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Bürgermeister Werner Büdenbender Rede zum ... - Wilnsdorf

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<strong>Bürgermeister</strong> <strong>Werner</strong> <strong>Büdenbender</strong><br />

<strong>Rede</strong> <strong>zum</strong> Haushaltsplan 2009 19. Februar 2009<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren,<br />

In meiner jetzigen Funktion ist das die letzte <strong>Rede</strong>, die ich zu einem Haushalt der<br />

Gemeinde <strong>Wilnsdorf</strong> halte. Sie werden daher sicherlich verstehen, dass ich mich im<br />

Wesentlichen mit der aktuellen kommunalen Finanzsituation beschäftige. Auf die Be-<br />

sonderheiten des <strong>Wilnsdorf</strong>er Haushalts 2009 wird nachfolgend Kämmerer Ulrich<br />

Berghof eingehen.<br />

Ich sehe die strukturelle Lage der kommunalen Finanzen landesweit heute mehr ge-<br />

fährdet, als je zuvor. Es ist dringend erforderlich, ja überlebensnotwendig, dieses<br />

Thema an die erste Stelle jeder politischen Agenda zu setzen. Dabei ist es sicherlich<br />

einleuchtend, dass ich meine Betrachtungen aus der Sicht einer kreisangehörigen<br />

Gemeinde anstelle.<br />

Wenn man die Zeichen der Zeit richtig deutet, ist auch die verfassungsmäßige Ga-<br />

rantie der kommunalen Selbstverwaltung nur noch eine rechtliche Hülle - ein ele-<br />

mentarer Bestandteil, nämlich die kommunale Finanzhoheit, ist nur noch rudimentär<br />

vorhanden. Bund und Länder nehmen das sehenden Auges in Kauf, ohne auch nur<br />

ein Jota ihrer Kostenverlagerungspolitik nach unten zu verändern. Wir sind an einem<br />

Punkt angelangt, an dem Wehklagen der <strong>Bürgermeister</strong>, Resolutionen der Gemein-<br />

deräte, ständiges Insistieren von Fachverbänden, ja sogar bürgerschaftlicher Protest<br />

keine tauglichen Mittel mehr darstellen.<br />

Während sich Regierungen, Medien, Öffentlichkeit, Bürgerschaft und Politik mit Ret-<br />

tungsschirmen für Banken, mit Verstaatlichung von Institutionen, mit milliarden-<br />

schweren Kapital- und Bürgschaftsfonds für die Industrie und mit großen Konjunktur-<br />

programmen beschäftigen, wird die schlimme Lage der Kommunalfinanzen völlig<br />

ausgeblendet. Insofern halte ich es für unsere Pflicht, uns aktuell Gehör zu verschaf-<br />

fen, aktuell auf die absolut Besorgnis erregende finanzielle Lage der Gemeinden hin-<br />

zuweisen.<br />

. . .


- 2 -<br />

Ich will versuchen, anhand von den wesentlichen Ursachen die Szenerie zu beleuch-<br />

ten. Zunächst zu<br />

Wesentlichen Ursachen der Krise:<br />

Die chronische Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen<br />

hat im Wesentlichen zwei Ursachen:<br />

Zum einen öffnet sich die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben immer weiter,<br />

da den Kommunen immer neue Finanzierungsaufgaben aufgebürdet werden, ohne<br />

dass der kommunale Finanzausgleich entsprechend dotiert wird oder ausreichende<br />

spezielle Deckungsmittel mit den Aufgaben verbunden werden. Auf der anderen Sei-<br />

te schieben viele Städte und Gemeinden eine riesige Bugwelle von Fehlbeträgen der<br />

Verwaltungshaushalte aus der Vergangenheit vor sich her, die letztlich zu einem<br />

Höchststand an Kassenkrediten führt.<br />

Die Kassenkredite der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen haben<br />

sich in den letzten 7 Jahren von 3,1 Mrd. Euro im Jahre 2001auf rd. 14 Mrd. Eu-<br />

ro fast verfünffacht.<br />

Dabei ist das Land NRW einsamer Spitzenreiter, fast die Hälfte aller Kassenkredite<br />

der Kommunen in der Bundesrepublik ist hier zu finden. Auch die bisher durchgeführ-<br />

ten Konsolidierungsmaßnahmen fast aller Kommunen konnten an der anhaltenden<br />

Finanzmisere nichts entscheidend verbessern. Die vielen drastischen Sparrunden<br />

vor Ort haben <strong>zum</strong> Teil schmerzhafte Einschnitte bei dem kommunalen Leistungsan-<br />

gebot verursacht. Neben der deutlichen Einschränkung der freiwilligen Aufgaben sind<br />

die bereits durchgeführten Konsolidierungsanstrengungen ablesbar an dem drasti-<br />

schen Personalabbau und den immer weiter weg brechenden kommunalen Investiti-<br />

onen.<br />

Die kommunalen Sachinvestitionen haben sich in den vergangenen 14 Jahren<br />

von rd. 6,4 Mrd. Euro in 1992 auf rd. 2,9 Mrd. Euro in 2006 mehr als halbiert.<br />

Diese Entwicklung führt zu einem Investitionsstau bei der kommunalen Infra-<br />

. . .


- 3 -<br />

struktur, der die Haushalte in den nächsten Jahrzehnten deutlich zusätzlich<br />

belasten wird.<br />

Der Haushaltsausgleich bleibt aber nach wie vor das zentrale Problem. Nach der<br />

Einführung von NKF gelingt der Ausgleich oftmals nur durch Rückgriff auf die Aus-<br />

gleichsrücklage. Damit liegt aber kein struktureller Haushaltsausgleich vor, da auch<br />

die Ausgleichsrücklage Teil des Eigenkapitals ist, welches abgebaut wird. Das NKF<br />

wird die wirtschaftliche Situation der Städte und Gemeinden in Zukunft noch scho-<br />

nungsloser aufdecken als bisher. Das NKF wird jedoch keinen zusätzlichen Euro in<br />

die kommunalen Kassen spülen, so dass der Konsolidierungsdruck eher zunehmen<br />

wird.<br />

Dass das im wesentlichen für die kreisangehörigen Kommunen gilt, mögen Sie an<br />

der höchst kuriosen Einstellung des Innenministers NRW erkennen, der in großzügi-<br />

ger Dehnung des Gesetzeswortlauts Umlageverbänden das Recht einräumt, bereits<br />

bei der Aufstellung ihrer Haushalte Überschüsse einzuplanen. Ergänzend kommt<br />

die Tatsache hinzu, dass den Umlagehaushalten ebenso zugestanden wird, den<br />

Haushaltsausgleich nicht über die für alle anderen Kommunen obligatorische Inan-<br />

spruchnahme der Ausgleichsrücklage sondern über die alljährliche Umlageerhö-<br />

hung herbeizuführen. Auch die im Rahmen der NKF-Einführung nicht unübliche Fi-<br />

nanzierung von Altfehlbeträgen gehört zu diesem Szenario.<br />

Etliche Kommunen, die sich seit vielen Jahren in der Haushaltssicherung oder im<br />

Nothaushalt befinden und enorme Altfehlbeträge in Form der Kassenkredite vor sich<br />

herschieben, können einen Haushaltsausgleich auch auf lange Sicht aus eigener<br />

Kraft nicht darstellen. Erst recht ist es diesen Städten und Gemeinden nicht möglich,<br />

die aufgelaufenen Altkredite irgendwann einmal abzubauen.<br />

Daher muss in einem weiteren Kapitel auf die immerwährende und staatspolitisch<br />

höchst willkommene Auseinandersetzung der kommunalen Familie eingegangen<br />

werden, nämlich diejenige wegen der<br />

Finanzierung der Umlageverbände:<br />

. . .


- 4 -<br />

Gerade in den letzten Jahren hat es einen spürbaren Anstieg der Transferleistungen<br />

für Umlageverbände gegeben. Seit dem Jahr 2003 sind die Umlagezahlungen um<br />

rund 1,2 Mrd. Euro angewachsen. Dies entspricht einem prozentualen Anstieg von<br />

17,6 %!<br />

Ein erheblicher Teil der Einnahmen, die Kommunen pro Einwohner zur Verfügung<br />

haben (ca. 1.000 Euro) wird von vorneherein für die Finanzierung der Kreisebene<br />

abgezweigt.<br />

Bei der Mehrzahl der Kreise beträgt dieser Anteil mehr als 50 %. Die Kreise ihrerseits<br />

sehen sich ebenso wie die kreisfreien Städte unter dem Damoklesschwert der Umla-<br />

geentwicklung bei den Landschaftsverbänden. Angesichts der zu erwartenden Kos-<br />

tensteigerungen, insbesondere bei der Eingliederungshilfe, ist auch die Entwicklung<br />

der Landschaftsverbandsumlage auf mittlere Sicht klar mit steigender Tendenz vor-<br />

gezeichnet. Die Eingliederungshilfe macht als größten Posten zurzeit etwa 5/6 des<br />

Jahresbetrages aus.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Mitglied des Sozial- und des Finanz-<br />

ausschusses des Landschaftsverbandes kann ich Ihnen authentisch aus den ent-<br />

sprechenden Sitzungen über hitzige Diskussionen zu diesem Themenbereich berich-<br />

ten. Alleine die Steigerungsrate für den LWL-Sozialhaushalt 2009 liegt bei 170 Mio. €<br />

und hat trotz hoher Mehreinnahmen aus Mitnahmeeffekten zu einer weiteren Erhö-<br />

hung der Umlage geführt. Der Bereich der Behindertenhilfe im LWL-Haushalt 2009<br />

nimmt eine Größenordnung von 2.050 Mrd. €, das sind rd. 86 % der veranschlagten<br />

Aufwendungen, ein. Die weitere Entwicklung zeigt eine jährliche Steigerung von<br />

rd. 5 %, das sind allein für den Bereich des LWL jährlich rd. 100 Mio. €, die über<br />

die Umlagen von den Städten und Gemeinden gezahlt werden müssen.<br />

Die Kommunen sind sich einig: Die diesbezüglichen Kosten sind nicht mehr von uns<br />

alleine zu schultern, sie sprengen jetzt und in Zukunft alle kommunalen Haushalte<br />

und konterkarieren alle Konsolidierungsbemühungen. Der Bund muss mit der Einfüh-<br />

rung eines Bundesteilhabegeldes seiner staatlichen Gesamtverantwortung gerecht<br />

werden und so mehr Selbstverantwortung und Wahlfreiheit von Menschen mit Be-<br />

hinderungen befördern. Es geht doch auch hier nicht nur um Rechengrößen. Auch<br />

. . .


- 5 -<br />

bei der ständigen Fallzahlensteigerung ist die Beachtung Menschenwürde gerade bei<br />

den Behinderten eine zentrales Anliegen. Die Einforderung gesamtstaatlicher Ver-<br />

antwortung ist eine der ersten und wichtigsten konkreten Forderungen der kommuna-<br />

len Familie. Zu diesem Punkt liegt im Übrigen ein Resolutionsentwurf den Land-<br />

schaftsversammlungen Westfalen-Lippe und Rheinland zur Beschlussfassung vor.<br />

Ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung<br />

Ein anderes Thema: Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass wegen der auch von den<br />

Umlageverbänden zu erwirtschaftenden Abschreibungen und Rückstellungen die<br />

Umlagesätze nach flächendeckender Umstellung auf das NKF tendenziell ansteigen.<br />

Es ist zu befürchten, dass im Ergebnis Liquidität von den Umlagezahlern über die<br />

Kreisumlagezahlungen abgezogen wird, obwohl die Umlagehaushalte diese gar nicht<br />

in dem Umfang benötigen, da die Abschreibungen und Rückstellungen in dem betref-<br />

fenden Haushaltsjahr keine Zahlungsverpflichtungen auslösen. Die Kalkulation der<br />

Umlagehaushalte, die wegen der kritischen Finanzsituation in den letzten Jahren oh-<br />

nehin verstärkt zu politischen Auseinandersetzungen geführt hat, wird daher durch<br />

die Umstellung auf das NKF eine neue Brisanz erhalten. Hier wird der Schwerpunkt<br />

für die Überprüfung der gesetzlichen Vorschriften <strong>zum</strong> NKF liegen.<br />

Um das an dieser Stelle einmal ganz deutlich zu machen: Mir geht es im Wesentli-<br />

chen nicht um die Kritik an den Umlagehaushalten, auch wenn es denen finanziell<br />

deutlich besser geht als den Gemeinden. Meine Kritik gilt der Umlagefinanzierung<br />

schlechthin. Sie gehört abgeschafft!! Wären Kreise und Landschaftsverbände mit<br />

einer eigenen Steuerhoheit, eigenen originären Einnahmen ausgestattet, würden die<br />

jährlichen Verteilungskämpfe nicht mehr stattfinden müssen. Jede Ebene müsste<br />

ihre Probleme selber lösen und könnte die Verantwortung nicht im Wege der Abwäl-<br />

zung nach unten abgeben. Ich bin der festen Überzeugung, dass dies elementare<br />

Auswirkungen auf die Struktur und das Verhalten der Umlagehaushalte zeiti-<br />

gen würde.<br />

Heterogene kommunale Landschaft<br />

Ein weiteres wichtiges Szenario, was die Durchsetzungskraft der Kommunen ent-<br />

scheidend schwächt, ist bisher kaum beachtet worden. Das ist die völlig heterogene<br />

. . .


- 6 -<br />

Lage in der kommunalen Landschaft. Einigen Kommunen geht es gut, einigen geht<br />

es zufrieden stellend, vielen geht es schlecht. Dazu kommt das soeben beschriebene<br />

Problem der Umlagehaushalte mit auch dort völlig unterschiedlichen Auswirkungen<br />

auf die kreisangehörigen Gemeinden. Auch die kreisfreien Städte nehmen sowohl in<br />

positiver als auch in negativer Hinsicht einen Sonderstatus ein. Insofern gelingt es<br />

nur sehr selten, dass die Kommunen mit einer Zunge sprechen.<br />

Die notwendige Macht der kommunalen Szene, die gegenüber Land und Bund erfor-<br />

derlich ist, kann somit nur in begrenztem Umfang ausgeübt werden. Die Begründung<br />

dafür, warum die gemeindlichen Finanzen so unterschiedlich sind, ergibt sich nicht<br />

in erster Linie aus dem Verhalten der Gemeinden. Die Hauptursache liegt in der un-<br />

terschiedlichen Finanzstruktur und dem nicht sachgerechten Finanzausgleich.<br />

Insofern fällt es Bund und Ländern immer wieder leicht, kommunale Anliegen als<br />

nicht allgemeingültig zu verwerfen. Hier erinnert man sich an den historisch hilfrei-<br />

chen Grundsatz „Teile und Herrsche“. Insofern hat die staatliche Ebene keinerlei In-<br />

teresse an der Veränderung dieses Status Quo. Für die Kommunen wäre überle-<br />

bensnotwendig, den Grundsatz „Einigkeit macht stark“ verwirklichen zu können.<br />

Kommunale Finanzreform<br />

Es ist bundesweit festzustellen, dass sich Landesregierungen in die Belange der<br />

Kommunen einmischen. Manche, und dazu gehört auch NRW, versuchen, ihre Lan-<br />

deshaushalte zu Lasten der Kommunen sanieren. Wenn wir mehr ortsnahe, bürger-<br />

freundliche Entscheidungen wollen, dann brauchen wir mehr Verantwortung für die<br />

Kommunen. Und wenn wir mehr Verantwortung für die Kommunen wollen, dann<br />

brauchen wir eine solide kommunale Finanzausstattung. Auch anderswo müssen die<br />

Kommunen den Eingriffen der Länder entschlossen widerstehen. Gerade die politi-<br />

schen Kräfte, die sich aufmachen, in den kleinen Einheiten wieder Kraft zu schöpfen<br />

und aus den Kommunen heraus über die Länder auch wieder im Bund dauerhaft die<br />

Verantwortung zu erringen, gerade sie müssen für eine solide Finanzausstattung der<br />

Kommunen kämpfen. Deshalb fordern wir eine grundlegende Gemeindefinanzre-<br />

form. Hierzu gibt es seit langem tragfähige und belastbare Ansätze, die ich hier nicht<br />

wiederholen will. Die kommunalen Finanzen müssen langfristig auskömmlich und<br />

planbar sein.<br />

. . .


Kommunaler Finanzausgleich<br />

- 7 -<br />

Das was bisher immer wieder vermutet wurde und immer wieder Gegenstand spe-<br />

zieller Erörterungen war, lässt sich ganz konkret an Zahlen festmachen. Es gibt spe-<br />

zielle Finanzierungsprobleme des kreisangehörigen Raumes:<br />

So haben im Jahr 2006 die kreisfreien Städte durchschnittlich einen Schlüsselzuwei-<br />

sungsbetrag von 283,16 Euro pro Einwohner erhalten, die kreisangehörigen Ge-<br />

meinden und die Kreise zusammen dagegen nur einen Betrag von 223,24 Euro. Das<br />

sind 21 % weniger. Im Jahre 2005 waren die Unterschiede sogar noch eklatanter:<br />

die kreisfreien Städte erhielten durchschnittlich 323,27 Euro; kreisangehörige Ge-<br />

meinden Kreisen zusammen nur 220,60 Euro. Dabei muss berücksichtigt werden,<br />

dass der Aufgabenbestand beim Vergleich der kreisfreien Städte und des kreisange-<br />

hörigen Bereichs insgesamt durchaus vergleichbar ist. Insofern spricht aus Sicht der<br />

kreisangehörigen Gemeinden und der Kreise viel dafür, dass die Verteilung der Fi-<br />

nanzausgleichsmittel derzeit nicht sachgerecht erfolgt.<br />

Darüber hinaus ergibt sich aus entsprechenden Ermittlungen, Stichwort „fiktive He-<br />

besätze“, dass den kreisfreien Städten von ihren tatsächlichen Einnahmen fast 600<br />

Mio. Euro überhaupt nicht im Finanzausgleich angerechnet werden, während den<br />

kreisangehörigen Gemeinden 135 Mio. Euro mehr angerechnet werden, als sie tat-<br />

sächlich einnehmen. Fazit: Der kreisfreie Raum profitiert nicht nur massiv von<br />

der Hauptansatzstaffel (=Einwohnergewichtung), sondern ganz eklatant von<br />

den fiktiven Hebesätzen.<br />

Dazu kommt, dass der kommunale Finanzausgleich in NRW als einzigem Bun-<br />

desland gänzlich auf Flächenindikatoren verzichtet. Also ist doch die Frage be-<br />

rechtigt, ob der Landesgesetzgeber alle Aufgabenerledigungen, die flächengeprägt<br />

sind, ausblenden kann. Bei der Aufgabenwahrnehmung der Kreise und kreisangehö-<br />

rigen Gemeinden spielt die Flächenbezogenheit eine wichtige Rolle. Es gibt zahl-<br />

reiche Aufgabenfelder, die im ländlichen Raum aufgrund geringer Einwohner-<br />

dichte und großräumiger Flächen im Verhältnis zu den Ballungsräumen erheb-<br />

. . .


- 8 -<br />

liche zusätzliche Kosten verursachen. Dies gilt im Besonderen für die Bereiche<br />

Straßenwesen, Stichwort „deutlich längere Straßennetze“, Landschafts- und<br />

Naturschutz, Stichwort: „Erholungsräume für die Einwohner der Ballungsge-<br />

biete“.<br />

Deutlich flächengeprägt sind auch der ÖPNV, die Schülerbeförderungskosten,<br />

das Veterinärwesen, das Landwirtschaftswesen sowie die Wasserwirtschaft. All<br />

diesen Aufgabenfeldern ist gemeinsam, dass mit abnehmender Siedlungsdichte ein-<br />

wohnerbezogen die Kosten der Aufgabenerfüllung stark ansteigen.<br />

Es muss dringend überprüft werden, ob die progressive Berücksichtigung der Ein-<br />

wohnerzahl den Aufgabenbestand noch zutreffend abbildet. Unter betriebswirtschaft-<br />

lichen Effizienzgesichtspunkten dürfte die Kernverwaltungstätigkeit bei steigender<br />

Einwohnerzahl pro Kopf sogar kostengünstiger werden. Sonderbedarfe, die sich aus<br />

der Funktion als Oberzentrum ergeben, könnten auch als solche ausgeglichen wer-<br />

den oder durch ein System pauschaler Zuweisungen erfasst werden.<br />

Es bleibt zu hoffen, dass die Problematik der strukturellen Unterfinanzierung der<br />

kommunalen Haushalte durch die ifo-Kommission zur Weiterentwicklung des kom-<br />

munalen Finanzausgleichs <strong>zum</strong> Schwerpunkt der Untersuchungen gemacht wird.<br />

Anwendung des Konnexitätsprinzips<br />

Die vom Bund und Land beschlossene Änderung der Steuer –und anderer Gesetze<br />

trifft die Kommunen mehrfach: direkt durch Ausfälle beim Gemeindeanteil der Ein-<br />

kommenssteuer, direkt bei der unzureichenden Finanzierung von übertragenen Auf-<br />

gaben und indirekt über den kommunalen Finanzausgleich. Bundes- und Landes-<br />

regierung verteilen großzügig immer neue politische Geschenke und sanieren<br />

ihre Haushalte, nehmen aber zur Finanzierung die Kommunen in die Pflicht.<br />

Damit muss Schluss sein! Wenn der Bund oder die Länder Gesetze beschließen<br />

mit neuen finanziellen Belastungen für die Kommunen, dann müssen sie die dazu-<br />

gehörige Finanzausstattung gleich mitliefern. Überall im Leben gilt: Wer bestellt,<br />

bezahlt. Diesen eigentlich selbstverständlichen Grundsatz müssen wir endlich auch<br />

wieder in der Politik einführen. Deshalb sollten wir uns dafür einsetzen, das Konnexi-<br />

. . .


- 9 -<br />

tätsprinzip fest im deutschen Rechtsgefüge zu verankern – am besten, indem wir<br />

ihm Verfassungsrang verleihen.<br />

Es ist höchste Zeit, dass politisch gehandelt wird – es ist höchste Zeit, dass die oft-<br />

mals beschworene kommunale Familie zeigt, dass sie wirklich eine Familie ist, und<br />

zwar eine intakte Familie.<br />

Belastungen durch Bund und Land<br />

Die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen haben in den letzten Jahren er-<br />

hebliche finanzielle Belastungen seitens des Landes innerhalb und außerhalb des<br />

kommunalen Finanzausgleichs verkraften müssen. So sind immer wieder kommunal<br />

belastende Änderungen im Landeshaushalt bzw. im Haushaltsbegleitgesetz vorge-<br />

nommen worden. Daneben hat es zuletzt im GFG 2007 dauerhafte strukturelle Ver-<br />

schlechterungen im kommunalen Finanzausgleich gegeben. So hat das Land den<br />

kommunalen Steuerverbund um den 4/7-Anteil an der Grunderwerbsteuer ge-<br />

kürzt. Diese Kürzung allein macht im Jahr 2007 165 Mio. Euro aus, in den<br />

nächsten sechs Jahren werden den Kommunen so rd. 1 Mrd. Euro an Finanz-<br />

mitteln entzogen.<br />

Weitere Beispiele:<br />

Im Landeshaushalt bzw. im Haushaltsbegleitgesetz und im GFG haben die Städte<br />

und Gemeinden<br />

- 165 Mio. Euro Anteil Grunderwerbsteuer<br />

-110 Mio. Euro Erhöhung Krankenhausinvestitionsumlage<br />

- 8 Mio. Euro Kürzung Landeszuschüsse Weiterbildung<br />

- 70 Mio. Euro Fortführung der Absenkung der Sachkostenpauschale nach §<br />

18b GTK zu tragen, um die gleichen Beträge verbessert sich die „Bilanz“ des Lan-<br />

deshaushalts.<br />

Auch vor dem Haushaltsjahr 2007 hat es aber immer wieder Belastungen seitens<br />

des Landes gegeben. Insgesamt ist eine kommunale Belastung allein durch die<br />

Krankenhausmitfinanzierung von 2002 bis 2007 in Höhe von über 600 Mio. Euro<br />

zu verkraften.<br />

. . .


- 10 -<br />

Dazu kommen Befrachtungen des Finanzausgleichs: Seit 1999 wurde dieser mit<br />

jährlich 166,2 Mio. Euro befrachtet. Diese Befrachtung besteht bis heute fort. Zusätz-<br />

lich ist in den Jahren 2001 bis 2005 der Steuerverbund mit jährlich weiteren rd. 158,5<br />

Mio. Euro für den Straßenbau befrachtet worden. Insgesamt ergibt sich daraus ein<br />

kommunal belastendes Befrachtungsvolumen von 1999 bis 2007 in einer Höhe<br />

von 2,288 Mrd. Euro.<br />

Auch im Rahmen des Finanzausgleichs 2009 werden Großtaten verkündet, die sich<br />

bei näherem Hinsehen als Mogelpackung entpuppen. Der als großzügige Tat ver-<br />

kündete Zuwachs bei der verteilbaren Finanzausgleichsmasse von rund 240 Mio. €<br />

ist lediglich Folge der Verpflichtung des Landes, die Kommunen an den Ge-<br />

meinschaftssteuern zu beteiligen und stellt die Differenz zwischen den Zahlen des<br />

Gesetzentwurfs und den tatsächlichen Einnahmen dar. Die ebenso als Wohltat ver-<br />

kündete Zweckbindung von 60 Mio. € dieses Betrages an die Bildungspauschale<br />

stellt lediglich eine weitere Befrachtung der allgemeinen Schlüsselzuweisungen<br />

dar und keinen Mehrbetrag. Dieser Betrag bewirkt im Ergebnis eine Umverteilung<br />

von schwachen auf starke Kommunen.<br />

Der Bund steht aber dem Land in der fantasiereichen Belastung der Kommunen nicht<br />

nach. So ist die kommunale Finanzsituation in der jüngsten Vergangenheit auch im-<br />

mer wieder von Seiten der Bundesebene unter Druck geraten. Zu erinnern ist hier<br />

beispielhaft an die Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Kindergarten-<br />

platz ab 3 Jahre, der die Kommunen bundesweit unter dem Strich 10 Mrd. Euro<br />

kostet. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen wenden allein rd. 1 Mrd. Euro an<br />

kommunalem Kostenträgeranteil für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen<br />

nochmals mehr als 1 Mrd. Euro Kosten für eigene kommunale Kindergärten.<br />

Insgesamt sind die NRW-Kommunen daher mit einem Betrag von mehr als 2<br />

Mrd. Euro jährlich durch den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab 3<br />

Jahren finanziell belastet.<br />

Aktuell will die Bundespolitik hier noch aufsatteln und die Kommunen dazu verpflich-<br />

ten, die Betreuung der unter Dreijährigen auszubauen. Zur Finanzierung sollte Ent-<br />

lastung durch die Hartz IV-Reformen in Höhe von 2,5 Mrd. Euro erfolgen. Zwischen<br />

. . .


- 11 -<br />

Bund und Ländern ist jedoch ein Kompromiss zu Lasten der Kommunen gefunden<br />

worden. Dadurch fehlen 1,5 Mrd. Euro beim Entlastungsbetrag. Dies sind exakt die<br />

1,5 Mrd. Euro, die die Kommunen für die Betreuung der unter Dreijährigen einsetzen<br />

sollten. Gleichwohl wird den Bürgerinnen und Bürgern von Seiten der Bundespolitik<br />

versprochen, man werde die U3-Betreuung ausweiten. Hier gibt es für die Städte und<br />

Gemeinden ein großes Finanzierungsrisiko, weil nicht ausgeschlossen werden kann,<br />

dass die Kommunen mit der Finanzierungsverantwortung allein gelassen werden.<br />

Auch die vormals als sozialpolitische Großtat und als für die Kommunen kostenneut-<br />

ral verkündete Grundsicherung im Alter oder bei voller Erwerbsminderung nach SGB<br />

XII gehört zu den großen Belastungsfaktoren. Sie belastet die Kommunen bundes-<br />

weit mit einer jährlichen Summe von 3,1 Mrd. €. Der Bund und will sich zukünftig nur<br />

noch mit 7,1 % an den Gesamtkosten der Grundsicherung beteiligen. Hier gilt das<br />

Motto: „Tue Gutes und lass es andere bezahlen!“<br />

Eine weitere enorme finanzielle Belastung ergibt sich aus der Mehrwertsteuererhö-<br />

hung <strong>zum</strong> 01.01.2007. Zwar sind die Kommunen an dem Aufkommen mit 2,2 % be-<br />

teiligt. Es ist aber heute erkennbar, dass die Unternehmen die Mehrwertsteuererhö-<br />

hung nicht in vollem Umfang an den Markt weitergeben können, sondern dass die<br />

Mehrwertsteuererhöhung <strong>zum</strong>indest zu einem Teil die Ertragssituation der Unter-<br />

nehmen schmälert. Das hat unmittelbar negative Auswirkungen auf das Gewerbe-<br />

steueraufkommen sowie auf die Verbundsteuern.<br />

Schließlich stellt auch die Unternehmensteuerreform 2008 ein großes Finanz-<br />

risiko für die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen dar. In den Jahren<br />

2008 bis 2011 müssen die Kommunen danach noch mit unmittelbaren Minder-<br />

einnahmen durch die Unternehmensteuerreform von knapp 2 Mrd. Euro rech-<br />

nen. Im Jahr 2008 werden Mindereinnahmen von 0,85 Mrd. Euro erwartet, in den<br />

Jahren 2009 und 2010 jeweils rd. ½ Mrd. Euro sowie knapp 0,1 Mrd. Euro im Jahr<br />

2011. Erstmals im Jahr 2012 rechnet das BMF per saldo für die Städte und Gemein-<br />

den mit leichten Mehreinnahmen von 0,3 Mrd. Euro, die im Wesentlichen aus der<br />

Absenkung der Gewerbesteuerumlage um dauerhaft 3 Vervielfältigerpunkte resultie-<br />

ren.<br />

. . .


- 12 -<br />

Zu diesen unmittelbaren Auswirkungen muss man immer auch die mittelbaren Aus-<br />

wirkungen über die kommunalen Finanzausgleiche sehen. So sind die Städte und<br />

Gemeinden in Nordrhein-Westfalen mit dem Verbundsatz in Höhe von 23 % an den<br />

Mindereinnahmen des Landes bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer<br />

beteiligt. Es ist daher für den Zeitraum der Jahre 2008 bis 2012 mit mittelbaren Ein-<br />

nahmeverlusten für die NRW-Kommunen in Höhe von nochmals gut 500 Mio. Euro<br />

zu rechnen. Auch das jetzt beschlossene Konjunkturprogramm II enthält Einkom-<br />

menssteuerentlastungen, die die Kommunen mitfinanzieren müssen.<br />

Beispiel Gemeinde <strong>Wilnsdorf</strong><br />

Damit einmal an einem konkreten Beispiel deutlich wird, wie sich das alles, die zuge-<br />

gebenermaßen schwierige Materie, konkret auswirkt, stell ich Ihnen das an ausge-<br />

wählten Eckdaten des <strong>Wilnsdorf</strong>er Haushalts dar.<br />

In den 12 Jahren von 1997 bis 2008 hat die Gemeinde <strong>Wilnsdorf</strong><br />

eingenommen.<br />

an Gewerbesteuer den Betrag von rd. 84 Mio. €<br />

und an Schlüsselzuweisungen den Betrag von rd. 22 Mio. €<br />

das sind zusammen rd. 106 Mio. €<br />

Im gleichen Zeitraum hat die Gemeinde <strong>Wilnsdorf</strong><br />

gezahlt.<br />

an Kreisumlage den Betrag von rd. 105,0 Mio. €<br />

an Gewerbesteuerumlage den Betrag von rd. 9,5 Mio. €<br />

und an Fond Deutsche Einheit rd. 7,5 Mio. €<br />

das sind zusammen rd. 122,0 Mio. €<br />

Dass sich das daraus ergebende Defizit in Höhe von rd. 16 Mio. in der Größenord-<br />

nung mit der Höhe der gemeindlichen Kassenkredite deckt, mag man als Zufall an-<br />

sehen. Für mich ist es ein schlüssiges Indiz für unsere Finanzlage.<br />

V. Forderungen<br />

. . .


- 13 -<br />

Die vorstehend geschilderte Finanzsituation der Kommunen wird zwar ständig disku-<br />

tiert, aber nicht wahrgenommen. Es ist ein dringendes Gebot der Stunde, dass wir<br />

Politik und Öffentlichkeit deutlich auf das Dilemma hinweisen. Es ist daher festzustel-<br />

len:<br />

1. Die kommunale Finanzsituation ist dramatisch. Anderslautende Stellungnahmen<br />

vermitteln ein falsches und für die Reformbereitschaft der Politik fatales Bild. Tat-<br />

sächlich bleibt es für eine große Zahl von Kommunen schwierig oder gar unmöglich,<br />

wichtige wirtschafts-, sozial- und umweltpolitische Aufgaben für die Bürgerinnen und<br />

Bürger wahrzunehmen. Kommunale Selbstverwaltung im eigentlichen Sinne ist man-<br />

gels finanzieller Bewegungsspielräume für diese Kommunen auf lange Sicht nur<br />

noch eine Wunschvorstellung.<br />

2. Die Städte und Gemeinden brauchen deshalb weiterhin dringend eine Gemeinde-<br />

finanzreform, die nicht nur für eine dauerhafte und tragfähige Balance zwischen Ein-<br />

nahmen und Ausgaben sorgt, sondern auch im Interesse zukünftiger Generationen<br />

einen Abbau von finanziellen Altlasten gestattet.<br />

3. Vor dem Hintergrund der desaströsen Finanzsituation ist ein verlässlicher kommu-<br />

naler Finanzausgleich dringend erforderlich. Das Land steht in der verfassungsrecht-<br />

lichen Pflicht, eine auskömmliche Finanzausstattung für die Kommunen sicherzustel-<br />

len. Die Städte und Gemeinden erkennen den Konsolidierungszwang im Landes-<br />

haushalt an. Jede Ebene muss aber für sich den Haushalt konsolidieren. Die Städte<br />

und Gemeinden können sich keinen kommunalen Konsolidierungsbeitrag zugunsten<br />

des Landeshaushalts leisten. Wenn das Land für den aktuellen Aufgabenbestand der<br />

kommunalen Ebene keine ausreichende Finanzierung sicherstellen kann, dann muss<br />

der Aufgabenbestand reduziert oder Standards zur Erfüllung der Aufgaben müssen<br />

abgebaut werden.<br />

4. Die Städte und Gemeinden fordern das Land auf, die strukturellen Verschlechte-<br />

rungen in der Gemeindefinanzierung zurückzunehmen. Zur Klarstellung: Das war in<br />

10 Jahren ein Betrag von mehr als 3,5 Mrd. Euro.<br />

. . .


- 14 -<br />

5. Das Konnexitätsprinzip darf nicht nur auf dem Papier stehen, sondern muss von<br />

allen Beteiligten auch seinem Geist nach gelebt werden. Dies gilt insbesondere auch<br />

für die anstehende Verwaltungsstrukturreform, die nur in Verbindung mit einem fairen<br />

Kostenausgleich zu einem Erfolg werden kann.<br />

6. Die Städte und Gemeinden fordern eine Anpassung der Finanzierungsstruktur für<br />

den „Aufbau Ost“ an die Lage der Kommunalhaushalte. Die Kriterien des Solidarpak-<br />

tes sind kritisch zu hinterfragen. Dies gilt für die Leistungsfähigkeit der Geberkom-<br />

munen wie auch für die Bedürftigkeit der Empfängerkommunen. Diese Korrektur hat<br />

nicht Zeit bis <strong>zum</strong> Auslaufen des Solidarpaktes im Jahr 2019.“<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich <strong>zum</strong> Schluss noch kurz auf zwei<br />

Punkte eingehen – das ist <strong>zum</strong> einen das Konjunkturpaket II. Das ist natürlich prinzi-<br />

piell richtig und notwendig - ich bin trotz der begrüßenswerten Pauschalmittel sehr<br />

gespannt, welche dirigistischen Vorgaben uns noch erreichen werden - .Wie es aber<br />

der Name schon sagt, handelt es sich um ein Paket zur Förderung der Konjunktur.<br />

Es hilft damit sicherlich auch den Kommunen, dringend notwendige Investitionen<br />

und Maßnahmen <strong>zum</strong> Erhalt der Infrastruktur besser und schneller zu verwirklichen.<br />

Es dient aber eben nicht zur dauerhaften Entspannung der gemeindlichen Finanzsi-<br />

tuation und beseitigt auch nicht die Ursachen der Misere. Es kann uns insbesondere<br />

nicht von der Verpflichtung entbinden, die kommunalen Finanzen endgültig in den<br />

Fokus der Betrachtungen zu stellen und zu handeln.<br />

Der zweite Punkt ist die Föderalismusreform. Natürlich haben die Kommunen sich<br />

von den vollmundigen Ankündigungen positive Ergebnisse, gerade über die Reform<br />

des Länderfinanzausgleichs, erhofft. Sie sind leider, wie so oft, enttäuscht worden.<br />

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Pläne zu einem wie auch immer gearteten Schul-<br />

dendeckel ab dem Jahr 2020 auswirken. Das Verbot, keine Schulden mehr zu<br />

machen, gleicht in seiner Qualität in etwa dem Verbot, durch Ausschalten der<br />

Uhren die Zeit anzuhalten. Daher hat die diesbezügliche Aussage eher den Cha-<br />

rakter eines Sandkastenspiels als einer ernsthaften politischen Absicht.<br />

. . .


Meine sehr geehrten Damen und Herren,<br />

- 15 -<br />

der Ort, an dem die Menschen Politik und Demokratie noch unmittelbar erfahren, ist<br />

die Kommune. Hier kennen sie die Politiker noch persönlich, die sie in ein Amt hinein<br />

wählen oder die sie abwählen. Und hier behält auch der Politiker in der Regel seine<br />

Bodenhaftung. Deshalb muss es Ziel aller Politik sein, die kommunale Selbstverwal-<br />

tung zu stärken. Was die Kommune selber regeln kann, das dürfen ihr die Bundes-<br />

oder die Landesregierung nicht aus der Hand nehmen. Kommunalpolitiker erleben<br />

jeden Tag, dass Investitionsentscheidungen nicht nach sachlicher Notwendigkeit tref-<br />

fen, sondern danach, welche Vorgaben zu erfüllen sind oder danach, für welches<br />

Projekt es die meisten Fördermittel gibt! Es ist jeden Tag festzustellen, dass nur noch<br />

ganz wenige Angelegenheiten in freier Selbstverwaltung ohne Bindungen und Aufla-<br />

gen entschieden werden dürfen. Das darf uns weder zufrieden stellen noch ruhen<br />

lassen.<br />

Ich erinnere all jene, die das nicht mehr wissen:<br />

„Die Gemeinden sind die Grundlage des demokratischen Staatsaufbaus. Sie<br />

fördern das Wohl der Einwohner in freier Selbstverwaltung durch ihre von der<br />

Bürgerschaft gewählten Organe.“<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fordere sie alle auf, egal welcher politi-<br />

scher Couleur und in welcher Funktion, sich heute und in Zukunft intensiv für die Be-<br />

lange der kreisangehörigen Gemeinden einzusetzen. Es wird sicherlich interessant<br />

sein, jetzt gleich von Ihnen zu hören, was in der Gemeinde <strong>Wilnsdorf</strong> haushaltspoli-<br />

tisch alles richtig, aber natürlich besonders von der Opposition, was nun so alles<br />

falsch gemacht worden ist. Ich stelle hier und heute fest, dass wir in den letzten 13<br />

Jahren, das ist die Zeit, in der ich in <strong>Wilnsdorf</strong> mitarbeiten durfte, eine Menge richtig<br />

gemacht haben. Das auch Fehler passiert sind, liegt in der Natur des Menschen.<br />

Ich beschäftige mich nun seit mehr als 30 Jahren, mal mehr oder mal weniger mit<br />

gemeindlichen Haushalten. Ich kann Ihnen am heutigen Tage sagen, dass ich schon<br />

mindestens einmal fast alle Vorschläge gehört habe, wie man einen Haushalt sanie-<br />

ren kann. Was ich hier in <strong>Wilnsdorf</strong> neu und erstmals gehört habe, waren die Vor-<br />

. . .


- 16 -<br />

schläge, den Haushalt mit Steuersenkungen und Mehrausgaben zu sanieren. Ich<br />

habe mir lange Gedanken gemacht, wie man das verwirklichen kann, ich habe aber<br />

bisher keine Lösung gefunden. Vielleicht lerne ich ja heute noch etwas Neues hinzu<br />

und höre erstmals konkrete, umsetzbare und ernst gemeinte Vorschläge, auf welche<br />

Ausgaben wir verzichten sollen und welche Einnahmen wir erhöhen können.<br />

Ich weiß, dass Haushaltsreden immer auch Schauplätze politischer, populistischer, ja<br />

sogar demagogischer Hahnenkämpfe sind, sogar mit, und das habe ich in den letz-<br />

ten Jahren erstmals erfahren müssen, unsachlichen persönlichen Angriffen. Das<br />

dient zwar der Sache nicht und ist eine Niveau- und Charakterfrage, scheint aber<br />

dem auch in die Kommunalpolitik Einzug gehaltenen nicht konstruktiven Stil geschul-<br />

det zu sein. Wir werden es wohl weiter ertragen müssen. Wir müssen uns aber in<br />

einem klar sein: Wenn wir, auch über Fraktionsgrenzen hinaus, kommunal zukünftig<br />

nicht zusammen stehen, werden wir uns den staatlichen Ebenen gegenüber kein<br />

entsprechendes Gehör verschaffen können. Wer jetzt noch nicht erkannt hat, dass<br />

ernsthaftes gemeinsames Handeln angesagt ist, dem ist nicht mehr zu helfen.<br />

In diesem Sinne wünsche ich gute Beratungen.<br />

Ganz <strong>zum</strong> Schluss noch ein Zitat, u.zw. eine Erkenntnis des amerikanischen Unternehmers<br />

und Politikers Ross Perot:<br />

Nicht der ist ein Aktivist, der feststellt, dass der Fluss verschmutzt ist, sondern<br />

derjenige, der ihn reinigt.

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