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Märchen als Pdf Download zum Ausdrucken und Vorlesen

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Wie der Hase den Löwen tötete<br />

ein <strong>Märchen</strong> aus Nigeria<br />

bearbeitet 2013 von,<br />

Barbara Scheel, <strong>Märchen</strong>erzählerin<br />

BABUSCHKA-Theater, Haus der GeschichteN<br />

Leiergasse 15 A, 75031 Eppingen<br />

Vor langer, langer Zeit, lebten alle Tiere im Wald <strong>und</strong> ästen friedlich. Den König des<br />

Waldes, den Löwen, ärgerte das, <strong>und</strong> immer wieder versuchte er, die Tiere zu<br />

vertreiben, <strong>und</strong> er jagte sie, um sie zu verspeisen.<br />

Da hielten die Tiere eine große Versammlung ab <strong>und</strong> überlegten, wie sie in<br />

Frieden leben könnten. Schließlich einigten sie sich, gingen <strong>zum</strong> Löwen <strong>und</strong><br />

unterbreiteten ihm folgenden Vorschlag: „Jeden Tag um die Mittagszeit werden<br />

wir jemanden unter uns auslosen, der dann freiwillig zu dir kommt, um gefressen<br />

zu werden. Die anderen aber musst du in Ruhe leben lassen.“ Der Löwe war mit<br />

diesem Vorschlag einverstanden. Das war für beide Seiten gut, denn sonst hätten die<br />

Tiere ihren guten Futterplatz aufgeben müssen, <strong>und</strong> der Löwe wäre vor Hunger<br />

umgekommen.<br />

Jeden Mittag warfen die Tiere das Los, <strong>und</strong> derjenige, den es traf, ganz gleich ob groß<br />

oder klein, wurde <strong>zum</strong> Löwen gebracht. Eines Tages fiel das Los auf den Hasen. Die<br />

Tiere fingen ihn ein, um ihn <strong>zum</strong> Löwen zu bringen. Aber der Hase sprach: „Wenn ihr<br />

mich allein <strong>zum</strong> Löwen gehen lasst, werde ich ihn töten, <strong>und</strong> wir müssen keine Angst<br />

mehr vor ihm haben.“ – „Wie willst du das denn allein schaffen?“, fragten die Tiere.<br />

Der Hase erwiderte jedoch nur: „Lasst das meine Sorge sein, lasst mich nur machen!“<br />

Da ließen die Tiere ihn gehen. Sie warnte ihn aber, wenn er nicht Wort halte, würde<br />

man ihn schon finden <strong>und</strong> <strong>zum</strong> Löwen bringen.<br />

Der Hase suchte sich einen schattigen Platz, legte sich nieder <strong>und</strong> wartete. Als der<br />

Löwe unruhig wurde, weil man ihm noch kein Opfer gebracht hatte, erk<strong>und</strong>igte er sich<br />

zunächst, was denn geschehen sei. Aber keiner konnte ihm Antwort geben. Bis <strong>zum</strong><br />

Abend wartete er. Aber <strong>als</strong> auch zur Dämmerzeit niemand kam, wurde er sehr zornig<br />

<strong>und</strong> machte sich in seiner Wut auf, um das Opfertier selbst zu suchen.<br />

Der Hase beobachtete, wie der Löwe näher <strong>und</strong> näher kam. Er stand auf, heulte<br />

erbärmlich, trat ihm entgegen <strong>und</strong> fragte: „Warum bist du so zornig?“ Der Löwe<br />

fauchte: „Ich warte <strong>und</strong> warte, aber niemand bringt mir mein Fressen!“<br />

Da erzählte ihm der Hase jammernd: „Das Los fiel heute auf einen Verwandten von<br />

mir, <strong>und</strong> ich erhielt den Auftrag, ihn zu dir zu bringen. Das tat ich auch. Aber<br />

unterwegs, an einem Brunnen, begegnete uns ein anderer Löwe, <strong>und</strong> der raubte mir<br />

den Hasen, der für dich bestimmt war. Mein Jammern <strong>und</strong> Bitten half nichts. Dieser<br />

unverschämte Löwe fragte vielmehr: >Gibt es etwa in diesem Wald einen Löwen, der<br />

mächtiger ist <strong>als</strong> ich? Geh <strong>und</strong> sage ihm, dass ich bereit bin <strong>zum</strong> Zweikampf. Ich werde<br />

ihn besiegen, oder er möge kommen <strong>und</strong> mich besiegen!< Ich flehte ihn an, aber er<br />

drohte mir, uns alle beide fressen. Da bin ich weggelaufen. Komm mit mir! Ich will<br />

dir diesen schrecklichen Löwen zeigen!“ Der Löwe fauchte wütend, <strong>und</strong> der Hase ging<br />

voran <strong>und</strong> der Löwe folgte ihm auf den Fuß. Bald hatten sie den Brunnen erreicht.


Der Hase stellte sich auf den Brunnenrand, deutete in den Brunnen <strong>und</strong> sagte:<br />

„Schau hier hinein, dann siehst du, was du sehen musst!“ Der Löwe beugte sich über<br />

den Brunnenrand <strong>und</strong> erblickte im Wasser einen Löwen <strong>und</strong> einen Hasen. Er brüllte laut<br />

<strong>und</strong> kampflustig, aber der Löwe im Brunnen brüllte ebenso laut <strong>und</strong> riss sein Maul auf.<br />

Da setzte der Löwe <strong>zum</strong> Sprung an, um seinen Feind zu töten. So fiel er in den Brunnen<br />

<strong>und</strong> ertrank.<br />

Der Hase aber lief geschwind zu den anderen Tieren <strong>und</strong> erzählte ihnen, was<br />

geschehen war. Da zogen alle zu dem Brunnen, wo der Hase den Löwen mit<br />

seiner Klugheit besiegt hatte <strong>und</strong> feierten ein großes Fest.<br />

Deshalb sagt man:<br />

Stärke allein genügt nicht. Man muss auch klug sein. Ohne Klugheit würde man an<br />

Stelle eines Pferdes ein Kamel kaufen.<br />

Das Originalmärchen ist zu lesen in:<br />

Osanyin überlistet die Schildkröte, <strong>Märchen</strong> aus Nigeria (<strong>Märchen</strong> afrikanischer<br />

Völker), herausgegeben <strong>und</strong> übersetzt von Irmtraud Herms, Gustav Kiepenheuer<br />

Verlag, 1984, Leipzig <strong>und</strong> Weimar

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