterlebnis empfinden und die Kunst aus einem<br />
Privileg bevorrechtigter Schichten zu einem Allgemeingut machen<br />
möchten.” Nestriepke plädiert dafür, dass „keine Klassenentscheidungen<br />
mehr die Entfaltung eines wahren Gemeinschaftsgefühls<br />
hindern und die Kunst Allgemeingut werden kann“ (Siegfr. Nestriepke,<br />
Hg., <strong>Volksbühne</strong> Heft 6, Juli / Aug. 1921, S. 200).<br />
Die Anfänge der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> in Berlin, von Zensur und internem<br />
Streit und Spaltungen begleitet, führte zwar 1914 zu einem eigenen<br />
Theaterbau (am Bülowplatz), vereinzelten Gründungen in anderen<br />
Städten, aber wie oben schon dargestellt, kam der eigentliche Aufschwung<br />
erst mit der Weimarer Republik. Die Berliner Organisation<br />
wuchs auf 140.000 Mitglieder an, mußte, wegen der vielen Mitglieder<br />
ein zweites Haus, die später so berühmte Krolloper (Ermächtigungsgesetz!)<br />
dazumieten. Auch in München wuchsen die Mitgliederzahlen<br />
schnell an und lagen um 1920 bei 30.000. Hamburg, Königsberg,<br />
Weimar, Celle, Bielefeld u.a. folgten. Zu <strong>Köln</strong> schreibt Siegfried Nestriepke,<br />
der Generalsekretär der <strong>Volksbühne</strong> e.V. in seiner Übersicht<br />
zur <strong>Volksbühne</strong>nbewegung im Oktober 1920: „In Breslau, <strong>Köln</strong> und<br />
an anderen Orten sind Ausschüsse gebildet, um die Gründungsarbeiten<br />
durchzuführen” (a.a.O. S 32). Und am Vertretertag der deutschen<br />
<strong>Volksbühne</strong>n am 23. Oktober in Berlin ist auch <strong>Köln</strong> schon beteiligt, der<br />
Verband der deutschen <strong>Volksbühne</strong>nvereine wird gegründet, Nestriepke<br />
als Generalsekretär bestätigt; Vorsitzender wurde Kurt Baake, Stellvertreter<br />
der legendäre Leo Kestenberg. <strong>Köln</strong> wurde aufgefordert, einen<br />
Vertreter für den Verwaltungsrat in Berlin zu benennen.
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
<strong>Köln</strong> bekommt eine <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong><br />
Es wird nun sicher etwas verwirren, wenn hier bereits im Jahre 1920<br />
die <strong>Köln</strong>er <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> angesprochen wird. Eine erste Erklärung<br />
hierfür findet sich in der weiteren Darstellung zum Berliner <strong>Volksbühne</strong>ntag:<br />
„Ebenfalls kam in <strong>Köln</strong> die Gründung eines <strong>Volksbühne</strong>nvereins<br />
zustande. Er führt dort den Namen „Theater des<br />
werktätigen Volkes”. Einstweilen hat der junge Verein noch mit<br />
manchen in den örtlichen Verhältnissen liegenden Schwierigkeiten<br />
zu kämpfen. In Kürze soll aber mit einer größeren Propaganda<br />
eingesetzt werden, von der ein guter Erfolg erwartet wird“<br />
(Nestriepke, a.a.O, S. 71).<br />
Nun nehme ich nicht an, daß der oder die <strong>Köln</strong>er Delegierten in Berlin den<br />
Mund zu voll genommen haben (was ja auch nicht <strong>Köln</strong>er Art ist) und einen<br />
Verein repräsentiert haben, der noch nicht existierte. Das „Theater<br />
des werktätigen (bei Fuchs karikierend auch „merkwürdigen”) Volkes”<br />
kann durchaus als weiterer Versuch zur Gründung der <strong>Volksbühne</strong> angesehen<br />
werden. 250 Mitglieder soll der Verein gehabt haben, erste Aufführungen<br />
(u.a. Schillers „Kabale und Liebe“) organisiert, und auf ein festes<br />
Domizil hingearbeitet haben (ein ehem. Varieté-Theater am Friesenplatz).<br />
Trotz einiger Publikumserfolge kam mit der Liquidation des Friesenplatz-<br />
Theaters für diese Bestrebungen Anfang 1922 das Ende. Aber die Mitgliederversammlung<br />
zur Liquidation des Friesenplatz-Theaters<br />
wurde offensichtlich die Geburtsstunde der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong><br />
<strong>Köln</strong> e.V. am 23. April 1922. Ich gehe mit dieser Darstellung nur sehr<br />
kursorisch auf die Entwicklung in den Jahren 1919 – 1922 ein. Nach Hadamczik,<br />
„<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong>” (1919 / 1979, Manuskript, o. J.), ist sogar<br />
das Gründungsdatum April 1922 eher unwahrscheinlich, da hiermit<br />
die Vorleistungen des „Theaters des werktätigen Volkes” ignoriert werden,<br />
aber genauso die Mitgliederversammlungen eines anderen Vereins<br />
„<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong>” seit 1919. Wenn wir hier und heute auf das Jahr 1922<br />
als Gründungsjahr zurückgreifen dann in Fortsetzung einer Tradition, die<br />
1932 die FVB ihren 10. Geburtstag, 1962 ihren 40. Geburtstag feiern ließ.<br />
Mit der Feier 1932 ignorierte sie, ganz bewußt wohl, das Protokoll vom<br />
27. April 1919, wonach im Germania- Bräu in der Weyerstraße eine Ver-<br />
sammlung der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> stattfand, die Vorstand und Beirat<br />
wählte, über Probenzeiten entschied, sowie neue Mitglieder aufnahm.<br />
Peter Hasselmann wurde zum 1. Vorsitzenden gewählt, Eduard Oberreuter<br />
sein Stellvertreter, Schriftführer wurde Oscar Paul. Laut Protokoll hatte<br />
der Verein 35 Mitglieder. Von diesem Verein liegt auch eine Satzung<br />
vor. Eine Eintragung in das Vereinsregister erfolgte am 9. Juli 1919.<br />
22<br />
1922<br />
1923<br />
eine Nachzahlung von 150 Mio Mark (!) von ihren theaterbesuchenden<br />
23<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Die Historiker mögen entscheiden, welche von den vielen Daten zu den<br />
Anfängen der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> die unumstritten richtigen sind. Über<br />
die Neugründung von 1922 heißt es: „Neben der Inszenierung eigener<br />
Aufführungen (u.a. im Gürzenich) begann die unter dem Vorsitz von Dr.<br />
Honigsheim stehende „<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong>” in der Spielzeit 1922/23 Mitglieder-Pflichtvorstellungen<br />
von den Städtischen Bühnen abzunehmen.<br />
Das stabilisierte zwar den Verein (17.000 Mitglieder!), war gleichzeitig<br />
aber auch der Beginn latent anhaltender Besorgnis um die passende<br />
Spielplangestaltung“ (Fuchs, a.a.O. S. 11).<br />
Der Vorsitzende der neuen <strong>Köln</strong>er „<strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong>”, Dr. Paul Honigsheim,<br />
Nachfolger Hasselmanns und jetzt die verschiedenen Bestrebungen<br />
zusammenführend, war zugleich und bis 1933 Leiter der<br />
Volkshochschule. Dort entlassen ging er schließlich 1938 in die USA,<br />
wo er in Michigan eine Professur für Soziologie innehatte. Dort starb er<br />
1963. Die finanziellen Probleme von Nachkrieg und Inflation 1923 setzten<br />
der FVB so erheblich zu, daß sie über die Rheinische Zeitung 1923<br />
Mitgliedern fordern mußte. Und im Archiv der Stadt findet sich eine von<br />
Georg Beyer verfaßte Eingabe an die Stadtverwaltung zur Bezuschussung<br />
der FVB. Sie wurde 1923 abgelehnt. In den Wirren der Inflation<br />
ging auch der Traum vom eigenen Theaterbetrieb unter, man war auf<br />
das, häufig sehr umstrittene, städtische Angebot angewiesen, auf das<br />
man trotz der schließlich außerordentlich hohen Mitgliederzahl kaum<br />
einmal Einfluß nehmen konnte. So behalf man sich mit Sonderveranstaltungen,<br />
Gastspielen, aber auch mit Filmvorführungen (so ab 1931<br />
auf Betreiben der FVB und gegen die heftigen Krawalle der Nazis die<br />
Aufführung von Milestones „Im Westen nichts Neues”).<br />
Die Weimarer Jahre waren für die <strong>Köln</strong>er <strong>Volksbühne</strong> insgesamt<br />
schwierige Jahre, da die schließlich bis 20.000 ansteigenden Mitgliederzahlen<br />
natürlich für den Verein die Verpflichtung bedeuteten,<br />
entsprechend der Satzung Angebote zu machen bzw. zu<br />
übernehmen. Die Satzung von 1919 lautete diesbezüglich: ”3.<br />
Aufführungen namentlich von solchen Dichtungen, deren Inhalt<br />
die Volksseele berührt oder auf soziologische Aufklärung und<br />
ethische Erziehung der Hörer abzielen“. Das städtische Schauspiel,<br />
mit schnell wechselnden und wenig erfolgreichen Leitern, war nicht<br />
bereit und imstande, auf solche Forderungen angemessen zu reagieren.<br />
So war es nur konsequent, daß, wie in den Anfangsjahren auch,<br />
jetzt immer wieder der Wunsch nach einem eigenen Haus diskutiert<br />
wurde.
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Wie bereits vor dem 1. Weltkrieg, damals noch mit Karl Steinbach, ist<br />
wieder Franz Goebels Partner bei der Realisierung des Theaterwunsches.<br />
Peter Fuchs hierzu: „Die Vitalität des großen und programmatisch<br />
zielstrebigen Vereins drängte so erneut in eine Episode<br />
eines eigenen <strong>Volksbühne</strong>ntheaters. Zur Spielzeit 1923/24 nahm<br />
das Unternehmen im „Metropol-Theater” in der Apostelnstraße<br />
seinen Lauf: Die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> hatte mit einer Schauspieltruppe<br />
unter Franz Goebels ein eigenes Ensemble installiert und bot<br />
am besagten Ort avantgardistisches Theater“ (Fuchs, a.a. O. S 11).<br />
Aber bereits im Sommer 1924 endete dieser Versuch, die Gründe sind<br />
oben bereits angesprochen. Mit den verschiedenen städtischen Theaterintendanten<br />
dieser Jahre, nach Max Martersteig (bis 1912), Fritz Rémond<br />
bis 1925, dann Gustav Hartung, allerdings wegen seines Mutes und moderner<br />
Inszenierungen zum Bedauern der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> nur kurze<br />
Zeit, dann eine Episode mit Ernst Hardt, der bald zur Werag ging, Vor-<br />
läufer des WDR, schließlich Theo Modes, mit dem die FVB erhebliche<br />
Schwierigkeiten hatte, war die Theaterarbeit, wie von den Mitgliedern<br />
gefordert, kaum je zu machen. Es wurden ständig Notlösungen probiert,<br />
um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, kulturelle<br />
Bildung zu vermitteln, „in den Massen das Interesse am Theater<br />
zu steigern, und ihren Geschmack hinsichtlich der dramatischen<br />
Literatur zu erziehen“ (Bochow, Der Geschmack des <strong>Volksbühne</strong>npublikums,<br />
phil. Diss. 1965, Berlin, S. 27). Dennoch, betrachtet man den<br />
Spielplan der Spielzeit 1923/24, wie ihn Dieter Hadamczik vorstellt, dann<br />
ist die Auswahl der Autoren und Stücke sehr bemerkenswert. Hier seien<br />
nur einige aufgeführt: Shakespeare (Sturm), Hauptmann (Die Ratten),<br />
Gogol (Die Brautschau), Strecker (Das Krokodil), Strindberg<br />
(Ostern), Moliére (George Dandin), aber auch Kleist und Schiller<br />
sowie Kaiser (Von morgens bis Mitternacht) und Brecht (Trommeln<br />
in der Nacht). Fürwahr kein Katalog eines rückwärtsgewandten,<br />
zopfi gen Kulturgeschmacks.<br />
Man kann, nimmt man die Auswahl der den Mitgliedern präsentierten<br />
Aufführungen,sowie die außerordentliche Zahl der Mitglieder der FVB,<br />
mit Fug und Recht sagen, daß die FVB in den Weimarer Jahren die entscheidende<br />
Stütze des <strong>Köln</strong>er Theaterlebens war. Oder, mit den Worten<br />
Oscar Fritz Schuhs, Intendanten der <strong>Köln</strong>er Bühnen 1962: „Der <strong>Köln</strong>er<br />
<strong>Volksbühne</strong> kommt das ganz besondere Verdienst zu, daß sie<br />
sich keine Gelegenheit entgehen ließ, für moderne und avantgardistische<br />
Werke das Interesse der Zuschauer zu wecken“ (O.F.<br />
Schuh, in: 40 Jahre FVB. <strong>Köln</strong> 1962).<br />
24<br />
1923/<br />
1924<br />
25<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Das Ende von Weimar und das<br />
vorläufi ge Ende der FVB<br />
Als die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> am 27. November 1932, aus Anlaß seines 70.<br />
Geburtstages bei persönlicher Anwesenheit des Geehrten, für Gerhart<br />
Hauptmann eine große Festveranstaltung durchführte, waren die politischen<br />
wie wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland besorgniserregend.<br />
Am 30. Mai 1932 bat Brüning Hindenburg um seine Entlassung<br />
als Reichskanzler, die nachfolgende Regierung von Papen, eine<br />
Präsidialdiktatur, ohne Parlamentsunterstützung, nur vom Vertrauen<br />
Hindenburgs und extrem konservativer Kräfte getragen, sah in Hitlers<br />
Wahlerfolgen seit 1930 die Möglichkeit, die verhaßte Weimarer Republik<br />
durch die Beteiligung nationalistischer Kräfte in der Staatsführung<br />
zu beseitigen. Am 30. Januar 1933 ernannte Hindenburg Hitler zum<br />
Reichskanzler, Papen wurde Vizekanzler.<br />
Das Büro der FVB befand sich in der Richmodstraße, Geschäftsführer<br />
war Theodor Burauen, der Vater des späteren Oberbürgermeisters.<br />
1933, mit der Machtergreifung durch Hitlers Nazi-Partei, war für die<br />
<strong>Volksbühne</strong>, wie für so viele Organisationen insbesondere aus dem<br />
Bereich der Arbeiterbewegung, Schluß. Mit Gewalt drang die SA in<br />
die <strong>Köln</strong>er Geschäftsstelle der FVB ein, sie wurde schließlich, nach der<br />
Berliner Aufl ösung des Verbandes in der „Deutschen Bühne” gleichgeschaltet.<br />
In einem Grußwort zum 40jährigen Bestehen der FVB<br />
1962 schrieb der damalige Oberbürgermeister Theo Burauen, offenbar<br />
noch immer unter dem starken Eindruck der Vorkommnisse des<br />
Jahres 1933: „Während ich Ihrem Wunsche (nach einem Grußwort,<br />
Verf.) nachkomme, höre ich wieder die großschnauzige<br />
Kommandosprache und den monotonen absatzeisenbewehrten<br />
Stiefeltritt derer, die ausgesandt waren, der „<strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong>”<br />
im Jahre 1933 das Lebenslicht auszublasen. Doch schon<br />
damals hämmerte in meinem Hirn und tönte in meinen Ohren<br />
das zukunftsgläubige Wort meines Vaters: Es kommt der Tag!“<br />
(40 Jahre <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong>, <strong>Köln</strong> 1962, ohne Seitenangabe).<br />
So weit Theo Burauen als Augenzeuge der Vorgänge 1933. In der letzten<br />
Ausgabe des Monatsblattes der FVB im Juni 1933 heißt es ahnungsvoll:<br />
„Wir stehen vor der Gleichschaltung. Wie es auch immer kommen<br />
mag, bleibt den Idealen der Kunst, der Liebe zum Theater treu.“ (Hadamczik,<br />
S. 39).<br />
Am 1. Juli fi ndet im „Alten Präsidium” in der Schildergasse eine außerodentliche<br />
Mitgliederversammlung statt. Folgender Beschluß wird<br />
1933
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
› von links: Theo Burauen und Andreas Becker<br />
gefaßt: „Die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> e.V. ist aufgelöst und tritt mit dem<br />
30. Juni 1933 in Liquidation. Das verbleibende Vereinsvermögen<br />
(ist) auf die Deutsche Bühne e.V. zu überführen” (Hadamczik,<br />
a.a.O.S 40). Das Vermögen wird mit 25.000 Mark angegeben.<br />
Ein neuer Akt<br />
„Bereits wenige Monate nach dem Zusammenbruch, nämlich<br />
am 13. September 1945, traf sich ein Kreis <strong>Köln</strong>er <strong>Volksbühne</strong>nfreunde<br />
zu vorbereitenden Gesprächen über die Neugründung<br />
der alten Institution“ (Peter Fuchs, a.a.O. S. 14.) Es ist eigentlich<br />
überfl üssig zu betonen, wie mutig, ja tollkühn die hier zum Ausdruck<br />
gebrachte Absicht im September 1945 war. Nicht allein die Tatsache,<br />
daß das Schauspiel in der Glockengasse völlig zerstört, die Oper am<br />
Rudolfplatz erheblich beschädigt war und nur mit einer Anstrengung,<br />
zu der die Stadt nicht bereit und entschlossen war, hätte gerettet werden<br />
können. „Wer nach dem Einzug der amerikanischen Truppen im<br />
März 1945 an der Oper vorüber kletterte, konnte bei fl üchtigem Blick<br />
den Eindruck gewinnen, das Gebäude sei noch intakt. Hoch überragte<br />
die Fassade den Schlageterplatz. Leblos war das Gebäude allerdings<br />
nicht. Menschen räumten Schutt beiseite, sammelten Bühnenrequisiten.<br />
So diente der Opernbau trotz seiner Beschädigung bald wieder als<br />
26<br />
1945<br />
27<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
ein Zentrum des verbliebenen Kulturlebens“ (Robert von Zahn, in: Oper<br />
in <strong>Köln</strong>, a.a.O. S 307). Überall war Zerstörung: Wohnungen, Infrastruktur,<br />
Behörden - überall nur Mangel, Provisorium - und das unter den argwöhnischen<br />
Augen der Besatzungsmacht. Die Bevölkerung war aus<br />
dem Trümmerhaufen <strong>Köln</strong> gefl ohen und versuchte nun, nach der Rückkehr<br />
und zusammen mit Flüchtlingen aus dem Osten, sich ein Existenzminimum<br />
zu schaffen. Und in dieser Situation fassen mutige Leute<br />
den kühnen und weisen Beschluß, die <strong>Volksbühne</strong> erneut zu begründen.<br />
Pathetisch könnte man sagen: neue Kultur blüht aus den Ruinen,<br />
und man lebt nicht vom Brot allein. Und: nach Zeiten von Gleichschaltung,<br />
geistiger Enge und Terror war der Aufbruch zur Kultur, die<br />
Befreiung von den Fesseln der Nazi-Zeit, das Hören und Sehen des lange<br />
Verbannten und Unterdrückten, aber auch des Neuen die notwendige<br />
Folge nach den Jahren der Diktatur und der Beendigung des Krieges<br />
sowie der Befreiung von der NS-Herrschaft.<br />
Im Januar 1946 fand eine erste Veranstaltung der FVB als „Morgenfeier“<br />
in der Aula der <strong>Köln</strong>er Universität statt. Stadtdirektor August<br />
Hummes, bereits vor dem Krieg in der FVB im Vorstand tätig, war<br />
im November 1945 als Vorsitzender gewählt worden. Hummes stand<br />
für die Kontinuität der <strong>Volksbühne</strong>narbeit, dafür, anzuknüpfen an der erfolgreichen<br />
Arbeit der Jahre vor 1933, für „die Wiederbelebung der in<br />
den 12 Jahren Gewaltherrschaft unterdrückten Kunst deutscher<br />
und ausländischer Herkunft in einem Geiste der Versöhnung und<br />
eines gegenseitigen Verstehens der Völker. Alle diese Bestrebungen<br />
sind einzubauen in einen großen, geistig – sittlichen Erneuerungsprozeß<br />
auf humanitärer Grundlage“ (Fuchs, a.a.O. S 15).<br />
So die Formulierungen eines Grundsatzpapiers vom 1. Juni 1946.<br />
Außer August Hummes waren weitere Persönlichkeiten in diesen so<br />
überaus schwierigen Zeiten bereit, sich für die Wiederbegründung und<br />
die Arbeit der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> einzusetzen: Den Gründungsbeschluß<br />
am 26. September 1945 unterschrieben neben Hummes: Wilhelm<br />
Christian Berling, Wilhelm Schack, Hans Reifferscheidt, Friedrich<br />
Krips, Robert Görlinger, Hans Mohr, Alfred Niedau und Willy Bause.<br />
Bei der Vorstandswahl wird August Hummes als Vorsitzender bestätigt,<br />
Friedrich Krips wird Geschäftsführer, Josef Haubrich und Wilhelm<br />
Schack gehören dem geschäftsführenden Vorstand an. Sogleich beginnt<br />
man mit der Mitgliederwerbung.<br />
Nur mühsam kommt das kulturelle Leben der Stadt wieder in Gang. Anderes<br />
war ja wichtiger, und es fehlte an Allem. Dennoch, nach der oben<br />
erwähnten Morgenfeier, kommt es am 17.2.1946 in der Universitäts-<br />
1946
1946<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
aula zur ersten Theateraufführung. „Die Universitätsaula, die schon<br />
in den letzten Kriegsmonaten als Behelfsbühne gedient hatte,<br />
wurde nun mit ihren 1354 Plätzen zum ständigen Quartier für die<br />
<strong>Köln</strong>er Städtischen Bühnen. In dieser ersten Nachkriegsspielzeit,<br />
die im August 1946 zu Ende ging, besuchten insgesamt 416 286<br />
Zuschauer die Vorstellungen der Städtischen Bühnen <strong>Köln</strong> in der<br />
Aula der Universität. Sie ließen sich nicht durch widrige äußere<br />
Umstände abschrecken, das Theater war nicht geheizt“(Carl H.<br />
Hiller, Vom Quatermarkt zum Offenbachplatz - 400 Jahre Musiktheater<br />
in <strong>Köln</strong>, <strong>Köln</strong> 1986, S. 126).<br />
Weitere Aufführungen von Opern- und Schauspielstücken, so „Unsere kleine<br />
Stadt“, „Zar und Zimmermann“, „Othello“, „Nathan der Weise“ folgen.<br />
Andreas Becker wird Vorsitzender<br />
Vereinsintern kommt es wegen der Befugnisse des Geschäftsführers<br />
und der Kompetenzen des Vorstandes zu einem Führungswechsel.<br />
Nach dem Rücktritt von August Hummes wird schließlich am 22. April<br />
1947 Andreas Becker als Vorsitzender gewählt. Es wird bis zu seinem<br />
Tode 1972 die Arbeit der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> entscheidend prägen, den<br />
Wiederaufbau aus der schwierigen Anfangsphase der Nachkriegsjahre<br />
heraus in großartiger Weise bewältigen.<br />
Somit ist die Entwicklung durchaus positiv: zählte man 1946 erst 171<br />
Mitglieder, so waren es 1947 bereits 3500! Der damit steigenden<br />
Nachfrage nach Vorstellungen und Karten kann man schließlich mit Angeboten<br />
der neu geschaffenen Kammerspiele am Ubierring begegnen.<br />
Dennoch scheint hier bereits wieder das jahrzehntealte Dilemma der<br />
FVB auf, ihre Mitglieder sowohl nach Quantität (Zahl der Karten) wie<br />
nach Qualität zufriedenstellen zu müssen, dabei aber nur wenig Einfluß<br />
auf das Gebaren der städtischen Bühnen nehmen zu können.<br />
Häufig genug wurde die FVB (und wird sie mitunter auch heute noch,<br />
wie der Verfasser aus eigenem Erleben weiß) als notwendiges Übel angesehen,<br />
gern gesehen, wenn der Erfolg der Bühnen hinter den Erwartungen<br />
zurückblieb, als lästig betrachtet, wenn der Erfolg einer Aufführung<br />
die Nachfrage im freien Verkauf erheblich steigerte. Diese Haltung<br />
übersah (und übersieht), welche langfristig wichtige Arbeit Besucherorganisationen<br />
als Begleiter und Vermittler von Kulturangeboten leisten,<br />
eine Arbeit, die nicht auf den einmaligen Erfolg, auf das Event, abgestellt<br />
ist, sondern Akzeptanz schaffen und erhalten will, Neugierde<br />
wecken will, Einsichten und Wissen vermitteln will – letztlich weit über<br />
28<br />
› von links: Paul Hax und Andreas Becker<br />
das Theater hinaus und natürlich auch weit über das je einzelne Aufführungserlebnis.<br />
Im Jahr der Währungsreform 1948 kann die FVB, bis dahin als „Rheinische<br />
Kunstgemeinde e.V. <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong>” firmierend, wieder zum<br />
alten Namen zurückkehren und sich offiziell in die Rechtsnachfolge der<br />
1933 verbotenen FVB stellen. Vermögensverluste in der Verbotszeit<br />
lassen sich mangels entsprechender Aufstellungen nicht mehr geltend<br />
machen. Andreas Becker ist weiterhin Vorsitzender, Heinz Weniger<br />
und Karl Steinbach sind Stellvertreter. Zu den Vorstandsmitgliedern gehören<br />
Theo Burauen, Peter Fuchs sowie Josef Haubrich.<br />
1948Der<br />
Zirkusbau von „Williams“ an der Aachener Straße kommt hinzu,<br />
Trotz inzwischen (1948) dreier Spielstätten (Uni, Kammerspiele<br />
und Saal in der Zülpicher Str. Nr. 24) ist die Nachfrage nach Karten<br />
bei der ständig wachsenden Mitgliederzahl nicht zu decken.<br />
bringt jedoch auch nur etwas Linderung bezüglich des Nachfrageandrangs.<br />
Und damit wird das alte Thema eines eigenen Theaters<br />
und eines eigenen Ensembles wieder aktuell.<br />
Ein Provisorium wird die Zülpicher Straße 24, wo mit Molieres „Der<br />
Geizige“ die „eigene“ feste Spielstätte eröffnet wird. Aber sehr schnell<br />
muß man erkennen, daß die Kosten die finanziellen Möglichkeiten weit<br />
29
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
übersteigen - und sicher sind es nicht alleine die Folgen der Währungsreform<br />
und damit einhergehend ein erhebliches Absinken der Mitgliederzahlen,<br />
die zur Aufgabe des Projekts zwingen. Offensichtlich angestoßen<br />
durch die schwierige Finanzlage erklären Burauen und Haubrich<br />
ihren Rücktritt aus dem Vorstand. Einer der Nachrücker ist Oskar Herbert<br />
Pfeiffer, der auch für die Mitgliederinformation verantwortlich wird.<br />
Die finanziellen Schwierigkeiten sind bald behoben, die Mitgliederverluste<br />
können bald, nicht zuletzt in enger Zusammenarbeit mit Peter Michels<br />
und seiner Werbung in den Gewerkschaften, mehr als wett gemacht<br />
werden.<br />
Bei 2636 Mitgliedern nimmt die FVB 34.300 Karten von den Städtischen<br />
Bühnen für die beiden Spielstätten Kammerspiele und<br />
Aula der Universität ab. Die Vorstandswahlen 1951 bestätigen Becker<br />
als Vorsitzenden, nach Hummes werden Görlinger und Schack<br />
Ehrenmitglieder, Paul Hax, später langjähriger Vorsitzender, wird als Ersatzrevisor<br />
in den Vorstand gewählt.<br />
Der Tod des Ehrenvorsitzenden, Oberbürgermeister Robert Görlinger<br />
und von Dr. Weniger, stellvertretendem Vorsitzendem, führt bei einer<br />
außerordentlichen Mitgliederversammlung zur Nachwahl von Peter Michels<br />
als Zweitem Vorsitzenden am 16.2.1954. Diskussionen mit dem<br />
Finanzamt haben in diesem Jahr auch die Überarbeitung der Satzung zur<br />
Folge.<br />
Die erfolgreiche Arbeit der <strong>Volksbühne</strong> führt ihr weitere Mitglieder<br />
zu, so werden über 62.000 Karten von den Städtischen Bühnen<br />
übernommen, was jedoch auch zum Ausbau der Geschäftsführung<br />
zwingt. Paul Hax, inzwischen Vorstandsmitglied, scheidet aus und<br />
übernimmt die Geschäftsführung. Als weitere Spielstätte ist inzwischen<br />
„Die Brücke“ auf der Hahnenstraße hinzugekommen. Die weiter steigenden<br />
Mitgliederzahlen beleben erneut den Wunsch nach eigener<br />
Spielstätte, eigenem Ensemble, eigenverantwortlicher Spielplangestaltung.<br />
So kann die Berliner <strong>Volksbühne</strong> für ein Gastspiel in<br />
den Sartory-Sälen gewonnen werden. Solche Aktivitäten und die stets<br />
präsenten Ansprüche von Vorstand und Mitgliedern hinsichtlich Spielplan<br />
und Aufführungsqualität führen, wie in den Weimarer Jahren, zu einem<br />
distanzierten Verhältnis zum städtischen Theaterbetrieb.<br />
Besonders in der Vorbereitungszeit zur Eröffnung der neuen Häuser<br />
Oper und Schauspiel am Offenbach-Platz 1956 – 57 wird, da der Spielbetrieb<br />
vorübergehend eingestellt wird, die Lage für die <strong>Volksbühne</strong><br />
sehr schwierig, das kulturpolitische Klima recht frostig. (Eventuelle Pa-<br />
30<br />
1951<br />
1957<br />
Am 18. Mai 1957 wird mit Webers „Oberon“ die <strong>Köln</strong>er Oper (wieder-)<br />
31<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
rallelen zu Entwicklungen in den folgenden Jahren ab 2008 sind hier<br />
durchaus vorstellbar und werden vom Verfasser auch gesehen!)<br />
eröffnet. Erst 1962 folgt das Schauspielhaus, die Kammerspiele werden<br />
als Provisorium weiter genutzt. Eigentlich, und vor allem aus der<br />
Sicht der FVB, ein unmöglicher Zustand. Stand doch, und dies wird<br />
auch in meiner Darstellung der zurückliegenden Jahrzehnte überdeutlich,<br />
das Schauspiel immer eindeutig im Vordergrund des Interesses<br />
der gesamten <strong>Volksbühne</strong>nbewegung. Zwar schloß bereits in der Weimarer<br />
Zeit die Karten-Einkaufspolitik die Oper nicht aus, aber das Theater<br />
blieb, auch bei den Diskussionen zur Spielplangestaltung, im Zentrum<br />
des Interesses. Das läßt sich einerseits aus der Geschichte der<br />
<strong>Volksbühne</strong>nbewegung gut nachvollziehen, hat sodann auch Gründe,<br />
die in der Mitgliederstruktur und Rekrutierungsbasis der FVB liegen,<br />
wird aber sicher auch mit der historischen Entwicklung der Oper, ihrem<br />
Ansehen in der Öffentlichkeit als feudal-großbürgerliche Kulturveranstaltung,<br />
zusammenhängen. In der programmatischen Erklärung<br />
der <strong>Volksbühne</strong>n aus dem Jahre 1925 findet sich hierfür eine deutliche<br />
Bestätigung und Prioritätensetzung: „Die <strong>Volksbühne</strong> wendet<br />
sich an alle Volksgenossen, die in der Offenbarung des Menschlich<br />
- Großen in der Kunst, besonders im Drama, einen höchsten<br />
Wert erkennen, zugleich im Theater ein mächtiges Werkzeug<br />
zur Weiterentwicklung der menschlichen Gesellschaft im Sinne<br />
einer neuen freiheitlichen Gemeinschaftskultur erblicken“ (Zitat<br />
nach P. Bochow, a.a.O., S. 312). Und aktualisiert heißt es: „Die Pflege<br />
zeitgenössischer Dramatik ist den <strong>Volksbühne</strong>n ein wesentliches<br />
Anliegen“ (Bochow, a.a.O., S. 31). Damit sollte nicht der Grundsatzkonflikt<br />
der 20er Jahre wiederholt werden. Der schien mit den Erfahrungen<br />
und Erlebnissen der Nazi-Jahre dahingehend entschieden, daß<br />
die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> offen für alle sein solle, das Klassen-kämpferische,<br />
die ausschließliche Fixierung auf Herkunft und Verpflichtungen<br />
aus der Arbeiterbewegung wurden ganz allgemein in den Organisationen<br />
der Arbeiterbewegung nach 1945 als obsolet empfunden.<br />
Dennoch: Bildung, Aufklärung, die Verfolgung des Ideals vom mündigen<br />
Bürger, vom sich einmischenden „citoyen“, beherrschten, und beherrschen<br />
wohl auch hoffentlich heute noch die Überlegungen und Planungen<br />
der <strong>Volksbühne</strong>norganisation. Hieraus ergab sich, auch wegen<br />
entsprechender Nachfrage, daß die Angebotspalette sich nicht auf die<br />
herkömmlichen Sparten beschränken dürfe. Bereits vor 1933 war man<br />
in das „Kinogeschäft” eingestiegen. „Im Westen nichts Neues“ zu zeigen,<br />
erforderte gegen rechtsradikalen Mob und die SA-Banden Mut
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
und war Ausdruck der konsequenten, republikanischen Gesinnung. Die<br />
Jahre des 3. Reiches hatten gezeigt, welche große Bedeutung dem<br />
Film zukam.<br />
So wurde von der <strong>Köln</strong>er <strong>Volksbühne</strong> 1953 neben einem Konzertring<br />
auch ein Filmring gegründet. Damit sollte nicht nur der nach<br />
wie vor wachsenden Nachfrage begegnet werden, sondern die Kriegs-<br />
und Nachkriegsentwicklung mit zum Teil geänderten Publikumserwartungen<br />
machte diese Entwicklung zwingend.<br />
Das Verhältnis zu den Städtischen Bühnen war mit Eröffnung des Riphahnschen<br />
Opernhauses nicht besser geworden. Hatte man anfangs<br />
die (auch offiziell genährte) Hoffnung, daß das Schauspiel auch das<br />
neue Opernhaus würde bespielen können, so entschieden Schuh als<br />
Generalintendant und Maisch für das Schauspiel anders: es blieb beim<br />
ungeliebten Provisorium der Kammerspiele.<br />
8400 Mitglieder im Jahre 1958 führten zum Angebot weiterer<br />
Spielstätten. Vor allem das „Theater am Dom“ und eine Spielstätte<br />
im Italienischen Institut boten Ersatz für das fehlende und dringend<br />
herbeigesehnte Schauspielhaus. Das Jahr 1957 brachte für die <strong>Köln</strong>er<br />
<strong>Volksbühne</strong> eine wichtige Neuerung: sie gab eine Mitgliederzeitschrift<br />
heraus, zur Information der Mitglieder über Organisation und Arbeit<br />
der FVB, vor allem aber zur Begleitung und Kommentierung kulturpolitischer<br />
Entwicklungen. „Um nur noch eine weitere Ruhmestat zu<br />
nennen: so sei die Herausgabe einer Vereinszeitschrift genannt,<br />
die unter den zahlreichen Blättern der örtlichen <strong>Volksbühne</strong>n<br />
einen besonderen Rang einnimmt; keine sonst ist mit solchem<br />
Kunstsinn gestaltet, so vornehm und einprägsam ausgestattet“<br />
(S. Nestriepke, in: 40 Jahre <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong>, ohne Seitenangabe).<br />
Und auch Oscar Fritz Schuh, der Generalintendant der <strong>Köln</strong>er<br />
Bühnen. lobt: „Von besonderer Bedeutung sind die Hefte, die die<br />
<strong>Köln</strong>er <strong>Volksbühne</strong> herausgibt. Hier ist es im Laufe der Jahre gelungen,<br />
kleine Publikationen herauszubringen, die weit über den<br />
Rahmen eines Programms hinausgehen“ (a.a.O.).Wahllos herausgegriffen<br />
das Heft Nr. 8, 1960, mit den folgenden Inhalten: das Programm<br />
der Ruhrfestspiele, Franz Feldens über Gustav Mahler, Hermann<br />
Pilati über den Bildhauer Ossip Zadkine, ein Beitrag von Stefan<br />
Andres „Zur Verteidigung der Xanthhippe“ („ Sie fühlte, daß sie den<br />
Sokrates auf ähnliche Weise geliebt hatte wie er die Weisheit - sehnsüchtig<br />
und von ferne. Denn wie er zu sagen pflegte, daß sein Wissen<br />
in der Erkenntnis seines Nichtwissens bestehe, so fand sie nun, daß<br />
ihre Liebe zu ihm sich im nimmermüden Streit um diese unerreichba-<br />
32<br />
1953<br />
1957<br />
33<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
re Liebe erfüllt hatte“ (a.a.O., S.18). Sodann 0. F. Schuh über den Bühnenbildner<br />
Caspar Neher, der an allen bedeutenden Bühnen, so auch<br />
in <strong>Köln</strong>, gearbeitet hatte, ein Kommentar zum Theater Audibertis („Die<br />
Zimmerwirtin“ mit Gisela Holzinger, Alois Garg, Wilhelm Pilgram und<br />
Helmut Griem in <strong>Köln</strong> aufgeführt), Kurt Pinthus über „Die goldenen<br />
zwanziger Jahre“, Arthur Koestler über den „Gemeinsamen Nenner“<br />
(„Unsere Kultur ist eine explodierende Kultur. Die Massenkultur ist in<br />
einem ähnlichen Explosionswirbel.“) und schließlich ein Überblick über<br />
die Ensemble von Oper und Schauspiel <strong>Köln</strong>. Welch eine Fülle, welch<br />
eine thematische Breite, welche Qualität auf gerade einmal 40 Seiten!!<br />
Kein Wunder, daß diejenigen, die diesen Schatz gesammelt haben, sich<br />
von ihm nicht trennen mögen. 1969 wird aus Kostengründen die Herausgabe<br />
eingestellt.<br />
Die Wiedereröffnung der <strong>Köln</strong>er Oper<br />
Die Eröffnung der Oper am 18. Mai 1957 in Anwesenheit von Bundespräsident<br />
Heuß, Bundeskanzler Adenauer, Oberbürgermeister Burauen<br />
inmitten des Trümmerfeldes der Altstadt war im kriegszerstörten <strong>Köln</strong>,<br />
im kriegsverheerten Deutschland eine kulturpolitische Leistung von besonderem<br />
Rang, die bespöttelte Architektur („Grabmal des unbekannten<br />
Intendanten“, „Trockendock“, „Der große Maischner“, nach Maisch<br />
als Vorgänger von Schuh), gewann bald Freunde und wurde zu einer<br />
Hochburg oder „Trutzburg“ (wie die <strong>Köln</strong>ische Rundschau schrieb) der<br />
Moderne, nicht immer zur Begeisterung der FVB-Mitglieder.<br />
Hier sei noch einmal an die Intendanten erinnert: auf Maisch folgte<br />
1959 – 63 Schuh, ihm folgten ab 1.1.1964 Arno Assmann bis 1968<br />
(mit Kertesz als Generalmusikdirektor und Nachfolger von Sawallisch),<br />
sodann Claus-Helmut Drese, mit dem bis heute berühmten Mozart-<br />
Zyklus Ponnelles (bis 1975), gefolgt von Michael Hampe (bis 1995),<br />
Günter Krämer und Christoph Dammann (bis 2007). (Nachfolger zum<br />
Zeitpunkt der Niederschrift offen).<br />
Die Eröffnung der Oper löste die Probleme der FVB nicht. Der Vorsitzende<br />
Becker beklagt, daß die bisherige Arbeit der FVB in den 12 Jahren<br />
des Provisoriums wenig Anerkennung gefunden habe. Die Thea-<br />
terbegeisterten, die „auf den harten Bänken der Aula“ gesessen<br />
hatten, erwarteten eine Verbesserung ihrer Lage, zumal zwischen<br />
1955 und 1960 die Zahl der von den Städtischen Bühnen<br />
abgenommenen Karten von ca. 60.000 auf über 80.000 anwuchs.<br />
Extra-Veranstaltungen an Sonntagen, Lesungen, Gastspiele runden<br />
das Angebot für die weiter anwachsende Mitgliederschar ab.
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Und man blickte sehnsüchtig auf die Baugrube neben der Oper, wo<br />
sich mit dem Schauspielhaus Riphahns Meisterwerk vollenden sollte.<br />
Am 8. September 1962 wird das Schauspielhaus eröffnet, das städtische<br />
Platzangebot vermehrt sich unter Beibehaltung der Kammerspiele<br />
auf über 2500 Plätze.<br />
Ein Theatertraum<br />
Dennoch ist der alte Traum vom eigenen Theater nicht ausgeträumt.<br />
1963 wird eine Beteiligung an einer <strong>Köln</strong>er Privattheater<br />
GmbH erworben. Paul Hax und Friedrich Eisenmenger werden Vorstandsmitglieder<br />
des Theater-Fördervereins, von dem man 51 % der<br />
Anteile besitzt. Mit der Vorstandswahl 1964 wird der DGB-Vorsitzende<br />
Helmut Lehmann in den Geschäftsführenden Vorstand gewählt. Die<br />
Wahl des DGB-Vorsitzenden folgt einerseits der alten Tradition einer<br />
engen Verbindung zu den Gewerkschaften, ist andererseits aber auch<br />
Ausdruck der Bemühung um neue, jüngere Mitglieder. Denn mit Sorge<br />
verfolgt man die Entwicklung anderenorts, wo schon deutliche Mitgliederverluste<br />
zu verzeichnen sind: die Altersstruktur zeigt, wie eine<br />
Untersuchung von 1965 deutlich macht, daß über 40 % der Mitglieder<br />
50 Jahre und älter sind. Und die Entwicklung der Eintrittspreise bei den<br />
Bühnen läßt befürchten, daß auch hier eine Gefahr für die Mitgliederentwicklung<br />
droht.<br />
1966 schließlich tritt die Überlegung, durch ein eigenes Theater<br />
die Unabhängigkeit verstärken zu können, in ein konkretes Stadium.<br />
Die finanzielle Situation der FVB legt nahe, ein Haus, wenn möglich<br />
mit Theater, zu erwerben mit der (kurzfristig?) zu realisierenden Perspektive,<br />
dann eventuell der Verwirklichung eines alten Traumes endlich näher<br />
zu kommen. Das Ergebnis ist der Erwerb des „Colonia-Hauses“<br />
Aachener Straße 5, in der Innenstadt. Verkäufer ist die Sünner-Brauerei:<br />
<strong>Köln</strong>ern ist dieses Haus viel mehr unter dem Namen „Millowitsch-Haus“<br />
bekannt und der Verkauf erfolgte auch in der Erwartung,<br />
daß die FVB als Erwerber Garant für den Fortbetrieb des<br />
berühmten Theaters von Willy Millowitsch sein würde.<br />
Damit hatte die <strong>Volksbühne</strong> jetzt ein Haus mit Theater, aber kein<br />
zu eigenen Zwecken nutzbares. Die FVB wurde damit, und ist es<br />
zugleich bis heute, zum Verwalter des „Millowitsch-Hauses“. Die<br />
Sanierung des denkmalgeschützten Hauses und später, in den 90er<br />
Jahren, die mit dem Konservator abgesprochenen Renovierungen des<br />
1966<br />
Theaterbereiches, wurden, und sind bis heute, ein nicht unwichtiges<br />
Thema von Vorstandssitzungen.<br />
34<br />
1963<br />
35<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Es ist wohl nicht falsch zu sagen, daß diese Investition auch aus heutiger<br />
Sicht weitblickend und richtig gerade im Hinblick auf langfristige finanzielle<br />
Stabilität der FVB war.<br />
Überlegungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Theater-<br />
Hauses angestellt wurden, Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen<br />
durchzuführen, um doch noch eine eigene Spielstätte zu erhalten, sind<br />
über ein (frühes) Stadium der Diskussion nie hinausgekommen. (Heute,<br />
und in Verbindung mit der Lage der vielen privaten Theater in der<br />
Stadt, zu denen die FVB ein hervorragendes Verhältnis hat, wird immer<br />
wieder die Idee eines <strong>Köln</strong>er Theaterhauses angesprochen. Ob dies im<br />
„Colonia-Haus“ Aachener Straße 5, zu realisieren ist, steht in den Sternen<br />
und liegt beim Publikum).<br />
Die auf sehr hohem Niveau liegenden Mitgliederzahlen (pendelnd zwischen<br />
10 bis 11.000 Mitgliedern) gaben jedoch auch immer wieder Anlaß<br />
zur Sorge, denn alle Bemühungen, jüngere Mitglieder in größerer<br />
Zahl zu gewinnen, blieben, und bleiben bis heute, ohne entscheidenden<br />
Erfolg.<br />
Nicht allein die Altersstruktur des Vereins, auch die Preisentwicklung<br />
bei den Städtischen Bühnen, dem Orchester und den Theatern, sodann<br />
die Angebote selbst, die Qualität der Inszenierung, die Auswahl des<br />
Autors, die Gestaltung des Bühnenbildes, bringen für die FVB immer<br />
wieder z.T. empörte Reaktionen unserer Mitglieder, die in Einzelfällen<br />
sogar zur Kündigung führen. Daß dabei die FVB für „Mängel“ gescholten<br />
wird, die sie nicht direkt verantwortet, spielt oft leider keine Rolle.<br />
Der Verein ist, gezwungenermaßen, der Blitzableiter.<br />
So blickt man denn immer wieder mit großer Erwartung und viel Hofnung,<br />
manchmal mit Bangen, dem Wechsel von Intendanz, Schauspiel-<br />
oder Generalmusikdirektor entgegen. Was wird anders, besser, wie<br />
wird die Bereitschaft sein, auf das Publikum, vielleicht auch auf die Besucherorganisationen<br />
zuzugehen? Als mit der Spielzeit 68/69 auf Arno<br />
Assmann Claus Helmut Drese mit Hansgünter Heyme folgte, war erneut<br />
ein solcher Augenblick des Hoffens und Bangens gekommen. Der<br />
Darstellung von Dieter Hadamczik ist zu entnehmen (S. 63, a.a. O.) daß<br />
die Zusammenarbeit mit der neuen Leitung nicht sehr zufriedenstellend<br />
lief. Mittelkürzungen hatten zum spielfreien Montag, dem Tag der<br />
<strong>Volksbühne</strong>nmitglieder, geführt. Die notwendigen Umstellungen stießen<br />
auf erhebliche organisatorische Probleme in der Geschäftsführung<br />
und erzeugten großen Ärger in der Mitgliedschaft. Zudem waren kurzfristig<br />
durchgeführte Spielplanänderungen Anlaß zu Beschwerden.
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Aber auch die Auswahl von Autoren und Stücken war Inhalt des Gesprächs,<br />
da offensichtlich nicht wenige Mitglieder Anstoß an „modernen“<br />
Stücken und ihren Inszenierungen nahmen. Hadamczik (a.a.O. S.<br />
64) resümiert: „Doch aller Krafteinsatz bleibt erfolglos, wenn die Spielpläne<br />
der Bühnen das Publikum verärgern. Seit 1968, dem Antritt von<br />
Dr. Drese und seinem Oberspielleiter Heyme, ist ein deutlicher Mitglieder-Rückgang<br />
in Gang gekommen“. Und Wilhelm Ungers Fazit: „Ein<br />
Theater-Intendant in unserer Zeit ist nicht zu beneiden. Wohl nie zuvor<br />
hat er so zwischen allen Stühlen gestanden wie heute. Es gibt kaum<br />
eine andere Figur des öffentlichen Lebens, die gleichermaßen den Umbruch<br />
des gesellschaftlichen Lebens, dessen Zeugen wir sind, spiegelt<br />
Drese kam nach <strong>Köln</strong> mit der Parole, hier ein „Theater für <strong>Köln</strong>” zu<br />
machen. Nach Professor Schuhs übersteigerten Ansprüchen klang das<br />
in manchen Ohren ernüchternd …„Der Ruf des <strong>Köln</strong>er Theaters (steht)<br />
weit hinter dem Ansehen <strong>Köln</strong>s in anderen Kunstsparten (zurück). Wenn<br />
Dr. Drese in seinem Begriff „Theater für <strong>Köln</strong>” die spezifische Bedeutung<br />
dieser rheinischen Metropole mit ein bezieht, dann können sich unsere<br />
<strong>Köln</strong>-Assoziationen mit den seinigen decken“ (<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong>,<br />
Heft 30, 1968).<br />
Die Ära Hax<br />
Die für den 16. Mai 1972 einberufene Mitgliederversammlung, die aus<br />
Anlaß einer Satzungsanpassung durchgeführt wird, erhält die allenthalben<br />
große Bestürzung auslösende Nachricht, daß der langjährige<br />
Vorsitzende, Andreas Becker, plötzlich verstorben ist. Paul Hax, Geschäftsführer<br />
der FVB und wegen seiner Leistungen insbesondere mit<br />
und seit dem Erwerb des „Colonia-Hauses“ in hohem Ansehen, übernimmt,<br />
bei Fortsetzung seiner Geschäftsführertätigkeit, den Vorsitz.<br />
Paul Bemelmann und Friedrich Eisenmenger werden Stellvertretende<br />
Vorsitzende, Peter Berling Schriftführer.<br />
Bis 1980 wird Paul Hax Geschäftsführung und Vorsitz innehaben. Anna-<br />
Maria Prauschke übernimmt in diesem Jahr die Geschäftsführung, 1987<br />
wird Paul Hax die Tätigkeit des Vorsitzenden an Dieter Blumenberg übertragen.<br />
Damit war Paul Hax insgesamt 35 Jahre in wechselnden Funktionen<br />
für die FVB tätig. Er stirbt am 14.5.1988.<br />
1972<br />
Doch zurück zu den 70er Jahren. Da mit dem Erwerb des Colonia-<br />
Hauses (Millowitsch) das uralte Problem der Verfügung über ein eigenes<br />
Theater und damit auch des Einflusses auf Stücke-Auswahl<br />
und Spielplan insgesamt nicht gelöst war, die Mitglieder jedoch,<br />
gerade vor dem Hintergrund der städtischen Theaterangebote,<br />
auf Einflußnahme drängten, wurde, zusammen mit der Stadt und<br />
36<br />
der Theatergemeinde die<br />
Dom-Betriebs GmbH gegründet<br />
und am 1. September<br />
1973 die neue<br />
Spielzeit eröffnet.<br />
37<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Bis zum Oktober 1976<br />
bleibt die <strong>Volksbühne</strong><br />
an der GmbH beteiligt,<br />
zieht sich dann aber zu- › Paul Hax<br />
rück, da offensichtlich die<br />
Entwicklung der Kosten<br />
im Vorstand zur Auseinandersetzung geführt hat, die mit dem Rücktritt<br />
Eisenmengers als stellvertretendem Vorsitzenden und auch als einem<br />
der Geschäftsführer der „Theater am Dom GmbH“ endete. Also<br />
auch dieser Versuch, über die Beteiligung an einem Theaterbetrieb<br />
dem Diktat des Monopolisten „Bühnen der Stadt <strong>Köln</strong>” zu<br />
entgehen, scheiterte. Es war dies nach meinem Kenntnisstand die<br />
bis heute letzte Bemühung, neben dem städtischen Angebot aus eigener<br />
Kraft einen Theaterbetrieb aufzubauen, um damit hinsichtlich der<br />
Spielplangestaltung eine stärkere Orientierung an Wünschen und Vorstellungen<br />
der Mitglieder zu erreichen.<br />
Wie ein roter Faden zieht sich seit den Anfängen bis zum Ausgang<br />
der 70er Jahre dieses Bestreben der <strong>Volksbühne</strong> durch ihre<br />
Arbeit. Einerseits zwingend aus den historischen Anfängen und Absichten<br />
resultierend, war es doch offensichtlich immer auch der Versuch,<br />
die Entwicklung des Theaters eigenen oder vermuteten Mitgliederinteressen<br />
zu unterwerfen. Sicher wollte man keine Zensurbehörde<br />
sein, nach 1946 noch weniger als in den Anfangsjahrzehnten, aber aufgrund<br />
des ideologisch-programmatischen Hintergrundes hatten die<br />
1976
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Mitglieder, mehr noch die Vorstände, eine - vielleicht oft sehr diffuse -<br />
Vorstellung von dem, was, aber auch wie, gespielt werden sollte.<br />
Von daher sahen sich die Vorstände immer wieder veranlaßt, eigene<br />
Wege gehen zu wollen, nicht allein dem städtischen Spielplan<br />
folgen zu wollen. Im Rahmen dieses Textes kann nicht der Frage<br />
nachgegangen werden, ob es ein besonderes <strong>Volksbühne</strong>npublikum mit<br />
einem besonderen Geschmack bezüglich Autoren und Inszenierungen<br />
gibt, aber natürlich reagiert eine Besucherorganisation mit entsprechender<br />
„Kundenorientierung“ besonders sensibel bei Beschwerden, Kritik,<br />
Kündigungen. Die <strong>Volksbühne</strong> wird zum Seismographen für Zumutbares,<br />
Gewagtes, allzu Kühnes. Aber sie sah und sieht sich auch<br />
immer in der Verpflichtung, Neues zu vermitteln, ihre Mitglieder<br />
weiterzubilden. „Die <strong>Volksbühne</strong> hat sich von Beginn an in steigendem<br />
Maße auch für die Erziehung ihrer Mitglieder hinsichtlich<br />
des literarischen und theatralischen Geschmacks eingesetzt“<br />
(Bochow, a.a.O., S. 33). In dieser Dialektik des Gebens und Nehmens<br />
steht die <strong>Volksbühne</strong> in ihrem Verhältnis zu den Mitgliedern. Daher sind<br />
Maßnahmen zur „Geschmacksbildung“, also Einführungsveranstaltungen,<br />
Rundbriefe und ähnliche Instrumente der Vorbereitung und des Dialogs<br />
von zentraler Bedeutung für die Arbeit der <strong>Volksbühne</strong>.<br />
Der oft zu hörende Vorwurf, das <strong>Volksbühne</strong>npublikum sei besonders<br />
konservativ, läßt sich aus den vorliegenden Protokollen und Darstellungen<br />
nicht belegen. Fortners „Bluthochzeit“ im Dirigat von Günter Wand<br />
im Juni 1957 oder Gielens Dirigat der Uraufführung von Zimmermanns<br />
„Soldaten“ im Februar 1965 waren große Leistungen der <strong>Köln</strong>er Oper,<br />
in der Öffentlichkeit lebhaft diskutiert, für die Protokolle der FVB ohne<br />
größere Bedeutung. Der Mitgliederzuspruch blieb in diesen Jahren auf<br />
höchstem Niveau.<br />
Schon heftiger waren die Diskussionen über die Arbeit des Schauspielhauses.<br />
Mit Heyme fanden öfter „Aussprachen“ statt, vor allem, nachdem<br />
Drese nach Zürich ging, Hampe die Oper übernahm, und mit Heyme<br />
und Roberto Ciulli, zeitweise mit Angelika Hurwicz, ein Direktorium<br />
für das Schauspiel eingerichtet wurde. Die Freiheiten des „Regietheaters“<br />
scheinen die Mitglieder scharenweise zur Oper getrieben zu haben<br />
- hier jedoch war das Angebot der Nachfrage nicht gewachsen,<br />
zum großen Ärger für Mitglieder und Geschäftsstelle.<br />
In dieser Situation wurde erneut der Beschluß gefaßt, eine Mitgliederinformation<br />
herauszugeben. Ab 1975 erschien „Bühne und Parkett“<br />
zur Information der <strong>Köln</strong>er Mitglieder. Es war eine Übernahme des<br />
Bundesverbandes mit <strong>Köln</strong>er Beilage. Bereits nach 5 Jahren musste aus<br />
38<br />
Kostengründen die Herausgabe des Informationsblattes wieder eingestellt<br />
werden. Vor allem die stark angestiegenen Eintrittspreise erzwangen<br />
diese Einsparung. Und bis heute ist es nicht zur Herausgabe einer<br />
allgemeinen Mitgliederinformation gekommen, obwohl das Thema in<br />
Vorstandssitzungen immer wieder behandelt wird. Bewegt sich die FVB<br />
in den 70er Jahren auf hohem Niveau von über 100.000 abgenommenen<br />
Karten, so ändert sich die Lage in den 80er und 90er Jahren. Waren<br />
es zuerst und vor allem die Städtischen Bühnen, die Adressat der Karten-<br />
1975<br />
wünsche waren, so traten jetzt verstärkt die privaten, die „freien“ Theater<br />
ins Interesse der FVB. Vom „Theater am Dom“ ist bereits oben gehandelt<br />
worden und wie sehr, auch personell mit Hax und Eisenmenger,<br />
hier Verbindungen gepflegt wurden. Wenn diese Beziehung mit finanzieller<br />
Beteiligung nicht von langer Dauer war, so blieb doch das Haus, und<br />
39<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
bis heute, eine wichtige Adresse für unsere Mitglieder.<br />
Es entstanden weitere private Theater. Oft waren sie nur kurzlebig, einige,<br />
so das Theater „Der Keller“ haben über 5 Jahrzehnte und auf hohem<br />
Niveau, ihre Arbeit fortsetzen können. Für die FVB wurden sie in<br />
dem Maße wichtig, wie ihre Angebote und Leitungen stabil und kalkulierbar<br />
für ein Abonnements-System wurden, die Spielstätten attraktiver<br />
wurden und die Preise der Stadt erzwangen, nach Alternativen<br />
Ausschau zu halten. (Gerade in diesen Tagen - Juli – August - berichten<br />
die Zeitungen vom Ende des „Kabaretts Eifelturm“, Nachfolger des<br />
„Severinsburgtheaters“).<br />
So kam 1983 das „Theater im Bauturm“ hinzu, weitere kleinere oder etwas<br />
größere Bühnen folgten, deren Angebote schließlich Eingang in das<br />
Paket der FVB fanden. Eine Momentaufnahme vom Anfang der 90er<br />
Jahre: Kartenabnahme Oper und Schauspiel insges. ca. 52.000 Karten,<br />
Abnahme von privaten Theatern (Theater am Dom, Kellertheater, Bauturmtheater,<br />
Comedia Colonia, Bühne 48 und Theater am Sachsenring<br />
sowie Millowitsch) ca 13.000 Karten. Nimmt man das städtische Schauspielhaus<br />
allein (damals mit Halle Kalk) dann liegt dort die Abnahme bei<br />
ca. 18.000 Karten. Zum Ende des Jahrzehnts, 1998, liegt das Städtische<br />
Schauspielhaus mit ca. 9.000 Karten gleichauf mit den Privattheatern,<br />
die seit 2000 sogar nach der Zahl der verkauften Karten vorne liegen.<br />
1983<br />
Wie diese Entwicklung zu deuten ist, in wieweit hier kulturpolitische<br />
Faktoren (Qualität der Aufführungen, Auswahl von Autoren und Stücken,<br />
„Anonymität” des Ensembles mit Verzicht auf Stars, „Regietheater“)<br />
eine Rolle spielen, muß hier unerörtert bleiben, sicher ist, daß<br />
dieser Wandel, fast kann man von einer Flucht sprechen, nicht allein<br />
der Preisentwicklung bei den Städtischen Bühnen und den günstigeren
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
Preisen der Privaten zu danken ist. Es ist, wie die Mitglieder bestätigen,<br />
auch eine Qualitätsentscheidung. Mit einem Zitat von Heinrich Lohmer,<br />
dem früheren Vorsitzenden der <strong>Köln</strong>er Theatergemeinde: „Das zurückgegangene<br />
Interesse am Schauspiel macht uns Sorgen. Wir<br />
haben Zweifel, ob das dramaturgische Konzept richtig ist“(KSt A,<br />
26.10.96). Diese Auffassung wird sicher auch von einem großen Teil<br />
unserer Mitglieder geteilt. Heyme und Flimm wurde nachgesagt, daß<br />
es ihnen auf das Publikum nicht ankomme. Zweifellos wurde die gesellschaftsverändernde<br />
Kraft des Theaters überbewertet, wurde mit mancher<br />
Inszenierung Skandal ausgelöst, Zuschauer abgeschreckt.<br />
Wenn ich hier die 80er Jahre kursorisch behandelt habe, so liegt das<br />
vor allem daran, dass sie, anders als die Jahrzehnte bis 1980, nicht in so<br />
vorzüglicher und detailreicher Weise aufgearbeitet wurden, wie das für<br />
den Zeitraum bis 1980 durch die Arbeit von Dieter Hadamczik gilt.<br />
Dezernenten- und Intendantenwechsel<br />
1979 war für die <strong>Köln</strong>er Kultur ein Jahr des Abschieds: der langjährige<br />
und viel bewunderte Kulturdezernent Kurt Hackenberg („Er war<br />
der Adenauer unter den Kulturdezernenten“, so O.F. Schuh, Zitat<br />
nach Christoph Zimmermann, Oper in <strong>Köln</strong>, S. 341) ging, ihm folgte Peter<br />
Nestler, die Bühnen erlebten mit Jürgen Flimm, von 1979 – 1985 Intendant<br />
am Schauspielhaus <strong>Köln</strong>, eine gute, wenn auch, wie immer in <strong>Köln</strong>,<br />
sehr umstrittene Zeit. Es war, wie bereits oben dargestellt, für die FVB<br />
die Ära Hax. Paul Hax führte mit großer Umsicht und viel Geschick und<br />
es gelang ihm, trotz vieler Schwierigkeiten gerade mit den Städtischen<br />
Einrichtungen, die FVB sicher durch alle Gefährnisse zu steuern.<br />
Dieter Blumenberg wird Vorsitzender<br />
Die Mitgliederversammlung am 28.1.1988, wie schon seit langem wieder<br />
im <strong>Köln</strong>er Kolpinghaus, wurde von Dieter Blumenberg, dem Stellvertreter<br />
von Paul Hax, geleitet. Paul Hax mußte aus gesundheitlichen Gründen<br />
der Sitzung fernbleiben. In seinem Auftrag erklärte Blumenberg, daß<br />
Paul Hax sein Amt zur Verfügung stelle. Der Vorschlag, Hax zum Ehrenvorsitzenden<br />
zu wählen, wurde einstimmig angenommen. Für die Geschäftsführung<br />
stellte Frau Prauschke die finanzielle Entwicklung in Bezug<br />
auf die Preiserhöhungen bei den Städtischen Bühnen dar. Danach<br />
hatten sich die Mitgliederbeiträge in 7 Jahren um über 50 % erhöht.<br />
Die Vorstandswahlen erbrachten ein einstimmiges Wahlergebnis für<br />
Dieter Blumenberg als neuen Vorsitzenden der <strong>Volksbühne</strong>. Die Her-<br />
40<br />
› von links: Paul Hax, Kurt Hackenberg<br />
41<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
ren Bemelmann und Schmitz wurden als Stellvertreter gewählt. Beisitzer<br />
wurden Frau Stammel und Frau Gerbecks sowie die Herren Fitzler,<br />
Irsfeld, Scholl und Sonjé.<br />
Für die Vorstandsarbeit der 90er Jahre wurden die folgenden Themen<br />
von entscheidender Bedeutung: 1. die umfassende Renovierung<br />
des „Colonia-Hauses“ (hier insbesondere der Bereich<br />
des Millowitsch-Theaters), 2. die Mitgliederentwicklung,<br />
3. die Kürzung der städtischen Mittel für den Kulturbereich und dadurch<br />
ausgelöst die Anhebung der Eintrittspreise und Mitgliedsbeiträge, 4.<br />
die Ausdehnung des Angebots in den Privattheaterbereich, 5. Umstellungen<br />
auf EDV, 6. Personalentscheidungen, 7. die Aufnahme eines<br />
Angebots von Kultur-Reisen.<br />
Das „ Colonia-Haus“, ein Gebäude vom Beginn des 20. Jahrhunderts,<br />
war doch sehr in die Jahre gekommen. Notwendige Reparaturen und<br />
Umbauten wurden zwar regelmäßig durchgeführt, aber eine umfassende<br />
Sanierung, insbesondere des denkmalgeschützten (Jugendstil!) Theaterbereichs<br />
Millowitsch war bisher unterblieben. Sie wurde nun beschlossen<br />
und begonnen. Jedoch stellte sich bald heraus, daß die Kosten<br />
der Altbau-Sanierung erheblich höher als veranschlagt waren und das<br />
1988
› von links: Christa Becker, Dieter Blumenberg, Willy Millowitsch,<br />
Peter Millowitsch<br />
Kosten-Management durch den beauftragten Architekten versagte. In<br />
einem Prozeß konnte die <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> einen Erfolg erzielen und Teile<br />
der Mehrkosten mußten vom Architekten erstattet werden.<br />
Die Kürzungen der Mittel im Kulturbereich erzwangen ständige Anhebungen<br />
von Eintrittspreisen und Mitgliederbeiträgen. So mußte der<br />
Vorsitzende, Dieter Blumenberg, in der Sitzung vom 17.4.1990 feststellen:<br />
„In kurzen Worten umriß Herr Blumenberg die derzeitige Situation<br />
an den Städtischen Bühnen, insbesondere die Lage, die durch die<br />
Schließung des Schauspielhauses entstanden ist. Herr Hampe strebe<br />
eine Reduzierung der fest vertraglichen Häuser im Musiktheater an zu<br />
Gunsten freier Aufführungen.”<br />
Zu diesem Zeitpunkt hat die FVB noch ca. 8.000 Mitglieder, mit Schließung<br />
bzw. Provisorium für das Schauspiel war eine Kündigungswelle<br />
zu befürchten. Diese trat auch ein: im Zeitraum 1989/90 traten über<br />
1400 Mitglieder aus. Dem standen allerdings auch ca. 1000 Neuaufnahmen<br />
gegenüber. Und im März 1992 schrieb die Geschäftsführerin<br />
der FVB, Christa Becker, dem Vorstand: „Wie Sie sicherlich aus<br />
der Presse wissen, sollen ab Spielbeginn 1992/93 die Eintrittspreise<br />
für die Oper erheblich angehoben werden.“ Da eine Weitergabe der<br />
Preiserhöhung erst mit Beginn des Folgejahres möglich war, entstand<br />
1992<br />
1991<br />
42 43<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
somit für die FVB ein nicht unerheblicher Verlust. Bereits im Vorjahr<br />
war ein Verlust von über 30.000,-- DM durch Preiserhöhungen entstanden.<br />
Konsequenzen dieser Entwicklung seitens der Stadt und unserer<br />
Reaktion waren einerseits eine Satzungsänderung, um flexibler auf<br />
die immer häufigeren Preisanhebungen reagieren zu können (Umstellung<br />
vom Kalenderjahr auf Spielzeit) und Austritte einer nicht geringen<br />
Zahl von Mitgliedern. Erneut wurde der fatale Zirkel von Unzufriedenheit<br />
der Mitglieder über die Qualität der Theaterangebote, Anhebung<br />
der Eintrittspreise, Erhöhung der Mitgliedsbeiträge, Austritte in Gang<br />
gesetzt und beschäftigte den Vorstand in immer kürzeren Abständen.<br />
Die Angebote an Kulturreisen, nach Wien, Paris, London, New<br />
York, aber auch Thüringen, Dresden, Berlin fanden große Resonanz.<br />
Und werden bis heute fortgesetzt.<br />
Mit Ablauf des März 1991 schied Anna- Maria Prauschke als Geschäfsführerin<br />
der FVB aus. Seit den Zeiten von Paul Hax (seit 1979) war sie<br />
zuerst als Mitarbeiterin, sodann in der Nachfolge von Paul Hax als Geschäftsführerin<br />
für die FVB tätig. Aufschwung und die hohe Qualität<br />
der Arbeit der FVB, insbesondere der Geschäftsstelle, sind eng mit ihrem<br />
Namen verbunden.<br />
Frau Prauschke geht, Frau Becker kommt.<br />
Ihre Nachfolgerin wurde Christa Becker, die vom März 1991 bis zum<br />
Mai 2005 die Geschäfte der FVB führte. Eine Modernisierung der Arbeit<br />
der Geschäftsstelle war – vor allem dank des technischen Fortschritts<br />
- unvermeidlich geworden und 1992 erfolgte der Einstieg in<br />
die EDV mit einer erheblich verbesserten weil flexibleren Mitgliederbetreuung.<br />
Frau Becker hat sich insbesondere hier mit dem Ausbau<br />
der Büroorganisation auf den heutigen hohen Stand außerordentlich<br />
verdient gemacht. Hohen Belastungen war das Büro in den oben angesprochenen<br />
Zeiten der Umbauarbeiten an der Aachener Str. ausgesetzt,<br />
wo in immer kürzeren Abständen Gespräche mit Architekt, geschäftsführendem<br />
Vorstand, schließlich Anwalt nötig wurden. In der<br />
Jahreshauptversammlung am 16.4.1991 wurde ausführlich die schwierige<br />
Lage der <strong>Volksbühne</strong> wegen der Asbest-Sanierung des Schauspielhauses<br />
behandelt. Die Zahl der Kartenbestellungen ging kontinuierlich<br />
seit Ende der 80er Jahre zurück, von 86.000 Karten 1988 auf<br />
79.000 Karten 1990. Die Gründe wurden ausführlich erläutert, die Preiserhöhungen,<br />
die Reduzierung der Aufführungszahlen, die Zunahme<br />
von Reprisen scharf kritisiert. Für die FVB war die Lage außerordentlich<br />
schwierig, da zusätzliche und vermehrte Werbeanstrengungen<br />
zwar unternommen wurden, jedoch durch die städtische Kulturpolitik
1994<br />
1991<br />
konterkariert wurden. Auch eine Ausweitung auf andere Bereiche, z.B.<br />
Konzerte, Kulturreisen, Besuche anderer Häuser in Bonn oder Düssel-<br />
› von links: Anna-Maria Prauschke, Dieter Blumenberg, Christa Becker<br />
dorf konnte nur wenig Entlastung bringen.<br />
Die Sitzung vom 16.4.1991 war Frau Prauschkes letzte Sitzung als Geschäftsführerin.<br />
Ihrer Nachfolgerin, Frau Becker, wünschte sie viel Erfolg,<br />
betonte, daß diese ihr Amt in einer für die FVB schwierigen Zeit<br />
anträte. Bei Vorstandswahlen wurde Dieter Blumenberg als Vorsitzender<br />
bestätigt. Der Tod von Paul Bemelmann machte Veränderungen im<br />
geschäftsführenden Vorstand nötig. Gewählt als Stellvertretende Vorsitzende<br />
wurden Frau Prauschke und Franz Irsfeld, Friedrich Piel wurde<br />
zum Schriftführer gewählt. Er schied im Januar 1992 als Schriftführer<br />
aus, Nachfolger wurde Rolf Brunthaler.<br />
Bei der Jahreshauptversammlung 12.12.1994 blieb der Vorstand weitgehend<br />
unverändert: Blumenberg, Frau Prauschke, Irsfeld und Brunthaler<br />
wurden erneut gewählt, ebenso Frau Gerbecks und die Herren Fitzler,<br />
Haertwig, Piel, Scholl und Sonjé. Die Herren Thoma und Meißner wurden<br />
als Revisoren bestätigt. Ein positiver Bericht konnte in dieser Sitzung<br />
über die Einführung der EDV gegeben werden. Trotz einer Vermehrung<br />
der Gruppenzahl bei der Kartenabnahme konnte die Arbeit „schneller<br />
und flexibler“ erledigt werden. Mit dem Jahr 1997 konnte die Arbeit<br />
am „Colonia-Haus“ weitgehend abgeschlossen werden, die Erträge<br />
aus dieser Immobilie waren zufriedenstellend, es blieb der wegen<br />
der Kostensteigerung beim Objekt Aachener Straße beschlossene<br />
Rechtsstreit (s.o.). Die Vorstandswahlen brachten einige Änderungen:<br />
Rolf Brunthaler übernahm die Funktion eines stellvertretenden Vorsitzenden,<br />
Frau Schützeberg wurde Schriftführerin. Neu in den Vorstand kam<br />
Frau Schulz-Bittner. Der Beschluß, zum 75-jährigen Jubiläum eine Feier<br />
durchzuführen, wurde gefaßt, aber nicht ausgeführt: Kosten, aber auch<br />
Ablauf und Gestaltungsfragen konnten nicht abschließend geklärt werden.<br />
Wie in früheren Sitzungen wurde im Februar 1998 erneut das Thema<br />
einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit angesprochen, verschiedene<br />
Werbevorschläge wurden diskutiert. Doch trotz verstärkter Werbean-<br />
1998<br />
im Repertoire, Einsparungen an vielen Stellen im Etat der Bühnen und<br />
im Juli/August 2007<br />
Franz Irsfeld<br />
Vorsitzender der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong><br />
2007<br />
44 45<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
strengungen, neuer Prospekte, des Internetauftritts ab November 1998,<br />
Prospekt-Verteilung in der Schildergasse, in kulturellen Einrichtungen der<br />
Stadt, Angebot von Werbe-Prämien war erneut ein leichter Rückgang<br />
der Mitgliederzahlen zu verzeichnen.<br />
Und wie geht es weiter?<br />
In den folgenden Jahren bis zum Januar 2001 kam es zu keiner größeren<br />
Veränderung im Vorstand. Auch die Probleme blieben und die<br />
Sorgen, resultierend aus den Kürzungen im Kulturhaushalt, Kürzungen<br />
entsprechendem Rückgang der Mitgliederzahlen, wurden größer. Ein<br />
Beispiel aus „späteren” Jahren (Januar 2004): „Auf Grund der Sparbeschlüsse<br />
vom 18.12.2003 in Höhe von 10,5 Mio Euro (2005-07) beabsichtigen<br />
die Bühnen die Eintrittspreise bereits in der Spielzeit 2004/05<br />
„signifikant“ zu erhöhen.” Soweit der Geschäftsführende Intendant Peter<br />
Raddatz.<br />
Dieter Blumenberg blieb Vorsitzender bis Dezember 2003, sein Nachfolger<br />
wurde der bisherige Stellvertretende Vorsitzende Franz Irsfeld.<br />
Frau Becker schied im Mai 2005 als Geschäfsführerin aus, ihre Nachfolgerin<br />
ist seitdem Astrid Völker. Die Geschäftsstelle, seit Jahren in der<br />
Genter Straße, zog im November 2000 in die Brabanter Straße.<br />
Über viele Jahrzehnte hatte die FVB den Traum vom eigenen Haus, von<br />
ihrem Theater für ihre Mitglieder. Hoffen wir, daß dieser Traum unter<br />
dem Zwang <strong>Köln</strong>er kulturpolitischer Entwicklungen nicht eines Tages<br />
Wirklichkeit werden muß.
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
LITERATURHINWEISE<br />
1. Dieter Hadamczik<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1919 - 1979<br />
Maschinenschrift, Manuskript, ohne Jahr<br />
2. Albrecht Schöne<br />
Genossenschaftsartige Vereinigungen der Theaterbesucher<br />
Schriften des Seminars für Genossenschaftswesen der Universität zu<br />
<strong>Köln</strong>, Otto Schwartz-Verlag, Göttingen 1960<br />
3. Die Rampe<br />
Monatsblätter der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> e.V.<br />
Jahrgang 10, Mai 1932 (10 Jahre <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong>)<br />
4. Peter Bochow<br />
Der Geschmack des <strong>Volksbühne</strong>npublikums<br />
Diss. phil. F.U. Berlin, Berlin 1965<br />
5. Siegfried Nestriepke<br />
Neues Beginnen, Die Geschichte der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> Berlin 1946-1955<br />
Arani-Verlag Berlin 1956<br />
6. 40 Jahre <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong><br />
Hrsg. <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> e.V., o. J. (1962)<br />
7. Gerhart Seger<br />
Proletarierjugend und Theater - Ein Wegweiser für die arbeitende Jugend<br />
Sammlung Sozialist. Jugendschriften Heft 2<br />
Verlagsgemeinschaft Freiheit e.G.m.b.H., Berlin 1922<br />
8. <strong>Volksbühne</strong> - Zeitschrift für sociale Kunstpflege<br />
Hrsgg. im Auftrage der <strong>Volksbühne</strong> E.V.<br />
Jahrgang 1, 1920/21<br />
9. Carl H. Hiller<br />
Vom Quatermarkt zum Offenbach-Platz - 400 Jahre Musiktheater in <strong>Köln</strong><br />
<strong>Köln</strong> 1986<br />
10. Christoph Schwandt<br />
Hrsg., Oper in <strong>Köln</strong> - Von den Anfängen bis zur Gegenwart<br />
Berlin 2007<br />
11. <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> (Hrsg.) Vorschau-Hefte 1 - 31<br />
erschienen bis 1968.<br />
46<br />
47<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> 1922 - 2007<br />
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2007<br />
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Herausgeber: <strong>Freie</strong> <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> e.V.<br />
Redaktion: Franz Irsfeld, Andrea Hoßfeld, Astrid Völker<br />
Konzeption: Agentur für Kommunikation Uli Kissels ! Werbeagentur<br />
Gestaltung: Dorothea Linden<br />
Fotos: Archiv der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> <strong>Köln</strong> e.V.<br />
© Oktober 2007<br />
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