vandagraf - WS Wippermann

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Band 8.1 Wippermann: Ich war in der Tat mächtig sauer! Dies ist Sachbeschädigung und alles andere als ein Kavaliersdelikt. Genauso schlechte Laune habe ich, wenn ich all die Schmierereien an Zügen, entlang der Fernstraßen, an öffentlichen Gebäuden und an Industrieflächen sehe. VANDAGRAF-Redaktion: Wie entstand die Idee, als Geschädigter einer Sachbeschädigung an die Sprayer heranzutreten, um dieses ungewöhnliche Angebot zu unterbreiten? Wippermann: Was wäre denn die Alternative? Polizei, Versicherung … und damit weiterer Ärger und Frust? Die Jungs werden sowieso nicht erwischt. Und wenn doch, dann haben die kein Geld. Die Sache zieht sich endlos hin und heizt den Ärger immer wieder an. Meine Vorgehensweise dagegen versprach von Anfang an auch für mich einen gewissen „Kick“: Melden die sich? Was wird da abgehen? Oder sind das Feiglinge? Wie kann ich trotzdem für uns einen positiven Nutzen generieren? VANDAGRAF-Redaktion: Wo sahen Sie Ihre grundlegenden Motivationen, dieses Projekt anzugehen? Wippermann: Ich selbst bin nicht ganz unkreativ: Wir legen hier bei Wippermann sehr viel Wert auf gestalterische Elemente, auf Optik, auf Wiedererkennung, auf „den andersartigen Auftritt“. Ich habe selbst gemalt, gezeichnet, ich fotografiere, gestalte unsere Print-Medien usw. Von daher ist Graffiti für mich trotz aller hässlichen Schmierereien eine künstlerische Ausdrucksform, die ja inzwischen auch Einzug gehalten hat in offizielle, seriöse Bereiche, etwa in die Werbung. Graffiti ist von starker, eindeutiger Aussagekraft: plakativ, eingängig, unmissverständlich und passt somit in unsere Zeit. Früher im Kunstunterricht fragten wir: Was will uns der Künstler damit sagen? Bei Graffiti stellt sich diese Frage nicht, es ist sozusagen die leichte Muse der Kunst. Das passt nicht nur in die Zeit, sondern hilft auch bei der Unternehmenskommunikation. Ich hatte schon lange damit geliebäugelt, unsere Wände gestalterisch anzugehen. Dies war nun die Gelegenheit, das Projekt anzufassen. VANDAGRAF-Redaktion: In der Vergangenheit hat sich mehr und mehr gezeigt, dass bei den Bemühungen Jugendkriminalität einzudämmen, die reinen „Law and Order- Strategien“, also Strategien die im Wesentlichen auf Geld- und Freiheitsstrafen abzielen, eher zu einer Zuspitzung der Problembereiche führen. Gefragt sind neben der Strafverfolgung auch präventive Projekte, die auf einen Dialog mit Jugendlichen setzen. War ein Hintergrundwissen über die kriminalprä- Seite 2 Einer der beiden 18-jährigen Sprayer bei der Auftragsarbeit Foto: Wippermann GmbH & Co. KG ventiven Zusammenhänge oder Intuition Ihre Entscheidungsgrundlage dafür, dass Sie den Dialog mit Jugendlichen innerhalb einer Projektarbeit für eine gute Alternative hielten? Wippermann: Ehrlich gesagt: Nein! Es ging mir zunächst nicht ansatzweise um irgendwelche edlen Ziele, etwa um die Mithilfe dabei, hier regional gefährdete Jugendliche auf die rechte Bahn zu leiten. Dazu war mir die Szene der Sprayer auch zu wenig bekannt, die Hintergründe waren mir nicht geläufig. Ich habe mich damit erst im Laufe des Projekts beschäftigt, auch dank der Hinweise der Polizei, die mich mit Vandagraf- Links versorgte. Ebenso bin ich nun regelmäßiger Gast auf streetfiles.org und bekomme ein Gespür für diese Szene. Die Stadt Bünde war mit ihrer Verantwortlichen für Jugend, Frau Wolff, anlässlich unseres Presse -Treffens zum Abschluss des Projekts vertreten: Frau Wolff hat viel über ihre tägliche Arbeit erzählt. Aus diesem Mix an Input kann ich mir inzwischen ein Bild machen, und ich verstehe nun auch, warum dieses Projekt und meine Entscheidung
Band 8.1 Schon im Laufe der Auftragsarbeit zieht es die ersten Zuschauer an. Foto: Wippermann GmbH & Co. KG über die ungewöhnliche Vorgehensweise so weite Kreise in der öffentlichen Wahrnehmung gezogen hat. VANDAGRAF-Redaktion: Wie gestaltete sich die Planungs- und Durchführungsphase der legalen Wandgestaltung mit den Sprayern und wie stark waren Sie in das Projekt eingebunden? Wippermann: Zunächst einmal war es ja notwendig, an die Öffentlichkeit zu gehen, nachdem die eigentlichen nächtlichen Sprayer sich nicht gemeldet hatten. Hier ist der Dank an die regionale Presse auszurichten, die das Thema sofort massiv aufgriff. Sogar die BILD war schließlich mit dabei. Nur so haben andere Sprayer – legale und illegale – von der Sache und von dem Angebot überhaupt erfahren können. Ich erhielt daraufhin Angebote von Profis und eben auch von den beiden Jungs, die dann schließlich den Auftrag erhielten. Sie hatten mich mit ihrem Vorschlag überzeugt und verstanden dann im persönlichen Planungsgespräch, was meine Intentionen sind; der Funke war übergesprungen. Wir haben dann über Preise und Termine gesprochen, die Farben ausgewählt und bestellt, die „Opfer-Wand“ ausgesucht und frisch weiß grundiert, weiteres Material bereitgestellt … und angefangen. Ich war ständig zugegen, habe fotografiert, Nachschub an Farbe teils auch selbst abgeholt. Wir haben dieses Event genutzt, um Kunden einzuladen, die wir mit Bratwurst vom Rost und Bier versorgten. Die Presse hat laufend berichtet, so dass wir regen Zulauf an Gästen hatten: Nicht nur Kunden waren neugierig, auch die Fans der Sprayer, Eltern und Großeltern … und eben auch private Besucher. Mit dem Wetter hatten wir nur Glück, es war eine runde Sache insgesamt. VANDAGRAF-Redaktion: Sind Sie mit dem Ergebnis der Wandgestaltung zufrieden? Wippermann: Die beiden Sprayer haben sich erfreulich nah an den Entwurf gehalten! Ich habe viel weniger erwartet und bin vom Ergebnis nicht nur überzeugt, sondern teile meine Begeisterung mit allen anderen Gästen, Seite 3 die dabei waren oder noch heute zur Besichtigung anreisen. Hier ist nicht nur ein begrenzter bunter Fleck auf einer weißen Wand entstanden, sondern dank der kreativen Vorgespräche ein „Gesamtkunstwerk“, welches dem Gebäude eine Sprache verliehen hat. VANDAGRAF-Redaktion: Wie haben die Jugendlichen -und insbesondere auch die beiden 18- Jährigen Sprayer - auf Ihre Idee zur Gestaltung der Fassade reagiert? Wippermann: Anfänglich schien mir noch ein Bodensatz von Misstrauen zu herrschen – auf beiden Seiten. Die Stimmung lockerte sich jedoch mit jedem neuen Farbauftrag, die beiden Macher gewannen Selbstbewusstsein, die ersten Freunde rückten an, dann die Eltern. Sie merkten wohl auch, dass ich wirklich dahinterstehe und begriffen, dieses Projekt als Chance zu weiteren Aufträgen zu kommen. Umso ehrgeiziger verfolgten sie dann die Arbeit. Die beiden wollten tatsächlich Spitzen-Qualität abliefern, sich selbst beweisen was sie können. Welche Bühne könnte da hilfreicher sein? Es war ja auch von Anfang an klar, dass ich intensive Pressearbeit betreiben würde. Daher war es schließlich auch keine Problem, dass wir unseren Zeitplan massiv überzogen: Aus zwei geplanten Tagen wurden fünf. VANDAGRAF-Redaktion: Benachbarte Firmen nahmen recht schnell Notiz von Ihrem Projekt. Zudem wurde es in der regionalen Presse thematisiert. Die Jugendamtsleiterin fand Ihre Idee und das Ergebnis der Sprayaktion gut. Gab es weitere Reaktionen und fielen diese immer so positiv aus?
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